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German Pages 381 [384] Year 2017
Georg Forster: Deutsche ‚Antheilnahme‘ an der europäischen Expansion über die Welt
Helmut Peitsch
Georg Forster: Deutsche ‚Antheilnahme‘ an der europäischen Expansion über die Welt
ISBN 978-3-05-006445-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-034387-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038052-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Coverabbildung: A chart of the southern hemisphere according the latest discoveries with the tracks of the resolution, cap. Cook, and the adventure, cap. Furneaux from 1772 to 1775 / by George Forster ; engraved by William Whitchurch. Bibliothèque nationale de France. Satz: LVD GmbH, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhaltsverzeichnis Einleitung
XI
Siglenverzeichnis
XV
I Forster und Cooks Zweite Reise 1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der ‚Seemächte‘ für das deutsche ‚Publikum‘ 3 1.1 Das Umfeld des Begriffs ‚Anteilnahme‘ 5 1.2 Das Textkorpus: ‚Unmittelbare‘ Beteiligung von Deutschen und Zusammengehörigkeit von Voyage of Discovery, Grand und Home Tour 8 1.3 Vier Schichten der Bedeutung von ‚literarischer Anteilnahme‘ 1.4 Zum Augenzeugen werden 19 1.5 Gefühl der Erhebung 23 1.6 Nähren von Wetteifer 29 1.7 In Tätigkeit versetzen 35
19
2 Zum Verhältnis von Text und Instruktionen in Georg Forsters Reise um die Welt 46 2.1 Widersprüche zum ‚Hauptendzweck‘ der Reise in Vorrede, Einleitung und expliziter Darstellung der Instruktionen 47 2.2 Adressat der ‚philosophischen Reisebeschreibung‘ und Primat der nautischen Geographie in den Instruktionen 50 2.3 Erzählung: Drei Kollisionen zwischen Regierungsauftrag und Zwecken der Wissenschaft 52 2.4 Erzählerkommentar: Widersprüchliche Harmonisierung der Kollisionen 65 3 Georg Forsters ‚deutsche‘ Kommentierung englischer Reisebeschreibungen über den Pazifik 72 3.1 Kommentierung in John Douglas’ Des Capitain Jacob Cook’s dritte Entdeckungsreise und George Keates Nachrichten von den PelewInseln 73 3.2 Kritik an deutschen Professoren der Philosophie: Immanuel Kant und Christoph Meiners 77 3.3 Die Rezeption von Forsters Douglas- und KeateÜbersetzungen 81
VI
Inhaltsverzeichnis
4 Georg Forster über Australien Die neue Welt des achtzehnten Jahrhunderts 84 4.1 „Sendschreiben eines Freundes in London an den Übersetzer“ (1772): Insel oder fünfter Weltteil 86 4.2 A Voyage round the World und Reise um die Welt (1776, 1778–1780): Unbewohntheit und hohe Erwartungen 89 4.3 „Neuholland und die brittische Colonie in Botany Bay“ (1786): Natur und Kultivierung 92 4.4 „Cook, der Entdecker“ (1787): Mittelpunkt des Handels und Emanzipation der Kolonie 99 4.5 Vorrede zu William Bligh’s Bericht von dem Aufruhr an Bord des Schiffes Bounty und Rezensionen von Reisebeschreibungen der First Fleet 1789–1792: Aussichten der Kolonie und Vernachlässigung der Wissenschaft 104 5 5.1 5.2 5.3
5.4
Georg Forsters Reisebeschreibungen und Übersetzungen in der Allgemeinen deutschen Bibliothek Friedrich Nicolais 107 Fälle der Korrektur einer ersten durch eine zweite Besprechung 107 Der unfeste Ort der Reisebeschreibung in der Systematik des Wissens der ADB 111 Abrücken von der grundsätzlichen Verurteilung sowohl unterhaltender Lektüre von Reisebeschreibungen als auch von Reflexion in einer Reisebeschreibung 115 Verstärkung des ‚Nationalen‘ unter Bedingungen verschärfter Zensur 117
II Forster und die deutschen Literaturverhältnisse 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6
Georg Forsters Begriff von ‚Nationalliteratur‘ 123 Der ‚Ton‘ der englischen Literatur 126 ‚Klassische‘ Vorbilder in der englischen Literatur 127 ‚Sinn‘ des Lesepublikums für bestimmte Schriftsteller und Arten des Schreibens 128 ‚Public spirit‘ als Vermittlung zwischen Autoren, Texten und Lesern 130 Englischer ‚Stolz‘ auf die eigene Literatur 131 Verkörperung der englischen Nationalliteratur im Genre Essay 133
Inhaltsverzeichnis
VII
7 Georg Forster und Goethes „Prometheus“ 135 7.1 Religiös-moralische Verwendung von „Prometheus“-Versen in privaten Briefen 136 7.2 „Prometheus“-Zitate in publizierten Arbeiten 139 7.3 Abwendung vom ‚Urbild der Vormundschaft‘ zur ‚Konkordanz von Naturmacht und Selbstmacht‘ in Briefen und posthum veröffentlichten Texten 142 146 8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“ 8.1 Der Unterschied zwischen Forsters und Herders Antike in den Ideen: Ästhetisierung als politische Radikalisierung 148 8.2 Rezeption von „Die Kunst und das Zeitalter“ als Partialisierung eines umfassenden Konzepts kultureller Erneuerung 158 8.3 Das Ideal und seine historischen Bedingungen 160 8.4 ‚Schwärmerey‘, ‚Volksreligion‘ und ‚Erfindung der Freiheit‘ 172 176 9 Herders Plastik und Georg Forsters Griechenland 9.1 Zwei Rezeptionslinien: Von Forster über Hegel zu Marx, von Herder über Hegel zu Haym 177 9.2 Zur Frage von Forsters Kenntnis von Herders Plastik und griechischen Plastiken 180 9.3 Forsters Abweichung von Herders Plastik in der sinnes psychologischen ‚Klassifikation‘ der Künste und der wirkungsästhetischen Grundannahme über die Rezeption der Werke griechischer Plastik 188 9.4 Übereinstimmungen zwischen Herders und Forsters Bildern der Griechen 191
III Forster und die Französische Revolution 10 10.1 10.2
10.3
Das Problem der Debattierbarkeit von Volkssouveränität in der Rezeption von Thomas Paines Die Rechte des Menschen 199 Konfrontation zwischen Bekenntnissen zum ‚kühnen‘ Paine und Verurteilungen des ‚frechen‘ (1791) 202 Auseinandersetzung über die von den Zensurorganen aufgenommene Gleichsetzung von Paine mit ‚Mordbrennerei‘ durch Johann Georg Zimmermann (1792) 205 Versuche, die Diskussion für abgeschlossen zu erklären: Mahnung zur ‚Bescheidenheit‘ (1793) 218
VIII 10.4 10.5 11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5
Autobiographische Erinnerungen an ‚Freimut‘ (1794–1795) 222 Zwei Beispiele handschriftlicher Rezeption von Paine 235 Georg Forsters Verabschiedung vom Stereotyp ‚polnische Wirtschaft‘ 238 Scheitern mit einem Projekt der Aufklärung ‚von oben‘ 243 Rückgriff auf das Stereotyp: Unreinigkeit, Langsamkeit und Dummheit 244 Verfassung: Weder ‚Policey‘ noch ‚public spirit‘ 249 ‚Verpolackisiren‘: Sorge um die ‚Eigentümlichkeit‘ des deutschen Schriftstellers 251 Absage an die ethnische Konstruktion eines ‚Charakters‘, der von Menschen- und Bürgerrechten ausschließt 254
12 Georg Forster über das Europa der neunziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts 256 12.1 Abstand zu Europa-Konzeptionen des absolutistischen Gleichgewichts und der Zivilisation 257 12.2 Nationalcharakter als Bedingung der Emanzipation: kulturelle Reife und politische Mündigkeit 262 12.3 Widersprüchliche Verwendung des Begriffs Vaterlandsliebe 266 12.4 Widersprüchlichkeit von Forsters Begriff der Nation: Bewertung von Nationaltracht in Schweden, Ungarn und Holland 268 12.5 Vergleiche mit nicht-europäischen Ländern: Norm der kulturellen Entwicklung 271 13 Französische und deutsche ‚Massen‘ in der Revolution: Bilder und Begriffe in Georg Forsters Schriften von 1793 über Paris und Mainz 275 13.1 Oswald Spengler, José Ortega y Gasset, Max Horkheimer und Walter Benjamin über Pariser Massen von 1793–1794 275 13.2 Mainzer Volkscharakter: arbeitende Klassen ohne den ‚Geist der Unabhängigkeit‘ ‚ehrbarer Bürger‘ 278 13.3 Nationalstolz und Eitelkeit 281 13.4 ‚Drahtpuppe‘ des Despotismus und ‚Versuche zum Gehen‘ des Kindes 283 13.5 Paris: Revolution als Naturerscheinung 285 13.6 Volk als öffentliche Meinung: ‚rohe Kraft der Menge‘ und ‚Masse der Vernunft‘ 288
Inhaltsverzeichnis
13.7 13.8 13.9 13.10
IX
289 Öffentliche Meinung als ‚Koloß‘ ‚Umsturz‘ des ‚herrschenden Geistes der Abhängigkeit von leblosen Dingen‘ 290 Ambivalenz der ‚Selbstaufopferung‘ in einer heroischen Szene und einer Gespenstergeschichte 292 Demokratie oder Nationalismus: Hannah Arendt 296
IV Statt eines Schlussworts 14 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6
Der Briefschreiber Georg Forster über das Briefschreiben 303 Briefe als Ersatz von Umgang: Überlegenheit des Gesprächs 307 Briefe als Neuigkeiten: ‚merkantilische‘ oder politische 310 Zum Verhältnis von Privatem und Öffentlichem: Treffen in Travers 312 Ablehnung der Veröffentlichung von Privatbriefen 313 Spannungsverhältnis zwischen Briefschreiben und eigentlicher literarischer Arbeit 315 ‚Briefton‘ als auf Identifikation gerichteter Selbstausdruck 316
Literaturverzeichnis
321
Verzeichnis der Erstdrucke Personenregister
358
356
Einleitung Vier Erdteile sind auf dem Titelbild dieses Buchs, einer Karte, die Georg Forster von der südlichen Hemisphäre zeichnete und die 1777 gedruckt wurde, zu sehen, weil Forster den Südpol um 25° aus dem Zentrum verschob – nur Europa ist auf den ersten Blick abwesend, aber seine Expansion in den Pazifik wird bei genau erer Betrachtung in den Besitz anzeigenden Namen von Inseln erkennbar, wie Possession Island. Zwanzig Jahre nach der Teilnahme an James Cooks Zweiter Reise um die Welt vertrat Forster die Mainzer Republik im Französischen Natio nalkonvent. Durch beides – die unmittelbare Beteiligung an der europäischen Expansion über die Welt und an der bürgerlich-demokratischen Revolution – unterscheidet sich Forster, der einmal schrieb, „der complette Schriftsteller des achtzehnten Jahrhunderts [...] deutscher Nation“ (AA XV, 231) zu sein, von seinen zeitgenössischen Kollegen. Hieraus ergeben sich die drei Teile des vorliegenden Buchs, das zur Frage nach der deutschen Position in einem über die Welt expan dierenden Europa Aufsätze aus zwanzig Jahren der Auseinandersetzung mit Fors ters Werk ausgewählt hat: Im ersten Teil geht es um Forster und Cooks Zweite Reise, im zweiten um Forster und die deutschen Literaturverhältnisse und im dritten um Forster und die Französische Revolution. Die Dreigliederung setzt mit Großbritannien, Deutschland und Frankreich einen Akzent auf die Frage der Nation, die in der Rezeptionsgeschichte Forsters sehr unterschiedlich beantwortet worden ist. Für Johann Gottfried Herder verkörperte Forster in den Briefen zu Beförderung der Humanität (1796) den aktuell gefährdeten „Faden“, „der uns mit den Gedanken andrer Nationen verknüpft“ (Herder o.J, Bd. 13, 467), aber Forster ist auch der ein zige deutsche Schriftsteller, der einen Artikel im britischen Dictionary of National Biography hat; die dort 1889 erschienene Darstellung geht mit Selbstverständlich keit davon aus, dass A Voyage round the World sein bestes und Hauptwerk ist (Dictionary 1889, Bd. 20, 16). Wie schon 1829, als die Monthly Review Therese Hubers Briefausgabe rezensierte, die im Jahr des Erscheinens auch auf Englisch herausge kommen war, werden in Forsters Biographie Deutsches, Englisches und Französi sches abgewogen: Theorie, Praxis und Politik, mit dem Ergebnis, dass Forster ein Engländer wird; er sei geprägt von „our country, where theory is so quickly accom panied by practice“ (Monthly Review (1829): 229), von „ideas of freedom which he had contracted during his residence in England“ (231). Den deutschen und franzö sischen Kontrast liefern die Stichworte „German philosophy“ als „perpetual whirl of systems and hypotheses“ (229–230) und „French politics“ als „all the horrors of that dreadful period“ (231); von beidem wird der anglisierte Forster getrennt: „[H]e preserved a calm collected view, and saw through the darkness of the present, the glimmering of the light that was to dawn on future generations.“ (231)
XII
Einleitung
Um den Zusammenhang der national gegliederten Kapitel auf den Punkt zu bringen, weiß der Verfasser keinen anderen als Georg Lukács, der 1946 auf den ersten Rencontres Internationales de Genève zum Thema „Der europäische Geist“ als einziger Teilnehmer über den Kolonialismus gesprochen hatte, bevor er formulierte: „[D]ie Krise der Demokratie, [..] die der Idee des Fortschritts, […] die des Glaubens an die Vernunft, […] die des Humanismus […] entstammen aus dem Sieg der großen Französischen Revolution […], weil eben dieser Sieg […] in nicht zufälliger Parallelität mit der industriellen Revolution in England, die öko nomische Grundlage der modernen bürgerlichen Gesellschaft, den Kapitalismus in seiner entfalteten Widersprüchlichkeit zum Ausdruck brachte. Weltanschau lich hat das zur Folge, daß die so entstehende gesellschaftliche Lage gleichzeitig und in unzertrennbarer Weise eine Erfüllung und eine Widerlegung der Ideen der Aufklärung beinhaltet.“ (Lukács 1984, 198–199) Die Widersprüchlichkeit dieses übergreifenden sozialgeschichtlichen Zusam menhangs präsentiert die Dreigliederung nicht nur national, sondern auch chro nologisch – von Forsters Texten aus den siebziger Jahren des achtzehnten Jahrhun derts über die der achtziger zu den der neunziger. Aber die Auswahl zielt nicht auf eine ‚Biographie‘ oder ein ‚Bild‘ des Autors, denn die vierzehn Kapitel analysieren Texte aus dem Gesamtwerk von Forster in der Breite seiner Genres – von Reisebe schreibung über Essay bis zum Brief, von Übersetzung über kommentierte Edition bis zur Rezension – und interpretieren sie in ihrem historisch-gesellschaftlichen Kontext. Dabei leitet Textanalyse und Interpretation die Frage nach der Stellung, die einem noch nicht als Nationalstaat konstituierten Deutschland in Europa und seiner Expansion über die außereuropäische Welt zugeschrieben wird; als Kontext wird insbesondere die deutsche Literatur der siebziger bis neunziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts herangezogen: von Wieland über Herder und Goethe bis zu Schiller und Friedrich Schlegel. Indem der Verfasser sich um die historische Spezifizierung von Forsters Stellungnahmen zur in letzter Instanz unerledigten Frage von Demokratie und Kapitalismus bemüht hat, hofft er den biographistischen Kurzschluss vermieden zu haben, der in den zuletzt erschienenen Biographien den ‚Weg‘ Georg Forsters vom Entdeckungsreisenden zum revolutionären Demokraten zum „Unglück“ macht, an dem seine Frau und sein Vater „Schuld“ getragen hätten (Uhlig 2004, 345), oder zur „‚Entwicklung einer Anlage‘“ (Goldstein 2015, 17), die ihn „in eine Sackgasse des Denkens“ habe „laufen“ (15) lassen. Statt eines „Dank[s]“ an Fors ter, „dass wir den Weg nicht zu wiederholen gezwungen sind“ (15), hofft der Verfasser, in Forsters Texten offene Fragen nachgewiesen zu haben, die solcher Selbstgewissheit, auf dem ‚rechten‘ Weg zu sein, widersprechen. Bei den Kapiteln des vorliegenden Buchs handelt es sich um überarbeitete Aufsätze, die von 1994 bis 2015 zum Teil an entlegenen Orten oder in englischer
Einleitung
XIII
Sprache erschienen sind (vgl. Verzeichnis der Erstdrucke). Die Texte wurden, wenn nötig, übersetzt und insofern aktualisiert, als die neuere Forschung zu Georg Forster berücksichtigt wurde.
Siglenverzeichnis Forster, Georg. Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe. Hg. Deutsche Akademie der Wissenschaften (1958–), Akademie der Wissenschaften der DDR (1974–), Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (2003). Bd. 1–18. Berlin: Akademie, 1958–2003. Zitiert im Text als: AA I: AA II: AA III: AA IV:
AA V: AA VI/1: AA VI/2: AA VII: AA VIII: AA IX: AA X/1:
AA XI: AA XII: AA XIII: AA XIV: AA XV: AA XVI: AA XVII: AA XVIII:
A Voyage round the World. Bearb. Robert L. Kahn. 2. Aufl. 1986. Reise um die Welt. 1. Teil. Bearb. Gerhard Steiner. 1965. Reise um die Welt. 2. Teil. Bearb. Gerhard Steiner. 1966. Streitschriften und Fragmente zur Weltreise. Erläuterungen und Register zu Bd. 1–4. Bearb. Robert L. Kahn, Gerhard Steiner, Horst Fiedler, Klaus-Georg Popp, Siegfried Scheibe. 2. Aufl. 1989. Kleine Schriften zur Völker- und Länderkunde. Bearb. Horst Fiedler, Klaus-Georg Popp, Annerose Schneider, Christian Suckow. 1985. Schriften zur Naturkunde. Erster Teil. Bearb. Klaus-Georg Popp. 2003. Schriften zur Naturkunde. Zweiter Teil. Bearb. Klaus-Georg Popp. 2003. Kleine Schriften zu Kunst und Literatur. Sakontala. Bearb. Gerhard Steiner. 2. Aufl. 1990. Kleine Schriften zu Philosophie und Zeitgeschichte. Bearb. Siegfried Scheibe. 2. Aufl. 1991. Ansichten vom Niederrhein. Von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich im April, Mai und Junius 1790. Bearb. Gerhard Steiner. 1958. Revolutionsschriften 1792/93. Reden, administrative Schriftstücke, Zeitungsartikel, politische und diplomatische Korrespondenz, Aufsätze. 1. Text. Bearb. Klaus-Georg Popp. 1990. Rezensionen. Bearb. Horst Fiedler. 2. Aufl. 1992. Tagebücher. Bearb. Brigitte Leuschner. 1973. Briefe bis 1783. Bearb. Siegfried Scheibe. 1978. Briefe 1784–Juni 1787. Bearb. Brigitte Leuschner. 1978. Briefe Juli 1787–1789. Bearb. Horst Fiedler. 1981. Briefe 1790 bis 1791. Bearb. Brigitte Leuschner, Siegfried Scheibe. 1980. Briefe 1792 bis 1794 und Nachträge. Bearb. Klaus-Georg Popp. 1989. Briefe an Forster. Bearb. Brigitte Leuschner, Siegfried Scheibe, Horst Fiedler, Klaus-Georg Popp, Annerose Schneider. 1982.
I Forster und Cooks Zweite Reise
1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der europäischen ‚Seemächte‘ für das deutsche ‚Publikum‘ Georg Forster scheint die Frage, welche Bedeutung die außereuropäischen Ent deckungsreisen Großbritanniens, Frankreichs oder Spaniens im letzten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts für ‚Deutschland‘ hatten, lapidar, aber erschöp fend beantwortet zu haben; er spricht von seinen deutschsprachigen Leserinnen und Lesern als einem „Publikum, wie das unsrige, welches nur einen litterari schen, mittelbaren Antheil an den Entdeckungen der Seemächte nehmen kann“ (AA V, 395). Allerdings ist das ‚nur‘ in Forsters – weithin als befriedigend akzep tierter – Antwort von der Forschung sehr verschieden interpretiert worden; drei Interpretationsrichtungen lassen sich unterscheiden. Da sind diejenigen, die wie Jürgen Osterhammel1 in der verbreiteten Lektüre von Reisebeschreibungen über die nicht-europäischen Kontinente schlicht eine Kompensation sehen: Die „von Kolonialpolitik und Überseehandel abgeschnittenen Deutschen“ kompensieren diesen Mangel durch Lesen (Osterhammel 1989, 11).2 Die zweite Interpretations
1 Osterhammel (1989, 22) betont einerseits, dass „ein internationaler, gesamtaufklärerischer Diskurs über die außereuropäische Welt“ geführt worden sei, und besteht andererseits auf einem engen als dem historisch angemessenen Begriff von Kolonialismus als „[H]errschaft von bewaff neten Siedlern oder Administratoren“ (2006, 25), indem er fälschlich behauptet, Cook habe „nir gends Territorien in effektiven Besitz genommen“: „Man muss den Begriff des ‚Kolonialismus‘ schon sehr weit dehnen, wenn man Louis-Antoine de Bougainvilles und Georg Forsters Südsee darunter fassen will.“ (27) Vgl. dagegen die verallgemeinerbare Frage von John Gascoigne (1996, 113): „[H]ow far did one necessarily need an empire to practice imperial science – did science based around the centers of calculation of a power such as the United States which lacked a formal empire differ from that of overtly imperial powers as Britain?“ 2 Das kompensierende Lesen (und Schreiben) wird als Eskapismus gedeutet, z. B. von Anja Hall, den sie als spezifisch deutsche „mentalitätsgeschichtliche Konstante“ auffasst: „Den deutschen Autoren [vom achtzehnten Jahrhundert bis zur Gegenwart] gelten die […] Inseln der Südsee als Zufluchtsraum und Zielort ihrer eskapistischen Phantasien.“ (2008, 11). Allerdings wird diese These von Hall gerade für Forster eingeschränkt, bei dem „das Bemühen um eine sachliche, vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit der Fremde“ ‚überwiege‘ (111). Auch Christiane Küchler Williams, die von einem europäischen, nicht spezifisch deutschen Eskapismus ausgeht, differen ziert Forsters „ausgewogene Sicht“ (2008, 171), wenn sie – wie auch Uerlings 2006 (zuerst: 2000), 26; Gisi 2007, 95; Gutjahr 2012, 338 – von einer „sexualisierten Sicht der Südsee“ ausgeht: „Die Fri gidisierung der europäischen Frau und die gleichzeitige Notwendigkeit der Maskulinisierung des Aufklärers in Europa erzeugte ein Vakuum der sexuellen Befriedigung, in welches die Südsee mit ihren scheinbar natürlich-ungehemmten Freuden strömte“ (Küchler Williams 2006, 308). Diese DOI: 10.1515/9783110343878-005
4
1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der europäischen ‚Seemächte‘
richtung verschärft diesen ‚Mangel‘ psychologisch zu einer Kränkung, so dass die Lektüre fremder Berichte zur Bearbeitung eines eigenen Traumas wird; dies ist die These Susanne Zantops. Sie entlarvt die Position des zuschauenden Außen seiters, die Authentizität und moralisches Urteil beanspruchende Schiedsrichter haltung, die sich als desinteressiert, kritisch und objektiv verstehe (Zantop 1997, 38), als Antizipation des deutschen Kolonialismus (116), als Gedanken, die nur darauf warteten, in die Tat umgesetzt zu werden (3). Entgegengesetzt deutet die dritte Interpretationsrichtung den in Forsters ‚nur‘ ausmachbaren Mangel: Rus sell A. Berman stellt, in Forster und James Cook personifiziert, „emancipatory reason“ und „instrumental rationality“ (Berman 1998, 40) gegenüber und ver allgemeinert am Fall Forsters Empathie, die Alterität toleriere (66) und Differenz respektiere (81), zu einer deutschen Besonderheit, die aus Marginalität (10) bzw. Liminalität (67) erklärt werden könne – aus dem Trauma3 wird so ein hermeneu tisches Privileg.4
Sexualisierung wird von Eva Maria Siegel als „Paradigma einer durchaus gewaltsamen Urteils bildung“ (Siegel 2010, 72) gedeutet: „In der Vorstellung paradiesischer Zustände […] reproduziert sich der Konnex von militärischer Gewalt und Medienindustrie also selbst.“ (75) Zur Kritik an der Verabsolutierung des Stereotyps vgl. Dürbeck 2004, 349. 3 Das Konzept Trauma benutzt z. B. Weller 2011, 251, zur Interpretation der Beziehungen Johann Reinhold und Georg Forsters zu Cook. 4 Die beiden in relativ kurzem Abstand in den USA erschienenen germanistischen Monogra phien, die den deutschen kolonialen Diskurs zwischen 1770 und 1900 zum Gegenstand haben, stehen im Kontext der Wende zu Post-colonial Studies innerhalb der German Studies der Verei nigten Staaten (vgl. Joch 2008), beziehen sich jedoch auf höchst unterschiedliche Weise auf die ses Umfeld. Zantops Buch erschien in der – von Stanley Fish und Fredric Jameson herausgege benen Reihe Post-Contemporary Interventions, deren Name Programm ist; Bermans Buch wurde von Peter Uwe Hohendahl in seine Serie Modern German Culture and Literature aufgenommen, wo im selben Jahr Jürgen Habermas’ Schriften zur ‚Berliner Republik‘ englisch herauskamen: Eine grundsätzliche Polemik gegen Poststrukturalismus und Dekonstruktion, vor allem gegen deren Ausprägung in Cultural Studies, durchzieht Bermans Text: „broadbrush denunciations of Western metaphysics are of little help […]. There is no explanatory value in trying to squeeze the history of colonialism into the cheap monodrama of an evil Reason and an idealized Other […]. If it is true, that knowledge may be entangled in power, it is not the case that knowledge is solely power, or that power is the consequence of knowledge alone.“ (Berman 1998, 136) Es lag jedoch eher an dem, was auch der Klappentext von Zantops Buch versprach, dass Bermans Buch einen feindseligen Verriss durch einen führenden Vertreter der Post-colonial Studies in der Ang listik Großbritanniens erhielt: „Since Germany became a colonial power relatively late, postcolo nial theorists and histories of colonialism have thus far paid little attention to it.“ (Zantop 1997, Rückseite) Robert J. C. Young versuchte in seiner Berman-Besprechung, diesen Gegenstand als unwichtig zurückzuweisen, indem er den Status quo der Forschung rechtfertigte: „[I]n the post colonial context of the Anglophone world, Germany ranks in terms of neglect with Spanish or Portugese imperialism, or Dutch, Belgian, Italian, Turkish, Russian, Japanese or even American
1.1 Das Umfeld des Begriffs ‚Anteilnahme‘
5
So unbestreitbar die Tatsache ist, dass in den siebziger und achtziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts keines der Territorien, die das Heilige Römische Reich deutscher Nation ausmachten, entweder eine Seemacht war oder Kolonien besaß, so wenig scheint die bloße Ableitung aus diesem Sachverhalt, sei es von Kompensation, sei es von negativer Traumatisierung oder positiver Privilegie rung, Forsters eigenen Beitrag zur Bestimmung der Bedeutung der Entdeckungs reisen für Deutschland zu erschöpfen. Auch wenn sich solche Formeln auf starke Thesen prominenter postkolonialer Autoritäten berufen können (Said 1981, 11, 27–28; Sahlins 1995, 10–13; Pagden 1995, 147),5 erfassen sie vielleicht das ‚nur‘, aber kaum, was Forster auf den Begriff ‚literarischer Anteilnahme‘ brachte. Hie rum soll es im Folgenden gehen. Ich werde zunächst das Umfeld des Begriffs und das Textkorpus, in dem er von Forster verwendet wird, skizzieren, um dann vier Schichten der ‚literarischen Anteilnahme‘ genauer zu differenzieren.
1.1 Das Umfeld des Begriffs ‚Anteilnahme‘ In Forsters Schriften konkurriert ‚Anteilnahme‘ mit zwei anderen Wörtern, wenn es um die Bedeutung der außereuropäischen Entdeckungsreisen geht: erstens „Interesse“ (AA XI, 117; AA V, 164) oder „Bedürfniß“ (AA XI, 218) und zweitens „Wichtigkeit“ (AA XI, 213, 285, vgl. 104, 163–164, 237; AA V, 164). Quantativ ist jedoch Anteilnahme der bei weitem vorherrschende Begriff, vielleicht weil er klarer als die beiden anderen Wörter das Subjektive und das Objektive, die Rezi pienten und den Gegenstand ihrer Rezeption verknüpft. Zum Vergleich seien zwei
imperialism in its pre-1939 varieties: only the French get anything like comparable attention to the British.“ (1999, 48) Young wendete Bermans Beschäftigung mit deutscher Kolonialgeschichte insofern gegen diesen, als er ihm vorwarf, durch „placing his account of colonialism in a com parative national framework“ (49) nichts anderes zu tun, als der Praxis der Ideologen aus der Blütezeit des Imperialismus zu folgen, „to contrast the different colonial systems generally in order to argue for the superiority of their own“ (49). 5 Aus der Tatsache, dass es kein ‚Deutschland‘ gab, das als ‚Seemacht‘ an der außereuropäi schen Expansion beteiligt gewesen wäre, sind in der Forschung für den Blickpunkt deutscher Beobachter weitreichende Schlussfolgerungen gezogen worden: Hans-Jürgen Lüsebrink schreibt ihnen, unter Verweis auf Forster, Herder und Alexander von Humboldt, eine spezifische „eth nographische[…] Sensibilität für kulturelle Differenzen“ zu, für deren Erklärung er sich auf Marshall Sahlins beruft: „For the German bourgeois intellectuals […], bereft of power or even political unity, cultural differences became essential.“ (Lüsebrink 1998, 122; zitiert Sahlins 1995, 11) Anthony Pagden stellt – im Anschluss an Isaiah Berlin – den aus der deutschen Nicht-Betei ligung an der europäischen Expansion folgenden Relativismus, der auf traditionelle, zu bewah rende Kulturen setze (Pagden 1995, 147), einem westlichen Universalismus gegenüber.
6
1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der europäischen ‚Seemächte‘
Absätze in extenso zitiert, in deren erstem Forster von Interesse und Wichtigkeit spricht, während er im zweiten Anteilnahme benutzt. Am Schluss der Einleitung von „Neuholland und die brittische Colonie in Botany-Bay“ heißt es: Der Leser, der sich in die Ereignisse der Menschengattung überhaupt und namentlich sei nes Zeitalters verflochten fühlt, wird der möglichen und wahrscheinlichen Wichtigkeit die ser neuen Anstalt ein Interesse abgewinnen; er wird es uns vielleicht Dank wissen, daß wir ihn vorläufig auf den Schauplatz führen, und ihm mit wenigen Umrissen die ungestörte Natur jenes Landes schildern, welches nur noch seines Anbauers rege Kräfte erwartet, um dereinst in der Geschichte zu glänzen. Dampier und Cook sollen bey allem, was wir davon erzählen, unsere Gewährsmänner seyn. (AA V, 164)
Einen ersten Eindruck von der Komplexität des Konzepts ‚Anteilnahme‘ kann der Absatz geben, mit dem Forster seine „Fragmente über Kapitän Cooks letzte Reise und sein Ende“ in dem von ihm zusammen mit Georg Christoph Lichtenberg herausgegebenen Göttingischen Magazin der Wissenschaften und Litteratur 1780 eröffnet, um in einer emphatischen Aposiopese zu enden: Wer bey der Lesung neuer Reisebeschreibungen an dem Schicksale der Entdecker und Ent deckten Antheil genommen, der wird es fassen können, wie einem, der eine große Reise bereits einmal mitgemacht, zu Muthe werden mußte, als ihm zween Männer die Aben theuer ihrer neuen Fahrt erzählten. Zween Deutsche, Heinrich Zimmermann aus Speyer, und Barthold Lohmann aus Kassel, haben der lezten Entdeckungsreise der Engländer beygewohnt. Auf ihrer Durchreise habe ich sie hier gesprochen; dabey in Gedanken meine eigne Reise wiederholt, und die neuen Argonauten aller Orten begleitet. Allein das eigene Gefühl, welches die Nachrichten von meinen alten Freunden am andern Ende des Erd durchmessers, bey mir erregte, ist so nicht nachzubilden. – (AA V, 72)
Anteil genommen wird hier von LeserInnen, von Forster als Vermittler, von Auto ren eines mündlichen Berichts, Anteil genommen wird an dem Vermittler, an den Autoren als Entdeckern und an den Entdeckten. Das Beispiel zeigt, wie Forsters Weise, die Bedeutung der Entdeckungsreisen zu bestimmen, anderen Autoren verpflichtet ist, hier deutschen Seeleuten, aber neben deutschen spielen auch nicht-deutsche Schriftsteller eine große Rolle. Neben der ausdrücklichen Bezug nahme auf – vor allem französische – Diskussionen steht in Forsters Schriften die implizite Aneignung insbesondere von Begriffen; wenn die explizite Refe renz oft negativ, in der Regel polemisch ist, so erfolgt die positive Übernahme stillschweigend, nicht zuletzt, wenn sie im Gegensatz zur sonstigen Bewertung des Autors durch Forster steht. Geradezu als Formel findet sich die Frage nach dem „Werth der Entdeckungsreisen im Allgemeinen“ (AA XI, 181), die „die Fran zösischen Schriftsteller seit einiger Zeit so laut und kühn“ (223) diskutierten, um dann oft mit dem Namen Raynal verbunden zu werden: „R. hatte nur gefragt, ob
1.1 Das Umfeld des Begriffs ‚Anteilnahme‘
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die Entdeckung von Amerika dem Menschengeschlechte Vortheil oder Schaden gebracht habe?“ (134; vgl. 118, 136, 301, 317) Doch die Übernahme eines Begriffs wie des der ‚Orientierung‘ von Kant geschieht, ohne dass der Gegner der Kon troverse6 über Menschenrassen genannt würde. Forster folgt Kants ‚Erweiterung‘ des „geographischen Begriff[s]“ (Kant 1965, 13) zu dem der „Vernunfthypothese“ (20): „Sich orientieren heißt in der eigentlichen Bedeutung des Worts: sich aus einer gegebenen Weltgegend (in deren vier wir den Horizont einteilen) die übri gen, namentlich den Aufgang zu finden.“ (12) Aber wenn Forster für den Versuch, „sich Vorstellungen des Vergangenen aus dem Gegenwärtigen“ zu ‚schaffen‘, indem „wir durch die Vervielfältigung der Gesichtspuncte uns zu ersetzen suchen […], was uns an realer Erkenntniß abgeht“ (AA XI, 223), den Begriff der Orientie rung benutzt, tilgt er die Beziehung auf Kants Aufsatz in der Berlinischen Monatsschrift von 1786 und tut so, als präge er einen Neologismus: „dieses orientiren, wenn der Ausdruck uns vergönnt ist“ (222–223). Auf der anderen Seite scheint Forster Kants Definition der liberalen Denkungsart in der Anthropologie zu anti zipieren, wenn er die „Methode“ des französischen Entdeckungsreisenden Le Vaillant charakterisiert: „sich in allen Stücken den uranfänglichen Eingebohr nen des Landes zu nähern und zu ihrer dem Clima angemessenen Lebensart zu bequemen […] mußte ihn in Stand setzen, unzählige engere Verhältnisse richtiger und vollständiger, als bis dahin geschehen war, aufzufassen“ (226). In der Anthro pologie unterscheidet Kant als eine der drei „Maximen“ aufgeklärten Denkens: „Sich (in der Mitteilung mit Menschen) in die Stelle jedes anderen zu denken“, und nennt diese Maxime das „Prinzip“ „der liberalen, sich den Begriffen anderer bequemenden […] Denkungsart“ (Kant 1983a, 549). Die ‚liberale Denkungsart‘ Le Vaillants ist insofern ein doppelt aufschluss reiches Beispiel für die Vernetzung von Forsters Bestimmung des ‚Werts der Ent deckungreisen‘, als er Le Vaillant unzweideutig als Rousseauisten darstellt: „Ihm verzeiht man es daher“, fährt Forster nach dem zitierten Lob fort, „daß auch er sich von dem Fanatismus für die Ungebundenheit des Wilden hinreissen läßt, womit ein berühmter Sophist sein Zeitalter angesteckt […] hat“ (AA XI, 226). Fors ters in der Regel anonyme Polemik gegen das „Orang-Outang-System“ (Kronauer 1994, 149) ist oft zu einer Pauschalablehnung Rousseaus vereindeutigt worden (vgl. dagegen Uerlings 2000, 30), was dazu führen konnte, Übernahmen zu über sehen; an einer der wenigen Stellen, wo Rousseau namentlich genannt wird, in der Selbstrezension der Kleinen Schriften, heißt es vorsichtiger: Der Mensch „kann schlechterdings nicht stille stehen auf der von Rousseau so unbillig vorge zogenen Stufe seines Raupenlebens, dem Stande der Wildheit, so bald nur güns
6 Zur Kontroverse vgl. den Sammelband von Rainer Godel und Gideon Stiening (2012).
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1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der europäischen ‚Seemächte‘
tige Verhältnisse irgend wo und wann zur Offenbarwerdung seiner Kräfte wirken“ (AA XI, 181). So wie die anonyme Polemik partielle Nähe verdecken kann, so dür fen auf der anderen Seite die anonymisierten Lobreden – etwa auf Herder als den „Philosoph[en] der Menschheit“ (AA V, 194) – nicht vergessen lassen, wo Fors ter den Trennungsstrich zieht (vgl. Kapitel 8). Ohne im einzelnen auf die bisher leider von der Forschung nicht hinreichend geklärten Beziehungen einzugehen, soll hier nur festgehalten werden, dass es die Dichte dieser Bezugnahmen auf die europäische Diskussion verbietet, Forsters spezifische Weise, die Bedeutung der Entdeckungsreisen der europäischen Seemächte für Deutschland zu bestimmen, schlicht biographisch auf seine Teilnahme an der Zweiten Reise Cooks zurück zuführen. Dagmar Barnouw, die dies in einem Vergleich Herders und Forsters tut, hat allerdings zugleich auf einen Aspekt aufmerksam gemacht, der in der bis heute andauernden Diskussion über den ‚Wert der Entdeckungreisen‘ in der Regel unbeachtet bleibt. Wenn sie Herders „unquestioning acceptance, in principle of the otherness of the other“ von Forsters „experiential understanding thereof“ (Barnouw 1994, 58) abgrenzt, gibt sie folgende Erklärung der Differenz der beiden Deutschen: Forster „also experienced the diversity of reactions […] in the obser vations of others. The company of explorers in Cook’s Voyage […] coming from different parts of Europe, whose responses to non-European cultures reflected clearly the diversity of their own“ (Barnouw 1993, 332). Nicholas Thomas hat das Problem in seiner Edition von Johann Reinhold Forsters Observations angemes sen zugespitzt: „[O]ne of its virtues must be that it exhibits the complex range of arguments and consideration that entered into the perception of Pacific peoples; no simple ‚representation of the other,‘ this is a sustained and elaborate, yet divi ded and tentative, mediation on a voyage round the world“ (Thomas 1996, xl).
1.2 Das Textkorpus: ‚Unmittelbare‘ Beteiligung von Deutschen und Zusammengehörigkeit von Voyages of Discovery, Grand und Home Tour Das Textkorpus, in dem sich Forsters Antworten auf die Frage nach der Bedeu tung der außereuropäischen Entdeckungsreisen für Deutschland finden, umfasst ein sehr verschiedenartiges Material; es reicht von den Anmerkungen zur deut schen Übersetzung der Voyage round the World und Zeitschriftenaufsätzen wie den zitierten zu Cooks Dritter Reise und Botany Bay über Rezensionen in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen (GGA) und der Allgemeinen Literatur-Zeitung (ALZ) sowie in den Literaturberichten für Johann Wilhelm Archen holz’ Annalen der Brittischen Geschichte bis zu den Vorreden und Anmerkungen
1.2 Das Textkorpus: ‚Unmittelbare‘ Beteiligung von Deutschen
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zu Übersetzungen von Reisebeschreibungen, die Forster anfertigte oder anregte. Der lange Zeitraum von vierzehn Jahren, 1778–92, in denen diese Texte entstan den, bedingt, dass sich im Material deutliche Veränderungen der Position des Autors erkennen lassen – sowohl im Detail (etwa in der Frage der Perspektive der USA, wo sich zu der negativen Einschätzung (AA XI, 173–174) keine späteren Parallelen finden) als auch im Grundsätzlichen (etwa in der Frage des Rechts der Besitznahme, wo die Präsentation Australiens als ‚leer‘ (AA V, 164, 168, 178, 179) in Gegensatz steht zur späteren unzweideutigen Verurteilung der „thörichten Anmaßungen des neueren Völkerrechts, (dem zufolge man auf Entdeckungen ein Recht zum Besitz und Eigenthum fremder, von freien Völkern schon bewohnter Länder gründet)“ (451). Wichtiger als diese erscheint aber die übergreifende Kon stante, dass nämlich die koloniale Expansion Europas in ihrer Rückwirkung auf dessen Nationen zu begreifen gesucht wird. Forsters Verwendung der Licht-Meta phorik der Aufklärung ist in dieser Hinsicht sehr bezeichnend; wenn die Reisen auf der einen Seite Licht auf „die halbe Oberfläche der Erdkugel“ gebracht hätten, die „[n]och“ „von tiefer Nacht bedeckt“ gewesen sei (206), so sei auf der anderen Seite das Europa der Reisenden durch die Entdeckungen erst ‚aufgeklärt‘ worden: Mit allen […] gehäuften Beyspielen von Tyranney und Ungerechtigkeit aus allen Welttheilen beweiset man nur, […] wie wenig wir Ursache haben, die Dämmerung, die uns leuchtet, für helle Mittagssonne, die ersten Anfänge von bürgerlicher und politischer Freyheit für die vollkommene Emancipation des […] vernünftigen Wesens zu halten. (AA XI, 340)
Zu dieser vom Entstehungsjahr 1792 geprägten Formulierung gibt es allerdings auch frühere Parallelen, so z. B. in der Besprechung der Antwort des Abbé Genty auf die von der Akademie von Lyon gestellte Preisfrage Raynals zur Entdeckung Amerikas. Forster korrigiert die zunächst referierte Einschätzung Gentys durch einen in Klammern angehängten Satz: Genty zufolge hätte „der damalige Zustand der Wissenschaften in Europa“ „durch die Erscheinung eines neuen Welttheils vieles gewinnen“ und „der stolze Europäer von den Wilden sich manche Lehre abstrahiren können. (Dies ist aber auch geschehen; nur konnten diese Wirkun gen, ihrer Natur nach, sich nicht so plötzlich, als andere Folgen der Entdeckung, äussern.)“ (136) Aus der anhaltenden Aufmerksamkeit für die innereuropäische Rückwirkung der außereuropäischen Expansion der ‚Seemächte‘ ergeben sich zwei Züge des Textkorpus, die von der Forschung bisher nicht beachtet worden sind, einmal die Fülle von Hinweisen Forsters auf eine unmittelbare Beteiligung Deutscher an der kolonialen Expansion Europas, dann die enge Verbindung von Entdeckungsrei sen mit zwei anderen Arten des Reisens, der europäischen Grand Tour und der nationalen Home Tour, in Forsters Praxis als Rezensent und Herausgeber.
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1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der europäischen ‚Seemächte‘
Das Material enthält sehr viele, bislang nie zitierte Stellen, an denen Fors ter von Deutschen spricht, die nicht nur – wie er selbst – als Wissenschaftler oder – wie Heinrich Zimmermann – als Seeleute an Entdeckungsreisen teilge nommen haben, sondern auch militärisch und kommerziell. So rezensiert Forster nicht nur beifällig eine Kompilation aus Reisebeschreibungen für die „pommer schen und preussischen Strandleute“, die beabsichtige, „sie aufzumuntern, sich zu brauchbaren Seeleuten zu bilden“ (231), so stehen nicht nur Johann Georg Gmelin (AA V, 489), Carsten Niebuhr (394) und Peter Simon Pallas (390, 431, 434) obenan auf Forsters Liste von Entdeckern, sondern er verzeichnet auch „Aben theurer“ wie die, die „unter Kaiserlicher Flagge“ nach China fahren,7 „um die Pri vilegien der Ostindischen und Südsee-Kompagnieen zu umgehen“ (439). Unter den „europäische[n] Etablissements in Indien“ listet Forster ein „röm. kaiserl.“ auf, dessen „Unterhändler“ (AA XI, 93) ein ehemaliger Angestellter der East India Company holländischer Herkunft war (483). „Kapitain Barclay führte zu Anfange des Jahres 1787“, heißt es in der mit dem Pelzhandel zwischen Amerika und China befassten Einleitung zu den Reisen Nathaniel Portlocks, George Dixons und John Meares’, „das Schiff der Kaiserliche Adler, unter kaiserliche Flagge, von Ostende […] nach Nutkasund“ (AA V, 443), dem Schauplatz des entscheidenden Konflikts zwischen Großbritannien und Spanien über die freie Schifffahrt auf dem Pazifik und das Recht zur Besitznahme in Nordamerika.8 Forster hebt an Barclays kai serlicher Expedition ‚Erforschungen‘ hervor, „welche für den künftigen Seefahrer von Wichtigkeit seyn können“ (443). Stehen in diesen Beispielen Ausländer in kaiserlichem Dienst, so in den folgenden Deutsche in ausländischem; Forster reduziert den Wert der Reise beschreibung eines Bremers als „Rekrut“ „im Sold der Surinamischen Comp.“ geradezu auf eine Warnfunktion: Sie „[…] kann manchen ehrlichen Deutschen abschrecken, in Zukunft auf diesem Wege sein Glück zu suchen, und dasselbe gilt von dem Aufenthalt in Paramaribo.“ (AA XI, 159) Umgekehrt hebt er an nordame rikanischen Reisebeschreibungen wie denen Jacques Pierre Brissots oder Thomas Anbureys entweder die Darstellung deutscher Siedler, z. B. einer „deutsche[n] Kolonie“ bei New Orleans, „der […] das Lob des Fleisses nicht versagt“ werde (59; vgl. etwas negativer 325), oder den Erinnerungswert für die „Verwandten“ (214) deutscher Soldaten im britischen Dienst hervor. Allerdings vergisst Forster auf
7 Vgl. Gough 1990. 8 Vgl. hierzu Rose 1940: „the open door in the unoccupied coasts of the Pacific“ (30), „the nor thern no less than the southern Pacific was laid open to British settlement“(33). Ähnlich auch Harlow 1964 [1952], 8.
1.2 Das Textkorpus: ‚Unmittelbare‘ Beteiligung von Deutschen
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der Liste der ‚Schandtaten‘ auch nicht den „schändliche[n] Verkauf der Provinz Venezuela an Augsburgische Kaufleute“ (136). Der enge Zusammenhang zwischen Nationen, Europa und der außereuropä ischen Welt zeigt sich auch in der Auswahl, die Forster als Rezensent, Übersetzer und Herausgeber trifft. Insgesamt hat Forster 165 Reisebeschreibungen rezen siert, übersetzt, herausgegeben oder für Sammlungen und Zeitschriftenaufsätze bearbeitet; von diesen entfallen 28 auf Afrika, 26 auf Amerika, 33 auf Asien und 38 auf den Pazifik; insgesamt 40 befassen sich mit Europa. Was die Sprachen angeht, aus denen die Texte stammten, die Forster rezensierte, übersetzte, her ausgab oder bearbeitete, so lag Englisch mit 108 Titeln – nicht zuletzt dank der 48 in den vier Folgen der „Geschichte der Englischen Litteratur“ besprochenen – überdeutlich vor Französisch mit 28 Titeln und beide klar vor dem Deutschen mit 13 Titeln sowie dem etwa gleich vertretenen Holländischen (6) und Schwe dischen (4); zwei Titel waren ursprünglich portugiesische, und je einer kam aus dem Russischen, Italienischen, Spanischen und Dänischen. Diese Zahlen, die auf der Auswertung der Bibliographie Horst Fiedlers (Fiedler 1971) und des von ihm bearbeiteten Bands 11 der Akademie-Ausgabe Rezensionen sowie der „Geschichte der Englischen Litteratur“ (AA VII, 57–82, 83–110, 163–227, 228–271) beruhen, stel len sowohl Fiedlers unbegründete, scheinbar nebenbei gemachte Behauptung in Frage: „(Von einigen Reisen durch europäische Länder, die Forster bespricht, kann hier abgesehen werden.)“ (AA XI, 403), als auch den Spott anderer Akade mie-Herausgeber, Klaus-Georg Popp, Annerose Schneider und Christian Suckow, man wisse nicht so recht, „für welchen Adressaten er das alles sammelte, bestellte, exzerpierte, zeichnete, kürzte, neu verfertigte, schrieb“ (AA V, 777). Gerade Forsters Praxis als Rezensent von englischen Reisebeschreibungen in seiner „Geschichte der englischen Litteratur“ unterstreicht die Zusammen gehörigkeit von drei Arten der Reisebeschreibung, die in der Forschung mei nes Wissens nie zusammengesehen werden und selbst dann, wenn sie alle drei behandelt werden, nicht in ihrer Gleichzeitigkeit thematisiert werden; von den 48 Titeln, die Forster von 1788 bis 1791 bespricht, sind 27 Voyages of Discovery in außereuropäische Kontinente oder Länder, 10 europäische Grand Tours und 11 britische Home Tours.9 Michael Bravos Meinung, dass die Entdeckungsreise die Kavalierstour zum ‚alten Hut‘ gemacht habe (Bravo 1999, 167), ist durchaus reprä sentativ für die Forschung zur Reisebeschreibung, die deren Arten als eine line are Abfolge zumeist geistesgeschichtlich – von der Aufklärung über die Empfind
9 Vgl. die Zahlen bei Lüsebrink 2007, 78, dass insgesamt im achtzehnten Jahrhundert in allen europäischen Ländern 3520 Reisebeschreibungen erschienen, von denen zwei Drittel Europa be trafen, aber immerhin 561 Asien und 505 Amerika.
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1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der europäischen ‚Seemächte‘
samkeit zur Romantik – deutet (vgl. Omasreiter 1982, Korte 1996). Nur sehr selten und eher beiläufig ist bisher darauf aufmerksam gemacht worden, dass auch in den siebziger und achtziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts die Grand Tour „functioned, alongside travel for empire, […] and it implied an interest in cultural diversity and comparison“ (Elsner und Rubies 1999, 49); die britische Reisebe schreibung über Frankreich und Italien, aber auch – gelegentlich – Holland, Bel gien und Deutschland und – seit neuestem – Skandinavien, Polen und Russland „illuminates“, so Jas Elsner und Joan-Pau Rubies, „the existence of a centre and a periphery within the enlightened discourse of civilization, one which did not simply separate the European from the non-European, but also some Europeans from others“ (50). Chloe Chard hat – etwas polemisch gegen den postkolonia len Trend – darauf insistiert, dass die Grand Tour „provided an obvious point of reference for European travel to any part of the world“ (Chard 1996, 20). An Forsters Rezensionspraxis ist nicht nur bemerkenswert, dass er diese Beziehung reproduziert, sondern auch noch die weitere zwischen britischen Reisen auf dem europäischen Festland und auf den britischen Inseln. Dies ist besonders auffäl lig im Vergleich mit den einflussreichsten deutschen Zeitschriften: Sowohl die Allgemeine deutsche Bibliothek (ADB) als auch der Teutsche Merkur (TM) rezen sierten Entdeckungsreisen und Reisen auf dem Kontinent aus dem Englischen, aber keine einzige der Home Tours, die Forster besprach. Während sich Forsters Rezensionen 15mal mit solchen in der ADB und 4mal mit solchen im TM über schnitten, darunter 14 Entdeckungs- und 5 Reisen auf den Kontinent, von denen nur John Hawkesworth’ An account of the voyages undertaken by order of His present Majesty for making discoveries in the Southern Hemisphere, and successively performed by Commodore Byron, Captain Wallis, Captain Carteret, and Captain Cook, in the Dolphin, the Swallow, and the Endeavour: drawn up from the journals which were kept by the several commanders, and from the papers of Joseph Banks von beiden Zeitschriften besprochen wurde (TM (1774) Juni: 359–361; ADB 33.1 (1778): 220–221) ebenso wie Patrick Brydones A Tour through Sicily and Malta (ADB 25 (1775): 551–552; TM 4.2 (1773): 107–119; 1 (1774): 121–126), gab es keiner lei entsprechende Aufmerksamkeit in der Berliner und der Jenaer Zeitschrift z. B. für die drei Home Tours von William Gilpin, die Forster sehr positiv rezensierte: Observations on the River Wye, and Several Parts of South Wales […] relative chiefly to picturesque beauty; made in the year 1770 (1782), gefolgt von solchen über the Mountains and Lakes of Cumberland and Westmoreland (1786) und schließlich the High-Lands of Scotland (1789). Gilpin sah die Aufgabe des Reisebeschreibers im eigenen Land als die eines ‚Entdeckers‘ von picturesque beauty in solchen Landesteilen, die von ‚Wilden‘, „brutes“ (Brewer 1997, 626), bewohnt wurden. Die britischen Inseln erschienen ihm als „unexplored“ (653), und deshalb sprach er von einer „need to ‚discover‘“
1.2 Das Textkorpus: ‚Unmittelbare‘ Beteiligung von Deutschen
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(654). Samuel Johnson verglich in A Journey to the Western Islands of Scotland (1775) die Bewohner des schottischen Hochlands mit Hottentotten und Eskimos; die beiden britischen Rezensionsorgane, die Forster las, um auf dem Laufenden zu bleiben, sowohl die Monthly Review (MR) als auch die Critical Review (CR) zitieren, wenn auch letztere nicht ganz so ausführlich, dieselbe Schlüsselpassage der Reisebeschreibung: After relating many notable instances of the former barbarity of the Highlanders, during that state of vassalage from which they are now so happily freed, Dr. Johnson remarks […] that „perhaps there was never any change of national manners so quick, so great, and so gen eral, as that which has operated in the Highlands by the last conquest, and the subsequent laws.“ „We came thither, he continues, too late to see what we expected, a people of peculiar appearance, and a system of antiquated life.“ (MR 52 (1775): 63; vgl. CR 39 (1775): 59)
Entsprechend dieser historischen Lokalisierung positioniert Gilpin den picturesque tourist räumlich: „The perfect position for the picturesque tourist was […] on the boundary between cultivated and wild nature […]. When the picturesque tourist looked at peasants on the Welsh hillside or at Highlanders and their cattle he did not expect or want the natives to look back.“ (Brewer 1997, 655) Die Orientierung auf die Wahrnehmung von Geschichte in der Natur beschränkte sich allerdings nicht notwendigerweise auf das eigene Land; in Johnsons Schottlandreise ging es wesentlich um die Frage des „northern Homer“ (MR 52 (1775): 161) Ossian und damit um die Vergleichbarkeit schottischer und griechisch-antiker Wilder oder Barbaren; Forsters Vater hatte als Übersetzer aus dem Deutschen dem britischen Publikum einen Schlüsseltext vermittelt, der in einer Wildnis Kontinentaleuropas Geschichte suchen ließ, Johann Hermann von Riedesels anonym von Johann Joachim Winckelmann herausgegebene Reise durch Sicilien und Großgriechenland (vgl. Constantine 1984, 130); und es war die „discovery“ von Herculaneum und Pompeji 1739 bzw. 1755, die zu einer drasti schen Veränderung des Itinerars der britischen Grand Touristen in Italien führte, wo Neapel Venedig vom zweiten Platz hinter Rom verdrängte: „Visits to [such] sites […] gave a physical reality to a world which they had imagined while reading the Latin texts at home.“ (Calaresu 1999, 142) Dass im eigenen Land wie im übrigen Europa reisend Entdeckungen gemacht werden konnten, die die Wildheit und Barbarei seiner früheren Bewohner betra fen, ist eine Voraussetzung der Begriffe und der Metaphorik, die Forster für Reise beschreibungen aller drei Arten benutzt. Seine Besprechung einer italienischen Reisebeschreibung stellt anlässlich der Funde von „Elephantenknochen“ auf die „Gebräuche“ der „ehemaligen Wilden in Europa“ ab, wozu er sowohl naturhisto rische Autoritäten der Gegenwart als auch klassisch-antike referiert; für Buffons Annahme, „daß es eine Epoche gab, wo unsere Gegenden so warm, als jetzt Ost
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indien, waren“, spreche: „Plato sage ja ausdrücklich, daß die untergegangene Atlantis auch Elephanten gehabt. Doch müsse zu Homers Zeiten von lebendigen Elephanten in Europa keine Spur mehr vorhanden gewesen seyn.“ (AA XI, 110) Das Bild der Elefantenknochen benutzt Forster in einer bezeichnenden Verknüp fung von naturhistorischer Entdeckungs- und europäischer Reise in die Antike, wenn er sein Porträt Cooks mit der Aufgabe eines zukünftigen ‚Antiquars‘ ver gleicht und so den Entdecker zum Gegenstand von Entdeckungen macht: Einst, wenn die Zeit wieder zerstreuet haben wird, was wir jezt mit so vieler Emsigkeit sammlen, wird der gelehrte Antiquar Cooks wahre Größe an den Bruckstücken erken nen, die er einzeln aus dem Schutt hervorzieht. Wissen doch einsichtsvolle Zergliederer aus einem Zahn oder einem Knochen, den man im innern Nordamerika an den Ufern des Ohioflusses fand, die Größe jenes unbekannten Thieres zu berechnen, dessen Geschlecht schon längst erloschen ist; und erkennt man nicht an einem Fuß von Riesenstärke, den Sohn Jupiters und der Alkmene? (AA V, 243)10
Noch ein weiteres Mal benutzt Forster das Bild des Elefanten, wenn er nämlich die antiquarische Grand Tour von der entsprechenden Home Tour abgrenzt; auf der einen Seite handelt es sich um ein – mit großer, fast vierzigjähriger Verspä tung erschienenes – Resultat der bahnbrechenden Reise Robert Woods zur Ent deckung Trojas, James Stuarts Antiquities of Athens, auf der anderen um eine Viel zahl von Veröffentlichungen zu einzelnen britischen Städten und Grafschaften. Während Forster die Bedeutung von Stuarts „Entdeckungen“ für das „Studium der griechischen Alterthümer und der damaligen Sitten“ (AA VII, 178) betont, ist er hinsichtlich mancher britischen Home Tour skeptisch; dennoch macht er sich – mit dem Bild des Elefanten – einen Einwand: Durch das Große und Beziehungsvolle in der Natur darf sich der philosophische Forscher nicht so bestechen und hinreißen lassen, daß ihm das Kleine und Eingeschränkte überflüs sig, verächtlich oder seiner Aufmerksamkeit unwürdig schiene; das Insect muß noch neben dem Löwen und dem Elephanten ein Interesse für ihn behalten, und am Ende belohnt sich diese allumfassende Wißbegierde durch Entdeckungen, welche ihn belehren, daß physi sche Größe oder Kleinheit gegen die anderen Eigenschaften der Dinge gerechnet, bey wei tem nicht die wichtigsten sind […]. Daher getrauen wir uns auch nicht etwa zu spotten, indem wir von den heiligen Trümmern Athens zu den antiquarischen Raritäten übergehen, womit die Gesellschaft der Alterthumsforscher in London sich in ihrer, jetzt bis zum neun ten Bande fortgesetzten Archaeologia beschäftigt. Wir lassen die Todten ihre Todten begra ben! (178–179)
10 Zum Vergleich von Cook mit Herkules s. Fetscher 1993. Vgl. aber auch Bernard Smith’(1979, 179) Feststellungen auf derselben Seite seines Abrisses der Cook-Rezeption: „Cook was in sense [Adam] Smith’s global agent“, und: „Cook emerges as a Promethean hero“.
1.2 Das Textkorpus: ‚Unmittelbare‘ Beteiligung von Deutschen
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Noch deutlicher wird die hier fast wegironisierte Skepsis, wenn es später, wie derum im Literaturbericht für Archenholz’ Annalen der Brittischen Geschichte, über James Pilkingtons A View of present State of Derbyshire; with an Account of its most remarkable Antiquities (1790) heißt: „Die mahlerischen Gegenden dieser Grafschaft, ihre Gebirge, ihre sonderbaren unterirdischen Gänge und Höhlen, ihre Bergwerke und Manufacturen sind Gegenstände, deren genauere Beschrei bung dem wißbegierigen Leser willkommen bleibt, wenn es ihn auch nicht so interessirt, die Genealogie eines jeden Gutsbesitzers zu erfahren.“ (216) Forster verschärft in diesem Bericht die Skepsis gegenüber dem nationa len Antiquarianismus noch insofern, als er das Interesse an der Genealogie der eigenen Feudalherrn mit dem Desinteresse an der Statistik fremder europäischer Länder kontrastiert; allerdings verbindet er die Verallgemeinerung mit einer Einschränkung, dem uneingeschränkten Lob für die „statistisch-antiquarische“ London-Beschreibung Thomas Pennants: „Die allgemeine Statistik war bisher und ist im Grunde noch eine von den Engländern wenig gekannte Wissenschaft. Ihre eigene Insel und deren Dependenzen erregten fast allein in dieser Hinsicht ihre Aufmerksamkeit; hier konnten sie allenfalls die Trockenheit der geringfü gigsten Details ertragen, die ihnen, wenn es andere Länder betraf, lange Weile machte.“ (216) So verteidigt Forster die Unmöglichkeit, „auf Entdeckungsreisen […] den ganzen Umfang aller Verhältnisse eines jeden neuentdeckten Landes zu erschöp fen“, mit der ‚Erinnerung‘, „daß es die Beobachtung vieler Jahre und unzählige Hülfsmittel erfordert, um, ich will nicht sagen, einen vollständigen Begriff von unsern Ländern zu erlangen, sondern nur von einzelnen Gegenständen, wie Verfassung, Rechtspflege, Religion, Wissenschaft und Kunst eines Europäischen Staates, genaue Nachrichten zu sammeln“ (AA V, 259). Im Unterschied zu den ‚Wilden‘ von Wales, Nordwestengland oder Schott land, von denen Gilpin erwartete, dass sie den ‚malerischen Blick‘ nicht ‚erwider ten‘, waren z. B. die neapolitanischen Aufklärer in der Lage, auf ihre Darstellung als ‚Wilde‘ durch britische – und französische – Reisebeschreiber zu antworten. Melissa Calaresu hat gezeigt, wie sich in den Kritiken neapolitanischer Reformer am klimatheoretisch rationalisierten Stereotyp vom common man als einem zur Revolte wie zur Prostitution von Frau und Töchtern geneigten ‚Wilden‘, das Rei sebeschreiber pflegten, „an awareness of the need to address the particular pro blems of the kingdom combined with an openness to foreign models for reform“ (Calaresu 1999, 153) entwickelte. Zu einer parallelen Kontroverse kam es in Groß britannien selbst zwischen zwei Autoren von Italien-Reisebeschreibungen; Fors ter hat in ihr eindeutig für Joseph Giuseppe Barettis An Account of the Manners and Customs of Italy: with Observations on the Mistakes of some Travellers, with Regard to that Country Partei genommen (AA IX, 44), das Buch eines italienischen
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1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der europäischen ‚Seemächte‘
Einwanderers, dessen Untertitel sich primär gegen Samuel Sharps Letters from Italy, Describing the Customs and Manners of that Country, in the Years 1765, and 1766 richtete. In britischen Rezensionsorganen wurde Baretti vor allem vorgewor fen, dass das Bild Italiens in seinen italienischen Veröffentlichungen wesentlich anders sei als das, das er den britischen Lesern auf Englisch vermittele; Baret tis satirische Kritik an seinen Landsleuten wegen Zurückgebliebenheit wurde gegen seine Verteidigung derselben gegen britische Vorurteile ausgespielt. Das abschließende Urteil der Critical Review belegt die Schwierigkeit des Versuchs the native writing back (Calaresu 1999, 150): […] we consider this performance as a most audacious insult upon the constitution and church of England; because the avowed intention of the author is to defend his own coun trymen, and to recommend their manners, prejudices, and religion, at the expence of every thing which ought to be dear not only to a lover of liberty, but a rational being. […] we think the very apology he makes for his countrymen proves them to be slaves and barbarians; because they have no bond of society, except the most abject fear, indolence, superstition, and idolatry. (CR 26 (1768): 23–24)
In einem vergleichbaren Sinne sagte Joseph II. in der Audienz vom 24. August 1784 zu Forster, der auf dem Weg nach Wilna war, nach Auskunft seines Tagebuchs: „‚Jetzt werden Sie nicht nöthig haben zur See nach Otaheiti zu fahren, Sie wer den jetzt zu Lande hinkommen. ‚– Es wäre mir noch lieb Ew. M. wenn ich eine so sanfte Nation fände, wie die Otaheitier. – ‚Das nicht; die Polen sind eigensinnig und dumm.“ (AA XII, 122) In Forsters Besprechungen englischer Grand Tours spiegelt sich jene Verän derung, die Heinz-Joachim Müllenbrock an den Texten des ausgehenden acht zehnten Jahrhunderts nachgewiesen hat: „in Richtung einer verständnisvolleren Kontaktaufnahme mit den vorher schablonenhaft verzeichneten Ländern Euro pas“ (Müllenbrock 1982, 123). Forster gab einen exemplarischen Titel dieser – die bloße Affirmation von constitution and church of England, liberty und Protestan tismus überwindenden – Tendenz heraus, Hester Lynch Piozzis Observations and Reflections Made in the Course of a Journey through France, Italy, and Germany (1789) (AA XI, 194–196; AA V, 359–365), und er bezog sich positiv auf einen anderen, besonders erfolgreichen: John Moores A view of society and manners in France, Switzerland, and Germany (1779) (AA XI, 539). In seiner Einschätzung von Piozzis Text ging Forster aber noch einen Schritt weiter als der Literarhistoriker; wenn Müllenbrock „[d]ie zunehmende Toleranzbreite der englischen Reiselitera tur […] als komplementäre Erscheinung zu der sich vergrößernden Anziehungs kraft des einheimischen Modells für die aufgeklärten Geister Europas bewertet“ (Müllenbrock 1982, 125), so stellt Forster darauf ab, wie „Nation“, ‚Stand‘ (AA XI, 193) und „Geschlecht“ die „Beobachtung und Beschreibung der Länder und Sit
1.2 Das Textkorpus: ‚Unmittelbare‘ Beteiligung von Deutschen
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ten“ (195) beinflussen; so setzt er implizit Piozzis Observations and Reflections in einen Gegensatz zu der vierzehn Tage zuvor in den GGA von ihm besproche nen Northern Tour von Matthew Consett. Während Consetts A tour through Sweden, swedish Lapland, Finland and Denmark (1789) einzig das „Verdienst“ zuge schrieben wird, „uns volle Muße [zu] schenk[…]en, den englischen Landjunker zu beschauen, der zum erstenmal über See in ein fremdes Land auf Abentheuer zieht“ und „Alles, was nicht englisch ist“, abwerte sowie „vieles“ „unerhört“ finde, „was er auf seiner Insel, nur etwa nicht in seinem Jagdrevier, hätte finden können“ (193–194), wird die vom gelehrten Mann abgegrenzte Frau zum Gegen bild einer Selbstreflexion, die „alles […] in der Fremde zu interessiren scheint“, vor allem die „Vergleichung des in der Fremde Gesehenen mit ähnlichen Gegen ständen zu Hause“ (195). Forsters Lob Piozzis trifft bis zu einem gewissen Grade, was John Dussinger in der einzigen neueren Interpretation ihrer Reisebeschrei bung der Verfasserin attestiert hat, sie schrieb „conscious of herself as a woman writing in a male-dominated genre, in general, and as a British spectator of an exotic culture, in particular“ (Dussinger 1992, 46).11 An Forsters eigener Reise um die Welt hat Herbert Uerlings die „Herausbildung eines europäischen Selbst“ (Uerlings 2000, 17) als „einer spezifisch bürgerlich-männlichen Subjektposition“ (38) aufgezeigt; zu ergänzen wäre, dass dieses europäische Selbst nicht nur klas sen- und geschlechtermäßig spezifiziert ist, sondern, wie Forsters Tätigkeit als Vermittler außereuropäischer Entdeckungsreisen nach Deutschland zeigen wird, auch national. „[M]y Grand Tour shall be one round the whole globe“, ist als ein Ausspruch von Sir Joseph Banks überliefert (Rennie 1995, 90), der als Wissenschaftler auf Cooks Erster Reise diesem Vorschläge für die Namen derjenigen Bewohner Tahi tis machte, die von ihnen für „Chief[s]“ gehalten wurden, „Hercules“ etwa oder „Lycurgus“ (Cook 1999, 41);12 und Edmund Burke, an dessen Unterscheidung des Schönen und Erhabenen Gilpin mit dem Konzept des Pittoresken anknüpfte, um sie zu harmonisieren, schrieb im Jahr des Erscheinens von Cooks und Forsters Beschreibungen der Zweiten Reise an William Robertson:
11 Vgl. aber die im Wesentlichen negative Beurteilung von Forsters Kommentierung der Über setzung bei Martin 2009, 11, die sich auf die Themen Religion, Bildung und naturwissenschaft liches Wissen beschränkt und so zu dem Schluss kommt, dass „seine ‚männliche‘ Stimme und seine Sichtweise […] Piozzis Reisebericht in deutscher Übersetzung dominieren“ (15). 12 Zum Griechenland-Vergleich für Tahiti im Rahmen der Rezeption der schottischen Gesell schaftsgeschichte: Garber 1997a, 46–50; detaillierter zur Rezeption durch Johann Reinhold Fors ter: Thomas 1996, 250–256.
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1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der europäischen ‚Seemächte‘
We need no longer go to History to trace (human Nature) in all its stages and periods. His tory, from its comparative youth, is but a poor instructor (…). But now the Great Map of Mankind is unrolled at once; and there is no state of Gradation of barbarism, and no mode of refinement which we have not at the same instant under our view. The very different Civility of Europe and China, the Barbarism of Tartary, and of Arabia. The Savage State of North America, and of New Zealand. (Quilley 1996, 63–64)
Dass die außereuropäischen Entdeckungsreisen sich gewissermaßen in einem Dreieck von Nation, Europa und außereuropäischer Welt bewegten,13 belegen die Hints, die die Royal Society den Gentlemen (Edwards 1994, 92) auf die Erste Reise Cooks mitgab, die für einige Jahre als die „Banks’s and Daniel Solander’s“ (Spate 1988, 17) gelten sollte: To exercise the utmost patience and forbearance with respect to the Natives […]. They are human creatures, the work of the same omnipotent Author, equally under his care with the most polished Europeans; perhaps being less offensive, more entitled to his favour. They are the natural, and in the strictest sense of the word, the legal possessors of the Several Regions they inhabit. No European Nation has a right to occupy any part of their country, or settle among them without their voluntary consent. (Edwards 1994, 82)
In der Beziehung zu den Natives gehen die polished Europeans notwendigerweise zugleich solche zu anderen European Nations ein. Die besondere Bedeutung, die Georg Forster den außereuropäischen Entde ckungsreisen zuschrieb, erhellt eine durchgängige Polemik, die er gegen die eng lische „Mode“ führte, Voyages of Discovery, Grand und Home Tours gleicherma ßen mit Kupferstichen, insbesondere „in der Acquatinta-Manier“ zu illustrieren, die einen „hohe[n] Preis […] verursacht“ (AA VII, 212; vgl. AA XI, 114, 357). Zwar habe vor allem der Erfolg von „Gilpins niedlichen pittoresken Reisen in Westmo reland, Wallis und Schottland“ zur „Nachahmung“ angeregt, aber der eigentli che Wendepunkt liege früher: „seit der Erscheinung von Cooks Reisen“ habe man „kein Werk“ im „Fache“ der „Reisebeschreibungen“ „ohne Kupfer […] zum Ver kauf bieten dürfen“ (AA VII, 212). Forsters Stellungnahme ist eindeutig, und sie nimmt in der Forderung von ‚anschaulichem Begreifen‘ vorweg, was im Folgen den an den Bedeutungsschichten des Konzepts der literarischen Anteilnahme geklärt werden soll: „Wenn ferne Weltheile den Gegenstand der Aufmerksamkeit ausmachten, so hatte diese Liebhaberey eine vollgültige Entschuldigung; Worte können nie den anschaulichen Begriff von Formen geben, den ein bloßer Umriß unauslöschlich dem Gedächtniß einprägt.“ (212)
13 Vgl. Bindman 2008.
1.3 Vier Schichten der Bedeutung von ‚literarischer Anteilnahme‘
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1.3 Vier Schichten der Bedeutung von ‚literarischer Anteilnahme‘ Vier Bedeutungen von literarischer Anteilnahme der Deutschen an den Entde ckungen der ‚Seemächte‘ lassen sich unterscheiden: Erstens meint Anteilnahme, zum „Augenzeuge[n]“ (AA XI, 329; vgl. 158) zu werden; zweitens ist Anteilnahme ein „erhebendes Gefühl“ (AA V, 449); drittens „nährt“ die Anteilnahme „Wettei fer“ (277); viertens versetzt Anteilnahme in „Thätigkeit“ (180). An einer Stelle des Cook-Essays, die durch den sonst seltenen Gebrauch der direkten Leseranrede, zudem noch in einer Herders „Denkmalen“ verpflichteten pathetischen Form hervorgehoben ist: „Deutscher Jüngling!“ (AA V, 297),14 hat Forster die vier Aspekte der Anteilnahme auf Substantive gebracht: „Mitleid“, „Menschenliebe“, „Selbstgefühl“ und „Streben nach nützlicher Betriebsamkeit“ (297).15 Sie lassen sich mit vier der fünf Muster von Identifikation vergleichen, die Hans Robert Jauß unterschieden hat: der sympathetischen, der kathartischen, der admirativen und der assoziativen Identifikation (Jauß 1977, 234).
1.4 Zum Augenzeugen werden Die zentrale Forderung, die Forster an die Verfasser von Reisebeschreibungen über außereuropäische Kontinente und Länder von Anfang bis zum Ende seiner Rezensenten- und Herausgebertätigkeit richtet, leitet sich aus der Bedeutung von Anteilnahme als Augenzeugenschaft ab, sie lautet: „durch die […] Darstellung, gleichsam auf jenen entfernten Schauplatz [zu] versetzen“ (AA XI, 275). Nur eine Darstellung, die als „anschauliche Schilderung“ (210) „alles“ „lebhaft“ „versinn licht“ (226), führe zur „Theilnahme“ (226) des Lesers. Die Theatermetaphorik von Schauplatz oder „Scene“ (130) ist nicht zufällig,16 denn der Leser beobach
14 Vgl. z. B. das „Denkmal Ulrichs von Hutten“: „reisender Jüngling, […] suche sein Grab und sage: Hier liegt der Sprecher für die deutsche Nation, Freiheit und Wahrheit“, Herder 1969, V, 225. 15 Im Unterschied zu Michael Ewerts (1993, 155–163, 176–179) Interpretation von „Cook, der Entdecker“ als Essay, der sich durch ‚Literarizität‘ vom ‚Realitätsbezug‘ im Sinn einer ‚Abbild funktion‘ emanzipiere, muss die Appellfunktion der geschichtsphilosophischen Idealisierung Cooks im Porträt nicht in Gegensatz zu dessen Beziehung auf die Wirklichkeit des achtzehnten Jahrhunderts gesetzt werden. Die Metaphorik des Textes, der die ‚Blendung durch den Kometen‘ ‚durch Rechenkunst zu klären‘ versuche, entspricht vielmehr der dialogischen Beziehung zum Adressaten, der für die ‚Sache der Tätigkeit für die Menschheit‘ gewonnen werden solle. 16 Stephan Jaeger (2007, 315) hat schon in einer Vorstudie zur Dissertation zum „inszenatori schen Moment“ zugespitzt formuliert: „In Forsters Schreibstil wird das Wahrgenommene un
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1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der europäischen ‚Seemächte‘
tet – laut Forster – nicht nur mit dem Verfasser, sondern auch den Reisenden, der Beobachtungen macht, und die von ihm Beobachteten. Forster sieht den „Leser“ „sich“ nicht nur „an die Stelle“ des Entdeckungsreisenden „versetzen“ (18), son dern auch „an die Stelle“ (AA VII, 103)17 „der […] Entdeckten“ (AA V, 72). In einer außergewöhnlich scharfen Kritik an Pierre Sonnerats Reisebeschreibung über Ostindien und China, die auch durch ihr frühes Erscheinen (1783) insofern wich tig ist, als sie der gängigen Periodisierung von Forsters Poetik der Reisebeschrei bung widerspricht,18 klagt Forster im Namen des Lesers „anschauliche Darstel lung“ ein, die das „Leben“ einer Reisebeschreibung als „Erzählung“ ausmache: Den Charakter des Indiers kennt man schon aus andern Reisebeschreibern gerade so, wie ihn Hr. S. schildert, der so wie sie, nicht Beobachtungen, sondern nur deren Resultate mit theilt, folglich den Leser nicht in Stand setzt selbst zu sehen, zu urtheilen, und aus dem Gesehenen sich Begriffe zu abstrahiren. Über den allgemeinen Resultaten wird individuelle Handlung ganz vernachlässigt, die doch gerade das Hauptobjekt des Reisebeschreibers seyn muß, indem jeder Leser alsdenn vermittelst der Organe des Reisenden gleichsam selbst beobachtet, und neue Folgerungen und neue Ideenverbindungen herausbringt. (AA XI, 57–58)19
Aus dieser Forderung, den Leser zum Augenzeugen werden zu lassen, ergeben sich zwei weitere: die eine betrifft den Reisenden als Erzähler, die andere den Reisenden als Beobachter. Die Anteilnahme des Lesers hängt für Forster davon
trennbar vom Akt der Wahrnehmung.“ Aber in seiner Gegenüberstellung von einerseits Cooks ‚überlegener‘ und Johann Reinhold Forsters ‚außenstehend‘ beobachtender Perspektive, ande rerseits Georg Forsters szenischer ‚Wahrnehmungsinszenierung‘ (Jaeger 2011, 92–95) wird nicht beachtet, dass Georg Forster auch aus einer nach der vergangenen Geschichte liegenden Erzäh lergegenwart nicht nur erzählt. 17 Hier ‚an die Stelle‘ des von John Howard in den Gefängnissen Europas ‚entdeckten‘ „leiden den Verbrechers, oder des hülflosen und kranken Armen“, AA VII, 103. 18 Vgl. Fiedlers Abschnitt „Zur Ästhetik der Reisebeschreibung“ im Kommentarteil von AA XI, 428–435, der nur dem geistesgeschichtlichen Commonsense über die kopernikanische Wende durch Sterne folgt; vgl. auch Hentschel 1991a. 19 Wielands (1798, Supplemente Bd. 5, 239) Rezension der Reise um die Welt belegt, was Godel (2007, 273) als Leistung von Forsters Erzählen „im Verein mit dem Leser“ begreift: „Das erzählen de Ich schafft Möglichkeiten für den Leser, gewonnene Thesen zu überprüfen.“ (279; vgl. auch Godel 2011, 134–135) Die Realisierung dieser Möglichkeit durch den Rezensenten Wieland ig norieren sowohl Budde (2003, 186), der Wielands Einbeziehung des „Berichterstatters“ „in die Schelte“ der ‚Europäer‘ „eher neckisch“ nennt, als auch Struck (2010, 346), der das durchaus wahrgenommene, aber „fiktiv“ genannte „Streitgespräch“ Wielands mit Forster den „gleicher maßen poetologischen und epistemologischen“ „Fragen“ nach dem „Verhältnis von Einbildungs kraft und Wirklichkeit“ (335) unterordnet, mit dem voraussehbaren Ergebnis, „[d]ass […] eine […] Kartographierung des Utopischen ein zum Scheitern verurteiltes Unternehmen ist“ (336).
1.4 Zum Augenzeugen werden
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ab, dass erstens die „Umstände“ (193), unter denen der Reisende beobachtet, mit erzählt werden und dass zweitens der Beobachter „bereitwillig [ist,] sich in die Sitten aller Völker zu schicken“ (58). Zu den Umständen rechnet Forster nicht nur die Reise-„Begebenheiten“ (260) oder „persönlichen Abentheuer des Reisenden“ (191), sondern vor allem auch den Charakter des Reisenden als „Medium“ (276; vgl. 270): „Es ist angenehm, wenn man Reisebeschreibungen liest, den Charakter des Beobachters gleich aus seinen Bemerkungen und Abentheuern entwickeln zu können; man sieht alles desto wahrer und deutlicher, je genauer man die Refraction berechnen kann, die dem Medium, durch welches man sehen muß, eigen ist.“ (118) ‚Umständlich‘ ist deshalb in Forsters Rezensionen eines der am häufigsten verwendeten Wörter, und es trägt entgegen heutigem Sprachgebrauch eine posi tive Bedeutung, die der minuteness entspricht, die in britischen Rezensionsorga nen gefordert wurde;20 ‚Umständlichkeit‘ erlaubt nach Forster dem Leser, selbst zu sehen: „Ein jeder fühlt sich an der Stelle des Beobachters, oder des Handeln den“ (AA V, 278). Doch für das Sichtbarwerden der ‚Entdeckten‘ ist die zweite For derung entscheidend; in einer aus Herders Ideen entlehnten Formulierung wird deutlich, dass sie sich an den Charakter des Reisenden richtet: Beschreibungen von Entdeckungsreisen zu lesen bedeute, dass „man sich mit Cook an die Stelle jener rohen Menschen setzt, bey denen Fremdling und Feind beynahe gleichgel tende Begriffe sind“ (261). Das leicht modifizierte Herder-Zitat stammt aus dem ersten Teil der Ideen, den Forster in Wilna las. Die Passage, in der sich das Zitat findet, musste für Forster besondere Relevanz haben, weil Herder den Tod Cooks sowie Marc Macé Marions diskutierte; beide hatte Forster kommentiert, letzteren in den GGA: „Hr. Crozet“, der „Freund[…], Mitbefehlshaber[…] und Begleiter[…] des unglücklichen Marion“ (AA XI, 78), sei den „Wilden“ „nicht sehr günstig, und formalisirt sich über die neuen Philosophen, die den wilden Naturmenschen so hoch erheben“: Ein Wilder ist ihm allemal ein Verräther, an dessen Statt er viel lieber einem Tiger oder Löwen begegnen will. Rec. kann sich indessen nicht überzeugen, daß sogar keine Veran lassung französischer Seite, zu der Ermordung des unglücklichen Cap. M. gegeben worden. […] bereits Hr. Sürville [müste] durch Entführung eines Neuseeländers und andere an ihnen verübte Grausamkeiten, die Gemüther dieser armen Insulaner gegen alle Europäer erbittert haben […]. So ein geschickter Seemann, wie Hr. S. gewesen seyn soll, war er doch offenbar nicht zum Umgange mit den Einwohnern der Länder gemacht, wohin ihn die Entrepreneurs dieser Expedition bestimmt hatten (80, 83).
20 Vgl. Lamb 1995 sowie das entsprechende Konzept der Mikrologie bei Stewart 1978.
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Herder kommt in den Ideen auf die Fälle Cooks und Marions, wenn er das ‚zyk lopische‘ Widerstandsrecht und den Gemeinplatz der „Verrätereien aller soge nannten Wilden, auch wenn sie von der Höflichkeit der Europäer ganz besänftigt schienen“, diskutiert: Im ersten Augenblick, da sie zu ihrem angeerbten Nationalgefühl erwachten, brach die Flamme aus […]; grausam wütete sie umher und ruhte oft nicht eher, bis die Zähne der Eingebornen der Ausländer Fleisch fraßen. […] indessen waren die Europäer die ersten, die sie zu dieser Untat zwangen; denn warum kamen sie zu ihrem Lande? Warum führten sie sich in demselben als fodernde, gewalttätige, übermächtige Despoten auf? Jahrtausende waren sich die Einwohner desselben das Universum, von ihren Vätern hatten sie es geerbt […]. Feind und Fremder ist ihnen also eins; sie sind wie die Muscipula, die, in ihren Boden gewurzelt, jedes Insekt angreift, das sich ihr nahet (Herder 1965, I, 257).
Die wichtigste Differenz zwischen der pazifischen und der europäischen Kultur stufe sieht Herder zwischen dem Eingeschränktsein in den eigenen Horizont und dem Verstehen des fremden. Gegen die Interpretation Herders als antikolonialis tischer Kulturrelativist ist darauf zu bestehen, dass er den Europäer mit einem inneren Verstehen des Fremden privilegiert, das diesen nicht mit dem Feind ‚eins‘ sein lasse. Forsters Umformulierung ‚beynahe gleichgeltende Begriffe‘ lockert auch auf der europäischen Gegenseite die Beziehung zwischen ‚Sich-Versetzen‘ und Verhalten. Gerade weil dem „Umgang“ (AA XI, 83) der Entdecker mit den Entdeckten sein Interesse gilt, muss auffallen, wie selten Forster in seinen Rezen sionen uneingeschränkt das Verhalten der Entdecker als ein ‚Sich-Versetzen‘ bil ligt, eigentlich nur in den Fällen Cooks, Pagès’, Le Vaillants und William Blighs. Dass aber auch das ‚Sich-Versetzen‘ eine asymmetrische Beziehung zu denen herstellt, in die sich der europäische Entdeckungsreisende und der deutsche Leser versetzen, geht sowohl aus einer Kritik Forsters an aristokratischen Reisen den hervor als auch aus einem Versuch, sich vorzustellen, wie die Beobachteten auf die Beobachtung reagieren könnten. Über einen französischen Reisenden, den Abbé Gaudin, schreibt Forster verallgemeinernd: Es fehlt zwar dem Verf. nicht an Kenntnissen; allein wir möchten fast glauben, daß die höchste Cultur sich in Absicht auf Beobachtungsgeist gewissermaßen an den rohen Stand der Natur wieder anschließt, weil der Blick des Mannes, der in der großen Welt zu leben gewohnt ist, so schnell abgleitet, wie der des Wilden, und sich bey den wichtigsten Gegen ständen nie länger, und oftmals nicht so lange, als bey den geringfügigsten, verweilt. (AA XI, 119)
Ausgerechnet einem Briten, William Hunter, den er zu den Reisenden rechnet, die „uns die Begriffe, die sie sich von ihren Beobachtungen abgezogen haben, statt der Beobachtungen selbst […] liefern“, mithin „allgemeine Behauptungen
1.5 Gefühl der Erhebung
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von gar geringem Werth“ (113), spendet Forster mit einem Gedankenexperiment ein abschließendes Lob: „Einem Perser würde es vielleicht unglaublich scheinen, daß wir Europäer in einer Entfernung von einigen tausend Meilen von Dingen, die den Ort seines Aufenthalts betreffen, vollständiger und genauer unterrichtet sind, als er selbst.“ (114) Trotz dieser Asymmetrie, die die europäischen Entdecker mit dem Privileg des Verstehens versieht, deutet Forster die Anteilnahme, die dem deutschen Leser als Augenzeugen ermöglicht wird, als eine Bestätigung menschlicher Gleichheit; so rühmt er Blighs Beschreibung der Reise der Bounty als „nicht minder anlockend und belohnend für das Gefühl der Leser durch die Theilnahme, wozu man sich für das Schicksal jener entfernten Brüder hingerissen fühlt, als durch die stets begleitende Belehrung eines so festen, und dabey so einfach und edel guten Cha rakters, wie der des Erzählers, der sich sowohl in seinem Umgang mit den Otaha itiern, als in seiner Art, die Dinge anzusehen, und das Gesehene wiederzugeben, äussert“ (357–358). Aber in Reisebeschreibungen, wo es keine Entsprechung zwi schen „angehender Humanität der Eingebohrnen“ (357) und humanem Umgang gibt, besteht in Forsters Sicht die Möglichkeit, dass „ohne die Absicht des Verf.“ den Leser als Augenzeugen ein „Gefühl der empörten Menschlichkeit […] durch dringt“ (130): „wo der Leser voll Wuth und Indignation […] auffahren muß“ (211). Eine Lektüre, die dem Leser „das Herz“ in diesem Sinne „erweiter[t]“, dass „der verwandte Geist in seinem eigenen Busen […] sich selbst in den Schicksa len seiner Brüder“ „fühlt“ (AA VII, 177), kennzeichnet die zweite Bedeutung von deutscher Anteilnahme an den Entdeckungen der ‚Seemächte‘.
1.5 Gefühl der Erhebung Forster bezeichnet diese Art der Anteilnahme durchgängig – schon in einer engli schen Rezension für die Critical Review – als „philosophisch“ (AA XI, 13), als die jenige des „Menschenforscher[s]“ (201; vgl. 208, 357), ohne dass sie dadurch zur Sache des Spezialisten würde, „für dieses oder jenes Fach“ (195) der „Gelehrte[n]“ (170), „die ihre Wissenschaft als Monopol betrachteten“ (AA VII, 224). Im Gegen teil, Forster diskutiert die philosophische Anteilnahme an den Entdeckungs reisen durch die Abgrenzung von Spezialgebieten wie Naturgeschichte (mit Mineralogie, Biologie und Anthropologie), Geographie, Geschichte, Statistik, „Handelswissenschaft“, „Nautik“, Astronomie, Physik, „Philologie“ oder Alter tumskunde (225), deren „Einseitigkeit die gefährlichste Klippe“ (AA XI, 208) sei, und durch die Diskussion der „Höhe“ des „Standpuncte[s]“, der eingenommen werden müsse, um „alle Verkettungen des menschlichen Schicksals“ zu erken nen (138). „[P]hilosophische Beleuchtung“ in diesem Sinne vermisst Forster in
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der Cook-Biographie von Andrew Kippis, weil dessen ‚Ausschreiben‘ von drei Beschreibungen der Reisen Cooks zu „ihre[n] Wirkungen auf die Zeitgenossen und die Nachwelt“ (147) schweige. Dagegen heißt es in der Selbstrezension von Forsters Übersetzung von George Keates Nachrichten von den Pelew-Inseln in der Westgegend des stillen Oceans: „Die Wichtigkeit dieses Werks für die Philosophie der Menschheit entwickelt Hr. F. in der Vorrede“ (213). Diesen „Gesichtspunct“ (182), zu dem Forster die deutschen anteilnehmen den Leser sich erheben lassen will, formuliert die etwa gleichzeitige Selbstan zeige seiner Kleinen Schriften unter Rückgriff auf den Cook-Essay: Bey Gelegenheit des Einflusses der neuen Entdeckungen auf die Ausbildung des Verstan des verwirft der Verf. die seit einiger Zeit so oft wiederholte Hypothese einer allgemeinen Aufklärung und eines mit ihr wiederkehrenden goldenen Zeitalters nach der Analogie der Vergänglichkeit der Naturwesen, weil es ohne Contrast weder Größe, noch Tugend, noch Vollkommenheit für uns giebt. (183)
Forsters Beschreibung seines geschichtsphilosophischen Standpunkts verfährt anonymisierend, so dass einerseits der antirousseauistische Schein die normative Orientierung an „Beyspiele[n] von regem Gefühl, von Gutmüthigkeit und sogar durch Nachdenken veredelter Herzensgüte“ „fast überall unter diesen ungebil deten Völkern“ (260), von „natürlicher Froh- und Gutmüthigkeit“ (357) verdeckt, andererseits die Polemik gegen „teleologisches Lallen“ (AA V, 472) die „Theorie des Fortschrittes der menschlichen Gesellschaften, überhaupt vom Stande der Wildheit zur höchsten Staffel der Aufklärung und Politur“ (AA XI, 104). Diese Widersprüche reproduzieren auf höherer Ebene die des anteilnehmen den Augenzeugen, der menschlich gleich und durch Verständnis unterschie den ist. Zugleich aber besteht eine Spannung zwischen dem auf den Schauplatz versetzten Augenzeugen und dem Philosophen, den Forster mit dem Leser als „gebildeten und im Ideenreichthum fortschreitenden Menschen“ gleichsetzt: Sein „Geschäft“ sei es, „aus den Mittheilungen der Augenzeugen die Angaben zu sammlen, die den Kreis seines Wissens über den Kreis seines Hierseyns hin aus, nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern auch vorwärts in die Zukunft erweitern“ (AA V, 496). In Forsters Rezensionen kollidiert der hohe Gesichtspunkt der Zukunft der menschlichen Gattung zuweilen heftig mit anderen Gesichtspunkten, die sich der Verfasser partiell zu eigen machen kann, wenn es sich um solche von Augenzeu gen handelt; so schreibt Forster Apologien des Seemanns wie des Diplomaten gegen die Vorwürfe „einseitige[n] Gewäsch[s] der Theoretiker“ (AA XI, 177), auffäl lig ist allerdings, dass er an keiner Stelle die „Kurzsichtigkeit“ „kaufmännische[r] Syllogistik“ (337) oder das „Maulwurfsauge“ „kaufmännische[r] Bilanz“ (AA V, 198) rechtfertigt. Doch über den „Geschäftsmann“ kann es heißen: Er sei „nicht
1.5 Gefühl der Erhebung
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blos zu entschuldigen, sondern vielleicht vor andern ehrwürdig, wenn er auf sei nem hohen überschauenden Standpuncte […] ruhig zusieht, wie sich das große Rad des Schicksals wälzt“ (AA XI, 177). Über den Einsatz militärischer Gewalt, der zu Cooks Tod führte, heißt es, dass nur der Augenzeuge als ein Mann in Lebensge fahr zum Urteil berechtigt sei: Selbst würdige und gelehrte Männer giessen viel unverdienten Spott über den Entdecker aus; weil er, ihres Bedünkens, ein unrechtes Compendium des Naturrechts nachgeschla gen haben müsse, um darin die Richtschnur seines Verkehrs mit den Insulanern des Süd meers zu finden. Cook hatte aber weder den Barbeyrac noch den Puffendorf gelesen, und überhaupt den Wilden nicht theoretisch studirt. Sollte es auch nicht einem kleinen Zweifel unterworfen seyn, ob man wirklich Compendien nachschlägt, wenn man sich in Lebensge fahr befindet? Doch vielleicht ermannet sich irgend ein empfindsamer Sittenrichter, seinen Flaum und seinen niedlich besetzten Tisch zu verlassen, um den Seemann auf einer mühsa men Fahrt zu begleiten. Wenn alsdenn ein Sturm die Masten zerschmettert […]. (AA V, 264)
Dem Hinweis auf die ‚Umstände‘ folgen vier weitere Sätze, die das Leiden des See manns ausmalen, und der Schluss: „[S]o wird hoffentlich der nunmehrige Theil nehmer an diesen Leiden genau bestimmen können, was die Selbsterhaltung for dert, und wo die Menschlichkeit anfängt. […] Weit entfernt also, jene Menschen nach unsern schulgerechten Begriffen zu behandeln, sieht man sich vielmehr gezwungen, sich zu den ihrigen herab zu lassen.“ (265) Das entscheidende Mittel, diese auf der Ebene der Augenzeugenschaft auf brechenden Widersprüche von der Höhe des geschichtsphilosophischen Stand punkts zu bearbeiten, ist für Forster die These von der Gleichgültigkeit der Motive gegenüber dem Resultat: „Bald ist es Nationaleitelkeit, bald politisches Interesse, Spekulation des Kaufmanns oder Enthusiasmus für Wahrheit, was auf jenes Ziel hinarbeitet und dem wichtigen Endzwecke mit oder ohne Bewußtseyn dienen muß.“ (390; vgl. 202) In die – in „Die Nordwestküste von Amerika, und der dortige Pelzhandel“ so formulierte – These geht einiges von dem forschen – im Zitat zu Cooks Tod die Grenze zum Demagogischen überschreitenden – Ton ein, den Fors ter im Cook-Essay auf die Formel vom „strengen Optimismus“ gebracht hat, die Bereitschaft, „die Dinge so zu nehmen wie sie sind“ (197). Zugleich ‚gewährt‘ die These jedoch dem „Philosophen und Menschenforscher“, wie Forster in der Ein leitung zu den Reisen an die nordamerikanische Westküste unter Bezugnahme auf die Konflikte zwischen Spanien und Großbritannien, aber auch der britischen Kapitäne und Handelsgesellschaften untereinander schreibt, „eine erfreuliche Aussicht“: „Der Hader ehrgeiziger Fürsten, und die Verwegenheit gewinnsüchti ger Kaufleute sind nur die blinden Werkzeuge, womit der Künstler einer höheren Ordnung, der Schöpfer des Menschenglücks und der Pflegevater menschlicher Weisheit, sein großes göttliches Werk vollführt.“ (472)
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Auch wenn solche theistische Metaphorik bei Forster seit 1784 extrem selten ist – im Unterschied zur Voyage und zur Reise – und Forster sie seinem Freund Herder gerade zum Vorwurf macht (vgl. Kapitel 7), die providentialistische Rede weise gehört zum Kern der These von der Gleichgültigkeit der Motive gegenüber dem Resultat. So schreibt Forster zu der – seiner Einschätzung nach – aus ökonomischen Gründen verspäteten ‚Entdeckung‘ des Inneren von Afrika, das „der Eigennutz als unergiebig aufgegeben hatte“ und das erst vom naturgeschichtlichen, geo graphischen, völkerkundlichen sowie humanitären Interesse erschlossen werde: Wir mögen nicht untersuchen, wie viel leidenschaftlicher Selbstgenuß bey allen diesen edleren Motiven mitgewirkt habe, um das wichtige Geschäft der Untersuchung von Africa in Gang zu bringen; im Gegenteil, diese Triebfeder soll uns heilig und ehrwürdig seyn, weil sie Gutes wirkt, weil ohne sie nichts gewirkt werden kann.“ (AA VII, 218–219)
Zu den Reisebeschreibungen der Kapitäne Portlock und Dixon – im Dienst der King George Sound Company – bemerkt Forster fast sarkastisch: „Ohnerachtet Entdeckungen nicht zum Endzweck dieser Reise gehörten, so war es doch wohl nicht möglich, in jenem Ocean umherzuschiffen, ohne unsere geographischen Kenntnisse entweder zu vermehren, oder doch zu berichtigen.“ (AA XI, 203) So wechselt in Forsters Rezensionen die Qualifizierung der einen Reise, hier seien „[w]issenschaftliche Nachrichten, Erweiterungen der Erfahrungskenntnisse […] die Hauptsache“, mit der einer anderen, hier seien sie „Nebenwerk“ (AA VII, 225). Meist lässt der ‚strenge Optimismus‘ das Resümee positiver ausfallen als anläss lich des Surgeon-General John Whites Journal of a Voyage to New South Wales: „[…] der Fortschritt der Wissenschaften ist niemals so beschaffen, als wäre er eine wichtige Angelegenheit der Menschen, sondern er geschieht nebenher, ruck weise, und bleibt immer gegen das, was geschehen könnte, in einem unendlich geringen Verhältniß.“ (AA XI, 236) In einer ähnlich ‚strengen‘ Einschätzung, die die Sibirien-Reisebeschrei bung des einzigen Überlebenden der – nicht nur nach Forsters Meinung – „so gut concertirten Entdeckungsreise“ von La Perouse auslöste, bringt Forster die drei Motive zusammen, die er auch an vielen anderen Stellen seiner Rezensio nen, Literaturberichte, Vorreden und Aufsätze als die treibenden Kräfte der Ent deckungsreisen unterscheidet; er kommentiert das spurlose Verschwinden des Entdeckers La Perouse: Die edelsten, uneigennützigsten Bemühungen der Menschen, deren Zweck das Wohl der gesammten Gattung ist, haben also vor dem rhadamantischen Stuhl des Schicksals nichts mehr und nichts weniger von Schutz und Obhut zu hoffen, als jene verwegenen Unterneh mungen der Herrschsucht und der Begierde nach Reichtum, die man jetzt gelingen, und jetzt nach unerforschlichen Gründen scheitern sieht. (259)
1.5 Gefühl der Erhebung
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Wenn Forster den Entdeckungsreisenden La Perouse durch das ‚Wohl der gesammten Gattung‘ motiviert darstellt, zeichnet sich eine wesentliche Leistung der These von der Gleichgültigkeit der Motive gegenüber dem Resultat ab: Sie erlaubt die Idealisierung der Wissenschaft zum Mittel für den humanen Zweck des Gattungsfortschritts; die andere liegt in der Idealisierung der Wissenschaft zum Selbstzweck. Beiderlei Idealisierung ergibt sich aber daraus, dass Forster aufgrund der These die Konflikte zwischen Politik, Ökonomie und Wissenschaft auf dem Gebiet der Entdeckungen gerade darstellen kann. So heißt es über den bereits erwähnten Dixon: „Unser Verf. [durfte] […] nur in so fern es die Absichten seiner Rheeder gestatteten, die Zeit auf Untersuchungen […] verwenden“ (206); zu den Instruktionen der Regierung für Cooks Dritte Reise formuliert Forster sehr scharf: In der That war es so sehr auf die bloße Entdeckung der Durchfahrt in kaufmännischer Hin sicht abgesehen, daß man in dem geheimen Verhaltungsbefehl, der Würde des Entdeckers uneingedenk, ihm sogar ausdrücklich gebot, sich, im Falle er neue Inseln fände, mit ihrer Entdeckung nicht aufzuhalten“ (AA V, 228; nochmals verschärft: 435).
Schon in der Reise um die Welt, vor allem den für die deutsche Fassung neu ver fassten Anmerkungen, hat Forster den Konflikt zwischen politisch-ökonomisch motivierten Instruktionen und der wissenschaftlichen ‚Entdeckung‘ thematisiert (vgl. Kapitel 2). Während bis heute die Trias von Ökonomie, Politik und Wissenschaft in geschichtswissenschaftlichen Darstellungen der europäischen Expansion, ob British Imperial oder post-colonial, pluralistisch entspannt als bloßes Nebeneinander behandelt wird,21 schwanken Forsters Rezensionen und Vorreden zwischen der Verteidigung der Wissenschaft gegen ökonomische und politische Behinderun gen einerseits und der Verklärung einer harmonischen Beziehung andererseits. Einerseits schreibt er anklagend: „Die Küste, die nicht Gold und Silber zeigte, […] blieb unerforscht“ (AA V, 231), und setzt „Enthusiasmus für Wahrheit“ gegen „Nationaleitelkeit“, „politisches Interesse“ und „Spekulation des Kaufmanns“ (390); andererseits heißt es: […] je emsiger der kaufmännische Geist von der Unersättlichkeit des Zeitalters seinen Vor theil zieht, indem er ihr Nahrung verschafft; desto stärker wächst das politische Interesse der Staaten, an der Erweiterung geographischer und anderer Erfahrungskenntnisse, und desto mehr sucht es alle jene Triebfedern im Gange zu erhalten. Großbrittannien, dessen
21 Hierzu vgl. Bravo 1999, 181; Edwards 1994, 2–3; Frost 1988, 27; Harlow 1964, 18–19, 32, 60; Rose 1940, 5, 31; Williamson 1933, 91; vgl. als Ausnahme Spate 1988, 17.
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Handel von so ungeheurem Umfange ist, hat folglich auch in dieser Rücksicht den Nationen das Schauspiel von Entdeckungsreisen geboten, wodurch die vorher unbekannte Hälfte der Erdkugel ausgekundschaftet worden ist. (201–202)
Wenn Forster das Verhältnis von Ökonomie, Politik und Wissenschaft harmonisch darstellt, kommt es – so wie hier – zu einer Nationalisierung: Er unterscheidet „um die Erforschung der Erde verdiente[…] Völker“ (AA XI, 102) von solchen, die es nicht seien; zu diesen rechnet er insbesondere Spanien, Portugal und Holland, wenngleich er Columbus, Magellan und Tasman als Ausnahmen von der Regel gelten lässt, die er an der spanischen Galleone illustriert, die einmal im Jahr von Acapulco nach Manila segelte: Mich dünkt, die äußerste Gleichgültigkeit gegen alles, was Entdeckung heißt, kann sich nicht stärker zeigen, als durch eben dieses Schiff, welches in einem Zeitraum von zwey hundert Jahren jährlich genau denselben Strich hält, und vierhundertmal an der schönen Gruppe der Sandwichsinseln vorübergesegelt ist, ohne je soweit von seiner gewöhnlichen Bahn abzukommen, daß es sie wirklich entdeckt hätte. (AA V, 204)
Das Verdikt eines Mangels an „Geist der Entdeckung“ (205) trifft aber auch die französischen und sogar die britischen Vorgänger Cooks; obwohl er Byrons, Wal lis’ und Carterets Reisen eine „wissenschaftliche Absicht“ zugesteht und Bou gainvilles sogar „das erste Beyspiel von einer zu wissenschaftlichen Endzwecken gehörig eingerichteten Entdeckungsreise“ nennt, sieht er alle vier Zeitgenossen Cooks hinter den „wackern Freybeuter[n]“ (205) Drake und Dampier zurückblei ben. Hieran ist nicht nur die Übereinstimmung mit der späteren Kanonbildung in der britischen Literaturwissenschaft (vgl. Kirkpatrick 1916, 244), sondern auch mit der Traditionspflege der Marine- und Kolonialgeschichtsschreiber Großbri tanniens (vgl. Harlow 1964, 18) bemerkenswert, sondern vor allem die Untermi nierung der Idealisierung von Wissenschaft – als Selbstzweck oder Mittel zur Humanität – in Forsters Argumentation. Diese Unterwanderung der Wissenschaft durch Ökonomie und Politik zeigt sich im Cook-Essay nämlich auch auf der Ebene der Begriffsmetaphorik: Wissenschaft, in Gestalt des als Motiv idealisierten „Geist[s] der Entdeckung“ (AA V, 205; vgl. 207, 223), verwandelt sich zunächst in „kühnen Forschungsgeist“ (211; vgl. 219), dann in „rastlose[n] Entdeckungstrieb“ (230) und „innere[n] Forschungstrieb“ (231), um schließlich über „feurigste[…] Forschbegierde“ (260; vgl. 233) zum „Europäischen Geist der Betriebsamkeit“ (292) zu werden, den Cook auf eine Weise repräsentiert, die nicht vom „Unter nehmungsgeist“ (439), dem „kaufmännischen Geiste der Betriebsamkeit“ (447) zu trennen ist: „Seine Begierde konnte nur durch Erkenntnisse gesättigt werden, und sie mögen ihm nun Zweck oder Mittel, oder wechselweise beydes gewesen seyn“ (299), lautet Forsters letztes Wort.
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1.6 Nähren von Wetteifer Aus der Erhebung des anteilnehmenden deutschen Lesers auf den Standpunkt einer solchen ‚Verflechtung‘ „in die Ereignisse der Menschengattung überhaupt und namentlich seines Zeitalters“ (164) ergibt sich die weitere Art von Anteil nahme, die Einsicht, in einen Wettbewerb einbezogen zu sein; aus der Präsenta tion Cooks als Produkt und Repräsentant des Zeitalters folgert Forster: Verschiedene Europäische Staaten haben so rasche Fortschritte zur Vervollkommnung gethan, daß sie auch dem blödesten Auge nicht mehr entgehen können. Selbst ihre träge ren oder mehr bedrückten Nachbaren fangen an einzusehen, wie weit sie zurückgeblieben sind, und welche Vortheile sie entbehren müssen. (294)
Die bewundernde Anteilnahme an den Entdeckungsreisen, die Forster den Deut schen dann empfiehlt, enthält – auf zwei Seiten – eine lange Liste von politi schen, ökonomischen und wissenschaftlichen Forderungen, die unter dem Namen „der fortschreitenden Aufklärung“ auf gesellschaftliche Veränderungen hinauslaufen, von der Wirtschafts- und Pressefreiheit über religiöse Toleranz bis zur „nähere[n] Entwicklung des allgemeinen Begriffs von unserer Gattung“ (295). Bewunderung als ein Modus der literarischen Anteilnahme an den briti schen und französischen Entdeckungsreisen schließt die Einsicht ein, wie ins besondere Forsters Literaturbericht von 1791 betont, dass und warum „wir noch so weit hinter den höchst kultivirten Nationen in Absicht auf das Ganze unserer Schriftstellerei zurück[stehen]“ (AA VII, 234); in dem 1792 geschriebenen Bericht äußert Forster „vielleicht einige Hofnung, daß die Schicksale, die auf unsere feu dalischen Verfassungen wirken können, durch eine günstige Wendung zugleich den Volkscharakter bestimmen, und die Geisteskräfte zu einer schöneren, freie ren und edleren Thätigkeit wecken dürften“ (234). Wenn Forsters Erklärung der Zurückgebliebenheit der deutschen Literatur aus der gesellschaftlich-politischen Verfassung hier 1792 den traditionellen Begriff des Nationalcharakters als abhän gige Variable benutzt, so entspricht dies seiner Rezensions- und Editionspraxis seit 1778: Seine Besprechungen ausländischer Reisebeschreibungen arbeiten mit einem Muster nationaler Zuordnungen von wissenschaftlich-literarischen Vorzügen und Schwächen, Tugenden und Fehlern, die an NationalcharakterStereotypen anknüpfen.22 Aber wenn Forsters Rezensionen und Editionen an der Nationalität der europäischen Reisenden interessiert sind, so bleibt diese doch nur ein Merkmal der – von seiner Poetik der Reisebeschreibung so herausgestell
22 Vgl. hierzu Stanzel 1998 und Kapitel 11.
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ten – Perspektive des jeweiligen Textes, zu dem andere treten: Stand, Geschlecht, weltanschauliche und politische Position.23 Bewunderung als Anteilnahme lokalisiert auf einer – oben und unten deut lich unterscheidenden – Stufenleiter europäischer Nationen; der bewundernde deutsche Rezipient von fremden Reisebeschreibungen über die nicht-europäi sche Welt positioniert sich unterhalb der Spitze dieser „Staffel der Aufklärung und Politur“ (AA XI, 104), aber die Einbeziehung in den Wettstreit auf der „Lauf bahn“ (AA IX, 307) der Nationen eröffnet die Möglichkeit, sich durch eigene Betriebsamkeit über andere ‚zurückgebliebene‘ zu stellen. So spricht Forster z. B. davon, dass die habsburgischen Länder „[v]erglichen mit Frankreich, England, Holland und dem Norden von Deutschland […] auf einer sehr niedrigen Stufe der Cultur“ (AA VIII, 302) seien. Zu einer Sammlung von Reisebeschreibungen von Charles Pierre Coste d’Arnobat, die nach Westafrika, Indien und Westeuropa führten, bemerkt Forster grundsätzlich, es sei „äusserst interessant, zu lesen, wie ein Franzose, voll Nati onalgeist und Nationalstolz, den er zu verhehlen sich nicht die geringste Mühe giebt, das Ausland betrachtet, wie er von den verschiedenen Gegenständen, die ihm fremd sind, afficirt wird, und wie er sich indignirt und ereifert“ (AA XI, 185). Über einen anderen französischen Reisebeschreiber heißt es in einem Brief an Jacobi: „Ich bin gewiß, daß ich anders sehen und urtheilen würde, als er, allein ich kann mich seiner französischen Art und Kunst erfreuen; mich ergötzt es, den Franzosen in ihm näher zu sehen“ (AA XVI, 23).24 In Matthew Consett könne der Leser – nach Forster – „den englischen Landjunker […] beschauen“, dem „[a]lles, was nicht englisch ist“, ‚auffalle‘ (AA XI, 192), während in Elizabeth Cravens Rei sebeschreibung „die Vortheile unverkennbar“ seien, „welche Vermögen, Rang, Stand und Vaterland ihr darboten, um alle Schwierigkeiten einer für ein Frauen zimmer unerhörten Reise aus dem Wege zu räumen“ (169–170). Wenn Forster einen entscheidenden Vorzug von Le Vaillants südafrikanischer Reisebeschreibung darin sieht, dass sie „recht anschaulich den Unterschied des deutschen Compilators vom französischen Selbstdenker zu erkennen giebt“ (279), so tadelt er ein britisches Buch über Indien umgekehrt: „Die Unbekannt schaft mit unserer Sprache und Litteratur hat natürlicher Weise dem Verf. man che Hülfsquelle abgeschnitten, wodurch er sich den Ruhm einer größern Genau igkeit und Vollständigkeit hätte erwerben können“; bezeichnenderweise fährt Forster jedoch fort: „wir aber müssen von ihm lernen, über dem ewigen Materiali
23 Vgl. zur Beziehung von Geschlecht und Klasse von deutschen Reisenden im Pazifik und in Schottland, auch im Hinblick auf die Französische Revolution, Dawson 2010, 50. 24 Zu einer problematischen Interpretation dieser Stelle durch die Herausgeber vgl. AA V, 765.
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enstoppeln, dem Sylbenstechen, der Kleinigkeitskrämerey, nicht das Resultat des Ganzen zu vergessen, und zur Übersicht der größern Verkettungen nicht unfähig zu werden“ (295). Den Gegensatz zur Bewunderung des fremden Fortschritts bil den bei Forster „Völkerhaß“ (185) und „Selbstgefälligkeit“ (285). Er findet diese aber nicht nur bei Zurückgebliebenen, sondern auch bei Fortgeschrittenen; bei beiden äußerten sich Völkerhass und Selbstgefälligkeit gleichermaßen als „eine ausschließende normalische Ansicht des Erdkreises“ (193). Forster nennt diese schlicht „eine Beleidigung des Verstandes“ und verweist auf die verschiedenen „Classen“ von Reisebeschreibungen, „deren jede ihren eigenthümlichen Charak ter und zweifelsohne auch jede ihr Gutes hat“ (193); auffällig ist die nationale Bezeichnung bestimmter Interessenrichtungen: die naturhistorische erscheint als schwedisch, die statistische als deutsch, die „Sittengemälde“ und „Seereisen“ aber als englisch (193); emphatisch erinnert Forster an eine eigene frühere Rezen sion, die von Coste d’Arnobats Reisen, in der er sich dessen Ansicht zu eigen gemacht hat: „Nationen […] sind Originale, jede in ihrer Art.“ (187) Wenn Forster diese Feststellung des französischen Reisenden mit dessen Lob der „Billigkeit der englischen Gesetze gegen Fremde“ (187) gleichsetzt, muss auffallen, dass er andererseits Billigkeit mit dem Merkmal deutsch verbindet, wo es um die literarische Anteilnahme an den verschiedenen ‚Classen‘ von Reisebe schreibungen geht: „Unsere deutsche Billigkeit wird das alles gut aufnehmen; denn sie ist ohnehin schon dahin gekommen, die Menschen nicht alle über einen Leisten gemodelt zu verlangen.“ (185) Forster ist als Rezensent ausländischer Reisebeschreibungen bemüht, selbst ein Beispiel solcher Billigkeit zu geben. Wenn er nationale „Mode[n]“ (AA VII, 212) auf dem Gebiet der Reisebeschreibung kritisiert, bleiben seine Verallgemei nerungen relativ; der Begriff des „herrschenden […] Geschmack[s]“ (AA XI, 357) erkennt nicht nur an, dass es in jedem Land Ausnahmen gibt von dem, was er als Regel beschreibt, sondern auch die Existenz von Widerspruch gegen das, was dominiert. So formuliert Forster vorsichtig, La Bordes Südsee-Komplilation schließe „mit einer, wie es scheint, in Frankreich jetzt Mode werdenden, Diatribe gegen des großen Büffons Geogenie“ (309); andererseits wendet sich Forster gegen die Auswertung von Reisebeschreibungen durch den Nachfolger Buffons, La Cépède, am Beispiel von dessen Darstellung des Froschs: „So wie alles da steht, klingt es in unsern Ohren fast wie eine Satyre auf das arme Thier; unser Verf. konnte hingegen auf den französischen Nationalgeschmack Rechnung machen, und es geht noch einige Quartseiten in diesem empfindsamen Tone fort.“ (155) Gegen die Mode der illustrierten Reisebeschreibungen in Großbritannien erweckt Forster den Verdacht, dass – im Falle von Edward Stanleys Tunesien-Buch, das wörtlich seine Vorgänger ‚nachschreibe‘ – „eine Aussicht von der Bay von Tunis
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in Aquatinta Manier […] wahrscheinlich die Veranlassung zum Texte gegeben“ (114). Während teure Kupfer und empfindsame Reflexionen als britische und französische Moden erscheinen, übt Forster an deutschen Büchern meist wegen „pedantischer Wortweisheit“ (185) Kritik. Allerdings schränkt er auch hier ein, so heißt es anlässlich von Bernoullis Bearbeitung deutscher, französischer und eng lischer Indienreisen über die „trockenen“ Nachrichten, dass Bernoulli sie „ver muthlich zum Beweise“ bringe, „daß wir unsern alten Ruhm als eine ernsthafte Nation noch nicht ganz bey ihm verlohren haben; gleichwohl muß schon gegen die gerühmte deutsche Geduld ein Zweifel aufgestiegen seyn, indem er doch auch den geographischen Theil merklich abgekürzt hat“ (123). Auf den Begriff der Billigkeit bringt Forster ein Selbstgefühl, das Bewun derung fremden Fortschritts zur Einsicht in eigene Zurückgebliebenheit nutzt: „deutsche Billigkeit in der Anerkennung fremden Werthes“ (AA V, 325). Forster begründet, wie der universale Fortschritt den Zurückgebliebenen sogar vom ungerecht urteilenden Fortgeschrittenen lernen lasse: Wir können, mit den Bewußtseyn der Lehrbegierde, die, ohne Rücksicht auf Völker oder Individuen, der Wahrheit und dem Lichte redlich nachstrebt, den Wink, der in […] unbillige[m] Tadel gegeben wird, benutzen, und uns die Regel immer fester einprägen, jenen elenden Völkerhaß […] aus der Sphäre der gesitteten Welt zu verbannen (AA XI, 185).
Also auch diejenigen englischen oder französischen Reisebeschreibungen, die aufgrund einer ‚ausschließenden normalischen Ansicht des Erdkreises‘ (193) sich gegen das Fremde ‚indignieren‘ (185), vermitteln den deutschen Rezipienten wichtige Einsichten. Die Zuordnung von Billigkeit zu ‚deutsch‘ ist nicht fest, denn Billigkeit gegen über ‚Fremdem‘ erscheint als allgemeine Bedingung des wissenschaftlichen Fort schritts. So betont Forsters Literaturbericht auf das Jahr 1788: Nicht allein durch eigenes Forschen, sondern auch durch eifrige Benutzung der Entde ckungen und Fortschritte anderer Nationen, ward in den letzten Jahrhunderten die Masse der intensiven Aufklärung in England sichtbarlich vermehrt. Noch nie traten so häufige Übersetzungen in allen Theilen der Gelehrsamkeit hervor, als eben in dieser Periode. Eine vertrautere Bekanntschaft mit der Französischen Litteratur äußerte den vortheilhaften Ein fluß auf die Originalwerke der besten Englischen Schriftsteller, und so wie ehedem Hume durch dieses Studium sich unverkennbare Vorzüge als Geschichtschreiber erworben hatte, so leuchtete es in die Augen, daß Robertson, Gibbon, und andere große Männer aus ihrer Classe, nach ausländischen Mustern hingesehen, die Anordnung der Materien, oder die Methode und Behandlungsart ihnen abgelernt, in der Gründlichkeit und Vollkommenheit der Ausführung aber, sie weit übertroffen hatten. Mit welcher weisen Anerkennung der Ver dienste Frankreichs um die Litteratur mußte nicht Jones, der berühmte Orientalist, Sher lock, der witzige Reisende, und Gibbon, der unnachahmliche Historiker, aus dieser Quelle geschöpft haben, da sie es selbst wagen durften, Französisch zu schreiben? (AA VII, 69)
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Forster folgt gewissermaßen seiner eigenen Kritik an John Meares’ Reisebe schreibung, die den Mangel an Selbstreflexion auf den Punkt bringt: „Wenn man über ganze Nationen ein allgemeines Urtheil fällt, sollte man […] die Aus nahmen wenigstens in Erinnerung bringen, wodurch sie mit demjenigen, was wir unter uns bemerken, in eine Art von Gleichung gebracht werden können.“ (AA XI, 267) Deshalb kritisiert Forster nicht nur unermüdlich vor allem bri tische Reisende, wenn diese sich „wenig darum […] bekümmern, wie […] eine individuelle Beobachtung in einen allgemeinen Charakterzug verwandelt“ wer den könne, und stattdessen alles, „was […] nicht Englisch ist, […] verwerflich“ (286) sein ließen, sondern polemisiert noch heftiger als mit „Selbstgefälligkeit“ des „freye[n] Britte[n]“ (285; vgl. auch 284, 360) gegen vergleichbare deutsche „Selbstzufriedenheit“; so erklärt er die Negativität von Piozzis Darstellung ihres „Rückwege[s]“ aus Italien durch verschiedene deutsche Staaten: „[W]eil wir bey aller Selbstzufriedenheit, die unsere Biedermänner, so Gott will! uns einflößen möchten, den übrigen gesitteten Nationen noch keinen recht freundlichen Blick abgewinnen können“ (195). Das wichtigste Beispiel solcher deutschen Selbstzufriedenheit unter den von Forster Rezensierten ist Christoph Meiners, der laut Forster als „ein Philo soph gerade auf den Punct zurückkehrt, wo er die geringsten seiner Landsleute bey ihrem Vorurtheil und Nationalstolz verliess, nemlich bey der parteyischen Vorliebe für sein Volk und Vaterland“ (243). Wenn die Eingeschränktheit des Gesichtspunkts Meiners einerseits mit der Masse der Bevölkerung der deutschen Staaten verbindet, so liefert diese andererseits Forster das entscheidende Argu ment gegen Meiners’ rassistische Annahme von der ‚natürlichen‘ Überlegenheit der Kelten über die Mongolen; zu allem, was Meiners Letzteren vorwerfe, hät ten – wie Forster wohl bewusst schreibt – „wir das Gegenstück beym Lipsius, wenn er Westphalen, beym Erasmus, wenn er England schildert, ja noch heu tigen Tages in den Hütten des deutschen, schottischen, französischen, italiäni schen Kötheners und gemeinen Mannes aufzuweisen“ (241). Forsters Plädoyer für „theilnehmende […] Bewunderung“ nicht nur Cooks, sondern aller Entdecker empfiehlt die „Klasse von Schriften, welche von Entde ckungsreisen handelt“ (AA V, 278), als ein Mittel gegen Bornierung: Diese Wärme des Gefühls, die einen rühmlichen Wetteifer nährt, und sich mit den niedrigen Regungen des Neides nicht verträgt, ist zugleich das beste Verwahrungsmittel gegen jene eingeschränkte, partheyische, und leider noch so allgemeine Vorliebe für unsere eigene Beschäftigung, welche mit der Herabwürdigung anderer Lebensweisen und anderer Klas sen des menschlichen Wissens verbunden ist. (277)
Auch wenn diese Verallgemeinerung primär gegen spezialisierte Gelehrsam keit gerichtet ist, bleibt das nationale Moment unverkennbar, sobald Forster die
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Verweigerung von Bewunderung diskutiert; er erklärt einen „wegwerfende[n] Scepticismus“, der „alles Große für erdichtet halten zu können“ meine, aus „der gedemüthigten Eigenliebe“ (277), also der Weigerung, das eigene ‚Zurückgeblie bensein‘ (294) zu erkennen und sich durch „weiter Eilen und Emporstreben zu neuen Erkenntnissen und Entwicklungen unserer Kräfte“ (276) am Wettstreit zu beteiligen. Zu Forsters positiver Bewertung der Mittelposition auf der Stufenleiter Euro pas in Gestalt der Billigkeit gibt es eine auffällige Parallele an einigen Stellen, die sich auf Diderots Auszeichnung der Mittelposition zwischen Wildheit und Zivili sation im Maßstab der gesamten Menschheit, also auch der außereuropäischen Kulturen, zu beziehen scheint: „that ‚mid-way point‘ between civility and sava gery where the ‚happiness of the species resides‘“ (Pagden 1995, 147). Die Mittelposition gewinnt ihre Auszeichnung bei Forster einmal durch eine gemeinsame Negativität der Extreme, wie in der bereits zitierten Verallgemeine rung, „daß die höchste Cultur sich in Absicht auf Beobachtungsgeist gewisserma ßen an den rohen Stand der Natur wieder anschließt, weil der Blick des Mannes, der in der großen Welt zu leben gewohnt ist, so schnell abgleitet, wie der des Wil den“ (AA XI, 119). Doch diese Gleichsetzung begegnet auch in positiver Gestalt, erstmals im Schlusssatz des Aufsatzes über Botany Bay: Es kommt vielleicht alles auf den Blick des Weisen an, der den Stoff zu großen Unterneh mungen selbst im rohen und verderbten Menschen entdecken, der Gelegenheit wahrneh men, die Funken der Thätigkeit hervorlocken, sie sammlen und in einem Punkt vereinigen, mit einem Worte, Menschen bilden und vollenden kann. (AA V, 180)
Einige Jahre später schließt Forster noch emphatischer die Vorrede zu den Reise beschreibungen von der amerikanischen Nordwestküste: Ein unpartheiischer, philosophischer Reisender hat schon am Ohio bemerkt, wie mitten in den Wildnissen von Amerika die Eingebornen und die Abkömmlinge der Europäer sich nähern, wie jene ihre Barbarei, und diese die Gebrechen der zu weit getriebenen Verfei nerung ablegen und beide zu einer Mittelnatur zurückkehren, aus welcher sich durch die künftige Volksvermehrung die Verhältnisse einer neuen Kultur entwickeln müssen. (496)
Die vierte Bedeutung von deutscher Anteilnahme an den Entdeckungsreisen ist die assoziative Identifikation. Forsters Empfehlung, sich durch eigene Tätigkeit in den Austausch, der ein Wettstreit ist, einzubeziehen, richtet sich auf eine Sphäre, deren Beschreibung Züge der traditionellen europäischen Gelehrtenrepublik mit denen europäischer nationalisierter Öffentlichkeiten mischt.
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1.7 In Tätigkeit versetzen In der Orientierung an einem common reader zeigen Forsters Rezensionen (wie auch seine Editionen) zunächst einmal eine Nähe zu den von ihm ausgewerte ten britischen Reviews, deren Formel zur Besprechung von Reisebeschreibun gen – Pleasurable Instruction (so der Titel und die Ergebnisse der Untersuchung von Charles Batten 1978) – deshalb auch nicht zufällig immer wieder begegnet. Auf der anderen Seite ordnet Forster jedoch das einseitige Fachinteresse, gegen das er die unterhaltsamen und belehrenden Reisebeschreibungen (AA XI, 189) ausdauernd verteidigt, nicht nur der deutschen Kritik zu, sondern wirft gelegent lich z. B. englischen Rezensenten vor, vorrangig an Nautik interessiert zu sein (109). Thomas Forrests Reisebeschreibung A Voyage from Calcutta to the MeguiArchipelago z. B. habe „seinem Vaterlande, dem jede nautische, geographische und in die Handelswissenschaft einschlagende Bemerkung wichtig ist, einen schätzbaren Beytrag zur Kenntniß jener Weltgegend geliefert“: Allein wenn man gleich den Seemann von Profession als den Leser dieses Werks, dem es unmittelbar nützen soll, betrachten muß, so hat doch der Verf. überall Anzeichnungen von einem allgemeineren Interesse hineinverwebt, die durch Neuheit oder als Bestätigungen des sen, was bisher nur auf das Zeugniß weniger, älterer Reisenden beruhte, auch denen, die der vernünftigen Unterhaltung und Belehrung wegen lesen, allerdings willkommen sind. (354)
Forster adressiert diejenigen deutschen Leser, denen er die ausländischen Entde ckungsreisen zu vermitteln sucht, als „großes Publikum“ (170), dessen „[a]llge meines Interesse“ (117; vgl. 354) er zu artikulieren beansprucht. Forster verteidigt deshalb durchweg auch einen Leser von Reisebeschreibungen, der sie „zum blo ßen Vergnügen als unterhaltende Lecture genießen“ (25/26; vgl. 162, 269) wolle.25 So betont Forster immer wieder auf der einen Seite den Gesichtspunkt der „Leser auf dem festen Lande“ (207) oder „inländischen Leser“ (182), der „Land- und Städtebewohner“ (AA V, 239), auf der anderen Seite, dass es sich bei den Lesern der Entdeckungsreisen nicht nur um Gelehrte (AA XI, 170; vgl. 143) oder „den Geo graphen, den Politiker und den Kaufmann“ (AA V, 802), also nicht nur um Leute vom „Fach“ handele (AA XI, 195): „es kommt aber nicht darauf an, für Gelehrte zu schreiben, sondern Kenntnisse durch die Anmuth des Vortrags dem großen Publikum schmackhaft zu machen“ (170).
25 Mit dem Zitieren von Forsters „Beschluß“ in „Die Nordwestküste von Amerika, und der dor tige Pelzhandel“ (AA V, 496) beendet Fischer (2002, 607) seine Untersuchung zur Rolle der Un terhaltung in Forsters Poetik des Genres: „Erst also, wenn die Lektüre Wirkungen im konkreten Handeln der Subjekte zeitigt, ist sie hinreichend legitimiert.“
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So sehr Forster die „Ungeduld der Leser“ (AA V, 724) auf außereuropäische Reisebeschreibungen und den ‚Nutzen‘ für den „gemeinen Mann“ (AA VII, 208) herausstreicht, z. B. als „insbesondere auch zum Verständniß der Zeitungen oft unentbehrlich“ (AA XI, 139; vgl. 198), so klar ragt eine Gruppe unter seinen Adres saten hervor – diejenigen, die zwischen der Wirkung der Reisebeschreibungen „unvermerkt im Stillen“ und der allgemeinen, den „auffallenderen Folgen“ (AA V, 295–296), vermitteln, der Wirkung im Privaten und der in der Politik: „[…] schon giebt es keine falsche Politik, als diejenige, die der individuellen Bildung und der Spontaneität des Bürgers entgegenwirkt.“ (392) Aus der Bildung des „Privatmann[s] in seinem engeren Wirkungskreise“ (392) u. a. durch Reisebeschreibungen wird bei Forster eine indirekte Politik, in der die Literatur eine entscheidende Rolle spielt; dabei bezieht er sich auf die besonderen deutschen Bedingungen: In der Rezension von Brissots USA-Reisebeschreibung nennt er „die Schriftsteller und Recensenten“ „die einzigen Repräsentanten eines Volks, das sonst keine hat“ (AA XI, 335). Den Bildungswert der Reisebeschreibungen beschreibt Forster schon im Cook-Essay 1787, aber erst in der Brissot-Rezension macht er 1792 die politischen Implikationen des Öffentlichkeitsbegriffs explizit; heißt es 1787: Es ist ein wichtiges Geschäft, in Stunden der Erholung, durch eine Reihe neuer Bilder die angestrengten Geisteskräfte zu erquicken, den Eindruck überstandener Mühseligkeiten zu verwischen, Kraft und Muth zu neuer Anstrengung zu geben, und das Gedächtniß mit nütz lichen Lehren und Kenntnissen zu bereichern. Unter allen Merkmalen eines aufgeklärten Jahrhunderts ist vielleicht keines untrüglicher, als eben dieses lebhafte Bedürfniß der Lek türe, welches sich bis auf die untern Volksklassen erstreckt. (AA V, 296)
1792 formuliert Forster zu Brissot: Bey der Durchlesung dieses Werks dringt sich die Bemerkung auf, daß das Bedürfniß der Nationen ihnen die Anwendung vernünftiger Principien im Großen gleichsam abnöthigt, [….] wodurch dann […] der Einführung einer unbegränzten Freyheit der Diskussion, mithin auch zuletzt einer mit der Vernunft allein zu vereinbarenden freyen Verfassung der Weg gebahnt werden muß. (AA XI, 336)
Der Begriff der Emanzipation, der sich in dieser Besprechung auch auf Frauen und ‚Neger‘ bezieht (326, 324), spitzt zu, was Forster schon vorher als von den Entdeckungsreisen ausgehende „Impulsion“ (183) aufgefasst hat; im Autorreferat zur Neuausgabe des Cook-Essays in den Kleinen Schriften heißt es 1789: Unter die wichtigen Resultate der Cookischen Reisen zählt der Verf. […] die Impulsion, wel che durch die Masse neuer Kenntnisse den Zeitgenossen und sogar der lesenden Nachwelt gegeben wird, indem die neuen Begriffe, Erkenntnisse, Urtheile und Grundsätze, unmittel bar aus der Erfahrung geflossen, zur Bildung jedes einzelnen Lesers im Stillen wirken und auf das praktische Beziehung erhalten (183).
1.7 In Tätigkeit versetzen
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Die Öffentlichkeit als Verbindung von Bildungs- und politischer Wirkung der Ent deckungsreisen wird in Forsters Rezensionen deshalb durchgängig thematisiert, weil sein Begriff von Entdeckung an deren Öffentlichkeit haftet. Seine Auffassung, dass Reisende „durch Bekanntmachung ihrer Wahrneh mungen im eigentlichen Verstande entdecken“ (AA V, 434), richtet sich sowohl gegen Regierungen wie gegen Handelskompanien: „Eine verheimlichte Entde ckung ist etwas Ungereimtes, ein Unding, worauf sich niemand berufen darf.“ (434) Doch sie trifft auch die „flüchtigen Entdecker“, die aus politischen oder ökonomischen Gründen weder „untersucht“ noch „in Charten genau entworfen“ hätten (217). Letztlich spricht Forster allen Seefahrern vor Cook ab, Entdecker gewesen zu sein, um ihnen den Namen Abenteurer vorzubehalten: „So wenig war alles, was jene Abentheurer unternahmen, bekannt, bestimmt und in der Anwen dung brauchbar geworden.“ (205) Immer wieder kritisiert Forster deshalb nicht nur besonders oft die spanische Regierung, sondern z. B. auch die Hudson Bay Company, die „eine falschverstan dene Handelseifersucht“ früher „ihren Vorrath von Charten und Tagebüchern“ „sorgfältig verbergen“ ließ (AA VII, 215): Forster betont, dass „diese Bekanntma chung der einzelnen Entdeckungen das einzige Mittel ist, jene Ungewißheit zu vermeiden, worin wir uns jetzt noch in Absicht der Spanischen Entdeckungen im Südmeere befinden, deren Spuren wir zwar auf der Charte finden, wovon uns aber die historischen Data größtentheils fehlen“ (AA XI, 208). Die Kritik an der „Geheimhaltung“ von Entdeckungen durch Handelskompa nien wie die East India Company (129) und gelehrte Gesellschaften wie die Afri can Society erfolgt im Namen der „Publicität“ (AA V, 220); sie markiert die Gren zen der Öffentlichkeit auch in Großbritannien, das ansonsten für Forster, gerade was Entdeckungsreisen betrifft, Modell ist: „Wenn man die Brittische Geschichte ausnimmt, ereignete sich vielleicht noch nie der Fall, daß eine ganze Nation, in ihrem öffentlichen collectiven Verhältniß den ernsthaften Musen geopfert hätte. Wem aber sind die großen Entdeckungs-Schifffahrten unbekannt geblieben […]?“ (AA VII, 68) Wenn Forster den Cook-Essay mit der Klage „von ganz Europa“ (AA V, 302) über den Tod des ‚Vergötterten‘ schließt, zeichnen sich zwei Momente des Begriffs der öffentlichen Entdeckung ab: die Bindung der Öffentlichkeit an die Herrschaft Europas über die außereuropäische Welt und an die Dominanz Großbritanniens innerhalb Europas. So wie Forster einerseits über die Europäer in der 1. Person Plural schreibt: „wir […] herrschen auch in andern Welttheilen, und umfassen mit unsrer vollkommneren Erkenntniss die ganze Erde“ (AA XI, 240), so kann andererseits eine Präzisierung das deutsche ‚Wir‘ ausschließen: „Die Ausfuhr von Zinn nach China, verbunden mit dem Pelzhandel, verspricht die Handelsbillanz, welche bisher gegen Europa war, zum Vortheil unsers Welttheils (oder eigentlich
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der Engländer) zu wenden, und wenigstens jenen unaufhörlichen Zahlungen in Silber ein Ende zu machen.“ (269) Die Veröffentlichung der Entdeckungen der europäischen Seemächte ver steht Forster als einen Austausch dessen, was die eine schon weiß, gegen das, was andere noch nicht wissen (AA XI, 14, 327; AA V, 214; AA XII, 103): „Indostan“, heißt es in der Le Gentil-Rezension, „sey für uns noch ein ziemlich neues Land und schwer zu kennen, man müßte sich daselbst viel Jahre aufhalten und unge heuer Geld vertun“ (AA XI, 25). Entsprechend Forsters optimistischer Erwartung vom „Europäischen Han del“, „in welchen sich allmählig die ganze Weltgeschichte aufzulösen scheint“ (AA V, 395),26 deutet er auch die Publikation kolonialistischer Projekte in Reise beschreibungen als Beitrag zu Verhinderung von Krieg, gerade wenn Verfasser das Gegenteil intendieren; zweimal nimmt er in diesem Sinne zu britischen Rei sebeschreibern Stellung, die von der Eroberung der Isle de France träumen, wie Innes Munro: Sein Project, den Franzosen die Insel wegzunehmen, […] dürfte leicht mehrern Schwie rigkeiten unterworfen seyn, als er glaubt, wenigstens ist die Offenherzigkeit nicht genug zu rühmen, womit er von dem schlechten Vertheidigungszustande daselbst spricht, und dadurch den Franzosen die nächste Veranlassung giebt, auf einen feindlichen Besuch künf tig besser gerüstet zu seyn. (AA XI, 212)
Zu Macintoshs Reisebeschreibung bemerkt Forster umgekehrt, indem er französi sche Quellen zur Warnung an die Briten macht: (Sonderbar ist es, daß ein Engländer von Besitznehmung und vortheilhafter Lage der Inseln France und Bourbon spricht, da zu gleicher Zeit mehrere erfahrne Seeleute in Frankreich
26 In zwei Büchern über Alexander von Humboldt hat Ottmar Ette für das beispielhafte ‚Weltbe wusstsein‘ der zweiten Phase der Globalisierung diesen Satz zitiert (2002, 93; 2009, 52). Während Ette 2002 dieses ‚Weltbewusstsein‘ historisch widersprüchlich verortete, indem er einerseits die Differenz zum späteren neunzehnten Jahrhundert betonte, insofern die Welthandelsvision der zweiten Phase noch keine Eroberung vorgesehen habe (2002, 190), andererseits gegen HumboldtJubelfeiern der ‚Berliner Republik‘ den Kontext fortgesetzter Expansion hervorhob (78), übersetzt er 2009 Forsters Begriff der ‚Auflösung‘ so, dass „sich die ganze Weltgeschichte in den Welthan del verflüchtige“ (2009, 53), und stellt neben die (spezifisch historische) „Weitsicht einer subtilen Reflexion der Folgen dieser zweiten Phase beschleunigter Globalisierung“ nun „das allgemeinere Phänomen, dass Phasen der Beschleunigung geschichtsphilosophisch gleichsam einen strobos kopischen Effekt produzieren“ (53). Mittels Vergleich verallgemeinert Ette die ‚Verflüchtigung der Geschichte‘ für das späte achtzehnte Jahrhundert wie für die Gegenwart: Ihm „scheint just in den Phasen geschichtlicher Beschleunigung der Eindruck einer Immobilisierung, einer Nach-Ge schichte zu entstehen“ – „so, wie die Räder von Kutschen und Planwagen im klassischen Western gerade dann stehenzubleiben scheinen, wenn diese ihre höchste Geschwindigkeit erreichen“ (53).
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dahin übereinstimmen, daß sie zum Handel nach Indien schlecht gelegen sind, daß man sie verlassen und sich in Madagaskar oder sonst wo niederlassen müsse.) (93)
Angesichts des Gewichts, das Forster auf die Friedlichkeit des Austauschs legt, muss auffallen, dass er schon im Cook-Essay darauf verzichtet, die ‚Neutra lität‘ zu erwähnen, die dem Entdecker auf seiner Dritten Reise von den gegen Großbritannien im Krieg befindlichen Seemächten eingeräumt worden war. Der zuständige französische Minister hatte seine Admirale angewiesen, „that Captain Cook shall be treated as a commander of a neutral and allied power, and that all captains of armed vessels who may meet that famous navigator shall make him acquainted with the King’s order on this behalf“ (Williamson 1933, 122). Auch die USA und Spanien verfügten, „that Cook’s vessels were to be exempt from capture or molestation“ (Harlow 1964, 53). Während imperialistische Historiker des zwanzigsten Jahrhunderts sich nicht genug tun konnten, Cooks Anerkennung durch die europäischen Feinde zu preisen: „He was now the representative not only of England but of civilization, and civilization acknowledged it“ (Williamson 1933, 122), schweigt Forster zu die sem Aspekt. Sein Schweigen kann als Hinweis auf die Abweichung seines Begriffs von Öffentlichkeit sowohl von der Politik der Kabinette – in der er die wesentliche Ursache von Kriegen erblickt (vgl. AA V, 467, auch 463) – als auch von der Gelehr tenrepublik gesehen werden. „Krieg ist in unserm Zeitalter kaum noch möglich“, schreibt Forster 1792: Das Phänomen der politischen und bürgerlichen Freiheit, welches zu den Merkwürdigkei ten dieser Zeit gehört, ist die unmittelbare Folge jener höheren Staatskunst, welche alle Hoffnung verloren hat, durch Eroberungen ihr Glück zu machen, und jetzt nur in dem Maaße, wie sie physische und metaphysische Kräfte im Innern des Staats in Bewegung setzt, ihre Präponderanz behaupten kann. (391–392)
Die – nicht zuletzt im Lichte der Französischen Revolution und von Paines The Rights of Man von Forster anvisierte – Ersetzung der Kabinettskriege durch den friedlichen Handel zwischen Nationen, die das Ergebnis der Emanzipation ihrer Bürger wären, würde die Auseinandersetzung zwischen Staaten zu dem „schöne[n] Schauspiel eines friedlichen Wetteifers“ machen, „wie er dem Handel angemessen ist“, formuliert Forster in der Einleitung zur Darstellung des Kon flikts zwischen Großbritannien und Spanien im Nootka Sound,27 wobei er noch einmal zurückgreift auf die Vorgeschichte:
27 Vgl. zum Konflikt Fisher 1979.
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Wer unserer ins Kurze zusammengedrängten Darstellung gefolgt ist, wird nicht ohne ein gewisses theilnehmendes und erhebendes Gefühl die neue Thätigkeit auf den Wogen eines Jahrtausende hindurch unbeschifften Oceans wahrgenommen haben. Das Band, welches entfernte Welttheile wohlthuend und zwanglos an einander knüpft, das Band der Schiff fahrt und des Waarentausches, schien jetzt den Kreis der Erde ganz zu umschlingen, und es ließ sich erwarten, daß Asiens und Europens Begriffe und Erzeugnisse, nach dem wil den Amerikanischen Ufer geführt, eine sanfte, allmälige Veränderung in der Denkart und Handlungsweise des rohen Bewohners der neuen Welt bewirken würden. Die Nationen von Europa begegneten einander friedlich in jenen kaum erst erforschten Häfen eines noch wenig besuchten Landes (449–450).
Allerdings gibt es in Forsters Rezensionen, Vorreden und Literaturberichten einige wenige Passagen, die diesem Hymnus auf den „eigennützige[n], vernünftige[n], freie[n] Brittische[n] Kaufmann“ (451) widersprechen, indem sie z. B. dem „despo tisch gesinnten Financier in England“ vorwerfen, „die Freiheit eines Engländers auf ihren Werth an Gelde an reduciren“ (471), oder Ausnahmen von der Regel, dass Handel „Eroberungssucht“ ersetze, zugestehen: „außer etwa in Ostindiens gar zu verführerischen Königreichen“ (484). Es ist das monopolistisch und als Staatsmacht fungierende Handelskapital, das Forster heftigst kritisiert, weil es „durch den Alleinhandel die Welt zu bezwingen“ ‚hoffe‘ (484): Ertödtet oder erlogen ist alles Gefühl in der furchtbarsten Menschenclasse, die je existirte, derjenigen, die sich aus der engen Sphäre des Waarentausches plötzlich zur unumschränk ten Herrschaft über Millionen Menschen erhebt. Die blos kaufmännische Gewinnsucht erstickt jeden Keim zu großen, edlen Handlungen; ohne Heldentugenden erobert sie durch Verläugnung aller natürlichen und bürgerlichen Rechte; sie bebt nicht zurück vor der schwärzesten Bosheit und den niedrigsten Kunstgriffen, denn sie rechnet nur […:] die Greuel der herzlosesten Tyranney, Erpressung, Verrath, Meuchelmord und Justizmord, hen kermäßige Grausamkeit, Verödung ganzer Provinzen, Ausrottung ganzer Völker [bezeich nen] jeden Schritt (AA XI, 130).
Gerade weil Forster das politische Handelsmonopol so heftig verurteilt, strahlt seine Vision vom Handel als dem friedlichen „Band der Völker unter einander“, das „fast gänzlich auf gewagten Schifffahrten“ beruhe (AA V, 427), umso heller. Dieser Austausch ersetze den Krieg um Eroberungen durch „Wetteifer“ (449) um „Präponderanz“ (392), und die Konkurrenz betreffe nicht nur „Erzeugnisse“, son dern auch „Begriffe“ (450). Auf diesem Feld – der sich nationalisierenden Öffentlichkeit Europas – lie gen für Forster die Möglichkeiten deutscher ‚betriebsamer‘ Anteilnahme: Es bietet dem ‚Zurückgebliebenen‘, der die ‚Fortgeschrittenen‘ ‚bewundernd‘ sich zur Beteiligung an der Aufklärung ‚erhebe‘, die Chance, im ‚Wetteifer‘ ‚Präpon deranz‘ zu erlangen, also Unterlegenheit in Überlegenheit zu verwandeln. An
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zwei Momenten, die den deutschen Teil der europäischen Gelehrtenrepublik von deren anderen Teilen unterschieden, setzt Forster – schon in der Übersetzung der Voyage – an: ihrer Sprache und ihrer Tradition. In beiden Fällen macht er aus der Not eine Tugend. Forster bleibt in den Fußnoten zur Reise um die Welt nicht bei der Polemik gegen englischen und französischen Anspruch auf wissenschaftlichen Vorrang stehen (AA III, 354, 435), sondern entwickelt seinerseits eine Begründung für eine Überlegenheit der deutschen Sprache. In einer Fußnote gegen Hawkesworth wird zum ersten Mal ein dann häufiges Leitmotiv der Reise um die Welt expo niert, das die deutsche Sprache gegenüber anderen insofern privilegiert, als sie zur Transkription der Sprachen der Südsee geeigneter sei. Gegen Hawkesworth’ Schreibung des Namens von Tupaya als „Tupia“ wird – an den Leser gerichtet – eingewandt: Man kann aber versichert seyn, den Namen desselben, gleich vielen andern Wörtern aus den Südsee-Sprachen, hier [in der Reise] richtiger als im vorhergehenden Werk [Hawkes worth’ Geschichte der englischen See-Reisen] ortographirt zu finden; denn der Verfasser des gegenwärtigen ist ein Deutscher, die gemeiniglich nicht nur mehr Disposition haben fremde Sprachen zu lernen, sondern auch in der Aussprache und Rechtschreibung derselben ungleich genauer zu seyn pflegen als die Engländer, Franzosen etc. Es sind auch zum Behuf der Deutschen, alle fremde Wörter hier so geschrieben, wie sie der deutschen Aussprache nach eigentlich lauten. (AA II, 182–183)
Von diesem Anspruch her wird verständlich, warum nicht nur Korrekturen der „engl. Schreibart“ (222) als „unrichtiger Weise“ (303) begegnen, sondern noch Bougainvilles Entdeckung des „wahren Namen[s]“ von Tahiti einer einschrän kenden Qualifizierung bedarf: „so weit es die Beschaffenheit der französischen Sprache erlauben will“, was meint, dass das Französische im Unterschied zum Deutschen die „leichte[…] Aspiration“ nicht erfasse, mit der „die Indianer“ „nem lich Tahiti“ aussprechen (221). Was die Aspiration im Fall des Französischen, sind in dem des Englischen Nasale und Gutturale; so heißt es über die Sprache auf Neukaledonien: „Ohnerachtet sie wenig harte Mitlauter haben, so sprechen sie doch viel durch die Gurgel und Nase, welches besonders denenjenigen unter uns, die nichts als Englisch konnten, schwer zu fassen und noch schwerer nachzuma chen vorkam.“ (AA III, 328) Es ist nur konsequent, dass Forster deshalb betont, wenn Cook Namen missverstehe, z. B. auf Tanna die ihm genannten Namen als solche von Nachbarinseln nimmt statt, was sie seien, solche von Distrikten (240). Umgekehrt macht sich Forster seine Erfahrung zunutze, „daß die Einwohner von Tahiti fremde Namen noch ärger als Engländer und Franzosen zu verstümmeln pflegen“ (AA II, 254), um aus dem ihm berichteten Wort Peppe auf die spanische Herkunft eines Schiffs, von dem die Rede war, zu schließen. Das Gegenteil der
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1 Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der europäischen ‚Seemächte‘
Tahitier in Hinsicht der fremdsprachlichen Kompetenz sind die Neuhebrider. Es folgt aus dem Gewicht, das die immanente Anthropologie und Geschichtsphilo sophie der Reise um die Welt der Wechselseitigkeit von Austausch zumisst, dass Forsters Schilderung des sprachlichen Verhaltens der Bewohner von Mallicollo dazu dient, diese zum „verständigste[n] und gescheuteste[n] Volk“ zu erklären, „das wir noch bis jetzt in der Süd-See angetroffen hatten“ (AA III, 165). Diese Charakterisierung betrifft nicht nur ihr Verständnis von „unsre[n] Zeichen und Gebehrden“, „als ob sie schon wer weiß wie lange mit uns umgegangen wären“, sowie die Geschwindigkeit, in der sie „auch […] uns eine Menge Wörter aus ihrer Sprache verstehen“ „lehrten“ (165), sondern auch ihr Interesse an der Ver schriftlichung der Sprache: „Sie wunderten sich, daß wir die Wörter so schnell ins Gedächtniß faßten, und schienen eine Weile nachzudenken, wie es zugehen mögte, daß man den Klang der Worte durch Bleistift und Papier ausdrücken könne.“ (169) Aus der – negativ herausgestellten – begrenzten Fremdsprachen kenntnis der übrigen Reiseteilnehmer geht hervor, dass Forster über sich und sei nen Vater berichtet, wenn Mallicollo gewissermaßen zur Entsprechung des Deut schen wird; der gelingende sprachliche Austausch zwischen beiden qualifiziert die jeweils überlegene Intelligenz: So emsig sie einer Seits waren, uns ihre Sprache zu lehren; so neugierig waren sie anderer Seits auch, etwas von der unsrigen zu lernen, und sprachen alles was wir ihnen davon vor sagten, mit bewundrungswürdiger Fertigkeit ganz genau nach. Um die Biegsamkeit ihrer Organe noch mehr auf die Probe zu setzen, versuchten wirs, ihnen die schwersten Töne aus allen uns bekannten europäischen Sprachen, z. B. das zusammengesetzte russische schtsch anzugeben; aber auch da blieben sie nicht stecken, sondern sprachen es, gleich aufs erste mal, ohne Mühe und ohne Fehl nach. (169)
Es ist der in sprachlicher Reproduktion bewiesene „Scharfsinn“ (169), der die Mallicoleser in derselben Weise unter den Südseeinsulanern heraushebt wie die Deutschen unter den Europäern. Wegen dieser Analogie kann folgende abschlie ßende Charakterisierung der Mallicoleser auch auf das Verhältnis des zurück gebliebenen Deutschlands zu den fortgeschrittenen Kolonialmächten Europas bezogen werden: „das ist, so viel wir bemerkt haben, eine sehr verständige Art von Leuten, welche leicht zu bewegen seyn würden, die Verbesserungen des civi lisirten Lebens anzunehmen“ (191). Auch in den Rezensionen, die Forster in den achtziger und frühen neunzi ger Jahren schrieb, blieben „die Armuth“ (AA XI, 148) des Französischen und der „unbestimmte[…] Werth der Englischen Buchstaben“ (198) Leitmotive seiner Kri tik an Entdeckungsreisebeschreibungen; zu den englischen bemerkt Forster 1789 verallgemeinernd: „Die meiste Schwierigkeit verursacht immer die Rechtschrei bung; ein jeder schreibt nach dem Ohr die fremden Worte nieder, und bey dem
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unbestimmten Werth der Englischen Buchstaben ist es fast nicht zu vermeiden, daß jeder anders buchstabirt.“ (198) Im Gegensatz dazu steht das Deutsche, wo einige indische und persische Wörter, wie Forster formuliert, „bey uns gleich sam das Bürgerrecht erlangen“ (131). Auch die positive Wertung der Fähigkeit von ‚Eingeborenen‘ zum Nachsprechen fremder Sprachen findet sich in Forsters Besprechungen wieder, bezeichnenderweise am ausführlichsten dargestellt in der einzigen Rezension einer spanischen Entdeckungsreise. Wieder ergibt sich die Spiegelung eines zurückgebliebenen europäischen Landes – denn Spanien gilt Forster als das Exemplum „jener in Lethargie versunkenen Nation“ (AA V, 232) – in den zur Zivilisation befähigsten ‚Wilden‘; dass die Beschreibung der Feu erländer durch Antonio de Cordova Forster zur Korrektur seines eigenen Urteils, wie es sich in der Voyage und Reise findet, veranlasst, gibt der folgenden Passage besonderes Gewicht: Ein besonderer Zug, daß sie fremde Worte sogleich nachsprechen, beweiset die Vollkom menheit ihres Gehörs und der Sprachwerkzeuge. Pescherähs, die Cordova im Hungerhafen und Hafen Gallant antraf, scheinen besser gebildet zu seyn, als jene, die Cook und seine Reisegefährten im Weihnachtssunde […] sahen; die hier gegebene Beschreibung stimmt mehr mit der von Falkner überein. […] Im Ganzen genommen ist an dieses Werk so viel gründliches Studium […], verbunden mit unanmaßlicher Bescheidenheit und aufgeklär ter Denkungsart, verwendet worden, daß man daraus sieht, welcher reifen und schönen Früchte sich die Litteratur in Spanien zu erfreuen haben wird, wenn die edle Nation einst nicht mehr unter dem Joch ihrer weltlichen und geistlichen Tyrannen seufzt. (AA XI, 347)
Auffällig häufig stehen, wie hier, die Anmerkungen zur Sprache in Forsters Rezen sionen in engster Nachbarschaft zu solchen zur ‚Gründlichkeit‘ der Beobachtun gen eines Reisenden (vgl. 295); deshalb heißt es einmal nur scheinbar beiläufig: „Indessen sieht man, wie der Reichthum oder die Armuth einer Sprache selbst die Begriffe, die darin ausgedrückt werden sollen, modificirt.“ (148) Gründlichkeit erscheint dabei als positive Umwertung des Stereotyps, das aus der Perspektive von außen „den deutschen Gelehrten mehrentheils unter dem widrigen Bildes eines Pedanten erblickt“ (142): „Die französischen Schriftsteller empfanden frühzeitig, daß an Büchern, wie an Kunstsachen aller Art, die Form mehr als die Materie gilt, und gaben daher ihren Werken alle jene Vorzüge, um derentwillen man ihnen die Gründlichkeit erließ, die das schwerfällige Erbtheil ihrer Nachbarn geblieben ist.“ (118/119) Während Forster nun ‚Trockenheit‘ (123, 279), ‚Ernsthaftigkeit‘ und ‚Langweiligkeit‘ (123) des Pedantischen im deutschen ‚Wetteifer‘ mit französischer und englischer Literatur preisgibt, hält er an einer mit ‚Tiefe‘ assoziierten ‚Gründlichkeit‘ als Wertmaßstab fest, der ‚Oberflächlich keit‘ verurteilen lässt. So heißt es über den als sowohl populär wie philosophisch gepriesenen Robertson: „Die Unbekanntschaft mit unserer Sprache und Littera tur hat natürlicher Weise dem Verf. manche Hülfsquelle abgeschnitten, wodurch
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er sich den Ruhm einer größern Genauigkeit und Vollständigkeit hätte erwerben können“; das Beispiel aber, das Forster für den Mangel „an einer in das genau este Detail gehenden antiquarischen Kritik“ gibt, weil es „dem angenommenen Charakter des philosophischen Geschichtschreibers zuwider läuft“, wirft ein bezeichnendes Licht auf das kritische Moment der ‚Tiefe‘: „So begreift man z. B. nicht die geflissentliche Beybehaltung des dunkelsten, schwankendsten Begriffs von den ‚inspirirten‘ Büchern, von denen Hr. R. so im Ernste spricht, wie Voltaire wohl im Scherz davon zu reden pflegt, nemlich als von überirdischen Autoritä ten, denen jedes andre historische Denkmal weichen müsse.“ (295)28 So sehr Forster, vor allem im Literaturbericht von 1791, das Zurückgeblieben sein der deutschen Literatur betont, die er noch nicht als eine Nationalliteratur begreift (AA VII, 232–234; vgl. Kapitel 6), so stellt sich doch gelegentlich schon die Gefahr eines kulturalistischen Überlegenheitsanspruchs ein. In seiner Bespre chung des Göttingischen Magazins von 1781 macht sich Forster August Wilhelm Rehbergs Ansicht zu eigen, „gründliche tiefe Philosophie über den Menschen“ sei der „eigenthümliche[…] Charakter unserer Litteratur“ (AA XI, 84); Forsters Berichterstattung verteidigt im folgenden Rehberg gegen den Angriff Nicolais, indem er diesen auf einen „Beytrag zur deutschen Gelehrtengeschichte“ reduziert (86). Denn Nicolai hatte Rehbergs von Forster unterstützte Empfehlung, von „fran zösischen […] Muster[n]“ (84) zu lernen, mit der Verteidigung einer Gründlichkeit zurückgewiesen, die als die traditionelle Pedanterie „gelehrte[r], verständige[r] und unparteiische[r] Männer“ (Nicolai 1987, 441) aufgefasst werden konnte: Was den guten Ton der feinen Welt betrifft, welchen dieser Verfasser von einem kritischen Journale fordert, so weiß ich nicht, ob die simple Schreibart eines schlichten guten Verstan des deutschen Schriften nicht angemessener sein dürfte, als dieser sogenannte gute Ton. Der gute Ton in Frankreich ist eine Konvenienz, die sich in Paris wie eine Mode ändert, und den niemand außer Paris haben kann und soll. (442)
In der zeitgenössischen Rezeption Forsters spielten die beiden Motive deutscher Überlegenheit im europäischen Austausch über die Bedeutung der Entdeckungs reisen für die Menschheit eine wichtige Rolle; überdies ließen sie sich mit der Annahme ‚deutscher Billigkeit‘ gegenüber fremdem Verdienst in einer Weise kom binieren, die Deutsche zu überlegenen Spezialisten für Universalismus machte. Christian Gottlob Heyne hob in seiner Besprechung von Forsters SakontalaÜbersetzung in den GGA den Kommentar hervor, in dem die „Dichterbilder“ der „Hindus“ „mit den ähnlichen der Griechen“ „verglichen“ würden: „aber nicht wie
28 Vgl. als Gegenbeispiel zu Robertson Ellis, der von Forster gelobt wird, weil er deutsche Quel len benutze, AA XI, 166.
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die Engländer immer zu thun pflegen, diese aus jenen abgeleitet. Metaphysische Begriffe sind auch hier in historische verwandelt“ (AA VII, 490). Herder behaup tete in den Zerstreuten Blättern, „das Drama lese sich im Deutschen schöner als im Englischen“ (497), ein Urteil, wofür er Engländerinnen als Gewährsleute anführte. Archenholz, der Herausgeber von Forsters Literaturberichten, berief sich in einem Aufsatz „Kann die Armuth der französischen Sprache begründet werden?“ auch auf die Autorität Forsters: Mehrere Jahre vor der französischen Revolution, hatte ich eine Unterredung über eben diese Materie mit dem berühmten Forster dem Vater, im Beyseyn seines nicht minder berühm ten Sohnes; Männer, die beyde ausgebreitete Kenntnisse mannigfaltiger Art besaßen, viele Sprachen gründlich studirt und in mehrern selbst gearbeitet hatten; Eigenschaften, womit der Sohn noch einen seltnen Scharfsinn und den feinsten Geschmack verband. Beyde spra chen mit der größten Zuversicht von der Armuth der französischen Sprache, wobey der Sohn, weit entfernt diese herabzusetzen, vielmehr äußerte: Man müsse erstaunen, daß die Franzosen ihre Sprache mit so viel Kunst zu benutzen wüsten, daß man ihre Armuth nicht wahrnähme, sie nicht einmal ahnete, und sie erst beym nähern Forschen kennen lernte. (AA XI, 518)
Wieland äußerte sich zu Sprache, Tiefe und Billigkeit – in Anwesenheit Herders, ohne dass dieser nach Karl August Böttigers Bericht jedenfalls protestiert hätte: „Wieland schimpfte sehr auf das Wortgemengsel aus allen Sprachen in der eng lischen Sprache. Unwillen auf den lächerlichen Nationaldünkel der Engländer. […] Nur die Deutschen lassen fremdem Verdienst unter jeder Zone Gerechtigkeit widerfahren.“ (Böttiger 1998, 177) Friedrich Schlegel hat Forsters ‚Deutschheit‘ zweimal bestimmt: Im Essay von 1797 – im Journal Deutschland, das der preußischen Zensur wegen an die Stelle von Frankreich getreten war – wurde Forsters ‚Deutschheit‘ als Universa lismus bestimmt, in der Literaturgeschichtsvorlesung von 1812 sein Verrat an „angestammte[r]“ deutscher „Denk- und Sinnesart“ (Bouterwek 1819, 351) durch Ausschluss aus der Literaturgeschichte bestraft. Wenn jetzt Literatur der Inbegriff des intellektuellen Lebens der Nation sein sollte, dann meinte deutsch die Erset zung der bürgerlichen durch die metaphysische Revolution (Schlegel 1988a, 234). Schlegels nationalistischer Kosmopolitismus hingegen hatte Forster zur Synthese französischer, englischer und deutscher Nationalcharaktere gemacht, wobei er den „Urkeim“ seines „freie[n] Streben[s]“ und „weite[n] Blick[s]“ in der „Weltum segelung“ (Schlegel 1988b, 81) mit Cook gesehen hatte: Forster bewies […] darin seine universelle Empfänglichkeit und Ausbildung, daß er fran zösische Eleganz und Popularität des Vortrags und engländische Gemeinnützigkeit mit deutscher Tiefe des Gefühls und des Geistes vereinigte. Er hatte sich diese ausländischen Tugenden wirklich ganz zugeeignet. Alles ist aus einem Stück in seinen Schriften und hat deutsche Farbe. (95)
2 Zum Verhältnis von Text und Instruktionen in Georg Forsters Reise um die Welt Bis heute gilt Georg Forsters Reise um die Welt vielfach als das Muster der Beschreibung einer wissenschaftlichen Entdeckungsreise, nämlich, wie Michael Neumann 1994 begründet, einer Reise, deren Durchführung von der Wissen schaft als Zweck an sich bestimmt wurde. Von Alexander von Humboldts (z. B. in Gerhard Steiners Kommentar zur Akademie-Ausgabe AA IV, 191) vielzitierter Einschätzung der neuen Ära wissenschaftlicher Reisen bis zu Urs Bitterlis Cha rakterisierung der zweiten Entdeckungsperiode (1986, 200) wird dabei nicht nur eine Beziehung zwischen der Wissenschaftlichkeit der Reise und der Friedlich keit des Umgangs der Reisenden mit den von ihnen Entdeckten angenommen, sondern beides auf die Instruktionen der Reise zurückgeführt (Bitterli 1976, 30). Auch wenn der Einzug des Poststrukturalismus (Rösner und Schuh 1990) in die literaturwissenschaftliche Forster-Forschung jene Gleichsetzung von Wissen und Humanität (Schulz 1987, 443–445) erschüttert hat, die die linksliberale wie marxistische Forster-Rezeption kennzeichnete, so scheint mir doch die abstrakte Aufklärungskritik mit ihrer Entlarvung von Wissen als Macht einige historischgesellschaftliche Beziehungen zwischen beiden eher zu verdecken, die in Fors ters deutschem Text sichtbar werden. Statt die Instruktionen einfach als Garantie von Wissenschaftlichkeit und Friedlichkeit vorauszusetzen, möchte ich die Pro blematik von Forsters Umgang mit ihnen in seiner Reisedarstellung selbst disku tieren. Es wird sich zeigen, dass die Erzählung der Zweiten Reise Cooks, soweit sie die Instruktionen direkt und indirekt thematisiert, die inneren Widersprüche des Unternehmens dadurch zu lösen sucht, dass sie im Kommentar externalisiert werden; der universale Anspruch von Wissenschaft nationalisiert sich dabei auf doppelte Weise, einmal wird das Universale England zugeschrieben im Gegensatz zu seinen kolonialen europäischen Konkurrenten, dann aber vor allem Deutsch land, dessen Fehlen im Kreis der Kolonialmächte scheinbar die Trennung von Wissen und Macht erlaubt. Auszugehen ist dabei von der Tatsache, dass Forster zu dem die Rezeption beherrschenden Bild der wissenschaftlichen Reise selbst beigetragen hat; nicht erst mit dem – von manchen für seinen besten Text gehaltenen (Hoare 1979, 212) – Essay „Cook, der Entdecker“ (obgleich sich hier die stärksten und wirkungsmäch tigsten Formulierungen finden), sondern schon mit der Reise um die Welt selbst. Es finden sich hier mehrere Parallelstellen zu der Behauptung, der „Hauptent zweck“ (AA III, 399) der Expedition von Resolution und Adventure sei Wissen schaft gewesen.
DOI: 10.1515/9783110343878-006
2.1 Widersprüche zum ‚Hauptendzweck‘ der Reise in Vorrede
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2.1 Widersprüche zum ‚Hauptendzweck‘ der Reise in Vorrede, Einleitung und expliziter Darstellung der Instruktionen In der Vorrede bezieht sich Forster auf den – im Vergleich zu früheren britischen und nicht-britischen Reisen – „vollkommnern Plan“ als Voraussetzung dafür, dass Cooks Zweite Reise zum „Beyspiel […] gemeinnützige[r] Bemühungen zur Erweiterung menschlicher Kenntnisse“ (AA II, 7) werden konnte, in der Einlei tung auf die „Originalität unsers Reise-Plans“ auch gegenüber früheren „wirk lichen Entdeckungs-Reisen“ (19), nicht nur denen, deren „Object […] Raub und Beute“ (20). Der Plan der Reise, die die „Wissenschaft“ erstmals als „Siegerinn“ über den Wunsch nach „Reichthümern“, „Neid und Unwissenheit“ gezeigt habe, wird allerdings in Forsters Text von vornherein in auffälliger Weise mit den „Kosten“ (7) ihrer Durchführung verbunden. Der vom englischen abwei chende deutsche Titel, der noch nie kommentiert worden ist, präsentiert lapidar genau diesen Zusammenhang: „auf Kosten der Grosbrittannischen Regierung, zu Erweiterung der Naturkenntniß unternommen“ (33). Um auf das Verhältnis zwischen den in den Instruktionen ausgedrückten Erwartungen des Geldgebers und den Resultaten der „auf Kosten der Nation auserlesen[en]“ (7) Wissenschaft ler bzw. Maler einzugehen, wählt die Vorrede zwei Begriffe: einerseits „Rechen schaft“, die auf Kosten und Nutzen verweist, andererseits ‚Ruhm‘, der aus dem König einen Beschützer der Musen macht (7). Schon die Vorrede und Einleitung markieren so, dass die unterstellte Harmonie zwischen Auftrag und Ergebnis problematisch ist; am Ende der Vorrede steht der Zweifel, ob „Neid und Eigen nutz“ gestatten werden, dass „dergleichen Entdeckungs-Reisen, mit so wohlthä tigen und wahrhaft nützlichen Absichten noch ferner fortgesetzt“ werden, obwohl die „Unkosten“ von £ 25.000 „für die englische Nation eine Kleinigkeit“ (17) gewesen seien; am Ende der Einleitung wird der Zweifel auf die Person des Ministers konkretisiert, wobei das Fehlen von Wissenschaftlern auf Cooks Dritter Reise auf die früheren zurückbezogen wird: „die Wissenschaft war nie des Minis ters Object gewesen. Sie war ihm nach wie vor verächtlich, und folglich ward auf der neuen Reise kein Gelehrter geduldet“ (28). Im Konflikt zwischen Banks als „so uneigennützige[m] Eiferer für die Wissenschaften“ (27) und Sandwichs „Rachsucht“ (28) wird die Harmonie von Gemeinnutz/Wissenschaft und Ruhm/ Regierung im selben Maße zweifelhaft, wie der Text sie durch Enkomiastik zu überspielen sucht: durchs Lob der „großmüthigen Unternehmungen eines Mon archen, der die Musen schützt“ (17). Die metaphorische Verwandlung der Wissenschaften in eine freie Kunst erneuert zwar die Hoffnung, „daß Plutus und die Musen ein dauerhaftes Bündniß schließen können“ (7), schwächt aber nicht nur die im Herrscherlob unterstellte Planmäßigkeit des gemeinnützigen wissenschaftlichen Unternehmens, sondern
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2 Zum Verhältnis von Text und Instruktionen
bringt auch den gerade ausgeblendeten Reichtum als Motiv zu Entdeckungen wieder ins Spiel.1 Forsters explizite Darstellung der Instruktionen von Cook erfolgt dement sprechend: zunächst in der Einleitung, dann im ersten Hauptstück. Die Reise wird präsentiert als Falsifikation einer wissenschaftlichen Hypothese. Wenn es zuerst über den vermuteten Südkontinent heißt, „daß sich das feste Land im Süd-Meer bis zum 30sten Grad der Breite erstrecke, mithin unter einem günstigen Himmelsstrich belegen, und um deswillen ein wichtiger Gegenstand der europä ischen Politik seyn müsse“, so tritt im Folgenden diese politische Dimension hin ter der wissenschaftlichen zurück: „Um nun diesem Streit wegen eines solchen festen Landes ein Ende zu machen, gieng unsere Reise auf Befehl Sr. Königl. Gros brittanischen Majestät vor sich.“ (25) Entdeckungen „gegen den Südpol hin“ und genauere Bestimmung der „ehemals entdeckten Inseln“, darin erschöpft sich die erste Wiedergabe von Cooks „Befehl“ (25). Die Kürzungen der im Bericht über Ply mouth zitierten „Instruction“, die Forster aus der englischen Reisebeschreibung Cooks und John Douglas’ „zu Ergänzung meines Werks dem deutschen Publikum vortr[ä]g[t]“ (36), sind einschneidend: Forster zitiert den Kurs bis Bouvets Cap de la Circoncision, die beiden Alternativen (festes Land oder Insel), den Rückzug nach Norden im antarktischen Winter, um die Mannschaft zu erfrischen und die Schiffe auszubessern; unwesentlich gekürzt sind die Beobachtungsfelder und die Verhaltensregeln entweder auf dem Kontinent oder auch neuen Inseln; was völlig fehlt, sind jedoch die Anweisungen in beiden Fällen: „to take possession“ (Bea glehole 1961, clxviii). Die Auslassung ist deshalb bemerkenswert, weil in Cooks Instruktion die Besitznahme sich jeweils als letztes Glied in einer parataktisch präsentierten Aufzählung findet. Der politische Akt ist der Abschluss der Akti vitäten, die nacheinander vom Astronomen, Seemann-Geographen, Maler und Naturhistoriker erwartet werden: „observing the true situation […] both in Lati tude & Longitude“, „surveying & making Charts & taking views“, „to observe the nature of the soil & the produce thereof; the Animals & Fowls […], the Fishes“, „to describe them as minutely, & to make as correct Drawings of them, as you can“, „to bring home specimens“ („Mines, Minerals, or valuable Stones“), „to collect“ „Seeds“ (clxviii). Forster kürzt diese Aufzählung zu „Bemerkungen zum Vortheil der Handlung, der Seefahrt und der Naturgeschichte“ (AA II, 37). Seine Kürzung des Rests, in dem die Besitznahme fehlt, lautet: „Träfe man Einwohner an, so sollte Capitän Cook ihren Character, Temperament, Genie und Anzahl bemerken, und wo möglich freundschaftlichen Umgang mit ihnen zu haben suchen.“ (37) In
1 Allgemein zu „Motives for European Exploration of the Pacific in the Age of Enlightenment“ vgl. Gascoigne 2000.
2.1 Widersprüche zum ‚Hauptendzweck‘ der Reise in Vorrede
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der Generalklausel vom freundschaftlichen Umgang, die, wie wir sehen werden, Forsters gesamten Text dominiert, wird von folgenden spezifischeren Anweisun gen geschwiegen: making them Presents of such Trinquets as they may value, inviting them to Trafick, & she wing them every kind of Civility & Regard; but taking care nevertheless not to suffer yourself to be surprized by them, but to be always on your guard against any Accident. You are with the consent of the Natives to take possession of convenient Situations in the Country in the Name of the King of Great Britain, and to distribute among the Inhabitants some of the Medals with which you have been furnished to remain as Traces of your having been there. But if you find the Country uninhabited you are to take possession of it for His Majesty by setting up proper marks & Inscriptions as first Discoverers & Possessors. (Beaglehole 1961, clxviii)
Anlässlich derjenigen nördlich der Antarktis gelegenen Inseln „which have not hitherto been discovered by any Europeans“ wird „the same manner as directed, with respect to the Continent“ (clxix) ausdrücklich bekräftigt. Obwohl Forsters sehr ausführliches Zitat über so viel schweigt, fasst es – als nachträglich in den Text der englischen Vorlage der Reise um die Welt eingefüg tes – bestimmte Darstellungsprobleme zusammen, die bereits die Voyage round the World bestimmten: Das gilt für den Irrealis „Träfe man“, die Trias „Character, Temperament, Genie“ und den Gegensatz „Entdeckung“ und ‚Erfrischung‘ (AA II, 37). Das Schweigen über den kolonialen Zweck der Besitznahme entspricht der Marginalisierung, die die entsprechenden Zeremonien und ihre Elemente im Text erfahren; nur dreimal wird das „eitle[…] Gepränge“ (AA III, 132) jeweils extrem kurz erwähnt und durchgängig in ein ironisches Licht getaucht, indem das kolo niale Ritual als Zeitverschwendung in einen Gegensatz zur Wissenschaft gesetzt wird (324). Die sarkastischste Formulierung dieses Konflikts findet sich in der Beschreibung von South Georgia, wo dann aber zugleich zum einzigen Mal auf den politischen Kontext der Reise angespielt wird. Pinguine werden als Ersatz für die Kolonisten der USA zweifelhaft gemacht: Hier ließ Capitain Cook die brittische Flagge wehen, und begieng die gewöhnliche Feyer lichkeit, von diesen unfruchtbaren Felsen im Namen Sr. Grosbrittanischen Majestät, deren Erben und Nachfolger Besitz zu nehmen! Zwey oder drey Flintenschüsse bekräftigten die Ceremonie, daß die Felsen wiederhallten, und Seehunde und Pinguins, die Einwohner die ser neuen Staaten, voll Angst und Bestürzung erbebten! (401–402)
Nur im deutschen Text fährt Forster fort: „So flickt man einen Kiesel in die Krone, an die Stelle des herausgerissenen Edelsteins!“ (402)
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2 Zum Verhältnis von Text und Instruktionen
2.2 Adressat der ‚philosophischen Reisebeschreibung‘ und Primat der nautischen Geographie in den Instruktionen Noch in der marginalisierenden Thematisierung der Besitznahme scheinen die drei Kollisionen auf, die zwischen Regierungsauftrag, der die Instruktionen bestimmte, und den Zwecken der Wissenschaft, die der Reisebeschreiber Forster in Anspruch nimmt, bestanden. Sie betrafen, wie noch das gekürzte Zitat kennt lich macht, erstens die Route als den Ort für Entdeckungen, zweitens die Zeit für Entdeckungen und drittens den Umgang mit den Entdeckten. Darstellbar wurden diese Kollisionen, weil Forsters Text erstens als Erzählung die Konflikte insze nieren konnte, die dem Unternehmen immanent waren, insofern die Erzählung das Handeln unterschiedlicher Personen darstellte; zweitens weil der Adressat von Forsters Erzählung ein anderer war, als jenes „public“ (AA I, 690),2 in dessen Namen Sandwich z. B. zeitweise den Forsters jede Publikation ihrer Reisebeob achtungen verbieten konnte. Was bei Sandwich in der Form des Verbots begeg net, findet sich in Johann Reinhold Forsters Journal in der von Panegyrik. Noch 1788 bestimmte der ältere Forster das primäre Publikum seiner Reisebeobachtun gen als „patrons and monarch“ (Hoare 1982, 80), wie es dem Text seines Journal entsprach, dessen Schreiber von sich selbst versichert, „no Subject can be more happy, than an English one“, und seine Regierung immer wieder als „superior to those of every Nation under Heaven“ (188) preist (vgl. 216). Allen Wendungen an den Leser in Georg Forsters Reise um die Welt fehlt diese enkomiastische Dimension. Er wird weder als Patron des Erzählers entworfen, dem über den Nutzen der Reise, deren Kosten er getragen hat, Rechenschaft abgelegt wird bzw. dessen Ruhm gesungen werden muss, noch als Gelehrter, dessen wissenschaftliches Interesse spezialisiert ist.3 Die Leseranreden der Reise konstruieren den Adressaten als jemanden, der eine Geschichte lesen will, ohne gelangweilt zu werden, der sympathisieren (mitleiden), nachdenken (verglei
2 Vgl. hierzu Strack 1994, 181, 183. 3 Diese Adressierung ignorieren zwei gegensätzliche Bewertungen von Forsters Reise um die Welt als Text eines Autors, der die Wissenschaft der Anthropologie vertrete und dessen Text sie deshalb am Anspruch auf Objektivität messen. Horst Dippels (2010) Bejahung der Frage, ob der Text objektiv sei, beruht auf einer Abgrenzung der Georg Forsterschen evolutionstheoretischen Stufen von Zivilisation von Johann Reinhold Forsters wertender Hierarchie Zivilisation vs. Bar barei, Jost Schneiders (2006) Verneinung auf Georg Forsters Ersetzung von logisch-klarem durch ästhetischen Stil (vgl. schon Schneider 1998). Auch Jürgen Barkhoff (2012, 223) liest die Reise als anthropologischen Text, aber als „literarische Anthropologie“, in deren „poetologische[m] Zentrum“ er Forsters durch „eine Art strukturelle Ironie“ und „autopoetologische[…] Szenen und Kommentare“ geübte „Fundamentalkritik des Europas der Aufklärung“ finden kann (230).
2.2 Adressat der ‚philosophischen Reisebeschreibung‘
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chen und Zusammenhänge herstellen) und religiös empfinden will, der mora lisch wertet und der nicht unbedingt wissenschaftliche Bücher zur Hand, aber Interesse hat, etwas genauer nachzulesen. Das Neue, das der so charakterisierte Leser erwartet, besteht, was sowohl Gegenstand als auch Gesichtspunkt (AA II, 298) angeht, in „Menschen und Sitten“ (AA III, 157); deren Darstellung, das Was und das Wie, zielt darauf, dass der Leser sie sich „vorstellen“ (375, 414) kann. Die einzige explizite Abgrenzung des so konstruierten Leserinteresses gilt dem Seefahrer (AA II, 367). Damit aber wird im Bezug auf den Leser ausgerechnet der Bereich der Zweiten Reise Cooks ausgeschlossen, der durch Instruktionen geregelt worden war. Der Wortlaut von sowohl Cooks als auch Wales’, des Astronomen auf der Resolution, Instruktionen bestimmte den Reisezweck ausschließlich als „improvement of geography and navigation“ (Beaglehole 1961, 726). Dem entsprach, dass Johann Reinhold Forster keine spezifischen Instruktionen erhielt (AA II, 8).4 Damit war aber schon die Möglichkeit des Konflikts gesetzt zwischen der militärisch-politi schen „Authority“ (Hoare 1982, 365) des Kapitäns, der Instruktionen besaß, und dem „Naturkundige[n]“ (AA II, 27), der „Independency“ für seine Wissenschaft beanspruchte, so Johann Reinhold Forsters Formulierung anlässlich ihres ersten Zusammenstoßes (Hoare 1982, 365). Aus dem Primat der nautisch-astronomisch-geographischen Entdeckungs ziele ergab sich eine Hierarchie, die auf den Ebenen von Ort, Zeit und Umgang zu Kollisionen mit den Interessen führte, die im Text – nicht zuletzt im Hinblick auf den Adressaten – als philosophisch bezeichnet werden. In der Reise entspricht die Abgrenzung des Erzählers vom Stubenphilosophen (AA II, 404; AA III, 366, 384) – umgekehrt komplementär – der des Lesers vom Seemann. Der Erzähler nimmt als philosophischer Reisender ein Interesse wahr, das über das hinaus geht, das in Cooks und Wales’ Instruktionen der „Experimental Philosophy“ (Bea glehole 1961, 726) eingeräumt wurde. Wenn in den Instruktionen Philosophie mit Naturgeschichte bzw. Astronomie gleichgesetzt wird, muss allerdings auffallen, dass auch noch in Forsters Text dieser Wortgebrauch vielfach begegnet,5 dem der Naturhistoriker ein „Weltweiser“ (AA II, 163) ist genauso wie im Journal des Vaters (Hoare 1982, 282); erst im zweiten Teil der Reisebeschreibung wird die Vereindeu
4 Vgl. Hoare 1982, 80, aber anders Gordon 1975, 169. 5 Vgl. jedoch Dawson 1973, 60. Umfassend und differenzierender verortet Tanja van Hoorn (2006, 139) Georg Forster im „anthropologischen Feld der Aufklärung“, um zu betonen: „Am Ende öffnet er den Horizont auf eine übergeordnete moralisch-menschheitsgeschichtliche Per spektive.“
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2 Zum Verhältnis von Text und Instruktionen
tigung von Philosophie auf ‚Menschen und Sitten‘ (AA II, 413, AA III, 30, 157, 327), also auf Anthropologie und Geschichtsphilosophie fest. Bereits mit der in der Vorrede gegebenen Bestimmung der philosophischen Reisebeschreibung als integriertes Gegenteil der Jagd nach isolierten Fakten überschreitet der Erzähler den Rahmen, den die Instruktion Cooks für die Tätig keit des Naturkundigen bereithielt. Dennoch bleibt dieser im Text der Reise um die Welt durchwegs erkennbar: Die Stereotypik, mit der Georg Forster vom Sam meln, Beschreiben und Zeichnen berichtet – wie sein Vater vom „collecting & describing“ (Hoare 1982, 326), wird nur variiert von der nicht weniger periodi schen Notwendigkeit, die Sammlungen zu ordnen. Der untergeordneten Stelle exakt dieses Interesses – to collect, to describe, to draw – in den Instruktionen entspricht Cooks höhnischer Kommentar zum Parlamentsbeschluss, dem Natur historiker – in diesem Stadium der Vorbereitung noch James Lind – £ 4.000 für „Discoveries to the South Pole“ zu zahlen: „but what the discoveries were, the Parliament meant he to make, and for which they made so liberal a Vote, I know not“ (Beaglehole 1961, 4); Cooks Kommentar kontrastiert mit der dem Parlament vorliegenden Empfehlung der Royal Society an das Board of Longitude für den Naturhistoriker als „extremely useful […] on account of […] his great Knowledge in Mineralogy, Chemistry, Mechanics, and various branches of Natural Philoso phy“ (913). Mit dem ausgeweiteten philosophischen Anspruch macht der Erzäh ler von Forsters Reise die Ort, Zeit und Umgang betreffenden Kollisionen dar stellbar.
2.3 Erzählung: Drei Kollisionen zwischen Regierungsauftrag und Zwecken der Wissenschaft 2.3.1 Die Route als Ort für Entdeckungen In einer der panegyrischen Passagen seines Journal beklagte Johann Reinhold Forster am 2. Dezember 1772 die Unkenntnis, in der Bougainville seine Seeleute über Dauer und Route der Fahrt hielt. Georg Forsters Verarbeitung des Journals ließ diesen wie andere „patriotic outburst[s]“ – nach Michael E. Hoare „wisely“ (1982, 216) – weg, denn an die Stelle des hymnischen Vergleichs von Cooks „mild Government“ mit dem tyrannischen Bougainvilles, der „the poor Sailors“ „redu ced“ „to“ „distresses“ (188), tritt in Georg Forsters Text die sich wiederholende Klage über die – der geheimen Instruktion entsprechende – Unkenntnis der Route: „Es war aber auch in der That sehr niederschlagend, daß wir in Absicht unserer künftigen Bestimmung in beständiger Unwissenheit gehalten wurden, indem, ohne sichtbare Ursach, gegen Jeden von uns ein Geheimniß daraus
2.3 Erzählung: Drei Kollisionen
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gemacht ward.“ (AA II, 423) Obwohl Forsters Text von nicht wenigen Passagen durchzogen wird, in denen die „Bestimmung“ (105) der Reise – „ob dort im gemä ßigten Erdstrich ein großes festes Land vorhanden sey, oder nicht“ (AA III, 408) – zustimmend festgehalten wird (AA II, 201–202; AA III, 423), opponieren wesent lich mehr Passagen ausdrücklich der Weise, wie der „Hauptentzweck“ (AA III, 399) alle anderen möglichen Entdeckungen, insofern als diese gemeinnützige Kenntnisse seien, dominierte. Es ist mehr als Kritik am Führungsstil Cooks, der den zukünftigen Kurs dem „Vernehmen“ (331) überließ, bis er „endlich“ „eröff nete“ (AA II, 427), um „gegründete Hofnung“ (AA III, 368) oder „süße[n] Traum“ (AA II, 414) zu enttäuschen: „Es schien aber nun einmal so bestimmt zu seyn, daß wir uns in unserer Rechnung immer irren mußten“ (AA III, 405), heißt des Erzäh lers stärkste Verallgemeinerung, die deutlich die Erwartungen ins Spiel bringt, die durch den Vorrang von Navigation und Geographie an den Rand gedrängt werden. Das Geheimnis der Route als Folge des Primats der nautischen Geographie kehrt wieder in dem Bericht über die Beschlagnahme der Tagebücher der an Bord Befindlichen, gerade weil die Bedingung der Möglichkeit der Kollision miterzählt wird: Da wir nunmehro in eine bekannte See gekommen waren, wo europäische Schiffe oft gese hen werden, so rief Cap. Cook alle Offiziere und Matrosen zusammen, und forderte ihnen im Namen des Admiralitäts-Collegii ihre Tagebücher ab, die alle zusammengepackt und ver siegelt wurden. Diejenigen Personen, die nicht unmittelbar zum Militaire gehörten [Anm. Herr Wales, Herr Hodges, mein Vater und ich], waren dieser Verordnung auch nicht unter worfen, sondern behielten ihre Papiere, indem sie ersucht wurden, die besonderen Lagen unserer Entdeckungen nicht vor ihrer Ankunft in England bekannt zu machen. (412–413)
Die nochmals auf den Vorrang der geographischen Entdeckung als Besitznahme verweisende Trennung nimmt eine Unterscheidung auf, die die Erzählung der Reise von Anfang an macht: Die Wissenschaftler und der Maler werden als „Pas sagiers“ (AA II, 326; vgl. 413; AA III, 127) von der eigentlichen, militärisch orga nisierten Besatzung des Schiffs abgehoben. Schon in der Einleitung werden von deren Zahl „die Sternkundigen, Naturforscher, Mahler und ihre Bedienten abge rechnet“ (AA II, 26). Dem Naturforscher Johann Reinhold Forster konnte so die Bedeutung des zweiten Kreuzens des südlichen Wendekreises nicht in derselben Weise zum Gegenstand eines Kommentars werden, wie er sich in Cooks Aufzeichnungen fin det (Beaglehole 1961, 189); die Reichweite des beobachtbaren Geschehens war Johann Reinhold Forster nicht bekannt; aber dass Georg Forster an dieser Stelle auf die Einarbeitung von Cooks Reflexionen in die deutsche Fassung verzichtet, zeigt den Unterschied in der Gewichtung der Entdeckungsziele.
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2 Zum Verhältnis von Text und Instruktionen
Entdeckung ist im deutschen Text ein Synonym für ein Ergebnis von Untersu chungen, das sich als neu darstellt. Als Beispiel einer „botanischen Entdeckung“ (AA II, 285) kann der neuseeländische Flachs dienen, deren Bericht nicht nur die Trias Sammeln, Beschreiben, Zeichnen wiederholt, sondern ausdrücklich mit den Instruktionen verknüpft ist: Von allem, was in der Naturgeschichte neu war, wurden sogleich Zeichnungen und Beschreibungen gemacht, vornehmlich von der Flachspflanze (phornium tenax) als welche, ihres öconomischen Nutzens wegen bekannter zu seyn verdient. Und weil es uns vorzüglich darum zu thun ist, unsern Nebenmenschen auf alle Art und Weise nützlich zu werden, so haben wir, auf Verlangen des Grafen Sandwich, unsre Zeichnungen von dieser Pflanze gern dazu hergegeben, daß sie in Kupfer gestochen werden könnte. (390)
Weit davon entfernt, exklusiv für in Besitz genommene neue Territorien gebraucht zu werden, dient Entdeckung zur Bezeichnung nicht nur von botanischen und zoologischen, sondern auch von ethno- und anthropologischen „guten Erfor schungen“ (427). Als Negativbeispiel für den letzten Fall – also die Verhinderung einer ethnologischen Entdeckung – findet sich eine polemische Episode, die den Gegensatz von philosophischen Passagieren und militärisch organisierten See leuten exponiert. Forster erzählt, dass „[e]iner unsrer jungen See-Offiziere“ sich der Teilnahme an tahitischen Heirats-„Ceremonien“ gerühmt habe: [A]ls wir ihn aber um die Beschreibung derselben ersuchten, gestand er, „daß sie zwar sehr sonderbar gewesen wären, doch könne er sich keiner insbesondre erinnern, wisse auch nicht wie er sie erzählen solle.“ Auf diese Art entgieng uns eine merkwürdige Entdeckung, die wir bey dieser Gelegenheit über die Gebräuche dieses Volks hätten machen können; und es war zu bedauern, daß kein verständigerer Beobachter zugegen gewesen, der wenigstens das was er gesehen, auch hätte erzählen können. (AA III, 72)
Nicht nur mit diesem Rückgriff auf den Kernanspruch des philosophischen Rei senden, zu erzählen, was er an Menschen und Sitten gesehen, gewinnt die Entlar vung der militärischen Inkompetenz zur Entdeckung an Schärfe, sondern auch durch die überbietende Parallelisierung der Beobachtungs- und Erzählunfähig keit des militärisch-nautischen Entdeckers mit den Beschreibungsfähigkeiten der Entdeckten, denen nur die Erklärungsmöglichkeiten fehlen. Wenige Seiten vor der Kritik am Offizier als unfähigem Augenzeugen einer Heirat steht über die Tahitier: „Sie beschrieben uns zwar die ganze Trauer-Ceremonie, und nannten die einzelnen Stücke der dazu erforderlichen Kleidung namentlich her; warum aber das alles so und nicht anders sey? war eine Frage die wir ihnen nie verständ lich genug ausdrücken konnten.“ (61) Entdeckungen zur Religion der Insulaner vermisst der Erzähler besonders häufig (122), daneben solche zur „Regierungs form“ (151) und zum „häusliche[n] oder Privatleben“ (185); neben der Sprache
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spielt hierfür der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. Mehr als 50 Prozent der Verwendungen von Entdeckung im biologisch-anthropologischen Sinne sind Klagen über „Mangel genugsamer Zeit“ (149).6
2.3.2 Die Zeit für Entdeckungen Eine der schärfsten Formulierungen des Erzählers, Cook „wollte sich aber nicht die Zeit nehmen, […] näher zu untersuchen“ (AA III, 285), trifft sowohl das Vorbei steuern (195) als auch die Kürze des jeweiligen Aufenthalts auf Inseln. Nur an zwei Stellen wird die aus den Instruktionen folgende räumliche und zeitliche Begren zung möglicher naturhistorisch-philosophischer Entdeckungen direkt kritisiert, indem sich der ‚Verdruss‘ des reisenden Erzählers artikuliert: „Höchst verdrieß lich […]! Auf dem Schiffe eingesperrt zu seyn und doch Menschen in der Nähe zu wissen, deren Meynungen und Lebensart vielleicht manches Neue an sich haben mogten!“ (193) „[…] uns war’s verdrießlich, statt der Entdeckungen, die sich am Lande hätten machen lassen, […] in Unthätigkeit hin zu schwimmen!“ (332) Wenn diese Ausrufesätze die Wahl der Landungsorte betreffen, dann gelten die Zeit klagen auch den Prioritäten,7 die bestimmen, wo wie lange geblieben wird: Bei des hängt nämlich in dem Begriff zusammen, der im Verlauf der Erzählung zum Gegenbegriff von Entdeckung wird, in dem als Instruktionszitat auftauchenden Terminus Erfrischung. Auf den Zweck der Aufenthalte auf den nördlichen Inseln während des ant arktischen Winters, „to refresh your People […], taking care to return to the South ward as soon as the Season will admit of it“ (Beaglehole 1961, clxix), spielt jene einzigartige Stelle nur an, ohne das Wort Erfrischung zu verwenden, an der Georg Forster den Konflikt von Reise-„Zweck“ und Wissenschaft bitter (wiederum mit Ausrufezeichen) konstatiert: Allein, das Studium der Natur ward auf der Reise immer nur als Nebensache betrachtet; nicht anders, als ob der Zweck der ganzen Unternehmung blos darauf hinausliefe, in der südlichen Halbkugel „nach einer neuen Curslinie“ umherzusegeln! Ein Glück war’s, daß, wenigstens dann und wann, die Bedürfnisse der Mannschaft mit dem Vortheil der Wissen schaften einerley Gegenstand hatten; sonst würden die letztern vielleicht ganz leer ausge gangen seyn. (AA III, 288)
6 Vgl. AA II, 297, 354, 458; AA III, 30, 116, 119, 150, 174, 175, 274, 285, 324, 406. 7 Zu Johann Reinhold Forsters und Banks’ Übereinstimmung hinsichtlich von Cooks Prioritäten zu Ungunsten der Naturwissenschaften vgl. Hoare 1979, 225–226.
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2 Zum Verhältnis von Text und Instruktionen
In Forsters Erzählung führt die scheinbare Lösung des Konflikts bei der Darstel lung des Aufenthalts auf Inseln, die naturhistorisch-philosophische Entdeckun gen und Erfrischungen für die Mannschaft in Gestalt bestimmter Lebensmittel bieten (Wasser, Fleisch, Kräuter, Gemüse und Obst), zur auffälligen Häufung von Parallelismen auf der Einzelsatzebene oder zwischen Sätzen innerhalb eines Absatzes, die diesem Gegensatz kontrastierende Prominenz geben. Leicht iro nisch verkürzt der Erzähler Neuseelands zum dritten Mal aufgesuchten Queen Charlotte Sound zeugmatisch zur „bequeme[n] Gelegenheit, beydes unsre zoo logischen Sammlungen und unsre Küche zu versorgen“ (343). Unter Verzicht auf adversative Konjunktionen, ob ko- oder subordinierend, stößt der Erzähler dennoch den Leser immer häufiger auf den Konflikt: „alle innerhalb des Havens liegende[n] Eylande […] verschafte[n] uns mehr schätzbare Beyträge zur Kräuterund Thierkunde dieses Landes. […] Die Matrosen ergänzten unterdeß den Vorrath an Trinkwasser, schaften eine Menge Brennholz an Bord, besserten das Tauwerk aus, und setzten überhaupt das ganze Schiff in Stand, der ungestümen Witte rung des südlichen Himmelstrichs von neuem Trotz zu bieten.“ (366) So wie in diesem Schluss des 22. Hauptstücks, wo die „frischen Lebensmittel“ (366) und die „frische, gesunde Farbe“ (367) der Matrosen und Passagiere erwähnt werden, häuft sich auch in den Anfängen und Schlüssen vieler anderer das Adjektiv frisch signifikant. Über den letzten Landgang mit Cook, der die „Vorräthe“ „ergänzt“, in Tanna heißt es: „Wir giengen also […], wie gewöhnlich, an’s Land; er, um mit den Einwohnern zu handeln, wir aber, um uns zu guter letzt noch einmal auf der Insel umzusehen.“ (267; vgl. 308, 343) Am komplexesten wird das Bild im Fall der Seelöwenjagd auf den New Year’s Islands: die „Mannschaft“ hat „ungemein viel Vergnügen“, „eben so angenehm war es uns, als Naturforschern, an diesen geselligen Thierarten manches Sonderbare zu beobachten und zu untersuchen“; der „Capitain“ „erreicht“ „seinen Entzweck“: „ein hinlänglicher Vorrath von Speck“ (395). Einmal, bei der Jagd auf Gänse in Christmas Haven, bringt Forster den Konflikt auf den Gegensatz von Qualität und Quantität: „Als Naturforschern hätte es uns zwar, bey dergleichen Gelegenheiten, mehr um Mannichfaltigkeit als um Menge zu thun seyn sollen; allein wir waren nun einmal noch nicht enthalt sam oder noch nicht gewissenhaft genug, eine frische Mahlzeit zu verschmähen, wenn sie sich so von selbst darbot.“ (379) Die leichte Selbstironie der Formulierung deutet an, dass sich der Erzähler, der die Arbeitsteilung und den Interessenkonflikt zwischen Navigator und Natur forscher betont, zugleich seiner eigenen Komplizität in dem militärischen Unter nehmen bewusst ist. Dieses Problem zeigt sich auf der dritten Kollisionsebene verschärft, wo es nicht mehr um Raum und Zeit für Entdeckungen, sondern um entdeckte Menschen geht.
2.3 Erzählung: Drei Kollisionen
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2.3.3 Der Umgang mit den Entdeckten Für seine Übersetzung der Instruktion „to cultivate a Friendship and Alliance with them“ (Beaglehole 1961, clxviii) wählte Forster eine Formulierung, die im deutschen Text durchgängig die Beziehung zwischen Cooks Seeleuten und Wis senschaftlern einerseits und Insulanern andererseits bezeichnet: „freundschaft lichen Umgang“ (AA II, 37). Die Weglassung von den ausdrücklich vorgesehenen „Presents“, „Trafick“, „Civility and Regard“ einerseits, „taking care“ andererseits entkonkretisiert einen Bereich, der durch die von Forster vollends ausgeblen deten Elemente der Besitznahme noch problematischer wird: „consent of the Natives“, „Medals“, „proper Marks & Inscriptions“ (Beaglehole 1961, clxviii). In dem Konzept des freundschaftlichen Umgangs kann Forster zwar die aus den Instruktionen folgenden Aktivitäten erfassen, soweit er sie darstellt: das Lesen von Freundschafts- und Friedenszeichen sowie deren Erwiderung, Geschenke und Gegengeschenke, den Handel auf dem Marktplatz, der am Strand durch eine Linie markiert wird, die Bestimmung des Werts der ausgetauschten Waren, aber letztlich nicht verhindern, dass sich im Zeichen der verallgemeinerten, entkon kretisierten Norm des freundschaftlichen Umgangs im Text der Reise um die Welt eine entscheidende Differenz gegenüber Cooks wie Johann Reinhold Forsters Journal einstellt. Die mit ihr gesetzte abstrakte Anerkennung von Wechselsei tigkeit schließt eine Gleichheit von Rechten ein, dem es widerspricht, dass die militärische Expedition ein Strafrecht gegenüber den Insulanern in Anspruch nehmen dürfte. Die Meinungsverschiedenheit mit Cook wie dem Vater durchzieht von der programmatischen Formulierung der Vorrede an die Erzählung, die ihren philosophischen Charakter aus folgender Maxime gewinnen soll, dem berühm ten „Glas, durch welches“ Georg Forster „gesehen habe[n]“ will: „Alle Völker der Erde haben gleiche Ansprüche auf meinen guten Willen. […] Zugleich war ich mir bewußt, daß ich verschiedne Rechte mit jedem einzelnen Menschen gemein habe“ (AA II, 13–14). Auch wenn, wie seit Smith (1957), Uhlig (1965) und Japp (1976) immer wieder nachgewiesen worden ist,8 die auf dieser naturrechtlichen Basis ausgearbeitete Geschichtsphilophie der Reise eurozentrisch bleibt, inso fern sie die Überlegenheit und den Vorzug der verderbten Kultur Europas über die in ein Stadienmodell des Fortschritts gebrachten und auf anthropologische Grundtriebe zurückgeführten Grade der Kultur der weniger zivilisierten Nationen begründet,9 dennoch macht die Erzählung ein kritisches Moment der universalen
8 Vgl. u. a. Lange 1976, Dietsche 1984, West 1989. 9 Zu „Kulturstufen“ vgl. Garber 1997b, 21. Annette Meyer, die „Einflüsse angelsächsischer Wis senschaft im Werk Georg Forsters“ (2006) untersucht hat, betont in ihrer geschichtswissen
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2 Zum Verhältnis von Text und Instruktionen
Geschichtskonstruktion gegenüber der Praxis des kolonialen Unternehmens gel tend, wenn sie im Umgang die Norm der Freundschaftlichkeit als gleiches Recht einklagt (vgl. Bersier 1981, 144; Berg 1982, 148).10 Auf der Handlungsebene der Erzählung wird die Wechselseitigkeit in der ‚Entdeckerfreundschaft‘ (Harbsmeier 1991) personifiziert, in der Gleichheit und Differenz – auf letztlich notwendig asymmetrische Weise – zusammenfallen sol len. Der Erzähler projiziert aber keineswegs nur auf Maheine bestimmte Merk male des wissenschaftlichen Entdeckers, sondern schon die kritische Darstellung Omais in der Vorrede ist an dem Ideal eines friedlichen Austauschs von unter schiedlichen Kenntnissen orientiert.11 Insgesamt gelten die Maheine, Nuna und Pitere zugeschriebenen Merkmale des ‚wilden‘ Wissenschaftlers für alle Südsee völker, deren Grad der Kultur als gesellig oder halb-zivilisiert beschrieben wird. Es ist einerseits nur konsequent, wenn Maheine in Cooks und Johann Rein holds Journal keine Rolle spielt bzw. lapidar als „only motive“, ihn an Bord zu nehmen, erscheint: „may be of use“ (Beaglehole 1961, 230), andererseits ist es objektiv ironisch, dass der Vater Georg Forster veranlasste, ins väterliche Jour nal einen Bericht schreiben, als Zeugenaussage gewissermaßen, die den Zeugen mehr belastete als den von Cook möglicherweise Beklagten, worin es um einen gewaltsamen Zusammenstoß zwischen dem Vater und Insulanern ging. In dieser Episode (Hoare 1982, 363–364), die Georg Forster vom Text der Voyage wie der
schaftlichen Einführung Die Epoche der Aufklärung zu Forsters Reise um die Welt: „Der Vergleich der Kulturstadien dient ihm auch dazu, die Korruption der eigenen Gesellschaft zu entlarven. Georg Forsters politisches Engagement während der Französischen Revolution ist von seinen an thropologischen Studien nicht zu trennen“ (Meyer 2012, 47). Harriet Guest hat in ihrer Cook und William Hodges, den Maler der Zweiten Reise, darauf untersuchenden Studie, „how competing models of progress of civilisation divided their views“ (2007, 22), für Hodges eine Linie von den Bildern der Reise zu den „democratic tendencies“ (23) seiner Bilder aus den frühen neunziger Jahren gezogen, die ‚Empörung‘ auslösten: „the visual language of Hodges’s landscapes had, certainly from the voyage years, a moral and political resonance which could not safely be secu red to the service of a single argument or discourse, but reflected the complex nature of national and imperial cultures of modernism.“ (23–24) Sie setzt allerdings Hodges dem – ununterschie denen – „Christian paternalism“ (123) von Johann Reinhold und Georg Forster entgegen. Ähnlich kritisiert Esleben (2003, 227) Forsters Texte über Indien (in dem Hodges gereist war): „Forster’s texts contextualize the exchange between Europeans and Indians as a paternal one between fathers and children.“ 10 Von der „Paradoxie einer dialogisch-strategischen Zweistimmigkeit“ spricht Ulrich Kinzel (2004, 168) für die Darstellung von aufklärerischem Programm des Dialogs und Szenen des Machtgebrauchs, ohne Selbstreflexion des Reisenden zu loben. 11 Vgl. hierzu jetzt meinen mit Lars Eckstein (2016) und Anja Schwarz geschriebenen Aufsatz über Georg Forsters Version von „Tupaias Karte“.
2.3 Erzählung: Drei Kollisionen
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Reise ausschloss, hatte sich Johann Reinhold Forster exakt ein solches Strafrecht angemaßt, das die philosophische Erzählung des Sohnes immer wieder, und zwar im zweiten Teil deutlich schärfer, ausschloss: Zum ersten Mal wird dieser Ausschluss in der Erzählung vom Kannibalismus-„Experiment“ (AA II, 403) an Bord der Resolution formuliert. Der Erzähler berichtet die „sonderbare[n] und sehr verschiedene[n] Würkungen“, die das Essen eines Stücks der Backe des von Leutnant Pickersgill erworbenen Menschenkopfes durch einige Neuseeländer in der „ganzen Schiffsgesellschaft“ hervorbringt: von den fünf Reaktionen werden zwei herausgehoben, „unvernünftige“ ‚Erbitterung‘ und „Thränen“ der „inneren Rührung“ (404). Während sowohl die „Lust […] mit anzubeißen“ (404) als auch „Eckel“ (403) und ‚Beklagen‘ der „dem Thiere so ähnlich[en]“ „Barbarey“ (404) nicht weiter kommentiert werden, wird nicht nur Maheines Beweis der „gesel ligen Empfindungen der Menschenliebe und des Mitleids“ (406) weiter reflek tiert, sondern vor allem die dominierende Reaktion des militärischen Personals: Sie „waren auf die Menschenfresser unvernünftigerweise so erbittert, daß sie die Neu-Seeländer alle todt zu schießen wünschten, gerade als ob sie Recht hätten über das Leben eines Volkes zu gebieten, dessen Handlungen gar nicht einmal für ihren Richterstuhl gehörten!“ (404) Diese Reaktion, die für die gewaltsame Exeku tion der eigenen Moral eine nicht legitimierte Autorität in Anspruch nimmt, wird in den Reflexionen des Erzählers, der die Ursachen der anderen Moral zu ergrün den sucht, zu einem der „Beyspiele genug, daß Leute von civilisirten Nationen, die, gleich verschiednen unsrer Matrosen, den bloßen Gedanken von Menschen fleisch-Essen nicht ertragen und gleichwohl Barbareyen begehen können, die selbst unter Cannibalen nicht erhört sind!“ (407) Ausdrücklich stellt der Erzähler die Episode in den Zusammenhang der militärischen Konfrontation der europä ischen Staaten: „Wir sind zwar nicht mehr Cannibalen, gleichwohl finden wir es weder grausam noch unnatürlich zu Felde zu gehen und uns bey Tausenden die Hälse zu brechen, blos um den Ehrgeiz eines Fürsten oder die Grillen seiner Mai tresse zu befriedigen.“ (407) Der ansonsten ausgeblendete Zusammenhang des wissenschaftlichen Unternehmens mit militärisch-politischer Besitznahme stellt sich in Forsters Polemik gegen das angemaßte Strafrecht in konfliktuöser Weise her, insofern der Versuch, Menschen und Sitten zu untersuchen, mit deren Unter werfung unter eine militärisch-politische Gewalt kollidiert, die sich auf morali sche Überlegenheit stützen zu können meint. Die insgesamt zwölf eindeutigen Verurteilungen, „daß Europäer sich so oft ein Strafrecht über Leute anmaßen, die mit ihren Gesetzen so ganz unbekannt sind“ (457), betreffen – neben dem Kannibalismus (AA III, 349) – den Gebrauch von Schusswaffen in Fällen von Diebstahl (AA II, 456; AA III, 273, 355), von „Herausforderung“ durch Insulaner, die – so der Erzähler – „befürchteten, daß wir auf ihr Land und anderes Eigent hum Absichten hätten“ (AA III, 208; vgl. AA II, 221), und von Überschreitung der
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von Cook gezogenen Demarkationslinie des Marktes.12 Auf Tanna „glaubte“, so Forster über einen später Erschossenen, ein „Indianer“ „mit Recht, daß ihm, auf seiner eigenen Insel, ein Fremder nichts vorzuschreiben habe“ (AA III, 272). Der Erzähler nennt die Forderung, „daß sie ihre Waffen von sich legen sollten“, „an sich“ „unbillig“ (207); in einem dieser Fälle verlegt er den Blickpunkt nicht zufäl lig in die Tannaer, wenn er ihre Nichtbeachtung dieser Forderung berichtet: „viel leicht kam es ihnen gar unbillig und lächerlich vor, daß eine Handvoll Fremde sich’s beygehen ließ, ihnen, in ihrem eigenen Lande, Gesetze vorzuschreiben“ (211). Die Pointe des Berichts, den der Erzähler von der Untersuchung des darauf folgenden Zwischenfalls auf Tanna gibt, bestätigt gewissermaßen diese Sicht; der Soldat, der den tödlichen Schuss abgab, berief sich auf seinen Offizier, der „ein geschärft“ habe, „daß man die Wilden, wenn sie sich im geringsten beygehen ließen, zu drohen, geradeweges niederschiessen müße“; der Erzähler fährt mit einer markanten Kontrastierung fort, die in der deutschen Ausgabe durch einen Fußnoten-Verweis auf die „viele[n] vornehme[n] Anverwandten“ des Offiziers, worunter „Minister“, noch verstärkt wird: „Auf dieses Geständnis konnte man dem Soldaten nichts weiter anhaben; ob aber der Officier über das Leben der Ein wohner zu gebieten habe? das ward nicht weiter untersucht.“ (273) In den Reflexionen, die den Bericht über das Detachment des Leutnant Rowe – von Furneaux’ Adventure –, das dem Kannibalismus in Queen Charlotte Sound zum Opfer fiel, verallgemeinern, stellt der Erzähler explizit fest, dass nur „in der bürgerlichen Gesellschaft gewissen einzelnen Personen ausschliessender weise, die Macht anvertraut […] ist, alles Unrecht zu rügen“ (355); ins Zentrum der Erzählung gerät in den genannten Episoden die Anmaßung einer solchen Macht durch britische Seeleute und Soldaten; der Text zeigt deren Ausübung sowohl über das Leben als auch über das Eigentum der Insulaner. Denn der immer wie der dargestellten Praxis der Bestrafung von Diebstählen – oft in der Form von „Repressalien“ (79): Geisel- und Beschlagnahmen – entspricht gerade als schein barer Widerspruch eine andere, nämlich „der Gewaltthätigkeit wenigstens den Anstrich eines Tauschhandels zu geben“ (357). Mit Verweis auf Cooks Erste Reise und mehrere Episoden der Zweiten – auf Tahiti und Neuseeland – führt der Erzähler diese Praxis auf eine „ganz öffentlich“ „behauptet[e]“ „Gesinnung“ von Offizieren zurück, „daß alles Eigenthum der Wilden, von Gott und rechtswegen, ihnen zukomme“ (358). Der Bericht über die entsprechende Episode der Zweiten Reise auf Tahiti macht aber auch deutlich, dass der in den Instruktionen verkör perte Widerspruch von Besitznahme und Handel Forsters – im freundschaftli chen Umgang den Konflikt entkonkretisierende – Übereinstimmung mit Cook
12 Zum Letzteren vgl. Schwarz 2008, an die Peiter 2011 anknüpft. Vgl. auch Wilke 2009.
2.3 Erzählung: Drei Kollisionen
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ermöglichte: Dort „ward den Capitains von einigen Leuten an Bord der Vorschlag gemacht, mit Gewalt eine hinlängliche Anzahl Schweine zu unserm Gebrauche wegzunehmen, und hernachmals den Einwohnern so viel an europäischen Waa ren zu geben, als das geraubte Vieh, dem Gutdünken nach, werth seyn mögte. Da aber ein solches Verfahren ganz und gar tyrannisch, ja auf die niederträchtigste Weise eigennützig gewesen wäre; so ward der Antrag mit aller gebührenden Ver achtung und Unwillen verworfen.“ (AA II, 239) So wie Forster hier den Kapitän auf der Seite des Austauschs in Gegensatz zu seinen besitznehmenden Offizieren stellt, zeigt er an anderer Stelle den einen Diebstahl an einem Tahitier bestrafen den Kapitän in Übereinstimmung mit dem tahitischen ‚Befehlshaber‘ Tohah: Der Erzähler referiert den Inhalt einer „Anrede“ von „4 bis 5 Minuten“, in der Tohah den Tahitiern von den britischen Seeleuten und Soldaten erklärt, „daß wir bey aller unsrer Macht weder stöhlen, noch Gewalt brauchten; daß wir vielmehr alles und jedes ehrlich bezahlten und oft Geschenke machten, wo wir nichts dagegen erwarten dürften; daß wir uns endlich überall als ihre besten Freunde bezeugt hätten, und Freunde zu bestehlen sey schändlich und verdiene gestraft zu wer den“ (AA III, 63). Es ist exakt die hier gegebene Wechselseitigkeit der Verurteilung des Dieb stahls, die die Fragwürdigkeit der Anmaßung des Strafrechts zum Verschwinden bringt.13 Ausgerechnet der Austausch, der die Freiheit und das gleiche Recht des Insulaners zu bestätigen scheint, sichert die Unterwerfung unter die militärischpolitische Macht des Entdeckers. Die Tohah in den Mund gelegte Redeweise des freundschaftlichen Umgangs bleibt so markiert von der Zweideutigkeit der Ins
13 Yomb May, der die Aufsatz-Form des vorliegenden Kapitels kritisiert hat (2009), folgt in dem Tahiti-Abschnitt seiner Monographie der vorherrschenden Ansicht, die zum meistinterpretierten Kapitel der Reise um die Welt besonders unerschütterlich zu sein scheint (Bürgi 1989, 112; Garber 1997a, 38; Heinritz 1998, 123; Scherpe 1999, 23; Meißner 2006, 25; Goldstein 2015, 67), obwohl schon der erste Absatz belegt, dass die Landschaft weder als „Paradies-Mythos“ noch als „locus amoenus“, sondern als bearbeitete Natur dargestellt wird und deshalb Forsters Tahiti nicht als „Gegenwelt zur Vernunft“ verallgemeinert werden kann durch „Fixierung des Nichteuropäers als Inbegriff der maximalen Fremdheit durch Peripherisierung und Unterordnung außereuropä ischer Kulturen“ (May 2011, 61). Abweichend analysieren und interpretieren Heermann 1987, 20; Williams 2004a; Hall 2008; Jaeger 2011, 103–104; Görbert 2014, 138. Sie beachten auch den durch das Scheitern des Erwerbs von Schweinen gezogenen erzählerischen Spannungsbogen und die diesen begleitenden Erzählerkommentare, in denen die Gesellschaft Tahitis in Volk/Mittelstand und Vornehme differenziert wird und sich in deren Bewertung ein Widerspruch zwischen fried lichem Handel und dessen gewaltsamer Sicherung ergibt. Vgl. zur sozialen Differenzierung auf Tahiti in der englischsprachigen Forschung Moorehead 1987, 73–79; Pearson 1984, 21; Bode 2010; Zhang 2013. Liebersohn (2006, 52) betont hingegen die „tension between Forster’s belief in a European civilizing mission and his criticism of civilized decadence“.
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truktionen, in denen dessen Zweck hinreichend deutlich bestimmt worden war: „You are with the consent of the Natives to take possession“ (Beaglehole 1961, clxviii).14 Wie Georg Forsters Festhalten an der Norm auf der einen Seite Kritik ermög licht, so verhindert es auf der anderen nicht eine Komplizität mit der Besitz nahme, die sich nicht zuletzt spontan-naiv im Sprachgebrauch für die wissen schaftliche Tätigkeit selbst äußert, die doch auf den drei Ebenen von Ort, Zeit und Umgang mit dem kolonialen Zweck kollidierte.15 Der Erzähler erweist sich gerade im Bericht über das naturhistorische Sammeln, Beschreiben, Zeichnen und Ordnen als impliziert ins koloniale Unternehmen: ob er nun auf sich selbst entlarvende Weise die Teilhabe des eigenen wissenschaftlichen am militärischen Unternehmen ausplaudert oder ob er sie euphemistisch zu verhüllen sucht. Für die relative Bewusstheit dieser Textstrategien spricht am deutlichsten eine Stelle, an der der Erzähler jenes Schuldgefühl, das sich als Klage über die Zerstörung arkadischer Unschuld auch bei Cook und Johann Reinhold Forster (Beaglehole 1961, 175;16 Hoare 1982, 308) findet, nicht auf das Verhältnis Natur und Zivilisa tion bezieht, sondern auf den Wissenschaftler als Individuum: „Warlich! wenn die Wissenschaft und Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Glück seligkeit ganzer Nationen erkauft werden muß; so wär’ es, für die Entdecker und Entdeckten, besser, daß die Südsee den unruhigen Europäern ewig unbekannt geblieben wäre!“ (AA II, 301) Nur einmal wird aus diesem Auswiegen der oftmals konstatierten „unvermeidlichen“ menschlichen Kosten der Entdeckungsreisen gegen den Nutzen für den Wissenschaftler als Individuum eine Handlungsma xime abgeleitet: „allein die Billigkeit und Klugheit erfordern es doch einmal, daß man seiner Wißbegierde Schranken setze, wenn sie nicht ohne Ungerechtigkeit und Blutvergießen befriedigt werden kann“ (AA III, 256). Der Kontext, in dem diese isolierte Formulierung fällt, ist aber ein passim wiederkehrender: eine „Wanderschaft“ oder „kleine Reise“ (256) ins Innere von
14 Vgl. zur unausgewiesenen Kürzung dieses Satzes im Zitat der Instruktionen durch Philippe Despoix (2009, 91) Kapitel 4. Sie entspricht seiner diskursanalytischen These vom nicht-indivi duellen Charakter der Texte von Entdeckungsreisen, auch wenn er „Typen der Verschriftlichung der Reise“ (115) unterscheidet. 15 Gegen eine ‚Tendenz‘ zur Verabsolutierung von Forsters „reflexive Self“ unter Missachtung von drei der sechs von ihr unterschiedenen „principle modes of gathering ethnographic data“ hat Vanessa Agnew (1999, 308) nicht nur für die stärkere Beachtung von „the three modes of description, exchange and the native informant“ (312) plädiert, sondern auch schon in ihrer Dis sertation „[c]ollecting and classifying“ und „[g]oing on excursions“ (Agnew 1998, 203, 206) als Strategien untersucht. Zum Austausch vgl. Agnew 2004. 16 Sehr stark betont Williams (1990, 139) die Nähe besonders von Georg Forster und Cook.
2.3 Erzählung: Drei Kollisionen
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Tanna, die – wie viele andere – angesichts des erkennbaren Widerwillens der Insulaner, die Wissenschaftler einen bestimmten Ort (meist Begräbnisstätten) erreichen zu lassen, beendet wird. Forsters deutscher Text bevorzugt für diese Expeditionen ins Landesinnere durchgängig jedoch noch einen anderen Begriff: „Spatziergänge“ (AA II, 63); zusammen mit dem Adjektiv ‚botanisch‘ begegnet dieses Wort fast ebenso häufig wie das Substantiv „Botanisiren“ (178), und beide wesentlich mehr als „Reise“ (131) oder „Wanderschaft“ (351) einerseits oder als „Untersuchung“ (325), botanisch, zoologisch oder physikalisch, andererseits. Der wichtigste Gegenbegriff zum von Spaziergang dominierten Wortfeld ist jedoch „Partheyen“ (153). Er findet sich – mit den Verben streifen und streichen – grundsätzlich dort, wo militärische Gewalt ins Spiel kommt, also „wohlbewaff nete“ (AA III, 210) „See-Soldaten und Matrosen“ (AA II, 229) die Wissenschaftler begleiten, wo ein Markt aufgebaut und Verstöße gegen dessen Ordnung geahn det werden. Die „Landparthey“ ist etwas Militärisches, sowohl als eine Gruppe von Menschen, „Detaschement“ (447), als auch als Vorgang, „Expedition“ (165). Vereinzelt benutzt Forster auch das leicht ironisierte Wort „Creutzzug“ (81) – das bezeichnenderweise auch für die gesamte Entdeckungsreise (AA III, 32) stehen kann. Wenn ‚Spaziergang‘ dem Botaniker die Präsenz des Militärs verhüllt, so stellt eine Metapher, die er in der Naturbeschreibung benutzt, gerade die Trennung der Sphären in Frage: Als „unsre neuen Colonisten“ (AA II, 194) erscheinen „europäi sches Kräuter- und Wurzelwerk“ sowie „Thiere“, mit denen Cooks Expedition die Inseln „zu bereichern“ ‚sucht‘ (193). Über die in der East Bay von Queen Charlotte Sound ausgesetzten Ziegen heißt es: Man hatte diese Gegenden vor andern hiezu ausgewählt, weil unsre neuen Colonisten, dem Anschein nach, hier für den Einwohnern am sichersten seyn konnten, als welches die einzi gen Feinde sind, für denen sie sich zu fürchten haben. Es war nemlich nicht zu vermuthen, daß die unwissenden Neu-Seeländer Überlegung genug haben würden, um einzusehen, was für Nutzen ihnen aus der ungestöhrten Vermehrung dieser nützlichen Thiere zuwach sen könnte. (194)
Die teils heimlich, „sorgfältig versteckt“ (400), teils in Absprache (AA III, 47) mit den Insulanern erfolgende Anpflanzung und Ansiedlung ist immer nicht nur auf diese ‚Feindschaft‘, sondern auch auf etwas bezogen, was biologisch das „Fort kommen“ (AA II, 392) der Pflanzen und Tiere meint, aber zugleich etymologisie rend den Doppelsinn des deutschen Äquivalents von Kolonie ins Spiel bringt: „Pflanzort“ (AA III, 339). Dieser Begriff, der von den angelegten „Pflanz-Gärten“ (AA II, 402) auf die ganze Insel schließt, wird in den Reflexionen des Erzählers über diejenigen Inseln, die „zu einer europäischen Kolonie besonders wohl gele gen“ (AA III, 191) wären, durchgehend verwendet: Queen Charlotte Sound, Sand
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wich, Norfolk (340), zusammen mit „Erfrischungsort“ oder „-platz“ (AA II, 170, AA III, 340, 396), wobei Erfrischung den Entdeckung entgegengesetzten negati ven Sinn verliert. In der zusammenfassenden Beschreibung einer Sandwich-Insel wird betont: Überhaupt dünkte uns dies Eyland von der ganzen bisher entdeckten Gruppe eines der schönsten und zu einer europäischen Kolonie besonders wohl gelegen zu seyn. Wir […] fan den es dem Ansehen nach nicht so stark bewohnt, als die nördlichen Eylande […]. Dieser Umstand würde die Anlegung eines Planzorts um ein Großes erleichtern (AA III, 190–191).
Sehr ähnlich, aber noch ausdrücklicher heißt es von Queen Charlotte Sound, indem aus den Feinden der Pflanzen und Tiere nun die von Menschen werden: […] so wäre dieser Platz zur Anlegung einer Colonie ganz vorzüglich bequem. Denn man fände hier einen großen Strich bauwürdigen Landes vor sich, der […], seiner Lage nach, in den besten Vertheidigungszustand gesetzt werden könnte. Da diese Gegend auch nicht son derlich bewohnt zu seyn scheint, so würde desto weniger Gelegenheit zu Streitigkeiten mit den Eingebohrnen vorhanden seyn. Vortheile, die sich an andern Stellen von Neu-Seeland wohl selten so glücklich vereinigt finden dürften. (AA II, 411)
Die sich wiederholende verhüllende Formulierung ‚nicht sonderlich bewohnt‘ verweist nicht nur auf die Instruktion, deren Wortlaut „to observe […] the Nati ves or Inhabitants, if there be any“ (Beaglehole 1961, clxviii), wie Vanessa Agnew (1998, 39–45) in einem Vergleich der Beschreibungen der Landung in Dusky Bay nachgewiesen hat, in Georg Forsters Text zur Anweisung wird, entdecktes Land unbewohnt zu finden. Diese Textstrategie, die Anwesenheit von Menschen aus zuschließen, durchzieht in der Tat die gesamte Reise um die Welt, indem stets das „Recht“, weshalb die Reisenden eine Insel „für gänzlich unbewohnt halten mußten“ (AA III, 130), am Anfang steht und die „untrügliche[n] Zeichen“, dass sie „bewohnt sey“ (154), erst an zweiter Stelle, gewissermaßen als Enttäuschung einer Erwartung, folgen. Oft werden die Indizien, die für die fehlende Bewoh nung sprechen, betont – wie Kleinheit (188, 190, 334), Unfruchtbarkeit (193, 375, 377, 393) und Unzugänglichkeit (153) – sowie die Schwierigkeit, Bewohner zu entdecken, z. B. vor der Insel Aurora: „Mit Hülfe der Ferngläser entdeckte man auch Leute auf der Insel“ (158). Wiederholt wird aus dem Verhalten von Tieren auf die Abwesenheit von Menschen geschlossen, z. B. dem der Vögel in Christmas Haven, die „durchgehends mit Menschen noch so unbekannt“ seien, „daß sie ganz nahe herbeyhüpften“ (375). Der „öden, rauhen Aussicht wegen“ scheint es dem Erzähler erlaubt, in Christmas Haven „für unmöglich“ zu halten, „daß diese Gegend bewohnt seyn könne“ (375). Die Kehrseite dieser Vermutung, die im Kern meint, das Land stehe als unbewohntes der Besitznahme offen, besteht in der
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Verwandlung von bewohntem Land in unbewohntes durch den Nachweis, dass seine Bewohner mit den pflanzlichen und tierischen Kolonisten nicht im Sinne von deren Fortkommen umgehen. So verwandelt die abschließende Klage über das Schicksal der ‚Kolonie‘ in Dusky Bay diesen, wie die vorangegangene Erzäh lung genugsam bewies: bewohnten Ort in einen ‚wilden‘, der der ‚Kolonisierung‘ bedarf: Zwar hatten wir eine Menge von europäischem Garten-Gesäme der besten Art hier ausge streuet, allein das Unkraut umher wird jede nützliche Pflanze bald genug wieder ersticken und in wenig Jahren wird der Ort unsers Aufenthalts nicht mehr zu erkennen, sondern zu dem ursprünglichen, chaosgleichen Zustande des Landes wiederum herabgesunken seyn. (AA II, 163)
Den dargestellten Kollisionen zwischen Instruktionen und Wissenschaft – ebenso wie dem Ausplaudern und Beschönigen der Komplizität von Naturgeschichte und Kolonialismus – widerspricht der wiederholt bekräftigte Anspruch, dass die von Georg Forster erzählte Reise um die Welt „bloß zum Nutzen der Wissenschaften“ (AA III, 399) unternommen worden sei „in der […] Absicht, den Fortgang der Wis senschaften zu befödern“ (290); ihr „Hauptendzweck“ habe darin gelegen, dass „den Erdbeschreibern neue Inseln, den Naturkundigen neue Pflanzen und Vögel, und den Menschenfreunden insbesondere, verschiedene noch unbekannte Abänderungen der menschlichen Natur aufgesucht“ (451) worden seien. Dem auf der Ebene des erzählten Geschehens offenbar werdenden Auseinanderfallen von Absicht und Resultat, deren Harmonie solche Behauptungen unterstellen, versucht der Erzähler auf der Ebene des Erzählerkommentars entgegenzuarbei ten. Dabei bemüht sich Georg Forster, den Widerspruch zwischen Kolonialismus und Wissenschaft auf zweierlei Weise zu lösen, wobei sich ein neuer Widerspruch ergibt: einmal wird England in Gegensatz zu den anderen europäischen Kolonial mächten gesetzt, dann wird die Sprache des Erzählers der deutschen Fassung der Reisebeschreibung auf Kosten des Englischen privilegiert.
2. 4 Erzählerkommentar: Widersprüchliche Harmonisierung der Kollisionen 2.4.1 Die Unterscheidung Englands von den anderen europäischen Kolonialmächten Großbritannien wird von Forster den „andre[n] Seemächten“ als ein „Beyspiel“ entgegengesetzt, insofern die „brittische Regierung“ vom „Eifer […] für den Fort gang der Wissenschaften“ „jederzeit angetrieben“ (413) worden sei. Immer dann,
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wenn Forsters Text den kategorischen Gegensatz zwischen den wissenschaftlich motivierten Entdeckungsreisen Englands zu den außerwissenschaftlich moti vierten Spaniens, Portugals, Hollands und Frankreichs behauptet, verschwinden die Widersprüche, die seine Erzählung an Cooks Zweiter Reise aufdeckt. Von der Vorrede an durchzieht die Polemik gegen den ‚ersten Entdecker‘ den Text, der seiner Regierung versprechen musste, dass „er eine neue, ohnfehlbare Quelle von Reichthümern entdeckte“ (AA II, 7). Neben dem Motiv der Besitznahme wird deren Methode kritisiert: Die ersten Entdecker und Eroberer von Amerika, haben oft und mit Recht den Vorwurf der Grausamkeit über sich ergehen lassen müssen, weil sie die unglücklichen Völker dieses Welttheils nicht als ihre Brüder, sondern als unvernünftige Thiere behandelten, die man gleichsam zur Lust niederzuschießen berechtigt zu seyn glaubt. (AA III, 16)
Dieser „mit dem Blut unschuldiger Nationen befleck[te]“ „Geist der ehemaligen Entdecker“ (AA II, 411) wird aber nicht nur den spanischen, sondern auch den hol ländischen Reisen zugeschrieben: „Nach den Ausdrücken der Roggeweinschen Reisebeschreiber scheint es fast, als wenn die Holländer nur zum Zeitvertreib auf diese armen Leute [der Osterinsel], die ihnen doch nichts zu leide thaten, gefeu ert, und eine große Menge von ihnen, bloß um den übrigen ein Schrecken dadurch einzujagen, niedergeschossen hätten.“ (452–453) Auch die Franzosen Crozet (AA III, 354) und Bougainville erscheinen als Entdecker, die vor allem „Übermacht der Europäer“ (174) gegenüber den Einwohnern geltend machten. Holländische, französische und spanische Entdecker werden genannt, wenn Forster die wissen schaftliche Leistung der Zweiten Reise Cooks darin sieht, „die mancherley Fehler unserer Vorgänger zu berichtigen und alte Irrthümer zu widerlegen“ (157). Der Konstruktion eines Gegensatzes zwischen britischer Uneigennützigkeit und spanisch-holländisch-französischer „Lockung“ durch „Reichthum“ (290) widerspricht ein Kommentar, der unter Hinweis auf die „Progressen“ der Wis senschaft für Europa verallgemeinert: „Schon haben die mächtigsten unter den Beherrschern Europens mehr als eine Reise nach entfernten Weltgegenden veran staltet, blos um den Anwachs nützlicher Kenntnisse und den allgemeinen Vort heil des menschlichen Geschlechts zu begünstigen.“ (290) Mit dieser Verallgemeinerung, die zugleich die Konkurrenz der Kolonial mächte festhält, vertragen sich jene Erzählerkommentare, die England an dem von ihm gesetzten Anspruch messen; dabei wird dann einerseits dokumentiert, dass die Praxis keineswegs dem von der wissenschaftlichen Reise gesetzten Ideal des freundschaftlichen Umgangs entspricht, andererseits eine Hoffnung formulierbar, die die Fortsetzung des kolonialen Unternehmens mit der friedlichen Wissenschaft zu versöhnen meint. So heißt es in einer Verallgemeinerung des Leutnants Rowe zu einem Exempel der „Vorurtheile der seemännischen Erziehung“: „Er sahe z. E.
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alle Einwohner der Südsee mit einer Art von Verachtung an, und glaubte, eben dasselbe Recht über sie zu haben, welches sich, in barbarischen Jahrhunderten, die Spanier über das Leben der amerikanischen Wilden anmaaßten.“ (348) Der Anspruch, dass eine britische Entdeckungsreise sich von einer anderen europä ischen unterscheiden müsse, bestimmt auch Forsters abschließende Bewertung des Verhaltens auf Tanna: „Was mußten die Wilden von uns denken? Waren wir jetzt noch besser, als andere Fremdlinge? oder verdienten wir nicht weit mehr Abscheu, weil wir uns, unter dem Schein der Freundschaft eingeschlichen hatten, um sie hernach als Meuchelmörder zu tödten?“ (273) Gegen solche Zweifel hält aber der Erzähler durchgehend eine Hoffnung aufrecht, die durch ihre Bindung ans koloniale Projekt selbst zweifelhaft wird; es erscheint als Menschenfreundlich keit, wenn Forster etwa in Neukaledonien die Tatsache, dass „auch unter diesem trägen Volke, einzelne, fleißige, arbeitsame Leute“ seien, ausdrücklich denjeni gen „Seefahrer[n] gesagt seyn lassen“ will, „die in Zukunft Gelegenheit und Willen haben werden, den Wilden wahres Gutes zu thun, und ihnen zahmes Hausvieh zuzuführen“ (319). Etwas vorsichtiger heißt es über die als „Pflanzort“ beschrie bene Sandwich-Insel: „wenn sich jemalen bey Kolonisten menschenfreundliche Gesinnungen vermuthen ließen, so könnten sie hier mit geringer Mühe wahrhafte Wohltäter der Einwohner werden“ (191). Der expliziteste Appell in diese Richtung bezieht sich aber eindeutig auf Großbritannien; er entspricht auf pathetische Weise der ironischen Schilderung der Besitznahme von South Georgia, insofern eine mögliche Kompensation des Verlusts der USA als Kolonie reflektiert wird: Vielleicht werden die Europäer, wenn sie dereinst ihre americanischen Colonien verloren haben, auf neue Niederlassungen in entferntern Ländern bedacht seyn; mögte nur alsdenn der Geist der ehemaligen Entdecker nicht mehr auf ihnen ruhen! mögten sie […] ihren Zeit genossen zeigen, daß man Colonien anlegen könne, ohne sie mit dem Blut unschuldiger Nationen beflecken zu dürfen! (AA II, 411)
Die Häufung der Konjunktive und die Anrufung der Norm verweisen auf die Per manenz eines Zweifels, der durch Georg Forsters eigene Erfahrung mit einem spe zifischen Aspekt der Vorbildlichkeit der britischen Regierung nur verstärkt wer den konnte: „die Entdeckungen, so auf ihren Befehl gemacht worden, öffentlich bekannt zu machen“ (AA III, 413), wird auch noch in der Reise um die Welt als beispielhaft den anderen europäischen Mächten entgegengehalten, die „gewis sermaßen nur ins Süd-Meer […] schleichen, und sich des Geständnisses, daß sie da gewesen, […] schämen“ (413). So heißt es etwa über eine mit Cooks fast gleich zeitige spanische Entdeckungsreise von Don Juan de Langara y Huarte: „von den besonderen Umständen seiner Reise aber ist bis itzt noch nichts kund geworden“ (AA II, 258). Das Lob Großbritanniens – mehr der ‚Freimütigkeit‘ der Machtaus übung als der Öffentlichkeit der Wissenschaft wegen – steht allerdings in einem
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gewissen Kontrast zu der Vielzahl von polemischen Bemerkungen gegen Eng land, die sich im Text der Voyage und, sehr verstärkt, der Reise finden, von der Ironisierung der „Ehre der brittischen Nation, (die seit der Königin Elisabeth Zei ten her den stolzen Titel von Herren der See gegen alle Mächte behauptet)“ (41), über die bittere Feststellung, dass die britischen „Truppen mit den schlechtesten Flintensteinen der Welt versehen“ seien: „Alle fremde Truppen sind in diesem Stück besser versorgt, als die englischen“ (AA III, 200–201), bis zum Spott über Old England’s hospitality, an die nur der „deutsche[…] Leser, der Engelland blos aus englischen Romanen kennt und beurtheilt“, glaube sowie „jeder ungereiste Engelländer, und das ist der große Haufe“ (249). In Georg Forsters polemischen Seitenhieben schlagen sich, wie die direkten Parallelen zu diesen Äußerungen in seinen Briefen zur Zeit der Entstehung der beiden Texte zeigen, die negativen Erfahrungen der beiden Forster mit der Admiralität nieder, als Johann Reinhold Forster versuchte, sich als Autor der offiziellen Beschreibung der Zweiten Reise Cooks durchzusetzen. Eine Polemik gegen Hawkesworth, den Verfasser der Beschreibung der Ersten Reise, ist recht durchsichtig auf den zugrundeliegenden Sachverhalt; Hawkesworth wird nicht nur vorgeworfen, „sich“ die „Gedanken“ „des Herrn Canonicus Pauw zu Xanten“ über die Ursachen von Kannibalismus „zugeeignet“ zu haben, „ohne Herrn Pauw zu nennen“, sondern Georg Forster verallgemeinert den Fall so, dass die Nichtanerkennung des väterlichen Ver diensts, die im Entzug bzw. in der Nichterteilung des offiziellen Auftrags gelegen haben soll, mitgemeint sein kann: „Sic itur ad astra in einem Lande, das nach Voltaire’s Aussage und nach dem Vorurtheil der Deutschen noch jetzt für das Vaterland der Original-Denker gehalten wird.“ (AA II, 405)
2.4.2 Privilegierung der deutschen Sprache In einer anderen polemischen Fußnote gegen Hawkesworth entwickelt Forster ein Leitmotiv der Reise exponiert, das die deutsche Sprache gegenüber anderen insofern privilegiert, als sie zur Transkription der Sprachen der Südsee geeigneter sei (vgl. Kapitel 1). Der in der Privilegierung des Deutschen als Sprache der Tran skription angemeldete Anspruch auf Vorrang gewinnt eine zusätzliche polemi sche Dimension, weil das Problem mit der Frage der Besitznahme verknüpft wird, wenn es um den richtigen Namen der Südseeinseln geht. So wird nicht nur des Spaniers Quiros falscher Name Manicolo zum Beweis, dass er „nicht selbst hier gewesen“ (AA III, 176) sei, sondern auch grundsätzlich zwischen den „willkürli chen“ Namen der Entdecker und den gewissermaßen natürlichen der Insulaner unterschieden; doch gerade weil Forster den Gegenbegriff natürlich vermeidet, wird einerseits die Verquickung der Benennung mit der Besitznahme offensicht
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lich, andererseits Forsters Versuch deutlich, wissenschaftliche Erkenntnis von Kolonialismus zu trennen: Ich muß bey dieser Gelegenheit [Tanna] anmerken, daß wir es uns zur Regel gemacht hat ten, von allen fremden Ländern, die wir besuchen würden, allemal die eigenthümlichen Namen welche sie in der Landessprache führen, auszukundschaften, denn die allein sind selbständig, und nicht so häufiger Veränderung unterworfen als die willkührlichen Benen nungen, welche jeder Seefahrer seinen eignen und andern Entdeckungen beyzulegen das Recht hat. (208)
Die kompromisshafte Formulierung, die einerseits Selbständigkeit der Insulaner, andererseits Willkür der Entdecker anerkennt, deckt zwei Lösungen des Problems im Text von Forsters Reise ab: Gelingt freundschaftlicher Umgang, so wird der Name der Bewohner übernommen; scheitert jede Kommunikation, so kann Fors ter z. B. folgenden Schlusssatz formulieren: „Die […] Insel […] bekam von uns den Namen, das wilde Eyland (Savage Island).“ (134) Der Bericht über das Scheitern jeder Landung schreibt der Natur die Gründe für die willkürliche Benennung zu: Nun giengen wir wieder in die Boote, und wollten mit diesen Leuten nichts mehr zu schaf fen haben, da wir sie durch kein Bitten zu einer freundschaftlichen Aufnahme hatten bewe gen können. Die Natur selbst scheint diese Nation, schon dadurch, daß sie ihr Land fast unzugänglich bildete, zur Ungeselligkeit verurtheilt zu haben. (134)
In dieser Betätigung des Rechts des kolonialen Entdeckers zur Benennung wird der Begriff Nation auf dieselbe Weise verwendet wie im ganzen Text von Fors ters Reise. Am Sprachgebrauch von ‚Nation‘ lässt sich der Widerspruch zwischen den beiden Kommentierungsstrategien klären, die Forster benutzt, um die in der Erzählung der Reise aufgetretenen Widersprüche zwischen kolonialistischer Ins truktion und Wissenschaftlichkeit zu lösen: Sowohl die Erhebung Englands zum Muster einer wissenschaftliche Entdeckungen finanzierenden uneigennützigen Macht als auch die des Deutschen zur Sprache reiner wissenschaftlicher Erkennt nis von Menschen und Sitten setzen die koloniale Entdeckung der Völker der Süd see in Beziehung zur Konkurrenz der Staaten Europas. Forsters Sprachgebrauch von Nation in der Reise schreibt nicht mit an der dominierenden Tendenz des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts in England, Frankreich und Deutschland, den Begriff zunehmend auf Europa einzuschrän ken, um staatdessen für die anderen Kontinente einheitliche Rassen zu konstru ieren und innerhalb dieser Stämme zu unterscheiden (Hudson 1996, 258). Auch wenn die beiden einzigen Stellen, an denen Forster von Rasse (AA III, 326) und Stamm (204) spricht, in die von Nicholas Hudson prägnant beschriebenen Rich tungen gehen, insofern einheitliche Abstammung auf einen Kontinent bezogen
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und Abwesenheit einer politischen Organisation unterstellt wird, so dominiert im Text absolut die Verwendung des in den Instruktionen, die nur Natives and Inhabitants kennen, nicht vorgesehenen Begriffs Nation. Er wird für Europäer und Nicht-Europäer im gleichen Sinne benutzt (AA II, 89; AA III, 350): Eine „selbstän dige Nation“ ist für Forster primär durch innergesellschaftliche Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse charakterisiert – „Standesunterschied“, „Oberherr schaft“ und „Abhängigkeit“ qualifizieren zur Nation (AA III, 385). In Forsters Beschreibungen der Inseln fällt der Begriff Nation meist jeweils zum ersten Mal, wenn er diejenigen Menschen beschreibt, die als „Befehlshaber“ oder „Könige“ bezeichnet werden, oder auf „Ehrfurcht vor Vornehmen“ zu sprechen kommt (AA II, 370; vgl. AA II, 436; AA III, 21, 32, 104). Die „Art von Subordination“ (AA III, 150) geht in die Beschreibung dessen ein, was durchgängig als „National-Charak ter“ (AA II, 220) erscheint; denn unter der „Menge verschiedner Ursachen“ (AA III, 327), die nach Forster diesen Charakter bestimmen, erhält die Regierungsform besonderes Gewicht. Trotz der Aufmerksamkeit für Sprache (207–208), „NationalKenntnisse“ (in Geographie, Astronomie und Zeitrechnung) (125) sowie „Tradi tionen“ (118), geschweige denn für „Gesichtsbildung“ (166) und Hautfarbe (AA II, 462), ist Forsters Nation-Begriff bemerkenswert nicht-kulturalistisch. Forsters deutscher Text ist deshalb – gerade auch angesichts seiner Rezep tion – ein Test auf Marshall Sahlins Lob der deutschen, weil peripheren Position im Europa des achtzehnten Jahrhunderts, die zur Erkenntnis von kultureller Dif ferenz privilegiert hätte: It was not among the Western imperialist nations – Spain, Portugal, Holland, England, or France – that an appreciation of cultures as distinctive modes of experience and existence was born. […] The anthropological concept of culture as a specific form of life thus emerged in a relatively backward region, and as an expression of that comparative backwardness, or of its nationalist demands, as against the hegemonic ambitions of Western Europe. What could it mean to be German in the absence of a country? (Sahlins 1995, 11–12)
Gerade weil Georg Forster in seinen Briefen während des Schreibens der Reise exakt diese Frage stellte – wie könne „aus meinem Vaterlande verbannt […] mein Geist doch […] aufrichtig deutsch“ (AA XIII, 126) bleiben –, sollte man vielleicht vorsichtig sein, einen für das achtzehnte Jahrhundert unterstellten deutschen ‚Anti-Imperialismus‘ mit dem zu identifizieren, was Sahlins folgendermaßen beschreibt: „Now, two hundred years later, a marked self-consciousness of ‚cul ture‘ is reappearing all over the world among the victims and erstwhile victims of Western domination – and as the expression of similar political and existential demands.“ (Sahlins 1995, 13) In Forsters Briefen kollidiert die Anerkennung des Vorsprungs Großbritanni ens mit der Anmeldung eines deutschen Anspruchs auf Überlegenheit in dersel
2. 4 Erzählerkommentar: Widersprüchliche Harmonisierung der Kollisionen
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ben Weise wie im Text der Reise. Allerdings gibt es in ihnen auch einen Hinweis darauf, weshalb der Widerspruch unversöhnt stehen bleiben musste – zum Vor teil des Textes, der deshalb nämlich nicht zu dem wurde, was nationalistische Forster-Verehrer in einem national geeinten, selbst imperialistisch gewordenen Deutschland daraus gemacht haben: das Gründungsdokument eines Nationalis mus, der einen Universalismus der Erkenntnis zur exklusiven deutschen Eigen schaft machte: „Der eigner länderverknüpfender und besiedelnder Politik fast ganz Enterbte überblickt nach der Teilung der Erde aus den nur ihm eigenen Höhen des Geistes eine kosmisch tellurische Verhältniswelt […], ergreift aus der Bücherstube heraus die Welt durch Begründung erobernder Wissenschaften“, schrieb 1926 Rudolf Borchardt (1960, 26–27) über den Deutschen als Wanderer, zu dessen Inbegriff er Forster machte wegen sein Fähigkeit, „die Erfahrung, daß sein Reich nicht von dieser Welt ist, […] aus Versagung in Schöpfung zu verwan deln“ (22). Obwohl Forsters Londoner Briefe zwischen 1775 und 1777 von anti-englischen und anti-französischen Stereotypen wimmeln, aus denen das Selbstbild des Verfassers als eines Deutschen insofern hervorgeht, als am Maß des treuen, auf richtigen und innigen Freundes gemessen wird, steht letztlich nicht die private Ebene von Freundschaft im Zentrum der Abgrenzung, sondern die öffentliche der Anerkennung von wissenschaftlichem Verdienst. Der immer wieder beklagte Übermut der Briten wird an dem Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen und Nicht-Wert schätzen von wissenschaftlicher Leistung festgemacht, die außerhalb Großbri tanniens erbracht worden sei. An diesem Kriterium – „Grad von merite“ „auch andern Nationen […] zukommen“ ‚lassen‘ (AA XIII, 37) – findet dann aber auch Forsters, wie Joseph Gordon (1975, 253) formuliert hat, keimhafter Nationalismus seine Grenze: „Ich bin zwar enthusiastisch für alles, was Deutsch ist eingenom men, allein so weit habe ich es noch nicht gebracht, andern Nationen und Völkern die selben edlen Gedanken abzusprechen“ (AA XIII, 34). Und als Johann David Michaelis gegenüber Johann Reinhold Forster über „den Herrschenden Ton in Deutschland“ „sehr“ „klagt“, „dem Zufolge man jetzt die ganze Welt dortzulande in Deutsche und Vieh abteilt“, wird Georg Forster noch deutlicher: „Ums Himmel willen ists möglich so einen schrecklichen Übergang aus einem extreme ins andre zu machen, und nachdem man kurz vorher alles ausländische ganz niederträchtig sclavisch nachgeaffet hat, jetzt so dumm-stolz alles Fremde zu verwerfen.“ (25) Forsters Briefe zeigen eindeutig, dass Universales hier noch keineswegs zu einem dem Westen entgegengesetzten deutschen Spezifikum heruntergekommen ist. Ein Echo der brieflichen Debatte steht im 25. Hauptstück der Reise über den Empfang in Capetown: „Wir […] wurden […] mit der Aufrichtigkeit bewillkommt […], bey der man allen National-Charakter vergißt und einsehen lernt, daß wahres Verdienst nicht auf gewisse Erdstriche oder Völker eingeschränkt ist.“ (AA III, 415)
3 Georg Forsters ‚deutsche‘ Kommentierung englischer Reisebeschreibungen über den Pazifik Georg Forster hat englische Texte nicht nur kommentiert, wenn er Rezensionen schrieb, sondern auch in den Vorreden und Anmerkungen zu solchen Reise beschreibungen, die er selbst übersetzte. Aus seiner eigenen Voyage round the World wurde die Reise um die Welt, indem, so schrieb er 1789, „ich ohne Anstoß dem Gange meiner Vorstellungen folgen, und in deutschen Wendungen wieder holen [konnte], was ich bereits auf Englisch gesagt hatte“ (AA V, 331).1 In dieser Formulierung in der Vorrede zu seiner Übersetzung von George Keates Nachrichten von den Pelew-Inseln in der Westgegend des stillen Oceans2 ist der ‚Anstoß‘ verschwunden, der Forster seinen eigenen englischen Text in der deutschen Übersetzung kommentieren ließ. Eine Kommentierung erhalten in der Reise um die Welt die Instruktionen der Admiralität für James Cook, die Forster erst durch die Publikation von John Douglas’ A Second Voyage Round the World in the Years 1772, 1773, 1774, 1775, by James Cook 1776 bekannt geworden waren (vgl. Kapitel 2). An Forsters Übersetzungen von Keates Pelew-Inseln sowie Des Capitain Jacob Cook dritte[r] Entdeckungs-Reise in die Südsee und nach dem Nordpol (auch von John Douglas) ist zu prüfen, ob der kommentierende Übersetzer englischer Reisebeschreibungen über die europäische Expansion im Pazifik und – so die Behauptung von Birgit Tautz – alle anderen deutschen Übersetzer außereuropäi scher Reisen des späten achtzehnten Jahrhunderts „create images of non-Western cultures that lent themselves to setting Germans apart from their European coun terparts“ (Tautz 2006, 156): „Translators […] expose the British imperial ideology as such and make Germans the guardians of humanity, Enlightenment, and […]
1 Vgl. hingegen Ludwig Uhligs programmatisches Desinteresse für das Übersetzungsproblem, wenn er sich für die Voyage round the World statt der Reise um die Welt entscheidet: statt der „nur teilweise von ihrem Autor selbst stammenden, höchst unzuverlässigen und lückenhaften deutschen Übersetzung“ für den „eigentlich wissenschaftlichen Charakter des Werkes“ in der „authentischen englischen Originalfassung“ (2011, 168). Entgegen der tendenziell abwertenden ökonomischen Metaphorik in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit „Forsters Übersetzungs manufaktur“ (Haug 2008) oder „‚Fabrikenart‘“ (Roche 1994; vgl. auch Kontler 2001, 70, über ‚Industrie‘) hat Jörg Esleben vorgeschlagen, ein „Verständnis von Forsters Konzeption von Über setzung als Form interkulturellen kommunikativen Handelns [zu] erreichen“ (2004, 178–179). 2 Vgl. zu deren Bedeutung nach Cooks Tod – mit dem Despoix (2009, 15), ohne Keate gelesen zu haben, seine Literarisierungsthese für das Genre Reisebeschreibung begründet – Thomas 2002; vgl. auch Fischers These von Forsters „Herüberziehen der ganzen Gattung von der Historiogra phie zur Poesie“ (Fischer 2002, 605); auf die Bedeutung der Forsterschen Kommentierung hat Barnouw 1993 und 1994 aufmerksam gemacht. DOI: 10.1515/9783110343878-007
3.1 Kommentierung
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knowledge“ (170). Tautz verbindet die entgegengesetzten Thesen der Bücher von Susanne Zantop und Russell Berman, Colonial Fantasies 1997 und Enlightenment or Empire 1998,3 so dass in Umkehrung von Bermans Wertung für Forsters Über setzungen gelten soll, was Zantop The Imperialist Imagination nennt: Despite or because of the absence of state-sponsored colonial activity, stories of imaginary enterprises proliferated […], in which ‚German‘ protagonists were able to exhibit the quali ties that marked the superiority of German colonizers. […] As fantasies of German difference they reinforced the posture of the ‚disinterested‘, ‚objective‘ observer whose colonial absti nence entitled him to criticize the excesses of others (Friedrichsmeyer 1999, 29).4
Ich möchte Forsters Kommentare zu seinen Übersetzungen der Reisebeschreibun gen von Douglas und Keate auf das Reden von ‚Deutschem‘ prüfen. Auf „das Bedürf niß des deutschen Lesers“ (AA V, 186) beruft sich Forster, wenn er sich in beiden Vorreden zu den „Anmassungen des Übersetzers“ äußert, „der Urschrift zu geben und zu nehmen, was ihr nach seinen Begriffen mangelt, oder sie zu verunstalten scheint“ (325). Wenn Zusätze und Kürzungen ausdrücklich begründet werden, gibt Forster ein Bild des Adressaten, das auch national markiert ist: „Die Bedürfnisse des englischen Publikums und des unsrigen sind […] sehr merklich verschieden.“ (187)
3.1 Kommentierung in John Douglas’ Des Capitain Jacob Cook’s dritte Entdeckungsreise und George Keates Nachrichten von den Pelew-Inseln Einen der vier angeführten Gründe für die Streichung von Douglas’ Einleitung, die religiöse Tendenz, formuliert Forster ironisch: Er wirft Douglas vor, „das Ansehen
3 Vgl. Tautz’ (2007, 104) Berufung auf Pratt 1992, um Berman und Zantop in der Weise zu verbin den, dass „anti-conquest gestures“ zum „objective glance“ (116) werden. Gita Dharampal-Frick, die Georg Forster (und seinem Schwager Matthias Sprengel) in ihren Rezensionen, Übersetzun gen und Editionen zu Indien explizit gegen Zantop „a genuine expression of moral concern“ (2004, 196) zubilligt und mit Berman „openness to alterity“ (207), die „mitigated any complicity in colonialism“ (207), interpretiert diese ‚openness‘ dann doch als ‚Kompensation‘: „an attempt to establish intellectual hegemony over Indian history and culture compensated for Germany’s non-existent hegemony over Indian territories“ (207). 4 Vgl. dagegen die These von Christoph Bode: „‚Nationale Identität‘ ist keine Kategorie, die an ir gendeiner Stelle der Voyage Round the World für den Erzähler auch nur die geringste Bedeutung bei der Verarbeitung seiner Fremd-Erfahrung hätte.“ (Bode 2009, 116) Die von Neumann (2010, 7–10) unterschiedenen Funktionen nationaler Rhetorik sind kaum auf die Reisebeschreibungen angewandt worden.
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3 Georg Forsters ‚deutsche‘ Kommentierung englischer Reisebeschreibungen
Mosis und die Authentie der Offenbarung auf den Ausschlag einer Entdeckungs geschichte ankommen zu lassen“, aber er wendet die Kritik an Douglas’ Versuch, „die mosaische Bevölkerungsgeschichte […] durch Cooks Entdeckungen gegen die Spötter“ zu ‚retten‘, im Namen der „Fortschritte der Aufklärung“ national: „Herr Douglas durfte in England noch unangefochten gewisse Sätze vortragen, die man uns in Deutschland nicht mehr hingehen ließe.“ (189)5 Forster schreibt damit dem Adressaten den stereotypen Zug eines Nationalcharakters zu, wenngleich wiede rum leicht ironisch, wie die Anspielung auf Gal. 6,7 zeigt: „Der philosophische Ernst unseres Volks läßt sich nicht spotten; und so nachtheilig zuweilen die Fol gen der Unmäßigkeit im Lesen für die Gesundheit des Verstandes werden kön nen, so hat doch die uneingeschränkte Liebe zur Lektüre unter uns das Phänomen einer verhältnismäßig weit allgemeineren Berichtigung der Begriffe, als in jedem andern Lande, bewirkt.“ (189) Auch eine zweite Begründung für die Ersetzung von Douglas’ Einleitung durch Forsters Essay „Cook, der Entdecker“ rekurriert auf ein traditionelles Selbst- und Fremdstereotyp, den „deutschen Fleiß“, wenn der Übersetzer daraus, dass für Douglas zu den „nördlichen Entdeckungen“ Gerhard Friedrich Müller, Georg Wilhelm Steller und Peter Simon Pallas „die Quellen sind, aus welchen man auch in England schöpfen mußte“, die Folgerung zieht: „einem Deutschen aber würde man den Mangel an litterarischen Kenntnissen schwerlich verzeihen, wenn er aus dem englischen zurück nähme, was zuerst durch deut schen Fleiß ans Tageslicht gekommen ist“ (188). Der dritte Grund für die neue Einleitung des Übersetzers bezieht sich auf den Unterschied zwischen „einem Volke, welches die ganze Wichtigkeit der Schif fahrt für seinen unermeßlichen Handel vollkommen einsieht […] und überhaupt vom Seewesen die deutlichsten Begriffe hat“ (188), und Bewohnern des Konti nents: „Für den Mittelländer hingegen mußte das Verdienst der Entdecker und die Gefahren der Schiffahrt, die Anordnung einer langen Reise in unbekannte Weltgegenden, und das Ungemach des Seelebens umständlicher zergliedert wer den, wenn er anders den Werth dieser großen Unternehmungen in seinem gan zen Umfange anerkennen sollte.“ (189) Auch die vierte Begründung der Streichung von Douglas’ Einleitung bezieht sich zunächst nicht nur auf Deutsche, sondern auf außerhalb Großbritanniens lebende „Ausländer“ allgemein, denen „die Hände nicht gebunden und die Lippen nicht versiegelt“ (190) seien, etwa durch die „Absicht“, dem „ehemali
5 Vgl. hierzu umgekehrt die Hinweise von Gascoigne (2010, 151), dass John Douglas Andersons antiklerikale Reflexionen in der Dritten Reise heftig zensierte und sich Georg Christoph Lichten berg und Heinrich Zimmermann deutlicher als in England möglich zu Cooks fehlender Christ lichkeit öffentlich äußerten (158).
3.1 Kommentierung
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gen Minister des Seewesens“ Lord Sandwich zu schmeicheln: „Ich habe dem deutschen Publikum, welches rechtschaffene Staatsmänner in seinen beyden Monarchien kennt, den Verdruß erspart, für einen solchen Lobredner erröthen zu müssen.“ (191) Die Wendung zum Publikum, dem der „Unpartheylichkeit“ beanspruchende „Übersetzer“ den „rechte[n] Gesichtspunct“ vermitteln will, den Douglas „verfehlt“ habe, weil er zum Zweck der Panegyrik auf den Ersten Lord der Admiralität „Cooks Vorgänger[…] im Südmeere“ „zu gleichem Range“ wie Cook ‚erhoben‘ habe, obwohl „er allein den Namen eines Entdeckers verdient“,6 wird zu einer selbst panegyrischen: „der Entdecker […] ist eine eben so seltene Erscheinung, wie der Monarch der durch sich selbst Epoche macht“ (190). Der Rekurs aufs Stereotyp und der Gegensatz von Vorzug und Mangel keh ren wieder in der Vorrede zu den Pelew-Inseln. Aber sie werden in einer Weise kombiniert, die keine Inanspruchnahme eines Vorzugs der deutschen Sprache impliziert. In der Kommentierung von Cooks Dritter Reise wird das „Unbestimmte in der Aussprache der Englischen Vokale“ als Ursache „unaufhörliche[r] Verwirrungen“ (305) angeführt. Der Mangel, dass sie „in diesen Fällen gar keine festgesetzte Regel der Rechtschreibung zum Grunde legen“, wird nicht mit einem Vorzug der deutschen Sprache konfrontiert, sondern der Übersetzer setzt der Erklärung des englischen Autors der Dritten Reise, der „der undeutlichen Aussprache der Insu laner“ „Schuld“ „giebt“ für „[a]lle diese Verschiedenheiten“, seine eigene ent gegen, nämlich Douglas’ fehlende Augen- oder Ohrenzeugenschaft: „In dieser Rücksicht kann es nicht schaden, wenn der Übersetzer einer solchen Reise wie die gegenwärtige, selbst in der Südsee gewesen ist.“ (305) Auch in der Kommentierung von Keates Pelew-Islands wird den Mängeln der Transkription nicht ein Vorzug des Deutschen, sondern eine allgemeine Forde rung entgegengehalten: Die „Nachahmung der Laute einer fremden Sprache, die selbst keiner Rechtschreibung unterworfen ist“, bedürfe „philologischer Präcis ion“ und „bestimmte[r] Regeln“ (341). Forster lässt deshalb die „Rechtschreibung einiger Inselnamen […] unverändert […], wie sie in der Urschrift stehen“, mit der
6 Zur Frage von Cooks ‚Rang‘ als ‚der Entdecker‘ in den Jahren nach seinem Tod vgl. als unter schiedliche Einschätzungen in neueren Rezeptionsgeschichten auf der einen Seite Nigel Rigby (2005, 20), wo Georg Forster das letzte Wort zu Cook hat, auf der anderen Seite Glyndwr Williams (1988, 156), für den Cook „for almost another twenty years, a marginal matter“ gewesen sei (s. auch Williams 2004). Cooks ‚Schüler‘ James Burney zieht in seiner pazifischen Entdeckungsge schichte die Grenze zwischen alten und „modern[en]“ (1803, Bd. 1, 177–178) Entdeckern nicht mit Cook, auch berücksichtigt er sehr breit spanische, portugiesische, niederländische und franzö sische Reisen. Als Beispiel eines Urteilswandels vgl. in der deutschsprachigen Forster-Rezeption das Cook-Bild in Scheuer 1979, 1994 und 2010.
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3 Georg Forsters ‚deutsche‘ Kommentierung englischer Reisebeschreibungen
Begründung, dass „dieselbe durch die Landkarten bestimmt wird“, während er Änderungen an Douglas’ Rechtschreibung vornimmt „bey den Namen von einzel nen Menschen, wo es schlechterdings nur auf die rechte Aussprache ankommt“ (332). Der Vermeidung des in seiner Reise um die Welt ungebremst erhobenen sprachlichen Überlegenheitsanspruchs entspricht im Keate-Kommentar die Kombination eines Stereotyps mit der Reflexion des Verhältnisses von Vorzügen und Mängeln. Das Autostereotyp einer „deutsche[n] Billigkeit in der Anerken nung fremden Werths“ (325) lokalisiert mit einem inklusiven Wir des Kommen tators die Adressaten auf einer Mittelposition, wenn er diese ‚Billigkeit‘ als einen „Karakterzug“ doppelt unterscheidet: „sowohl von dem Übermuth der Völker, welche die höchsten Stufen einer künstlichen Ausbildung erstiegen haben, als auch von dem Bettelstolz unwissender Barbaren“ (325–326). Entsprechend dieser Mittelposition entwirft Forster eine deutsche Leseweise für die englische Reisebe schreibung, allerdings von vornherein mit einer Einschränkung: „den Stolz des englischen Lesers […] empfindet auch der Deutsche noch zum Theil mit ihm, weil er vor allen anderen Europäern zu einem Grad von Sympathie mit seinen Nach barn gebildet ist, mittelst dessen er sich in die Lage eines jeden von ihnen leicht versetzen kann“ (325). Ebenso bemerkenswert wie die Einschränkung ist die Ver allgemeinerung über den englischen Nachbarn hinaus auf alle; sie findet sich auch in den weiteren Ausführungen zur sympathisierenden Leseweise, die Fors ter als eine in Deutschland umstrittene kenntlich macht, so dass er schließlich einräumt, nicht alle Leser seien „so zart gestimmt […], um gleichsam in der Seele eines Engländers die Schicksale seiner Landsleute zu beherzigen“ (326). Indem Forster sich ‚seiner Leser‘ versichert, an deren Bereitschaft zu ‚sympathisieren‘ er „zu glauben geneigt“ sei, schreibt er ihnen eine Gegenposition zu deutschen Schriftstellern zu, die er folgendermaßen charakterisiert: Die wiederholten Versuche einer gewißen Klasse von Schriftstellern, uns eine wegwer fende Verachtung gegen das Ausland, seine Erfindungen und Geistesprodukte einzuflös sen, haben bis jetzt über die […] bessere Stimmung unseres Publikums nichts vermocht […], und man hielt wohl gar den antigallicanischen und antibritannischen Ton dieser unge schlachten Biedermänner für ein Symptom der gekränkten Eitelkeit, für einen abgenutzten Kunstgriff, durch angenommene Geringschätzung des fremden Verdienstes, sich selbst das unangenehme Gefühl der eigenen Mängel zu ersparen. (326)
Was Forster hier als überwiegende ‚Stimmung‘ referiert, begegnet in scharfen Stellungnahmen zu „neueste[r] Philosophie“ (314) sowohl im Cook- als auch im Keate-Kommentar; in beiden geht es um deutsche Professoren der Philosophie, gegen die der Vorwurf erhoben wird, Mängel in Vorzug zu verkehren, ohne dass die Namen Immanuel Kant und Christoph Meiners genannt werden: „Eine der
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nachtheiligsten Folgen des Scheinwissens […] ist die unheilbare Eitelkeit, womit man sich seiner Gebrechen rühmt, als ob es Vorzüge wären.“ (329)7
3.2 Kritik an deutschen Professoren der Philosophie: Immanuel Kant und Christoph Meiners In seiner Anmerkung zur Frage von Kannibalismus auf Hawaii paraphrasiert Forster einen Satz von Kant, dass „man in der Erfahrung nur alsdann findet, was man bedarf, wenn man vorher weiß, wornach man suchen soll“ (314). Sarkas tisch wendet Forster Kants Satz zu einer ironischen Verteidigung des Schiffarztes Anderson gegen Kapitän King in Douglas’ Bearbeitung von Kings Tagebuch, „weil Herr A. nach den neuesten Regeln der Untersuchung zu Werke gegangen ist“: Herr Anderson […] hatte sich einen Bewohner der Sandwichs-Inseln schon vorher so gedacht: „Er ist dem Neuseeländer am nächsten verwandt, folglich auch ein Menschenfres ser.“ Von diesem Begriffe, den er vorher so genau bestimmt hatte, ging er aus, und hatte nun weiter keine Mühe, ihn durch die Erfahrung zu bestätigen. Bis auf den kleinen Irrthum, daß er gesalzenes Schweinefleisch für Menschenfleisch angesehen hat, läßt sich sein Ver fahren also nach den strengsten Grundsätzen der neuesten Philosophie rechtfertigen (314).
Die Pelew-Inseln werden dem deutschen Leser von Forster in der Vorrede ans Herz gelegt, weil „einer unserer neuesten Philosophien […] nach […] die Möglich keit einer solchen Erscheinung a priori geläugnet werden muß“ (328). Auf Kants Aufsatz, „Mutmaßlicher Anfang des Menschengeschlechts“, der sich „einer hei ligen Urkunde […] als Karte zu bedienen“ „erlaubt[e]“ (Kant 1965, 72), nämlich 1. Mose 2–4, spielt Forster an, wenn er von „eine[r] Popularität“ spricht, „welche in der Verläugnung aller Kritik, und der Erhöhung gemeiner Vorurtheile zu philoso phischen Dogmen besteht“ (AA V, 328). Indem Forster „unsere Pelewaner der Auf
7 Stummann-Bowert 2004, 216, belegt den Anteil der Kant- und Meiners-Kritik an Forsters Kom mentierung; nicht folgen kann ich Harbsmeiers These, Forster habe mit Kant und Meiners einen „anthropologischen Diskurs geführt, der in einer allgemeinen Entwertung überseeischer Nach richten und Erfahrungen kulminieren sollte“ (1992, 437; ähnlich verallgemeinert Mix 2006, 200, Kants Ideen-Rezension zu „in der literarischen Öffentlichkeit fortwährender Kritik“ an „allzu kritiklose[r] Rezeption ethnographischer Literatur“), und Zantops Versuch, das Gemeinsame von Forster und Meiners als Psychophysiologie zu fassen (2003, 167, 172). Vgl. dagegen zur Be deutung von Forsters Protest gegen Kant: Marino 2010, 412–413, und gegen Meiners: Zande 1992, 52. Insofern trifft nicht zu, was Goldstein über einen Forster, der „selbst gesehen“ habe, „dass seine Auseinandersetzung mit Kant argumentativ misslungen war“ (2015, 125), behauptet: „Er zieht sich aus dem Disput zurück.“ (127)
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merksamkeit des Menschenforschers, dem es um Wahrheit und Unabhängigkeit von allem Vorurtheil zu thun ist, dringend“ ‚empfiehlt‘ (328), wendet er sich pole misch gegen „Zwangsformeln jener despotischen Weisheit“ (329) nicht nur Kants, sondern auch Meiners’. Mit dem gegen Kant gewendeten Kantschen Bild des ‚Gän gelwagens‘ (329; vgl. Kant 1965, 78) kommt Forster auf Meiners und die „unheilbare Eitelkeit, womit man sich seiner Gebrechen rühmt, als ob es Vorzüge wären“: Ganzen Nationen ergieng es in diesem Stücke nicht anders, als einzelnen Menschen; sie prahlten mit ihrer Erziehung, die gleichwohl näher untersucht, nur ein Leitband, oder ein Gängelwagen, oder ein Ring in der Nase war. Man begreift, wie nahe die Geringschätzung anderer mit einer so entschiedenen Selbstzufriedenheit verwandt seyn müsse; und es fällt so sehr nicht auf, wenn jemand zuletzt mit der festen Überzeugung das beste Weisheits formular zu besitzen, anderen die Möglichkeit ein ähnliches zu ersinnen, oder dieses nur anzunehmen, aus Gründen einer physischen sowohl als moralischen Impotenz abzuspre chen wagt. (AA V, 329)
Ironisch bedient sich Forster einer religiösen Sprache gegen Kants Auslegung der Genesis, dass „die Geschichte der Freiheit vom Bösen“ anfange (Kant 1965, 79), indem er sowohl für die ‚Erscheinung‘ der Pelew-Inseln als auch für diejenigen, die sie ‚zu uns bringen‘, der ‚Vorsehung‘ und dem ‚Himmel‘ dankt: Wenn die Vorsehung durch den Schiffbruch der Antelope auch weiter nichts hätte bewirken wollen, als jene unglückselige, zu endlosen Verwirrungen und zur ewigen Knechtschaft des menschlichen Geistes führende Vorstellung, von einer angebohrnen, wirksamen Neigung zum Bösen in der menschlichen Natur, endlich einmal auf das kräftigste und bündigste, durch das redende Beyspiel eines in seiner Einfalt liebenswürdigen, gutgearteten Volks zu widerlegen; […] und wenn nichts geringeres als die freye Verfassung und der alles umfas sende Handel Grosbrittaniens erforderlich war, um eine Wahrheit vom äußersten Ende der Welt zu uns zu bringen, so sey dem Himmel Dank, daß es ein freyes Land und ein thätiges Volk zu diesem wohlthätigen Endzweck auf unserem Planeten giebt. (AA V, 337–338)
Gegen Meiners’ Version einer ‚angeborenen Neigung zum Bösen‘ (337), die, so Fors ter an Friedrich Heinrich Jacobi am 1. November 1789, „Hypothese von zweierlei Menschen, Celten und Mongolen, wovon jene sittlich und physisch vollkommen, diese aber von Natur häßlich und mit bösen Neigungen ausgerüstet“, polemisiert die Vorrede der Keate-Übersetzung ebenso durchgängig wie die Anmerkungen: „Nach seiner Stammtafel müßten […] die Pelew-Bewohner mongolischer Her kunft seyn.“ (AA XV, 363) Forster fragt z. B. rhetorisch, um Meiners’ ‚Hypothese‘ in Gegensatz zu dem zu setzen, was der Leser in Keates Buch erfahren könne, und ihm aus dem Gegensatz eine Bewertung von Meiners’ Position nahezulegen: […] wird man sich erkühnen, den Beweis zu führen, daß nur eine gewiße Nationalgestalt ursprünglich zur Vollkommenheit geschaffen, andere hingegen von Anbeginn zur Bege hung des Lasters gebildet […], so lange es unläugbar ist, daß von den Verhältnissen des
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Himmelsstrichs, des Aufenthalts, der Lebensart, der Nahrung und der Gesellschaft die Ver edlung oder Verunstaltung einer jeden Organisation unmittelbar abhängig sey? […] Jener Nationalstolz, und jene Selbstgenügsamkeit, die nichts vollkommenes neben sich erken nen, verdienten also wohl einen minder ehrwürdigen Namen (AA V, 329–330).
Forsters Berufung auf die ‚providentielle‘ Rolle britischer Politik und Wirtschaft, die ‚Wahrheit‘ über die Pelew-Inseln nach Deutschland zu bringen, entsprechen die Anmerkungen, in denen er politische Urteile Keates für deutsche Leser anwen det. Forster lenkt die Aufmerksamkeit der Leser von dem, was Keate an britischer Justiz kritisiert, die vor „versammelte[m] Volk“ geschehe, auf das, was im Heili gen Römischen Reich und „so viele[n] Staaten Europens“ hinter „verschlossenen Thüren“ geschehe: „Wenn ein Engländer so von der Gerechtigkeitspflege seines Vaterlands spricht, was wird er nicht von der des Auslands denken dürfen?“ (338) Der im Modalverb liegenden Zustimmung des Kommentators zu verschärfter Kritik entspricht umgekehrt die scharfe Abwehr der möglichen Wendung eines Zugeständnisses, das Keate dem Despotismus mache, in Rechtfertigung; Forster appelliert an den Leser, sich von innerer Versklavung zu distanzieren: „Wenn ein Britte billig genug ist, einer Despotie, unter gewißen Umständen, die Möglichkeit glückliche Menschen zu machen, zuzugestehen, so muß nur nicht etwa irgend ein Sklave daraus folgern wollen, daß diese Verfassung sich auch für gebildete, der Zucht entwachsene Menschen schickt.“ (339) Indem Georg Forster die englischen Texte von Douglas und Keate kommen tiert, setzt er sich also nicht nur mit philosophisch-anthropologischen Positio nen in Deutschland auseinander, die Ethnozentrismus so fördern konnten wie die von Meiners und Kant, sondern erörtert dessen Konsequenzen im Verhält nis zu Großbritannien. Auch die Tatsache, dass er, wie Alison E. Martin am Text der Keate-Übersetzung selbst nachgewiesen hat, „is more than willing“ „to grant the English the upper hand“ „on issues of justice and political freedom“ (Martin 2006, 198), spricht gegen die Behauptung, Forster konstruiere in seinen Paratexten eine (einheitliche) deutsche Kulturnation, die dem britischen (und französischen) Kolonialismus entgegengesetzt würde.8 Hiergegen lässt sich an beiden Übersetzungen nachweisen, dass Forster in seiner Kommentierung eine
8 Gegen Allison E. Martins Vorwurf eines kulturellen Nationalismus wendet sich – am Material der englischen und deutschen Version der Voyage – Niekerk (2012, 129). Der Verengung aufs Kulturelle entspricht, dass Martin sowohl die Weglassung von Douglas’ Vorwort als auch die gegen Kant und Meiners gerichteten Keate-Anmerkungen kaum erörtert, weil sie im Sinne des von Hentschel (1991a, 51) übernommenen Konzepts der „literarischen Reisebeschreibung“ das Ziel des Übersetzers Georg Forster nur darin sieht, „den Text an seine eigenen [literarischen] Bewertungsmaßstäbe anzupassen“ (Martin 2008, 1637).
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3 Georg Forsters ‚deutsche‘ Kommentierung englischer Reisebeschreibungen
widersprüchliche Legitimation europäischer Expansion in die außereuropäische Welt verstärkt. Gerade wenn man, wie etwa Horst Dippel, eine „Einzigartigkeit“ von Forster Voyage in der Bestreitung eines europäischen Strafrechts sieht, auch angesichts von Kannibalismus (Dippel 2010, 33), muss im Kommentar zur Dritten Reise nicht nur die explizite Rechtfertigung von Cooks Strafrecht auffallen, son dern auch deren europäischer Charakter. Sowohl im Falle der Erzwingung der Rückgabe einer Ziege durch Gewalt, d. h. Zerstörung von Häusern und Schiffen, als auch der körperlichen Bestrafung, d. h. Verstümmelung, des Diebs eines Sextanten wendet Forster Cooks Verhalten ins Prinzipielle, um die Legitimität der Entdeckungsreisen zu erörtern: Allein so viel ich urtheilen kann, fällt dasjenige, was in seinem Verfahren tadelhaft schei nen möchte, nicht sowohl auf ihn, als auf die Europäer überhaupt zurück, die irgend eine Triebfeder, es sey nun Habsucht, oder Politik, oder edle Wißbegierde, zu Entdeckungsrei sen antreibt. Vorfälle von dieser Art sind, wenn man die Sache kaltblütig beurtheilt, von solchen Reisen unzertrennlich (AA V, 307).
Forster macht die „Wichtigkeit, daß unsere Reisenden sich nicht ungestraft bestehlen ließen“, wie überhaupt, „daß sich die Fremden Recht zu schaffen wüß ten“ (307–308), abhängig von der Beantwortung der „Frage“, ob es „Vorwitz der Europäer“ ist, „unberufen fremde Völker zu besuchen“; er beantwortet sie, wenn nicht mit dem „Vortheil der Entdeckungsreisen“, dann mit dem geschichtsphi losophischen Argument, „daß man die Thätigkeit des Menschen, die auch in diesem Falle so bewunderungswürdiger Entwickelung fähig ist, nicht einschrän ken dürfe“: „so muß man sich zugleich über die kleinen Unannehmlichkeiten hinweg setzen, welche von dergleichen Unternehmungen unzertrennlich sind; und gewärtig seyn, daß das Schicksal […], wie allenthalben, Gewinn und Verlust, Nutzen und Schaden, Wachsthum und Zerstörung an einander geknüpft haben werde“ (308). Diese Antwort „auf die Frage“, „ob Europäer befugt sind, Entde ckungsreisen zu machen“ (310), macht mit der Unterscheidung von höheren und „niedern Stufe[n] der Kultur“ aus dem „Recht des Stärkeren“ das des ‚Weiseren‘: Und ist der Stärkere zugleich ein weiser und gerechter Mann, so stiftet er unter einem Volke von Kindern vielleicht Gutes, wenn er ihre Vergehungen zweckmäßig bestraft, und ihnen zeigt, was eigentlich zur Aufrechterhaltung der guten Ordnung, und zur Einrichtung eines durch Sicherheit des Eigenthums blühenden Staates gehöre. (309)
Wenn in Forsters Kommentierung von Cooks Dritter Reise und Keates PelewInseln keine nationale Entgegensetzung deutscher Kultur und britischem Kolo nialismus gefunden werden kann, dann stellt sich die Frage, ob zeitgenössische Rezensenten dennoch in dieser Weise lasen.
3.3 Die Rezeption von Forsters Douglas- und Keate-Übersetzungen
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3.3 Die Rezeption von Forsters Douglasund Keate-Übersetzungen „Welcher Teutsche war im Stande, Cooks Reise besser […] für Teutsche zu bearbei ten“, fragte die Nürnbergische gelehrte Zeitung und nannte den Übersetzer „Fors ter, den Weltumsegler“ und sein Buch „ein klassisches Werk“ (AA V, 739/740). Ähnlich hymnisch schrieb die Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung zu Keate: „Wirklich hatte Er, der teutsche Weltumsegler! vor uns allen den Beruf, die Natursöhne von Pelew durch seine Uebersetzung auch für uns Teutsche zu entde cken.“ (759) Die beiden zitierten nahmen ebenso wie andere gelehrte Zeitungen den vom Verlag durch Präsentation als dritten Band einer Sammlung Geschichte der Seereisen betonten Zusammenhang des Cook mit Hawkesworth’ Historischem Bericht von den sämtlichen durch Engländer geschehenen Reisen um die Welt und den neuesten dabei gemachten Entdeckungen und Forsters eigener Reise auf. Wäh rend Christoph Meiners in den GGA mit genau zwei Worten „erläuternde Zusätze“ (741) erwähnt, „übergeht“ (746) der Rezensent der ADB mit vielen Worten Forsters „unnütze oder beleidigende Anmerkung[en]“ (745), was er damit begründet, dass die „philosophisch-moralischen und politischen Betrachtungen“ für ihn „keinen genauen Zusammenhang […] weder mit dem eigentlichen Gegenstande, noch auch unter sich“ hätten, sondern „blos ein Commentar über das vorangesetzte Motto: nullius in verba“ seien (746). Deshalb lobt er den „sachkundigen“ Überset zer einer konkurrierenden Ausgabe, in der Anmerkungen „zur Sache gehören“, während Forster „seinen Egoismus und Verachtung anderer, die nicht so denken, wie er, durch Machtsprüche und Gemeinsätze geäussert, worin man schwerlich allemal Sinn und Zusammenhang finden kann“ (745). Wenn der Herausgeber der Akademie-Ausgabe diesen Verriss mit dem Zeitpunkt des Erscheinens der Rezension erklärt, zu dem Forster bereits Mitglied des Mainzer Jakobinerklubs war, gerät aus dem Blick, dass der wesentliche Kritikpunkt der Besprechung von Forsters Reise vierzehn Jahre vorher in den GGA nicht wesentlich anders gelautet hatte: Meiners und Gmelin hatten moniert, dass die „Betrachtungen […] in Lobre den auf ausländische, nicht immer unverdächtige, Tugenden“ bestehen, die „fast allemal mit bittern Anspielungen auf die Grausamkeit, Härte und Unarten der Europäer, oder wohl gar seiner Reisegefährten verbunden“ seien (AA IV, 154; vgl. Kapitel 5).9 Ganz anders als die ADB besprach deren neuer Konkurrent, die ALZ, Forsters Übersetzung von Cooks Dritter Reise: An dieser „klassischen Überset zung“ wurden die „nützliche[n] Anmerkungen“ gerade wegen ihrer „inhaltvollen philosophischen Betrachtungen“ (ALZ 4 (1788): 131) gelobt. Die gleiche Position
9 Vgl. grundsätzlich zu „gelehrten Kritiker[n] der Reisebeschreibung“ Siebers 2004, 53–54.
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3 Georg Forsters ‚deutsche‘ Kommentierung englischer Reisebeschreibungen
bezog der Teutsche Merkur, für den Forster „gerade der Mann“ war, „der aus unsern Zeitgenossen und Landsleuten zu dieser Arbeit den nächsten Beruf hatte“ (TM (1787): 2.Vj., lxxxi): „der Geist des unsterblichen Cooks, und die Ehre der teutschen Litteratur […] erhalten hier die vollständigste Genugthuung“ (lxxxii/ iii). Um so auffälliger ist, dass der ADB-Rezensent von Cooks Dritter Reise zwei mal das Transkriptionsproblem behandelt (ADB 117 (1794): 207, 218) und damit im Gegensatz zum eigenen Tenor von Forsters Vorzug und Verdienst spricht, die aber „nur sehr eingeschränkt zugestanden“ werden: „der Vorzug, daß er die zweydeu tig geschriebenen Namen des Originals hin und wieder, wo er selbst gewesen ist, richtig im Deutschen schreiben […] konnte“ (AA V, 745), und „das Verdienst, die Namen, welche die englische Orthographie so oft völlig zweydeutig macht, wo es ihm möglich war, für unsere Aussprache richtig zu schreiben“ (746). Ebenso wird in den Neuen Leipziger gelehrten Anzeigen als einziges von „den mannigfal tigen Verdiensten des Uebersetzers“ ausgeführt: „Nur dieß erinnern wir, daß man von niemanden richtiger über die wahre Aussprache der englisch geschriebenen Namen belehrt werden konnte, als von ihm.“ (743) Der Leipziger Rezensent wech selt von Forsters Autorisierung als Pazifikreisendem zu der des Deutschen, wenn er als Beleg anführt: „Bey des Hrn. Bryant vergleichenden Tafel der Zahlwörter, zur Darstellung der Uebereinstimmung der Sprachen auf den Inseln des östlichen Meeres, und ihrer Abstammung von der Malayischen, hat Hr. F. die Worte unver ändert nach der englischen Ursprache stehen lassen, als Denkmal des unbe stimmten Werths der Buchstaben bey den Engländern.“ (743) In den deutschen Besprechungen der Forsterschen Übersetzung von Keates Reisebeschreibung dominierte derselbe Aspekt, der Forsters Rezension des eng lischen Originals für die GGA geprägt hatte, wenn er die „äusserst interessanten Detail ihres Umgangs [der britischen Seeleute] mit dem gutmüthigsten Völkchen, das wohl je, die Otahaitier nicht ausgenommen, in einem Erdenpünctchen, wie dieses, sich bildete“ (AA XI, 157), hervorhob, ein Aspekt, den sich die ALZ in einer Ankündigung von Forsters „gewiss meisterhafter“ Übersetzung (ALZ 4 (1788): 130) zu eigen gemacht hatte: Das Adjektiv ‚gutmütig‘ begegnet in fast allen Rezensionen (wie in Forsters Vorrede), wobei sich dann aber gegenüberstanden der Schluss, den das Historisch-politische Magazin zog, „daß die Menschen nicht so böse sind, wie einige Theologen sie gerne machen möchten“, und die Aburteilung durch die ADB, „die ‚Gutmütigkeit dieser Wilden‘ werde ‚empfindsame Weltbürger‘ anspre chen“ (Guthke 2005, 349). In der Leipziger Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste fehlte zwar das Adjektiv ‚gutmütig‘ für die Pelew-Inseln, aber nicht das Stereotyp: „In der That haben diese [Inseln] nichts, schlechterdings nichts als die Menschen darin, das uns interessiren könnte. Sie sind gute, liebe, unverdorbene Kinder der Natur, ohne Kunst, ohne Wissenschaft und so arm, dass schwerlich sie ein Europäer wieder besuchen wird.“ (NBWK 38 (1789): 294)
3.3 Die Rezeption von Forsters Douglas-und Keate-Übersetzungen
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Von einer kulturnational – spezifisch deutsch – begründeten Kritik an einem als britisch markierten Kolonialismus kann, was die Rezeption der Forster schen Übersetzungen von Cooks Dritter Reise und Keates Pelew-Inseln betrifft, keine Rede sein. Die gelehrten wie die literarischen Zeitschriften reproduzieren die deutschen Kontroversen, in denen Forsters Kommentierung der englischen Reisebeschreibungen Stellung genommen hatte.
4 Georg Forster über Australien. Die neue Welt des achtzehnten Jahrhunderts „Georg Forster“, schrieb der australische Germanist ungarisch-jüdischer Her kunft Leslie Bodi 1959, „drew an outline of the prospects of the new continent which was unique in the literature of his time“ (Bodi 1957–59: 362). Der Text, auf den Bodi sein Lob gründete: „Neuholland und die brittische Colonie in Botany Bay“, ist in den letzten Jahren als „aggressiv […] expansive[r] Eurozentrismus“ (Stummann-Bowert 2003: 107)1 verdammt worden oder als „contribution[…] to the emergence of a German colonial imaginary whose focus is the new world of Australia“ (Wilson 2009: 139). Judith Wilson beruft sich für das Imaginäre auf Susanne Zantop (1997), die gemeinsam mit Sara Friedrichsmeyer und Sara Lennox eine spezifisch deutsche, aus dem späten achtzehnten Jahrhundert datierende The Imperialist Imagination folgendermaßen bestimmt: „As fantasies of German difference they reinforced the posture of the ‚disinterested‘, ‚objec tive‘ observer whose colonial abstinence entitled him to criticize the excesses of others.“ (Friedrichsmeyer 1999: 29) Gleichfalls im Anschluss an Zantop hat Birgit Tautz für Forster wie alle deutschen Übersetzer englischer Texte über außereuro päische Länder behauptet: „Translators […] expose the British imperial ideology as such and make Germans the guardians of humanity, Enlightenment, and […] knowledge“ (Tautz 2006: 170). Die Verdammung entweder als gemeineuropäischer Apologet des Kolonia lismus oder als spezifisch deutscher Kritiker nur des britischen verfehlt Georg Forsters Rolle als Vermittler von Wissen über Australien im Deutschland des späten achtzehnten Jahrhunderts. Aber auch Georg Forster als Teilnehmer einer „Berliner Debatte“ (Bernaschina et al. 2015), sozusagen als Preußen zu verhan deln, hat seine Schwierigkeiten; denn als ihm, dem Mainzer Hofrat, im Novem ber 1792, nach der Einnahme von Mainz durch die Truppen der Französischen Revolution, sein Berliner Verleger Christian Friedrich Voß die Bedingungen für einen Kredit David Friedländers und des Königlich Preußischen Geheimen OberFinanz-, Kriegs- und Domänenrats Johann Heinrich Wlömers genannt hatte, ant wortete er: Wenn ich den Wunsch, daß ich ein Preuße bleiben soll, recht verstehe, so ist er eine Zumu thung, die mit meinen Grundsätzen und meiner in so vielen Schriften (freilich des Des potismus wegen behutsam)2 geäußerten Freiheitsliebe ganz unverträglich ist. Ich bin im
1 Vgl. auch Lüsebrink 2003, Tzoref-Ashkenazi 2010. 2 Zum Begriff der ‚Behutsamkeit‘ vgl. Kapitel 10. DOI: 10.1515/9783110343878-008
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polnischen Preußen eine Stunde von Danzig geboren, und habe meinen Geburtsort verla ßen, eh er unter königlich preußische Botmäßigkeit kam. In so fern also, bin ich kein preu ßischer Unterthan. Ich habe als Gelehrter in England gelebt, eine Reise um die Welt gethan, hernach in Caßel, in Wilna und zuletzt in Mainz meine geringen Kenntniße mitzutheilen gesucht. Wo ich jedesmal war, bemühte ich mich, ein guter Bürger zu seyn; wo ich war, arbeitete ich für das Brod, welches ich erhielt. Ubi bene, ibi patria, muß der Wahlspruch des Gelehrten bleiben; er bleibt es auch des freien Mannes, der in Ländern, die keine freie Verfaßung haben, einstweilen isolirt leben muß. Heißt: „ein guter Preuße seyn“, wenn man in Mainz unter fränkischer Herrschaft steht, soviel als, allen Preußen gutes, einen baldigen Frieden, eine Erholung von allen Uebeln des Krieges wünschen, so bin ich ein guter Preuße, wie ich ein guter Türke, Ruße, Chineser, Marokkaner, pp. bin. Heißt es aber, daß ich in Mainz meine allgemein bekannten Grundsätze verläugnen, mich nicht freuen soll, daß es eine freie Verfassung erhält; aufgefordert, wie ich bin, nicht dazu mitwirken; in einer Gäh rung, in einer Krise, wo man durchaus sich entscheiden muß, entweder ganz unentschie den bleiben oder das Mainzer Volk durch mein Beispiel zu überreden suchen, es thue beßer, die alten Greuel beizubehalten, als mit den Franken frei zu werden; heißt also: ein guter Preuße seyn, Grundsätze annehmen, die nie die meinigen waren, und nicht das Wohl der Einwohner Preußens, sondern das Interesse des preußischen Hofes, des Kabinets, der Geis terseher und allenfalls des Königs, – hier in Mainz im Auge zu behalten, so verlangt man etwas, wofür ich verdiente, an den nächsten Laternenpfahl geknüpft zu werden. (AA XVII, 248–249)3
Was zur Zeit von Forsters Geburt im polnischen Preußen über Australien in Deutschland gewusst wurde, präsentierte Zedlers Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste in fünf – sich durchaus auch wider sprechenden – Artikeln in fünf zwischen 1732 und 1744 erschienenen Bänden: „Antarctica terra, oder Terra Antarctica Australis incognita“ (1732; Bd. 2, 492), „Holland oder Neu Holland“ (1735; Bd. 13, 631), „Neu-Holland“ (1740; Bd. 24, 198), „Südland“ (1744; Bd. 40, 1732/1733) und „Terra Australis oder Südland“ (1744; Bd. 42, 1089/1090): Übereinstimmen sie allerdings in der Unterteilung eines „Land[es]“ (Bd. 2, 492) Neu-Holland in „Provinzien“ (Bd. 13, 631) „Carpen taria“ (Bd. 40, 1731), „Diemens“ und „Pierre Nuits“ (Bd. 13, 631); widersprüchlich wird deren Verhältnis zum Südland insgesamt bestimmt, wenn Neuholland eine Lage „von Neu-Guinea und den Moluckischen Inseln Nordwärts“ (Bd. 13, 631) zu „eine[r] Landschaft in America“ (Bd. 24, 198) machen kann und es zugleich mit dem „Südland“ als „ein Theil von Neu-Guiner in America bey der Mittel-Linie
3 Mit diesem Zitat schließt Stefan Greif (2013, 247) seine umfassende Untersuchung von „Fors ters ambivalente[m] Verhältnis zu Preußen“. Vgl. zu „Georg Forster und die Berliner Aufklärung“ insgesamt den von Greif und Michael Ewert herausgegebenen Band 18 der Georg-Forster-Studien (2013), insbesondere Godel 2013, 16, zum Problem der Öffentlichkeit als einer „Ausweitung der verhandelten Fragen über die Wissenschaft hinaus“.
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(Aequatore) bis zu dem Mittäglichen Pol fast auf neun Grad in die Breite und in die ganze Welt-Länge 360 Grad, obgleich nicht aller Orten gleicher Breite, noch gantz verborgen lieget“ (Bd. 40, 1731). Die Zedler-Artikel beziehen sich auf über wiegend ungenannte holländische, spanische und französische Reisende, um zu den „unbekannten Länder[n] gegen den Süder-Pol“ zu betonen: „Es ist uns aber nicht mehr bekannt, als dasjenige, was an den See-Küsten lieget“ (Bd. 2. 492), „weil sie theils wilde und inacceßible Ufer, theils solche Küsten ganz wüst und unfruchtbar angetroffen haben, weiter hinein aber keinen Menschen ansichtig werden können“ (Bd. 40, 1732). Als Gegensatz hierzu wird markiert: „Indessen machten die Holländer auf Entdeckung und Besitzung solches Südlandes nicht wenig Reflexion, indem sie solches wiewohl noch unerkundiget nach ihren Pro vinzen nennen […], auch zu Amsterdam auf dem Ost-Indischen Hause eine grosse Taffel darauf solches Land gemahlet, in vim possessionis haben aufhängen las sen.“ (1732) Besitz wird im Zedler an Entdeckung als Erkundung gebunden. „[…] wie edel, wie patriotisch ist der Plan der Britten, der die Erweiterung des Reichs der Wissenschaften überall zum Zweck hat“ (AA V, 25), schrieb der 18jährige Georg Forster über die Erste und die Zweite Reise James Cooks, zwei Monate, bevor er erfuhr, dass er seinen Vater, den Naturkundigen Johann Rein hold, als dessen Zeichner auf der Zweiten Reise begleiten würde. Sich dafür ent schuldigend, dass er deutsch zu schreiben nicht mehr gewohnt sei, verfasste er für seinen späteren Verleger Karl Philipp Spener in Berlin das „Sendschreiben eines Freundes in London an den Übersetzer“, das dieser seiner Ausgabe einer vor der offiziellen bereits 1771 publizierten Beschreibung der Ersten Reise Cooks anhängte. Aus James Magras A Journal of a Voyage round the World wurde in Spe ners Titel eine Nachricht von den neuesten Entdeckungen der Engländer in der SüdSee, der Bericht über eine Reise, auf der „verschiedene bisher unbekannte Länder in der südlichen Hemisphäre entdeckt“ worden seien, und die Beschreibung der „Beschaffenheit der Einwohner“ und „der Sprache, die in jenem Theil der Welt üblich ist“ (Fiedler 1971, 20).
4.1 „Sendschreiben eines Freundes in London an den Übersetzer“ (1772): Insel oder fünfter Weltteil Forsters „Sendschreiben“ versucht nicht nur, die Mängel von Magras Reisebe schreibung, was die „Entdeckungen der Naturkundigen“ (AA V, 17) angeht, aus zugleichen, auf der Basis der ihm in London zugänglichen Sammlungen von Joseph Banks, Gemälde von Sidney Parkinson und Zeichnungen Daniel Solan ders – denn John Hawkesworth’ offizielle Reisebeschreibung mit den Kupfern erschien erst ein Jahr später –: allein in Neu-Holland 100 neue Genera, 1200 neue
4.1 „Sendschreiben eines Freundes in London an den Übersetzer“
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Spezies von Pflanzen, 100 neue Vögel, 200 neue Fische und „eigentlich nur ein neues“ (21) vierfüßiges Tier, sondern gibt auch einen Ausblick auf die bevorste hende Zweite Reise Cooks, mit einem Schwerpunkt auf den Uhren, die die Genau igkeit der Längenbestimmungen erhöhen sollen. Sowohl im Rückblick als auch im Vorausblick fällt die relativ ausführliche Behandlung von Neu-Holland auf. Forster nennt es „die Insel, oder diesen fünften Welttheil“ (20). Entsprechend schreibt er über die „an der südlichsten Spitze von Neu-Holland, die Tasmann, van Diemens Land nennt“, anstehende Aufgabe, zu „untersuchen, ob dies van Diemens Land mit dem übrigen Neu-Holland zusammenhängt“ (16) und „ob da noch weiter gegen Süden andere Länder sind“ (17), entsprechend berichtet er von der zurückliegenden Reise: Die östliche neuentdeckte Küste von Neu-Holland hat armseelige Einwohner, ohne Künste, ohne Civilisation, und dabey sind sie ungestaltet […]. Der ganzen östlichen Küste von NeuHolland gaben sie [unsere Seefahrende] den Nahmen von New South Wales. Nach dieser neuen Entdeckung ist Neu-Holland ohngefehr so groß, als ganz Europa. Die Einwohner desselben haben keine bleibende Wohnungen, und von gewißen Merkmahlen schlossen unsere Reisende, daß sie die Insel, oder diesen fünften Welttheil von einem Ende zum andern durchwandern. So, glaube ich, sahe Europa aus, ehe Künste, Wissenschaften, Han del und gottesdienstlicher Unterricht von Egypten und [den römischen] Provinzien [Asiens] hereingebracht wurden. (20)
Der Begriff fünfter Weltteil, den Forster 1772 vor Antritt der Reise benutzte, stand vier Jahre später im Titel eines Aufsatzes, dessen Verfasser betonte, auf das Erscheinen von Cooks und Forsters Beschreibung ihrer Reise um die Welt zu war ten. Es war ein anderer späterer Freund Forsters (und Berliner), der damals Kas seler Professor für Kameralwissenschaften Christian Wilhem Dohm, der in dem von ihm mit herausgegebenen Deutschen Museum (Bödeker 2002, 315) den Begriff ‚fünfter Weltteil‘ ausdrücklich als Neologismus ins Deutsche einbürgern wollte, um die „dunkeln Begriffe“ „Terra australis, Südländer usw.“ (Dohm 1776, 50) „in der deutschen Bücher- und Gesellschaftssprache“ (49) zu ersetzen. Denn im Eng lischen und Französischen habe sich der ‚fünfte Weltteil‘ nach dem Erscheinen von John Hawkesworth’ An account of the voyages undertaken by order of His present Majesty for making discoveries in the Southern Hemisphere, and successively performed by Commodore Byron, Captain Wallis, Captain Carteret, and Captain Cook, in the Dolphin, the Swallow, and the Endeavour bereits durchgesetzt, wäh rend die Holländer, die diesen Weltteil am besten kennen würden, „aus guten Gründen wohl die lezten seyn möchten, ihm einen Namen zu geben, der die Auf merksamkeit reizen könnte“ (50). Es handele sich zwar nicht um einen neuen Kontinent, aber der neue südlich von Asien, östlich von Afrika und westlich von Amerika gelegene Weltteil sei eine neue Welt, genauer: die neue Welt des
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achtzehnten Jahrhunderts,4 und Dohms Rede von ihm ist leicht ironisch religiös getönt. Er verspricht seinen Lesern nämlich „Offenbarung“, „wenn, wo und wie neue Erde und Menschheit gesehn wurde“ (55), nachdem er die Ableitung der Bevölkerung des fünften Weltteils aus der biblischen Geschichte als „Uebungen eines müßigen Scharfsinns“ (55) zurückgewiesen hat, um stattdessen, auf Göt tinger Quellenstudium gestützt, Entdeckungsgeschichte zu erzählen. Für Dohm reduziert sich die „ruhmwürdige[…] Reihe der Welterweiterer“ (52) auf Kolum bus, Magellan und Cook. Dass zwischen Kolumbus und Cook nur Magellan für Dohm zählt, begründet seinen Vorschlag, den fünften Weltteil als die neue Welt des achtzehnten Jahrhunderts von der – Amerika unter den vier bisherigen Welt teilen einschließenden – „alte[n] Welt des sechzehnten Jahrhunderts“ (55) zu unterscheiden: Magellan, der „der erste Weltumseegler wurde“ (373), „hat keine wichtigen Entdeckungen für den fünften Welttheil gemacht; aber er hat den Weg zu den meisten der folgenden gefunden, die ohne ihn vielleicht noch lange nicht gemacht wären“ (381).
4 Zu „Neuen Welten“ bei Forster allgemein aus einem Interesse an der „literarischen Wechsel wirkung zwischen Europa und den Neuen Welten“ vgl. Gomsu 1998, 538. Nicholas Thomas hat in seinen Untersuchungen der Texte Johann Reinhold und Georg Forsters auf die Darstellung von „first contact violence“ (anders als Scherpe 1998) auf der Zweiten Reise Cooks nicht nur darauf hingewiesen, dass „the interpretations of these events […] were at once enabled and deprived of coherence by an understanding of the antinomies of progress that they shared with the Scottish Enlightenment writers“ (Thomas 1996, 250), sondern auch auf die „preoccupation“ Cooks und der Forsters mit der „morality of their encounters“: zweiseitig, reziprok und asymmetrisch zu sein (Thomas und Adams 1999, 9). Dagegen herrscht in der deutschsprachigen Forschung die Frage nach Universalismus oder Kulturrelativismus vor, die die Antworten zwischen historisie rendem ‚Verstehen‘: „Forster kann als Aufklärer dem Universalismus nicht entsagen, er will aber zugleich eine kulturrelativistische Position zur Geltung bringen“ (Gomsu 1998, 548), und Vor wurf schwanken lässt: Forsters „Widersprüchlichkeit […] in Gestalt eines Nebeneinanders von eurozentrischem Universalismus und selbstkritischem Kulturrelativismus [lasse …] keinerlei Anzeichen von dialektischer Vermittlung oder gar von theoretischer Reflexion über die Möglich keiten einer solchen Vermittlung erkennen“ (Schneider 1998, 677). Aber anders als Schneider betont Gomsu (2000, 63) einerseits, dass „Forster von Kolonien überhaupt nur vor dem Hinter grund einer Dialektik von Herrschaft und Befreiung“ spreche (mit Verweis auf „Cook, der Entde cker“), andererseits Forsters Annahme eines spezifisch deutschen ‚eklektischen Charakters‘ als Eignung zur Sammlung und Ordnung von später so genannter Weltliteratur (65, mit Verweis auf die Sakontala-Vorrede).
4.2 A Voyage round the World und Reise um die Welt (1776, 1778–1780)
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4.2 A Voyage round the World und Reise um die Welt (1776, 1778–1780): Unbewohntheit und hohe Erwartungen Als Georg Forster ein Jahr später den Aufenthalt von Cooks Resolution im neusee ländischen Queen Charlotte Sound im Mai 1773 beschrieb, wo die seit Südafrika getrennt gesegelte Adventure unter Captain Tobias Furneaux wieder getroffen worden war, schob er Nachrichten über dessen Reise an der Küste Tasmaniens ein – wofür er nicht auf das Tagebuch seines Vaters zurückgreifen konnte, weil dieser nichts notiert hatte als: „we heard many curious accounts of their going to Van Diemens’ Land“ (Hoare 1982, 283).5 In dem Referat von Furneaux’ Fahrt von der, wie es ausdrücklich heißt: „von Abel Jansen Tasman im November 1642 entdeckten südlichen Spitze von Neu-Holland“ an „Van Diemens Land“ (AA II, 174) entlang nach Norden nimmt Forster, seinem „Sendschreiben“ von 1772 ent sprechend, die Frage des Zusammenhangs zwischen Tasmanien und Australien auf, und zwar sehr detailliert kritisch gegenüber Furneaux’ Bericht, mit dem sich Cook in seinem Forster nicht zugänglichen Journal zufrieden gegeben hatte: „sence Captain Furneaux hath in a great degree cleared up this point I have given up all thoughts of going thither“ (Edwards 1999, 270). Forster dagegen betont zu Furneaux’ Bericht über Vandiemensland, „bloß zu Entscheidung d[…]er bisher streitigen Frage“, ob es „mit dem festen Lande von Neu-Holland zusammen hän gen müsse“, sei er „hieher gegangen“, um dann Furneaux dafür zu kritisieren, dass „seine vorgedachte wahrscheinliche Vermuthung ihm zu Auflösung dersel ben genug zu seyn dünkte“ (AA II, 175–176). Forster begründet die Kritik doppelt; erstens habe sich Furneaux wegen Untiefen oft so weit vom Land entfernt, dass er „die Küste gänzlich aus dem Gesicht verlohr“, zweitens bliebe zwischen dem nördlichsten Punkt, den Furneaux erreichte, und Cooks südlichstem Punkt an der neuholländischen Küste, Point Hicks, „noch eine unbefahrne Strecke von 20 starken See-Meilen, mithin Raum genug zu einer Straße oder Durchgang zwi schen dem festen Lande von Neu-Holland und van Diemens-Land, übrig“ (176) – Raum, in dem 1798 die Bass Street auch entdeckt wurde. In Übereinstimmung mit dem „Sendschreiben“ hebt Forster über die Frage des Zusammenhangs mit Tas manien hinaus zur Außenlinie, den natürlichen Reichtümern und den Einwoh nern verallgemeinernd hervor: „kein Theil der Welt“ verdiene „mehr untersucht zu werden“ (176). In die Forderung von Untersuchung, die mit dem bisherigen Nicht-Wissen begründet wird, geht aber im Fall der Einwohner ein vermeintliches Wissen ein, nämlich: „auch müssen sie nur in geringer Anzahl seyn, weil dem Anschein nach bloß die Küsten bewohnt sind“ (176). Hieraus zieht Forster in der
5 Vgl. Fiedler 1994, 12.
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4 Georg Forster über Australien
deutschen Fassung seiner Reise um die Welt die folgende Schlussfolgerung, die im englischen Original fehlt: Solchergestalt ist dies Land nicht anders als eine noch völlig unbekannte Wildniß zu betrachten, die aber um nichts kleiner seyn kann als ganz Europa, und größtentheils unter den Wende-Creysen gelegen ist, mithin, sowohl ihrer Größe, als ihres vielversprechen den, vortreflichen Himmelstrichs wegen, vorzügliche Aufmerksamkeit verdienet und hohe Erwartungen erregt. (176)
Neu gegenüber dem „Sendschreiben“ ist die Verbindung zwischen der Annahme von Unbewohntheit und „hohe[n] Erwartungen“ (176), die in der deutschen Fas sung eindeutiger ausfällt als in der englischen, wo sie eingeschränkt formuliert wird: „There is […] a vast interior space of ground […], entirely unknown, and perhaps uninhabited“ (AA I, 125). Auf ähnliche Weise verschärft die deutsche Fassung den englischen Satz über „immense treasures of natural knowledge, which must of course become of infinite use to the civilized nation, which shall first attempt to go in search of them“ (125) zu „unendliche[n] Schätze[n] der Natur […], die dem ersten civilisir ten Volk zu Theil und nützlich werden müssen“ (AA II, 177). Nicht nur entfällt die Suche nach der Erkenntnis über die Natur zugunsten des unmittelbaren Nutzens von Naturschätzen, sondern auch der Wettbewerb zwischen ‚civilisirten‘ Völkern ist zugunsten des ‚ersten‘, Großbritanniens, bereits entschieden. Als einen unbewohnten Kontinent mit Zukunft präsentiert im Erscheinungs jahr des ersten Bandes von Georg Forsters Reise um die Welt in Berlin sein Vater Johann Reinhold Australien in seinen in London gedruckten Observations made during a Voyage round the world, on physical Geography, natural History and ethic Philosophy. Er fordert gleich im Ersten Abschnitt des Ersten Hauptstücks ‚Große Länder‘ seine Leser auf, Neuholland „mit mir ein Continent zu nennen“ (J. R. Fors ter 1787, 2), als eine der „drey große[n] Landmassen“ der „Erdkugel“: „Die erste ist die in der östlichen Halbkugel gelegene sogenannte alte Welt, welche die drey festen Länder oder Continente, Europa, Asien und Africa enthält. Auf diese folgt, an Größe und in der Reihe der Entdeckungen, Amerika, in der westlichen Halbku gel. Eine dritte liegt in der südöstlichen Gegend der ersteren.“ (1) Johann Reinhold Forster resümiert – ohne Namen zu nennen – die holländischen und englischen Reisen, „bis Cook, der große unermüdliche Seemann, erst im Jahr 1770 die öst lichen Küsten dieses Landes berichtigte“, um bisheriges Unwissen mit zukünf tiger Wichtigkeit zu kontrastieren: „Zwar ist kein Continent so unbevölkert und den Europäern so unwichtig wie Neuholland: Allein dieser Einwurf thut nichts zur Sache, da es in Zukunft noch immer eben so volkreich und nützlich als die andern werden, und Europa für den Verlust seiner anderweitigen Pflanzvölker dereinst entschädigen dürfte.“ (2) Forster entwirft die Zukunft des unbevölker
4.2 A Voyage round the World und Reise um die Welt (1776, 1778–1780)
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ten Kontinents als Kolonie europäischer Siedler: „Hier könnten sich also, fern von der Gewalt des in Europa überhandnehmenden Despotismus, neue Pflanzer eine glückliche Freystätte wählen, und so würde auch Neuholland einst Sitz der Wissenschaften und Künste, durch den Anbau, durch den Reichthum seiner Pro duckte, und durch die Zahl seiner Bewohner glücklich.“ (2) Ein paradoxer Effekt kann darin gesehen werden, dass eine Übernahme des Begriffs der Neuen Welt für den Kontinent zur Folge haben konnte, die Annahme seiner Unbewohntheit in Frage zu stellen. Der Göttinger Mediziner Johann Frie drich Blumenbach revidierte auf der Basis von Forsters Observations sein 1775 aufgestelltes Schema von vier Varietäten der Menschheit, der europäischen, asia tischen, afrikanischen und amerikanischen (Frost 1979, 35), denn der „nouus orbis australis“ (Uhlig 2011, 212) verlangte eine fünfte Varietät, die Blumenbach aber seiner Christoph Meiners folgend veränderten Terminologie (kaukasisch, mongolisch, äthiopisch, amerikanisch) malayisch (Frost 1979, 36) und nicht aus tralisch nannte, obwohl er sich nicht zuletzt auf die von Sir Joseph Banks ihm zugänglich gemachten so genannten neuholländischen Schädel stützte (37).6 Von einer neuen Welt sprach in Großbritannien auch der Botaniker James Edward Smith, Gründer der Linnean Society; in seiner Abhandlung A Specimen of the Botany of New Holland formulierte er: „when a botanist enters on the investiga tion of so remote a country as New Holland, he finds himself as it were in a new world“: „Whole tribes of plants […] prove […] total strangers“, denn bisher völlig unbekannt gewesen seien nicht nur species, sondern auch genera und schließlich sogar ordines (40). Von der „ungestörte[n] Natur jenes Landes […], welches nur noch seines Anbauers rege Kräfte erwartet“ (AA V, 164), schrieb Georg Forster 1786 in einem Aufsatz, den er im März seinem Verleger Spener als „einen kurzen Abriss der Geo graphie des 5ten Welttheils“ angeboten hatte und dann auf dessen Aufforderung pünktlich binnen einer Woche am 20. November (AA XIV, 581) lieferte; die Zusam menfassung lautet: „Alles bisher gesagte ist hinreichend, um darzuthun, daß das Innere des Landes gänzlich unbewohnt seyn müsse.“ (AA V, 174).
6 Genauer zur „Entstehung der fünften Menschenrasse“ in Blumenbachs Forster-Rezeption vgl. Williams 2004b, 193/194.
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4.3 „Neuholland und die brittische Colonie in Botany Bay“ (1786): Natur und Kultivierung Forster folgte mit dem ‚Abriss‘-Angebot während der langwierigen Arbeit an sei ner von Konkurrenten überholten Übersetzung von Des Capitain Jacob Cook’s dritte Entdeckungs-Reise (die 1787–1788 erschien) einem Wunsch des Verlegers: „Sie haben recht, dass wir durch allerhand kleine Nebensachen unserm Werk einen abschliessenden Vorzug zu geben suchen müssen.“ (AA XIV, 440) Aber über den gelieferten Text kam es zu einem scharfen Konflikt zwischen Autor und Verleger, dessen glücklichen Ausgang Forster seinem Schwiegervater Christian Gottlob Heyne so berichtete: „Spener hatte […] castrirt, um Raum zu ersparen, […] das Einzige, was ich mein nennen konnte, die Reflexionen, weggelassen. Zum Glück schrieb er mirs, und ich habe mich so darüber formalisirt, daß er die unter drückten Bogen nun hat drucken lassen.“ (625) Bei Spener hatte Forster dagegen protestiert, „das einzige, was ich in demselben [Aufsatz] Mein nennen konnte weg[zu]laßen, und den Ueberrest, zu deßen Excerpirung ein Hallischer Student gut genug gewesen wäre, als meine Arbeit ins Publikum [zu] bringen“ (605) und ihr so „das Ansehen eines lahmen Fragments […] zu geben“ (606). Forster bestand insofern auf der Ganzheit seines Aufsatzes, als die geschichts philosophischen Reflexionen nicht nur die Adressatenbeziehung des Textes bestimmen, sondern auch, wie „alles geordnet und eingekleidet“ (591) wird, was Forster von den im Text genannten „Gewährsmänner[n]“ William Dampier und Cook (AA V, 164) an „Materialien“ ‚gesammelt‘ (AA XIV, 581) hat, wobei Cook hier für die Bearbeiter der Ersten und der Zweiten wie Dritten Reise steht, John Hawkesworth und John Douglas. Obwohl Forster erst auf der vorletzten Seite aus drücklich auf die bevorstehende Gründung der Kolonie eingeht, wenn er Arthur Phillip als Flottenkommandeur und „Gouverneur der neuen Colonie“ (AA V, 179) vorstellt, bestimmt die adressatenbezogene geschichtsphilosophische Reflexion über die „Anlegung eines europäischen Pflanzorts“ (178) den Durchgang durch das exzerpierte Material – kartographisches, meteorologisches, mineralogisches, hydrologisches, botanisches, zoologisches (geordnet nach: Tiere im Wasser, auf dem Lande und in der Luft) und anthropologisches. Forster entwirft in der einlei tenden Reflexion den Adressaten als einen „Leser, der sich in die Ereignisse der Menschengattung überhaupt und namentlich seines Zeitalters verflochten fühlt“ (164), eines Jahrhunderts, dem Cook einen „mächtige[re]n Schwung“ zu „geben wußte“ (163) als Kolumbus dem seinen. Nirgends schöner als in den USA zeige sich: „Fortschritt der Cultur ist also Interesse der Menschheit, und Bevölkerung der ganzen Erde mit gesitteten Bewohnern das große Ziel“ (162). Einen solchen ‚in die in Schwung geratenen Ereignisse der Menschengat tung verflochtenen‘ Leser verspricht der Autor, „vorläufig auf den Schauplatz
4.3 „Neuholland und die brittische Colonie in Botany Bay“ (1786)
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[zu] führen“, wo „ungestörte Natur […] eines Anbauers rege Kräfte erwartet“ (164), aber letztlich auch in ihm „Funken der Thätigkeit“ hervorzulocken, wie es das abschließende mythologische Bild einem neuholländischen Prometheus zuschreibt, dem ‚Wilde‘ und ‚Verbrecher‘ „Stoff zu großen Unternehmungen“ seien, nämlich „Menschen [zu] bilden“ (180). Dass „Fähigkeit[en]“ „hervorge rufen und zweckmäßig geleitet“ (178) werden können, meint auch das zweite mythologische Bild am Ende des Aufsatzes, das die europäischen Kolonisten in Neuholland als einen Triptolemos auffasst, dem Demeter „einen Wagen, mit flie genden Drachen bespannt, [gab] und […] den edlen Weizen, daß er ihn auf der ganzen Erde mit vollen Händen ausstreuen und Segen überall seine Spur beglei ten sollte“ (Moritz 1966, 107). Für die Voraussage der „Wichtigkeit dieser neuen Anstalt“ (AA V, 164), des „europäischen Pflanzorts“ auf dem neuen Kontinent (178), zu dem die Schiffe der Ersten Flotte noch nicht aufgebrochen waren, als Forsters Aufsatz im Dezem ber 1786 erschien, nimmt Forster den „Blick des Weisen“ (180) in Anspruch. Er bestimmt die ‚Ordnung‘ und ‚Einkleidung‘ des aus Dampier, Hawkesworth und Douglas ‚Gesammelten‘ in der Weise, dass die britische Besitznahme legitimiert wird, ohne dass auch nur an einer Stelle die Frage des Rechts erörtert werden müsste. Stattdessen wird in Forsters Aufsatz eine Unbewohntheit des Kontinents textuell hergestellt, die ihn zur terra nullius macht, die rechtens an den Entdecker fällt: „if you find the Country uninhabited you are to take possession of it for His Majesty by setting up proper marks & Inscriptions as first Discoverers & Posses sors“ (Beaglehole 1961, clxviii), hieß die Anwendung dieser Doktrin in der Instruk tion für Cook. Forster hatte von dieser Anweisung erst durch Douglas’ Publikation der Zweiten Reise erfahren und sie in die deutsche Fassung seiner Reise um die Welt eingearbeitet, allerdings mit bezeichnenden Kürzungen (vgl. Kapitel 2), deren wichtigste die Unterscheidung von zwei Formen der Besitznahme betraf. Denn der Besitznahme eines unbewohnten Landes vorangestellt ist in Cooks Instruktionen der Fall eines bewohnten Landes; angewiesen wird folgendes Verhalten zu den „Natives“: „endeavour by all proper means to cultivate a Friendship and Alliance with them: making them Presents of such Trinquets as they may value, inviting them to Trafick, & shewing them every kind of Civility & Regard […]. You are with the consent of the Natives to take possession of convenient Situations in the Coun try in the Name of the King of Great Britain“ (Beaglehole 1961, clxviii). Anders als Forster, der die Besitznahme als letzten Akt, als Abschluss der detaillierten Aktivitäten, die nacheinander vom Astronomen, Seemann-Geographen, Maler und Naturhistoriker erwartet werden, einfach weglässt, kürzt das Zitat aus Cooks Instruktionen Philippe Despoix in seiner Foucault verpflichteten Untersuchung der Dispositive der Entdeckungsreise; ohne drei Punkte in Klammern zu setzen, unterschlägt er die fünf Wörter „with the consent of the Natives“, damit es schlicht
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heißen kann: „You are to take possession of convenient Situations“, obwohl die Weglassung der Zustimmung der Bevölkerung die nachfolgend zitierte adversa tive Konjunktion sinnlos macht, die auf die Unterscheidung zwischen bewohntem und unbewohntem Land verweist: „But if you find the country uninhabited you are to take possession of it“ (Despoix 2009, 91). In der nicht zuletzt von Henry Reynolds im Hinblick auf die landrights der heutigen indigenen Bevölkerung (Reynolds 1987, 27–28) ausgelösten Diskussion australischer HistorikerInnen ist die Frage umstritten, ob der Begriff terra nullius, der in der australischen Rechtsprechung erst im späteren neunzehnten Jahrhun dert belegbar ist, für das späte achtzehnte Jahrhundert anachronistisch sei (so Borch 2001) oder nicht (so Frost (1981, 520): „To Cook (and to Banks and their contemporaries) […] eastern New Holland was ‚terra nullius‘“. Bruce Buchan hat nicht zuletzt mit Verweis auf Cooks Instruktionen überzeugend dargelegt, dass die Doktrin als „deep structure“ (2007, 388) funktionierte, weil sie verbunden war mit einer Vorstellung, wie im Falle eines bewohnten Landes Zustimmung zur Besitznahme zu erreichen sei: „to open communication by means of ‚traffick‘“ (390–391). Die Tatsache, dass Cook weder in Botany Bay und an anderen Punk ten der Ostküste Neuhollands die Zustimmung der Bewohner einholte noch auf dem entsprechend benannten Possession Island in der Torres Strait, wo er „in the Name of His Majesty George the Third took possession of the whole Eastern Coast from the above Latitude [of 38° South] down to this place by the name of ‚New South Wales‘“ (Beaglehole 1961, 387–388), erklärt Alan Frost folgendermaßen: „[H]ad the British not seen New South Wales to be terra nullius, then they would have negotiated for the right to settle the Botany Bay area“ (Frost 1981, 522). Die Wahrnehmung des Kontinents als unbewohnt hätte das Recht zur Besitznahme gegeben von dem, wie es in Douglas’ Beschreibung der Dritten Reise Cooks heißt, „fifth part of the world which is now discovered to be of so amazing a magnitude, that it is larger than any other country in the new world that does not bear the name of a continent“ (Frost 1979, 8). Als erster Entdecker beanspruchte Cook bri tischen Besitz nur für den Teil des Kontinents östlich vom 135° östlicher Länge, wie er in seinem Journal notierte: „[O]n the Western side I can make no new dis covery the honour of which belongs to the Dutch Navigators“ (Beaglehole 1961, 387). Dass die Besitznahme des östlichen Neuhollands nicht mit der in Cooks Ins truktionen geforderten Zustimmung ursprünglicher Bewohner, sondern als terra nullius bereits erfolgt war, zeigt sich in den Instruktionen für den zukünftigen Gouverneur Phillip: „[A]fter taking measures for securing Yourself and the people who accompany you, as much as possible from any attacks or Interruptions of the Natives of that Country […] proceed to the Cultivation of the Land“ (Instructions 1787, 4). In Phillips Instruktionen wird aus der Bedingung von ‚consent‘ der Nati
4.3 „Neuholland und die brittische Colonie in Botany Bay“ (1786)
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ves eine Anweisung an den Gouverneur „to conciliate their affections“ (Heintze 2005, 233). Der Ethnologe Dieter Heintze hat für Forsters „Neuholland“-Aufsatz von der „Abwesenheit einer ganzen Dimension […]: der des Rechts“ (229), gesprochen und die Terra Nullius-Debatte zur Scheinfrage erklärt: „eine Doktrin war über flüssig für das, was […] selbstverständlich war“ (240), um das Konzept dann aber doch für „von vornherein unhaltbar“ (241) zu erklären. Wenn der australi sche Historiker Alan Frost dagegen darauf besteht, dass Cook und die anderen ‚Gewährsmänner‘ Forsters Neuholland als Terra Nullius ‚gesehen‘ hätten, stellt sich die Frage, wie Forsters Aufsatz mit dem ‚Gesehenen‘ umgeht. In Widerspruch zu Frost ließe sich von einer Unsichtbarmachung von Gesehenem sprechen, die es ermöglicht, dass der Kontinent als zu Recht in Besitz genommene Terra Nullius erscheint. Bevor Forster auf fünf Seiten die Menschen Neuhollands darstellt, erschei nen sie schon in den Abschnitten zu Tieren und Pflanzen, und zwar mit dem superlativischen Adjektiv, das Dampier für sie im Umlauf brachte: Aus Dampiers „the miserablest people in the world“ (Morgenroth 1999, 79) werden bei Forster „elende[…] Wilde“ (AA V, 168) als „der Mensch, der hier auf seiner niedrigsten Stufe steht“ (173). Entsprechend beginnt der Abschnitt zu den Menschen: „Unter allen Racen, welche auf den Menschennamen Anspruch machen, ist diejenige, welche Neuholland bewohnt, die armseligste“ (174). Forsters Übernahme von Dampiers Charakterisierung zeigt sich besonders da, wo er Zitate aus Hawkes worth geradezu negativ umkehrt: Wenn Hawkesworth die neuholländischen Männer im Allgemeinen „remarkably vigorous, active and nimble“ nennt, wird daraus bei Forster: „allein nicht besonders lebhaft, und wie alle Wilde unthätig und träge“; wenn Hawkesworth über ihr Haar schreibt: „in general it is strait“, macht Forster daraus: „daß ihr Haar so kraus und wollartig wie beym Neger in Guinea“ (Wilson 2009, 155). Diese und sehr viele weitere Korrekturen an Hawkes worth, die Judith Wilson nachgewiesen hat, folgen aus der Ausarbeitung von Dampiers Superlativ in zwei Richtungen,7 einmal zur Stufung der Kultur, dann zur – wie es gleich bei der ersten Erwähnung heißt – „geringe[n] Anzahl“, in der die „elenden Wilden […] diese Küste bewohnen“ (AA V, 168). Zwischen beiden durchgängigen Motiven stellt Forster einen Zusammenhang her, der die Darstel lung der Neuholländer, die ja als solche dem Konzept einer Terra Nullius wider spricht, auf die – bereits zitierte – Schlussfolgerung hinauslaufen lässt: „Alles
7 Glyndwr Williams und Alan Frost betonen den Einfluss sowohl von Dampiers – mit den nie derländischen Reisebeschreibungen übereinstimmendem – „general image“ (1988, 111) als auch von durch Hawkesworth gestützten Erwartungen einer „terra nullius“ in Großbritannien (166).
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bisher gesagte ist hinreichend, um darzuthun, daß das Innere des Landes gänz lich unbewohnt seyn müsse.“ (174)8 Das superlativisch gesteigerte ‚Elend‘ (178) der Neuholländer stellt Forster als „Mangel an Cultur“ (178) dar: „ohne Ackerbau, ohne Kleidung, ohne Wohnung“ (174), den er mit der geringen Anzahl der „einzeln zerstreute[n] Wilde[n]“ (175) verknüpft: „Sie dürfen mithin die Seeküste schlechterdings nicht verlassen, und sowohl ihre geringe Anzahl, als der gänzliche Mangel an Cultur beweiset offen bar einen späten Anfang der Bevölkerung. […] Der Mangel an Nahrungsmitteln mußte vermuthlich diese Elenden zerstreuen, die es nicht zu wissen scheinen, daß sie durch ihre Vereinigung diesem Mangel abhelfen könnten.“ (174) So wird der Schluss von den an den Küsten gesehenen Bewohnern Neuhollands auf das „gänzlich unbewohnt[e]“ „Innere des Landes“ (174) möglich als einer, der beruht auf der als Mangel bestimmten Stufe der Kultur und der mit ihr zusammenhän genden ‚Vereinzelung‘ weniger ‚elender Wilder‘. Diesen Schluss verhindern nicht Relativierungen des Bildes wie z. B.: „Freylich ist auch diese feindselige, verein zelnde Gemüthsart am Ende ein Weg zur Cultur.“ (176) Aber ein Land, „wo die Bevölkerung so unbeträchtlich ist“ (176), werde die Entwicklung zu Besonnen heit und Geselligkeit um Jahrtausende verlangsamen. Den Schluss von den von europäischen Reisenden ‚entdeckten‘ Küsten Aust raliens und ihren Bewohnern auf das Innere des Kontinents als unbewohnt hielt 1798 Thomas Robert Malthus als den Ausgangspunkt seiner Bevölkerungstheorie in An Essay on the Principle of Population fest: „to answer the question, generally, which had been applied, particularly, to New Holland by Captain Cook, namely, ‚By what means is the population of this country kept down to the number which it can subsist?‘“ (Frost 1979, 37). Diesen Schluss von der Küste auf das Innere hat Forster in seinem „Neuholland“-Aufsatz auffälligerweise an einer Stelle aus drücklich zurückgewiesen; aber da bezieht er sich ausschließlich auf die Tierwelt des Kontinents. Ausdrücklich gegen die Vermutungen der Reisebeschreiber zum Fehlen vierfüßiger Tiere in Neuholland merkt Forster an: „[S]elbst [wenn …] die Entdecker, die sich nur wenige Tage an der Küste aufhielten deren keine gesehen hätten. Es ließe sich schwerlich begreifen, wie ein Land, welches in jeder Rich tung mehr als fünfhundert deutsche Meilen hält, so leer ausgegangen seyn sollte;
8 Im Unterschied zu Wilsons (2012, 155–158) Erklärung von Forsters Australien-Bild aus der Dampier-Lektüre betont Tzoref-Ashkenazi (2010) – für das Beispiel Indiens – die Rolle seiner britischen ‚Einbettung‘. So erklärt sich die von Wilson überzeugend nachgewiesene Spannung zwischen Einheit der Menschheit und Unterscheidung von Stufen der Wildheit, Barbarei und Zivilisation, die aus der ‚Vereinbarkeit von Enlightenment mit Empire‘ folge, nicht nur aus Fors ters unkritischer Übernahme von Dampiers ‚unedlen Wilden‘, sondern vor allem durch seine Strategie, Australien zur terra nullius zu machen.
4.3 „Neuholland und die brittische Colonie in Botany Bay“ (1786)
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und noch weniger, warum die etwan vorhandenen Säugthiere sich gerade an den zwey oder drey Puncten der Küste, die von Europäern berührt wurden, eingefun den haben sollten, um gleichsam die Musterung auszuhalten?“ (AA V, 172–173) Der unmittelbar folgende Satz belegt, wie Forster die Unbewohntheit des Inne ren voraussetzt, denn die menschlichen Bewohner, von denen er spricht, sind europäische: „Doch ohne Rücksicht auf dasjenige, was künftige Bewohner von Neuholland dort noch vielleicht entdecken können, wollen wir uns für jetzt mit der Anführung desjenigen begnügen, was wirklich schon dort entdeckt worden ist.“ (173) So resümiert Forster am Ende seines Aufsatzes zur „Besitznehmung“ als „wenigstens außer Zweifel, daß eine Handvoll Einwohner, auf einem Lande von so großem Umfange zerstreut, bey der Anlegung eines europäischen Pflanzorts in keine Betrachtung kommen, und der Colonie so wenig gefährlich sind, als diese vorerst sie selbst beeinträchtigen kann.“ (178) Die schon vorher „unbeträchtlich“ (176) genannte Bevölkerung sieht Forster vor zwei Möglichkeiten: Wie leicht finden vierzig bis funfzig Menschen, die in der Gegend, wo die Niederlassung geschehen soll, herumirren, einen andern, ihrer Absicht eben so bequemen Aufenthalt! Und wer kann wissen, welch einen glücklichen Einfluß das Beyspiel der europäischen Ansiedler selbst auf diese ungebildeten, aber gleichwohl nicht barbarischen Eingebohrnen haben kann? (178)
In den beiden auf das Erscheinen von Forsters Aufsatz 1786 folgenden Jahren brachten deutsche Zeitschriften zwei Aufsätze, beide im mit Großbritannien durch Personalunion verbundenen Kurfürstentum Hannover, der eine war eine Übersetzung aus dem Englischen. In beiden Aufsätzen wird die Explikation der auf den unbevölkerten oder unbeträchtlich bevölkerten Kontinent bezogenen Koloniegründung vermieden. Der deutsche Verfasser widmet Botany Bay nur den letzten Satz seiner sieben Seiten, auf denen u. a. angemerkt wird, dass NeuHolland „nicht stark bewohnt“ (Beschreibung 1787, 268) sei und seine Bewoh ner eine „Art von Geschmack“ (269) besäßen. Als ihre „Ehrlichkeit“ erscheint, dass sie „nicht den geringsten Sinn von Handlung und Gewerbe“ (270) hätten. Zwei Jahre später wird Joachim Heinrich Campe in seiner Jugendbuch-Bearbei tung von Hawkesworth’ Reisebeschreibung die Eingeborenen von Botany Bay, die nicht nur den Tausch, sondern schon die Entgegennahme von Geschenken verweigern – das in den Instruktionen vorgesehene Mittel, ihre Zustimmung zur Besitznahme zu erreichen –, als „wahre ausübende Philosophen“ bezeichnen:9
9 Vgl. dazu Morgenroth 1999, 132; Corkhill 1990, 13.
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4 Georg Forster über Australien
„[U]nd die Hoffnung zu einer friedlichen Zusammenkunft schlug also abermals fehl“, fügt Campe (1789, 106) in Hawkesworth’ Text ein. Der gleichfalls ungenannte englische Verfasser der „Kurzen Nachricht von Neu-Südwallis“ präsentiert die „jedem Verständigen“ einleuchtende „Wichtigkeit einer dauerhaften Niederlassung“ (Nachricht 1788, 393) in New South Wales, um „die bis hieher in diesem Theile der Welt gemachten Entdeckungen zu vollenden“ (394). Wie der Verfasser sich – nach einem Abriss der Entdeckungsgeschichte, der die Holländer, insbesondere Tasman, nicht verschweigt – auf Hawkesworth’ Dar stellung von Cooks Aufenthalt in Botany Bay bezieht, entspricht mit dem Begriff der ‚Versöhnung‘ den Instruktionen für Phillips: […] nach seinen [Cooks] Bemerkungen hat man nicht Ursach zu hoffen, dass die neue Colo nie zu Botany Bay den Einwohnern sehr willkommen seyn wird, obgleich eine beständige Niederlassung an der Küste sie vielleicht mit den Unternehmern dieser freundschaftlichen Invasion versöhnen, und sie endlich selbst auf gewisse Weise gesittet machen mögte. Wo Capitain Cook […] hinkam, bezeugten die Einwohner entweder eine unüberwindliche Furchtsamkeit, oder die allerentschlossenste Feindseligkeit. (390–391)
Die Einbettung des im Hannoverschen Magazin10 nachgedruckten Aufsatzes in die durchaus kontroverse britische Debatte über die Koloniegründung, in der dem Lob des Kontinents als „‚a Virgin Mould, undisturbed since the Creation‘“ (1787, Frost 1979, 14), wo Sträflinge als Siedler Gelegenheit hätten „‚establishing themselves in our New World‘“ (1798, Frost 1979, 14), die scharfe Ablehnung des von Banks seit 1779 betriebenen Botany-Bay-Projekts durch die East India Com pany gegenüberstand, die es als „interference“ (Bodi 1957–1959, 357) in ihre Pri vilegien bekämpfte, gilt auch für die Publikation von Forsters Aufsatz durch den Verleger. Spener ließ den Verfasser der meisten Beiträge zu seinem Allgemeinen historischen Taschenbuch oder Abriss der merkwürdigsten Welt-Begebenheiten für 1787, enthaltend die Geschichte der wichtigsten Staats- und Handelsveränderungen von Ostindien (so Bodi (357), über das Exemplar in der Victoria State Library),11 Forsters späteren Schwager, den Hallenser Historiker und Bibliothekar Matthias Christian Sprengel, ein Vorwort schreiben, das über die East India Company seine eigenen Aufsätze über Indien mit Forsters über Neuholland verknüpfte, und Spe ner selbst schrieb ein Postscriptum, das sich dezidiert die von Banks vertretene Position zu eigen machte, wenn er Forsters ‚Neuholland‘-Text so zusammen fasste, dass die Einwohner verschwanden: Beschrieben werde „‚its situation and products as well as the general perspectives of the Colony, which the English are
10 Vgl. zur Zeitschrift Tzoref-Ashkenazi 2010. 11 Vgl. aber den abweichenden Titel bei Fiedler 1971, 39.
4.4 „Cook, der Entdecker“ (1787)
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about to establish in that little known and almost unpopulated country‘“ (Bodi 1957–59, 357).
4.4 „Cook, der Entdecker“ (1787): Mittelpunkt des Handels und Emanzipation der Kolonien In allen drei Teilen seines sehr langen Essays „Cook, der Entdecker“, der in der 1787 erscheinenden deutschen Übersetzung der Dritten Reise Cooks die Einlei tung von John Douglas ersetzt (vgl. Kapitel 3) und den Michael Edward Hoare, als er ihn erstmals ins Englische teilübersetzte, „one of the best and most important contemporary assessments of Cook“ (1969, 8)12 genannt hat, bezieht sich Fors ter immer wieder auf Neuholland, in den Ausführungen zur „Geographische[n] Übersicht“ (AA V, 200), zur „Anordnung“ (233) von Cooks Reisen und zu ihren „Resultate[n]“ (278): „Dieses Land, welches man entweder die größte Insel, oder ein drittes Continent nennen kann“ (214). Neuholland erscheint als die neue neue Welt: ein dritter Kontinent, weil Europa, Asien und Afrika als die alte Welt einer seien und weil – und hierin liegt gegenüber dem „Neuholland“-Aufsatz eine Ver änderung – Amerika, genau genommen: die USA als die alte neue Welt zum Mus ter der neuen neuen Welt werden. In der ‚Geographischen Übersicht‘, die bis Cook geltend macht: „Noch war die halbe Oberfläche der Erdkugel von tiefer Nacht bedeckt“ (206), erweist sich nach den drei Großen – Columbus, Magellan und Cook – wegen der „Südspitze von Neuholland“ (118) Tasman als der einzige Entdecker des siebzehnten Jahr hunderts, und nur noch Dampier wird im Unterschied zu allen anderen Seefah rern „Geist der Entdeckung“ (205) zugeschrieben, weil er „mit wahrem Eifer für die Wissenschaft, einen Theil von Neuholland […] für die damalige Zeit ziemlich genau untersuchte“ (206). Erst seit Cooks Reise an der östlichen Küste Australien aber gelte: „der Erdball ist nunmehr von einem Ende zum andern bekannt“, und Cooks „Forschbegier“ beweise deshalb, „daß unser Jahrhundert sich in seiner Größe mit jedem Zeitalter messen darf“ (233). Wenn Forster zweimal in Fußnoten auf seinen „Neuholland“-Aufsatz ver weist, wird der Kontinent wegen der „vortheilhaftesten Lagen zu neuen Pflanz stätten“, die sich „dem Unternehmungsgeiste der Europäer […] darbieten“, auf geführt, „wodurch dereinst das gemeinschaftliche Band der Nationen gestärkt, und die Kultur des Menschengeschlechts in allen Welttheilen befördert werden kann“ (280).
12 Vgl. auch Hoare 1979, 212.
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Die Erwartungen in die Kolonie werden von Forster im Hinblick auf einen sich entwickelnden Welthandel formuliert, auch wenn die folgende Charakteri sierung der noch nicht gegründeten Kolonie für „Verbrecher“ wie eine Zusam menfassung des „Neuholland“-Aufsatzes beginnt: „Dort liegt ein ungeheures Land, welches man füglich einen neuen Welttheil nennen könnte, unbebaut und unbewohnt vor ihnen offen, und bietet ihnen einen milden Himmelsstrich, eine fischreiche Küste, und ein zum Anbau bequemes Erdreich dar.“ (289–290) In der Fortsetzung nimmt Forster die unterschiedlichen Möglichkeiten für die ‚unbeträchtlichen‘ Bewohner des Kontinents auf, wenn er aus dem Ackerbau als „einzige[r] Quelle des wahren Reichthums“ dem „Handel neue Aussichten“ (290) eröffnet sieht, der „in Zukunft Völker mit einander verbinden [könne], die ohne ein solches Mittel noch lange getrennt geblieben wären“ (291). Die Begründung dieser ‚Aussicht‘ lautet: Das noch unerforschte Innere dieses Landes enthält vermuthlich eine Menge merkwürdiger, vielleicht kostbarer Produkte. Die geringe Anzahl der Elenden, die nackend, zerstreuet und ohne bleibende Stätte an den dortigen Seeufern irren, ist weder den Ansiedlern gefährlich, noch hat sie von diesen etwas zu befürchten. Der Anfang dieser neuen Pflanzstadt kann also unblutig seyn; sie kann die Jahre ihrer Kindheit ruhig und ungestört verleben (290).
Für die Folgezeit lässt Forster offen, „es sey nun, daß die angeerbte Wildheit der einheimischen Barbaren mit der Zeit gemildert werden kann, oder daß die Pflanz völker europäischen Ursprungs, sich mit gewafneter Hand unter ihnen niederlas sen“ (290). Die im letzten Satz angedeutete Möglichkeit der Gewalt13 kehrt wieder in der Bezeichnung des zukünftigen Handels der Kolonie als Herrschaft und in der mili tärischen Metapher vom ‚festen Punkt‘ zur ‚Bestürmung‘ Asiens: Wie müßte nicht ein Staat in der südlichen Halbkugel, dessen Einwohner so unterneh mend, so thätig, so heftig angespornt durch die Menge ihrer Bedürfnisse und so sinnreich in der Erfindung der Befriedigungsmittel wären, wie die Völker unseres Welttheils und der nordamerikanischen Freystaaten, die Verhältnisse aller nahen und fernen Nationen verän dern? Neuholland, als Mittelpunkt des Handels betrachtet, scheint vortheilhaft gelegen zu seyn, um Indien mit Amerika zu verbinden, und gewissermaßen die Oberherrschaft über die östlichen Inselmeere Asiens zu behaupten. (292)
Der ‚Handelsmittelpunkt‘ Neuholland wird wenig später für Forster, allerdings hypothetisch, „ein fester Punkt mehr“, „aus welchem die weiseren Europäer den alten asiatischen Eigensinn, und jene unbezwingbare Widersetzlichkeit des voll
13 Vgl. dagegen Klauck 1992, 48.
4.4 „Cook, der Entdecker“ (1787)
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kommensten, üppigsten und an natürlichen Schätzen unerschöpflichsten Welt theils gegen alle Fortschritte der Aufklärung endlich bestürmen müßten“ (292). Im Folgenden macht Forster „der prophetischen Begeisterung“, die eine „Revolution“ zum „Selbstdenke[n]“ in Asien der „Menschengattung […] voraus zu verkündigen“ beanspruche, als „kaltblütige[r] Forscher“ einen Einwand: In wiefern sind […] die Begriffe, die wir von unserem rastlosen Geiste, von unserer auf Freyheitssinn und Griechenlands Philosophie gepfropften Aufklärung abgezogen haben, anwendbar auf jene uralten despotisch-patriarchalischen Verfassungen Asiens, wo man sich an ererbten Künsten und Wissenschaften genügen läßt, nichts neues erfindet, und nichts fremdes lernen will? (293)
Der europäischen ‚Rastlosigkeit‘ setzt er in der „Geschichte“ des „Menschenge schlechts“, die „nur gleichsam von gestern“ sei, nämlich „dreytausend Jahre“, China und Indien entgegen, wo „Sitten“, „Lebensart“, „Regierungsform“, „Charak ter“ und „Religionsbegriffe“ „im wesentlichen unverändert geblieben“ (293) seien. Letztlich weist er den Einwand deshalb mit einem als „unläugbar“ bezeichneten Argument zurück: „daß die gänzliche Bevölkerung der Erde und insbesondere die Entstehung großer wirksamer Staaten in einer bis jezt so gut wie unbewohnten Weltgegend, merkwürdige Folgen und wichtige Veränderungen im System des all gemeinen Zusammenhanges nach sich ziehen müsse“ (293). Dieses Argument lässt ihn den Gegensatz von europäischer Freiheit und asiatischem patriarchalischem Despotismus ‚brüderlich‘ umformulieren zu einem „[k]ühn[en]“ „Gedanke[n]“: […] daß fünf bis sechshundert Millionen Menschen, die es sich nicht träumen lassen, wie ernstlich und liebreich die Philosophie ihrer Brüder schon die Mittel sie aufzuklären berechnet, von einem Zeitpunkt nicht mehr fern seyn sollen, wo in ihrem Denken, Thun und Lassen eine merkwürdige Revolution vorgehen wird, wo Lehren der Weisheit aus Europa, vielleicht auch aus Amerika und den Südländern, mit unwiderstehlicher Macht der Überredung sie auffordern werden, ihrer lange gewohnten Sklaverey […] zu entsagen, und dafür die Wahrheit zu erkennen und anzunehmen, welche den Europäischen oder aus Europa entsprungenen Selbstdenker glücklich macht! (292–293)
Forsters Reflexionen belegen einerseits, was Jürgen Osterhammel in seinem Überblick „Neue Welten in der europäischen Geschichtsschreibung (ca. 1500– 1800)“ betont, dass nämlich „[a]ußereuropäische[n] Völker[n]“, die „in der frü hen Neuzeit im allgemeinen nicht als ‚geschichtslos‘ betrachtet“ worden seien,14
14 Entsprechend setzt Holleuffer (2008, 451–452) Forsters „Neuholland“-Aufsatz an den Beginn von ‚Geschichte Machen‘ in Australien, mit dem das „cliché of an ‚absence of history‘“ (454) ende.
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„im Verlauf des 18. Jahrhunderts immer öfter Rückständigkeit und ein[…] Mangel an Kreativität und Dynamik zu[ge]schrieb[en]“ (Osterhammel 1994, 211) worden seien, andererseits fehlt der von Forster hergestellte Zusammenhang zwischen alter und neuen Welten, wenn Osterhammel zwar betont: „Amerika […] war die spektakulärste Neue Welt, die um 1500 von Europäern entdeckt wurde, aber kei neswegs die einzige“ (202–203), jedoch auf Australien nur unter dem Stichwort ‚Geschichtslosigkeit‘ kommt: „Als ‚Wilde‘ […] sah man hauptsächlich die Bewoh ner der Südsee, über die man erst seit den Weltumsegelungen der 1760er Jahre (Wallis, Bougainville, Cook u. a.) Näheres wußte“ (211). Forsters Metapher vom Europa ‚Entspringen‘ entspricht der Begriff, den er im Cook-Essay erstmals für die Kolonie in Australien benutzt, und zwar, ausge hend von den „Freystaaten in Amerika“, mit erheblichem Gewicht: „Die Natur aller Kolonien bringt es mit sich, daß sie, sobald sie für sich selbst bestehen kön nen, sich emancipiren und vom alten Stamme losreißen. Dieses Schicksal steht unfehlbar, früher oder später, den spanischen Besitzungen durch ganz Amerika bevor, und kann vielleicht durch die Entstehung eines neuen Handelsstaats in Neualbion beschleunigt werden.“ (AA V, 289).15 Dass diese Emanzipation der Kolonien auf Europa zurückwirke, formuliert Forster, wenn er dem, „[w]as Cook zur Masse unserer Erkenntnisse hinzugefügt hat“, für „lange den entscheidendsten Einfluß auf die Thätigkeit der Menschen“ (294) zuschreibt: „Verschiedene Europäische Staaten haben so rasche Fortschritte zur Vervollkommnung gethan […]. Selbst ihre trägeren oder mehr bedrückten Nachbaren fangen an einzusehen, wie weit sie zurückgeblieben sind, und welche Vortheile sie entbehren müssen. Auch in Despotien fühlt man endlich die große Wahrheit, daß die Sklaverey die Menschen entadelt und entnervt; man nimmt ihnen daher die schwersten Fesseln ab, und lockt auf diese Art die Industrie her vor.“ (294–295) Wie er drastisch formuliert: „Der gemästete Müßiggänger ist in O‑Taheiti, wie in Europa, nur eine Mißgeburt der Regierungsform, die auf Unkos ten einer arbeitenden und dienstbaren Klasse von Menschen exsistirt.“ (281) In Wiederaufnahme eines freien Zitats von Kant: „‚die Geschichte jener Reisen gewähre dem Leser weiter nichts, als Befriedigung der Sehnsucht nach einem
15 Gerhard Fischer beginnt seine Geschichte der ersten deutschen Republikaner in Australien mit folgender Zusammenfassung des „Neuholland“- und des Cook-Aufsatzes von Forster: „He imagined the prison colony developing from a military outpost of the Empire into a civil society based on a democratic constitution.“ (1995, 44) Forsters Beispiel sei „one important reason that explains why a number of young German intellectuals had chosen to begin a new life in Australia following the experience of defeat during the ill-fated revolution of 1848.“ (44) Vgl. dagegen die Behandlung beider Aufsätze als „The Dialectic Discourse of ‚Benevolent‘ Imperialism“ in Esle ben 1999, 184–202.
4.4 „Cook, der Entdecker“ (1787)
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goldenen Zeitalter‘“, fährt Forster zum ‚gemästeten Müßiggänger‘ fort: „Sollte sein Loos nicht vielmehr ein Gegenstand der Verabscheuung, als der Sehnsucht seyn?“ (281)16 Zugespitzt gesagt, ist die dem Cook-Porträt für deutsche Leser eingeschrie bene Adressatenbeziehung ein Appell an Tätigkeit – oder, wie es noch häufiger im Text heißt: „Betriebsamkeit“ (297), gewissermaßen „ein zweyter Cook [zu] seyn“ (234), wie es der Autor von sich selbst wünscht, „um die Anordnung einer Entdeckungsfahrt so nachzubilden, wie er sie sich dachte“ (234). Ein Jahr nach dem Erscheinen von „Cook, der Entdecker“ im ersten Band der Übersetzung der Dritten Reise kam in London die erste Cook-Biographie heraus, die Forster in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen noch im Oktober 1788 negativ besprach, weil Andrew Kippis die „wichtige Frage unbeantwortet“ lasse, welche Verhältnisse Cook bildeten, das „Räderwerk seiner Maschine“ entwickelten und welches seine „Wirkungen“ auf die „Nachwelt“ seien (AA XI, 147). Was Kippis zu Neuholland zu schreiben wusste, entsprach diesem Einwand: Cook habe „not discovered a new world“, sondern nur „seas unnavigated and unkown before“ (Frost 1979, 13): „And if he has not been so fortunate as Americus, to give his name to a continent, his pretensions to such a distinction remain unrivalled“ (13/14). Von 1789 bis 1792 verfolgte Forster als Rezensent und als Berichterstatter für Literatur von Johann Wilhelm Archenholz’ Annalen der Brittischen Geschichte die englischen Neuerscheinungen zur Kolonie. Wiederholt benutzt er den heute nicht mehr im Wörterbuch zu findenden physikalischen Begriff der „Impulsion“ (AA XI, 183, 240, 246) für den Anstoß und sogar Antrieb, den deutsche Leser von den Reisebeschreibungen der Offiziere der First Fleet erhalten konnten. Er findet sich auch in Forsters Selbstrezension des ersten Bandes seiner Kleinen Schriften, in dem er ausschließlich auf die Südsee sich beziehende Texte versammelte, außer den beiden auf Neuholland fokussierten „Cook, der Entdecker“, an dem er die Erörterung des „Wert[s] der Entdeckungsreisen“ an der „Entstehung neuer Pflanzungen in Neuholland“ hervorhob, und „Neuholland“, das er als „einige[…] Muthmaßungen, betreffend die neue Colonie“ präsentierte (183), waren es zwei zu Tahiti und einer über den ‚Brodbaum‘. Letzterer spielte eine zentrale Rolle in der von Forster nicht nur rezensierten, sondern auch übersetzten Reisebeschrei bung William Bligh’s Bericht von dem Aufruhr an Bord des Schiffes Bounty und von seiner hierauf erfolgenden Reise von Tofoa, einer der Freundschaftlichen Inseln, nach der Holländischen Niederlassung auf der Insel Timor in Ostindien.
16 Zur Auseinandersetzung Forsters mit Kant vgl. Kapitel 3, zur Kants Auffassung entsprechen den Bestimmung der ‚eskapistischen‘ Funktion der Lektüre im Deutschland des achtzehnten Jahr hunderts von Reisebeschreibungen über Entdeckungen in der heutigen Forschung vgl. Kapitel 1.
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4 Georg Forster über Australien
4.5 Vorrede zu William Bligh’s Bericht von dem Aufruhr an Bord des Schiffes Bounty und Rezensionen von Reise beschreibungen der First Fleet (1789–1792): Aussichten der Kolonie und Vernachlässigung der Wissenschaft Forsters Vorrede zu Blighs Reise in das Südmeer preist Bligh, der sich auf seiner Fahrt an der Nordostspitze Australien erfolgreich, aber in bezeichnender Umkeh rung der Rollen vor der ‚Entdeckung‘ (Bligh 1791, 220, 226, 227) durch die „NeuHolländer“ (215) zu verbergen suchte; seine Reisebeschreibung sei für deutsche Leser „anlockend und belohnend für das Gefühl […] durch die Theilnahme, wozu man sich für das Schicksal jener entfernten Brüder hingerissen fühlt“ (AA V, 642). Nach Forsters Tod erschien die zweite Reisebeschreibung Blighs als zweiter Teil band einer von seinem Verleger Christian Friedrich Voß herausgebrachten Samm lung Die neuesten Reisen nach der Botany-Bay und Port-Jackson. Nebst Nachrichten von den Fortschritten und Entdeckungen in Neu-Südwallis und der Südsee. Ferne Brüder sind laut Forster in Blighs Reisebeschreibung die englischen Reisenden wie die Indigenen; Forster empfiehlt dem Leser die „stets begleitende Belehrung eines so festen und dabei so einfachen und edelguten Charakters wie d[ie] des Erzählers, der sich sowohl in seinem Umgange mit den Tahitiern, als in seiner Art die Dinge anzusehen und das Gesehene wiederzugeben, äußert“ (642). In der Rezension wird Bligh dann zu einem der britischen Seefahrer, die sich „nach Cooks Muster zu Beobachtern gebildet“ hätten (AA VII, 69): „Noch nie ward die Menschengattung und die Natur sorgfältiger als von diesem in seiner Art so einzi gen Mann und seinen Reisegefährten erspäht.“ (68) Schon im Cook-Essay spricht Forster von der „Officierschule“ (AA V, 285), denn er „bildete […] eine Menge jun ger Officiere, die […] den Geist der Beobachtung in der ganzen Brittischen Marine verbreiten“ (283). Bligh, der spätere Gouverneur von New South Wales von 1806 bis 1810 (Mittler 2001, 56), wurde wiederum der ‚Lehrer‘ von Matthew Flinders (Smith 1985, 189),17 dessen Reisebeschreibung und Karte erst den auf der Titel seite stehenden Anspruch für die Küsten einlösten: „completing the discovery of that vast country“ (Flinders 1814, 340). Die vier Beschreibungen der Reise der Ersten Flotte und der Gründung der Kolonie von Arthur Phillip, Watkin Tench, John White und Thomas Gilbert wer den vom Rezensenten Forster auf das jeweilige Urteil über die Ausführbarkeit des Projekts der Sträflingskolonie und das Verhältnis zu früheren Beschreibun gen des Landes und seiner Bewohner hin knapp referiert. So stehen nebenein
17 Vgl. dagegen Mackay 1990, 110.
4.5 Vorrede zu William Bligh’s Bericht von dem Aufruhr an Bord des Schiffes Bounty
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ander der Aufschub eines Urteils durch Tench (AA XI, 168), die „Prophezeiung von künftiger Herrlichkeit“ (215) durch Phillip und „wenig Hoffnung zu einem glücklichen Anbau“ (235) bei White. Im Literaturbericht auf 1789 bezieht Forster eine anonym erschienene Publikation ein, die „gehäßigst“ gegen das Delinquen ten-Projekt polemisierte; aber auch Tenchs „gutgeschriebene und einen richtigen Blick verrathende Erzählung“ habe „die Erwartungen von den großen Vortheilen jener Colonie um vieles herab[ge]stimmt“ (AA VII, 98).18 Auf die ihm noch nicht vorliegende, aber „in dem Augenblick, wo wir schreiben, wirklich erschienen[e]“ „Reisegeschichte“ Phillips und seiner Offiziere verweist Forster folgendermaßen: „Diese Vorurtheile zu entkräften und einen richtigern Gesichtspunct anzugeben, mußte das Ministerium sich entschließen, die authentischen Berichte des Gou verneurs Phillip selbst […] herauszugeben“ (98). Im folgenden Literaturbericht für 1790 fasst Forster, mit Konjunktionen und Partikeln das Nebeneinander der Urteile optimistisch abtönend, die Beschreibung Marshalls, eines von Phillips Offizieren, sowie die neu erschienene Gilberts zusammen: [Sie …] lauten für die großen Hoffnungen, womit man sich in England bey der Errichtung dieser Colonie geschmeichelt hatte, gar nicht vortheilhaft. Indessen scheinen die späteren offiziellen Berichte schon frohere Aussichten zu eröffnen, indem man einige schiffbare Flüsse, und an ihren Ufern urbares Land entdeckt hat, woran es bisher in Neuholland zu fehlen schien. Nunmehr also darf man ausführlicheren Nachrichten von der Beschaffenheit des Innern jenes großen Landes, das Europa an Umfang beynah gleich kommt, bald entge gen sehen. Schon lauten auch die Nachrichten sehr vortheilhaft, die man in England von dem Clima der neuen Colonie und seiner Zuträglichkeit für die Gesundheit der Einwohner erhält. (213)
Forsters Rezensionen in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen stel len für Tench und Phillip hinsichtlich der Bewohner eine Bestätigung von Dam pier fest (AA XI, 167, 217); zu White heißt es ohne Nennung von Namen: „Über die ursprünglichen Bewohner finden wir fast nur dasselbe, was auch schon die
18 Eine von Goethe 1800 gelesene, 1793 als Geschichte von Port Jackson in Neu-Holland von 1788 bis 1792 erschienene Ausgabe von Tenchs Reisebeschreibung ermittelte Karl S. Guthke als „frühestes nachweisliches Anzeichen seines Lektüre-Interesses an Australien“ (2011, 196). Zu sammen mit Phillips Reisebeschreibung spielt die von Tench eine Schlüsselrolle in Alan Frosts Versuch, die „Bush legend“ (1992, 70) über die ersten Jahre der Kolonie zu widerlegen. Er ver allgemeinert das Zitat eines Zeitgenossen: „‚This colony is naturally a Maritime one‘“ (80), d. h. auf Seehandel orientiert: „By the 1830 s, the classical pattern of our demography had emerged in which we have been from very early times a distinctly urban nation, where a majority has gathe red in or clustereds about the large coastal cities.“ (80–81) „Zwey Herren Macarthur aus Sydney“ empfing Goethe 1829: „Erzählten Interessantes von ihren dortigen Zuständen, Landesart der be nachbarten Wilden.“ (Guthke 2011, 190)
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4 Georg Forster über Australien
bisherigen Berichte sagen; doch ist es immer gut, auch nur mehrere Stimmen darüber zu vernehmen.“ (235) Diese Anerkennung des relativen Werts der Reise beschreibung hindert den Rezensenten, der schon zu Phillip angemerkt hat, des sen Beschreibung mache nur „nach einer ausführlichen Naturgeschichte jenes wichtigen Landes lüstern“ (218), weil sie nichts dazu liefere, nicht daran, über White hinaus die bisherigen Verfasser von Reisebeschreibungen grundsätzlich zu kritisieren: […] es ist, als ob keiner von den dort Anwesenden sich im Allgemeinen einen Begriff habe machen können von dem, was man eigentlich von einem jeden unbekannten Lande zu wissen verlangt, so desultorisch und fragmentarisch sind alle Erzählungen. Der wißbegie rige Forscher mag immer nach neuen Bestimmungen der Erdewesen lechzen; selbst wenn die Gelegenheiten günstig sind, werden sie nicht benutzt, und der Fortschritt der Wissen schaften ist niemals so beschaffen, als wäre er eine wichtige Angelegenheit der Menschen, sondern er geschieht nebenher, ruckweise, und bleibt immer gegen das, was geschehen könnte, in einem unendlich geringen Verhältniß. (236)
Forster, der 1776 die Entdeckungsreise Cooks als „disinterested Voyage of Disco very“ grundsätzlich von den aus „interested motives“ (AA V, 27) unternommenen Reisen anderer Nationen abgegrenzt hatte, als er einen Fragment geblieben „Essay on the SouthSea islands“ entwarf, musste 1790 bei der Arbeit an seiner Karte „Die Inselwelt“ nicht nur notieren: „Cooks Angaben sind überall die genauesten, die man hat. Ob die Herren Ball, Watt, Shortland und Marshall eben so zuverläßig sind, ist die Frage; doch kann man eher jezt als vorher Genauigkeit erwarten. Die astronomischen Beobachtungen sind jetzt gemeiner, leichter einfacher, die Instrumente einfacher und besser, die Tafeln überall eingeführt, die jungen See officiere von Jugend an geübt.“ (665) Dennoch erweisen sich Forster die Karten von Phillips Begleitern als „mit ungewöhnlicher Nachläßigkeit entworfen“ (665). Denn für die First Fleet verzichtete die Admiralität bewusst auf mitreisende Wis senschaftler. In seiner Besprechung der Reisebeschreibung eines Überlebenden von La Pérouses „so gut concertirte[r] Entdeckungsreise“ (AA XI, 258) konstatiert Forster, dass die „uneigennützigsten Bemühungen der Menschen, deren Zweck das Wohl der gesammten Gattung ist“, mit „verwegenen Unternehmungen der Herrschsucht und der Begierde nach Reichthum“ (259) verflochten seien. Forsters Karte war selbst ein Beweis: Entgegen seiner Kritik der Lücke, die Furneaux in der ‚Entdeckung‘ der Küste Tasmaniens und Australiens gelassen hatte, zog Forster die Küstenlinie durch, wie es Cooks Besitznahme verlangte. Immerhin notierte er: „Neuholland ist noch wenig bekannt x von der nördlichen und westlichen Seite; (auch >) unten gegen Südwesten weis man den Umriß nicht einmal.“ (AA V, 667)
5 Georg Forsters Reisebeschreibungen und Übersetzungen in der Allgemeinen deutschen Bibliothek Georg Forsters Reise um die Welt stellt in Friedrich Nicolais Allgemeiner deutschen Bibliothek einen Fall dar, von dem Ute Schneider in ihrer Untersuchung des Integrationsmedium[s] der Gelehrtenrepublik schreibt: „Offensichtliche, d. h. für den Leser der ADB nachvollziehbare, Sanktionen der Rezensenten bei Verstö ßen gegen die Norm der objektiven Kritik sind kaum zu finden.“ (1995, 304) Der „einzige[…] Fall“, den sie in ihrem Untersuchungszeitraum nachweisen konnte, betraf eine juristische Schrift, deren dritte Auflage für eine „Art Gegendarstel lung“ zur Rezension der vier Jahre zuvor erschienenen zweiten Auflage diente, die „begründet“ wurde „mit der Pflicht gegenüber dem Publikum, ‚den Werth dieses vortreflichen Buches richtiger anzuzeigen‘“ (304).
5.1 Fälle der Korrektur einer ersten durch eine zweite Besprechung In der Besprechung des zweiten Bandes von Georg Forsters Reise um die Welt, deren erster drei Jahre vorher rezensiert worden war, konnte der Leser der ADB 1781 erfahren, sie sei „nach des diesmaligen Recensenten Einsicht, eins der lehr reichsten Werke, welches die deutsche Literatur dieses Jahrhunderts aufzuwei sen hat“, woran sich eine explizite Verurteilung der Rezension des ersten Bandes anschloss: „Nicht anders als ungerecht konnte […] dem jetzigen Recensenten das Urtheil vorkommen, als ob diese Reisebeschreibung für die Naturhistorie nicht so viel leiste, als man von ihr erwartet habe.“ (ADB 48 (1781): 504) Die Verurteilung der vorangegangenen Besprechung als ‚ungerecht‘ wird doppelt begründet: Der eingeschränkte Bewertungsmaßstab des Rezensenten sei weder den Interessen der Leser der ADB angemessen noch dem Buch. Die erste Begründung setzt die Vielfalt der Leserinteressen in Gegensatz zu einer ‚unbillig‘ genannten Einschrän kung, wenn es über Forsters ‚Jahrhundertwerk‘ heißt: Wenigstens wird keine Gattung von Lesern dasselbe, ohne reichliche Sättigung seiner Wiß begierde aus der Hand legen, so mannigfaltig auch die Standpunkte seyn mögen, aus wel chen ein jeder das Nützliche, Wissenswürdige und Unterhaltende taxirt. Unbillig aber wäre die Forderung desjenigen, der verlangen wollte, daß die Reisebemerkungen sich allein auf das einschränken sollten, was ihm einer Aufklärung würdig scheint; denn dieses würde die Gemeinnützigkeit gerade zu aufheben. (504)
DOI: 10.1515/9783110343878-009
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5 Georg Forsters Reisebeschreibungen und Übersetzungen in der ADB
Die zweite Begründung führt das Argument der Allgemeinheit des Wissenswürdi gen weiter, indem darauf verwiesen wird, dass die Reise um die Welt nicht allein für ‚Kenner‘ des ‚Fachs‘ „Naturhistorie“ bestimmt sei: […] der ältere Herr Professor Forster [hatte] die eigentlichen Entdeckungen in diesem Fache für ein den Kennern desselben allein bestimmtes Werk aufbehalten […], welches nun auch bereits erschienen ist. Eine so allgemein wissenswürdige Sache aber, als die Menschen kenntniß, nach allen Gradationen dieses Geschlechts, ist, hat gewiß die herrlichste Erwei terung durch das gegenwärtige erhalten; und es wird wegen der auf der Stelle gemachten Beobachtungen gewiß in diesem Fache zu allen Zeiten höchst schätzbar bleiben. (504–505)
Auch im Fall von Johann Reinhold Forsters Observations on physical Geography, natural History and ethic Philosophy kam es bei Erscheinen der deutschen, bear beiteten Übersetzung Georg Forsters, der Bemerkungen, zu einer Korrektur des ursprünglich in der ADB publizierten Urteils, allerdings ohne explizite Kritik am ersten Rezensenten. Auch in seiner Grundsprache verdiente in einer deutschen Bibliothek das Werk eines Deut schen, der seiner Nation so viel Ehre macht und für sie so eifrig ist, eine ansehnliche Stelle, noch mehr da es in unserer Muttersprache auf die angezeigte Art vermehrt erscheint. Es ist aber von der Beschaffenheit, daß niemand, der für so wichtige Gegenstände nur ein wenig Neugier besitzt, es ungelesen lassen kann (ADB 63 (1785): 323–324).
Als diese Gegenstände werden zunächst die sechs „Hauptstücke“ der „Bemer kungen“ aufgeführt: Erde, Wasser, Dunstkreis, Veränderungen der Erdkugel, Pflanzen und Tiere sowie Menschen, um dann zu betonen: „Hr. F. vergleicht das Neue das ihm seine Reise gezeigt hat, mit ältern Kenntnissen, und macht dar über philosophische Betrachtungen.“ (323) Gerade diese waren in der Bespre chung der Observations getadelt worden: „Mehr als man in diesen Bemerkungen erwarten sollte, über die allgemeinen Grundsätze der Glückseligkeit, über den Ursprung der Gesellschaften und Regierungsformen.“ (ADB zu 25–36 Anhang (1780): 1487) Durch ein „sehr ausführlich“ markiert der Rezensent, was seinen Erwartungen nicht entspricht und was er deshalb nicht referiert: „Von den Stu fen, nach welchen sich diese Südländer immer mehr von ihrem rohen Zustande entfernen, sehr ausführlich.“ (1486) Die Übersetzung des englischen Titels über der Rezension bereits ließ die in ihm annoncierten Gegenstände der Bemerkungen aus: on physical Geography, natural History and ethic Philosophy, und der Ein leitungssatz kündigte eine Beschränkung auf das nicht bereits aus der Voyage round the World bzw. Reise um die Welt Bekannte an: „Da der Sohn des Herrn Ver fassers die Bemerkungen seines Hrn. Vaters in seiner von uns angezeigten Reise beschreibung schon genutzt hat: so wollen wir hier nur das anzeigen, was wir in jener nicht gefunden zu haben uns erinnern.“ (1483) Unter Bezugnahme auf den
5.1 Fälle der Korrektur einer ersten durch eine zweite Besprechung
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Verfasser begründet der Rezensent, weshalb er im Weiteren einzelne Beobach tungen nacheinander zu Mineralogie, Botanik, Zoologie und „Natur und Menge der Einwohner“ reiht (1485): „Hr. F. hat seine Bemerkungen nicht nach der Zeit geordnet, zu welcher er sie gemacht hat, sondern vielmehr nach der Natur der Gegenstände, die sie betreffen.“ (1483) Entsprechend – aber ohne sich auf den Verfasser berufen zu können – war der erste Rezensent der Voyage und der Reise vorgegangen, allerdings in umgekehrter Reihenfolge: Er beginnt mit Menschen (zwölf Seiten), wechselt dann abrupt, mit ten im Absatz (ADB 34 (1778): 601), zu den Tieren (vier Seiten), schließlich heißt es ebenso abrupt: „Und nun die Pflanzen […] ganz kurz.“ (605) Der Rezensent, der in einer Fußnote auf die unter Cooks Namen erschienene Reisebeschreibung von John Douglas verweist, führt einleitend Forsters „Verheißungen“ aus seiner Vorrede an, um sie von vornherein für unerfüllt zu erklären: „so verspricht Hr. F. mit Hinweglassung alles dessen, was nur diesen [den Seefahrer] angeht, nur den Naturforscher und Anthropologen zu befriedigen, seine Reisebeschreibung sollte blos eine philosophische Geschichte seyn“ (589). Entsprechende „Erwartungen“ würden aber widerlegt, denn „manche Begebenheit, die eigentlich nur für diesen [den Seefahrer] ist“, werde „oft noch weit schleppender und ausführlicher, als von Cook erzählt, für die Geschichte der Menschheit wenig Neues gesagt, was nicht in den genannten Schriften [Cooks und Furneaux’, des Kapitän der Adven ture, im Anhang von Douglas] bereits steht, und der Naturforscher größtentheils auf besondere Werke vertröstet, welche die Hrn. Forster theils schon herausgege ben haben, theils noch herauszugeben im Sinne zu haben scheinen“ (589). Die entscheidende Begründung für die Enttäuschung der Erwartung einer „reiche[n] Erndte für die Geschichte der Menschheit und der Natur“ durch die Forsters als „Naturforscher und Weltweise“ formuliert der Rezensent so: „Hr. F. spielt zu sehr, und oft ganz am unrechten Orte den empfindsamen Jüngling, ziert sich zu sehr mit seiner Belesenheit in den Dichtern und andern schönen Schriften aller Natio nen, streuet hin und wieder solche Raisonnements ein, die nicht zur Sache gehö ren, und hat die Gabe, mit vielen Worten wenig zu sagen.“ (589) Derselbe Rezensent besprach wenig später die Remarks on Mr. Forster’s Account of Captain Cook’s last voyage round the world des Astronomen an Bord der Resolution, William Wales. In einem langen Absatz wird einleitend deren „wesentlichste[r] Inhalt“ undistanziert referiert, insbesondere die vom Rezensen ten geteilte Voraussetzung, wenn eine „Erzählung treu“ wäre, hätte „kein Leser […] Interesse“, zu erfahren, wer der Verfasser sei: „was er sonst für Eigenschaften besitzt“ (ADB 36 (1778): 513); in scheinbarem Widerspruch dazu, letztlich aber in Übereinstimmung mit der Voraussetzung präsentiert der Rezensent den Astro nomen als „ein[en] Mann von Einsichten […], ein[en] Mann, der Zeuge von allen erzählten Begebenheiten und Bemerkungen ist, der sich anheischig macht, alles
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5 Georg Forsters Reisebeschreibungen und Übersetzungen in der ADB
durch mehrere Zeugen zu erweisen“ (514). Dagegen wird aus Forsters Text auf den Charakter des Vaters geschlossen, um „das historische Ansehen dieses Werks sehr leiden“ zu lassen (514): Wenn ein Schriftsteller bloß das erzählt, was er gesehen und bemerkt hat: so mag es seinen Lesern noch so ziemlich gleichgültig seyn, was er sonst für Eigenschaften besitzt, wenn er nur in seiner Erzählung treu ist, aber wenn er auf jeder Seite ohne nahe Veranlaßung Tugend und Menschenliebe predigt, immer über die Hartherzigkeit, über die Trunkenheit, über den Neid, über das Fluchen, über die Unzucht seiner Reisegefährten, und über die wenige Achtung klagt; und doch selbst oft wider die Gebote der Menschenliebe handelt, andern ihre Kenntnisse ablockt, um damit zu seinem Vortheile zu wuchern, und weil sie sich nicht mehr dazu verstehen wollen, sie verläumdet, […] mit allen seinen Reisegefährten sich entzweyt, und […] sich durch seine brausende Hitze zu höchst beleidigenden Handlun gen gegen den Kapitain selbst verleiten läßt, und durch einen unerträglichen Stolz verächt lich und lächerlich wird: so kann kein Leser ohne Interesse dabey bleiben. (513–514)
Aus dem so gezeichneten Charakter des Vaters wird abgeleitet, dass der Text, für den der Sohn als Autor zeichnet, „vollends die Treue verletzt, die er dem Publi cum schuldig ist, viele Nachrichten in einem ganz falschen Licht vorstellt, Bilder seiner Einbildungskraft wahren Begebenheiten unterschiebt“ (514). Von Wales ‚dargetane‘ „geographische Fehler und selbst Nachläßigkeit in den Bemerkungen aus der Naturgeschichte“ (514) sieht der Rezensent durch Georg Forsters Reply to Mr. Wales’s Remarks bestätigt, wenn er aus deren Eingeständnis eine Schlussfol gerung zieht, mit der seine Besprechung beginnt: „Der jüngere Hr. Forster giebt sich hier als den einigen Verfasser jenes Werks aus, und bezeugt also, daß alle Einwürfe, welche gegen die Person seines Vaters gemacht werden, auf sein Werk keinen Einfluß haben. (An beyden Sätzen möchte mancher Leser zweifeln.) Er […] gesteht, […] daß selbst einige geographische Fehler in sein Werk eingeschlichen seyn könnten, und daß er manches […] für die Naturforscher vergessen, weil er seines Vaters Hefte nicht bey der Hand hatte.“ (516) Die ersten Besprechungen sowohl der Voyage und Reise als auch der Observations beurteilten deren Wert für die Naturgeschichte bzw. die Geographie negativ; die wissenschaftliche Bewertung rekurrierte in beiden Fällen auf den Charakter des Autors, der in den ‚nicht zur Sache gehörenden‘ Elementen der Texte gefun den wurde: philosophischen, empfindsamen und ‚schöne Schriften‘ zitierenden Reflexionen. Die korrigierenden Zweitbesprechungen wiesen den auf ein oder zwei Fächer und deren Kenner beschränkten Bewertungsmaßstab zurück, indem sie sich auf das allgemein Wissenswürdige und eine Mannigfaltigkeit von Standpunkten beriefen, das ‚Nützliche, Wissenswürdige und Unterhaltende zu taxieren‘.
5.2 Der unfeste Ort der Reisebeschreibung in der Systematik des Wissens der ADB
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5.2 Der unfeste Ort der Reisebeschreibung in der Systematik des Wissens der ADB Die Korrekturen können als Hinweis auf den unfesten Ort der Reisebeschrei bung in der Systematik des Wissens angesehen werden, wie sie die ADB insti tutionalisierte. Auf den ersten Blick entsprechen die ursprünglichen Verrisse den Verallgemeinerungen von Tilman Fischer und Winfried Siebers über eine unversöhnlich auf faktizistische Neuigkeit festgelegte dominante (Fischer 2002, 578), nämlich „gelehrte[…] Kritik[…] der Reisebeschreibung“ (Siebers 2004, 53). Für diese sei die in der Rhetorik traditionelle Zuordnung der Reisebeschreibung zur Geschichte verbindlich gewesen, wie sie schon dem ‚Zedler‘ („zur Ergänzung der Historie“, 1742; Bd. 31, 361–362), wie noch Johann Joachim Eschenburgs bei Nicolai erschienenem Lehrbuch von 1789 zu entnehmen ist. In der Rubrizierung der Reisebeschreibungen unter ‚Geschichte‘ in der ADB wird aber auch sichtbar, vergleicht man sie mit dem auch in Nicolais Verlag erschienenen Lehrbuch der Wissenschaftskunde, dass ‚Geschichte‘ in der ADB „bereits abgetrennte Fächer“ enthielt (Schneider 1995, 316): Geographie und Statistik. 1790 wurde die Rubrizie rung angepasst: „Erdbeschreibung, Reisebeschreibung und Statistik“ hieß es im Band 94, dann ab Band 95 (1790) „Erdbeschreibung, Statistik und Reisebeschrei bung“, um zur ersten Umbennung mit Band 97 (1790) zurückzukehren, ohne dass damit eine „Ausdifferenzierung von Reiseliteratur und Geographie“, wie sie Rai ner Baasner (1999, 264) behauptet, abgeschlossen gewesen sei. Die Formel von Wissenschaft versus Literarisierung1 schließt an die ältere Rede von Objektivität versus Subjektivierung an,2 doch die systemtheoretisch angelegte These von
1 Vgl. auch Meier 1999, 242–243; Bödeker 2004, 21. 2 Vgl. Stewart 1978, 88; Hentschel 1999a, 20. Vgl. den Untertitel von Hentschels Erstveröffentli chung des Aufsatzes „Vom gelehrten Bericht zur literarischen Reisebeschreibung“ (1991a), aber auch die abweichende Typenbildung eines im selben Jahr erschienenen Aufsatzes: „Die gelehrte, die empfindsame und die sozialkritische Reisebeschreibung waren am Ende der achtziger Jahre gattungstypologisch formiert.“ (1991b, 379). Für die ‚Subjektivierung‘ beruft sich Hentschel auf die 1797 anonym erschienenen Fantasien auf der Reise und bei der Flucht vor den Franken, deren Verfasser sich wiederum in der Vorrede für „eine von den Realitäten abstrahierende Selbstdar stellung“ (1999a, 385) auf zwei Rezensionen Georg Forsters berufe (388: AA XI, 192–194 Matthew Consetts Skandinivien-, 283–287 Adam Walkers Italien-, Frankreich-, Deutschland-Reise, über setzt von Karl Philipp Moritz). Wenn Klaus Weissenberger eine durch Sterne herbeigeführte Wende (1997, 56) auf den Punkt bringt: „Gerade aus der Gegenüberstellung [Forsters] mit Nicolai läßt sich […] für den Reisebericht der Aufklärung […] dessen spezifische Darstellungsform be stimmen“ (49), folgt er einer schon 1976 in Hans Joachim Piechottas Sammelband durch den Beitrag des Herausgebers zu Nicolai und den Uwe Japps zu Forster begründeten Tradition. Gegen die Auffassung, es habe am Beginn des neunzehnten Jahrhunderts eine endgültige Trennung
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5 Georg Forsters Reisebeschreibungen und Übersetzungen in der ADB
einer ‚Ausdifferenzierung‘ von Wissenschaft und Literatur als Kunst widerspricht ebenso den in der ADB beobachtbaren Veränderungen wie des Anthropologen Michael Harbsmeiers Erklärung des „zu Literarhistorie degradierten oder besser: beförderten Reiseberichts“ aus einem „Niedergang des wissenschaftlichen Anse hens“ (Harbsmeier 1992, 431) der außereuropäischen Reisebeschreibung: der in den achtziger Jahren von Forster, Herder, Kant und Meiners geführte ‚anthropolo gische Diskurs‘ hätte „in einer allgemeinen Entwertung überseeischer Nachrich ten und Erfahrungen kulminier[t]“ (437). Was die ADB zeigt, ist der unfeste Ort der Reisebeschreibung. Die bisher behandelten Reisebeschreibungen und Übersetzungen Forster wurden nämlich keineswegs – der Systematik entsprechend – in der Rubrik, so hieß sie im Jahr 1791: „Mittlere und neuere politische und Kirchengeschichte“ (ADB 103 (1791): 183) besprochen, und die Rezensenten waren auch keine Historiker. Der Autor der Verrisse der Voyage und Reise war Johann Friedrich Gmelin, seit 1773 in Göttingen Professor für Medizin, Chemie und Philosophie (Schneider 1995, 298–299), der hauptsächlich für eine „[d]isziplinäre Rezensionszeitschrift“ arbeitete (334), das Chemische Journal (322), aber sein Text zur Voyage erschien unter „Vermischte Nachrichten“ und nur der zum ersten Band der Reise in der Rubrik „Von der Naturlehre und Naturgeschichte“; auch die Zustimmung zu Wales’ Polemik gegen Forster stand wieder in dieser Rubrik. Der Verriss der Observations stammte von Ludwig Johann Friedrich Hoepfner, einem Juristen, der seit 1771 in Gießen Professor, seit 1778 Hessisch-Darmstädtischer Regierungsrat und seit 1780 Oberappellationsrat am Reichskammergericht in Wetzlar war und dem Nicolai die „Redaktion des juristischen Fachs in der ADB fast vollständig überließ (73), aber die negative Besprechung der Observations stand in dem Fach „Von der Geschichte und Geographie“. Beide Korrekturen schrieb der Göttinger Mathe matik-Professor Abraham Gotthelf Kästner, der auch Technik, Naturgeschichte und Philosophie besprach (136); Kästners Revision des Urteils über Forsters Reise erschien unter: „Von der Geschichte, Erdbeschreibung, Diplomatik“, die Empfeh lung seiner Observations-Übersetzung erschien als nicht in die Fach-Rubriken eingeordneter, und zwar erster, Hauptartikel des Bandes mit dem eigenen Header „J. R. Forsters Bemerkungen über Erdbeschreibung, Naturgeschichte etc.“. Die beiden Gegenbesprechungen Kästners fehlen sowohl in der ForsterBibliographie Horst Fiedlers (1971, 144) als auch in den Abschnitten zur Rezep
der wissenschaftlichen von der literarischen Reisebeschreibung gegeben, argumentiert am eng lischsprachigen Material überzeugend Leask 2002, 1–14, besonders 7. So untersucht deutsche Forschungsreisen als Literatur bei Georg Forster, Alexander von Humboldt und Adelbert von Chamisso Johannes Görbert in seiner Dissertation Die Vertextung der Welt, 2014, 217.
5.2 Der unfeste Ort der Reisebeschreibung in der Systematik des Wissens der ADB
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tionsgeschichte im Kommentar von Band IV der historisch-kritischen AkademieAusgabe von Forsters Werken (AA IV, 174), wohl nicht nur aufgrund der sowieso bemerkenswerten Wirrnis in der Edition der Schriften zur Weltreise, sondern auch wegen einer literaturgeschichtlichen Konzeption, die Christoph Martin Wielands „Auszügen aus Jacob Forsters Reise um die Welt“ 1778 im Teutschen Merkur eine ‚Wende‘ in der Rezeption von Forsters Reise um die Welt zuschreiben will, Wieland habe „das allgemeine Urteil […] stark mitbestimmt“ (181). Dagegen erweckt die Akademie-Ausgabe durch extrem selektives Zitieren den Anschein einer durchgängig negativen Besprechung von Forsters eigenen und übersetz ten Reisebeschreibungen in der ADB durch „Fachwissenschaftler“ (174), die vom Standpunkt ihrer Disziplin urteilten.3 Deshalb ist ein Zitat wie das folgende aus der Besprechung von Neuere Geschichte der See- und Landreisen. Bd. 1. Nachrichten von den Pelew-Inseln in der Westgegend des stillen Ozeans natürlich nicht zu finden: „Daß wir von Hrn. Hofr. Forster eine fernere Fortsetzung verdeutschter Entdeckungsreisen zu erwarten haben, zeigt uns der doppelte Titel der gegenwär tigen, zu unserm großen Vergnügen.“ (ADB 96 (1790): 502) Bei einer Einbeziehung aller Reisebeschreibungen, die Forster schrieb, über setzte und edierte, ob in einzeln veröffentlichten Büchern, Reihen oder Periodika, erweist sich, dass nicht nur in dem Jahr, in dem die Reisebeschreibung im Rubri kentitel vor die Statistik an die zweite Stelle hinter der Erdbeschreibung aufstieg, besonders viele Publikationen Forsters in der ADB besprochen wurden, und zwar nicht nur in dieser Rubrik, sondern auch schon in den späten achtziger Jahren und besonders in den beiden letzten Lebensjahren Forsters. 1789 rezensierte der Meininger Advokat Wilhelm Friedrich Hermann Rein wald (Ost 1928, 58) im Fach Geschichte „[m]it Entzücken“ Forsters Übersetzung von Dupatys Briefe über Italien vom Jahre 1785: „daß die Uebersetzung von der Hand eines solchen deutschen Schriftstellers sehr gut seyn müsse, war schon zu vermuthen“ (ADB 90 (1789): 506). 1790 besprach Reinwald im selben Fach Forsters schon erwähnte Überset zung von Keates Pelew-Inseln unter Hervorhebung der „erläuternden Anmerkun
3 Der TM war in der Frage der Spezialgelehrsamkeit weniger strikt; ein Rezensent, der zeitweise auch an der Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste mitarbeitete, Johann Heinrich Merck (vgl. Federhofer 2003), schrieb im Merkur ungefähr ein halbes Jahrzehnt später über Philip Thicknesses A Year’s Journey through France, and Part of Spain (1777): „Keine Gelehr samkeit muß man hier suchen, allein viel wahres Gefühl für Antiken und Natur, viel launenhafte Blicke über das, was ihm aufstößt“ (TM (1778): 3. Vierteljahr, 192). Dagegen hieß es über Thick nesses Reisebeschreibung in der Allgemeinen deutschen Bibliothek: „So haben wir das Buch an eignen guten Bemerkungen über die Beschaffenheit der Länder, der Einwohner, des Climas und der Produkte ziemlich arm gefunden“ (ADB 38 (1779): 517).
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5 Georg Forsters Reisebeschreibungen und Übersetzungen in der ADB
gen“ und der „Vorrede, die […] große Blicke in die menschliche Natur enthält, und uns noch manchen Schatz aus seinen Tagebüchern und andern Collektaneen ver spricht“ (ADB 96 (1790): 502). 1791 empfahl Albrecht Georg Walch, Geheimer Archivar in Meiningen, der bis zum Ende der ADB im Fach Geschichte rezensierte, an Forsters Übersetzung von Moritz August von Benyowskys Schicksale und Reisen, von ihm selbst beschrieben insbesondere die „überaus lesenswürdige[…] Vorrede“, weil sie „den inne ren Beweis der Glaubwürdigkeit des Grafen aus seinem Charakter und aus dem Buche selbst“ führte (ADB 101 (1791): 512). 1792 besprach die im Vorjahr erschienenen Ansichten vom Niederrhein der Gothaer Bibliothekar Georg Schatz, der seit den achtziger Jahren Nicolais stärks ter Mitarbeiter in den Fächern der Schönen Wissenschaften und Schönen Künste war (Ost 1928, 55) und der Forsters Beiträge über englische Literatur und Kunst zu Johann Wilhelm Archenholz’ Annalen der Britischen Geschichte im Fach Geschichte als „dieses scharfsinnigen und angenehmen Schriftstellers würdig“ rezensiert hatte (ADB 93 (1790): 67); die Rubrik „Erdbeschreibung, Reisebeschrei bung und Statistik“ eröffnete Schatz’ Ansichten-Besprechung mit den Sätzen: Ein Mann von so ausgebreiteten Kenntnissen und einem so thätigen Beobachtungsgeist, wie Hr. HR. Forster, wird immer manche neue und merkwürdige Seite der Dinge erfassen, selbst dann, wenn er durch Gegenden reiset, die oft und viel besucht werden, selbst dann, wenn er nur kurze Zeit auf die Betrachtung der Gegenstände zu wenden hat. Was einem gewöhnlichen Kopf nur nach langem, wiederholten Beschauen, mühsamen Combiniren und Vergleichen sich entdeckt, das entwickelt er in Augenblicken. (ADB 109 (1792): 246)
1793 besprach Lessings Nachfolger als Wolfenbütteler Bibliothekar, Ernst Theo dor Langer (Schneider 1995, 52), Forsters Übersetzung von William Robertsons Historische Untersuchung über die Kenntnisse der Alten von Indien, und die Fortschritte des Handels mit diesem Lande vor der Entdeckung des Weges dahin um das Vorgebirge der guten Hoffnung (NADB 1 (1793): 325–330). Im Spektrum der Fächer der Rezensenten wie der Rubrizierung des Rezensier ten zeigt sich nicht nur die Problematik einer verallgemeinernden Rede von ‚der gelehrten Kritik‘,4 sondern deuten sich zwei Revisionen der Position an, von der
4 Zur Abgrenzung eines dem des Kenners entgegengesetzten Standpunkts, der nicht der des Liebhabers ist, die letztlich als „Ausweitung der verhandelten Fragen über die Wissenschaft hi naus“ (Godel 2013, 16) ein Öffentlichkeits-Problem ist, vgl. Federhofer 2006 und Schmidt 2006. Trotz der begriffsgeschichtlichen Schwierigkeit, dass im achtzehnten Jahrhundert mit Bezug auf Kunst die „Begriffe ‚Dilettant‘, ‚Kenner‘, ‚Liebhaber‘ und ‚Amateur‘ […] synonym verwendet“ (Federhofer 2006, 197) worden seien und „in den Wissenschaften […] eine Vorstellung von Spe zialisierung und Professionalisierung“ gefehlt habe, die „von Dilettantismus abzugrenzen wäre“
5.3 Abrücken von der grundsätzlichen Verurteilung von Unterhaltung und Reflexion
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die ADB ausgegangen war: Abgerückt wurde von der grundsätzlichen Verurtei lung der unterhaltenden Lektüre von Reisebeschreibungen ebenso wie von der nicht weniger grundsätzlichen Verurteilung von Reflexion in einer Reisebeschrei bung.5 Über Johann Georg Gmelins Reise durch Sibirien von dem Jahr 1733 bis 1743 (1751–1752) hieß es 1772: „Aber für Leser und Leserinnen, welche nur in der Absicht Reisebeschreibungen lesen, um sich die Langeweile angenehm zu vertreiben, oder, damit wir ihren eigenen Ausdruck brauchen, um sich zu amusiren; für solche schreibt kein gelehrter Reisender, wenigstens kein Deutscher.“ (ADB 17.1 (1772): 247–248) Und im selben Jahr wurde die Spitze gegen Übersetzungen6 und vor allem gegen auf diesen beruhende Kompilationen noch deutlicher, anlässlich des zwanzigsten Bandes von Prevosts Allgemeiner Historie der Reisen zu Wasser und zu Lande, als deren neunzehnter Gmelins Reisebeschreibung erschienen war: „Deut sche Leser“ wollen „nicht blos die Zeit weglesen“ (ADB 17.1 (1772): 288). Relativiert wurde, wie die zitierten Forster-Besprechungen zeigen, der Vorbehalt gegen zwei der drei – von Winfried Siebers an der Rezensionspraxis nachgewiesenen – „Grund elemente“ (2004, 48) der Reisebeschreibung: gegen Erzählung und Betrachtung.
5.3 Abrücken von der grundsätzlichen Verurteilung sowohl unterhaltender Lektüre von Reisebeschreibungen als auch von Reflexion in einer Reisebeschreibung Seit Anfang der achtziger Jahre standen in der ADB nebeneinander der Stand punkt des Kenners eines Fachs und der des für viele Klassen von Lesern allge mein Wissenswürdigen. So verriss im Namen „unsere[r] Leser“, die „nicht ver
(211), schlägt Federhofer vor, Forsters gattungstheoretische Reflexion zu Reisebeschreibungen als Versuch zu verstehen, „das Wissen des Liebhabers gegenüber dem Wissen des Spezialisten und des gelehrten Pedanten aufzuwerten“ (203). Schmidt betont den Unterschied der Rolle des „Dilettantismus des gesellschaftlichen Schriftstellers […] bei der Vermittlung von ‚Naturwissen schaften‘ in die ‚gebildete Gesellschaft‘“ (227) zur „hierarchischen Autor-Leser-Beziehung“ im „nachmärzlichen Popularisierung[s]“-Diskurs (222). 5 Hentschel 1999b, 149, dagegen schreibt den Rezensionsorganen insgesamt zu, dass sie – gerade bei den Übersetzungen – „den leserunfreundlichen, wissenschaftlich-enzyklopädischen Typus der Reisebeschreibung“ „favorisierten“. Vgl. dagegen den Hinweis von Jost 2013, 147, dass auch der Herausgeber der ADB „von der veränderten Poetik der Reiseliteratur nicht unberührt blieb“, deren „[w]ichtigster Protagonist“ Georg Forster gewesen sei (145), auch wenn Nicolai weiterhin zum „Forsterschen Prinzip der Sympathie zwischen Autor und Leser“ (149) antithetisch gestanden habe. 6 Blanke 1997, 27, 523–524, vertritt die Auffassung, dass es der Ausschluss Deutschlands von der kolonialen Expansion Europas gewesen sei, der das Interesse an übersetzten Reisebeschreibun gen motiviert habe. Vgl. Kapitel 1.
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5 Georg Forsters Reisebeschreibungen und Übersetzungen in der ADB
langen“, „nur sehr magere Erzählungen von den Abentheuern der Seefahrer in unbekannten Meeren“ zu lesen, der Rezensent einen Nachdruck von Hawkes worth’ Historischem Bericht von den sämmtlichen durch Engländer geschehenen Reisen um die Welt folgendermaßen: „Ein Liebhaber der Naturgeschichte, dem es gerade nicht um die Länge und Breite dieser und jener Inseln in unbekannten Welttheilen zu thun ist, findet gar wenig Unterhaltung und Nahrung für seinen forschenden Geist, und wenn Recensent seine Excerpten hergeben soll und muß, so wird es in wenigen Zeilen geschehen können.“ (ADB 45 (1781): 555) Dagegen begrüßte der Rezensent des ersten Bandes der von Johann Reinhold Forster und Christian Matthias Sprengel herausgegebenen Beyträge zur Völkerkunde aus drücklich deren Bestimmung des Programms, „neue, in deutscher Sprache nicht vorhandene Nachrichten“ zu bringen: Ihr Begriff von unbekannten Ländern erstreckt sich […] nicht bloß auf die außer europä ischen Gegenden, vielmehr werden sie hier auch Nachrichten von Ländern und Inseln unsers Welttheils bekannt machen, wenn sie dem Naturforscher, Politiker, Menschenbeob achter und Weltbürger überhaupt […] so wichtig sind (ADB 49 (1782): 177).
Ein späterer Band von Forsters und Sprengels Beyträgen wurde zwar wieder von einem Rezensenten mit dem dezidierten Standpunkt besprochen, dass „[d]iese beyden würdigen Gelehrten […] vorzüglich für den Kenner […] arbeiten“: „Frey lich kann nur der Kenner das Verdienstliche und Mühsame ihrer Arbeiten gehö rig schätzen, aber sein Beyfall ist auch nur allein würdige Belohnung für einen Forster und Sprengel.“ (ADB 65 (1786): 496–497) Forsters und Sprengels „höhere Absicht“ wird aber auf eine bemerkenswerte Weise von einem anderen „Zweck“ unterschieden, nämlich „etwa nur müßigen Lesern eine zeitkürzende Lektüre zu liefern“, bemerkenswert ist die Einschränkung: „ein an sich zwar immer lobenswürdiger Zweck, wenn nur mit mehr Kenntniß und Wahl in den vielen izt gedruckten Sammlungen für ihn gearbeitet würde.“ (496) Trotz dieser bedingten Anerkennung der Unterhaltungsfunktion der Reisebeschreibung als Erzählung folgt aus dem leitenden Maßstab der Besprechung, der „wahren Bereicherung der Erd- und Menschenkunde“ (496), der den Rezensenten an die Herausgeber den „Wunsch“ richten lässt, „daß sie es seyn möchten, die uns etwas Ganzes über die vier übrigen Erdtheile lieferten, deren Geographie vom Herrn Büsching doch immer unvollendet bleiben wird“ (497), eine Ablehnung von philosophischer Reflexion; diese wird in einer nationalen Wendung anlässlich Sprengels Kompi lation aus Alexander Dalrymple, Thomas Forrest und Anville zu einer Geschichte und Beschreibung der Philippinischen Inseln so formuliert: „Man darf z. E. nur diese und andere Arbeiten des Hrn. Spr. mit denen über dieselbe Materien des Abt Raynal vergleichen, um den Unterschied zwischen einem denkenden deutschen Geschichtsforscher und einem französischen Declamateur zu fühlen.“ (497)
5.4 Verstärkung des ‚Nationalen‘
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Unter den seit Beginn des Interventionskriegs gegen die Französische Revo lution verschärften Zensurbedingungen ist der Umgang mit dem ‚Grundelement‘ Reflexion in den Forster-Besprechungen der ADB besonders bemerkenswert, nicht zuletzt weil sich der nationale Aspekt, der schon in den Korrekturen der ersten Forster-Rezensionen anklang, verstärkt.
5.4 Verstärkung des ‚Nationalen‘ unter Bedingungen verschärfter Zensur In der NADB wurde 1793 der Separatdruck einer Reisebeschreibung aus Forsters dreibändiger Geschichte der Reisen, die seit Cook an der Nordwest- und Nordostküste von Amerika und in dem nördlichen Amerika selbst von Meares, Dixon, Portlock, Coxe, Long u. a. m. unternommen worden sind besprochen, und zwar in einer ausschließlich „Reisebeschreibungen“ genannten Rubrik: Reisen eines Amerikanischen Dolmetschers und Pelzhändlers, welche eine Beschreibung der Sitten und Gebräuche der Nordamerikanischen Eingebornen und einige Nachricht von den Posten am St. Lorenz-Flusse, dem See Ontario usw. enthalten. Herausgegeben von J[onathan] Long (Fiedler 1971, 56). Die ADB titelte die Besprechung mit einer Verkürzung von Forsters einleitender „[Vorläufiger] Schilderung des Nordens von Amerika“ (NADB 1 (1793): 339). Der Rezensent betonte, dass die Reisebeschrei bung Longs, der „am Ende selbst Indianer […] wurde“ (339), vom Übersetzer „durch eine interessante Abhandlung […] für den deutschen Leser noch wichtiger gemacht“ werde, an der „edle[…] Sprache“ und „Kennerblick“ (345) hervorgeho ben wurden, um dann die nachdrückliche Lektüreempfehlung mit einer Distan zierung zu verbinden: Wer das nördliche Amerika nach seiner eigenthümlichen Beschaffenheit kennen lernen will, der lese die Abhandlung! Nicht so ganz kann es indessen der Recens. dem Herrn F. verzeihen, daß er bey jeder Gelegenheit Ausfälle gegen die englische Regierungsverfassung zum Vortheil der neuen französischen Constitution thut. Der Rec. hat noch keine Parthie genommen, ist noch ruhiger Zuschauer in der zuversichtlichen Ueberzeugung, daß kein denkender Mann in dieser Sache so lange mit Entscheidung sprechen kann, bis sich der Erfolg der Constitution, als der Wirkung eines leidenschaftlichen Ausbruchs, zum Vortheil des ganzen französischen Reiches selbst dargelegt hat. Bis jetzt ist es noch nicht geschehen! (346)
Die Aussetzung des eigenen Urteils über Forsters Reflexionen – die in Mainz eine von Johannes Müller beim Kurfürsten entschärfte Denunziation durch einen Geistlichen Rat veranlassten (Müller 1819) – verstärkt letztlich eine Empfehlung, die zusätzlich auf die negative Beurteilung einer konkurrierenden Übersetzung
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5 Georg Forsters Reisebeschreibungen und Übersetzungen in der ADB
gegründet wird. Auf zwei Seiten werden zwei Stellen aus den Übersetzungen Forsters und Eberhard August Wilhelm Zimmermanns, Mathematik- und PhysikProfessor in Braunschweig, parallel gedruckt, „die erstern Anfangsperioden“ und die Beschreibung eines Wasserfalls, um „eine Probe selbst entscheiden“ zu lassen (347). Im Urteil des Rezensenten erweist sich Zimmermanns Text zwar als „fließend und treu, steht aber als deutsches Produkt der Forsterschen Uebersetzung nach“ (347). Der Rezensent verbindet das Lob, dass „Forster die Gabe, den Gedanken des Engländers und ihrer Darstellung die wahre originelle deutsche Form zu geben, vor seinem Nebenbuhler zum voraus hat“ (348), mit dem Tadel an Zimmermann, seine Anmerkungen „schränken sich blos auf […] Naturgeschichte […] ein“ (349). Anders löste das Problem die sehr verspätete Besprechung von Forsters Über setzung Des Capitain Jacob Cook’s dritte Entdeckungs-Reise (1787–1788) durch einen anderen Wolfenbütteler Professor, den Rektor des Carolinums Christian Leiste, der von 1782 bis 1795 ähnlich universal wie Walch im Fach Geschichte der ADB rezensierte (Ost 1928, 57). Er „übergeht“ (ADB 117 (1794): 195) 1794 mit vielen Worten Forsters „unnütze oder beleidigende Anmerkung[en], wobey der Leser fragen könnte, warum sie da steh[en]“ (218), was er damit begründet, dass die „philosophisch-moralische[n] und politische[n] Betrachtungen“, die „Hr. F. […] seiner Gewohnheit gemäß“ „bringt“, „keinen genauen Zusammenhang […] weder mit dem eigentlichen Gegenstande, noch auch unter sich“ hätten, sondern „blos ein Commentar über das vorangesetzte Motto: nullius in verba“ seien (196). Des halb lobt er den „sachkundigen“ Übersetzer einer konkurrierenden Ausgabe, den preußischen Hofrat und Ansbacher Bibliothekar Johann Ludwig Wetzel, dessen Anmerkungen „zur Sache gehören“, während Forster „seinen Egoismus und Ver achtung anderer, die nicht so denken, wie er, durch Machtsprüche und Gemein sätze geäussert, worin man schwerlich allemal Sinn und Zusammenhang finden kann“ (218). So griff Leiste eine panegyrische Wendung von Forsters Vorrede auf, um sie jedoch der kurzen Darstellung von Cooks Charakter und Leben zuzuschrei ben, die der englische Autor, John Douglas, aus dem Tagebuch des Kapitäns King übernommen hatte: Cook, hieß es, „den man als Weltentdecker mit so vielem Rechte, wie Friedrich den Einzigen nennen könnte“ (209). Ausdrücklich angegrif fen dagegen wird ein auf Immanuel Kant und Christoph Meiners bezogener Kom mentar Forsters; der Rezensent macht sich die von Forster der Kritik unterzogene Ableitung des Schiffsarztes Anderson zum Kannibalismus verallgemeinernd zu eigen, indem er auch Cooks Täuschung über die Insulaner einbezieht: Cook, der diesmal drittehalb Monat auf den Freundschaftsinseln zugebracht, […] macht die vortheilhafteste Beschreibung dieser Leute. Das dachte er also wohl nicht, daß eben diese Menschen […] seine Begleiter, den Lieutenant Bligh u. a. […] so kannibalisch behan deln würden! Hrn. Andersons Beobachtungen über diese und die Societätsinseln scheinen
5.4 Verstärkung des ‚Nationalen‘
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zwar das schon zu ergeben. Er entdeckte noch besonders auf letzteren manche Laster und Grausamkeiten an diesem ganz sinnlichen Volke, die den vorigen Beobachtern entgangen waren, und woraus unbefangene Leser leicht ihren verdorbenen Charakter erkennen wer den: Hr. F. urtheilt indeß nicht so – (203).
Um so auffälliger ist, dass Leistes Rezension von Cooks Dritter Reise zweimal das Problem der Transkription der pazifischen Sprachen behandelt und dabei in Gegensatz zum Tenor der Rezension von Vorzug und Verdienst der Übersetzung Forsters die Rede ist, auch wenn diese „nur sehr eingeschränkt zugestanden“ wer den: „der Vorzug, daß er die zweydeutig geschriebenen Namen des Originals hin und wieder, wo er selbst gewesen ist, richtig im Deutschen schreiben […] konnte“ (218), und „das Verdienst, die Namen, welche die englische Orthographie so oft völlig zweydeutig macht, wo es ihm möglich war, für unsere Aussprache richtig zu schreiben“ (195). Vor allem aber die einleitende Bewertung von Forsters Buch als „dieses wich tige[…] Werk, das […] selbst als Uebersetzung betrachtet, unserm Jahrhundert Ehre macht“ (193), kann als Hinweis darauf genommen werden, dass Leistes Rezension wiederum eine „Art Gegendarstellung“ (Schneider 1995, 304) ist. Der Rezensent verweist zwar in der Erklärung der Verspätung der Besprechung darauf, dass er „schon die Vorzüge dieser Forsterschen Uebersetzung bey der Anzeige der Wet zelschen im 84sten Bande der A. d. B. dargethan“ habe (ADB 117 (1794): 193), aber er schweigt über die Umkehr der Bewertung der Kommentierung. Gleich der erste Satz der Besprechung des ersten Bandes von Wetzels Übersetzung gab Forster den Vorzug, indem sie dessen Ersetzung der Einleitung des englischen Originals durch seinen Essay „Cook, der Entdecker“ im Namen des Publikums rechtfertigte: „Die Einleitung ist, wie bekannt, vom Engl. Herausgeber, dem Hrn. Dr. Douglas, Dom herren zu Windsor, statt deren Hr. Geh. R. Forster eine eigene Abhandlung seiner Uebersetzung vorgesetzt hat, die man freylich lieber lesen wird.“ (ADB 84 (1788): 174) Leistes Ausgangspunkt bei der Besprechung der Wetzelschen Übersetzung selbst war, „daß Hr. Wetzel eine Arbeit unternommen, die das Publikum in jeder Rücksicht lieber von Hr. Forster, Cooks Begleiter, und Augenzeugen erwartete“ (175). Zwei ‚Rücksichten‘ wurden von Leiste besonders betont, aber die Fächer Naturgeschichte und Geographie wurden mit der sprachlichen Qualität von Fors ters Text so in Zusammenhang gebracht, dass der Rezensent den Lesern empfahl, den Wetzelschen Text nach dem Forsters zu korrigieren, „der mit der Naturge schichte dieser Länder weit besser bekannt ist […] und deshalb viele Angaben […] berichtigen, auch welches in der Geographie gewiß von Wichtigkeit ist, die oft höchst zweifelhafte Aussprache der nach englischer Orthographie geschriebenen Namen uns Deutschen richtiger angeben konnte, weil er selbst einer aus der Reise gesellschaft das vorigemal war, und wußte, wie die Namen ausgesprochen werden
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5 Georg Forsters Reisebeschreibungen und Übersetzungen in der ADB
mußten“ (175). Die Empfehlung Leistes lautete 1788, dass „alles, was Hr. W. nach der englischen Orthographie mit deutschen Buchstaben hat drucken lassen, nach unserer Aussprache aus Hrn. F. abgeschrieben werden sollte“ (175). Schon ein Jahr vor Wetzels Übersetzung war eine weitere mit Forsters konkurrie rende besprochen worden, anonym in Frankfurt/Oder vom Verleger Strauß heraus gebrachte Auszüge. Auch diese Rezension der ADB verglich, aber nicht unter dem Aspekt der Reflexion, sondern dem der Erzählung. Die letzten drei Worte lauteten: „sehr gut erzählt“ (ADB 77 (1787): 194), doch dieses Lob folgte aus der Einschrän kung eines Tadels der „ausgehobenen Stellen“, die „bey einigen Gegenständen so weitläufig gerathen sey[en], daß auf diese der Name Auszüge nicht einmal paßt“ (193); getadelt wurde: „Auf Naturgeschichte und eigentliche Geographie aber ist dabey keine sonderliche Rücksicht genommen. […] Indeß wollen wir das Buch nicht so geradehin tadeln. Wer die Reisebeschreibungen bloß zu seiner Unterhaltung lesen will, dem ist Hrn. Straußens Arbeit vielleicht schätzbarer als die vollständigere Nachricht bey Hr. Forster […] oder wohl gar der Kürze wegen angenehmer“ (193). Im Gegensatz zu den Besprechungen von 1787–1788 erörterte Leistes ‚Gegen darstellung‘ 1794 nicht das Verhältnis von Erzählung der „Begebenheiten“ und „Bemerkungen“ (193) entweder als Beschreibung oder als Betrachtung, sondern schloss Forsters Kommentierung prinzipiell aus, damit z. B. für die Bewohner der Freundschaftsinseln aus „Andersons Beobachtungen […] unbefangene Leser leicht ihren verdorbenen Charakter erkennen“ (ADB 117 (1794): 203). Insofern war Leistes Rezension der Dritten Reise Cooks auch eine ‚Gegendarstellung‘ zu Reinwalds Besprechung von Forsters Übersetzung der Nachrichten von den PelewInseln von George Keate. Reinwald begann seine Rezension mit „falsche[n] Gerüchte[n]“ über die Pelewaner, „wegen Unmenschlichkeit und Menschenfresserey“, um dann Erzäh lung, Beschreibung und Betrachtung zu verknüpfen: Im August des J. 1783 aber wurde das Englische Ostindische Postschiff, […] die ‚Antelope‘, das Kapitän Wilson kommandierte, durch Sturm an die Pelew-Inseln getrieben, wo es Schiffbruch litt, und die Rettung der ganzen Mannschaft bloß der Gutmüthigkeit dieser Wilden verdankte. Diese Eigenschaft, mit Liebe zur Gerechtigkeit und Ordnung verbunden, und die Keime höhern Denkens bey manchen dieser Natursöhne, zeichnen dieses Volk und seine Entdeckung in der Geschichte der Menschheit ganz besonders aus, und gegenwärtige Nachricht muß sich daher von selbst dem empfindsamen Weltbürger und Geschichtsliebha ber empfehlen. (ADB 96 (1790): 500–501)
Leistes ‚Gegendarstellung‘ machte 1794 aus den Südseeinsulanern wieder Kan nibalen und belegt jene Koexistenz des unedlen und edlen Wilden, die Karl S. Guthke (2005, 341) für „Aufschlüsse zur Mentalität deutschsprachiger Länder“ zu nutzen vorgeschlagen hat.
II Forster und die deutschen Literaturverhältnisse
6 Georg Forsters Begriff von ‚Nationalliteratur‘ Georg Forster hat zwar das Wort Nationalliteratur nicht benutzt, dafür aber 1792 in seiner Vorrede zur Übersetzung von Thomas Paines The Rights of Man das deutsche Wort Nationalismus ausdrücklich als einen Neologismus geprägt. „Nationalismus – wenn wir einen solchen Ausdruck wagen dürfen –“ (AA VIII, 223) benutzt Forster, um Paines Theorie der Volkssouveränität in der repräsenta tiven Demokratie als bloße Loyalität zur Verfassung seines Geburtslands erschei nen zu lassen. Die Ironie dieses Sprachgebrauchs, der das politisch Universale als etwas ethnisch Kulturelles darstellt, zeigt sich in Forsters Anwendung auf die deutsche Situation: Wäre Paine unser Landsmann gewesen, hätte sein Glücksstern ihn unter einem milden deutschen Zepter auf die Welt kommen lassen, hätte er die Machtvollkommenheiten unse rer Kaiser, die glorreichen Regierungen unserer Fürsten, die angestammten Vorzüge, den hohen Muth, den edlen Sinn, die gemeinnützige Thätigkeit des deutschen Adels gekannt – vielleicht hätten die deutschen Verfassungen einen Lobredner, und die Ahnentafeln einen Bewunderer gehabt. (223)
Nationalismus wäre dann jene Vaterlandsliebe oder jener Patriotismus, die Wie land in den achtziger und neunziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts immer wieder in zweifacher Bedeutung betont hat, Loyalität gegenüber dem Herrscher des jeweiligen Einzelstaates wie gegenüber der Verfassung des Reichs. Wieland hat die deutsche Widersprüchlichkeit dieses Reichs- und Landespatriotismus betont: „Diese Staatsverfassung ist es, die uns immer verhindern wird, ein anderes allge meines Nazionalinteresse zu haben als die bloße Erhaltung derselben; wiewohl nie alle Glieder des Ganzen hiervon überzeugt seyn werden.“ (Wieland 1795, 356–357) Gerade wegen dieses Widerspruchs aber hat er die Rolle der deutschen Schriftstel ler herausgestellt: „Sie – sind gewissermaßen die eigentlichen Männer der Nation, denn ihr unmittelbarer Wirkungskreis ist ganz Deutschland […]; und indem sie uns für die merkwürdigsten Epochen, die größten Männer und die wichtigsten Bege benheiten der Nation die lebhafteste Teilnehmung einflöß[en], wie sollte[n] sie des edeln Zwecks verfehlen können, […] jene warme Liebe des allgemeinen Vaterlan des […] zu entzünden und zu nähren“ (Wieland 1970a, 206–207, 208). Obwohl also Forster das Wort Nationalismus fünf Jahre, bevor die französi sche Entsprechung zuerst benutzt wurde, erfand (Sahmland 1990, 80), um einer politischen Position eine ethnisch-kulturelle Rechtfertigung zu geben, macht diese ironische Prägung auf eine tiefere Problematik aufmerksam: Wer ist das Volk, das von Paine als souverän theoretisiert wird? Üblicherweise wird – spä testens seit Friedrich Meinecke (1962, 10, 15) – der Widerspruch in Wielands Posi tion auf die Opposition eines politischen und eines kulturellen Verständnisses DOI: 10.1515/9783110343878-010
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6 Georg Forsters Begriff von ‚Nationalliteratur‘
von Nation bezogen (Llobera 1994, 157). Ich möchte im Folgenden jedoch Fors ters Schreiben über Literatur und Nation in den ersten Jahren der Französischen Revolution – genauer: seine Beiträge zu Johann Wilhelm Archenholz’ Annalen der Brittischen Geschichte –1 benutzen, um die saubere Unterscheidung zwischen einem vor-nationalstaatlichen kulturellen Nationalismus und einem politischen Nationalismus der westlichen Demokratien in Frage zu stellen. Auch wenn die Bewertungen verschieden ausfallen, scheint mir das wesentliche Problem solcher Unterscheidungen, dass die implizite Politik der Nationalkultur und die implizite Kultur der politischen Nation aus dem Blick geraten (Benhabib 1999). Bevor man sich also entweder der Ansicht Hans Kohns (1944), Isaiah Berlins (1993) oder Liah Greenfelds (1993, 360) anschließt, dass kultureller Nationalismus als etwas spezi fisch Deutsches von Anfang an von Autoritarismus und Imperialismus gezeichnet war, oder der ziemlich anderen Ansicht Tzvetan Todorovs (1994, 172), dass einzig kultureller Nationalismus einen Weg zum Universalismus eröffne, während jeder politische Nationalismus Ausschluss und Aggression bedeute, sollte ein neuer Blick auf die relative Offenheit der Situation im Deutschland der neunziger Jahre geworfen werden (Dann 1991, 70; Oesterle 1991, 305). Dabei möchte ich sowohl retrospektive Teleologie (Kallscheuer und Leggewie 1994, 114) als auch Idealisie rung einer politischen Unschuld vor 1813 (Herrmann 1996, 9) vermeiden – d. h. die beiden Haupttendenzen in gegenwärtiger Beschäftigung mit dem Begriff der deutschen Nationalliteratur im späten achtzehnten Jahrhundert.2 Die meisten Literaturhistoriker begreifen Literatur als Teil einer ‚Kulturnation‘ – etwas, das in der objektiven Realität existiert habe, wenigstens als ‚Bildungselite‘ (Wehler 1994, 168), und dessen Nationalismus insofern harmlos gewesen sei, als durch Kosmopolitismus gemäßigt (Krauss 1965, 170–171; Knoll 1996, 246; Adler 1996, 282). Nur eine kleine Minorität entdeckt entweder eine problematische ‚ethni
1 Vgl. zu Forsters Annalen-Beiträgen die Untersuchung von Tina Deist, die sich – im Anschluss an Raymond Williams’ Cultural Studies – auf „Forsters Literaturbegriff“ (2011, 54) richtet und damit vermeidet, was noch die besten (der wenigen einschlägigen) Forschungsbeiträge (Maurer 1987; Amft 1992) beeinflusst, das nationalpsychologische Erklärungsmuster vom Pendelschlag von Anglophilie zu Anglophobie: „It was indeed inevitable that the exaggerated enthusiasm for everything English should bring its own reaction.“ (Robson-Scott 1954, 184). Dagegen bleibt für Horst Dippel Forster lebenslang „de[r] in englischen Denktraditionen Verhaftete“ (1997, 115). 2 Vgl. aber zur Geschichtswissenschaft allgemein Blitz 2000, 11: „Immer häufiger treten Zwei fel am vorherrschenden Konsens der Nationalismusforschung auf, die zum einen die Differen zierung zwischen progressiv-emanzipatorischen und aggressiv-ausgrenzenden Tendenzen des Nationalen im allgemeinen betreffen, zum anderen die Verneinung der Existenz eines Nationa lismus speziell vor den Befreiungskriegen beziehungsweise vor der Französischen Revolution in Frage stellen.“
6 Georg Forsters Begriff von ‚Nationalliteratur‘
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sche Ursprungsgemeinschaft‘ (Thadden 1991, 498/499) oder einen ‚imperialen Anspruch‘ (Wiedemann 1986, 148) oder eine Feindseligkeit gegen partizipatori sche universalistische Politik (Segeberg 1988, 307). Ich möchte deshalb die Aspekte untersuchen, die in Forsters Annalen-Arti keln die Literatur eines Landes zu einer Nationalliteratur machen.3 Diese Aspekte werden sich als Elemente von Debatten seit den fünfziger Jahren des achtzehn ten Jahrhunderts erweisen, die Forster in spezifischer Weise auswählt, anordnet und damit aktualisiert. Damit hoffe ich zu begründen, weshalb sich die Behaup tung – z. B. von Otto Kallscheuer und Claus Leggewie (1994, 125) – nicht halten lässt, der spätere deutsche Nationalismus hätte nichts mit dem Begriff von Natio nalliteratur zu tun. Der Begriff wird in der Regel Herder zugeschrieben (125). Aber Herder (1985, 587) hat das Wort Nationalliteratur selbst nur ein einziges Mal benutzt, überdies an einer Stelle, die sogar von Hans Adler (1996, 271) in dem neuesten Artikel über Herders Konzept übersehen worden ist. Wann immer Literaturhistoriker über den Begriff geschrieben haben, ihre Belege sind Zitate von Lessing (1972, 537) über ‚Nationaltheater‘ oder Schiller (1959, V, 830) über ‚Nationalbühne‘, von Herder (Mayer 1962, 293) über ‚Nationallieder‘ oder „Nationalgesänge“ und von Wieland (1970b, 10) über „Nationaldichtkunst“. Der schlichte Fakt, dass Her ders Wort Nationalliteratur kein Schlagwort der Debatte wurde, führt mitten in Forsters Sicht auf Nation und Literatur in seinen Artikeln von 1789 bis 1792. Sie zeigen – ebenso wie die Antworten Daniel Jenischs, Goethes und Friedrich Schle gels –, dass ein anderer Neologismus Herders (o. J., Th. 20, 579–580; 1985, 239) erfolgreicher gewesen ist: Nationalautor oder Nationalschriftsteller.
3 Damit folge ich nicht aktuellen Bemühungen, Forster als „interkulturelle[n] Autor avant la lettre“ (Ewert 2016, 109), sein Werk als „Weltliteratur avant la lettre“ (Gomsu 2006, 332) oder den „mögliche[n] Gewinn“ der Lektüre seiner Texte als „transkulturelle[…] Bildung“ (Nell 2010, 275) zu begreifen. Sie stützen sich überwiegend auf die Reise um die Welt, aber auch auf den Essay „Über lokale und allgemeine Bildung“, nie jedoch auf Forsters Annalen-Beiträge. Joseph Gomsu findet in den „Überlegungen“ von Forsters Essay „Ansätze einer Antwort“ auf die „heute sich stellende Frage einer kulturellen Hybridisierung“ „aus der Wechselwirkung zwischen Globalem und Lokalem“ (2006, 329). Michael Ewert sieht in der Reise um die Welt „das Ideal eines Aus tauschs und einer Verständigung der Kulturen“ in einem „Dazwischen“, „aus dem heraus jeweils konkrete und produktive Interventionen hervorgehen“: „In Verbindung mit der Bereitschaft zur permanenten Selbstreflexion und ‑korrektur hat Forster dadurch den Weg zu den neueren Interkulturalitätsdiskussionen gewiesen.“ (2016, 125). Werner Nell liest die Reise als Aufforde rung, durch die Frage nach „Gemeinsamkeiten und Unterschieden“ Grenzen zu „durchdringen“, indem solche „nach oben in Richtung von Generalisierung und Abstraktion überschritten“ und solche „nach unten hin […] in Richtung Individualität, Konkretion und Situation hin unterschrit ten werden“ (2010, 274).
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6 Georg Forsters Begriff von ‚Nationalliteratur‘
Die sechs Aspekte in Forsters Begriff von Nationalliteratur, die ich zu unter scheiden vorschlage, sind Ebenen, auf denen Forsters Berichterstattung über die englische Literatur der Jahre 1788–1791 Verbindungen zwischen Literatur und Nation herstellt. Erstens stellt Forster den ‚Ton‘ der englischen Literatur als etwas Besonderes heraus; zweitens benennt er ‚klassische Vorbilder‘ der englischen Literatur, denen Autoren vergangener Jahrhunderte wie der Gegenwart gefolgt seien; drittens hebt er den ‚Sinn‘ des Lesepublikums für bestimmte Schriftstel ler und Arten des Schreibens hervor; viertens betont er die Art der Vermittlung zwischen Autoren, Texten und Lesern als ‚Public spirit‘; fünftens rechtfertigt er den englischen Stolz auf die eigene Literatur, indem er sie mit der Literatur ande rer Völker vergleicht; sechstens sieht er in einem Genre alle Züge der englischen Nationalliteratur ganz besonders verkörpert.
6.1 Der ‚Ton‘ der englischen Literatur Forster benutzt das Wort ‚Ton‘ sogar in Form der Zusammensetzung „National ton“ (AA VII, 63), um etwas zu bezeichnen, worauf die verschiedensten Arten des Schreibens – verschieden hinsichtlich Künsten und Wissenschaften, Disziplinen und Genres – gleichermaßen gestimmt seien oder – wie er einmal formuliert – wodurch sie gefärbt seien: „Nationalcolorit“ (64). Wenn es um die Erklärung dieser Einheit in Ton und Farbe geht, hat Forster keine Schwierigkeit, sich auf den Nationalcharakter als Faktor zu beziehen, der alles englisch Geschriebene determiniere. Er teilt nicht nur die Annahme, dass wirklich etwas existiere, das erlaube, Völker wie Individuen zu begreifen und sie als Charaktere aufzufassen (112), sondern auch die Ansicht über spezifische Züge des englischen Charakters mit der breiten Debatte des achtzehnten Jahrhunderts seit Hume und Montes quieu (vgl. Fink 1987; Richards 1992). Forster prinzipielle Auffassung des Charak ters als einer Beziehung zwischen Organisation und Umständen, die bestimmte Kräfte hervorrufen oder behindern, und insbesondere seine Gewichtung der Faktoren, die insgesamt die Umstände ausmachen, steht in einem starken Kon trast vor allem zur Position Kants (1983a, 661). Gegen Hume und Montesquieu spielte Kant nicht nur Klima und Verfassung herunter, sondern wies ausdrück lich solche Erklärungen zurück, um stattdessen von angeborenen Eigenschaften auszugehen. In Forsters Literaturberichten ist es stets die Verfassung Englands (AA VII, 63–64, 112, 182, 192), aus der sich die Einheit des Tons der englischen Literatur erklärt, d. h. Aufklärung, common sense und praktischer Verstand (112), denn überall hänge der Nationalcharakter von der Verfassung ab. Diese Stel lungnahme bricht mit jedem Versuch, die Vorstellung eines deutschen Natio nalcharakters auf etwas zu gründen, was zwar in der Gegenwart verloren, aber
6.2 ‚Klassische‘ Vorbilder in der englischen Literatur
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in historischen, literarischen Überresten der Vergangenheit gegeben sei. Sogar Lessing erwog ‚Denkmäler der alten Sprache und Denkart‘ (1987, 272), und die Wiedergeburt eines vergessenen Nationalcharakters stand 1777 im Zentrum von Herders Theorie der Nationalgesänge, obwohl er einräumte, dass deutsche Poesie nicht als „Sprosse“ vom „Stamm“ der Nation gewachsen sei (Mayer 1962, 288). Dieser Widerspruch, dass es eine Kontinuität des Charakters geben sollte, von der in der Gegenwart nichts zu bemerken sei (vgl. Fischer 1995, 213), fehlt völlig in Forsters Benutzung des Begriffs Nationalcharakter, wenn es um die Verbindung von Literatur und Nation geht.
6.2 ‚Klassische‘ Vorbilder in der englischen Literatur Die zweite Ebene, auf der Forsters Annalen-Artikel eine Verbindung zwischen Literatur und Nation ziehen, betrifft die literarischen Vorbilder, denen die Schrift steller der Nation folgen. Die Produzenten literarischer Werke haben, in Forsters Sicht, in England ein verbindliches Verständnis, was „Meisterwerke“ (AA VII, 307) seien. Er nennt nicht nur immer wieder Shakespeare (72, 168), sondern auch die Autoren des „modernen englischen Romans“ (171), Samuel Richardson, Henry Fielding, Tobias Smollett und Oliver Goldsmith, Klassiker (60), die einen bindenden Einfluss auf zeitgenössisches Schreiben ausübten. Mithin präsentiert Forster die englische Literatur als eine Literatur mit einem modernen Kanon. Die Voraussetzungen einer solchen Sicht waren in deutschen Debatten seit den sechziger Jahren von Schriftstellern wie Kritikern ausgearbeitet worden. Sie alle gingen von der Annahme aus, dass es im Deutschen keine Bücher und Autoren gäbe, die klassisch genannt werden könnten. 1788 fasste Adolph Freiherr Knigge den vorherrschenden Konsens zusammen, dass bis dahin keine nationalen Denk mäler der deutschen Literatur auf die Nachwelt gekommen seien (1970, 39). Die Meinungen begannen an der Frage auseinanderzugehen, wie lange es dauern würde, bis deutsche Klassiker erschienen, und mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden könnte. Die Debatte war massiv von der rhetorischen Tradition abhängig, in der hinsichtlich der griechischen und römischen Literatur die Fra gen von Wachstum und Niedergang, von Perioden der Blüte und des Verfalls topisch gewesen waren (Barner 1984, 76). So war etwa Herder in den sechziger Jahren auf der einen Seite gewiss, dass es keine deutschen Klassiker gäbe (1768; Herder o. J. Th. 20, 580), auf der anderen Seite war er sich gleichermaßen sicher, dass ein goldenes Zeitalter der deutschen Literatur kommen würde (1764; Krauss 1965, 156–157). In der Sekundärliteratur zu Friedrichs II. Schrift über die deutsche Literatur wird unbeachtet gelassen, dass der preußische König diese Ansicht teilte. Frie
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6 Georg Forsters Begriff von ‚Nationalliteratur‘
drich II. von Preußen beendete seine Abhandlung mit der Vorhersage, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die deutsche Literatur ihre Klassiker hätte: „Wir werden eigene Klassiker haben; jeder wird sie […] lesen wollen; unsere Nachbarn werden Deutsch lernen […], daß unsere Sprache […] sich dank unse rer Schriftsteller von einem Ende Europas zum anderen ausbreitet. Die Blütezeit unserer Literatur ist noch nicht angebrochen; aber sie nähert sich.“ (Friedrich 1985, 397) Die Meinungsverschiedenheit mit Justus Möser bezog sich auf die Gründe des deutschen „[Z]urückgeblieben“-Seins (Möser 1986, 301) und damit auf die Mittel, wodurch es zu überwinden wäre. Während Friedrich II. im fürstli chen Mäzenat das Mittel der Beschleunigung sah: „Ein Augustus wird einen Ver gil hervorbringen“ (Friedrich 1985, 397), wies Möser nicht nur Friedrichs Lösung des Problems fehlender Klassiker, sondern schon dessen Erklärung zurück – die Kriege des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts hätten die deutschen Fürs ten an der mäzenatischen Förderung der zurückgebliebenen Literatur gehindert. Die Gründe des Zurückgeblieben-Seins, die Herder in seinen Fragmenten (Herder 1985, 414) gab, sind genau diejenigen, die die dritte Ebene von Forsters englischen Literaturberichten abdeckt: die Beziehung zwischen Literatur und Lesepublikum. Herders Fragmente führten die Begriffe Nationalautor und Natio nalschriftsteller ein, indem er sie auf den Genius der Sprache und den National charakter sowie die vorbildliche Bedeutung von Werken bezog, aber vor allem anderen auf das Volk als die Leser der „wahre[n] Schriftsteller des Volks“ (415).
6.3 ‚Sinn‘ des Lesepublikums für bestimmte Schriftsteller und Arten des Schreibens Vom ersten Bericht über das Jahr 1788 an betonen Forsters Annalen-Artikel eben diesen Aspekt: „eine ganze Nation, in ihrem öffentlichen collectiven Verhält niß [opfert] den ernsthaften Musen“ (AA VII, 68). Immer wieder stellen Forsters Berichte die gleiche Verteilung der Lektüre (132, 202) unter den Bevölkerungs klassen heraus, die Tatsache, dass der „Durchschnitt des ganzen Volks, und ohne Rücksicht auf besondere Classen“ (150), lese. Keineswegs zufällig häufen sich in den Passagen über das Lesepublikum die Vergleiche mit der deutschen Situation. Obwohl er zugibt, dass es in der deut schen Literatur „schöne[…] Blüthen“ gebe, sieht er in „ihrem isolirten Dasein unter dem ungeheuren Haufen von Heerlingen“ vor allem den „Beweis[…] unserer trägen Unkultur“ (234). Goethe, Schiller, Wieland und Christian Garve, abgeschwächt auch Herder und Karl Friedrich Bahrdt, seien zwar in „Styl und Schreibart“ vorbildlich, aber die „transcendentale Größe einzelner, seltener Schriftsteller“ (233) sei weder mit der Mehrheit der Lesenden noch mit der der
6.3 ‚Sinn‘ des Lesepublikums für bestimmte Schriftsteller
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Schreibenden in Verbindung; die „Ausnahmen“ (234) beeinflussen nicht „die Litteratur im Durchschnitt“ (232), die Forster durch die Ausrichtung auf gelehrte Leser gekennzeichnet sieht: „Den Schriftstellern selbst, […] noch mehr aber den Lesern, mangelt […] der allgemeine Sinn“ (234). Mit dieser Einschätzung kommt Forster Knigges Feststellung von 1788 sehr nahe, „daß man über wenige unsrer literarischen Produkte ein allgemein einstimmig beifälliges Volksurteil hört“ (Knigge 1970, 39). Gerade die Überwindung der Kluft zwischem dem gelehrten Schreiber und einer breiteren Leserschaft hatte seit den sechziger Jahren im Zent rum vieler Debatten gestanden; was deshalb an Forsters Annalen-Artikeln auffal len muss, ist die Abwesenheit einer Abgrenzung, die selbst die ‚volkstümlichen‘ Beiträger zu diesen Debatten vorgenommen hatten: Wenn Herder (Mayer 1962, 305), Gottfried August Bürger (1973, 340, 352) und Jakob Michael Reinhold Lenz (1987, Bd. 2, 719) – ganz zu schweigen von Schiller (Mayer 1962, 460) oder Kant (1983a, 658) – das Volk definierten, das als Adressat des Schriftstellers gelten sollte, dann schlossen sie den Pöbel emphatisch aus.4 Das Beispiel, das Forster in den Annalen-Artikeln für Lektüre im Volk gibt, stammt vom „Schuhflicker“: Stünden jene beiden großen Schriftsteller [Steele und Addison] heute wieder auf, um einen Burke oder Sheridan im Brittischen Senat anzuhören, sie würden einander mit Erstaunen bekennen, daß ihre Muttersprache ihnen fremd geworden sey, indeß vieleicht mancher Schuhflicker ihnen die unverständlichen Worte erklären, und ein lebendiger Commentar dieser alles zermalmenden Redner werden könnte. (AA VII, 59)
Forsters Passagen über das nationale Lesepublikum sind sicherlich dessen schul dig, was in Klopstocks Die deutsche Gelehrtenrepublik als Hochverrat bestimmt wurde; die Formulierung des entsprechenden Klopstockschen Gesetzes richtet sich explizit gegen die Übertreibung des Grades, zu dem Shakespeare in England populär wäre: Wer „Bücher, wie sie die Ausländer gehabt und lang vergessen haben, so […] empfehle[…], als ob die Nation stolz auf ihren Besitz sey. […] ein solcher dünkelhafter und unvaterländischer Mensch hat Hochverrath began gen“ (Klopstock 1856, 202). In Forsters Literaturberichten fehlt sowohl der Begriff Gelehrtenrepublik als auch der Begriff des Pöbels. Die Gründe für beide Abwe senheiten können im vierten Aspekt gesehen werden, unter dem Forster Nation und Literatur verbindet: Die Sphäre, die zwischen Texten, Autoren und Lesern vermittele, wird als „Publicität“ (AA VII, 220) präsentiert.
4 Zu Differenzen vgl. Blitz 2000, 374, über Klopstocks Gelehrtenrepublik als „Geistesaristokra tie“: „Hatte Herder in seiner Vorrede zu den ‚Volksliedern‘ zeitgleich die Diffamierungen des Volksbegriffes als ‚Pöbel‘ beklagt, so liefert Klopstocks Konstruktion eines gelehrten Vaterlandes den Beleg für die Berechtigung von Herders Kritik.“
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6 Georg Forsters Begriff von ‚Nationalliteratur‘
6.4 ‚Public spirit‘ als Vermittlung zwischen Autoren, Texten und Lesern Forster benutzt den Begriff nicht nur in einem konstitutionellen, legalen Sinn, sondern auch in einem moralischen; beide Bedeutungsschichten von ‚Publizität‘ bilden, was Forster als Züge des englischen Nationalcharakters ansieht: liberale Denkart und praktischen Verstand. Auf der einen Seite ist ‚Publizität‘ das Gegen teil von „Geheimhaltung“ (220) in der Politik, also „Antheil“ (180) an öffentli chen Angelegenheiten, auf der anderen Seite meint ‚Publizität‘ „gemeinnützi gere[…] Gesinnungen“ (214–215). Unzweideutig macht Forsters Berichterstattung klar, dass es in den deutschen Staaten keinen Patriotismus geben könne, einmal wegen der fehlenden Freiheit, in der Öffentlichkeit frei zu denken, dann wegen des Ausschlusses des Volks aus der Politik. Indem Forster darauf besteht, dass „public Spirit“ nur aus einer „freie[n] Verfassung“ (162) stammen könne,5 löst Forster jene Verbindung auf, die sich seit den siebziger Jahren im deutschen Sprachgebrauch entwickelt hatte, wo der frühe aufklärerische – moralische – Begriff von Patriotismus (als Altruismus) mit dem Nationalstolz – entweder aufs Reich oder den Einzelstaat – fusioniert worden war (Bosse 1996, 86).6 Beide Versionen von Patriotismus, ob Liebe zum Vaterland als Einzelstaat – wie von Thomas Abbt vertreten – oder zur Reichsverfassung – wie von Friedrich Carl von Moser –, schrieben der Literatur keinerlei nationale Bedeutung zu. Abbts Ver ständnis von Literatur basierte – wie das Nicolais und anderer Preußen – auf dem Begriff der Gelehrtenrepublik; folgerichtig schrieb er: „Der Gelehrte hat kein Vaterland.“ (Woesler 1989). An dieser Sicht hielt auch ein Autor wie Kant in den achtziger Jahren fest, wenn er die Öffentlichkeit als Gesellschaft von Weltbürgern bestimmte (Bahr 1974, 11–12). Das kosmopolitische Verständnis der Gelehrtenre publik war seit dem Übergang vom Latein zu den Nationalsprachen überall in Europa unter dem Druck der Nationalisierung; insbesondere aber das ungelöste Problem, wie deutschsprachige Literatur auf den Einzelstaat und das Reich zu beziehen wäre, macht es fragwürdig, von der schlichten Voraussetzung auszu gehen – wie z. B. Conrad Wiedemann (1986, 148) –, dass sich die Kulturnation
5 Vgl. hierzu Uhlig 1965, 168–170. Genauer zur Rezeption von Adam Fergusons An Essay on the History of Civil Society (1769) in Deutschland vgl. Oz‑Salzberger 1995, 156: „‚Public spirit‘ was still an uncommon phrase in German when the ‚Essay‘ was translated, although some years later Jacobi, Herder and Forster established ‚Gemeingeist‘ as the standard rendering.“ „‚Öffentlicher Geist‘ was introduced as a German translation to ‚public spirit‘ in 1780. F. H. Jacobi was the first to use ‚Gemeingeist‘ in his ‚Über die Lehre des Spinoza‘ (1785). Schiller, Forster, and Herder were all aware of the British origin and connotations of the term.“ 6 Vgl. auch Sahmland 1990, 93.
6.5 Englischer ‚Stolz‘ auf die eigene Literatur
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von der Politik abtrennte. Wenn Wiedemann Klopstock zitiert, um die politische Abstinenz der Kulturnation zu belegen (144, 148), lässt er Klopstocks am Ende der Gelehrtenrepublik stehende Schlussfolgerung weg: Die Landesversammlung weist hier nämlich mit überwältigender Mehrheit den Antrag zurück, dass die deutsche Gelehrtenrepublik sich von den Großen oder Machthabern zurückzie hen sollte (Klopstock 1856, 130), und beschließt stattdessen den ausdrücklichen Wunsch, sie zu gewinnen (135). Was Forsters Verbindung von Nation und Lite ratur in den Annalen-Artikeln in Frage stellte, war dieses Impliziertsein des sich herausbildenden Begriffs von Nationalliteratur in den deutschen verfassungsmä ßigen Status quo – und nicht sein unpolitischer Charakter. Der fünfte Aspekt von Forsters Konzept gewinnt seine Relevanz aus der ‚pat riotischen‘ Wendung der deutschen Debatte seit den siebziger Jahren: patriotisch in dem bereits erwähnten Sinn, dass moralische Ansprüche auf die Loyalität des Schriftstellers erhoben wurden.
6.5 Englischer ‚Stolz‘ auf die eigene Literatur Forsters Bericht geht auf die Gewohnheit, die Literaturen nicht nur antiker und moderner Zeit, sondern auch die der verschiedenen europäischen Länder zu ver gleichen, als einen Topos ein (AA VII, 111). Im Rückgriff auf das traditionelle rhe torische Bild antiker und moderner Völker im Kampf um einen von den Musen zu krönenden Sieg erotisiert Forster die Metaphorik noch, wenn er unterscheidet: „die Vermählung der Kunstliebe mit dem Gefühl für Vaterlandsehre“ (162) auf der einen und den Hass auf den „rivalisirende[n]“ „Nebenbuhler“ (237) auf der ande ren Seite. Forster nimmt, wie Rousseau in der Enzyklopädie (Naumann 1972, 359), eine Kontinuität an zwischen dem positiven und dem negativen Sinn von amour propre, Eigenliebe, an, die sich sowohl in an Eitelkeit grenzendem Stolz als auch in auf Arroganz basierendem Hass zeigen könne (AA VII, 255). In der Ausarbei tung dieser Ambivalenz gelangt Forster zu einer Trennung der inneren und der äußeren Funktion von Stolz. Er betrachtet Krieg als das Ziel jeden Hasses auf ein anderes Volk und stellt die Frage, wer daran interessiert sei. Auf diese Weise wird aber Forsters Begriff der Nation, in dem – wie wir bisher gesehen haben – in der Verbindung mit Literatur die ganze Betonung auf Einheit liegt (des Tons, der Bewertung, der Lektüre, des ‚Public spirit‘), gespalten. König, Hof und Regierung werden als am Krieg interessiert dargestellt, weil sie als „Privilegirte“ (255) von den Nicht-Privilegirten sich bedroht sähen. Hass gegen das äußere Fremde wird von Forster aus innerer Ungleichheit erklärt; Stolz, der auf innerer Ungleichheit beruhe, erscheint so als Vorwand, im Kampf gegen das äußere Fremde die sub ordinierte Position einer inneren Fremde zu sichern. Forsters Argumentation zur
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6 Georg Forsters Begriff von ‚Nationalliteratur‘
Vorsicht gegenüber Nationalstolz ist um so bemerkenswerter, als seine Artikel immer wieder unterstreichen, wie berechtigt der englische Stolz auf ihre Literatur sei. Forster konnte sich, zugespitzt formuliert, eine deutsche Nationalliteratur nur als Resultat einer demokratischen Revolution denken. Diese Aussicht – er nahm an, dass es noch fünfzig Jahre bis zur Revolution dauern würde – prägt seine Vergleiche von englischer und deutscher Literatur. In diesem Punkt unter scheiden sich deshalb sein Begriff von Nationalliteratur und sein Verständnis von Stolz auf eine klassische Nationalliteratur am schärfsten von den Ansichten, die unter den deutschen Schriftstellern des späten achtzehnten Jahrhunderts dominierten. In ihren Vergleichen mit anderen europäischen Literaturen prophe zeiten sie der deutschen Literatur eine Verkehrung vergangener Unterlegenheit in zukünftige Überlegenheit. Aus der allgemeinen Überzeugung vom Zurückge blieben-Sein der eigenen ergaben sich verschiedene Versionen eines zukünftigen Siegs über fremde Literaturen. Herder etwa, der 1777 die Vergangenheit der deut schen Literatur als Dienstbarkeit beschrieb, gekennzeichnet durch Nachahmung der Ausländer (Mayer 1962, 288), antizipierte ihre zukünftige Rolle, literarische „Gesetzgeber aller benachbarten Nationen zu werden“ (Lenz 1987, Bd. 2, 773). Klopstock ersetzte das politische Bild des Gesetzgebers durch das militärische des siegreichen Eroberers: Wir haben „diese Städte [der französischen und der englischen Gelehrtenrepublik] an allen Ecken anzuzünden, und nicht eher von dannen zu ziehn, als bis der Dampf überall aufstiege: […] daß nur in dem nächs ten dem besten Felsen gegraben wird: hier sind Deutsche gewesen!“ (Klopstock 1856, 335–336) Es scheint mir nicht zufällig, dass sowohl Herder als auch Klopstock ihre Vision zukünftiger Überlegenheit deutscher Literatur im Kontext von Elogen auf Kaiser und Reich entwickeln. Klopstock preist Joseph II. als den Fürsten aller Zei ten überlegen (322), und auch der Straßburger Lenz preist die Reichsverfassung als Garantie der größten Freiheit, die menschliche Wesen je gehabt hätten (Lenz 1987, Bd. 2, 727). Selbst Literarhistoriker, die ihr Unbehagen an den Ausbrüchen von ‚Teutomanie‘ ausgedrückt haben, übersehen, dass Klopstocks und Herders angeblicher Opponent Friedrich II. im Kern diese Ansicht teilte. Besonders lako nisch heißt es in dessen Abhandlung: „diejenigen, die als letzte kommen, [über holen] manchmal ihre Vorgänger“ (Friedrich 1985, 397). Vergleicht man Forsters Verbindung von Nation und Literatur in den Artikeln der frühen neunziger Jahre mit den dominanten Trends der vorangegangenen deutschen Debatten, dann scheint deren sich abzeichnender kultureller Nationa lismus definitiv nicht ‚unpolitisch‘. Gerade nun die Art und Weise des öffentlichen Debattierens bildet den sechs ten Aspekt von Forsters englischen Literaturberichten. Äußerst häufig nimmt
6.6 Verkörperung der englischen Nationalliteratur im Genre Essay
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Forster auf das Genre des Essay Bezug, um den nationalen Charakter der engli schen Literatur zu beschreiben: als praktisch, politisch und philosophisch.
6.6 Verkörperung der englischen Nationalliteratur im Genre Essay Forster fokussiert die Beziehungen von Ökonomie, Politik und Philosophie, wenn er den Essay behandelt. Sein stets wiederholtes Leitwort ist: „Eigenes Nachden ken“ (AA VII, 175). Forster präsentiert den Essay sowohl als Resultat als auch als Appell zu unabhängigem Denken, als eine Praxis von theoretischer Freiheit, die zur Verwirklichung auffordere. In Forsters Verallgemeinerung der englischen Essayistik zu einer Denkart zeichnen sich zwei Schwächen deutschen ‚gelehrten‘ Schreibens ab: entweder werden neue „Faktis“ auf eine Weise dargestellt, die nur für den „Polyhistor“ interessant (233) sei, oder bereits Bekanntes werde einer „Systemsucht“ unterworfen, die „unverdaute Citata zusammenstoppeln, scho lastische Spitzfindigkeiten widerkäuen“ (63) lasse. Beide Schwächen erklären, weshalb die deutschen Schriftsteller ihre Leser nicht zum ‚eigenen Nachdenken‘ veranlassen; vorgeworfen wird ihnen ein Mangel an ‚allgemeinem Sinn‘, der sich sowohl auf Inhalt wie Form bezieht: eine Unfähigkeit, „unter einen Brennpunct“ zu ‚sammeln‘ (218) – das ‚allgemeine Interesse‘, und das Fehlen von „Politur in Absicht der Sprache“ (232) – die allgemeine Zugänglichkeit. In Forsters Sicht zie len die englischen Autoren – die einen Leser adressieren, der gewohnt sei, eigen ständig zu denken und frei sowie elegant in der Öffentlichkeit zu sprechen – nicht auf das passive Gedächtnis, sondern auf den öffentlichen Austausch von Ansich ten: „Unsere Bücher sind daher zum Nachschlagen, die englischen […] allein zum Lesen gemacht; wir stoppeln, sie schreiben und schaffen Ideen.“ (233) Forster betont die Fähigkeit, sich in den Gesichtspunkt des anderen zu ver setzen, wenn er die englische mit der deutschen Rezensionspraxis vergleicht. An dem Kontrast zwischen der Debatte über Paines The Rights of Man in den engli schen Reviews7 und den deutschen gelehrten Besprechungen stellt Forster als
7 Maurers (1987, 397–400) Interpretation von Forsters Darstellung der britischen Burke-Rezepti on als ‚anglophob‘ entgeht, dass Forster die unparteiische Prüfung von Burke Reflections on the Revolution in France durch die britische Kritik lobt, sich aber in seiner eigenen Kritik an Burke nicht an deren Regeln hält. Die scharfe Kritik an den Mängeln des britischen Parlamentarismus steht so neben dem Lob der Publizität, deren Fehlen in Frankreich die Revolution ‚naturnot wendig‘ gemacht habe. Die Stellungnahme für die Revolution in Frankreich ist eine für durch die Entwicklung von Publizität mögliche Reform in Deutschland. In Forsters Rechtfertigung der Rhetorik als mythologische und religiöse Redeweise spiegelt sich ein Spannungsverhältnis
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6 Georg Forsters Begriff von ‚Nationalliteratur‘
den Hauptunterschied heraus, wie die deutschen Rezensenten Pedanterie mit Abhängigkeit von Regierungsmeinungen kombinieren.8 Die deutschen Rezensen ten erscheinen zugleich als gehorsame Beamte und als engstirnige Monopolisten einer akademischen Disziplin. Kritik als „ein […] Tribunal von freien, redlichen und unbestochenen Richtern, welches öffentlich verhört und öffentlich richtet“ (230), könne im Namen der Nation, so schließt Forster, nicht ausgeübt werden, wo die Kritiker ‚gebunden‘ sind an unbefragte Autorität, sei es des Staates, sei es der Institution Universität.
nicht nur im englischen Jakobinismus. Denn die bürgerlichen radikalen Dissenter hielten, wie Günter Lottes (1979, 139) gezeigt hat, einerseits an dem „Ideal […] des unabhängigen, informier ten und disziplinierten Bürgers und der politischen Entscheidungsfindung im aufgeklärten und freien Gespräch“ fest, das als „Strategie der friedlichen Mobilisierung der Öffentlichkeit die Überwindung der Protestform des Aufruhrs verlangte“, andererseits sahen sie sich gezwungen, zur „Mobilisierung neuer Anhänger“ „der symbolbestimmten Kommunikationsweise und den gesprächsfeindlichen Formen der Geselligkeit im plebejischen Lebenszusammenhang“ Rech nung zu tragen. Jürgen Habermas hielt im Strukturwandel der Öffentlichkeit (1962) das von ihm rekonstruierte Ideal ‚politisch fungierender Öffentlichkeit‘ im England der neunziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts für Wirklichkeit, während er die „plebejische Öffentlichkeit“ nur „gleichsam unterdrückt“ (1965, 8) nannte. In Habermas’ bürgerlicher Öffentlichkeit formulie ren die Privatleute, die die ‚Rollen‘ „des Eigentümers mit der des ‚Menschen‘ schlechthin“ ver binden, „im öffentlichen Räsonnement“ einen „Machtanspruch, der eo ipso auf die Form eines Herrschaftsanspruchs verzichtet“, weil er nur die „Maßstäbe der ‚Vernunft‘ und die Formen des Gesetzes“ (39), die „Kriterien der Generalität und der Abstraktheit“ (66), kenne. Die politische Öffentlichkeit institutionalisiere als „Ideal“ eine „Parität“, die allein die „Autorität des Argu ments“ (47) bestehen lasse. Über dieses Ideal geht Forsters Rhetorik in den Annalen hinaus. 8 Vgl. Kapitel 10.
7 Georg Forster und Goethes „Prometheus“ „Georg Forster zitiert aus der Ode mehrfach vor ihrer Veröffentlichung; es ist das häufigste seiner Goethe-Zitate“, schreibt Hans Blumenberg im Prometheus-Kapi tel der Arbeit am Mythos, um fortzufahren: „Aber sein Eingehen auf das Gedicht ist ganz unspezifisch und inadäquat“ (1990, 442). Wenn sich die These der Inad äquanz aus Blumenbergs Auffassung von der „Vieldeutigkeit“ „der mythischen Konfiguration“ ergibt, der „das Fehlen jeder eindeutigen Zuordnung […] zu einer bestimmten“ „Auslegung“ entspreche (461), so steht sie in einer gewissen Span nung zu dem zweiten Vorwurf, der Behauptung des Unspezifischen; und im Gegensatz zu Blumenberg (und seiner Quelle, Albert Leitzmann (1936, 190–191), dem es nur darauf ankam, „[w]ie sehr […] Forster Worte […] Goethes […] lebendig mit sich trug“) haben Gerhard Steiner und Ludwig Uhlig gerade das Individu ell-Spezifische von Forsters Eingehen auf die Goethesche Hymne betont, seiner eindeutigen Zuordnung des Mythos zu einer psychologischen Auslegung. Beide schreiben Goethes Gedicht eine biographische Bedeutung für Forster zu. „Prome theus“, so Steiner (1985, 8), „wurde Forster zur Lebenshilfe“, das Gedicht habe ihm zu einem „wachsenden bürgerlichen Selbstbewußtsein“ verholfen. Ähn lich deutet Uhlig: Forster „bewunderte nur das Selbstbewußtsein, das er an sich selbst zu dieser Zeit schmerzlich vermißte. Die […] Verse gingen ihm noch Jahre lang durch den Sinn.“ (Uhlig 2004, 108)1 Im Folgenden möchte ich die Eingrenzung auf die psychologisch-biogra phische Spezifik von Forsters Zitieren des Goetheschen „Prometheus“ in Frage stellen, also bezweifeln, dass, wie Uhlig behauptet, Forster „sich weniger um die religiösen und philosophischen Implikationen“ „kümmerte“ (Uhlig 2004, 108), um über die Mehrdeutigkeit von Forsters privater und öffentlicher Rezeption von „Prometheus“ die Frage der Adäquanz anders zu formulieren: Wie positi onierte sich der Schriftsteller Forster, indem er aus Goethes Gedicht bestimmte Verse zitierte? Dabei wird das von Blumenberg – gegen Goethes spätere Deutun gen, wiederum mit der Norm Adäquanz: „Das Schlagwort Spinozismus war der Promethie so wenig adäquat gewesen wie nun das der Revolution“ (Blumenberg 1990, 461) – für irrelevant erklärte Verhältnis von privater und öffentlicher Ver ständigung zu beachten sein.2
1 Vgl. ebenso Uhlig 2000, 156. 2 Vgl. die entsprechende Forschungssituation: Wenn Forster in Darstellungen des Spinozismus streits fehlen kann, so „Prometheus“ in Arbeiten zu Forster, sogar zum Briefwechsel mit Jacobi, vgl. Christ 1988; Popp 1964. Dagegen nennt Ludwig Uhlig beides prominent in der Einleitung seiner Übersicht „Georg Forster und seine deutschen Zeitgenossen“ (1997, 155). DOI: 10.1515/9783110343878-011
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7 Georg Forster und Goethes „Prometheus“
Im November 1778 lernte Forster Goethes Gedicht „Prometheus“ in Form einer Abschrift bei Friedrich Heinrich Jacobi kennen. In zweierlei Hinsicht war die Rezep tion, wie Forsters Briefe aus den Jahren davor zeigen, vorbereitet: einmal galt ihm Goethe seit der Lektüre des Werthers und Götz in England als einer der „Deutschen Classici“, zugleich gab es gegen ihn einen religiösen Vorbehalt: „Göthe ist bezau bernd, doch aber nur so lange wir keine geoffenbarte Religion statuiren“ (AA XIII, 40). Aus dieser Rezeptionshaltung lassen sich zwei Züge von Forsters Umgang mit dem Text ableiten: zum einen der Respekt vor dem Autor, der zu einer Unterschei dung zwischen privater und öffentlicher Verwendung von Zitaten aus dem Gedicht führt, zum anderen der Zusammenhang zwischen verschiedenen Deutungsrich tungen, der sich aus der religiösen Problematik ergibt. So ist auf der einen Seite ein Unterschied zwischen der Verwendung von „Prometheus“-Versen in privaten Briefen und in publizierten Arbeiten des Schriftstellers Forster zu erkennen, auf der anderen Seite ist die psychologische Deutung des Gedichts immer mit einer religiösmoralischen oder einer geschichtsphilosophisch-religionskritischen verbunden.
7.1 Religiös-moralische Verwendung von „Prometheus“- Versen in privaten Briefen Es sind insgesamt sechs Verse, die Forster aus drei Strophen des Gedichts zitiert – wobei auffällt, dass er in allen drei Fällen unvollständig zitiert: „Hast du nicht alles selbst vollendet,/ [Heilig glühend Herz.]“ „Hat nicht mich zum Manne geschmiedet/ Die allmächtige Zeit/ Und das ewige Schicksal,/ [Meine Herrn und deine?]“ „Zu leiden, zu weinen,/ Zu genießen und zu freuen sich,/ [Und dein nicht zu achten,/ Wie ich.]“3
Dem Vater schrieb Forster über sein Kennenlernen von „schönsten neuen Gedich ten von Göthe“ (AA XIII, 149), als er über Jacobi als „Göthe’s Busenfreund, auch
3 Zitiert nach Erich Trunz’ Ausgabe Goethes 1966, die dem Druck in Goethes Schriften von 1789 folgt.
7.1 Religiös-moralische Verwendung von „Prometheus“-Versen in privaten Briefen
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Wieland’s, Lessing’s, Klopstock’s, kurz, aller deutschen Genien Bekannte[n]“ (148), berichtete, eine Klassikerliste, die in späteren Briefen um Herder (201) und Schiller (AA XV, 385) zu dem um 1790 Festigkeit gewinnenden Kanon ergänzt wurde.4 Doch die spezifischere Anspielung auf „Prometheus“ in Briefen an Jacobi vom 1. und 17. Dezember 1778 bindet das Thema des Selbstvertrauens in einen die Kasseler Briefe durchziehenden Zusammenhang, der moralisch-religiösen Erörte rung von Demut und Stolz. Wenn Forster also Jacobi mitteilt: „Ich fühle es, Göthe hat Recht, mit seinem Menschen der auf sich selbst vertraut. Nur Schade daß ichs nicht kann“ (AA XIII, 154),5 dann steht in einem – auf den Bericht vom ers ten Treffen mit Goethe in Kassel – folgenden Brief an Jacobi die Verurteilung von „Selbstliebe“, „Stolz“ und „Eitelkeit“ (254–255) zugunsten einer „unscheinbare[n] Demuth, die im Verborgenen nicht einen Augenblick sich selbst, ganz aber dem Schöpfer vertraut; durch Ihn Berge zu versetzen, ohne Ihn kein Glied zu regen, viel weniger Gedanken zu erschaffen glaubt“ (252). Dem Selbstvertrauen wird von Forster nicht nur psychologisch, sondern moralisch das Gottvertrauen ent gegengesetzt, wenn er sein bisheriges Leben bilanziert: „Der Arm der Vorsehung ist jetzt nicht schwächer als er es bisher gewesen, und mein Vertrauen ist ganz darauf gebaut. In Polen, im Südmeer, in London, in Cassel, es ist überall Gott nahe.“ (312) Im Gegensatz von Selbst- und Gottvertrauen erweist sich – in zur „eignen Erbauung“ (433) verfassten Gedanken, die Jacobi als „Nota“ zu dessen „Erinne rungen“ gegen eine Antwort auf seine Schrift Etwas das Lessing gesagt hat mitge teilt werden – die geoffenbarte Religion als „Urbild d[…]er Vormundschaft“: „Nur Eine Familie war das Menschengeschlecht, […] und ihr Vater, Gott.“ (431) Prägnant fasst Forster gegenüber Jacobi die Absage an jede Hoffnung einer Besserung „von allgemeinen, noch so guten politischen Einrichtungen, wel che nie ohne Gewaltthätigkeit vorgenommen werden können“, zugunsten der „innere[n] Besserung des Individui“ zusammen: „Meine ganze Philosophie ist gewis nach der christlichen Moral gebildet“ (514). Auch in dem Brief, mit dem Forster Jacobi um die Zusendung seiner Briefe Ueber die Lehre des Spinoza bittet (AA XIV, 377), in denen Goethes Gedicht erst mals publiziert wurde, findet sich eine Bezugnahme auf die Verse, die schon seit 1778 als mit der Absage an Selbstvertrauen vereinbar immer wieder zitiert wor den sind, bis hin zur eigenen, verfälschenden Metrisierung, die durch eine Virgel markiert ist: „Und ohne Leiden lernt man nicht Geniessen,/“ (AA XIII, 341).
4 Vgl. auch in den Tagebüchern AA XII, 322. 5 Vgl. die appellative Formulierung: „Nur ein bisgen mehr von Göthens Gefühl des Vertrauens auf sich selbst!“ AA XIII, 166.
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7 Georg Forster und Goethes „Prometheus“
Aber noch nicht mit der unautorisierten Publikation des „Prometheus“ durch Jacobi, sondern erst mit seinem Erscheinen in Goethes Schriften6 1789 beginnt Forster, in seinen eigenen Veröffentlichungen, und nicht mehr nur in Briefen, aus dem Gedicht zu zitieren. In dem Aufsatz „Cook, der Entdecker“ entwickelt Forster 1787 seinen stren gen Optimismus mit einer ironischen Bezugnahme auf den Mythos von Pandora, um Prometheus gegen die Götter zu feiern: Auf jeder Stufe der Kultur, welche das Menschengeschlecht erreicht hat oder noch ersteigen kann, sind Bedürfnisse und Leidenschaften die Triebfedern aller erhaltenden aber auch aller zerstörenden Thätigkeit. […] Mißbrauch kann den Werth der Dinge nicht schmälern; und doch sollte er es, sobald von Vernunft die Rede ist? […] Nur das Heer der Mühseligkeiten sollte aus Pandorens Büchse hervorgestiegen seyn, damit die Allbegabte ihre Neugier ewig beweinte? Die griechische Fabel ist wenigstens consequent; denn sie heischt den Glauben an heimtückische, schadenfrohe Götter, die das prometheische Geschöpf verderben, aber nicht beglücken konnten. Fürwahr, eine trostlose Lehre! (AA V, 198)
Die Bezugnahme auf den Mythos, die den Menschen zum prometheischen Geschöpf erklärt, erfolgt in dem veröffentlichten Text, ohne Goethes noch nicht vom Autor publizierte Hymne zu zitieren.7 Dass es sich um eine bewusste Vermeidung handelt, lässt sich aus Forsters wiederholt in seinen Briefen bekundeter Ablehnung des Verfahrens folgern, das Jacobi gewählt hat mit seiner Veröffentlichung sowohl seines privaten Gesprächs mit Lessing als auch mit der – eine Konfiszierung geradezu provozierenden – anonymen Einlage des vom Freund dem Freund geschenkten Gedichts. Ausge rechnet in dem ersten Brief, in dem Forster eine Veröffentlichung seines Freundes Jacobi erwähnt, findet sich eine scharfe Verurteilung der Praxis von Zeitschriften, Beschreibungen von gelehrten Reisen zu drucken, die private Gespräche wieder geben. Forster verdammt den Herausgeber wie den Reisenden am Fall von August Ludwig Schlözers Abdruck einer Reise Leopold Friedrich Günther Göckingks: „Göckingken habe ich selbst gesehen, es ist mir schon Charakters genug für ihn, daß er Schlötzers Freund und Correspondent ist, und für ihn auf die Anekdo tenjagd reiset. Pfuy! Pfuy!“ (AA XIII, 339) Umgekehrt versichert Forster, als er in den Ansichten die Kapitel über Aachen schreibt, seinem dortigen ehemaligen Kollegen Christian Wilhelm Dohm – der ihm später einen gemeinsamen Besuch von Jacobi und Goethe ankündigen wird (AA XVIII, 573–575) –, der Ansichten-
6 Forster subskribierte sie zusammen mit dem Teutschen Merkur, AA XIV, 629. 7 Vgl. Ewert 1993, 171; zu einer anderen Kritik der ‚Fabel‘, die Prometheus als gnostischen „Werk meister“ deutet, der Jupiter/Gott entlaste: Shaftesbury 1990, 56.
7.2 „Prometheus“-Zitate in publizierten Arbeiten
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Autor schreibe, „ohne von den innigeren Verhältnissen unter uns zu schwatzen, was ich immer für eine Art Entweihung halte, wenn es so geschieht, wie man es in unseren lieben Deutschland wohl zuweilen treibt“ (AA XVI, 265). In diesem Punkt entspricht Forsters Position der Moses Mendelssohns, der ein „Recht“ zur „Bekanntmachung eines Privatbriefwechsels“, „ohne diejenigen darum zu befra gen, die Anteil daran hatten“ (Mendelssohn 1989, 506–507), ebenso bezweifelt wie das zur „Anekdotenkrämerei“ aus „vertraulichen Unterredungen“ (480).
7.2 „Prometheus“-Zitate in publizierten Arbeiten Der Wortlaut des Zitats in den Ansichten vom Niederrhein belegt eindeutig, dass Forster auf den von Goethe autorisierten Text der Schriften zurückgreift. Wenn in den Briefen zuvor das Lieblingszitat heißt: „Zu leiden, weinen/Genießen und zu freuen sich“ (Goethe 1966, 46), so findet sich in dem Ansichten-Zitat die Autor korrektur des doppelten ‚zu‘: „zu weinen“ und „Zu genießen“ (47). Der Zusam menhang, in den die zwei Verse gestellt werden, ist eine direkte Umkehrung der Wertung von mönchischer Moral und Politik, die der Verfasser Jacobi brieflich mitgeteilt hat. Obwohl sich weder im Tagebuch noch in den Briefen von der Reise etwas über den Besuch des Trappistenklosters findet, schließt des V. Kapitel der Ansichten programmatisch mit einem Prometheus-Zitat, das dem Porträt des Mönchs entgegengesetzt wird: Auf seinem übrigens sehr gutmüthigen Gesichte, war die Leere des Gedächtnisses, die Armuth des Ideenvorraths, unverkennbar. Was ist nun besser: einige Runzeln mehr und einen durch Übung gebildeten, durch Erfahrung und Thätigkeit bereicherten Geist zu Grabe zu nehmen, oder sorglos, ohne Leidenschaften, ohne Geistesgenuß, in stiller Andacht hin zubrüten und zuletzt ganz sanft in seinem Fette zu ersticken? Wähle sich ein jeder, was ihm frommt; ich weiß, daß diese Existenz und dieses Ende keinen Reiz für den haben, der schon das bessere Loos der Menschen kannte:/zu leiden, zu weinen,/zu genießen und zu freuen sich. (AA IX, 37)
Forster las, nach eigenem Bekunden Jacobi gegenüber, dessen Spinoza fünfmal, dreimal in Wilna und zweimal in Mainz (AA XV, 200, 287). Im Briefwechsel zeigt sich – entgegen Inka Mülder-Bachs Zusammenfassung des Konsenses der neu eren Goethe-Forschung, die in der Ode „nicht den leisesten Anklang an“ (1996, 110) Spinoza finden kann –8 auf Seiten Forsters eine Verknüpfung. Forsters Dis sens mit Jacobi bezieht sich nicht nur auf den „supra- oder extramundan[en]“
8 Vgl. das Vermeiden einer Stellungnahme bei Nicolai 1965, 172–173.
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7 Georg Forster und Goethes „Prometheus“
Gott (AA XV, 269),9 sondern vor allem auf dessen Erklärung: Es sei das „Gefühl der eigenen Schwäche“, das „ein Bedürfniß des Glaubens erzeugt“ (248). Fors ters Ablehnung des religiösen „Anthropomorphismus“ (234) verfährt mit dem „ungeheuren Menschen“ (262) ironisch: „ich thue ihm die Ehre an, mich an sei ner Stelle zu denken“ (234), oder sarkastisch, wenn er von „anthropopathischen Hirngespinste[n]“ (246) spricht. Forsters Verknüpfung des „Prometheus“ und des ‚Spinozismus‘10 liegt in der Absage an den Gott der geoffenbarten Religion, die sich in der zweiten und drit ten Strophe des „Prometheus“ findet in der Abhängigkeit der Götter von „Opfer steuern und Gebetshauch“ einerseits, in dem Bedürfnis des Kindes andererseits, nach einem „Ohr, zu hören meine Klage“ (Goethe 1966, 45). Erst diese Absage an den illusionären religiösen Anthropomorphismus aus Schwäche erlaubt eine andere systematische Beziehung zwischen den drei Gedicht-Zitaten, weil sie dem Selbstvertrauen das negative religiös-moralische Vorzeichen nimmt und Selbst schöpfung (alles selbst vollendet) und Determinismus (Schicksal) ins Verhältnis setzt. Während Forster an dem Düsseldorf-Kapitel der Ansichten schreibt, in dem die Verse über Leiden und Genießen aus Goethes publiziertem Text zitiert wer den, verwendet Forster seine beiden anderen „Prometheus“-Zitate in einem gleichzeitigen Brief an Jacobi, allerdings in einem Zusammenhang, der vom Lei den und Genießen in Bezug auf Forsters Schriftstellerexistenz gebildet wird. Fors ter, der sich Jacobi gegenüber als „der complette Schriftsteller des achtzehnten Jahrhunderts […] deutscher Nation“ (AA XV, 231) darstellt, insofern er zwiefach sei, privat und öffentlich (198), nennt sich „einen Menschen, der außer einer See reise und einem Panegyrikus auf einen Seefahrer noch nichts Rechtes geschrie ben hat“ (AA XVI, 190–191). Beim Schreiben der Materialien für die Ansichten habe er an Jacobi als Mitleser gedacht, und in der Unterscheidung zwischen Privatem und Gedrucktem stellt sich zunächst nur eine Anspielung auf „Prome theus“ ein, die dann im Fortgang des Briefes expliziert wird. In der privaten Vor stellung des Freundes als eines Lesers von Veröffentlichtem steht der Dissens im Vordergrund,11 den der Briefwechsel über Jacobis Spinoza zu Tage gefördert hat:
9 Vgl. in diesem Sinne Popp 1964, 88. 10 Vgl. Seidel 1972, 18, zur Kritik am Anthropomorphismus, die „das ganze philosophische Werk Spinozas durchdringt“. D’Aprile 2005, 69, weist hin auf Wilhelm von Humboldts „Mischung aus heidnischer Kunstreligion und spinozistischem Pantheismus, als deren heilige Texte er [1789] zwei Gedichte anführt: Schillers ‚Götter Griechenlands‘ und Goethes ‚Prometheus‘“. 11 Auf die politische Differenz zwischen Jacobi und Forster im Verhältnis zur Französischen Re volution gehen weder Carmen Götz noch Anita Liepert ein. Während Liepert in drei Arbeiten Ja cobis aus den Jahren 1779 bis 1783 dessen „bürgerlich-liberale Positionen“ (1980, 746) analysiert,
7.2 „Prometheus“-Zitate in publizierten Arbeiten
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jene „Verschiedenheit der geläufigsten Anschauungsart, die uns trennt. Ich will seyn, um zu denken, und Sie wollen denken, um zu seyn“ (AA XV, 287). Zur Arbeit an den Ansichten heißt es: „Ich denke Sie mir manchmal bei meiner Arbeit, als läsen Sie sie nun gedruckt; wie Sie hie und da laut über mich lachen, mitunter wohl auch auffahren würden und denn am Ende doch den Gauch noch nehmen, wie ihn das eigensinnige Schicksal nun einmal gebildet hat.“ (AA XVI, 191) In der Schlussformulierung sind zwei „Prometheus“-Zitate verbunden, die im Fort gang des Briefes im Zusammenhang mit Leiden und Genießen des Schriftstellers expliziert werden, wobei Forster aus den beiden rhetorischen Fragen von Goethes Gedicht den Adressaten einschließende Feststellungen macht: Das in den Zug kommen ist es eben, wobei man zuweilen ganz verzweifeln könnte, und doch kommt man nur gar zu leicht wieder aus dem Zug. Ja, wenn wir nicht die beweglichen, reizbaren Geschöpfe wären, die wir sind; wenn es uns nicht Bedürfniß wäre, so ganz mit Leib und Seele bei unserer Arbeit zu seyn, und wenn wir dann nicht wieder auch bei jedem Auftritt im Leben mit unserer ganzen Empfänglichkeit, Theilnahme und Mittheilungskraft zugegen wären! Dafür aber, mein Lieber! sind wir auch, was wir sind, und sind es ganz durch uns selbst./Uns hat zu Männern geschmiedet/Die allmächt’ge Zeit/Und das ewige Schicksal. – (191)
Diese Aneignung eines Prometheus-Zitats durch die 1. Person Plural enthält ein weiterer privater Brief Forsters aus der Zeit der Arbeit an den Ansichten; an Gott fried August Bürger schreibt er am 29. Juli 1792: Wir, lieber Bürger, leben wie die Erdenbürger unter dem Monde thun müßen, wir leiden und weinen, wir genießen und freuen uns, je nachdem es aus der Schale des Schicksals für uns süß oder bitter fleußt. […] Eine Freude hängt an der andern, und ein Leid am andern; die Saiten kann man nicht berühren, daß nicht alles verwandte mittönt. (AA XVII, 154)12
In den Veröffentlichungen Forsters nach Erscheinen von Goethes autorisierter Fassung des „Prometheus“ tritt das frühe Lieblingszitat jedoch zurück, im Unter schied zu den Briefen, wo die Formel vom Leiden und Genießen bis in die Pariser Zeit immer wiederkehrt. Der innere Zusammenhang der drei Zitate liegt nunmehr in der „Konkordanz von Naturmacht und Selbstmacht“ (Teller 1989, 164), begrün
um ihn selbst in seinen negativen Stellungnahmen zur Revolution als „ein[en] enttäuschte[n] Kritiker“ (745) zu verstehen, sieht Götz schon den August 1789 als „kritischen Wendepunkt“ (1995, 202), die Burke-Lektüre als „zentral“ (208) und schließlich in Jacobis Flucht vor den Revo lutionstruppen 1794 das sein Philosophieren prägende „Ereignis“ (191). 12 Hier wird von den Herausgebern das „Prometheus“-Zitat ausnahmsweise nachgewiesen, AA XVII, 616.
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7 Georg Forster und Goethes „Prometheus“
det in der Absage an die anthropomorphe Vorstellung eines persönlichen Gottes zugunsten eines Determinismus, der Handeln an Erkenntnis von Notwendigkeit bindet.
7.3 Abwendung vom ‚Urbild der Vormundschaft‘ zur ‚Konkordanz von Naturmacht und Selbstmacht‘ in Briefen und posthum veröffentlichten Texten Als symptomatisch kann der Rückgriff auf den Kontext gedeutet werden, in dem Goethes Gedicht erstveröffentlicht wurde. Mehrere Momente der Publikations geschichte des „Prometheus“ nimmt Forster in den neunziger Jahren auf. Wenn Jacobi im Spinoza die Anonymität des Verfassers des „Prometheus“ dadurch letztlich lüftete, dass er Goethes Gedicht „Das Göttliche“ mit Nennung seines Namens druckte, „damit man ja“, wie Goethe am 11. September 1785 an Jacobi schrieb, „bei dem noch ärgerlicheren ‚Prometheus‘ mit Fingern auf mich deute“ (Goethe 1966, 538), zitiert Forster in seinem Aufsatz „Die Kunst und das Zeital ter“ Vers 8 aus dem Gedicht „Das Göttliche“, um den „griechische[n] Anthropo morphismus“ zu feiern, dessen „belebendes Feuer“ die antike Kunst „entzückte“ (AA VII, 24): „Dankbarkeit gegen die ‚geahndeten, besseren Wesen‘, womit die Einbildungskraft den Olymp und das Empyräum bevölkerte, schuf die erste Bild säule eines Gottes mit den Zügen der verklärten Menschheit.“ (23) Wenn Jacobi im Spinoza berichtet, wie er Lessing den „Prometheus“ zum Lesen gegeben habe, so greift Forster in der Vorbereitung der Publikation eines privaten Briefs für den zweiten Band seiner Kleinen Schriften hierauf zurück: Den folgenden Morgen kam Lessing in mein Zimmer, da ich mit einigen Briefen, die ich zu schreiben hatte, noch nicht fertig war. Ich reichte ihm verschiedenes aus meiner Briefta sche, daß er unterdessen sich die Zeit damit vertriebe. Bey’m Zurückgeben fragte er: ob ich nicht noch mehr hätte das er lesen dürfte. „Doch!“ sagte ich (ich war im Begriff zu siegeln): „Hier ist noch ein Gedicht!; – Sie haben so manches Aergerniß gegeben, so mögen Sie auch wohl einmal eines nehmen“… (Jacobi 1988, 273)
Unter dem Titel „Aus der Brieftasche eines Reisenden. Fragment“ erschien 1794 in Theil 2 von Forsters Kleinen Schriften (359–370)13 ein Brief an Samuel Thomas Sömmering vom 24. April 1784. Die brieflich unvollständig überlieferte Publika
13 Vgl. Fiedler 1971, 86, Nr. 416.
7.3 Abwendung vom ‚Urbild der Vormundschaft‘
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tionsgeschichte14 und das Fehlen der Handschrift erlauben es nicht, den Grad der Bearbeitung des Privatbriefes für die Publikation zu bestimmen, aber auffällig sind die „Prometheus“-Zitate, nicht nur „was in Freude und Leid ein Mensch dem andern sey“ (AA XIV, 44), sondern vor allem: Was das Schicksal an uns Einzelnen fortbildet, indem es uns in neue Thätigkeit versetzt, uns neue Berührungspunkte verschafft, uns auffordert für Andere zu wirken, das ist der erhabene Zweck unseres Daseyns, wobey wir nur das Zusehen haben, indeß der Zweck unserer Handlungen dazu nur Mittel ist. […] Vernunft und Empfindungen, durch einan der geschärft und berichtigt, schaffen in mir eine Welt, wozu ich jetzt nur die formleere Hülle in mir trage: so geht ein vollkommneres Wesen hervor, mit erhöhtem Bewußtseyn, mit anderen Quellen des Genusses, mit einem umfassendern Sinne, zu erlesenern Freuden und Leiden gebildet! (45)15
Im nicht mehr für die Publikation bearbeiteten Tagebuch der Reise von 1790 gibt es schließlich eine Anspielung auf Jacobis Spinoza, die zu Reflexionen führt, die Forster abbricht – mit dem Ausruf: „Wohin gerathe ich?“ (AA XII, 309) In Jacobis Bericht über das Gespräch mit Lessing heißt es: „Mit der Idee eines persönlichen schlechterdings menschlichen Wesens, in dem unveränderlichen Genusse sei ner allerhöchsten Vollkommenheit, konnte sich Lessing nicht vertragen. Er ver knüpfte mit derselben eine solche Vorstellung von unendlicher Langeweile, daß ihm angst und weh dabey wurde.“ (444) Forster erinnert diese Absage im Tage buch auf einem Turm des Schlosses von Windsor, um von Gott auf die „Tyran nei“ in der Erziehung der „Blüthe der Brittischen Jugend“ zu kommen, in Etons „eiserne[m] Joch“, „aus welchem sie nur, vermöge eines günstigen Schicksals, sich zu tugendhaften Männern entwickeln; oder sie müssen ungewöhnlich reiche Anlage hineinbringen, um beim Selbstdenken zu edlen, großen Vorstellungen zu kommen“ (310). Der Ausgangspunkt dieser Reflexion ist die Wahrnehmung schö ner Landschaft: Eine schöne Lage, eine herrliche Aussicht, und immer nur die ewige Wiederholung des Schönen und Herrlichen, die es einem so begreiflich macht, daß der unvergeßliche Les sing sich die Langeweile so lebhaft mit der allgenugsamen Existenz in Verbindung denken konnte! Was ist es denn nun mehr, daß ich von dem Dach des Gefangenenturms in Windsor zwölf Grafschaften dieses Feenreichs überschaute! (309)
14 Vgl. Brief an Christian Friedrich Voß, 7. Dezember 1792, er werde „alles schicken“ (AA XVII, 262), während der vom 29. Januar 1793 (326) von dem, was folgen solle, spricht; vgl. den Kom mentar (698). 15 Vgl. auch die Polemik gegen „kindische Wehmuth“ und „Thoren“ (AA XIV, 44), worauf Uhlig 2004, 237, 386, hinweist.
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7 Georg Forster und Goethes „Prometheus“
Forsters letzte abgeschlossene schriftstellerische Arbeit, „Über die Beziehung der Staatskunst auf das Glück der Menschheit“, beendet die prinzipielle Kritik am religiösen und politischen Patriarchalismus, auch dem „mildestscheinenden“ „patriarchalischen Despotismus“ (AA X/1, 582), an allen priesterlichen und fürst lichen „Vormünder[n]“ eines angeblich „unmündige[n] Menschengeschlecht[s]“ (568), mit dem Zitieren von Goethes „Prometheus“. Eingeführt wird es durch eine Anrede des Lesers als Freund, es mündet aber in der Anrede eines ande ren Adressaten, der Vormünder, denen gerade die Absage erteilt wird; Forsters Text wiederholt damit den Widerspruch, den neuere Interpretationen am Goe theschen Gedicht hervorgehoben haben, den „Konflikt zwischen kommunikati ver Geste und Aussage, zwischen der Anrufung der Götter und der Negation ihrer Existenz“ (Mülder-Bach 1996, 114). Mülder-Bach hat darauf hingewiesen, dass Goethes Gedicht „die rhetorische Form der Apostrophe […] buchstäblich erfüllt“, die Figur der „Abwendung“, „mit der sich der Redner von seinem Publikum – in der Gerichtsrede etwa den Richtern – abkehrt, um eine andere, […] anwesende oder abwesende Instanz zu adressieren“ (114). Wenn diese Abwendung im Falle der Hymne, „den mythologischen Bestand als metaphorische Projektion […] ent larvt […], indem es ihn neu, nämlich als Bestand einer poetischen Sprache setzt“ (114),16 dann verweist Forsters Abwendung in „Staatskunst“ auf die Probleme der Emanzipation, indem eine männliche Metapher gegen eine weibliche aus gewechselt wird, der Vater als Despot gegen die Mutter Natur. Es ist gerade das „Prometheus“-Zitat, das die Schwierigkeiten und das Ungelöste der Befreiung mit der Abhängigkeit vom Schicksal zusammenbringt; Forsters Schluss beginnt: Endlich, mein Freund, scheint die Zeit gekommen zu seyn, wo jenes lügenhafte Bild des Glücks, das so lange am Ziel der menschlichen Laufbahn stand, von seinem Fußgestelle gestürzt, und der ächte Wegweiser des Lebens, Menschenwürde, an seine Stelle gesetzt wer den soll. Des Schmerzes und des Vergnügens fähig, gebildet zu leiden und sich zu freuen, lasse der Mensch die Sorge seines Glücks der Natur, die allen Geschöpfen das Maß des Genusses nach ihrer Dauer und ihren Verrichtungen bestimmt. […] Wohlan, Ihr Fürsten und Priester! wir gönnen Euch euern Genuß; aber wir sprechen Euch zugleich los von einer Pflicht, die alle eure Kräfte übersteigt. Anstatt uns Glück zu verheißen, laßt es eure alleinige Sorge seyn, die Hindernisse wegzuräumen, die der freien Entwicklung unserer Kräfte entge genstehen; öffnet uns die Bahn, und wir wandeln sie, ohne Hülfe eures Treibersteckens, an das Ziel der sittlichen Bildung; denn seht! wir empfangen Freude und Leid, unsere wahren Erzieher, aus der Mutterhand der Natur! – (AA X/1, 591)
16 Vgl. aber die Nähe zur These, dass auch radikale Kritik dem Mythos nicht entkommen könne, bei Blumenberg 1990, 465, und Kerényi 1959, 21.
7.3 Abwendung vom ‚Urbild der Vormundschaft‘
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Diese Absage an religiöse und politische Vormundschaft steht in schärfstem Gegensatz zu dem einst Jacobi brieflich gezeichneten ‚Urbild der Vormundschaft‘ Gottes über das menschliche Geschlecht (AA XIII, 431). Mit den Zitaten aus Goe thes Gedicht vergewissert sich Forster noch in den letzten Monaten seines Lebens des Selbstgemachten wie des Naturnotwendigen nicht nur seines eigenen ‚Schick sals‘. Wie schon stets seit dem Kennenlernen des Gedichts wird Prometheus nicht auf den Künstler beschränkt,17 wenn er auch als Bild des schöpferischen Menschen für die Selbstverständigung des Schriftstellers Forster von besonde rer Relevanz ist. Über den Anteil des einzelnen an historisch-gesellschaftlichen Prozessen, die ihn ‚schmieden‘, indem sie als Natur schicksalhaft wirken, und in denen er zugleich sich selbst schafft, indem er ‚alles selbst vollendet‘, reflek tiert Forster in dem gleichfalls zu seinen Lebzeiten nicht mehr veröffentlichten Schreiben „An Thomas Brand den jüngern“;18 über den Schriftsteller zwischen Täuschungen der Allmacht und Ohnmacht heißt es: […] das Räthsel unseres Daseins ist auch mir noch zu sehr ein Räthsel, als daß ich im Ernst die Absicht haben könnte, für irgend ein System von Meinungen den Bekehrer und Fanati ker zu machen. […] aber in dem Maße wie man von der Täuschung zurückkommt, huldigt man der Überzeugung, daß dies ein Werk sei, wozu die Natur schlechterdings der persön lichen Kräfte eines Jeden bedarf. Wer es inne geworden ist, daß nur die Zeit, die Erfahrung und die Anstrengung ihn „zum Manne schmieden“ konnten, der kann wol Anderen Veranlassung zum Denken geben, aber nicht sich schmeicheln, Denken und Empfinden bei ihnen willkürlich hervorzubringen, und noch viel weniger, an dem kläglichen Spielwerke, welches zu oft den Namen einer solchen Schöpfung tragen muß, ein Wohlgefallen finden. (AA 10/I, 506–507)
17 Vgl. aber so Karl Philipp Moritz, der 1791 Goethes Gedicht in seiner Götterlehre abdruckt: Prometheus sei „ganz wie der bildende Künstler dargestellt“ (Moritz 1966, 26). 18 Therese Forster gab es 1843 als Widmung der „Darstellung der Revolution in Mainz“ heraus, vgl. Fiedler 1971, 12, Nr. 2, Bd. 6, 352–357.
8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“ „[… A]n manchen Orten durch Herderische Ideen zu sehr hingerissen“ sei Fors ter in dem 1790 in der Thalia veröffentlichten Aufsatz, meinte deren Herausge ber Friedrich Schiller; er verzichtete jedoch darauf, mit Forster „eine Lanze zu brechen, und die unterdrückte Parthey der neuen Kunst gegen ihn zu nehmen“ (Schiller 1979, 391). Stattdessen verwies Schiller dann fünf Jahre später in seiner Schlichtung des Streits zwischen Antike und Moderne positiv auf Herder, ausge rechnet auf jenes 13. Buch der Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, das Forster für „Die Kunst und das Zeitalter“ gelesen hatte.1 Schillers widersprüchliche Bestimmung des Verhältnisses von Herder und Forster lässt sich in einen breiteren Kontext der Diskussion über die aktuelle, geschichtsphilosophische und ästhetische Bedeutung der griechischen Antike stellen. Forsters Aufsatz wurde von nahezu allen Beiträgern zur Diskussion über das Studium der Griechen gelesen, die um die Mitte der neunziger Jahre u. a. von Schiller, Wilhelm von Humboldt, August Wilhelm und Friedrich Schlegel ausge tragen wurde.2 Weshalb Forsters Rolle im Formierungsprozess der klassischen und der frühromantischen Antike-Konzeption übersehen werden konnte, dürfte sich klären, wenn seine Herder-Lektüre im „Zeitalter“-Aufsatz geprüft wird. Herder erscheint – auch wenn der Name nicht genannt wird – in Forsters Auf satz als der „geistreichste Schriftsteller unseres Jahrhunderts“ (AA VII, 21); die anonyme Lobeserhebung nimmt vorweg, was Forster in den „Parisischen Umris
1 Vgl. hierzu Bollacher 1990, 141. 2 Forster wird immerhin in einer Skizze des Debattenkontexts erwähnt bei Mennemeier 1971, 50; der „Studium“-Aufsatz sei „nicht singulär“: „Garve, Forster, Meyer, Bouterwek, Humboldt haben Ähnliches versucht. […] Was Schlegels Jugendaufsatz gegenüber solchen Versuchen sei ner Zeit jedoch auszeichnet, sind die außerordentliche Intensität und Hellsichtigkeit, mit denen der Autor in einer durch Herderschen Relativismus charakterisierten geistigen Lage das ältere Winckelmannsche ‚Motiv‘ der ästhetischen Erneuerung ergreift, ohne sich das geschichtlich Ei gentümliche und Krisenhafte jener Lage wie der modernen progressiven Bildung überhaupt zu verschleiern.“ Zu hinterfragen sind allerdings zwei Thesen zu Schlegels Besonderheit, einmal, dass nur er „Winckelmann in einem durch Herder geprägten kritischen Bewußtsein ‚aufzuhe ben‘“ (52) versuche, dann, dass nur Schlegel eine „universale geschichtsphilosophische, das hohe spekulative Selbstvertrauen der Epoche verratende Ansicht“ (54) vertreten habe. Umge kehrt fehlt der Kontext in der ansonsten ertragreichen Interpretation von „Die Kunst und das Zeitalter“ bei Uhlig 1965, 127–133. DOI: 10.1515/9783110343878-012
8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“
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sen“ (AA X/1, 595) praktiziert,3 und sie entspricht den brieflichen Äußerungen, wo Herder durchweg – neben Christian Gottlob Heyne – als der ihm am nächsten stehende zeitgenössische Autor figuriert (AA XIV, 662; XV, 68). Forster verweist auf die „irgendwo“ (AA VII, 21) von Herder gemachte Unterscheidung zwischen Zeitaltern des Genies und des Scharfsinns. Die Ungenauigkeit der Quellenangabe leistet zweierlei: einmal lockert Forster die Bindung der Unterscheidung an das 13. Buch der Ideen, wo die Zeit der Kunst von der der Theorie und Kritik geschie den wird,4 dann ermöglicht er sich eine Verallgemeinerung über Griechenland hinaus auf die Geschichte der Menschheit. Auf diese Weise wird aus Herders
3 Vgl. hierzu Peitsch 2000, der korrigiert, was in Unkenntnis der Herder-Bezugnahme zum Ge gensatz Forster-Herder behauptet wurde von Arnold 1980 und 1981 sowie Verra 1981, 125, wo Forster als „Gegenpol“ zu Herder erscheint. Vgl. zu weiteren Bezugnahmen in Forsters Werk Henning 1988, 58, Anm. 15, eine unvollständige Liste für „1. indirekte Erwähnungen“, u. a. „Die Kunst und das Zeitalter“, „2. allgemeine Erwähnungen“, „3. Zitate“; in Forsters Briefen Lange 1980, der allerdings das Verhältnis auf die Alternative praktischer oder Befreiung durch Bildung reduziert (192); allgemein zur Beziehung Uhlig 1990, an den May 2007 anschließt, der aus der Nicht-Beantwortung des letzten Briefs Herders vom Ende April 1792 folgert, „dass der Kontakt zu Herder endgültig abbrach“ und „Forster sich von seinem Freund gelöst hatte“ (255), und Uhlig 2012, der Schillers Urteil über „Die Kunst und das Zeitalter“ folgt (226–227). 4 Herder 1965, Bd. 2, 138. Forsters Herausgeber Gerhard Steiner (AA VII, 792) verweist fälschlich auf das 14. Buch, bringt aber ein Zitat aus dem 13. Buch, Bd. 2, 154. Zum Steiner zufolge von Her der übernommenen Gedanken Voltaires vgl. dessen Das Zeitalter Ludwigs XIV. Voltaire 1989, 268: „Das Genie hat also nur ein Zeitalter, danach muß es in Verfall geraten.“ Für eine Beschäftigung Forsters mit Voltaire im Sommer 1789 könnte sprechen, dass seine Gespräche mit Jens Baggesen (vgl. Brief vom 31. Juli 1789, AA XV, 320) über die Französische Revolution zugleich solche über Voltaire waren. Baggesen 1985, 292, stellt Forster als den „personifizierte[n] Kosmopolitismus“ dar, dessen „Humanität“ (291) sich in „ästhetische[r] Toleranz“ bewähre; Forsters Beispiel im Ge spräch sei der Fall Voltaire gewesen: „Tierisch ist es zum Beispiel, in einem gefälligen Vergleich mit Shakespeare oder Klopstock Voltaire – oder diese im Vergleich mit jenem zu verurteilen. Man hat unrecht, wenn man Birnen von einem Apfelbaum verlangt, und es ist lächerlich, den Apfel zu verwerfen, weil er keine Birne ist.“ (292) So sehr auffällt, dass Forster hier Herders Metaphorik und Methode (die „sich […] in den Charakter jenes Volks und jener Sprache hineinversetzt“) gegen Herders Werturteile wendet, so deutlich ist die Differenz zu dem wenige Wochen später ge schriebenen Aufsatz: „Man muß Engländer sein, wenn man Shakespeare liest, Deutscher, wenn man Klopstock liest, Franzose, wenn man Voltaire liest. Wessen Seele die ihm eigene National tracht nicht abwerfen und sich solcherart eine andere anziehen kann, der sollte fremde Geistes produkte nicht lesen, geschweige denn beurteilen.“ (293) Voltaire-Lektüre Forsters könnte die Quelle sein für eine von Forster in Deutschland schnell durchgesetzte Metapher, die er erstmals in einem Brief an Jacobi am 23. November 1789 benutzt (AA XV, 374): „Noch immer bestehen als Reste der untergegangenen feudalen Regierungsform zweideutige oder beschwerliche oder der Gesellschaft hinderliche Sonderrechte, die am Grund und Boden haften. Es sind die Trümmer eines verfallenen gotischen Gebäudes.“ (Voltaire 1989, 227) Die Geschichte der Verwendung der Metapher – mit Forsters Brief als frühestem Beleg – beschreibt ausgezeichnet Schmidt 1989.
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„Drei-Stadien-Gesetz“ (Bollacher 1990, 138),5 dem „Kreis“ (Herder 1965, Bd. 2, 154) von Poesie, Rhetorik und Philosophie, eine Entgegensetzung von zwei Zeit altern, die mit Antike und Moderne gleichgesetzt werden. Hieraus ergeben sich die wichtigsten Unterschiede6 im Griechenbild zwi schen Herders Ideen und Forsters „Zeitalter“: Aus den „aufgeklärten Griechen“ Herders (Bd. 2, 152) werden bei Forster ‚schöne Griechen‘.
8.1 Der Unterschied zwischen Forsters und Herders Antike in den Ideen: Ästhetisierung als politische Radikalisierung Die Ästhetisierung der Antike ist bemerkenswerterweise mit einer politischen Radikalisierung verbunden: Aus der Kritik der Gegenwart ergibt sich bei Forster die Erhebung der griechischen Kunst zum Ideal. Hierbei macht Forster die Litera risierung des Griechenbildes rückgängig, die die Ideen in einer Abkehr von Win ckelmann, Heyne und Herders eigener Plastik vollzogen hatten. Genau wie diese Autoritäten identifiziert Forster Griechenland wiederum mit Bildhauerkunst; an ihr ist ihm die zeitlos gültige „Norm“ der Kunst, das „Wahre“ im Gegensatz zum historisch-bedingten „Falschen“ der modernen Kunst, ablesbar (AA VII, 16). Die politische Radikalisierung aber zeigt sich in der Erklärung, wie die Musterhaftig keit an vergangene, nicht wiederholbare Bedingungen geknüpft wird. Damit geht Forster über Herders Lösung des Widerspruchs von Musterhaftigkeit und Unwie derholbarkeit, von Autonomie und historisch-genetischer Erklärung hinaus. In den Ideen erschien Rezeptionsgeschichte7 als Ausweg aus dem nicht nur metho
5 Die Zyklizität der Konzeption „Von den Lebensaltern einer Sprache“ (seit den Fragmenten) wird allerdings wohl von Bollacher unterschätzt, wenn er Herder sehr direkt Friedrich Schlegel antizipieren lässt. 6 Vgl. hierzu Krüger 1974, 107, zu „Übernahmen und Änderungen des Herderschen Entwurf zum Gegensatz von Antike und Moderne“ in „Die Kunst und das Zeitalter“, die als Hauptdifferenz die Linearisierung von Herders organischer Geschichtsauffassung herausstellt (120). 7 Nicht zufällig war es wohl Heinz-Dieter Weber, der diesen Aspekt besonders scharf erkannt, aber auch negativ gewertet hat, wenn er ironisch zum „genußreiche[n] Rückblick“ (Weber 1973, 116) als ‚Überwindung‘ des „zyklische[n] Geschichtsbild[s]“ „durch die hermeneutische Fra gestellung“ feststellt: „Bei Herder heilt das historische Bewußtsein noch die Wunden, die es schlug.“ (100) Unter der Dominanz der „Kategorie der historischen Kontinuität“ treibe Herder die „von Winckelmann erkannte absolute Verschiedenheit der Alten und Modernen und ihre Ver sammlung zum historischen Anschauungskanon […] fort zum historischen Universalismus und zur Verlagerung der Schönheitsproblematik in eine Frage nach dem hermeneutischen Bezug zur Geschichte der Kunst“ (99). Zustimmend kommentiert Weber Kants Herder-Rezension: „Keines wegs also genügt Herders Begriff der Geschichte, dem ‚alles Fortschreiten in der Cultur nichts als
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dischen Dilemma: Im Bild des verstreuten „Samen[s]“ (Herder 1965, Bd. 2, 155) fasste Herder die „Wirkung“ (152) der Antike auf eine Weise, die den vollendeten Kreislauf der nationalen Kultur Griechenlands und die Linie des Fortschritts der Humanität der Menschheit zusammenbrachte. Diese – in den Humanitätsbriefen nach Schillers und Schlegels Wiederaufnahme der Querelle nochmals bekräf tigte – Lösung war gebunden an die Literarisierung, denn Rezeption meinte den durch Texte hergestellten Zusammenhang dessen, was aus Griechenland „für die gesamte Menschheit folge“ (128). Die wiederholte Absage an Totenerweckung, ja sogar Totenklage schloss die explizite Relativierung der Norm des Schönen ein, die in Plastik noch absolut gegolten hatte (105).8 Forsters Ästhetisierung des Griechenbildes gewinnt demgegenüber aus der griechischen Plastik ein Ideal, das als Ziel des historischen Prozesses gesetzt wird. Indem auf spezifische Weise die Bedingungen betont werden, die die bildende Kunst der Antike entstehen ließen, bringt Forster die anthropologische Voraus setzung einer einheitlichen, universalen Menschennatur und das politische Inte resse an den historischen Determinanten von Kultur zusammen, ohne auf einen Relativismus zu verfallen, der nur als Rezeptionsgeschichte universell vereinheit licht werden kann. Forsters teils hinter die Ideen zurückgehende, teils deren klas sische und frühromantische Lektüre antizipierende Lesart des 13. Buchs verdankt sich der Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution. Denn die Ästhe tisierung der Griechen leistet geschichtsphilosophisch ein Doppeltes: einerseits wird es möglich, radikal die Neuheit, die Beispiellosigkeit der Revolution zu beto nen – gerade gegen eine humanistische Geschichtsbetrachtung, wie sie Heynes Programm Libertas populorum raro cum exspectato ab iis fructu recuperata anti revolutionär aktualisiert hatte, für die es nichts Neues unter der Sonne gab, weil der Topos historia vitae magistra weiter galt;9 andererseits erlaubt das ästhetische Ideal, das Ziel eines – entgegen dem aufs Nationale fixierten Relativismus – ver einheitlichten Geschichtsverlaufs anzuvisieren. Forsters einzige, überdies ver allgemeinerte Beschreibung griechischer Plastik stellt den schönen Griechen als Weisen und Helden dar. Sie entspricht darin zwar Herders Fassung der Antike als „Gedächtnisplatz“ (Herder 1965, Bd. 2, 127) von Aufklärung und Patriotismus,
weitere Mittheilung und zufälliges Wuchern mit einer ursprünglichen Tradition‘ ist; denn er ist nicht in der Lage, die Entzweiung und Künstlichkeit der Gegenwart, die der Fortschritt kostet, mit der (verlorenen) Vollkommenheit zu vermitteln.“ (121) 8 Vgl. Herder 1965, Bd. 2, 110, 111, 114. 9 Zur traditionellen Geschichtserfahrung vgl. Forsters Ironie im Brief vom 18. Februar 1790 an Jacobi (AA XVI, 24) gegen eine „Philosophie“, die „gar bald das Salomonische Resultat fin det: – und – es geschieht nichts Neues unter der Sonne“. Zu der Metaphorik der Geschichtser fahrung vgl. Peitsch 1989 und 1990.
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aber die ästhetische Verabsolutierung entzieht den Einschränkungen den Boden, die Herder anlässlich der Regierungsformen, vor allem der Republik, vornahm, um die Zyklizität von Machtwechseln zu unterstreichen. Schon die Form des Forsterschen Essays – im Unterschied zur (relativen) Sys tematik von Herders Abhandlung – dient dieser verabsolutierenden Ästhetisie rung. In ihrer Selbstreflexion drückt sich deutlich dieselbe Kritik der Gegenwart aus, die in der Antike ein ästhetisches Ideal sucht und findet. Als Versuch, „sich selbst“ ein „Gefühl“ „zu erklären“, tritt der Essay als „Meditation über eine indi viduelle Empfindungsart“ ebensowohl mit dem Anspruch an Leser auf, „ob sich jemand unter ihnen finde, dessen Gefühl sich in ihren Gesichtspunkt versetzen kann“, wie mit dem Eingeständnis, Produkt eines „Augenblick[s] der Begeiste rung“ zu sein, der zwar „Wahrheit zu ahnden“, aber „nur als ein halbdunkles Bild“ ‚mitzuteilen‘ erlaube. (AA VII, 26)10 In seinen Briefen bezeichnet Forster den Verfasser des Essays gelegentlich ausdrücklich als „Schwärmer“ (AA XVI, 32).11 Das von Ludwig Ferdinand Huber aus dem Nachlass edierte Fragment „Schwärmerey, eine Mutter der schönen Künste“, das Steiner ohne Belege auf 1785 bis 1789 datiert (AA VII, 453), enthält einen Satz, der leicht variiert in Forsters Briefen zur Zeit der „Composition“ (AA XV, 356) von „Die Kunst und das Zeital ter“ wiederholt auftaucht, immer aber in Beziehung auf die Französische Revo lution: „daß man überall den Menschen das Ziel weiter stecken müsse, als sie kommen können, damit sie wenigstens so weit kommen, als es ihnen möglich ist“ (AA VII,28). Erstmals benutzt Forster diese Formel in einer seiner frühesten, der dritten Stellungnahme zur Revolution, wenn er Heyne gegenüber anhand des 5. August 1789, der „in der Welt ohne Beispiel“, für Enthusiasmus plädiert, damit die Einführung asiatischer oder afrikanischer Verfassungen in Europa verhindert werde (AA XV, 328). Drei Monate später rechtfertigt Forster die Schwärmerei in einem Brief an Friedrich Heinrich Jacobi, der gegen Johann Georg Schlossers Ver teidigung des „alte[n] gothische[n] Gebäude[s] der deutschen Reichsverfassung“ die Notwendigkeit selbst eines „täusch[enden]“ „Ideal[s]“ (374) setzt; zwei Tage darauf schickt Forster den Aufsatz an Christian Gottfried Körner mit einer Recht fertigung von Schwärmerei und Enthusiasmus als Gegensatz zur Apathie: Jene seien nötig, damit die Welt „im Gleise“ „bleibe“ (376).12 Die von Forster benutz
10 Noch schärfer formuliert Forster in dem Brief an Jacobi vom 17. Oktober 1789 (AA XV, 356): „Raisonnement ganz in […] Gefühl gegründet“, das nur das „Verhältniß“ der „Empfindungen“ „untereinander […] klar vorstelle[n]“ soll. 11 Brief an Sophie von La Roche vom 19. März 1790 (AA XVI, 32), ähnlich an Körner am 25. No vember 1789 (AA XV, 376). 12 Vgl. dasselbe Bild in Forsters Beschreibung der Wirkung der Lektüre von Herders Ideen im Brief an Jacobi vom 17. Dezember 1784 (AA XIV, 250): „Herders letztes vortrefliches Werk hat, alle
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ten geographisch-historischen Kontrastbilder verweisen, ob im Gegenbild nichteuropäischer oder mittelalterlicher Barbarei, schon implizit auf die Antike, die Gleis-Metapher auf den menschheitlichen Fortschritt. Forsters Fragment füllt eine Leerstelle in der Herder-Lektüre seines „Zeitalter“-Aufsatzes. Ganz im Gegensatz nämlich zu den Ideen spielt die Religion der Griechen in Forsters Essay fast keine Rolle. Es scheint, als hätte Forster einen nicht in seine Argumentation passenden ‚Umstand‘ ausgeschieden und isoliert behandelt. Dabei ergibt sich aber, dass er einerseits eine verschwiegene Proble matik seiner Ideal-Setzung zur Sprache bringt, andererseits einer Anregung von Herders Ideen folgt; den Fall, das Ende der griechischen Götter nämlich hatte Herder, wie folgt, kommentiert: „Werden, da diese schönsten Idole der mensch lichen Einbildungskraft gefallen sind, auch die minder schönen wie sie fallen? Und wem werden sie Platz machen, andern Idolen?“ (Herder 1965, Bd. 2, II, 140) Auf Herders Rückgriff auf einen Terminus Bacons und der Enzyklopädis ten13 antwortet Forsters Fragment mit einer Reflexion über „Volksreligion“: „[…] ist eine Volksreligion, die einen gewissen Grad von unschuldiger Schwärmerey unterhielte, nicht nothwendig und zweckdienlich?“ (AA VII, 28) Den Zweifel, ob es diese „schlechterdings nur nützlich[e], und nicht gefährlich[e]“ Volksreligion gäbe, löst sich Forster mit der Formel vom weiter zu steckenden Ziel: Volksreli gion sind ihm „Vorstellungsarten“, durch die „der Geist und die Phantasie ent flammt und in Schwung gebracht werden“ (28). Die Einheit von Geist und Phantasie einerseits, von Bewusstsein und Han deln andererseits liegt nun aber gerade dem Ideal zugrunde – dem Bild des Wei sen und Helden –, das Forster aus der Antike konstruiert. Die Feuer-Metaphorik eröffnet deshalb auch den Aufsatz, wenn die antiken Werke als „heilige Glut“ erscheinen, an welcher die Modernen ihre „Fackel zu zünden versuchte[n]“ (15). Und sie stellt sich an einer entscheidenden Stelle der Argumentation wieder ein, als Forster sich die – in seinen präjakobinischen Texten häufige – Frage nach der Legitimierung des Geschichtsphilosophen stellt: „Wessen Blick durchdringt die dunkele Ferne verflossener und kommender Jahrhunderte, um den Lebens lauf ganzer Nationen so zu fassen und in einem großen Zusammenhange vor sich aufgedeckt zu überschauen?“ (20) Forsters Antwort behandelt die LebensalterMetapher mit distanzierter Bewusstheit, gerade weil er die „Analogie“ gegen Herders 13. Buch von der Biographie der Nation auf „die Dauer der gesammten
seine Mängel und Hypothesen abgerechnet, manches dazu beygetragen mich ins Geleis zurück zubringen.“ 13 Vgl. Herder 1965, Bd. 2, 148. Vgl. hingegen Bacon 1967 und Voltaires Artikel in Naumann 1972, 681–684.
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Menschengattung“ verschiebt; leicht ironisch nennt er sie „ein hypothetisches Gerippe“ (21). Beglaubigt wird der geschichtsphilosophische Blick der Sache nach ästhetisch, formal durch eine Evidenz verbürgende Metapher: […] es ist mehr als Hypothese, dem Forscher wird es wahr, daß auf jenen edlen Zeitpunkt, da das Feuer der Begeisterung die Menschheit ergriff, […] die größte aller Veränderungen in ihr erfolgte. Die Kunst ward die Pflegerin der Wissenschaft. (21)
Die Lebensalter-Analogie weist der Antike an die Feuer-Metaphorik gebundene Merkmale zu: das „belebende[…] Feuer“ des religiösen Anthropomorphismus (24), den „Feuereifer für das Wohl des Staats“ (23); letzterer erscheint auch explizit als „Enthusiasmus“ und „Schwärmerey“ (23). Als ihr Gegensatz stellen sich – die Aspekte der Wärme und des Lichts im Feuer sondernd – einerseits die „vernünftelnde[…] Kälte“ der „alternden Menschheit“ (25) und der „kalte Hauch des Despotismus“ (24), andererseits die „finstere Schwärmerey“ (16) der christli chen Religion ein. Der Gegensatz von heller und warmer Antike und finsterer und kalter Moderne wird nicht nur begrifflich – mit Herder – als der von Genie und Scharf sinn fixiert, dessen Fortschritt, die „höchste[…] Entwickelung“ der „Vernunft“, „unvermerkt die ästhetische Empfänglichkeit verloren gehen“ (21) ließ, sondern auch in zwei Bildern vom Menschen. Das des antiken entwirft der Text als kol lektiven Dialog von Griechen, die zum ersten Mal das „Marmorbild“ des Ideals sehen; ihre Beschreibung nimmt nicht nur das Selbstporträt des Geschichtsphi losophen vorweg, sondern enthält auch eine Anspielung auf die Feuer-Metapho rik, insofern Goethes Prometheus zitiert wird: „Diese Stirne birgt hohe Weisheit“, rief man einander zu; „jener Blick ergründet die Gedan ken und enträthselt die Zukunft; Überredung fleußt von solchen Lippen! Den Schleier der Gestalten durchschimmern hier Leiden und Genuß; aber sie stören nicht das schöne Eben maas ihrer Züge, entadeln nicht ihre Stellung: so leidet und so genießt der Held und der Weise!“ (19)
Das moderne Kontrastbild ist das der Maschine. Bezeichnenderweise bietet es der Text in der – zunächst hypothetischen, ausdrücklich die zeitgenössische Philoso phie referierenden – Aufzählung der „Ursache[n]“, weshalb „die moderne Kunst hinter der alten zurückbleibt“ (16). Für die „unermeßlich[e]“ „Entfernung“ nennt Forster teils Winckelmann, teils Herder folgend14 neben dem Klima Religion und
14 Vgl. die unterschiedliche Gewichtung der Faktoren „Himmel“, „Verfassung“ und „Den kungsart“ in Winckelmanns „Von den Gründen und Ursachen des Aufnehmens und des Vor
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Verfassung; letztere verbindet er beide mit der Maschinen-Metapher: Die Reli gion mache „aus Menschen sinn- und seelenlose Maschinen“, die Verfassung „Räder“, die „ein träges Rad […] treibt und wenn dieses stockt, […] alle stocken“ (AA VII, 16).15 Forsters Verwendung der Maschinen-Metapher richtet sich hier zwar aus schließlich gegen den geistlichen und weltlichen Despotismus,16 den er in
zugs der griechischen Kunst vor andern Völkern“ (1976, 180), und in Herders „Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traum“ (1969, Bd. 3, 90–91: „Himmelsstrich“, „Erziehung“, „Charakter der Nation“, „Religion“), „Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. Beitrag zu vielen Beiträgen des Jahrhunderts“ (Bd. 2, 297–298: „Regimentsform“, „Mythologie“, „Klima“, „Denkart“, „Charakter dieser Nation“), „Denkmal Johann Winckelmanns“ (Bd. 5, 240: „Klima“, „Erziehung“, „Freiheit“, „Denkart“), Briefe zu Beförderung der Humanität (Herder o. J., Th. 13, 322: „Klima“, „Verfassung“). Zum Pri mat der Religion vor Klima und Verfassung in den Ideen: Herder 1965, Bd. 2, 113, 116, 120. 15 Meyer 1969, 159, kommentiert wichtige Parallelstellen bei Hegel und Schiller. 16 Insofern hat zum Teil Martin Fontius recht, zum Teil Manfred Frank; Fontius 1977, 431, setzt Forster, „dessen revolutionäre Tugenden seine Bedeutung für die ästhetischen Diskussionen in der deutschen Klassik zu Unrecht in den Schatten treten ließen“, scharf von Herder (Bildung statt historischer Vergesellschaftung, 459) und Humboldt (Entfaltung und Harmonie der inne ren Kräfte des Menschen, 479, „aristokratisch gefärbtes Humanismusideal“, 478) ab, obwohl er den Grundbegriff des ‚Mechanischen‘ bei Forster erst zitiert (431) und ihn dann als Herdersche „Wortfackel“ (463) zu denunzieren meint, obwohl Forsters Teilhabe am „negative[n] Staatsbe griff, wie er für die klassische politische Ökonomie typisch ist“ (469), erst konstatiert und dann Humboldts Kritik ‚mechanischer‘ Geschäfte als Ausdruck auf den Staat fixierter Blindheit für die ökonomischen Prozesse (475) abgewiesen wird: Fontius meint, dass „die klassische politische Ökonomie Englands für das Humanitätsideal der deutschen Klassik die […] Rolle eines letztlich unverstandenen Substrats abgegeben“ (477) habe. Fontius zitiert auch Forsters („der genials te unter den deutschen Prosaisten jener Zeit“, 497) Beschreibung des neuen Verhältnisses von Autor und Wirkung des Werks („als Warenproduzent bewußt geworden“, 498), unterschlägt aber, dass auch Forsters Formulierung an der objektiv durch den Warenfetischismus bedingten, „mystifizierende[n] Grundtendenz“ teilhat (502). Die „Entwicklung zur sogenannten romanti schen Auffassung des organischen Kunstwerks“ (502) wird stattdessen an Moritz gezeigt und erst später wird ein Forster-Zitat (512) gegeben. So richtig ist: „Die Kritik am Absolutismus er scheint durchdrungen und gesättigt von Bildern, die aus der Manufaktur stammen, doch wird der Vorgang der Arbeitsteilung innerhalb der Manufaktur selbst nur sehr selten wahrgenommen. Allenthalben trifft man daher in der deutschen Literatur jener Zeit auf Formeln und Gedanken gänge, die eine Kritik kapitalistischer Arbeitsteilung zu sein scheinen, in Wirklichkeit aber nur Kritik des absolutistischen Staates und der feudalen Gesellschaftsstruktur sind“ (479), so frag lich bleibt die Schlussfolgerung, insbesondere Schillers ästhetische Theoriebildung sei nur „ein politischer Protest gegen das despotische Wesen des absolutistischen Staates“ (483). Dagegen spricht schon Fontius’ andere Grundthese: „In dem allgemeinen Rückzug auf das ‚denkende Ich‘ spiegelt sich […] der reale Sachverhalt, daß für die Mehrzahl der deutschen Intellektuellen in zwischen auch die ‚Denkkraft‘ […] zur Ware geworden war.“ (481) Das missverständliche Wort
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den beiden kurz zuvor entstandenen Aufsätzen, „Fragment eines Briefes an einen deutschen Schriftsteller, über Schillers Götter Griechenlands“ und „Über Proselytenmacherei“,17 angegriffen hatte, sie trifft aber auch die „Fortschritte der Vernunft“ (22); in der Lebensalter-Analogie wirkt implizit das Gegenbild zur Maschine, das des Organismus, auch wenn Forster den Begriff nicht benutzt. So heißt es über das gegenwärtige Alter der Menschheit, dass die „Kraft“ der „Ver nunft“ „wieder erlischt und der Mechanismus ihrer Vorschriften allein übrig bleibt, in dessen langgewohnten Banden die geschwächte Organisation maschi nenmäßig oscillirt, gleichfern von eigener Empfindung und eigenem Denken“ (20–21). Dem modernen Alter wird die antike Jugend – auch im Tages- („Morgen“, 22)18 und Jahreszeiten-Vergleich vom „Lenz“ (20) und „Frühling“ (21) – entge gengesetzt: „ideenreiche Blüthe der Gefühle“ (21) bezeichnet jene Einheit von menschlichen Seelenkräften, die Forster aus den spezifisch griechischen Bedin gungen erklärt und zugleich zur Norm wie zum Ziel des historischen Prozesses erhebt. Dabei verfährt er letztlich zirkulär, insofern das genetische Erklärungs modell die Norm nur wiederholt: Aus der gewünschten Harmonie menschlicher Anlagen folgt als Erklärung die Harmonie zwischen universaler menschlicher Natur und griechischen Bedingungen. In dieser Tautologisierung von Griechen und Menschheit folgt Forster sehr eng Herders Plastik, nicht jedoch den Ideen, die den für Forster – mit Winckelmann – entscheidenden ‚Umstand‘ Klima in
‚spiegelt‘ meint: ist determiniert und protestiert dagegen (vgl. 428, 491). Frank 1982 hingegen überspitzt die These von der Reaktion auf den Terror, die auch Jauß 1989 übernimmt. Forsters frühe Überlegungen zum Mythologie-Problem machen die These fraglich, dass die ästhetische Revolution (ohne Anführungszeichen) (Frank 1982, 85) als soziale Utopie Neue Mythologie (mit Frank) brauche, um praktisch zu werden, gegen den Legitimationsverlust der analytischen Ver nunft aufgrund der Enttäuschung der revolutionären Naherwartung (82); vgl. etwas anders (115): „die ‚ästhetische Revolution‘ der deutschen Frühromantik war eine kritische Antwort auf die enttäuschte Naherwartung der Revolution, nicht ihre homologe ästhetische Manifestation“. 17 Dahnke 1989, 257, deutet in der Gegenüberstellung von Körner und Forster die Alternative eines Konzepts autonomer Poesie und eines „radikalen aufklärerischen Denkens“ an, „das von der siegreichen Macht öffentlicher Diskussion und Wahrheitsfindung als Schlüssel zur Mensch heitsemanzipation ausging“; ein Vorbehalt wird spürbar, wenn es über Forster heißt, dass er „das Spezifische von Dichtung durchaus anerkannte“. 18 Auffällig ist Forsters Zurückhaltung gegenüber dem gewissermaßen ‚kleinsten‘ Zyklus, der Tageszeiten-Metapher, gerade im Gegensatz zu Herder, bei dem sie die anderen Zyklen (Jahres zeiten, Lebensalter) dominiert, vgl. Herders Winckelmann-„Denkmal“ (1969, Bd. 5, 229, 239, 251), wo das Eröffnungsbild des 13. Buchs der Ideen bis ins Detail vorweggenommen wird: Herder 1965, Bd. 2, 95. Als „punktuell einsetzbare Fortschrittsmetapher“ deutet die Tageszeit bei Herder hingegen Meyer 1981, 103.
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dem „glücklichen und in seiner Art einzigen Zusammenfluß von Umständen“ (15) nachdrücklich herunterspielten.19 Forster erklärt die Harmonie folgendermaßen aus Harmonie: […] so mußte doch bei der vielfältig verschiedenen Beschaffenheit der Länder und ihrem wirksamen Einfluß auf innere und äußere Bildung, die Gegend irgendwo zu finden seyn, wo die menschliche Organisation mit der Lage, den Erzeugnissen, dem Himmelsstrich, vor allen übrigen harmonirte, wo alles zusammenstimmte, sie zur höchsten Vollkommenheit und Schönheit zu bilden (18).
Das antike Griechenland als der menschlichen Organisation entsprechender Organismus wird nicht nur klimatisch, sondern auch politisch bestimmt, die von Herder herausgestellte Religion findet in Forsters zusammenfassender Charakte risierung der Determinanten keinen Platz: „Das milde gemäßigte Klima, die zum Handel und Verkehr mit entfernten Völkern, mithin zur Entwicklung der Kräfte und Vermehrung der Kenntnisse so bequeme Lage, die Freiheit der Verfassungen, das daraus entstehende schöne Gleichgewicht der physischen und sittlichen Kul tur, der Gedankenreichthum bei der höchsten Reitzbarkeit des Gefühls“ begrün den, weshalb „die schönsten Formen der Menschengattung einst“ in Griechen land „entstehen mußten“ (18). Die Implikationen dieses ästhetischen Modells eines gesellschaftlichen Orga nismus werden deutlich, wenn die modernen Bedingungen für die Unwieder bringlichkeit des Ideals von Forster beschrieben werden. Moderne Kunst wird von Forster „eine Truggestalt“ genannt, „die Geburt des Bedürfnisses und der Besonnenheit“ (22). Die Metapher vom Gespenst unter streicht, dass die „Kluft“ zwischen Antike und Moderne „das Wahre von dem Falschen trennt“ (16). Die Ursachen der Falschheit gibt Forster in der Weise, dass sie sich unter die beiden Begriffe Bedürfnis, Sinnlichkeit, und Besonnenheit, Ver nunft, gruppieren lassen, auch wo der Text explizit die in der Kunstdiskussion gängigen Umstände begrifflich nennt. Sitten und Religion, die für die Antike aus geklammert werden, spielen hier eine entscheidende Rolle, wobei Forster immer wieder von den modernen Verhältnissen auf die antiken zurückverweist und so deutlich macht, dass im Ideal das Schöne, das Sittliche, das Religiöse und das Politische zusammenfallen. Die Verselbständigung der Philosophie macht die Kunst des Ideals zu etwas Vergangenem: „[…] so war auch die erhabene Bestimmung der Kunst, die Leh
19 Herders Plastik unterscheidet sich hinsichtlich der ‚Umstände‘ markant von den Ideen, vgl. Kapitel 9.
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rerin und Bildnerin der Menschen zu seyn, in jenem Augenblick erfüllt, da die Philosophie dieses Lehramt übernahm.“ (22) Verselbständigung der Vernunft meint aber auch, dass die Kunst in doppelter Weise „in die Sphäre der Dienstbarkeit“ (25) ‚gestoßen‘ sei: Einmal gehe sie „in den Fesseln der Theorie“ (22), dann diene sie sinnlichen Bedürfnissen, die nicht mehr mit der Vernunft im „Sittlichschönen“ (23) integriert seien. Wenn Forster deshalb von „Privatluxus“ und der „Seuche des Egoismus“ spricht, „der sich am gemeinschaftlichen Genusse nicht genügen läßt“ (23–24), wird das antike Gemeinwesen als Gegenbild deutlich. Bemerkenswerterweise ist der Gegen satz einer zwischen „Mechanismus“ und „instinktähnlich[er]“ „Jugendkraft der Menschheit“ (22–23). Die antiken „Meisterwerke“ werden von Forster primär poli tisch beschrieben, so wie er unter den modernen Umständen die Verfassung in ihrem Einfluss auf die Sitten vor Religion und Klima setzt: Werke, „die mit dem Enthusiasmus der Vaterlandsliebe und Vaterlandsehre zum Genuß und zur Erwe ckung Aller gebildet, das ganze Volk mit Ahndung des Sittlichschönen, […] mit dem Feuereifer für das Wohl des Staats […] erfüllten“ (23). Gegenüberstehen sich so letztlich antike Vaterlandsliebe und moderne Herrschaft, Enthusiasmus und „vernünftelnde[…] Kälte“ (25): „Vaterlandsliebe konnte den nicht begeistern, der kein Vaterland hatte, sondern einen Herrn.“ (24) Die Harmonie menschlicher Anlagen im Ideal meint also nicht nur das Indi viduum, sondern auch die politische Öffentlichkeit. Deren Gleichsetzung mit einem Organismus wird dadurch gefördert, dass Forster die Pflanzen-Metapho rik Herders nahezu ausschließlich für die antike Kunst reserviert. Die moderne Kunst ist ihm eine „kranke Treibhauspflanze“ (22), wohingegen die Natürlichkeit der griechischen „Blüthe der Kunst“ gerade in ihrer Unwiederbringlichkeit gese hen wird, wie die Ausdeutung der organologischen Metapher betont: „Was auf den Augenblick ihrer Vollkommenheit folgt, ist nur entseelte Gestalt. Vergebens wünscht man diesen glänzenden Moment zu verlängern oder festzuhalten“ (15). In der Betonung der Vergangenheit des antiken Griechenlands ist Forster Herders 13. Buch sehr nahe. Doch fehlt bei Forster die verallgemeinernde Anwen dung der Pflanzenmetapher auf nationale Kulturen. Nicht nur in den Ideen, sondern auch in den Humanitätsbriefen deckt diese Methode der genetischen Erklärung die Relativierung der klassizistischen Norm. Die Aufforderung, grie chische Kunst „ort- und zeitmäßig zu betrachten“ (Herder 1965, Bd. 2, 104), fasst die im 13. Buch häufigen Absagen nicht nur an Totenerweckung, sondern sogar an Totenklage zusammen. Herders Ablehnung, „dem Augenblick unnatürliche Ewigkeit zu geben“ (155), gilt gerade für die Kunst, ausdrücklich die Plastik, die er der Literatur unterordnet. Die ‚aufgeklärten Griechen‘ lassen sich in den linea ren Fortschritt der Menschheit integrieren, die Künste der Griechen hingegen ord nen sich in ein zyklisches Tages-, Pflanzen- und Lebensalter-Bild ein, das deren
8.1 Der Unterschied zwischen Forsters und Herders Antike in den Ideen
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nationale Besonderheit betont. Zwar verspricht sich Herder vom „Erzählen der Geschichte“ als „reine Naturgeschichte“, „rein zu sehen, was da ist“: „Mit diesem strengen Grundsatz verschwinden alle Ideale“ (151), aber unter der Hand wird ihm der methodische Grundsatz, genauer: die Lebensalter-Metapher, zum Ideal: Die Griechen werden zum einzigen Volk mit einer individuellen Biographie. Nicht nur sind die Griechen von der Zumischung fremder Nationen befreit und in ihrer gan zen Bildung sich eigen geblieben, sondern sie haben auch ihre Perioden so ganz durchlebt und von den kleinsten Anfängen der Bildung die ganze Laufbahn derselben so vollständig durchschritten als sonst kein andres Volk der Geschichte. (149)20
Allerdings ist Herder in dieser verallgemeinernden Idealisierung durch geneti sche Individualisierung nicht konsequent; ins Bild der ‚aufgeklärten Griechen‘ passt, dass er ihnen die Kenntnis des „ewigen Grundsatzes der höchsten politi schen Tugend“ (Herder 1965, Bd. 2, 127) zuschreiben kann, auch wenn er ansons ten eher zurückhaltend die Regierungsformen diskutiert. Ausdrücklich zurückge wiesen wird die Republik als „Muster“ (125), aber dem Thermopylen-Spruch wird zeitlose Gültigkeit zugeschrieben.21 Der Widerspruch zwischen Geschichte als exempla-Sammlung und einer Geschichtsphilosophie, die ihre besondere Affinität zu Griechenland methodisch formuliert, löst sich im Begriff der Bildung. Ihm entspricht, dass Herders ‚aufge klärte Griechen‘ auch das einzige Volk gewesen sein sollen, dessen Geschichte „ihre Philosophie Schritt für Schritt belehrend mit sich“ „trägt“ (140): „Die Phi losophie der Geschichte endlich gehört vorzüglich nach Griechenland heim, weil eigentlich die Griechen allein Geschichte haben.“ (138)22 Hier liegt der Ansatzpunkt für andere Lesarten von Herders Griechen-Bild als Forsters. Es ist bislang, wenn Herders Rezeption durch Schiller, Wilhelm von Humboldt, Friedrich und August Wilhelm Schlegel dargestellt wurde, übersehen worden, dass alle vier Beiträger zur Diskussion der neunziger Jahre über das Stu dium des Altertums Forsters Aufsatz gelesen und kommentiert haben.23
20 Zum Gegensatz zur eigenen Winckelmann-Kritik vgl. Herders (1969, Bd. 5, 240) „Denkmal“. 21 Vgl. diese fatale Tradition schon in Christian Gottlob Heynes „Einleitung in das Studium der alten Kunstwerke“ (Killy 1988, 502). 22 Als Kritik dieser bis zu Lukács reichenden Tradition vgl. Huge 1971. 23 Zu den Beziehungen Forsters zu den Genannten vgl. Rasmussen 1988a, der von einer „Fili ation“ (169) von Forster zu Humboldt wie der von Herder zum jungen Goethe spricht, den Ide enaustausch (141) aber auf das „Fragment“, „Proselytenmacherei“ und die „Englische Littera tur“ von 1788 beschränkt, thematisch auf „Speculation über die Schranken der Gesetzgebung“ (AA VII, 78), wobei er nicht erwähnt, dass Forster so Jeremy Bentham referiert; in den Beziehun gen zu Schlegel und Schiller sieht Rasmussen 1988b mit „Die Kunst und das Zeitalter“ Forsters
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8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“
8.2 Rezeption von „Die Kunst und das Zeitalter“ als Partialisierung eines umfassenden Konzepts kultureller Erneuerung Gemeinsam ist allen, dass sie erstens Herders Literarisierung der Antike folgen zu einem Zeitpunkt, wo Heyne und Friedrich August Wolf noch die griechische Lite ratur zur Hilfswissenschaft erklärten.24 Zweitens gewinnt für sie der Bildungs begriff gegenüber Herder noch an Bedeutung. Hierfür aber erweist sich Forsters Ideal als wichtig. Die Unterscheidung von Antike und Moderne nach menschli chen Anlagen oder Kräften und die Norm ihrer Entwicklung zur Harmonie boten allen vier Forster-Lesern eine Anregung. Allerdings deutete schon Schillers Brief an Huber an, dass es um die Rechtfertigung der modernen Kunst ging, und das musste hier die der Literatur meinen. Die gemeinsame Orientierung auf den Anfang einer „ganz neuen Kunst-Periode“ (Schlegel 1890, 170) markiert einerseits die deutlichste Differenz zu Forster, andererseits gibt es für diese Gedankenform in Forsters Essay genug Impulse. Entgegen der Behauptung Ludwig Uhligs steht „Die Kunst und das Zeitalter“ keineswegs „isoliert“ (1990, 353)25 unter Forsters vorjakobinischen Schriften. Schon auf den ersten Blick verklammert zweierlei den Text eng mit den vorange gangenen „Fragment“ und „Leitfaden zu einer künftigen Geschichte der Mensch heit“ sowie dem nachfolgenden „Über lokale und allgemeine Bildung“: erstens die Begrifflichkeit von Verhältnissen und Organisation, äußeren Bedingungen und inneren Seelen- oder Geisteskräften, zweitens die Bildlichkeit der Lebens alter als Stufen der Gattung (AA VII, 11; AA VIII, 193; AA VII, 45).26 Beides weist auf die Einheit von Ästhetik und Geschichtsphilosophie als das Moment, das die Rezipienten Forsters zu ihren Neuansätzen provozierte. Indem Forster die Antike radikal auf die Plastik reduzierte und die Moderne als intellektuellen Fortschritt und ästhetischen Verlust widersprüchlich fasste, stellte er der verlorenen Einheit
„Zugehörigkeit […] in seiner wichtigsten und fruchtbarsten Epoche zum Kreis der deutschen Klassik“ belegt: „Schlegels Forster-Deutung ist auch ein Stück Usurpation.“ (199–200) 24 Vgl. Heynes „Einleitung“ (Killy 1988, 493). 25 Obwohl auch die Behauptung, Forster habe „bis dahin kaum ein besonderes Interesse für die klassische Antike“ (Uhlig 1990, 353) gehabt, kein Argument darstellt, vgl. doch dagegen Fiedler 1964, 69–70: von den 10 % der Bibliothek, die aus belletristischen Büchern bestanden, waren mehr als 20 % antike Werke, der Anteil der Bildenden Kunst lag bei 1 %. Bemerkenswert sind auch der Arbeitsplan dreijähriger antiker Lektüre und die Anfrage bei Heyne nach Editionen vgl. Briefe an Jacobi vom 1. November 1789 und an Heyne vom 5./6. November 1789 (AA XV, 363–364, 366). 26 Zum Begriff ‚Leitfaden‘ in der Kontroverse mit Kant vgl. Riedel 1980.
8.2 Rezeption von „Die Kunst und das Zeitalter“
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und der gewonnenen „Mannigfaltigkeit“ „partielle[r] Disharmonien und Excen tricitäten“ (AA VIII, 190) das Ziel der Versöhnung auf höherer Stufe. Die Rezeption von Forsters Aufsatz beweist, dass das triadische Schema nicht erst von Schil ler oder Friedrich Schlegel in die Debatte eingeführt worden ist;27 dies geschah bereits in Forsters Versuch, die radikale Neuheit der Französischen Revolution dadurch geschichtsphilosophisch zu begreifen, dass er aus der radikalen Vergan genheit der antiken Plastik ein Ideal machte, das als Ziel der Gattungsgeschichte über die politisch verurteilte Gegenwart der Moderne hinauswies.28 Die Rezeption von Forsters Impuls – der sicher nicht ohne Winckelmanns Begriff des Geteilten und ohne Herders Metaphorik der Wiedergeburt denkbar gewesen wäre – lässt sich als Partialisierung eines umfassenden Konzepts kultu reller Erneuerung verstehen. Wo Forster Individuum und Gattung, Kunst, Litera tur und Politik im Zeichen der Revolution zusammenbrachte, zerlegte sich seinen Lesern diese zukunftsorientierte Einheit von griechischem Ideal und modernen Bedingungen in einzelne Aspekte. Dabei wurde – nicht nur abhängig von den unterschiedlichen und sich wandelnden politischen Standpunkten – die „Bezie hung zu dem welthistorischen Ereignis der Französischen Revolution“, die „von der nahen Zukunft nun auch eine ‚ästhetische Revolution‘ erwarten“ ließ, immer „unausgesprochener“ (Jauß 1970, 70), zur Unzufriedenheit eines Kritikers wie Karl Heinz Bohrer allerdings nicht schon in einem „Abkoppelungsverfahren“ (Boh rer 1983, 56) von Geschichtsphilosophie getilgt, das er erst an Schlegels „Rede über Mythologie“ als Autonomisierung des Ästhetischen feiern kann. Bohrers Lob der „‚Ehrlichkeit‘“ Schlegels – im Gegensatz zur ‚Unehrlichkeit‘ der „Ideo logiekritik“ – gilt scheinbar der „ästhetische[n] Reduktion“, die der „Einsicht“ folge, „Totalität sei in der Moderne unmöglich geworden“ (73–74), de facto aber der Anthropologisierung von Gesellschaft und Geschichte ins Irrationale, unterm Stichwort „Kontingenz“ (74) und der sozialen Beschränkung auf die Elite: „eine esoterische Gemeinschaft Auserwählter“ (71). Bohrers aktualisierender Versuch, den Zusammenhang von Ästhetik und Geschichtsphilosophie zu bannen, bedarf der enthistorisierenden Isolation einer Position aus dem sozialgeschichtlichen Kontext: Recht naiv wird Friedrich Schlegel nicht nur ‚Ehrlichkeit‘, sondern auch Wahrheit seiner Einsichten zugeschrieben.
27 Diese These bei Szondi 1974, 120, und Benno von Wiese in Schiller 1963, 149–150. 28 Vgl. seit Georg Lukács’ klassischer Formulierung der Problematik in Der junge Hegel (1967a, 132–133, 540–541), vor allem Heinrich 1976, 81–100: „Die ‚Gräcomanie‘ als Schwester der ‚Gal lomanie‘“, die sich beziehen konnte auf die bereits früher publizierten Aufsätze von Wolfgang Heise 1982a und 1982b.
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8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“
8.3 Das Ideal und seine historischen Bedingungen Forsters von der Revolution inspirierte Restitution eines absoluten Begriffs des Vollkommenen (Jauß 1970, 71) setzte Versuche in Gang, „die nach Zeiten und Nationen gesonderten Geschichten der Künste […] wieder unter das Gesetz einer geschichtlichen Kontinuität“ (74) zu bringen.
8.3.1 August Wilhelm Schlegel August Wilhelm Schlegel rezensierte am 16. Oktober 1790 in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen Forsters Aufsatz; im selben Monat erschien in Bürgers Akademie der schönen Redekünste sein Aufsatz „Über die Künstler, ein Gedicht von Schiller“, das – wie Gerhard Steiner (AA VII, 446)29 ohne Beleg behauptet – Forsters Aufsatz angeregt haben soll. Schlegels Lob von Forsters Aufsatz trennt den „schon oft […] abgehandelt[en]“, „bekannt[en]“ „Gegenstand“ („Vorzug der alten Kunst“, dessen „Ursachen und Umstände“) von der „Art, wie er sie daraus erklärt“; in ihr findet Schlegel implizit die Versöhnung von Antike und Moderne, wenn er in Forster – dessen Begriffe der Rezensent aufnimmt – ver eint findet: „ästhetische“ „Empfänglichkeit“ und „philosophischen Scharfsinn“, „Unbefangenheit des ersten Genusses“ und „kältere Überlegung und ausgedehn tere Einsicht“, „Begeisterung“ und „Theorie“, „Kunst“ und „Wissenschaft“ (450). Ein Zitat aus Forsters Schlussanmerkung bildet – leicht modifiziert zur Formel „Wahrheit-findende Begeisterung“ (August Wilhelm Schlegel 1957, 87) – den Leit gedanken von Schlegels Rechtfertigung von Schillers Lehrgedicht: „die Alten glaubten, Begeisterung finde auch Wahrheit“ (75). Schlegels Interpretation stellt konsequent auf den „Genuß der Schönheit“ der Antike als „das einzige Pfand der nicht ganz verlorenen Huld des Schöpfers“ für die „abtrünnig gewordne[…] und daher gefallene Menschheit“ ab: „Er […] soll uns wieder in die ursprüngliche Hei math hinaufleiten.“ (79) Im Sinne dieser teleologischen Triade kritisiert Schlegel ausgerechnet als „entfernt und dunkel“ (78) die bei Herder so beliebte Tageszei ten-Metapher vom griechischen „Morgen“ (Herder 1969, Bd. 5, 229; 1965, Bd. 2, 95) mit ihrem zyklischen Beiklang, um zu verdeutlichen: „daß der Sinn für das Schöne im Menschen der Morgenröthe gleicht, und eine zukünftige Mittagshelle der Erkenntniß verheißt“ (August Wilhelm Schlegel 1957, 78). In den Beschrei
29 In Leitzmanns erstem Neudruck nach Gervinus’ Ausgabe fehlt diese Behauptung wie al lerdings auch die Identifizierung Herders: Leitzmann 1894, xix, heißt es zu „Der geistreichste Schriftsteller“: „kann ich nicht nachweisen“.
8.3 Das Ideal und seine historischen Bedingungen
161
bungen der Vergangenheit als Zukunft liegt der Akzent entweder auf der Poesie, die das goldene Zeitalter ‚zurückzaubert‘, oder auf dem „Menschengeschlecht“, dessen „letzte[…] Vollendung“ „bevorstehe“ (87). Hier zeigen sich zwei Differen zen zu Forsters Essay, die auch in den späteren Rezeptionszeugnissen begegnen: einmal die Vorrangstellung der Literatur unter den Künsten – da (mit Herder) „Poesie und Musik […] mit dem Menschengeschlecht zugleich entstanden, weil der Mensch nicht nur die Anlage dazu, sondern auch das Organ ihrer Darstel lungen in sich trug“ (81),30 dann die Privilegierung der Kunst überhaupt: „Die Kunst […] ist das eigenthümlichste Vorrecht der Menschennatur, weil bei der Her vorbringung und dem Genusse schöner Kunstwerke alle Kräfte derselben in dem schönsten Verhältnisse geübt werden, und weil daher auch die Bildung, die sie gewähren, ächt menschlich ist.“ (77)31 Die Anthropologisierung der Griechen zur Menschheit und die Literarisie rung des Bilds der Antike folgen aus der Beschränkung der ‚Wiedergeburt‘ auf Kunst als Medium einer Bildung zur Harmonie der Seelenkräfte. Hieraus ergibt sich das Herunterspielen der historischen Bedingungen des antiken Ideals.
8.3.2 Wilhelm von Humboldt Wilhelm von Humboldt, der Forster in den Wochen besucht hatte, als dieser mit der Arbeit an „Die Kunst und das Zeitalter“ begann,32 hatte noch im Winter 1791 in einem Brief an Friedrich Gentz im „schönen Zeitalter“ Griechenlands „auch die größesten Werke beinah in dem Glanze der Kraft, die sie schuf“, „verschwin den“ sehen; was bei Forster als Organisation und Umstände getrennt war, fiel hier schon zusammen, wenn Humboldt ausdrücklich „Staatsverfassungen und politische[…] Systeme“ ausblendete, aber die Kraft noch als „Gemeingeist“ und „Genie“ beschrieb (Humboldt 1952, 61–62). So hielt selbst die Verurteilung von Forsters revolutionärem Engagement als „unmoralisch und unedel“ gegenüber dem kurfürstlichen Wohltäter – so der Brief an Schiller vom 7. Dezember 1792 – noch am „edle[n] Enthusiasmus“ der Revolution, der „ganzen Nation“ (72), fest.
30 Vgl. hierzu kritisch Huge 1971, 28: „Der Geist der Epoche […], das ‚Ganze‘, wird vom Ästhe tischen her erschlossen, dem damit ein unvergleichlicher anthropologischer Rang eingeräumt wird. Die Kunst, noch enger: die Literatur wird als eine so ausgezeichnete Äußerungsform des Menschen begriffen, daß sie über seine Gesamtbefindlichkeit […] substantiell Auskunft zu geben vermag.“ Die „Emphase“ des Aufsatzes „kann nur aus dieser dem Ästhetischen zugeschriebenen anthropologischen Bedeutung verstanden werden“ (29). 31 Vgl. hierzu kritisch aus komparatistischer Sicht Fontius 1977, 418. 32 Vgl. Forsters Brief an Heyne vom 3. Oktober 1789, AA XV, 343.
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8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“
Die Wendung zur Bildung deutete sich weniger in der Kritik der zwischen Antike und Revolution liegenden „verflossenen Jahrhunderte“ an – deren „Mangel an Energie“ mit der Anspannung und Beschäftigung der ‚Kräfte‘ durch die Revolu tion (wie in der Antike) kontrastierte –, als in der lapidaren Feststellung: „An sich scheinen mir freie Konstitutionen und ihre Vorteile ganz und gar nicht so wichtig und wohltätig. Eine gemäßigte Monarchie legt vielmehr der Ausbildung des Ein zelnen meist weniger einengende Fesseln an.“ (72) In den folgenden Wochen ging aus Humboldts griechischer Lektüre – „fast bloß Dichter, einzelne Stücke aus Historikern und […] Plato, also lauter Schriftsteller, die sehr zu einer idealischen Vorstellung führen“ (75), der Aufsatz „Über das Studium des Alterthums, und des griechischen insbesondre“ hervor. Zwischen dem Text und Humboldts briefli chen Kommentaren gibt es denselben Widerspruch, der sich bei Schlegel zeigte, letztlich aus dem prekären Verhältnis von Anthropologie und Geschichtsphilo sophie resultierend. Der Aufsatz entwirft das durchgreifend literarisierte Grie chenland als den exemplarischen Nationalcharakter; er muss in der Entwicklung seiner Persönlichkeit zur „Grundlage des menschlichen Charakters überhaupt“ (Humboldt 1961, 19) erklärt werden, damit Persönlichkeitsbildung das Ziel des Studiums des Altertums werden kann. Das Studium liefert „gleichsam eine Bio graphie“ (2) des Charakters der Nation, die Mannigfaltigkeit und Einheit (8) der „intellektuellen, empfindenden, und moralischen menschlichen Kräfte“ (2–3) in ihrer Vereinigung zum „edelsten Zwek[…], der höchsten, proportionirlichsten Ausbildung des Menschen“ (7). In diesen Formeln wiederholt Humboldts Aufsatz nur, was der Autor Forster gegenüber am 1. Juni 1792 über sein eigenes Ziel erklärt hatte: „Die höchste und proportionierlichste Ausbildung aller menschlichen Kräfte zu einem Ganzen ist daher das Ziel gewesen, das ich überall vor Augen gehabt […] habe.“ (Humboldt 1952, 68) Der Aufsatz verallgemeinert Humboldts „eigne[s] Aufsuchen“ der Griechen für den Zeitgenossen: „Griechischer Geist geht in ihn über; und bringt durch die Art, wie er sich mit seinem eignen vermischt, schöne Gestalten hervor.“ (Humboldt 1961, 21) Nicht zufällig deutet sich nur in der Reflexion der zeitgenössischen Antike-Rezeption die geschichtsphilosophi sche Dimension von Humboldts primär anthropologisch argumentierender Kon zeption individueller Bildung an. Dabei hatte er Körner den Aufsatz als Lösung des Streits zwischen zyklischer und teleologischer Geschichtsauffassung annon ciert; doch schon die Stellung der Frage lautet zweideutig genug, ob „das ewige Schicksal (doch wohl nur die eigenen, den Wesen inwohnenden und durch entge gengesetztes Kämpfen Vereinigung erstrebenden Kräfte der Dinge) die Menschen entweder in ewig in sich zurückkehrenden Kreisen oder einem großen unendli chen Ziele zu (denn welcher Philosoph oder Geschichtsforscher hat dies je nur mit irgendeinem Grade der Wahrscheinlichkeit entschieden?) führt“ (Humboldt 1952, 87). In seiner Begründung, weshalb eine „Theorie der Bildung des Men
8.3 Das Ideal und seine historischen Bedingungen
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schen“, die zur „moralische[n] Reform“ beitrage, auf die Griechen zu stützen sei, rekurriert Humboldt auf die „Herrschaft des ästhetischen Sinnes“ (89) über „die räsonnierenden und handelnden Kräfte“ (88) in der Antike. Jetzt unterscheidet er „Stufe[n]“ (89) in der „Geschichte der Menschheit“ (88): „Einheit durch Herr schaft körperlicher Sinnlichkeit“ oder „durch Vernunft“, „Mangel an Einheit durch zu große Ausbildung des Verstandes“, „die höchste Einheit, hervorgehend aus jenem Mangel“ (89). Humboldts Stufenfolge verwirrt – weil Plato als Garant einer Einheit durch Vernunft eingeschoben wird – die eindeutigere Triade, die Schillers „Anmerkungen“ zu Humboldts Aufsatz vorgeschlagen hatten: Ganzheit, Trennung in bornierte Vereinzelung und Verbindung des Getrennten zu einem Ganzen. „In der ersten Periode waren die Griechen. In der zweyten stehen wir. Die dritte ist also noch zu hoffen, und dann wird man die Griechen auch nicht mehr zurück wünschen.“ (Schiller 1963, Bd. 21, 63) Während Humboldts Perio disierung keineswegs eindeutig geschichtsphilosophisch ausfällt, weil sie auch anthropologisch, wenn nicht gar soziologisch als Hierarchie zu verstehen ist, wo Humboldt von „Stufen höherer und niederer Würde“ (1952, 89) spricht, geht Schiller – mit Forster – von der Lebensalter-Analogie und zugleich vom „Fort schritt der menschlichen Kultur“ (1963, Bd. 21, 63) aus.
8.3.3 Friedrich Schiller Auch Schillers Feststellung: „Die Kultur der Griechen war bloß ästhetisch“ (64), lässt sich als ein Echo von Forsters Essay verstehen. Ein wichtiger Unterschied zeigt sich jedoch schon an der Verknüpfung des als Kritik gemeinten Satzes mit dem Zweifel, ob die Griechen, die „es auch im Politischen nicht über das Jugend liche Alter brachten“, „in einem männlichen Alter dieses Lob [Einfachheit des Sinns und Geschmaks] noch verdient haben würden“ (64). Diese Relativierung des antiken Ideals, formuliert zwischen Januar und März 1793,33 gilt nicht der Plastik, die in Schillers ästhetischer als geschichtsphilosophischer Theorie einen „Fluchtpunkt“ (Pfotenhauer 1991a, 170) bildet: Die griechischen Statuen stehen als „jenes Utopische im philosophischen Diskurs, das, was in ihm, der Vermitt lung zwar ersehnt, aber in seiner Begrifflichkeit unablässig Dichotomien hin und her wendet, keinen rechten Platz hat. Bildende Kunst ist hier das Jenseits der Ver nunft, ist ihre Traum- und Wunschgestalt – Versöhnung im Trennenden des kriti schen Denkens“ (171).34 Wenn die Plastik in dieser Weise ähnlich wie bei Forster
33 Vgl. Humboldts (1952, 84) Brief an Friedrich August Wolf vom 31. März 1793. 34 Vgl. insgesamt hierzu auch Pfotenhauer 1991b.
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8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“
verabsolutiert wird, kann Relativierung des antiken Ideals nur die Bedingungen seiner Genese betreffen, die allerdings auch seine Bedeutung mitbestimmt. Schon Humboldts Aufsatz spielt die Wichtigkeit der Ursachen oder Umstände herunter, Schiller geht weiter; ausgerechnet am Fall der bei Forster (nicht jedoch Herder) verschwiegenen Sklaverei will er zeigen, dass die „Verschiedenheit“ der „Umstände“ „nicht alles“ „erklärt“ (Schiller 1963, Bd. 21, 65). Gegen Humboldts Hervorhebung der Sklaverei als Bedingung von „Muße“, die u. a. Charakterbil dung durch „thätigen Antheil an der Staatsverfassung“ ermöglichte, wendet Schiller abschließend ein: „Es ist aber doch sonderbar, daß die Sklaverey im Mit telalter keine einzige Spur eines ähnlichen Einflusses zeigt.“ (65) Wenn Humboldt für Griechenland der Anlage einer „eigenthümliche[n] Reiz barkeit für das Schöne“ so sehr den Primat gab, dass er zu den später doch dar gestellten „in der äussren Lage der Griechen gegründete[n] Umstände[n]“ (Hum boldt 1961, 15) lapidar schreiben konnte: „Die Entwicklung der Ursachen […] gehört nicht hierher“ (13), so fällt seine Darstellung der bei Forster so zentralen Bedingungen der Moderne nicht weniger knapp aus: Der „Gegenblik“ (12) trifft mit „Sachen“, „Massen“ und „äussre[m] Werth und Nutzen“ das einfache Gegen teil des auf „Individuen“ und „innere Schönheit und Genuss“ (19) gerichteten Bildungsideals. Beide Abschwächungen der ‚äußeren Bedingungen‘, sowohl für die Antike als auch die Moderne, führen über die Zweideutigkeit der Geschichts philosophie als Anthropologie zur Privilegierung der Kunst als Bildungsmedium. Schillers Kommentar zu Humboldts Diskussion der Faktoren Verfassung und Religion bestreitet dem ersten die Bedeutung mit dem negativen Hinweis auf Rom, wo „der Staatsmann alle Aufmerksamkeit der Nation“ „verschlang“, und gibt dem zweiten eine bezeichnende Wendung, wenn die Religion zur „freieste[n] Tochter der Phantasie“ wird: „Es war kein Kanon vorhanden, der der Dichtungs kraft Fesseln anlegte.“ (Schiller 1963, Bd. 21, 65) Diese Abschwächung der historischen Determinanten des weiter an der anti ken Plastik abgelesenen Ideals kehrt an der Stelle der „Briefe über die ästhetische Erziehung“ wieder, wo im Erstdruck der Horen eine Anmerkung auf Herder ver wies: „Man lese über diesen Gegenstand, was Herder im dreyzehnten Buche der Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit über die veranlassenden Ursachen der griechischen Geistesbildung sagt.“ (246) Doch der Hinweis führt in die Irre. Schiller schweigt von der bei Herder zen tralen Ursache Religion oder Mythologie; stattdessen bringt er die von Forster privilegierten Faktoren Klima und Verfassung. Wie in „Die Kunst und das Zeital ter“ ist es die Harmonie von menschlicher Organisation und Klima, die das Ideal prägt: „hier allein werden sich Sinne und Geist, empfangende und bildende Kraft in dem glücklichen Gleichmaaß entwickeln, welches die Seele der Schönheit und die Bedingung der Menschheit ist“ (Schiller 1962, Bd. 20, 398). In Schillers
8.3 Das Ideal und seine historischen Bedingungen
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hymnische Beschreibung des Eintritts des Wilden in die Menschheit gerät trotz ihrer durchgängig anthropologischen, in Begriffsoppositionen typologisierend auf den Spieltrieb zielenden Fassung ein politisches Moment, wenn die Griechen von vereinzelt lebenden Höhlenbewohnern und in Massen ziehenden Nomaden abgegrenzt werden: Der Mensch müsse in sich und außer sich die Menschheit finden – „da allein, wo er in eigner Hütte still mit sich selbst, und sobald er her austritt, mit dem ganzen Geschlechte spricht, wird sich ihre liebliche Knospe ent falten“ (398). Die grammatische Ambivalenz des ‚ihre‘ macht die Identifizierung von Menschheit und Schönheit deutlich, die beide im Bild des Keims und der Knospe vorher erscheinen. Schillers Beschreibung der griechischen Verfassung spart auf eine bezeichnende Weise die „Agora“ aus,35 wenn Privatheit und Gat tung kurzgeschlossen werden. Die verschwiegene Öffentlichkeit belegt die dezi dierte Entpolitisierung von Forsters Griechen-Bild durch Schiller.
8.3.4 Friedrich Schlegel Dennoch war einem Zeitgenossen wie Friedrich Schlegel die Nähe beider aufge fallen, allerdings negativ. In einem Brief an August Wilhelm verglich Friedrich Schlegel am 13. November 1793 die ‚Nutzung‘ des „Griechische[n] Alterthum[s]“ durch fünf zeitgenössische Autoren; Forster und Schiller schnitten nur wenig besser ab als Heyne, der „nicht einmal ein scharfer Denker, geschweige ein Mensch“ sei; den beiden Jüngeren hielt Schlegel vor, dass sie die Antike „nur sehr aus der Ferne“ kennen; demgegenüber wurden Herders „Kenntniß und Sinn“ gelobt, jedoch Moritz’ Mythologie der Preis erteilt: „Ich finde darin Deutungen über den Ursprung dieser Götterwelt aus der ewigen Menschennatur, die mir so fein als neu erscheinen.“ (Schlegel 1890, 140–141) Die Akzentuierung der Religion in einem Anthropologie und Autonomie der Kunst verbindenden Verständnis ließ Schlegel so weit gehen, die griechische Religion als „Deckmantel“ (Schlegel 1988c, 6) der Kunstautonomie zu bezeichnen, und diesem Interesse entsprach, dass er seinem Bruder das ‚Lieblingsbuch‘ Herders Plastik auszureden suchte (Schlegel 1890, 3), während er ihm aus den Ideen „viel vortreffliches“ empfahl (14). Die Kritik an der Plastik galt nicht nur dem „orientalisch[en]“ Stil, sondern vor allem der sentimentalen Geschichtsphilosophie Herders: „Es fehlt ihm ganz an Kraft zum Wiederstande; seine Klagen quälen mich noch widerlicher wie die des Rousseau. Aechte Schönheit muß sich als Siegerin über das Schicksal zei
35 Vgl. hierzu Arendt o. J., 176, die allerdings insgesamt die griechische Antike eher als für die demokratische Revolution ungeeignetes Erbe – im Gegensatz zur römischen – wertet.
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8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“
gen. – Aber für das Schöne ist Herder zu zärtlich und das Erhabene gar würde ihn niederdrücken.“ (3)36 Diese Kritik nimmt vorweg, was (Schiller in „Über naive und sentimentali sche Dichtung“ gegen Rousseau einwendet und) Schlegel in seinem Aufsatz „Über das Studium der griechischen Poesie“37 als Kriterium der Unterscheidung zwischen Antike und Moderne fungieren lässt: „Man könnte die Geschichte der Menschheit, welche die notwendige Genesis und Progression der menschlichen Bildung charakterisirt, mit militärischen Annalen vergleichen. Sie ist der treue Bericht von dem Kriege der Menschheit und des Schicksals.“ (Schlegel 1964, 131–132) Natürliche und künstliche Bildung werden unterschieden, je nachdem, ob Natur oder Freiheit die bestimmende Kraft sind: „In Griechenland wuchs die Schönheit ohne künstliche Pflege und gleichsam wild. […] Ihre Bildung war keine andre als die freyeste Entwicklung der glücklichsten Anlage.“ (166) Letztlich anthropologisch hebt sich die Frage nach historisch-gesellschaft lichen Ursachen zugunsten der „innere[n] Gründe“ (Schlegel 1988d, 298) auf, der in Antike und Moderne entgegengesetzten Seelenkräfte, deren Vereinigung als Zukunft entworfen wird: Genie und Scharfsinn, Gefühl und Urteil (Schlegel 1964, 115). Durch die Priorisierung der Mythologie (219)38 gelingt es Schlegel, in die Natur der Griechen alle äußeren Faktoren zu integrieren: Kunst, Sitten und Staat werden in einer Bildung ein Ganzes (113), die Schönheit als Selbstzweck setzt. Die Einzigkeit der Griechen begründet so zugleich ihre Allgemeingültigkeit:
36 Vgl. Huge 1971, 25, zu Schlegels „methodische[m] Fortschritt“ über „Herder wie Winckelmann hinaus“ („wertsetzenden Widerstand“ und „sich der Geschichte […] aussetzen“): „Normativer, aus festen Prämissen gewonnener Widerstand gegen die Fülle und Disparatheit des geschicht lich Tradierten soll unverzichtbar zur Vermittlung gebracht werden mit dem verstehenden Blick auf die den Epochen immanente Eigenbewegung.“ 37 Vgl. Szondi 1974, 124, 157, zum Antirousseauismus. 38 Scharf erkannt, seiner impliziten, der Kompensationstheorie der Ritter-Schule verpflichte ten Säkularisierungsthese wegen bei Weber 1973, 145: „Das Interessante ist nichts als die Aus wirkung der Tatsache, daß die Kunst ihre sie als Kunst zusammenschließende gesellschaftliche Funktion und ihre ontologische Bestimmung, das Schöne darzustellen, verloren hat“. Für Weber „begründet Schlegel die Objektivität der Kunst in einem Zusammenhang, der ihre Freiheit und Unbedingtheit ausmacht, in der Feier des Gottes, die die Feier des Menschen in der Fülle seiner Möglichkeiten ist“ (149): „Objektivität der griechischen Kunst als eine vermöge ihrer kultischen Funktion aus den Zusammenhängen von Bedürfnis und Arbeit entlassenen“ erlaube den dia lektischen Umschlag des Interessanten, „sobald erkannt ist, daß die Eigenständigkeit der Kunst und der Schönheit gegenüber den Erfordernissen der Erkenntnis und des sittlichen Handelns in der Konsequenz der modernen Bildung selbst liegt. Die Dissoziierung der absoluten Kunst aus den gesellschaftlichen Zusammenhängen hat nicht ihre Defizienz zur Folge, sondern ist der positiv zu akzeptierende Status der Kunst in dieser Gesellschaft.“ (150)
8.3 Das Ideal und seine historischen Bedingungen
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einerseits Ausdruck „allgemeiner Menschennatur“ (166), andererseits Ideal, „für alle Zeiten und Völker ein gültiges Gesetz und allgemeines Urbild“ (173) zu sein. Die Gleichsetzung von Individualität und Universalität zeigt sich auch in der Analogie zwischen vorbildlicher Bildung einer vergangenen Kultur und dem Bil dungsziel des modernen Individuums; am Anfang von Schlegels Arbeitsplänen steht das Schreiben der Biographie eines großen Mannes, von dem er zu dem der Biographien zunächst der antiken, dann der modernen Kultur (in derselben Abfolge wie bei Wilhelm von Humboldt) übergeht.39 Nicht nur diese Parallele macht es zweifelhaft, ob Szondis Kennzeichnung des Spezifischen der Schlegel schen und insgesamt frühromantischen Geschichtsphilosophie so exklusiv gilt: „Verständnis der eigenen Zeit e contrario, durch den Blick auf das vergangene Gegenbild“ (Szondi 1964, 167); dass nämlich diese Bestimmung auch für Fors ter gilt, zeigt sich daran, dass Schlegel ihn – was merkwürdigerweise von der Forschung übersehen worden ist –40 als Dialogpartner in den „Studium“-Aufsatz einführt. Die Rolle Forsters fällt hier deutlich positiver aus als in den frühen Briefen und – implizit – in der Rezension von August Wilhelm Schlegels „Die Künstler“Interpretation, sie ist aber noch nicht so glänzend wie im späteren Essay, der zusammen mit den anderen Charakteristiken den frühen Plan einer Biographie realisierte.41 Damit verbindet sich eine schrittweise Verdunkelung des Bildes Her ders. Friedrich Schlegels „Affectation“ einer scharfen Kritik an des Interpreten August Wilhelm Mangel an „Deutlichkeit und Bestimmtheit“ wendet sich gegen zwei Momente, so dass sich unter der Maske der für die Allgemeine LiteraturZeitung (26. April 1792) bestimmten Ablehnung wichtige, auf Forster beziehbare Motive andeuten: zum einen „Schwärmerey“, zum anderen „‚Das kommende Jahrhundert‘“ (Fambach 1957, 94). Schlegel führt den ungenannten Forster im „Studium“-Aufsatz dann als einen von „viele[n]“ Anhängern eines „ästhetische[n] Vorurteil[s]“ (Schlegel 1964, 157) ein, als er – im Herderschen Bildfeld der „wohltätigen“ (127),42 „glücklichen“
39 Vgl. Schlegel 1890, 16, 203, 211; Humboldt 1952, 121, 129. 40 Huge 1971, 46, bezieht die Passagen auf Winckelmann, getreu seiner – die Literarisierung nicht berücksichtigenden – Rückgriff-These. 41 Zur Charakteristik vgl. Oesterle 1990, 64–65, der gegen die – nicht zuletzt mit Benjamins Autorität gedeckte – Abwertung des Forster-Essays einen gattungsgeschichtlichen Aufriss der Charakteristik gibt, der einem Ausschluss des Essays aus Schlegels entweder wahrer Kritik oder Kunst den Boden entzieht. 42 Vgl. Huges berechtigte Kritik an Jauß’ Absehen von der ‚utopischen Lösung‘ der ‚günstigen Katastrophe‘ als angeblich ‚aporetisch‘: „Schlegels Entwurf ist Krisentheorie“ (1971, 44). Gegen
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8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“
(161), „günstigen“ (150) Krise oder Katastrophe – die erst „große moralische“, dann „ästhetische“ genannte „Revolution“ der Bildung entwirft, „durch welche die Freiheit in ihrem Kampfe mit dem Schicksal […] endlich ein entschiedenes Übergewicht über die Natur bekommt“ und „die Selbsttätigkeit herrschend wird“ (155). Die Wiedergeburt des antiken „Objektive[n] in der ästhetischen Bildung der Modernen“ erscheint als Gewinn von Autonomie, nachdem die „Herrschaft des Interessanten, Charakteristischen und Manierierten“ „eine wahre ästhetische Heteronomie in der schönen Poesie“ (161) bedeutet habe. Dieser Kontext eines auf Literaturproduktion zielenden Programms, in dem Antike-Rezeption und wissen schaftliche Kritik ihren Stellenwert erhalten, prägt den einleitenden Satz zur Para phrase von „Die Kunst und das Zeitalter“: „Es ist die heiligste Pflicht aller Freunde der Kunst, solche Irrtümer, welche […] die Selbstkraft lähmen, indem sie die Hoff nungen der Kunst als unmöglich, die Bestrebungen derselben als fruchtlos dar stellen, ohne Schonung zu bekämpfen, ja womöglich ganz zu vertilgen.“ (157) Schlegels Forster-Paraphrase ist hoch tendenziös aus zwei Gründen: einmal geht es ihm im Gegensatz zu Forster um die Literatur und gerade nicht um die Plastik,43 dann um die „selbständige Existenz“ oder „eigentümliche Bestandheit“ der „schönen Kunst“, die er als „ewige“, „notwendige Anlage der Menschen“ fasst (158–159). Schlegel paraphrasiert Forsters Aufsatz in zwei Blöcken, an die er jeweils die Kritik anschließt; der erste gibt die historischen Bedingungen der ‚schönen Kunst‘ der Antike als ‚lokale‘, der zweite die Stellung der ‚Poesie‘ in der Geschichte der Menschheit. Schon die Aufteilung zersprengt die Einheit von Forsters Ästhetik als Geschichtsphilosophie, weil die Beziehung zwischen Ideal der Vergangen heit, Kritik der Gegenwart und Ziel der Zukunft aufgelöst wird. Gerade weil die Paraphrase markante Formeln Forsters wiederholt, wie „Barbarei gotischer Ver fassungen“ (158–159), „Hülle der Erkenntnis“ (158), fallen zwei vereindeutigende Entstellungen besonders auf: „Schöne Kunst sei gar nicht Eigentum der ganzen Menschheit“ (157) im ersten, „Es sei endlich einmal Zeit, damit aufzuhören“, mit „Poesie – diese[r] artige[n] Kinderei“ (158), im zweiten Block. Schlegels zusam menfassende Kritik verfährt scheinbar historisch: Forster wird Verabsolutierung
den Tadel, dass der „Ansatz“, „das Organismus-Denken insgesamt aus der der Nachantike gel tenden Literaturbetrachtung zu verbannen, nicht verwirklicht“ werde, (stattdessen „forciert der Aufsatz im Zuge seiner Kritik am Organismus-Denken im gewissen Sinne doch zugleich dessen Rehabilitierung“, 45), wäre zu bedenken, dass gerade die Herdersche Denkform der ‚günstigen Katastrophe‘ faszinierte, nicht nur Schlegel, sondern auch Humboldt, vgl. dessen Brief an Schil ler vom 22. September 1795 über Herders „wiederkehrende Idee“ von „Harmonie in scheinbarer Verwirrung“ (1952, 107). 43 Vgl. Szondi 1974, 140, 164.
8.3 Das Ideal und seine historischen Bedingungen
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vorgeworfen, de facto zielt die Kritik auf das ewige Wesen weniger des Menschen als der Kunst. „So hat man einen einzelnen Bestandteil der schönen Kunst“ – die Plastik –, „einen vorübergehenden Zustand derselben“ – ihre Stellung als „Vor übung der Wissenschaft“ – „mit ihrem Wesen verwechselt“ (158). Doch das Ver drängte kehrt in Schlegels Metaphorik wieder, auch wenn die Forsterschen Bil der der anthropologischen Argumentation für die Autonomie des Ästhetischen unterstellt werden, d. h. der Rechtfertigung einer zeitgenössischen Literatur als Kunst: Schlegel fasst die „Anlage“ (158) zur Poesie als „ursprüngliche Feuer kraft“ (157) und kommt in seiner Beschwörung der „moralische[n] Heilkraft der menschlichen Natur“ dem Medea-Bild Herders und Forsters sehr nahe, wenn er auf das „sonderbare[…] organische[…] Vermögen einiger Tierarten“ hinweist, „deren zähe Lebenskraft auch entrissne Glieder wieder ersetzt und nachtreibt“ (158). Während bei Herder die Zauberin Medea im Schluss des Winckelmann„Denkmals“ die Möglichkeit einer Wiedergeburt der Kunst andeutet, steht sie bei Forster in der Polemik gegen Burke im Literaturbericht über 1790 für die politi sche Erneuerung des Menschengeschlechts.44 Nicht allein Medea verweist auf Revolution, auch Schlegels nicht nur kata chretische, sondern überdies verdoppelte Zusammenstellung von Schwung und Allmählichkeit der Vervollkommnung; auf Forsters doppelte Knechtschaft der modernen Kunst in Besonnenheit und Bedürfnis anspielend, heißt es: „[…] auch dann, wenn die Phantasie schon lange durch Vielwisserei erdrückt und abgestumpft, durch Wollust erschlafft und zerrüttet worden ist, kann sie sich durch einen Schwung der Freiheit und durch echte Bildung von neuem empor schwingen und allmählich vervollkommnen.“ (158) Derselbe Widerspruch zeigt sich in den Forster zugeschriebenen Blöcken: Einerseits waren die Griechen nur „eine momentane Epoche“ (157), andererseits ließen sie „die Kultur“ „höher“ „steige[n]“ (158). Wenn Schlegel im „Studium“-Aufsatz Forster gleich zweimal etwas zuschrieb, was dieser gar nicht vertreten hatte, dann verdeckte er, was er sich von Forster angeeignet hatte; im Forster-Essay war es umgekehrt, zwar wurde wiederum Forster etwas unterstellt, was dieser nicht geschrieben hatte, aber diesmal war es ein Schlegelscher Neuansatz, der Forster zugeeignet wurde. Beide Vorgänge bele gen, dass die bisher übersehene Beziehung Forster-Schlegel eine vermittelnde Rolle in Schlegels – häufiger bearbeiteter – Herder-Rezeption45 spielte.
44 Vgl. Herder 1969, Bd. 5, 253; AA VII, 188–189. 45 Vor allem Huge 1971, 22–23; Mennemeier 1971, 52–54; Weber 1973, 110. Vgl. dagegen zu Schle gels Forster die Klage von Rüdiger Görner (2006, 65), dass sich „im wesentlichen“ nur Menne
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8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“
Der Essay „Georg Forster“ unterstellt Forster, dass er „die lähmende Idee des Unverbesserlichen […] verabscheute“, „mit Recht“ (342), wie Schlegel einfügt, wie um das Projektive dieses Lobs zu betonen. Dazu passt, dass der in den Brie fen an August Wilhelm Schlegel einst gerühmte Moritz nun als jemand erscheint, bei dem hinsichtlich der Alten „nur wenig“ „fehlt“, „daß er sie gar nicht kannte“ (342), obwohl der von Moritz ausgearbeitete Grundsatz der Autonomie der Kunst den leitenden Gesichtspunkt der Einschätzung von „Forsters Kunstlehre“ (341) abgibt,46 für die „Die Kunst und das Zeitalter“ einstehen muss. Das große Lob, dass er die „Einzigkeit“ der Griechen in „Begriffe[n] von urbildlicher Schönheit und unerreichbarer […] Vollendung“ (342) fasste, wird nämlich durch Schlegels Grundkonzept von Forster als klassischem gesell schaftlichem Schriftsteller relativiert. Dieses meint, dass der gesellschaftliche Schriftsteller den „Gegenstand“ Kunst „aus dem notwendigen Gesichtspunkt der gebildeten Gesellschaft betrachtet, welche es nie weit genug in der Kenner schaft bringen wird, um über den künstlerischen Wert, die Gerechtsame und Forderungen der Sittlichkeit und des Verstandes zu vergessen“ (341). Aus diesem Verfehlen der Autonomie folgt letztlich die ‚Oberflächlichkeit‘ selbst von Forsters „richtigste[r]“ „Ansicht der Griechen […] im ganzen genommen“, von den Feh lern im „einzelne[n]“ zu schweigen; allerdings findet Schlegel im Konzept des gesellschaftlichen Schriftsteller auch eine „Entschuldigung“ für diese Forster sche Teilnahme an der „allgemeine[n] Liebhaberei der deutschen Autoren […], die Geschichte des Altertums zu erfinden“ (342). Schlegels Essay wendet letztlich die aus der Schlichtung des Streits von Antike und Moderne gewonnenen Kategorien auf Forster an, wenn immer wie der seine Eigentümlichkeit als Vielseitigkeit betont und damit der moderne Man gel an Einheit oder Objektivität herausgestellt wird. Die paradoxe Wendung des Begriffs des Klassikers unterstreicht diese Einbindung Forsters ins Projekt der
meier 1971, Hannelore Schlaffer 1974 und Christa Krüger 1974 dieses Versuchs „angenommen“ hätten: „Nach 1975 scheint das Interesse an diesem Versuch weitgehend erloschen zu sein.“ 46 Dies verkennt Mennemeier und verabsolutiert Schlaffer; Mennemeier geht so weit, über den Forster-Essay zu schreiben (1971, 187): „Der – im ganzen freilich mehr versteckten als offen artiku lierten – Bezweiflung der Relevanz einer Poesie, die als Produkt der Absonderung einzelner Kräfte vom Ganzen des Schaffenden entsteht und die in Gestalt isolierter, ‚autonomer‘ Kunstwerke sich dem universalen Bedürfnis der Gesellschaft problematisch entgegenstellt, entspricht der offene Angriff auf den herrschenden Begriff des Klassischen“. Das Gegenteil vertritt Schlaffer 1974, deren Anm.15 (136) kritisch auf Spuren von „Die Kunst und das Zeitalter“ zu Schlegel und Schiller deutet; wenn allerdings die „Ästhetisierung“ Forsters (als Genie) zur Utopie als letztlich „reaktionäre“ „Illusion“ gebrandmarkt wird, schlägt ein Aktualisierungsinteresse durch, dem „die Revolution“ als einzige „Brücke“ zur Vergangenheit gilt, die eine „Wiederbelebung“ Forsters erlaube (126–127).
8.3 Das Ideal und seine historischen Bedingungen
171
romantischen Universalpoesie: „Möchten doch Forsters Schriften recht bald so weit übertroffen werden, daß sie überflüssig und nicht mehr gut genug für uns wären; daß wir sie von Rechts wegen antiquieren könnten!“ (339) Die geschichtsphilosophische Begründung der frühromantischen Utopie als einer autonomieästhetischen ließ Forsters prärevolutionären Klassizismus integrieren, während – in der ein Jahr zuvor erschienenen Rezension der 7. und 8. Sammlung der Briefe zu Beförderung der Humanität – Herder eines determi nistischen Relativismus wegen ausgegrenzt worden war: „Die Methode […], jede Blume der Kunst, ohne Würdigung, nur nach Ort, Zeit und Art zu betrachten, würde am Ende auf kein andres Resultat führen, als daß alles sein müßte, was es ist und war.“ (Schlegel 1988d, 305) Einige der Vorwürfe Schlegels gegen Herder treffen auch Forster, dessen posi tive Erwähnung in den Humanitätsbriefen Schlegel in extenso zitiert – beides zeugt von Mut. Das Verfehlen der Kunstautonomie nennt Schlegel bei Herder, „Poesie […] in einem weiten Verstande als Kultur zum Schönen“ (296) nehmen; wegen des Fehlens „streng bestimmte[r] Begriffe vom Antiken und Modernen“ (297) ließe sich auch Forster kritisieren; auch der Vorrang der „äußern Veranlassungen“ – des Historisch-Gesellschaftlichen, vor allem Politischen – vor den „innern Gründen“ (298) gilt für Herder wie Forster. Die entscheidenden Differenzen zwischen die sen liegen im antirelativistischen Universalismus, der Schlegel einerseits eine anthropologische Gemeinsamkeit zwischen Antike und Moderne, andererseits ein geschichtsphilosophisches Ziel konstruieren lässt. Schlegel besteht darauf, dass „die Begriffe des Antiken und Modernen […] aus der menschlichen Natur selbst hergeleitet“ werden müssen; in dem „Streben, das absolut Vollkommene […] zu realisieren“, findet er dann sowohl „eine unter dem unaufhörlichen Wechsel der Zeiten und bei der größten Verschiedenheit der Völker bleibende Eigenschaft“ wie etwas, „was man mit dem besten Rechte modern nennen darf“ (298); diese Bestim mung gilt für Forsters Klassizismus, insofern er das antike Ideal mit menschlicher Natur gleichsetzt und auf seine geschichtliche, allerdings kulturelle, nicht ästhe tische Erneuerung drängt. Schlegels Einwand gegen Herders Verfahren, „bloß aus der Individualität eines Volks und […] eines Nationalcharakters herzuleiten“ statt „Bedingungen des Zeitalters“ (300), Stufen der Kultur, zu untersuchen, trifft sich mit Forsters Beschränkung der Lebensalter-Analogie auf die Menschheit, die der biographischen Zyklizität zugunsten der Teleologie ausweicht. Forsters Herder-Lektüre in „Die Kunst und das Zeitalter“ erweist sich so zwar als ‚hingerissen‘, wie Schiller schrieb, aber nicht durch das 13. Buch der Ideen, sondern durch denselben ‚Enthusiasmus‘,47 der Kant in der Französischen Revo
47 Vgl. zu Kants Enthusiasmus den Ausschnitt aus Der Streit der Fakultäten in Träger 1975, 300–302.
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8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“
lution ein Geschichtszeichen sehen ließ: Forsters Radikalisierung des Klassi zismus arbeitete gegen Herders historischen Relativismus und aufklärerischen Fortschritt den Versuchen vor, die Autonomie der Kunst in ihrer Funktion im historischen Prozeß zu begründen. Die Partialisierungen von Forsters Entwurf kultureller Erneuerung erklären, weshalb sein Beitrag, der allen anderen zum Ferment diente, relativ vergessen werden konnte, er markierte am offensicht lichsten die Abhängigkeit von der Französischen Revolution und damit auch das spezifisch Deutsche sowohl der Wahl Griechenlands und nicht Roms in der Aus bildung heroischer Illusionen des Bürgertums als auch der zunehmenden Kon zentration auf ästhetische Fragestellungen –48 als einen Ausweis von Verspätung und Mangel, noch keineswegs, wie es von Friedrich Schlegel bis Georg Lukács49 heißen wird: als Vorwegnahme und Vorzug. Die Bedeutung von Forsters Herder-Rezeption für Schiller, Humboldt und die Schlegels widerlegt aber auch Karl Heinz Bohrers radikalen Schnitt zwischen Geschichtsphilosophie und Autonomie des Kunstwerks, der auf Schlegels „Rede über Mythologie“ als Wendung zur Anthropologie datiert wird.50
8.4 ‚Schwärmerey‘, ‚Volksreligion‘ und ‚Erfindung der Freiheit‘ Schlegels selbstironische Kennzeichnung von Forsters ‚Erfindung‘ der Antike51 zeigt, dass ihm zumindest eine Kontinuität bewusst war, die von Forsters „Schwärmerey“ über August Wilhelms ‚Wahrheit-findende Begeisterung‘ zu den ‚neuen Mythologien‘ der Iduna Herders, des „Ältesten Systemprogramms“ und eben Friedrich Schlegels geht. Manfred Frank hat nun Herders Horen-Aufsatz von 1796 gewissermaßen zwischen dem totalitären Kult der verabsolutierten Vernunft und der frühromantischen Poesie als sozialer Utopie eingeordnet, deren radikal anarchistische Staatskritik Feudalabsolutismus wie Terreur als mechanisch im
48 Vgl. Heinrich 1976, 85. 49 Zur Lukács-Tradition vgl. Peitsch 1995. 50 Vgl. Bohrer 1983, 58: „Die Abhebung auf das ‚Natur‘-Argument ist wohl auch schon im Studi um-Aufsatz zu erkennen, wo Schlegel es gegen die aufklärerische, Hegel antizipierende These, die Poesie sei historisch durch die Erkenntnis überwunden, vorbringt, indem er auf unsere äs thetischen Bedürfnisse als eine natürlich-anthropologische Bedingung hinweist. Integriert in eine universalhistorische Darstellung, trägt dieses Argument aber noch nicht die Beweislast einer sich auf ‚Magie‘ und ‚Mysterien‘ berufen[d]en autonomen Poetologie, wie sie in der Rede über die Mythologie dann entwickelt ist.“ 51 Vgl. hierzu Heinrich 1976, 99.
8.4 ‚Schwärmerey‘, ‚Volksreligion‘ und ‚Erfindung der Freiheit‘
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Namen des Organismus denunzierte. Doch Forsters Überlegungen zur Notwen digkeit einer ‚Volksreligion‘ wurden bereits 1789 durch die Französische Revolu tion angeregt – das Ideal als entflammende Begeisterung: „eine Sammlung von Vorstellungsarten […], deren Urbilder als wirklich nicht zu erweisen sind“, durch die aber „der Geist und die Phantasie entflammt und in Schwung gebracht wer den“ (AA VII, 28). Forsters Text ist zweideutig darin, ob er von der Revolution oder von der Kunst spricht: Man zeige mir den wirklichen Gegenstand, der den Menschen so begeistern kann, wie der eingebildete, den seine Phantasie ihm schuf. Ist es vielleicht eben daher, weil er sich in die sem Ideal als Schöpfer fühlt, beym wirklichen Gegenstande hingegen nur kalter Zuschauer, höchstens erstaunter, leidender Bewunderer bleibt? (28)
Inbesondere die Unsicherheit hinsichtlich der „Folgen der Schwärmerey“, ihrer ‚Gefährlichkeit‘, legt es nahe, eher an die Revolution als „höchste[…] Anspan nung“ „menschliche[r] Kräfte“ zu „etwas Andern Unerreichbare[m] an Größe und Schönheit“ (28) zu denken denn bloß an die relativ zufällig aufgezählten Künste (Literatur, Musik, Theater, Plastik, wenngleich die beiden einzigen Namen, die Forster nennt, Homer und Phidias, für sich sprechen, für das griechische Ideal nämlich). Forsters Fragment endet mit zwei, sich jeweils aufhebenden Lösungen, die das Verhältnis von Vernunft und Schwärmerei, Wahrheit und Täuschung letzt lich historisch offen lassen: Die erste Lösung heißt philosophische Schwärmerey, deren Problematik – mit Lessing – als Gefahr des Findens statt des Suchens gese hen wird; die zweite heißt Tätigkeit, deren Problematik darin liegt, „daß man sich ein unerreichbares Ziel, gleichwohl als erreichbar, einbilde“ (28).52 Herders Satz in der Iduna: „Unsere Vernunft bildet sich nur durch Fictionen“ (Frank 1982, 144), wird von Manfred Frank als „anthropologische[…] Basis“ der Hegelschen Jugendschriften zur „Volksreligion“ (151) bezeichnet, ohne die im Unterschied zur unterstellten Herder- tatsächlich nachgewiesene Forster-Lektüre Hegels zu berücksichtigen (Lukács 1967a, 40). Hegels Exzerpte aus „Die Kunst und das Zeitalter“ und seine Kommentare beziehen sich zustimmend auf Forsters Kritik der Moderne und ihrer Kunst, um dagegen – wiederum an der Plastik orientiert – ein „rein citoyenhaftes Bild der Antike“ zu setzen, in dessen Mittelpunkt allerdings – anders als bei Forster – die Religion steht; sie garantiert Hegel die „Öffentlichkeit“ als „Zentrum“ antiken
52 Vgl. dagegen den Entwurf „Vom Ideal“ (Schlegel 1890, 126) ohne jede praktische Dimension, aber mit einer Berufung auf Lessing.
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8 Georg Forster als Leser Herders in „Die Kunst und das Zeitalter“
Lebens (88): „die vollständige Erfüllung der menschlichen Lebensziele, die wirk liche Entfaltung der wesentlichen Kräfte der menschlichen Persönlichkeit in der absoluten Hingabe an das Vaterland, an die Interessen des öffentlichen Lebens“ (94) So ist sehr fraglich, ob für Forsters und Hegels „Rückgriff auf die griechische Mythologie“ (Frank 1982, 152) zutreffen kann, was Frank an Herders Überlegung zur Bildung der Vernunft durch Mythologie herausstellt: „entscheidend sei allein, ob sie sprachlich weitertradiert sei derart, daß noch das heutige Weltbild in der Kontinuität dieser Tradition stehe“ (149). Im strikten Gegensatz hierzu erscheint bei Forster gerade eine Fiktion des Neuanfangs durch die Revolution beglaubigt.53 Von der Erfindung der Freiheit gehen Forsters Überlegungen zur „Schwärmerey“ 1789 aus, während Herders Iduna ausdrücklich die „Fictionen […] der Politik“ als „selten erfreulich“ abweist, um die Notwendigkeit der „Dichtung“ herauszustrei chen; wenn Herder von „unschuldigen Freuden“ spricht und den „unrecht[en]“ „Gebrauch“ bedenkt, könnte es scheinen, als antworte er auf Forsters „Schwär merey“; allerdings sehr einschränkend erfolgt diese Antwort, wenn sie denn eine ist, weil die ‚Fictionen‘ auf den individuellen Privatgebrauch eingeschränkt wer den und die Bildung auf eine lebenslange Kindheit: „staunen wir Schattenbilder an, und ermüden uns wie Lastthiere, falsche Idole als Heiligthümer zu tragen; so liegt die Schuld an uns […]; nur im Dichten der Seele, unterstützt vom Verstande, geordnet von der Vernunft, besteht das Glück unsres Daseyns“ (Frank 1982, 144). Forsters Herder-Lektüre ließ ihn in die Revolution mit wenig Neigung zum Dogmatismus der Vernunft eintreten, dafür mit der Bereitschaft, „sich selbst“ und „Lesern“, deren „Gefühl“ sich in seinen „Gesichtspunkt versetzen“ solle (AA VII, 26),
53 Vgl. Jauß 1989, 54–55 in „Mythen des Anfangs: Eine geheime Sehnsucht der Aufklärung“: Die „Verschränkung von Einmaligkeit und Wiederholbarkeit“ lasse im Epochenbewusstsein von Bruch und Wiedergeburt 1789 „die geschichtliche Erfahrung vom Anfang des Neuen eine mythi sche Gestalt annehmen“; hierzu im Vorwort der Hinweis auf die Verallgemeinerung in Edward W. Saids Beginnings, „daß origin als Bedingung für beginnings die heteronome, theologische In stanz eines Absoluten benennt, von dem sich das autonome, schon säkulare Handeln absetzt, aber auch in dem Bewußtsein absetzen kann, daß alles menschliche Beginnen einen Verlust einbegreift“ (14), und Jauß’ Darstellung von „Jean Starobinskis Archäologie der Moderne“ (104– 118) zur „ganz Europa übergreifende[n]“ „Rückwendung zur Antike“: „Sie entsprang einer freien Entscheidung und reflektierten Wahl der aufgeklärten Vernunft, die für die Künste unternahm, was die Revolution von 1789 für die politischen Institutionen vorgezeichnet hatte: die große Idee eines Neubeginns ins Werk zu setzen, der politisch eine Legitimation durch die römische Re publik und ästhetisch einen Rückgang auf die anfängliche Offenbarung, auf die ursprüngliche Symbiose von Natur und Kunst, zu erfordern schien.“ (114–115)
8.4 ‚Schwärmerey‘, ‚Volksreligion‘ und ‚Erfindung der Freiheit‘
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jenes „Glück des Öffentlichen“ (Arendt o. J., 175) zu erklären,54 das an den Bildern der Antike weniger haftete, als dass es von ihnen aus in die Zukunft – mit Schle gel – ‚erfunden‘, – mit Herder – ‚fingiert‘ werden konnte.55
54 Vgl. Arendt o. J., 176, zu Kant. 55 Vgl. in diesem Sinne Peter Bürgers Aktualisierung Herders im Gegensatz zu Dietrich Harths Warnung vor Herder; Bürger 1983, 47–48, findet in Herder eine Traditionslinie der „Alternati ven“ zur abstrakt bleibenden („Ausdruck eines Denkens in unvermittelten Gegensätzen“) „Ge genüberstellung von Rationalität und Mythos“; Herder wird zum Beispiel für etwas, „was man als Umgang mit dem Problem bezeichnen könnte“: „Mythische Vergangenheit und Rationalität sind hier nicht in ein Verhältnis unüberbrückbaren Gegensatzes gerückt, sondern aufeinander bezogen. Und die Arbeit des Subjekts besteht eben in dem Herstellen der Beziehung.“ (49) Der extrem kritische Beitrag von Harth 1987, 350–351, hingegen konzediert immerhin „durchaus eine kritische Seite“, obwohl allgemein gelten soll: „Das Bild des werktätigen, solipsistisch eine Welt aus sich heraussetzenden Gottes, in dessen Fußstapfen die Menschen wandeln sollen, verstellt […] den Blick für die Fundierung der Poiesis in einer vernunftgeleiteten Praxis.“ Für die Zweideu tigkeit der Rezeptionssituation spricht auch Dieter Henrichs (1990, 101) Forster-Aktualisierung. Weil für Gerhart Pickerodt in Forsters Text „[d]ie Kunstreligion […] ihre Schatten voraus[wirft]“ (2004, 13), bindet er die durchaus im Text erkannte „Perspektive der Zukunft“ an Forsters ver meintlich „charakteristischen Bewusstseinszustand einer extremen Spannung zwischen Enthu siasmus und Verzweiflung“ (15). Vgl. schon seine nur rhetorische Frage an den Text: „Woher denn würden die Kräfte ihren Grund und Anfang zu nehmen imstande sein, die eine Verjüngung der Menschheit nach ihrer mechanistischen Einpassung in abstrakte Regelsysteme sollten be wirken können?“ (1994, 278)
9 Herders Plastik und Georg Forsters Griechenland Als Ausgangspunkt bietet sich ein Leser Georg Forsters an, der dessen Bild Grie chenlands in einer wirkungsgeschichtlich folgenreichen Weise radikalisiert hat. Diese Radikalisierung kann den Blick dafür schärfen, wie Forster zwischen 1789 und 1792 in sehr verschiedenen Schriften an Herders Plastik einerseits ange knüpft hat, andererseits über sie hinausgegangen ist. Georg Wilhelm Friedrich Hegel begründet in seiner Ästhetik, weshalb die Plastik „den Grundzug für […] das gesamte Dasein […] in Griechenland“ „gibt“ (1976, Bd. 2, 166): […] in seinen Dichtern und Rednern, Geschichtsschreibern und Philosophen ist Griechen land noch nicht in seinem Mittelpunkte gefaßt, wenn man nicht als Schlüssel zum Ver ständnis die Einsicht in die Ideale der Skulptur mitbringt und von diesem Standpunkt der Plastik aus sowohl die Gestalten der epischen und dramatischen Helden als auch der wirk lichen Staatsmänner und Philosophen betrachtet. Denn auch die handelnden Charaktere, wie die dichtenden und denkenden, haben in Griechenlands schönen Tagen diesen plasti schen, allgemeinen und doch individuellen, nach außen wie nach innen gleichen Charak ter. Sie sind groß und frei, selbständig auf dem Boden ihrer in sich selbst substantiellen Besonderheit erwachsend, sich aus sich erzeugend und zu dem bildend, was sie waren und sein sollten. (104)1
Die ersten Spuren dieses Bildes von Griechenland als der in der Plastik verkörper ten Einheit von Innerlichkeit und Außen, Denken und Handeln, Individuellem und Allgemeinem, Freiheit und Gleichheit lassen sich, wie Georg Lukács nach gewiesen hat, in Exzerpten aus Schriften Forsters finden, die Hegel in den Ber ner Jahren 1793–1796 anfertigte.2 Mit den Ansichten vom Niederrhein exzerpierte Hegel in der Tat ein Werk Forsters, in dem die griechische Plastik eine wichtige Rolle spielte, wenngleich er auch andere kannte – wie die Reise um die Welt und die „Parisischen Umrisse“, für die das nicht in gleichem Maße gilt.3
1 Vgl. auch das sehr ähnliche Bild Griechenlands in Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie (1982, 145): Der „griechische[…] Geist“ sei „Maß, Klarheit, Ziel, Beschränkung der Gestaltungen, Reduktion des Unermeßlichen […] auf Bestimmtheit und Individualität. Der Reichtum der griechischen Welt besteht nur in einer unendlichen Menge schöner, lieblicher, an mutiger Einzelnheiten“. 2 Lukács 1967a, 36–38; vgl. Jamme 1986a, 288, der allerdings Lukács verschweigt. Dagegen stellt Hocevar 2001, 74, fest: „1948 wies Georg Lukács auf die Bedeutung Forsters für einige politischphilosophische Ausarbeitungen des jungen Hegel hin“. 3 Vgl. Lukács 1967a, 290. DOI: 10.1515/9783110343878-013
9.1 Zwei Rezeptionslinien
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9.1 Zwei Rezeptionslinien: Von Forster über Hegel zu Marx, von Herder über Hegel zu Haym Lukács’ Aufmerksamkeit für die Spuren von Forsters Griechenland in Hegels Geschichtsphilosophie war gewiss durch eine Entdeckung stimuliert, die der sow jetische Herausgeber der Äußerungen von Marx und Engels zu ästhetischen Fra gen, Michail Lifschitz, 1931 – bei der Arbeit an der MEGA – gemacht hatte. „[E]in entscheidender Umschwung“ „in der Weltanschauung des jungen Marx“ – sicht bar in seiner Dissertation über Epikur (Lifschitz 1967, 45) – verdanke sich der Lek türe der Hegelschen Ästhetik, denn, so Lifschitz, „keines der klassischen Werke der deutschen Ästhetik [enthalte] so viel kritisch-revolutionäre Elemente“: Vom Standpunkt Hegels sind die „bürgerliche Gesellschaft“ und der „christliche Staat“ für die Entwicklung künstlerischen Schaffens ungünstig. Von hier aus kann man zwei Schlüsse ziehen: Entweder muß die Kunst für den Triumph des absoluten Staates zugrunde gehen oder dieser wird zerstört, und ein neuer Weltzustand bringt eine neue Blütezeit künstleri schen Schaffens hervor. Hegel neigte zu der ersten Schlußfolgerung; aber man brauchte nur den Akzent zu verändern, und die Lehre vom antiästhetischen Charakter der Wirklichkeit erlangte revolutionären Charakter. (47)
Lifschitz nannte deshalb zusammenfassend Marx’ „Anerkennung der Grundlagen Hegelscher Ästhetik“ – zu denen er die „einseitige Verbeugung vor Griechenland“ zählte, „die bei Hegel noch aus der Zeit seiner Begeisterung für das Jakobinertum datiert“ – „den Übergang zu einer höheren Stufe politischer Erkenntnis“ (48). Bevor Lukács 1948 in Der junge Hegel die Forster-Rezeption Hegels ausführ licher darstellte, hatte er schon seit 1934 in Aufsätzen zu Goethe, Hölderlin und Schiller im Sinne des letzten Lifschitz-Zitats eher formelhaft von Forsters „revo lutionär-jakobinische[r] Auffassung der Antike“ (Lukács 1967b, 88)4 gesprochen. Für diese Vermittlung spricht, dass Lukács in Der junge Hegel im Anschluss an die Feststellung: „Die heroischen Jakobiner unter seinen Vorgängern oder Zeitgenos sen, wie Georg Forster oder Hölderlin, sind Episodengestalten der ideologischen Entwicklung in Deutschland geblieben“ (Lukács 1967a, 132), recht unvermittelt auf Marx zu sprechen kommt, dem er unter Berufung auf die „Einführung“ „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ (Marx/Engels 1969, Bd. 13, 642), die bereits Lif schitz (1967, 144–145) autoritativ zitiert hatte, die Überwindung des „Dilemma[s]“ zuschreibt, der Alternative „jakobinische Illusion“ (Forster) oder „sich gedank lich abzufinden“ (Hegel): „Auch Marx stellt der griechischen Schönheit die kapi
4 Hier findet sich aber auch schon der Hinweis auf den „Einfluß“ der Ansichten auf Hegel; vgl. andere Stellen: Lukács 1967b, 50, 116.
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9 Herders Plastik und Georg Forsters Griechenland
talistische Prosa schroff gegenüber. […] Die Musterhaftigkeit der griechischen Kunst ist in dieser Perspektive […] ein Ansporn für die Menschheit“ (Lukács 1967a, 132–133). Lukács’ Deutung Hegels macht die griechische Plastik zur Berufungsinstanz einer humanistisch-marxistischen Kritik der Entfremdung, die er im Vergleich zu Lifschiz5 durch die historische Bindung an den Jakobinismus noch politisiert; aus dem Standbild wird bei Lukács der Citoyen: „[D]er junge Hegel sieht […] in der antiken Stadtrepublik (Polis) nicht eine vergangene gesellschaftliche Erschei nung, die unter bestimmten konkreten Bedingungen entstanden und unterge gangen ist, sondern das ewige Muster, das unerreichte Vorbild für eine aktuelle Umänderung von Gesellschaft und Staat“ (Lukács 1967a, 37).6 Lukács stützt sich vor allem auf zwei Forster-Exzerpte aus den Ansichten, die auch in Hegels sogenannten theologischen Jugendschriften zitiert sind:7 Beide betreffen den Zeus des Phidias und stellen den Gegensatz von Antike und Moderne als einen von griechischer Plastik und christlicher Malerei her
5 Vgl. dessen Beschreibung Griechenlands, die zwischen Kunst und gesellschaftlichen Verhält nissen mittels der Metapher der ‚Blüte‘ ein Gleichheitszeichen setzt (Lifschitz 1967, 130): „Das nivellierende, allen individuellen Besonderheiten von Personen und Sachen gegenüber indiffe rente Wesen der kapitalistischen Produktionsweise ist der direkte Gegensatz zu den gesellschaft lichen Verhältnissen, wie sie zur Zeit der Blüte der Kunst in der Vergangenheit existierten.“ 6 Zur Fragwürdigkeit der Orthodoxie von Lukács’ Aneignung der Forster-Hegelschen Antike vgl. die folgenden Stellungnahmen der jungen Marx und Engels sowie des alten Engels: Marx und Engels (1969, Bd. 3, 127) schreiben zum antiken ‚citoyen‘ in Die deutsche Ideologie: „Die deut schen Philosophen sind gewohnt, das Altertum als die Epoche des Realismus der christlichen und neueren Zeit als der Epoche des Idealismus entgegenzustellen, während die französischen und englischen Ökonomen, Geschichts- und Naturforscher gewohnt sind, das Altertum als die Periode des Idealismus gegenüber dem Materialismus und Empirismus der neueren Zeit auf zufassen. Ebenso kann man das Altertum insofern als idealistisch fassen, als die Alten in der Geschichte den ‚citoyen‘ repräsentieren, den idealistischen Politiker, während die Neuen zu letzt auf den ‚bourgeois‘, den realistischen ami du commerce hinauslaufen – oder auch wieder realistisch, weil bei ihnen das Gemeinwesen ‚eine Wahrheit‘ war, während es bei den Neuen eine idealistische Lüge ist. So wenig kommt bei allen diesen abstrakten Gegensätzen und Ge schichtskonstruktionen heraus.“ Und Engels spottet 1886 in Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie quasi über die Plastik (Bd. 21, 298): „Statt die Geschichte des alten Griechenlands aus ihrem eignen, innern Zusammenhang zu erklären, behauptet Hegel z. B. einfach, sie sei nichts weiter als die Herausarbeitung der ‚Gestaltungen der schönen In dividualität‘, die Realisation des ‚Kunstwerks‘ als solches. Er sagt viel Schönes und Tiefes bei dieser Gelegenheit über die alten Griechen, aber das hindert nicht, daß wir uns heute nicht mehr abspeisen lassen mit einer solchen Erklärung, die bloße Redensart ist.“ Engels’ Zitate stammen aus Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, vgl. Marx und Engels 1968, Bd. 1, 631. 7 Vgl. gegen diese Einstufung, die Jamme 1986a, 289, reproduziert, Lukács 1967a, 41.
9.1 Zwei Rezeptionslinien
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aus; die beiden exzerpierten Ansichten-Passagen (AA IX, 45, 67–68) belegen aber auch – was Lukács entgangen ist – eine Reihe von Hinweisen auf Herders Plastik, wo der Zeus des Phidias – zusammen mit, wenngleich knapp nach dem Torso des Herkules, dem Apollo vom Belvedere, der Aphrodite von Knidos und knapp vor dem Laokoon – zu den am häufigsten angeführten griechischen Plastiken gehört.8 Lukács bestreitet einen unmittelbaren Einfluss Herders auf den jungen Hegel, meint aber: „[D]ie Herderschen Gedanken lagen im damaligen Deutschland sozu sagen in der Luft, und es wäre deshalb eine müßige philologische Arbeit, nach Parallelstellen zwischen Herder und dem jungen Hegel zu fahnden“ (Lukács 1967a, 40). Dagegen lassen sich noch bei dem zum Nationalliberalen gewordenen ehema ligen Linkshegelianer Rudolf Haym solche Spuren finden,9 wenn dieser eine Linie von Herders Plastik über die Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit zu Hegels Geschichtsphilosophie zieht, eine Linie, von der er aber in seiner Her der-Biographie Forster sorgfältig fernhält, von dem er – wie seine vorangegange nen Bücher über Wilhelm von Humboldt und Die Romantische Schule beweisen – einiges wusste.10 In der Herder-Biographie von 1885 ist zwar Forster überwiegend in die Fußnoten verbannt (Bd. 2, 263, 388), aber der erste Satz des Spinoza-Kapi tels lautet: „Es hat seinen guten Grund, wenn Forster an Sömmering schreibt, der Verfasser der Ideen sei ganz und gar Leibnitzianer“ (265); Haym begründet die Richtigkeit von Forsters Einschätzung damit, dass Leibniz der „Begründer der deutschen Geschichtsphilosophie“ (265) sei. Herders eigene Leistung als Geschichtsphilosoph sieht Haym in der Vorarbeit, die seine Ideen Hegel geleistet hätten; so sagt er über Herders Buch: „Sein Leitfaden ist im Grunde die deutende, symbolisierende Betrachtungsweise seiner Plastik.“ (210) Entsprechend heißt es dann über Hegel, ihm sei gelungen, „eine Philosophie der Geschichte zu schaffen, die den leitenden Faden von Kant, die Kunst, denselben mit dem Körper der histo rischen Erscheinungen zu umkleiden von Herder entlehnte“ (260).11 Wenn Lukács in Marx’ geschichtsphilosophischer Situierung Griechenlands das Dilemma Forsterscher jakobinischer Illusion und Hegelscher Resignation aufgehoben sah, so fand der Nationalliberale Haym in Hegels die „Ineinanderbil
8 Herder 1969, Bd. 3, 83, 112, 124, 145, 149, 150, 153. 9 Vgl. zu dessen Entwicklung und „Verehrung“ der griechischen Plastik als „unübertroffene[m] Höhepunkt“ Harich 1955, 129–130. 10 Vgl. Haym 1856, 38–39; Haym 1920, 270–271. 11 Vgl. die Interpretation des „deutenden Gefühls“ in Hayms (1885, Bd. 2, 71) Analyse von Her ders Schrift.
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dung“ von Kants „kalte[m]“ „Optimismus“ „der resignirten Pflicht“ und Herders „individueller Glückseligkeit“: „Wieder war es, wie bei Kant, die im Staate sich objectivirende Vernunft und Freiheit, die hier [bei Hegel] den eigentlichen Gegen stand der Weltgeschichte bildete, aber diese Vernunft erschien [wie bei Herder] als der concrete Geist der Nationen, erfüllt, wenigstens scheinbar erfüllt mit allen sonst in der Geschichte pulsirenden Lebenskräften“ (260–261). Das ‚scheinbar‘ kann man vielleicht als Hinweis darauf lesen, dass der ehemalige Linkshegelia ner in die – zugleich verherrlichte – Synthese des Bismarckschen Nationalstaats eben doch nur resignierte, und Hayms Schweigen zu Forster folgt vielleicht aus jenem – von ihm als allgemeine Regel präsentierten – „Eifer, den man gewöhn lich gegen abgethane eigne Irrthümer kehrt“ (213). Beide Rezeptionslinien, die von Forster über Hegel zu Marx wie die von Her der über Hegel zu Haym, haben den geschichtsphilosophischen Blick auf die griechische Plastik gemeinsam; genau hier zeigen Forsters Schriften der Jahre 1789–1792 sowohl Anknüpfung an als auch Abweichung von Herders Plastik.
9.2 Zur Frage von Forsters Kenntnis von Herders Plastik und griechischen Plastiken Im Unterschied zu anderen Arbeiten Herders ist Forsters Kenntnis dieser Schrift nicht direkt belegt.12 Schon 1784, bei der Zusammenstellung einer Bibliothek für Therese Heyne in Wilna, war Herder für Forster ein deutscher „Classiker“ (A XIV, 28); Forster zählte aber Herder nicht nur allgemein zu „solche[n] Men schen, deren Schriften einen bleibenden Werth haben“ (571–572), sondern schrieb ihm, insbesondere den Ideen, das spezielle Verdienst zu, „manches dazu beygetragen [zu haben] mich ins Geleis zurückzubringen“ (250). Spätere kriti sche Bemerkungen in den Briefen betreffen durchgehend Herders Umgang mit der christlichen Religion; hiergegen profiliert Forster aber auch in seinen Briefen, was seinen Eindruck von Herder beim ersten Weimarer Besuch 1785 bestimmte: „ich fand […] Herder und Göthe weit besser als ich sie erwartet hatte“ (362), wäh
12 Vgl. Bödeker 1991, 109, zu Herder als einem der Forsters Bibliothek „dominierenden“ Auto ren; zu Ideen und Humanitätsbriefen vgl. Lange 1980; zu denselben sowie Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit und Zerstreute Blätter s. Uhlig 1990; zu „Tithon und Aurora“ vgl. Peitsch 2000. Die Briefe Forsters belegen eine mögliche Kenntnis der WinckelmannPreisschrift, die in Kassel gegen die des späteren Schwiegervaters Heyne durchfiel (AA XIII, 167) und zu Forsters und Herders Lebzeiten ungedruckt blieb, sowie der Erläuterungen zum Neuen Testament (95), der Theologischen Briefe (336), der Briefe über Tempelherren, Freimäurer und Rosenkreuzer (376) und der Gespräche über Gott (AA XV, 209).
9.2 Zur Frage von Forsters Kenntnis von Herders Plastik und griechischen Plastiken
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rend Wieland seiner Erwartung entsprochen habe: „[…] denn freylich ist Weisheit des Altherthums, und griechische Eleganz ihnen allen geläufig, ihrer aller Mus ter.“ (363)13 Der nicht sehr umfangreiche Briefwechsel enthält ein sehr schönes Beispiel für die Tendenz von Forsters Beziehung zu Herder; am 21. Juli 1786 schrieb Forster an Herder anlässlich der Ideen: „Sie schreiben, um vielen nützlich zu sein; daher müssen Sie auch, wie Paulus, allen alles werden wollen.“ (512) Sechs Jahre später verwendete Forster – in der Darstellung der Burke-Paine-Kontroverse in seinen Literaturberichten für Archenholz’ Annalen der Brittischen Geschichte – das Zitat aus 1. Korinther 9,22 erneut: „Man bedient sich allerley Waffen für die gute Sache; dies ist die verzeihliche Sünde des Enthusiasmus, die auch der Apostel Paulus, dieser ächte und wahrhafte Jacobiner des Christenthums, durch sein Beyspiel, wo nicht zu rechtfertigen, doch zu entschuldigen scheint, indem er sagt, er sey Allen Alles geworden, um ja allenthalben Einige zu bekehren.“ (AA VII, 241) Und auch bei Herder gibt es ein spätes Echo, wenn er in den theologischen Schrif ten der neunziger Jahre „insbesondere Paulus als den edelsten Enthusiasten für Aufklärung und geistige Freiheit“ darstellt (Haym 1885, Bd. 2, 550); entsprechend interpretiert Herder biblische Wunder und kirchliche Sakramente: „Darin gerade sieht Herder den Vorzug einer symbolischen Handlung, daß sie vielseitig gedeu tet werden könne und Jedem nach seinem Gesichtspunkt und Bedürfniß etwas Anderes sage.“ (557) Im „Pfingstwunder“ beschreibt Herder diese Wirkungsweise des Enthusiasmus als „Gabe der Sprachen“: „daß die […] Versammelten in begeis terten Reden den Anbruch neuer Zeiten […] priesen, so zwar, daß von den Hören den Jeder seinen Sinn, seine Erwartungen und Hoffnungen, seine Auslegungs-, Sprach- und Glaubensweise erkannte“ (530). Wenn sich schon in den brieflichen Beziehungen Forsters zu Herder keine expliziten Aussagen zur Lektüre der Plastik finden lassen, so hat die in der Fors ter-Forschung verbreitete These von Forsters Fremdheit gegenüber der Bildhau erei ein mögliches Interesse an impliziten Bezugnahmen auf Herders Schrift in Forsters Texten eher verhindert. Die These wird von Ludwig Uhlig so weit zuge spitzt, dass er, was immer Forster über Skulpturen geschrieben hat, aus seiner Gesamtdarstellung ausgrenzt, indem er behauptet, es verdiene nicht, dass der Plastik im Rahmen von Forsters Kunstanschauungen „ein eigener Abschnitt gewidmet werden müßte“ (Uhlig 1965, 133). Die Begründung der Forsterschen Fremdheit gegenüber der Plastik erfolgt auf zwei Ebenen, einer geistesgeschichtlichen und einer biographischen, die methodisch gleichermaßen problematisch sind. Wilhelm Waetzoldt präsen
13 Vgl. auch nochmals speziell zu Wieland AA XIV, 382.
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tierte 1919–1920 – Josef Nadlers Entdeckung folgend –14 Forster als Vorroman tiker, der als solcher an Unendlichkeit und Stimmung interessiert und notwen digerweise – im Rahmen der Wölfflinschen Typologien – geradezu antiplastisch gesonnen gewesen sei; Uhlig nahm diese Einschätzung auf, um sie zum Vorwurf abstrahierender Unsinnlichkeit zu verschärfen (Uhlig 1965, 107), indem er sie bio graphisch zu untermauern suchte: Forster habe antike Plastiken nur durch The orie, nicht aber „direkt, mit Hilfe unbefangener und intensiver eigener Studien“ (120–121) kennengelernt. Das Zirkuläre dieser Argumentation zeigt sich, wenn Uhlig behaupten muss: „Die Besichtigung einiger Antikenkabinette […] fällt wohl kaum ins Gewicht“ (121). Eine politisierte Version der geistesgeschichtlich-bio graphischen These von Forsters Kunstfremdheit – über die Plastik hinaus – hat Berthold Hinz vorgelegt; sie ist im Verallgemeinerungsgrad kaum zu übertreffen, obwohl sie nur die Ansichten vom Niederrhein treffen soll: „Moralisten, Idealisten und Erzieher pflegen gemeinhin mit der Kunst auf Kriegsfuß zu stehen: Das lehrt die Geschichte von Platon […] bis zu den Sozialismen jeglicher Couleur.“ (Hinz 2000, 96)15 Doch belegen gerade Forsters Ansichten die – von Uhlig bestrittene – ‚direkte Kenntnis‘ antiker Statuen. In Düsseldorf erinnert der Reisende seine Leser – nicht nur die Ehefrau Therese – an „die herrlichen Abgüsse von Antiken […], die wir zu Manheim sahen“ (AA IX, 81), und listet mit „Potsdam, Kassel, Dresden, Wien und Manheim“ (41) diejenigen Orte auf, an denen Forster entweder griechische Originale, Abgüsse oder Kopien in Marmor hatte sehen können, bevor er sich im Mai 1790 in Londoner Sammlungen zu 79 antiken Plastiken mehr oder weniger ausführliche Tagebuchnotizen machte, die in der Akademie-Ausgabe zehn Seiten (mit jeweils rund 37 Zeilen) füllen (AA XII, 276–285). Die früheren Tagebücher, das muss zugegeben werden, kennen solche Ausführlichkeit nicht; doch dabei ist zu beachten, dass er am 8. Oktober 1777 gerade an einem Ort, wo es griechische Originale zu sehen gibt, in Paris nämlich, sein Programm als Diarist formuliert: „It is to no purpose to describe by piece-meal what may be found in Almanachs and Guides de Paris, and so on.“ (AA XII, 17) So könnten sich auch die entspre chenden Lücken in den Aufzeichnungen aus Dresden und Wien im Tagebuch von 1784 erklären (57, 129). Die von Forster beschriebene Townley Collection war jedenfalls einer der Gründe, weshalb „the scholar scanning the index of Carlo
14 Vgl. Nadler 1924, Bd. 3, 290; schon vor Nadler finden sich Ansätze zu dieser Einschätzung bei Strich 1910, Bd. 1, 277, Bd. 2, 167, der allerdings nur von Forster als „Vorarbeiter“ der Romantik spricht. 15 Vgl. dagegen aber in demselben Band der Georg-Forster-Studien das Resumee von Hoorn 2000, 126.
9.2 Zur Frage von Forsters Kenntnis von Herders Plastik und griechischen Plastiken
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Fea’s Italian edition of Winckelmann’s History of Ancient Art would have noted how many more works were mentioned in English than in French, Spanish or Ger man collections“ (Haskell/Penny 1982, 68). Forster aber hatte auch in Frankreich und Deutschland die Gelegenheit, Originale, Abgüsse oder Kopien zu sehen; außer den Reisen nach Paris (80), Dresden, Wien (74) und Mannheim, dessen Bestand im achtzehnten Jahrhundert „was considered comparable with that of the French Academy“ (79), ist vor allem der langjährige Aufenthalt in Kassel zu berücksichtigen, wo „the Landgraf Friedrich II followed the example of his imme diate predecessors in acquiring casts, marble replicas and small bronze copies of the most famous antiques on a lavish scale“ (80–81). Forsters beruflich bestimm ter Lebensweg führte an genau die Orte, zu denen seine Zeitgenossen reisten, um Antiken zu sehen: Goethe kam deshalb nach Kassel, Herder fuhr nach Paris und Schiller nach Mannheim. Wenn man diejenigen Figuren der griechischen Mythologie zusammen stellt, die Forster in seinen Schriften seit 1789 am häufigsten nennt – also (außer in den Ansichten) im „Fragment eines Briefes an einen deutschen Schriftsteller über Schillers Götter Griechenlands“, in „Die Kunst und das Zeitalter“, in der „Geschichte der Kunst in England. Vom Jahre 1789“ und in „Über lokale und all gemeine Bildung“, dann sind darunter bemerkenswert viele, von denen er Plas tiken zu sehen Gelegenheit gehabt hat: Antinoos (AA IX, 78, 323),16 Aphrodite (AA IX, 26; AA VII, 17–18),17 Apollo (AA IX, 26; AA VII, 4, 19),18 Artemis (AA VII, 19, 23), Bacchus (AA VII, 19),19 Harmodios und Aristogeiton (AA VII, 24),20 Herakles (AA VIII, 192),21 Hermes (AA VII, 23),22 Niobe (AA IX, 80)23 und Zeus (AA IX, 67). Zugleich spricht diese Liste indirekt für Forsters Kenntnis von Herders Schrift. Denn seine Favoriten sind viel eher die Herders als die Winckelmanns, dem in der Forschung oft der allein entscheidende Einfluss auf Forsters Klassizismus zugeschrieben worden ist.24 Besonders sprechend ist die Abwesenheit einiger
16 Zu Kopien in Paris vgl. Haskell/Penny 1982, 142, 144, 146. 17 Zur Kopie in London vgl. Haskell/Penny 1982, 321, und in Dresden, 326. 18 Zu Kopien in Paris und London vgl. Haskell/Penny 1982, 147. 19 Zur Kopie in Paris vgl. Haskell/Penny 1982, 204. 20 Vielleicht Castor und Pollux, deren Kopie in Mannheim auch Schiller beschreibt, vgl. Has kell/Penny 1982, 174. 21 Zur Kopie in Kassel vgl. Haskell/Penny 1982, 230, sowie zu anderen in Paris und London, 230–231; zur Kopie des Torso in London, 313. 22 Zum Abguss in Paris vgl. Haskell/Penny 1982, 78. 23 Zur Kopie in Mannheim vgl. Haskell/Penny 1982, 277–278. 24 Vgl. Waetzoldt 1919–1920, 402; Hinz 2000, 92–95; zunächst abgeschwächt von Uhlig 1965, 129, wenn er auch Herders Ideen erwähnt, dann aber durch Deutung des 13. Buchs als „ganz im
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Figuren, die bei Herder und Winckelmann eine – gelegentlich zwischen beiden kontroverse – Rolle spielen: Forster schweigt zum Borghesischen Fechter,25 zu Laokoon26 und zum Hermaphroditen.27 Die eindeutigsten Belege für Forsters Kenntnis von Herders Plastik sind einige direkte Zitate; dabei handelt es sich zugleich um Beispiele für das, was Rudolf Haym – sichtlich angetan – Herders „ungenirten Kraftstil“ genannt hat: Von Gefühlseindrücken redend, Erscheinungen, Charaktere, Gestalten schildernd, die ihn anziehen oder anwidern, sprengt der Verfasser, auf Augenblicke wenigstens, die Fesseln des gesellschaftlich Schicklichen, um jetzt einmal mit einem derben oder cynischen Ver gleich unter das Niveau der gewöhnlichen Schriftsprache herab-, jetzt wieder, vielleicht dicht daneben, mit einer edel großen, poetischen Anschauung über dies Nieveau auszu greifen.“ (Haym 1885, Bd. 2, 73)
Herder spottet: „Es sind […] ungemein feine Köpfe, die der Malerei die nackten Fleischmassen und wohl gar die nassen Gewänder anraten, weil sie damit ihrer ältern lieben Schwester, Bildhauerkunst, näherkomme und wohl gar antikisch würde. […] Jüngste Gerichte voll Fleisch wie Heu und Dianenbäder wie Fleisch märkte!“ (Herder 1969, Bd. 3, 93) Forster zitiert die letzte Metapher in seiner Beschrei bung von Rubens’ Jüngstem Gericht in den Ansichten; doch das Zitat ist auch Radi kalisierung, denn wo der protestantische Geistliche noch vorsichtig genug ist, die Metapher ‚Fleischmarkt‘ nicht auf ein Gemälde mit christlichem Sujet anzuwenden, sondern sie heidnischen ‚Dianenbädern‘ vorbehält, heißt es bei Forster: Nein! es war keine der Musen, die den Künstler zu solchen Ausgeburten begeisterte. An der dithyrambischen Wuth, die durch das ganze strömt, an diesen traubenähnlichen Grup pen von Menschen, die als ekelhaftes Gewürm in einander verschlungen, eine verworrene Masse von Gliedern, und – schaudernd schreib’ ich, was ich sehe – einen kannibalischen Fleischmarkt vorstellen, erkennt man die wilde, bacchantische Mänas, die alle Bescheiden heit der Natur verläugnet, und voll ihres Gottes, den Harmonienschöpfer Orpheus zerreißt. (AA IX, 44)
Sinne Winckelmanns“ bekräftigt, Uhlig 1990, 354; vgl. etwas anders Uhlig 1988, 75: „Aus An deutungen Winckelmanns und Herders wird damit eine […] Verknüpfung“. Eine abweichende Verortung Forsters nimmt, leider nur beiläufig, Rehm 1968, 202–203, vor: Er betont an dem von Forster verteidigten Schillerschen Gedicht die größere Affinität zu Herder (und Wieland) als zu Winckelmann. Uhlig 1999, 483, hebt erstmals den Einfluss von „Schillers Mannheimer Antiken beschreibung“ auf Forsters „Glorifizierung des antiken Heidentums“ hervor. 25 Vgl. Herder 1969, Bd. 3, 83; Winckelmann 1969, 86; Winckelmann 1976, 155, 209. 26 Vgl. Herder 1069, Bd. 3, 89, 102, 105, 150, 152; Winckelmann 1969, 4, 20; Winckelmann 1976, 40, 55, 150, 174, 209, 214/215, 245, 256, 268, 284. 27 Vgl. Herder 1969, 94, 128; Winckelmann 1976, 199, 206–207.
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Auch noch die weiblichen und ‚barbarisch‘-nichteuropäischen Konnotationen der Forsterschen Verurteilung unterstreichen den Einsatz der Herderschen Meta pher vom Fleischmarkt zur ästhetischen Delegitimierung christlicher Kunst. Wenn es in diesem Zitieren gegen die religiöse Funktion von Kunst in der Moderne geht, so in einem anderen um die politisch-repräsentative. Forster greift Herders äußerst sarkastische Beschreibung der Statuen vor dem Potsdamer Stadt schloss auf und verkürzt sie prägnant auf die Formel „Denkmäler der Schande“ (248); Herders entsprechende Kritik des fritzischen Klassizismus lautet: Griechische Spiele, griechische Tänze, griechische Feste, griechische Offenheit, Jugend und Freude, wo sind sie, wo können sie sein? Und wenn auch sogleich ein Serenissimus regens, etwa der Stifter eines neuen Griechenlandes (so wie die fünfte Loge oben Paradies heißt), durch Edikte schwarz auf weiß und gar bei Trommelschlag sie allergnädigst anbe föhlen. Stellet griechische Statuen hin, daß jeder Hund an sie pisset, und ihr könnt dem Sklaven, der sie täglich vorbeigeht, dem Esel, der seine Bürde schleppt, kein Gefühl geben zu merken, daß sie da sei und er ihr gleich werde. So habt ihr also doch einen Zaunpfahl hingesetzt, an den er sich lehne und etwa seinen geschundenen Rücken reibe! An einem berühmten Orte Deutschlands ist der Paradeplatz mit Statuen umgeben, griechische Hel den mit neuem spitzen Knie und der Trummel; ich weiß nicht, warum die Gamaschen und die Grenadiermütze und das präsentierte Gewehr und der Kommißrock fehlen? Sonst halte ichs für trefflich, jeder Schildwache Statuen vorzusetzen; das Geschöpf hat Zeit, an ihnen Apollo und Jupiter zu werden. (Herder 1969, Bd. 3, 130–131)
In „Die Kunst und das Zeitalter“ buchstabiert Forster aus, was Herders Ironie kaum verbirgt, dass nämlich „feudalische Tyrannei und immerwährende Kriege“, „der kalte Hauch des Despotismus“ das „Gefühl“ vernichtet hätten, aus dem in der griechischen Antike „die Kunst und die Tugend“ entsprungen seien: Vaterlandsliebe konnte den nicht begeistern, der kein Vaterland hatte, sondern einen Herrn. Kein befreytes Athen winkte dem Künstler, seinen Harmodius für die Nachwelt zu bilden […]. Im Stahl der Rüstung, unter den unförmlichen Wolken der nordischen Kleidung suchte sein forschender Blick vergebens den Menschen; die Helden seines Zeitalters bargen vergebens ihre Blöße in diesen barbarischen Hüllen; Griechenlands Heroen waren edler und schöner in ihre Tugend gekleidet.“ (AA VII, 24)
In Herders Plastik wird diese Kontrastierung zwischen moderner ‚Rüstung‘ und antiker ‚Blöße‘ durch Ironie und Appell dem Leser überlassen: Ein Held in seiner Uniform, allenfalls noch die Fahne in der Hand und den Hut auf ein Ohr gedrückt, so ganz in Stein gebildet, wahrlich, das müßte ein Held sein! Der Künstler, der ihn machte, wäre wenigstens ein schöner Kommißschneider. Betaste die Statue in dunkler Nacht, du wirst an Form und Schönheit Wunderdinge in ihr fühlen. (Herder 1969, Bd. 3, 88–89)
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Am massivsten ist Forsters Verpflichtetsein gegenüber Herders Plastik in den Londoner Tagebuchnotizen der Reise von 1790 ausgeprägt, die Forster nicht mehr zum dritten Teil der Ansichten ausarbeiten konnte: Herders „der Griechen nasse Gewänder“ (92) erscheinen in Forsters Aufzeichnungen durchgängig als höchster Wertungsmaßstab, obwohl er hier gelegentlich ausdrücklich aus Schriften Win ckelmanns zitiert (AA XII, 280);28 Winckelmann aber bekämpft als „insgemein[e] irrig[e]“ Annahme, dass die Gewänder der Statuen der Alten „nach nassen Gewändern gearbeitet“ seien (Winckelmann 1976, 158): Die Leinwand ist […] an der Durchsichtigkeit und an den flachen kleinen Fältchen kennt lich, und diese Art der Bekleidung ist den Figuren gegeben, nicht sowohl weil die Künstler die nasse Leinwand, mit welcher sie ihr Modell bekleideten, nachgemacht, sondern weil die ältesten Einwohner von Athen, wie Thukydides schreibt, und auch andere Griechen sich in Leinwand kleideten, welches nach dem Herodotus nur von dem Unterkleide der Weiber zu verstehen wäre. Leinwand […] war den Weibern eigen. (233)
Mit Herder hingegen fasst Forster – unter Vernachlässigung von Winckelmanns, wenn auch billigender, Einsicht in die „Minderbewertung der Frau“ (Patry 1992, 6) – die „[n]asse Draperie“ (AA XII, 277)29 als Mittel, „den tastenden Finger und das Auge, das jetzt nur noch als Finger tastet, zu betrügen, ihm ein Kleid zu geben, das doch nur gleichsam ein Kleid sei“ (Herder 1969, Bd. 3, 92). Forsters am stärksten ausgearbeitete und zugleich ausführlichste Notizen betreffen zwei weibliche, also bekleidete Figuren, eine Venus (AA XII, 282) und eine Isis; nicht nur deren Gewänder beschreibt er als nass: Ihr Haar, an der Stirne gescheitelt, fällt zurück, und über die Schläfe, nah an den Aug braunen vorbei, in nassen wellenförmigen Locken und Flechten, die auf dem Nacken sich schlängeln. Das Gewand von feiner Leinwand ist naß, und läßt die Gestalt durchscheinen; es deckt den rechten Arm und zum Theil die Schulter, und ist vorn den Arm hinab mit vier runden Spangen zugeheftet; dann fließt es in einer schrägen Wellenlinie, über den reichen nährenden Busen, und schlüpft um die Mitte des linken Arms, wo wieder eine Spange zum Vorschein kommt. […] Bezaubernd ist die rechte Brust, durch das Gewand fühlbar; an der linken nackten vergehen die Sinne. Den Hals wollüstig emporhaltend, üppig, voll und weich, neigt sich ihr Haupt kaum merklich zur rechten Seite; schön und voll sind die Wan gen; im Munde ist ein Reichtthum der Affektsprache, der sich nicht ausdrücken läßt; sehen muß man diese dem Sinne entgegenkommende Oberlippe, wie viel Leben in ihr verborgen ist, wie viel mannichfaltige Kraft der Bewegung in ihrer festen Wölbung, und welche Ruhe, welche sanfte, milde, nichts begehrende, aber mild empfindende Form der Schönheit in allen seinen Proportionen und Theilen! (284)
28 Vgl. zu Forsters Kenntnis Winckelmannscher Schriften auch seinen Brief an Christian Fried rich Voß vom 19. April 1791, AA XVI, 276. 29 Vgl. auch AA XII, 284, 285.
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Forster fasst den Ausdruck als „schmachtend-melancholischen, sinnenden“ auf: als „Blick voll Liebe und wärmender Kraft zu trösten und zu beseelen“ (284). Forster kombiniert optische und taktile Wahrnehmungen in ähnlicher Weise auch in den übrigen Beschreibungen weiblicher Statuen: „Der weibliche Körper über allen Begriff weich.“ (281) Demgegenüber ist „[k]olossalisch“ (279)30 das Stichwort, das die Beschreibungen männlicher Statuen regiert: „Der Heros blickt so wild und trotzend auf; und so schön ist der Trotzkopf! so männlich groß!“ (282) Wie in der ausgearbeiteteren Notiz zur Isis gerät in den längeren zu männlichen Figuren der Kopf und insbesondere der Mund schließlich ins Zentrum; so heißt es zu einer „göttlich[en]“: „Die Falten der Stirn gehen quer und schräg aufwärts vom rechten Schlaf. Der Bart voll Geist. Zwei große Büschel Locken über den Ohren. Schöner sprachreicher Mund. Tiefe, doch sanfte Augen, scharfblickend. Falten tief hinab zwischen den Augenbraunen.“ (281) Göttlich in dieser Weise kann aber auch eine Minerva sein: „Wunderbares Vorwärtsstreben des ganzen Kopfes, Halses und Blickes, und des sich öffnenden Mundes. Mehr ein Bild menschlichen Forschens, als göttlichen Wissens.“ (283–284) Forsters Beschreibungen der 79 Antiken der Townley Collection ordnen diese in ein Spektrum ein, das von weiblicher Weichheit über philosophisches Sinnen bis zum kolossalen männlichen Trotz reicht; damit folgt Forster Anregungen sowohl Winckelmanns und Lessings als auch Herders. In meiner Dissertation über die Ansichten habe ich an der Rezeption von Winckelmanns und Lessings Auffassung der antiken Plastik nachgewiesen, dass Forster einerseits die „Alter native stoizistischer oder empfindsamer Antikerezeption“ „vermeidet“ (Peitsch 1978, 511), andererseits einige Vorgaben Winckelmanns und Lessings zum Spe zifischen der Moderne aufgreift – ‚die Begriffe des Getheilten in unserer Natur‘ und des ‚Individuellen‘ als Mischung von Positivem und Negativem (516), um den Kontrast zwischen Antike und Moderne geschichtsphilosophisch zu verschärfen. Allerdings habe ich damals übersehen, wie wichtige Anregungen für eine solche Verschärfung Forster aus Herders Plastik gewinnen konnte. Denn dieses Moment des Kontrasts zwischen moderner, insbesonderer deutscher gesellschaftlicher Gegenwart und dem „Anblick einer Statue – im Geschmack der Alten“ lieferte schon in Herders Preisschrift von 1777 die entscheidende Erklärung für die Rezep tion der antiken Plastik (Herder 1969, Bd. 5, 234); auf die Frage, „was es eigentlich war, das Winckelmanns Neigung und Schwärmerei fürs Altertum nun eigentlich und auf lebenslang für die Kunst desselben fixierte?“ (233), antwortet Herder im „Denkmal Johann Winckelmanns“ mit dem „Anblick“ der Statuen in Dresden:
30 Vgl. auch AA XII, 283, 284.
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Aus unserm übrigen Leben ist ihr Geist so fern weg, aus unsern Geschäften, Fakultäten und Professionen, selbst aus Schulen und Bibliotheken so sehr entflohen, daß vielleicht einzig das stille Kunstbild, das aus der alten Zeit, der Sündflut der Jahrhunderte entronnen, noch ganz und treu und einfältig dasteht […] – daß vielleicht diese allein eine nach dem Gefühl der Griechen dürstende Seele fassen, umfangen und ihr in ihrem schwärmendsten Fluge einen Schwungraum verschaffen könnten, wo nichts sie hindert und zurückstößt auf unsere unantike, nagelneue Erde. (234)
Forster kannte, wie ein Brief an den Vater vom 24. Dezember 1778 belegt, vielleicht Herders ebenso wie seines künftigen Schwiegervaters Heyne Preisschrift, denn die Auszeichnung Heynes durch „unsre[…] Casselsche[…] Societät der Alterthü mer“ erfolgte in Forsters erstem Jahr in Kassel (AA XIII, 167). Forsters „psychologische Historisierung von Antike und Moderne“ (Peitsch 1978, 511) ist zugleich Anknüpfung an und Abweichung von Herders Plastik; sie lässt sich auf zwei, allerdings entscheidende Punkte bringen: der erste betrifft die sinnespsychologische ‚Klassifikation‘ der Künste (Herder 1969, Bd. 3, 81)31 und ihrer Gattungen (85), der zweite die wirkungsästhetische Grundannahme über die Rezeption der Werke griechischer Plastik, nämlich deren „Gewalt […], unsre Seele in die nämliche sympathetische Stellung zu versetzen“ (128). Im Ergebnis beider Abweichungen kommt es zu einer geschichtsphilosophischen Zuspitzung von Herders Vorgabe; diese ergibt sich daraus, dass Forster Widersprüche von Herders Text durch Geschichtsphilosophie vereindeutigend zu lösen sucht.
9.3 Forsters Abweichung von Herders Plastik in der sinnes psychologischen ‚Klassifikation‘ der Künste und der wirkungsästhetischen Grundannahme über die Rezeption der Werke griechischer Plastik Zur ersten Abweichung: Forster macht aus Herders Metapher32 vom „Auge, das jetzt nur als Finger tastet“ (Herder 1969, Bd. 3, 92),33 ein Hendiadyoin: Gesicht und Hand, um so zu seinem Begriff der „Hermeneutik der inneren Geisteskräfte“ zu kommen (AA IX, 46), der immer noch eine Nähe wahrt zu Herders Versuch, „das stumme Bild zu uns sprechen und die […] kraftvolle Form […] sich […] unter dem Finger unsres innern Geistes beleben“ zu lassen (Herder 1969, Bd. 3, 110).
31 Hierzu vgl. Schirmunski 1963, 32–34. 32 Vgl. Gulyga 1978, 110: „Tastsinn des Auges“. 33 Vgl. auch Herder 1969, Bd. 3, 82, 96, 107.
9.3 Forsters Abweichung von Herders Plastik
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Wenn Forster die Künste nach Zeichen und Sinnen abgrenzt (AA IX, 258–259), dann ergibt sich für die Plastik die lapidare Formel, dass „die Bildhauerei […] das Materielle dem Gefühl und dem Auge zugleich Preis giebt“ (66). In Forsters Bezeichnungen optischer Wahrnehmung gehen deshalb, wenn es um Plastiken geht, immer auch Momente taktiler Wahrnehmung ein, ob er vom „[F]assen“ der „Seele“ (28) spricht oder von der „Berührung durch die Sinnesorgane“ (38) oder auch von der „innere[n] Empfänglichkeit des Herzens, die ich, in der höheren, eigentlichen Bedeutung des Wortes, den Sinn nenne“ (38–39). Sogar in Fors ters Begründung seiner Beschreibungstechnik in den Ansichten geht das taktile Moment ein, das er mit dem optischen verbinden will: „Ästhetisches Gefühl […] wird gegeben, wenn man, statt einer kalten Beschreibung eines Kunstwerks, die Schwingungen mitzutheilen und fortzupflanzen versucht, die sein Anblick im innern Sinn erregte.“ (39–40) Im Londoner Tagebuch formuliert Forster zur Beschreibungstechnik den Wunsch: „Ich möchte Worte finden […], damit man es fühlte“ (AA XII, 284), „[…] die Umrisse des ganzen Körpers so weich, so zart, […] daß man erstaunt, wie ein solches Gebilde unter der Hand des Meisters durch Meißel und Hammer entstehen konnte.“ (282) Die zweite Abweichung Forsters von Herders Plastik betrifft zwei Widersprü che in Herders Text, zum einen den zwischen der ‚Ewigkeit‘ der „Formen der Skulptur“ und den „mit Geschichte, Menschenart und Zeiten“ ‚abwechselnden‘ „Gestalten der Malerei“ (Herder 1969, Bd. 3, 104), zum anderen den Widerspruch zwischen der Annahme eines „Gemeinschaftliche[n]“ zwischen antikem Werk und modernen Betrachtern, die „ihresgleichen“ (131) in ihm fänden bei der „Ver setzung unsres ganzen menschlichen Ichs in die durchtastete Gestalt“ (125), und der Feststellung von „Ehrfurcht, die beinah Schrecken wird und Schauder“ (140); indem Forster konsequenter als Herder die Plastik der Antike und die Malerei der Moderne zuordnet, werden zugleich die Rezeptionsweisen so unterschie den, dass zwei grundsätzlich verschiedene Weisen von Identifikation historisch getrennt werden: Griechische Gestalten und griechische Götter passen nicht mehr in die Form des Menschen geschlechts; sie sind uns so fremd, wie griechisch ausgesprochene Laute und Namen in unserer Poesie. Es mag seine Richtigkeit haben mit der göttlichen Vollkommenheit der bei den Meisterwerke des Phidias, seiner Minerva und seines Jupiters; aber je majestätischer sie da säßen oder ständen, das hehre Haupt für unsern Blick angränzend an den Himmel: desto furchtbarer unserer Phantasie; je vollkommnere Ideale des Erhabnen: desto befremdlicher unserer Schwachheit. Menschen, die für sich allein stehen konnten, hatten keckes Bewußt sein genug, um jenen Riesengottheiten ins Auge zu sehen, sich verwandt mit ihnen zu füh len und sich um dieser Verwandtschaft willen ihren Beistand im Nothfall zu versprechen. Unsere Hülfsbedürftigkeit ändert die Sache. Wir darben unaufhörlich und trotzen nie auf eigene Kräfte. Einen Vertrauten zu finden, dem wir unser Herz mit allen seinen Widersprü chen, Verirrungen und geheimen Anliegen ausschütten, dem wir durch anhaltendes Bitten
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und Thränenvergießen, wie wir selbst geduldig und mitleidig sind, ohne ihn zu ermüden, Beistand und Mitleid ablocken können: das ist das Hauptbedürfniß unseres Lebens, und dazu schaffen wir Götter nach unserem Bilde. (AA IX, 67–68)
Mit der Kontrastierung von antikem Ideal und moderner Individualität werden zugleich gesellschaftliche Verhältnisse einander entgegengesetzt, die Forster unter den Begriff der Verfassung bringt: Arbeitsteilung und Herrschaftsverhält nisse bestimmen das Verhältnis von Privatem und Öffentlichem in gegensätz licher Weise für Antike und Moderne. Auch wenn sich zwischen den Schriften Forsters vom „Fragment“ bis zum zweiten Band der Ansichten, von 1789 bis 1792, gewisse Unterschiede hinsichtlich der Chancen moderner Kunst zeigen, markiert der im Spätsommer 1789 geschriebene Essay „Die Kunst und das Zeitalter“ die übergreifende Tendenz: den Versuch nämlich, die radikale Neuheit der Franzö sischen Revolution dadurch geschichtsphilosophisch zu begreifen, dass er aus der radikalen Vergangenheit der antiken Plastik ein Ideal machte, das als Ziel der Gattungsgeschichte über die politisch verurteilte Gegenwart der Moderne hinauswies.34 Indem Forster die Antike radikal auf die Plastik reduzierte und die Moderne als intellektuellen Fortschritt und ästhetischen Verlust widersprüchlich fasste, stellte er der verlorenen Einheit und der gewonnenen „Mannigfaltigkeit“ „partielle[r] Disharmonien und Excentricitäten“ das Ziel der Versöhnung auf höherer Stufe (AA VIII, 190). Damit reproduziert Forsters geschichtsphilosophische Politisierung der grie chischen Plastik im Zeichen des Kontrasts von antikem Ideal und moderner Indi vidualität die Widersprüchlichkeit von Normativität and Historizität in Herders Schrift, auch wenn Forster die anthropologische Kontinuität der sinnespsycholo gischen Gattungs- und der auf Identifikation setzenden Wirkungsästhetik gewis sermaßen unterbricht. Die dennoch gewahrte Nähe ergibt sich aus der Funktion der griechischen Antike als – den Konzepten des Allgemeinmenschlichen oder der ‚Natur‘ vergleichbarer – ‚heroischer Illusion‘:35 „Die antikische Norm ent springt bürgerlichem Utopismus. Er ist zugleich Vehikel und Ferment historischer Selbsterkenntnis“ (Heise 1982a, 39). In Forsters Schriften stehen so zwischen 1789 und 1792 neben historischen Feststellungen zum Ende der „Bildhauerkunst“ „mit
34 Zur Gegenüberstellung des „Verhältniss[es] von Kunst und Religion in Antike und Moderne“ in „Die Kunst und das Zeitalter“ stellt Hoorn (2000, 122) fest: „Die Vollkommenheit der griechi schen Götter korrespondiere mit der klaren, idealen Schönheit der Götterstatuen, während die Gebrochenheit der christlichen Religion als unentschiedener Mischung von Erbarmungswürdi keit des Gekreuzigten und Gott als reinem Geist, paradigmatisch für das Dilemma der Moderne sei.“ Vgl. Kapitel 8. 35 Vgl. zum Begriff Marx und Engels 1969, Bd. 8, 115–116.
9.4 Übereinstimmungen zwischen Herders und Forsters Bildern der Griechen
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dem Sturz de[s] Griechischen […] Alterthums“ (AA VII, 118) normative Appelle, „menschliche Natur geahnet in der Vollkommenheit des Möglichen“ (123) wahr zunehmen.36 Indem Forster antike Plastiken als „Bilder des Möglichen“ ‚begreift‘ (44), bleibt auch seine geschichtsphilosophische Ästhetik, wie Heinz Gockel (1981, 108, 199) gezeigt hat, Herders Umgang mit antiker Mythologie als ‚poeti scher Heuristik‘ verpflichtet. Die Nähe erklärt auch, weshalb es zwischen Herders und Forsters Bildern der Griechen Übereinstimmung in einzelnen Zügen gibt.
9.4 Übereinstimmungen zwischen Herders und Forsters Bildern der Griechen In der unterdrückten Fassung des 19. der Briefe zu Beförderung der Humanität fin det sich 1792 eine Formulierung des antiken Ideals, die Forsters 1790 publiziertem Essay „Die Kunst und das Zeitalter“ zu entsprechen scheint: Wenn nahe Völker unseres Europas Zeiten erlebten, die den Zeiten Miltiades, Themisto kles, mithin auch Äschylus, Sophokles, Pindars glichen, […] und wie es selten der Fall war, der Feldherr als Bürger reden, als Redner schreiben könnte? Notwendig müßte aus dieser Vereinigung von Geschäften und Talenten ein Licht hervorgehen, eine Flamme sich entzün den, die jene Alten nicht nur heller beleuchtete, sondern ihr Licht, ihr Feuer, aus der Asche gleichsam wieder auflebend unseren Zeiten selbst mitteilte … (Herder 1971, Bd. 2, 345–346)
Auch wenn der Irrealis in dieser Bezugnahme auf die Französische Revolution sowie der literarisch-rhetorische Grundzug des Griechenland-Bilds einen deutli chen Unterschied machen, so ist das Ideal des Bürgers, der Schriftsteller, Redner und Feldherr ist, nicht so weit entfernt von Forsters hymnischer Beschreibung des Gegenstands der griechischen Plastik – des Ideals – in „Die Kunst und das Zeitalter“: […] den schönen Körper belebte die schönere Seele und vor seinem Marmorbilde ahndete der Zuschauer zum erstenmal, wie größere Menschen empfinden. „Diese Stirne birgt hohe Weisheit“, rief man einander zu; „jener Blick ergründet die Gedanken und enträthselt die Zukunft; Überredung fleußt von solchen Lippen! Den Schleier der Gestalten durchschim mern hier Leiden und Genuß; aber sie stören nicht das schöne Ebenmaas ihrer Züge, enta deln nicht ihre Stellung: so leidet und so genießt der Held und der Weise!“ (AA VII, 19)
36 Beide Zitate aus der „Geschichte der Kunst in England“; vgl. auch denselben Widerspruch im „Fragment“, AA VII, 5, 12; in „Die Kunst und das Zeitalter“, AA VII, 15, 16; in „Über lokale und allgemeine Bildung“, AA VII, 47, 48.
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9 Herders Plastik und Georg Forsters Griechenland
Wenn Forsters Held und Weiser wie eine Vorwegnahme von Herders Feldherrn und Redner erscheint, so klingt die Fortsetzung von Forsters Hymnus auf das „hohe Ideal“ griechischer Plastik umgekehrt wie ein Echo Herderscher Statuen beschreibungen, wenn jetzt auch Frauen einbezogen werden: „Die ernste Jung fräulichkeit scheuchet nicht mehr das Auge des Staunenden zurück. Auch die reitzenden Formen der Liebe wecken nicht den Sturm unedler Begierden, son dern flößen das stille Sehnen der Zärtlichkeit in das Herz. […] Entfesselt von dem gröberen Körper, allwirksam stand die Lebenskraft vor ihnen da, in ätherischen Umrissen noch sichtbar, wie sie im Ichorstrom die schöne Form erfüllt.“ (19–20) In Forsters Götter- und Heldenbildern gibt es einen bemerkenswerten Unter schied zwischen dem Apollo, den er in die oben zitierte Liste 1790 einfügt, und einem Vergleich von Herkules und Apollo, den er 1793 in den „Parisischen Umris sen“ benutzt;37 im vorrevolutionären Essay heißt es: „Auf Apollons, des Fern hertreffenden, Lippe verschwindet im Siegeslächeln der Zorn.“ (19) Drei Jahre später beschreibt Forster das Subjekt des revolutionären Prozesses, den „Koloß der öffentlichen Meinung“ (AA X/1, 625): „Ein helles Licht spielt um seine Locken; vom Blute der Erschlagenen trieft sein Schwert. Zürnend, wie der Fernetreffer Apoll, blickt er über seines Landes Gränzen, und ich vernehme deutlich die Don nerworte: discite justitiam moniti!“ (619) So wichtig wie Jammes (1986a, 290) Hin weis, dass sich Hegel diese Maxime exzerpierte, ist der Nachweis Rolf Reichardts: „Diese Vision entspricht zeitgleichen französischen Bildern des ‚herkulischen Volkes‘, wie Forster sie in seinem Pariser Exil vielfach sehen konnte, beispiels weise ein allegorisches Blatt vom Herbst 1793“ (Reichardt 2000, 194–195). Wenige Seiten vor dem Herkules-Bild und seiner Maxime findet sich in Forsters Text ein anderes lateinisches Zitat, das gleichfalls auf die griechische Mythologie ver weist, diesmal eine weibliche Heldin; aus Ovids Metamorphosen (VII, 20 f.) zitiert Forster Medea: „Jenes video meliora, proboque; deteriora sequor, ist in der That nur die Entschuldigung eines Schwachkopfs; denn was der Verstand stark und fest ergriffen hat, dem muß das Herz folgen. Hier trete nun die Erfahrung auf, und
37 In seiner Untersuchung Die Geburt der ästhetischen Bildung aus dem Körper der antiken Plastik sieht Dimitri Liebsch bei Forster dagegen im „Zentrum des semantischen Feldes von Bildung“ „eine deutliche Verschiebung“, der explizite Bezug auf Plastik oder ihre Form verschwinde, der auf Körper oder Gestalt trete zurück: „Stattdessen dominiert ein Wortgebrauch, der ‚Bildung‘ auf eine Entwicklung des Individuums oder der Menschheit bezieht und damit einen selbstreferen tiellen Aspekt betont; transitive Sachverhalte werden hingegen mit ‚erziehen‘ oder ‚unterrichten‘ assoziiert.“ (2001, 136/137) Daraus zieht Liebsch den Schluss: „Anders als Schiller, der die äs thetische Bildung später als reformerische Alternative zur Revolution zu stilisieren suchte, gab Forster sein theoretisches Projekt zugunsten des politischen Engagements auf.“ (137) Vgl. auch den Untertitel von Liebsch 2007 „Forsters verschollene Bildungstheorie“.
9.4 Übereinstimmungen zwischen Herders und Forsters Bildern der Griechen
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gebe Zeugniß. Haben wir seit dem Anfange der Revolution bloß geschwatzt, oder nicht auch gethan?“ (AA X/1, 616) Medea bekräftigt jene Einheit von Denken und Handeln, von Weisheit und Heldentum, von Bürger-, Schriftsteller-, Redner- und Feldherr-Sein, die Forster mit Herder an der Antike zum Ideal erhebt. Forsters Kenntnis des Ovid-Zitats könnte durch Diderot vermittelt sein, der es in „Pages contre un tyran“ (Benot 1970, 40) benutzt und dessen Werke zum Kern von Forsters Bibliothek gehörten;38 denn es gibt hinsichtlich Medeas eine wei tere – sogar durch die Seltenheit dieser Deutung noch auffälligere – Beziehung zwischen Diderot und Forster. Forster ist der einzige Rezensent von Edmund Bur kes Reflections on the Revolution in France, der das – auf Thomas Hobbes zurück gehende – negative Bild vom Vatermord der Töchter des Pelias zurückweist und es durch das Bild Medeas als derjenigen ersetzt, die Aeson verjüngt. Diese Ver wendung des Bilds der Zauberin als Helferin Jasons erlaubt eine Verknüpfung mit dem Bild des männlichen Helden Herkules, den die mythologische Tradition vielfältig mit Jason verbunden hatte:39 Schauderhaft ist das große Bild, womit Burke die neuen Gesetzgeber bezeichnet! Ihr Vater land, sagt er, den ehrwürdigen Alten, zerhacken die unbesonnenen Kinder in Stücken, wer fen ihn mit giftigen Kräutern in den Zauberkessel, sprechen wilde Formeln der Weihe über ihn, und harren seiner Wiedergeburt und der Erneuerung seines Lebens! – Allein dies wahr haft erhabene Bild hat doch auch den Fehler, daß man durch die Fortsetzung der Allegorie seine Anwendung schwächt. Wie, wenn nun das Vaterland der einzige Gegenstand wäre, mit welchem eine solche magische Operation sich vornehmen läßt? Wenn im gegenwärti gen Fall der alte Äson so zerrüttet war, daß nur noch dieses Experiment Rettung versprach? (AA VII, 188–189)
In Raynals und Diderots Geschichte beider Indien, die Forster spätestens seit 1784 kannte und von der er 1786 eine neue Ausgabe bei seinem Verleger bestellte (AA XIV, 40, 447), benutzt Diderot das Beispiel des Aeson, wenn er die Frage der Gründung neuer oder der Wiedergeburt korrumpierter Nationen diskutiert: The great men who can form and mature a newly born nation, cannot regenerate one that is old and decrepit.[…] A nation is only regenerated in a bath of blood. It is the image of old Aeson, whose youth was only brought back by Medea when she cut him up and put him on boil. Once a nation has declined one man cannot revive it. That seems to be achieved by a long sequence of revolutions. (Diderot 1992, 183–184)
38 Vgl. Bödeker 1991, 110. 39 Vgl. Moritz 1966, 150, 190–191, 201.
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9 Herders Plastik und Georg Forsters Griechenland
Diderot hat das Bild der Zauberin, die der Nation eine Wiedergeburt durch Zer schneiden und Zusammenkochen sichert, häufiger benutzt,40 allerdings an Stel len, die zu Forsters Lebzeiten nicht gedruckt waren – wie in einem Brief an Wilkes am 14. November 1771 und in seiner „Refutation d’Helvetius“ von 1773–1776 (Dide rot 1966, 283); in allen Fällen beantwortet das Bild Medeas die Frage „Reformisme ou Revolution“ (Diderot 1963, 465) zugunsten der letzteren, indem die Zerstörung zum Mittel der Erhaltung, eben Wiedergeburt, Verjüngung wird. Auch bei Herder gibt es eine Spur dieser alternativen Tradition. Allerdings beschränkt sich in Herders Gebrauch des Bildes von Medea die ‚Verjüngung‘ auf die Literatur der Nation. Im „Torso von einem Denkmal, an seinem Grabe errich tet“, für Thomas Abbt schreibt Herder 1767–1768: „Wenn es wahr ist, daß die deut sche Sprache seit einigen Jahrhunderten viel von innerer Stärke verloren, und jede Bemühung also gülden sei, die sie zu dieser verlebten Jugendstärke wie durch die Kräuter der Medea zu verjüngen suchte […]: so schlägt bei dem Stil der Bibel übersetzung Luther’s die Wünschelruthe zuerst.“ (Herder o. J., Th. 20, 584) Bemer kenswert ist aber, dass sich auch schon bei Herder eine Verknüpfung von Medea und Herkules ergibt. Luther erscheint nämlich in den gleichzeitigen Fragmenten als ein Herkules ebenso wie später andere Sprachreiniger und Verjünger der deutschen Literatur, Gottsched, der „den Stall des Augias mit herkulischer Hand durchwässert“ habe (Herder 1985, 215), und Winckelmann: „Alle Untersuchungen der Altertumsforscher bahnen nur den Weg dem Genie, das dies Altertum durch Zauberkräfte der Medea wieder erwecket und darstellt.“ (Herder 1969, Bd. 5, 253) Wenn Herders Bildgebrauch Medea auf das Attribut der Kräuter zu beschrän ken scheint, so entspricht diese Tendenz der resoluten Unterordnung der Zerstö rung unter die Erhaltung im Konzept der Verjüngung; Herder geht, was Herku les betrifft, bis zur Behauptung seiner Entbehrlichkeit in der Gegenwart, wenn er in den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit als „Naturgesetz“ begründet: „Alle zerstörenden Kräfte in der Natur müssen den erhaltenden Kräf ten mit der Zeitenfolge nicht nur unterliegen, sondern auch selbst zur Ausbildung des Ganzen dienen“ (Herder 1965, Bd. 2, 220). Hieraus folgt für die Moderne die Irrelevanz des mythologischen Helden: „Gibt es keine Gegenden voll Drachen mehr, gegen welche jene Riesen der Vorzeit ausziehen müßten, gegen Menschen selbst haben wir keine zerstörenden Herkuleskräfte nötig.“ (223)41 Die Besonderheit von Forsters jakobinischem Paar Medea und Herkules, zu dem es in der populären Druckgraphik des zweiten Halbjahrs von 1793 viele
40 Vgl. Benot 1970, 153, 207. 41 Vgl. auch die relative Abwertung des Herkules in den Humanitätsbriefen im Vergleich mit Laokoon.
9.4 Übereinstimmungen zwischen Herders und Forsters Bildern der Griechen
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Parallelen gibt (Schmidt-Linsenhoff 1990, 33, 41), liegt in der Verbindung von Erhaltung und Zerstörung, von Weiblichkeit und Männlichkeit in der Imagina tion der Revolution als offener Prozess. Forsters griechische Bilder leisten eine Bestimmung des Geschlechts der Revolution, die dem „Maenadic mythos“ opponiert, wie Madelyn Gutwirth (1992, 327)42 alle Strategien zusammenfasst, die „[f]emale empowerment“ mit „slaugh ter“ (340) identifizieren. Der Weimarer Schriftsteller, dessen Bücher den größten Anteil an Forsters Abteilung deutscher Gegenwartsliteratur stellten (Bödeker 1991, 109), Christoph Martin Wieland, folgte in der Deutung Medeas Hobbes, der das Bild der Töchter des Pelias für den Vergleich von Vatermord und Revolution eingeführt hatte (Wieland 1800, Bd. 34, 11). In seinen zu Forsters vorrevolutionä ren Schriften zur Plastik zeitgleichen Göttergesprächen fungiert Medea durchgän gig als Schreckbild der politisch aktiven Frau (Wieland 1796, Bd. 25, 38); Forsters revolutionärem Herkules steht so bei Wieland eine Hekate entgegen: Eine Frau steigt hervor, die zum wenigsten drey hundert Ellen hoch ist; die Blitze fahren armsdick aus ihren Augen, und statt der Haare wirbeln sich braun und blau gefleckte Schlangen in gräßlichen Zöpfen um ihre Scheitel, oder zischen in rollenden Locken an den schwarzgelben Schultern herab. Anstatt auf Füßen zu gehen, windet sie sich auf zwey ungeheuern Drachen daher, einen flammenden Kienbaum in der linken Hand, einen vierzig Ellen langen Dolch in der rechten schwingend – (73–74)
42 Vgl. auch Gutwirth 1992, 280, die Illustration Nr. 67.
III Forster und die Französische Revolution
10 Das Problem der Debattierbarkeit von Volkssouveränität in der Rezeption von Thomas Paines Die Rechte des Menschen Im französisch besetzten Mainz erschien in der Zeitschrift Der Patriot im Dezem ber 1792 ein Artikel des Herausgebers, Georg Wedekind, der die Frage beant wortete, warum „unter unsern deutschen Schriftstellern nicht mehrere sich der Sache der Freiheit und der Gleichheit annehmen“ (1.3 (1792–1793): 2). Wedekind erklärte die Tatsache, dass „die meisten auch keinen guten Willen dafür zu haben scheinen und viele von ihnen sogar die Sache der Aristokraten verfechten“, aus dem „Umstand, daß sie fast alle in den Diensten irgend eines Regenten stehen“ (2); hieraus folge nicht nur: „Der Schriftsteller muß seine Ideen zu modifizi ren suchen, wie es der gnädigste Herr wünscht!“, sondern auch eine von der „monarchische[n] Verfassung ein[ge]flößt[e]“ „Eitelkeit“ (3). Wedekinds Erklä rung der Distanz und Feindseligkeit der überwältigenden Mehrheit der deutschen literarischen Intelligenz gegenüber der Idee der Volkssouveränität kann aus zwei Gründen als Einstieg in die Darstellung der deutschen Rezeption von Paines Die Rechte des Menschen dienen: Wedekind zitierte in seiner am 25. Dezember 1792 gehaltenen „Volksrede“ „Ist die Regierung durch Stellvertreter der reinen Demo kratie vorzuziehen, paßt die fränkische Konstitution auch auf Mainz?“ (Scheel 1975, Bd. 1, 432) programmatisch aus Paines Buch die Definition der „repräsen tativen Demokratie“ (435) und er belegte seine beiden Behauptungen über die deutschen Schriftsteller mit dem Beispiel eines Beamten und Autors, der in der Paine-Rezeption eine entscheidende Rolle spielte: Wozu bedarf man z. B. in Hannover eines Leibarztes? Zimmermann wird seinen König nie zu sehn bekommen; aber seine Pfründe ist ihm lieber, wie einem Domherrn die seinige … […]. Der Gelerte ohne einen Titel, glaubt noch immer anderen nachzustehen – ja unsere Gelerten schnappen nach Ritterthum und nach Adel – wenigstens nach einer goldnen Dose oder doch nach dem gnädigsten Handschreiben – eines dummen Fürsten. (Der Patriot 1.3 (1792–1793): 2)
Am Anfang der deutschen Paine-Rezeption steht die private, briefliche Reflexion eines Beamten auf seine Abhängigkeit (die ihn auf Autoreneitelkeit verzichten lässt), an ihrem vorläufigen Ende die öffentliche eines anderen auf seine Amtsent hebung (weil ihm das Beispiel der legalen Veröffentlichung von Paines Buch – zu Unrecht – zu beweisen geschienen hatte, dass über Volkssouveränität debattiert werden könnte). Zwischen Georg Forsters Brief an seinen Verleger Christian Friedrich Voß und Carl Friedrich Cramers Veröffentlichung seines ursprüngli chen Manuscript[s] für Freunde Über mein Schicksal liegt eine Debatte, die nicht DOI: 10.1515/9783110343878-014
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10 Das Problem der Debattierbarkeit von Volkssouveränität
zuletzt durch Zimmermanns Einsatz Paines Buch zum Anlass nahm, nicht über Volkssouveränität zu diskutieren, sondern die Grenzen des öffentlich Diskutier baren zu markieren. Um meine These zugespitzt vorwegzunehmen: Im Verlauf der Debatte transformierte sich gezwungenermaßen die Idee der Volkssouveräni tät in den Begriff der aufrührerischen Schrift und somit die Denkfreiheit, die von den an der Paine-Diskussion interessierten Teilnehmern in Anspruch genommen wurde, von Freimut in Bescheidenheit. Am 4. April 1791 schrieb Forster an Voß: Ich habe aus England eine bewunderungswürdige Schrift von Thomas Paine dem Ameri kaner, dem berühmten Verfaßer des Common sense erhalten. Sie heißt The Rights of Man und ist wider Herrn Burke gerichtet. Vier Editionen sind schon vergriffen. Sie ist aber so demokratisch, daß ich sie wegen meiner Verhältniße nicht übersetzen kann. Madame Forkel übersezt sie und ich will sie ihr revidiren. (AA XVI, 299)1
Cramer wandte sich unter dem Datum des 12. April 1795 an den Leser von Über mein Schicksal mit der Aufforderung, „an meinem Beyspiele zu .. lernen“, „über welchen seiner Grundsätze er reden darf, oder über welchen er stillschweigen muß“ (Cramer 1795, 202–203). Den in Dänemark Schreibenden schärfte Cramer ein, „da das ihnen Preßfreyheit einräumende Gesetz, über den Detail der Grund sätze schweigt, deren Vortrag oder Untersuchung, als unverträglich mit seiner Staatsverfassung anzusehn ist; diese aus einem einzelnen, daß ich nicht sage! .. einzigem! Falle, zu erspähn“ (202). Wenn Forster 1791 noch versuchen konnte, Paines Theorie der Volkssouveränität und insbesondere der repräsentativen Demokratie in eine öffentliche Diskussion zu bringen, so konstatierte Cramer 1795 eine Situation, in der Volkssouveränität zum Inbegriff dessen geworden war, was öffentlich nicht diskutiert werden durfte. Der gewissermaßen negativen Dynamik der Debatte, die keine war, musste besondere Bedeutung zukommen, weil sie in Staaten stattfand, die als zensur frei oder deren Zensurbehörden als milde galten (Weber 1982a, 45): Im dänischen Schleswig-Holstein, in Sachsen-Anhalt, Sachsen-Weimar, Hannover und Preußen erschienen die Beiträge zur Paine-Rezeption. Wie die Druckorte der mehrheitlich nicht anonymen Veröffentlichungen, so unterstreichen auch die Wohnorte der Teilnehmer, dass es sich um eine im Großen und Ganzen norddeutsche Debatte handelte. Die Beamten unter ihnen kamen aus Hannover (Ernst Brandes, Adolph Freiherr Knigge, August Wilhelm Rehberg, Johann Georg Zimmermann), Preußen (Friedrich Gentz, Georg Schatz), Sachsen-Weimar (Karl von Knoblauch, Christoph
1 Zu Paines Übersetzerin Dorothea Margareta Forkel-Liebeskind vgl. Spieckermann 2008, 150– 151, und Siegel 2009, 100–101.
10 Das Problem der Debattierbarkeit von Volkssouveränität
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Martin Wieland), Schleswig-Holstein (Cramer) und Mainz (Forster), die freien Schriftsteller aus Schleswig-Holstein (August von Hennings, Georg Friedrich Reb mann), und in Preußen (Karl Friedrich Bahrdt) und Nürnberg (Johann Benjamin Erhard) lebten die beiden, die weder Beamte noch freie Schriftsteller waren, son dern in den Nebenstunden schrieben, die der Beruf des Gastwirts und des Arztes ihnen ließen. Die sieben ‚Hofräte‘ überwogen deutlich nicht nur die vier Freibe rufler, sondern auch die drei an Universitäten Beschäftigten. Auffällig gering war der Anteil der theologisch Ausgebildeten, nur Bahrdt (1994, 52) konnte von sich sagen, dass er „leider“ Theologie studiert habe; aber auch die philosophische Fakultät stellte nur einen Diskutanten, den Philologen Cramer; alle anderen Teil nehmer waren hinsichtlich ihres Universitätsstudiums oder akademischen Gra des entweder Juristen (Brandes, Gentz, Hennings, Knigge, Knoblauch, Rebmann, Rehberg, Wieland) oder Mediziner (Erhard, Forster, Zimmermann). Der zeitliche Verlauf der sowohl in Zeitschriften als auch in Büchern ausge tragenen Debatte ist durch eine frühe Konfrontation von Gegnern und Anhängern Paines (1791 jeweils zwei) charakterisiert, durch die dann – 1792 – folgende Aus weitung um sechs weitere Teilnehmer, die sich mit einer von den Zensurorganen getragenen Strategie teils auseinandersetzten, teils diese förderten, durch Ver suche – 1793 – neu hinzutretender Stimmen, die Diskussion für abgeschlossen zu erklären, und schließlich durch entgegengesetzte Bemühungen, sie offen zu halten, 1794 und 1795. Die Tatsache, dass die Autoren der beiden letztgenannten Versuche am Ende dieses Zeitraums schließlich nach Paris übersiedelten, unter streicht die Isolation ihrer Wiederaufnahmeverfahren auch äußerlich. Die Chro nologie deckt somit auch die Verschiebung auf, die die Verteidigung der Denk freiheit – ohne explizite Beziehung auf die Souveränität des Volkes – an die Stelle der Anmeldung eines Anspruchs auf politische Beteiligung als Menschenrecht treten ließ. Dieser ‚Modifikation‘2 ist nachzugehen. Sie zeigt sich bereits in den Genres und dem ‚Ton‘ der Rezeptionszeugnisse. In der ersten Phase stehen sich gegenüber die gleichermaßen enthusiastischen Bekenntnisse Cramers3 und Forsters zum ‚kühnen‘ Paine einerseits und die ver
2 Vgl. Wedekinds „Deutsche Gelerten“. Der Patriot 1.3 (1792/93): 1–3, und Cramer 1795, 100. 3 Vgl. Cramers Menschliches Leben 2 (1791): 15, über Paines Burke „ganz ecrasirende vortref liche: Rights of Man“; Cramer macht sich dessen Kritikpunkte zu eigen, indem er betont, sie geteilt zu haben, „schon ehe ich dieß Alles gelesen“. Vorangegangen sind Verurteilungen von Schlözers Staatsanzeigen-Berichten über die Französische Revolution und von Rehbergs ALZRezensionen. Die wenigen „guten, aber destomehr im schreyenden Widerspruche mit dem Gan zen seiner Darstellung stehenden Anmerkungen“ (Menschliches Leben 1(1791): 183) Schlözers nimmt Cramer als Beweis für einen Konflikt zwischen Gelehrtem und Hofrat, den der fleißige „Sprachen-helvo“ durch Erlernung des „Sclavonischen“ löse (182): „wer hat denn auch jemals
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nichtenden Rezensionen des ‚frechen‘ englischen Originals von The Rights of Man. In der zweiten Phase antwortet auf die u. a. vom Kaiser, vom preußischen König und ihren Zensurorganen aufgenommene Zimmermannsche (1995, 8) Gleichsetzung von Paine mit „Mordbrennerei“ ein vielfältiges Rollenspiel: Forster maskiert sich als französischer Jakobiner, Hennings als Luther, Knigge als Wurmbrand. Wer ohne fiktionalisierende Maske ‚freimütig‘ Abhandlungen schreibt, zitiert Paine, ohne ihn zu nennen. In der dritten Phase beenden Aufsätze einst ‚freimütiger‘ Autoren, die Zeitschriftenherausgeber sind, die Diskussion durch Mahnung zur ‚Bescheiden heit‘. In der vierten Phase versuchen autobiographische Texte freier Schriftsteller, ihre beamteten und ‚bescheidenen‘ Kollegen an ‚Freimut‘ zu erinnern.
10.1 Konfrontation zwischen Bekenntnissen zum ‚kühnen‘ Paine und Verurteilungen des ‚frechen‘ (1791) Eine solche Periodisierung nimmt einen Begriff auf, der den Rezipienten Paines und den Zensoren der norddeutschen Staaten gemeinsam war: den des Tons. Ob Forster in seiner Vorstellung Paines in „Geschichte der Englischen Litteratur“ den „kühne[n]“ (AA VII, 235) Ton Paines pries oder die Rezensenten Gentz und Rehberg z. B. Knigge (ALZ 8.261 (1792): 20) wegen seines Tons tadelten oder der Essayist Wieland dringend vor einem „profetischen Strafton“ (1797, Bd. 29, 442) warnte, immer bündelte sich im Begriff Ton eine Vorstellung davon, wie öffent lich über Politik gesprochen werden solle. Von erheblicher Bedeutung ist dabei der Umstand, dass auch die Obrigkeit den Begriff des Tons verwandte, wenn sie als Zensur einschritt. Am 28. Februar 1792 warf eine Kabinettsorder den Ber liner Zeitungen einen „Ton“ vor, der „aufrührerisch“ genannt wurde (Houben 1990, 112); wenn behauptet wurde, dass die Nachrichten aus Paris der „Verbrei tung revolutionärer Grundsätze“ (110) dienten, so lag dieser Einschätzung die Annahme zugrunde, dass – so der habsburgische Polizeiminister Pergen – schon eine bloße Darstellung mit der Idee der Staatsumwälzung ‚familiarisieren‘ könne (118); diese ‚Familiarisierung‘ werde durch bestimmte ‚Modewörter‘ geleistet, die deshalb zu streichen seien, selbst wenn sie von der Zeitung negativ behandelt
von Schlözers Kopfe geläugnet, daß er die Wahrheit sehen kann, wenn er will?“(183) Von Schlö zers „Unlust, das bessere audiatur zu zeigen“ (183), unterscheidet Cramer, was er ironisch als einziges Verdienst der Rezensionen Rehbergs, der „‚im Ministerio sitzt‘“ (Menschliches Leben 2 (1791): 5), bezeichnet: „Wehe zwar Dem, der aus seinen Recensionen Unterricht über den wahren Gehalt Dessen verlangt, was er zu verlästern geruht, aber […] – die Titel lernt man doch draus! Und erwartet heutiges Tags irgend ein vernünftiger Mensch von einem Journale wohl mehr!“ (6) Vgl. aber unten zu Friedrich Wilhelms II. Weise, die in der ALZ rezensierten Titel zu lesen.
10.1 Konfrontation um den ‚kühnen‘ und den ‚frechen‘ Paine
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würden (121). Welche Modewörter gemeint waren, wurde aus den Verhandlungen zwischen König Friedrich Wilhelm II. und seinen Staatsministern deutlich, als er diesen Anfang Februar 1792 das Rundschreiben Leopolds II. an alle Reichsstände, die Zensur zu verschärfen (67), weitergab. Der König wollte zu dieser Zeit – als der kursächsische Hofrat Christian Gottfried Körner für Wielands Teutschen Merkur und Gentz’ Deutsche Monatsschrift fürchtete (Weber 1982b, 167–169) – ein Verbot der ALZ; auch wenn das Generaldirektorium erfolgreich dem König ver sicherte, nichts in der ALZ befördere „Empörung und Aufruhr“ (Houben 1990, 70), weil sie „mit […] Unpartheilichkeit verfaßt“ und von „alle[n] Gelehrten, Geschäftsmänner[n] und Freunde[n] der Literatur“ gelesen werde, wird aus der nachgereichten Protokollerklärung des Justizministeriums deutlich, weshalb die ALZ in den königlichen Verdacht kommen konnte: „die Literaturzeitung enthalte ‚freilich in einigen Recensionen Anpreisungen sogenannter chimerischer Men schen-Rechte‘“ (71). Die bloße Tatsache also, dass z. B. Rehberg in der ALZ Paines Buch besprach und dadurch das ‚Modewort‘ Volkssouveränität ‚familiarisierte‘, reichte für die Erwägung eines Verbots. Die Folgen von Leopolds II. Initiative lenken den Blick auf die Voraussetzun gen der Gleichung von Ton und Grundsätzen zurück. Ein Reichsgutachten der Kurfürsten – mit Ausnahme Hannovers – hatte 1790 dem neuen Kaiser die Ver schärfung der Zensur zur Pflicht gemacht und dabei den Begriff des Aufruhrs, der 1788 ins novellierte preußische Zensuredikt aufgenomen worden war, genauer bestimmt, nämlich als „Grundsätze […] wodurch der Umsturz der gegenwärti gen Verfassung oder die Störung der öffentlichen Ruhe befördert werde“ (Weber 1982a, 44). Als Gegenbegriff zum Aufruhr hatte das preußische Edikt einen Ter minus in die positive Bestimmung dessen, was erlaubt sein sollte, eingeführt, der eine zentrale Rolle in der Diskussion um Paines Buch spielen sollte: Beschei denheit. Wenn seit 1749 in Preußen die „Absicht“ der Zensur als „keineswegs dahingerichtet“ bestimmt wurde, „eine anständige und ernsthafte Untersuchung der Wahrheit zu hindern, sondern nur vornehmlich demjenigen zu steuern, was den allgemeinen Grundsätzen der Religion und sowohl moralischer als auch bür gerlicher Ordnung entgegen ist“ (Houben 1990, 27), so wurde seit 1788 nicht nur Anstand und Ernsthaftigkeit, sondern auch Bescheidenheit verlangt; die Aner kennung der „großen und mannigfachen Vortheile einer gemäßigten und wohl geordneten Preßfreyheit zur Ausbreitung der Wissenschaften und aller gemein nützigen Kenntnisse“ (52), grenzte sich – in der Kabinettsorder des Königs zum neu gefassten Edikt – nicht nur von „Preßfrechheit“ ab, zu der die bisherige Pressefreiheit „aus[ge]artet“ sei, weil „gegen das Religions Edict allerlei aufrüh rerische Schriften gedruckt werden“ (52), sondern bestimmte im Text des Ediktes auch noch genauer, in welcher Beziehung von einem unbescheidenen Ton und von aufrührerischen Grundsätzen gesprochen werden könne: erstens im Hinblick
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auf den Verfasser, der „unbesonnen oder gar boßhaft“ „Befriedigung niedriger Privat-Leidenschaften“ suche oder der „Gewinnsucht […] oder andern Nebenab sichten“ folge, zweitens im Hinblick auf den Gegenstand, nämlich „Kränkung der persönlichen Ehre und des guten Namens anderer“, drittens im Hinblick auf den Adressaten, wenn besonders die „sogenannten Volksschriften“ als potentiell unbescheiden und aufrührerisch hervorgehoben wurden (52–53). Das preußische Zensuredikt von 1788 installierte eben dadurch, dass es ver sicherte, „keinesweges eine anständige, ernsthafte und bescheidene Untersu chung der Wahrheit hindern oder sonst den Schriftstellern irgend einen unnüt zen und lästigen Zwang auflegen“ (52) zu wollen, einen effektivierbaren Zwang zur Bescheidenheit, effektiv gerade durch die Übernahme von Regeln rationaler Diskussion: einmal der Vernünftigkeit als Allgemeinheit im Gegensatz zu privatindividueller Leidenschaftlichkeit, dann der Trennung von Person und Sache. Der Zwangscharakter dieser zu Zensurkriterien gewordenen Regeln rationaler Dis kussion drückte sich darin aus, dass sie als Verdächtigungsmechanismen funk tionierten, die aus einer Meinung eine strafbare Handlung machten, aus einem unbescheidenen Wort einen Aufruhr. Verdächtigt werden konnte erstens die Rati onalität des Autors als Ausdruck seiner Privat-Leidenschaft, zweitens seine Kritik als persönliche Beleidigung und drittens deren Adressierung als Verführung. Das Angebot von „Behutsamkeit“,4 das die Aufklärer dem Absolutismus gemacht hatten, verwandelte dieser ins Zwangsgebot von Bescheidenheit, das die auf Gehorsam und Nicht-die-staatliche-Ordnung-unmittelbar-und-geradezuBedrohen geeichten Aufklärer verinnerlichten. Dass sie es mussten, verdeutlicht die Weise, in der sich der Leiter der Gesetzeskommission Carl Gottlieb Svarez5 exakt diese Punkte aus den programmatischen Bestimmungen öffentlichen Diskutierens aneignete, die Kant 1784 und Wieland 1788 vorgelegt hatten; in seinen Vorträgen zum Allgemeinen Landrecht zitierte Svarez aus Kants „Beant
4 Vgl. etwa Moses Mendelssohns „Über die Frage: was heißt aufklären?“ in: Berlinische Monatsschrift 4 (1784): 193–200, hier zitiert nach Bahr 1974, 7. Zusammenfassend zum Programm der Behutsamkeit schon Wenck 1887, Bd. 1, 82–83. Zum Ursprung auch der Behutsamkeit in der offi ziellen Anforderung, wie die Zensurfreiheit zu gebrauchen wäre, vgl. Houben 1990, 11, mit einem Beleg von 1740. 5 Vgl. auch die – recht versteckte, aber wichtige, weil frühe – Begründung des „bescheidene[n]“ öffentlichen Gebrauchs der Vernunft durch Svarez’ Mitarbeiter Ernst Ferdinand Klein 1784 in der BM: „Über Denk- und Druckfreiheit. An Fürsten, Minister und Schriftsteller“, hier zitiert nach der umfassend und sorgfältig kommentierten Ausgabe von Peter Weber 1986a, 51–56, der Termi nus 55. Zur Problematik von Kleins Begriff des Publikums vgl. unten die Diskussion der doppel ten Adresse: „Erscheint daher mit schüchterner Ehrfurcht vor der Versammlung Eurer Richter.“ (56) Zu Kleins Aufsatz vgl. auch Schneider 1966, 164; Schlumbohm 1973, 29.
10.2 Auseinandersetzung über Paine als ‚Mordbrenner‘
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wortung der Frage: Was ist Aufklärung?“6 und Wielands „Das Geheimnis des Kosmopolitenordens“,7 um – so Kosellecks Formulierungen (1989, 27–28) – zwei erlei klarzustellen, erstens: „Der Mensch ist weltbürgerlich frei, als Untertan ist ihm politische Mitbestimmung vorenthalten“, zweitens: „wenn ‚wirklich unmit telbar und geradezu‘ die staatliche Ordnung bedroht werde, dürfe das Recht zur offenen Urteilsbildung und Kritik beschränkt werden“.
10.2 Auseinandersetzung über die von den Zensurorganen aufgenommene Gleichsetzung von Paine mit ‚Mordbrennerei‘ durch Johann Georg Zimmermann (1792) Zwischen Leopolds II. Rundschreiben und Friedrich Wilhelms II. Verbotsintitiative gegen die ALZ fällt nicht nur zeitlich ein geheimes Dokument der Paine-Rezeption, das durch die umfassende Anwendung der Verdächtigungsmechanismen charak terisiert ist, die von dem gegen Aufruhr zielenden Zensurprogramm zur Beschei dung gesetzt wurden: Zimmermanns Memoire an Seine Kaiserlichkönigliche Majestät Leopold den Zweiten über den Wahnwitz unsers Zeitalters und die Mordbrenner, welche Deutschland und ganz Europa aufklären wollen. Was Zimmermanns Text, aus dem zwei gegen Knigge gerichtete Beiträge für die Wiener Zeitschrift hervorgingen,8 von den späteren Büchern Brandes’ und Rehbergs unterscheidet, ist die Positionie rung dessen, der verdächtigt: Zimmermann setzt sich selbst – von oben – in Gegen satz zu einem homogenen Feld – unten –, das – abgesehen von drei namentlichen Ausnahmen – durch Aufklärung, Illuminatismus und Revolution charakterisiert wird. Zimmermann benutzt ökonomische und politische Bilder, um die Einheit lichkeit dieses aufrührerischen Feldes zu beschreiben: In einem „Monopol“ (Zim mermann 1995, 25) bzw. einer „allgemeinen Federation“ (28) seien die deutschen Schriftsteller „affiliiert“ (25). Die Tatsache, dass er zwar Brandes’ Burke-Rezension in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen erwähnt, aber die Rehbergs in der ALZ verschweigt, um diese Zeitschrift als eins von „allen Journalen“ erscheinen
6 Vgl. den zuerst in der BM (4 (1784): 481–494) gedruckten Text bei Bahr 1974, 17: „räsonniert, soviel ihr wollt und worüber ihr wollt; nur gehorcht!“ 7 Wielands „Das Geheimnis des Kosmopolitenordens“ erschien 1788 im TM, hier zitiert nach Dieter Lohmeiers Ausgabe: Wieland 1970b, 137: Die „Bekanntmachung“ von „Schriften“ ist „ein Verbrechen“, „welche geradezu Aufruhr und Empörung gegen die gesetzmäßige Obrigkeit zu erregen suchen“: „Aber das Wörtchen direkt oder geradezu ist hier nichts weniger als müßig; es ist so wesentlich, daß die ganze Strafwürdigkeit einer angeklagten Schrift gänzlich auf ihm beruhet.“ 8 Vgl. hierzu Rector 1989 und Rosenstrauch-Königsberg 1989.
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zu lassen, in denen Burke „moralisch todtgeschlagen“ (26–27) worden sei, mag erklären, weshalb Friedrich Wilhelm II. gegen die ALZ vorgehen wollte. Wichtiger ist aber Zimmermanns Erhebung Paines zum Symbol der Identität von Aufklärung und Revolution als „Mordbrennerei“ (8). Paines Begriff der „Volkssouveränität“ (13) erscheint als „Summe der Aufklärung“ (12), insofern als diese „unter dem Namen allgemeiner und unverlezlicher Menschenrechte“ (8) den „Umsturz von Religion und Thron“ (9) vorbereite. Auf den gemeinsamen Nenner der Paine-Schü lerschaft bringt Zimmermann den Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten (37), Joachim Heinrich Campe und das Braunschweigische Journal (23, 78), August Ludwig Schlözers Staatsanzeigen (69) sowie Allgemeine deutsche Bibliothek und Berlinische Monatsschrift (77). Zimmermanns identifizierende Strategie setzt jegliche Rede von Menschenrechten mit Aufruhr gleich und fordert gegen sie den Einsatz von Gewalt (70). Die Therapie entspricht der Diagnose: Wahnwitz. Während für Zimmermann im Wahnwitz Unbesonnenheit und Boshaftigkeit zusammenfallen, verdächtigt Brandes die Mehrheit der deutschen Schriftsteller, die zur Französischen Revolution Stellung genommen haben, nicht als wahnsin nig, sondern als heuchlerisch oder lügnerisch; aber gerade dadurch gibt er den Angegriffenen eine Chance, indem er gegen die Ausschließlichkeit der Anwen dung von Gewalt argumentiert. Brandes’ Strategie, die sich in der Paine-Rezen sion schon andeutet, aber erst in Über einige bisherige Folgen der Französischen Revolution in Rücksicht auf Deutschland ausgearbeitet wird, ist kaum weniger polarisierend, doch sie setzt auf eine Differenzierung des Feldes, das Zimmer mann als homogen imaginiert. Auch Brandes positioniert sich deutlich über dem Feld, aber anders als Zimmermann fixiert er – wie Hennings, Wieland, Rebmann und Cramer – Debattenregeln, die ihn wie die von ihm Angegriffenen binden sol len. Brandes setzt an dem allgemein akzeptierten Grundsatz der Unparteilichkeit an, indem er dessen Anwendung in der deutschen Revolutionsberichterstattung und ‑diskussion als verdecktes „Anpreisen der Revolution im allgemeinen“ (Bran des 1792, 104) verdächtigt. Während Zimmermann alle Schriftsteller als Aufrührer mit Paine identifiziert, wirft Brandes ihnen nur vor, sich nicht deutlich genug von ihm zu distanzieren. „Was auf den großen Haufen am meisten wirkt, sind die sogenannten unparteiischen Räsonements“; indem diese „die einen sanft tadeln und die andern sanft loben“ (102), vermieden sie, dass „die Hauptsachen […] dem Publiko in einem hellen Lichte gezeigt werden“ (103). Brandes’ Bestim mung der ‚Hauptsachen‘, deren unzweideutige Verurteilung er verlangt, betrifft die Volkssouveränität; als „Hauptsachen“ führt er nämlich auf: „das despotische, eigenmächtige Verfahren der Nationalversammlung, die eine Gewalt an sich riß, die ihr nicht erteilt war, indem sie eine Konstitution ohne freie Mitwirkung des Königs errichtete, die Vernichtung der Geistlichkeit und des Adels als Stände“ (103). Brandes entlarvt eine Unparteilichkeit als der wirksamsten Verbreitung
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revolutionärer Grundsätze verdächtig, wenn sie es vermeidet, die Hauptsache, die ‚Eigenmächtigkeit‘ des sich zur Nation konstituierenden souveränen Volkes, zu verurteilen; wenn allerdings die Abgrenzung von solchem ‚Aufruhr‘ eindeutig sei, dann brauchten „abstrakte[…] politische[…] Grundsätze“ nicht ‚verfolgt‘ zu werden: „Aber solche Schriften, die diesen geradezu predigen, die unterdrücke man mit größter Schleunigkeit und bestrafe ihre Urheber mit Strenge.“ (156) Gerade weil die Abgrenzung von Volkssouveränität im Zentrum von Bran des’ Differenzierungsstrategie steht, muss auffallen – und zwar umsomehr, als dasselbe auch für Gentz und Rehberg gilt –, dass sich die Kritik an der, wie Bran des betont, einzigen demokratischen Schrift mit Einfluss (121–122), Paines Die Rechte des Menschen, auf Stilkritik beschränkt. Brandes Urteil, es sei bezeich nend, dass für die Demokratie nicht besser geschrieben werden könne, impliziert eine Verallgemeinerung, die in widersprüchlicher Weise an zwei Verdächtigungs mechanismen anknüpft, dem einen, der das Motiv von Schriftstellern, und dem anderen, der den Adressaten betrifft. Wie für das preußische Zensuredikt ist für Brandes ausgemacht, dass Schriftsteller aus „Privatehrgeiz“ (115) und „Eitelkeit“ (57–64) schreiben und dass ihr „Gewerbe“ sie zwingt, der in der Bevölkerung herrschenden „Mode“ (117) zu dienen, also nach „Popularität“ (64) zu streben. Hieraus folgt, dass die Verbreitung demokratischer Grundsätze, die einfach zu verstehen seien, als ein Weg anzusehen sei, sich beim großen Haufen beliebt zu machen. Wenn Brandes solche verbreitete Literatur als notwendigerweise schlecht geschrieben verurteilt, appelliert er mithin an eine andere Form von Eitelkeit des Schriftstellers, nämlich sich vom großen Haufen zu unterscheiden. Derselbe Widerspruch durchzieht Gentz’ Kritik von Paines „Styl“ (1793, 303), wenn diesem einerseits vorgeworfen wird, „populär“ zu sein, andererseits seine „Extravaganz“ (302). Ergibt sich für Gentz der „ungeheure Succeß“ „unter allen Classen von Menschen“ aus den „abgedroschnen Gemeinplätzen“ und ‚gemeinen Irrthümern‘ der Paineschen Schrift, die „weder neue Ideen noch neue Gesichts punkte“ enthielte, so hält er doch zugleich eine Reaktion des „denkenden und unterrichteten“ Lesers fest, die den Vorwurf der Extravaganz erläutert, der ja dem der Popularität zunächst zu widersprechen scheinen kann: „Wenn man sich vom ersten Erstaunen erholt hat“ (302), heißt es über den ersten Teil der Rechte des Menschen und noch deutlicher über den zweiten: „Die unerhörte Frechheit dieses Schriftstellers, dem schlechterdings nichts auf Erden heilig ist, macht selbst den geübtesten Leser auf Augenblicke stutzig, und muß den schwächern unaufhalt sam mit sich fortreißen.“ (305) Gentz’ Text benutzt noch zwei Antonyme zur von der Zensur geforderten Bescheidenheit: „unerschütterliche Dreistigkeit“ (302) und „Unverschämtheit“, um das ‚Empörende‘ von Paines „Excessen“ (306) zu fassen. Nur als stilistischer Extremismus ist Paines Theorie der repräsentativen Demokratie für Gentz darstellbar:
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Das Charakteristische seines Ideenganges ist, daß er sich nie eher beruhiget, als bis er seinen Gedanken auf die äußersten Grenzen seines Gegenstandes hinauf geschraubt hat. Wenn er Könige lästert, (ein Geschäft, welches er mit einer vielleicht noch beyspiellosen Erbitterung, und so, daß es auch den geschworensten Feind der Könige ermüden muß, treibt) so entläßt er sie nicht eher, als bis er sie für die aller-unnützeste von allen unnützen Bürden dieses Erdboden erklärt hat. Wenn er gegen die Excesse des Regierens zu Felde ziehen will, so giebt er nicht eher nach, als bis er rein herausgesagt hat, daß menschliche Angelegenheiten am besten – ohne alle Regierung gedeihen würden. (303)
Auch wenn letztlich Gentz’ Stilkritik die Erledigung der Paineschen Schrift als gewöhnlich untergraben kann, insofern ihr die Denunziation von Paines „pöbelhaft[em]“ (303) Stil allzu individualisierend gerät, so bleibt doch die denun ziatorische Präzision beachtlich: der Demokrat und Republikaner erscheint stilis tisch als Pasquillant und Anarchist, als unbescheiden und aufrührerisch. Es ist bemerkenswert, dass Gentz’ Besprechung Paines im Anhang seiner Burke-Übersetzung zwei Momente aus Forsters Besprechung Paines im Literatur bericht für 1791 aufnimmt; schon bei Forster fanden sich, allerdings mit entgegen gesetzter Wertung, der Hinweis auf Paines Sprache als entscheidenden Aspekt seiner Wirkung (AA VII, 235), auf das Erstaunen der Leser und auf die Behand lung des Königtums. Was bei Gentz frech, dreist und unverschämt heißt, nennt Forster Paines „kühne republikanische Sprache“; sie sei für „selbst die freien oder freigeglaubten Britten“ auffällig, weil man sie „in England seit Miltons und Cromwells Zeiten kaum mehr kannte“ (235); hervorgehoben wird: Man erstaunte, einen Schriftsteller zu lesen, der von Herzogen und Grafen, ja sogar von Königen, nur wie von einer jeden anderen, oder gar wie von einer schlechteren Art Men schen sprach, und ohne alle Verbrämung mit vielen Beyspielen bewies, daß man ihrer in der Welt schlechterdings nicht bedürfe, ja daß sie die unnützesten, entbehrlichsten und theuersten Dinge auf Erden wären. (235–236)
Während Forster in seinem Literaturbericht die – von Gentz denunzierte – Kühn heit Paines reproduzierte, wählte er für die Vorrede zur Übersetzung eine andere Taktik, eben die von Brandes inkriminierte Unparteilichkeit.9 Im selben Jahr 1792 griffen auch zwei andere Autoren, Knigge und Hennings, auf das Konzept der Unparteilichkeit zurück, um die öffentliche Diskutierbarkeit von Paines Theorie der Volkssouveränität zu begründen. Vergleicht man die Verwendung des Kon zepts zeigt sich allerdings ein wichtiger Unterschied: Während Knigge und Forster
9 Nur der erste Teil von Forkels Übersetzung erschien 1792 bei Voß in Berlin, vermutlich über Cramer vermittelte Voß den Druck des zweiten Teils an den Verleger Proft in Kopenhagen, vgl. hierzu wie generell zur Rezeptionsgeschichte die ausgezeichnete Analyse von Arnold 1959.
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Ironie einsetzen, um einen Angriff auf den Feudalabsolutismus als unparteilich erscheinen zu lassen, geht es Hennings um eine ernsthafte Selbstverteidigung als unparteilich, soweit er öffentlich spreche. Forsters Vorrede erscheint insofern als unparteilich, als sie Burke und Paine gleichsetzt, um die Notwendigkeit der Veröffentlichung der Rights of Man als „Gegenstück“ zu den Reflections on the Revolution in France zu begründen, die „[u]nser Publikum“ „bereits“ „kennt“ (AA VIII, 221). Folgerichtig fasst die Vor rede den Streit zwischen Burke und Paine im Bild eines Turniers, das vor „alle[n] gesitteteten Völkern“ ausgetragen werde, und macht so ‚die deutschen Leser‘ zu „Zuschauer[n]“: „Um Meinungen gilt der Streit. […] Auch […] wir dürfen in unserm Herzen den Ritter wählen, der uns gefällt, ihm Beyfall geben, wenn er einen mäch tigen Streich vollführt und für ihn zittern, wenn sein Gegner ihm gewachsen und des Kampfes würdig ist.“ (221) Forsters Entfaltung der Metapher des Turniers als eines „Schauspiel[s]“, das „belehrendes für uns hat“, gerät mit dem Motiv der Herzenswahl in eine gewisse Spannung zur unterstellten unparteilichen Gleich gültigkeit der Parteien, deshalb nimmt Forster das Bild nochmals, doch ebenso widersprüchlich wieder auf: Urtheile nunmehr jeder freie Deutsche, welchem von beiden Schriftstellern die Palme gebührt; oder weil uns an der Entscheidung wenig, an dem ergötzenden Schauspiel ringen der Kräfte hingegen desto mehr gelegen ist, freue sich jeder des eigenthümlichen Geistes, der sich in beyden Schriften in so reichlichem Maaß ergießt, versetze sich wechselweise in des einen, und des andern Gesichtspunkt, erkenne die Vielseitigkeit ihres Gegenstandes, lerne seine Schwierigkeiten einsehen (221–222).
Wenn Forster im Bild des Turniers seine eigene Unparteilichkeit im Streit zwi schen Burke und Paine sowie die der Leser von Die Rechte des Menschen als die bloßer Zuschauer darstellte, wählte er eine Metapher, die 1792 nicht mehr als unbelastet gelten konnte. 1790 hatte das Bildfeld der Fehde Bahrdts Polemik gegen Zimmermann strukturiert, deren ‚Gänge‘ (Bahrdt 1994, 10, 52) in den einzel nen Bildern vom Handschuh, Ausfall, Eine-Lanze-Brechen, Blank-Ziehen bis zum In‑die-Flucht-Schlagen (9–10) stärker das Selbstbild des Verfassers als kühnen und dreisten Verfechter einer Sache als die mit dem nicht als persönlichen Feind zu beschimpfenden Gegner geteilten Regeln der Diskussion betonte: Person und Sache trennen, Beweise bringen, in Widersprüche verwickeln spielten zwar eine Rolle,10 aber diese war der Vergeltung von Gleichem mit Gleichem untergeordnet. Begründet wurde diese Wiedervergeltung damit, dass Zimmermann „mich und
10 Vgl. Bahrdt 1994, 57: zur Trennung von Person und Sache, 16–17, 21, 52: zu Beweisen und Quellen, 17: zum Aufweis immanenter Widersprüche.
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meine Genossenschaft nicht bloß herausgefodert, sondern zugleich auf eine Art überfallen und gemißhandelt“ habe, „die man in den Ritterzeiten eine unehrliche Befehdung genennt haben würde“ (10). Zimmermanns Verletzung der Regeln rati onaler Diskussion in seinem Ueber Friedrich den Großen und meine Unterredungen mit Ihm kurz vor seinem Tode erlaubten es, so Bahrdt, „gleichfalls […] eine Lanze mit Ihnen zu brechen“ (9). Letzten Endes hatte Bahrdt dann in seiner Gegenpo lemik Zimmermann als unbesonnen und boshaft entlarvt, seine Fragmente als „im Rausch geschrieben“ (21), um „heimliche oder öffentliche Verfolgungen“ „zu erregen“ (19), kurz: als „Wahnwitz“ (21) aus „Eigenliebe“ und „Eitelkeit“ (31). In ähnlicher Weise schlüpfte ein Jahr später Forster in seiner Kritik an Burkes Reflections im Literaturbericht auf das Jahr 1790 ironisch in die Rolle „eines Franzö sischen Demokraten“ (AA VII, 188), um auf „jene philosophische Selbstverläug nung“ zu verzichten, „Herrn Burke manches einzuräumen und bloß darzuthun, daß er sich von seiner Syllogistik zu weit führen läßt“, und stattdessen in der Maske des „eifrige[n] Verfechter[s] der Gallikanischen Freyheit“ zur „Wiederver geltung in gleicher Münze“ zu greifen (189); Knigge (1975, 98) nahm sich in der ‚Fehde‘ mit Zimmermann das Recht, „mit gleicher Münze zu bezahlen“. Von der im Fehde-Bild transportierten Kühnheit rückten im Verlauf der neunziger Jahre immer mehr Publizisten ab; so nannte Hennings „Fehden“ von „Gelehrte[n]“ „gegeneinander“ „höchst unanständig“: „Gelehrte müssen fried lich und urban nach Wahrheit suchen“ (Der Genius der Zeit 5 (1795): 575), und grenzte die Diskussion von „litterärische[n] Dragonaden“ ab (Annalen der leidenden Menschheit 6 (1799): 107), einem Begriff, den Zimmermann (1995, 70) auf Bahrdt angewandt hatte, wenn er ihn „Aufklärungsdragoner“ nannte. Der Ham burger Heinrich Christoph Albrecht (1973, 92) formulierte in einer Stellungnahme zu Zimmermanns Artikeln gegen Knigge: „Die Vernunft und das freie Urteil führt keine Kriege, braucht keine Waffen, und schlägt keine Wunden. Disputieren ist nicht Streiten; es ist, Gedanken gegen Gedanken ausgleichen, und die Wahrheit ohne Leidenschaft betrachten.“ Um seine Unparteilichkeit zu unterstreichen, die durch das kühne Bild der Fehde eher zweifelhaft gemacht wird, setzt sich der anonyme Vorreden-Verfasser Forster deshalb in Gegensatz zu einem parteilichen Paine-Rezensenten. Nicht zufällig stellt sich der Begriff des Tons ein; Rehbergs „Ton“ sei nicht der eines vom Publikum autorisierten Rezensenten, sondern der der Staatsmacht, die Meinun gen ihrer aufrührerischen Wirkungen wegen verfolgt: „einem deutschen Rezen senten“ habe es „gefallen […], über unsern Thomas Paine in einem Tone herzu fahren, wozu keine Nation in der Welt ihre Kritiker autorisirt und der bald das Rezensentenwesen um alles Ansehen bringen könnte“ (AA VIII, 224). Deshalb greift Forster aus Rehbergs Burke-Paine-Rezension, die „auf diese entscheidende Art Parthey ergreift“ (224), einerseits den Begriff der aufrührerischen Meinung
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auf, andererseits die Bestreitung der Legitimität der „konstituierenden National versammlung“ (225). Als unparteilich kann Forster die Proklamation der Volks souveränität nur behaupten, indem er Zensur im Bild des „Inquisitorsessel[s]“ fasst, „vor welchem Meinungen und Aufruhr gleichbedeutend sind“ (225). Die Kühnheit von Forsters Stellungnahmen macht den Anspruch auf Unpar teilichkeit zur Ironie;11 Knigge benutzt den Begriff ‚kühn‘, als er in dem Prozess, den er gegen Zimmermanns Artikel anstrengt, sich mit Forster vergleicht, nach dem Zimmermann (1975, 92–93) dem Gericht geschrieben hat: „Man nenne mir aus der Reihe der deutschen Aufklärer auch nur einen einzigen, der das Revo lutionssystem des Amerikaners Paine so warm und eifrig bei uns predigte, als es der Freiherr Knigge in seinen Schriften tat? Man zeige mir ferner einen einzi gen, der dabei schlauer und listiger, mit größerer Gefährde für deutsche Völker, und besonders für das hannoversche, zu Werke ging als eben er […] und so einen Kunstgriff benutzte, den selbst der Amerikaner Paine verabscheute“. Auf Zimmer manns Behauptung, Knigge übertreffe in seiner Falschheit noch Paine wie alle anderen mit diesem gleichzusetzenden Aufklärer, antwortet Knigge (1975, 96): „2. Sind die Sätze, welche ich in jenen Schriften behauptet habe, bei weitem nicht so kühn als die, welche von anderen, großen und würdigen deutschen Schrift stellern, von Forster, von göttingischen Gelehrten und mehreren, öffentlich sind gelehrt worden“. Bezeichnend ist die Abfolge der Adjektive, die er sich selbst im Unterschied zum ‚kühnen‘ Forster zuschreibt; nachdem Knigge zunächst der Vorsehung für seine Regierung dankt, schließt er mit einem Zitat aus dem inkri minierten Text des Wurmbrand; wo zuerst „freimütig“ (97) als Eigenschaft steht, heißt es danach „bescheiden“ (100). Weil aber die Versicherung von Bescheiden heit aus dem ironisch-fiktionalen Text stammt, dürfte für das Lob der Regierung wegen der Anerkennung von Freimütigkeit derselbe ironische Vorbehalt gelten, der sich aufs Problem der von beiden Formulierungen implizierten Abgrenzung von ‚aufrührerisch‘ bezieht. Kennzeichnet die erste Selbstdarstellung der Bezug auf die Regierung, so die zweite der aufs Publikum: „Dank sei der Vorsehung, […] daß so, wie in vielen deutschen Ländern, auch insbesondere in den hiesigen, eine aufgeklärte, weise Regierung sehr wohl den wirklich unruhigen Kopf von dem freimütigen, wahrheitsliebenden Schriftsteller zu unterscheiden weiß“ (97); das Zitat aus dem Wurmbrand ist an den Leser adressiert: „Meine Absicht […] bei dieser Schrift[…] ist, das Publikum zu überzeugen, […] daß es noch Gegen den in Deutschland gibt, in welchen eine weise Regierung dem Schriftsteller die
11 Zur Möglichkeit der Ironie, „die diskurspragmatischen Voraussetzungen […] zur Sprache zu bringen“, vgl. am Beispiel Kants: Goetschel 1995, 120, der zeigt, wie Ironie als politische Interven tion Spielregeln transparent machen und durchbrechen kann.
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Freiheit verstattet, über Gegenstände, die der ganzen Menschheit wichtig sind, unbefangen, aber bescheiden seine Meinung zu sagen.“ (99–100) Der einzige, der das Publikum wirklich davon überzeugen könnte, ist die Regierung – wenn sie nämlich Denkfreiheit garantierte. Rehberg hat als Rezensent Knigges diese Ironie deshalb erkannt, weil er – so wie Forster im Falle von Brandes – die Adressierung des Textes beobachtete; Fors ter schloss die Funktion von Brandes’ Über einige bisherige Folgen, der Repression Argumente zu liefern, aus den Widersprüchen in der Adressierung des Textes: […] an wen wendet sich Herr Brandes in seinem Werke? an den Adel selbst, der von seinen Vorzügen hinlänglich überzeugt ist? oder an die Schriftsteller, Gelehrten und vermeintlich Aufgeklärten, die er nur schimpft und schmäht? oder an das Volk, das er so sehr für unver besserlich hält, so sehr zum blinden Glauben verdammt, daß er nicht, ohne inconsequent zu seyn, direct darauf zu wirken hoffen darf? (AA XVII, 125)
Forster spricht in dieser seinem Schwiegervater Christian Gottlob Heyne geschrie benen Analyse nur einen Pol der entscheidenden vertikalen Achse der Adressa tenbeziehung an: das Volk, und schweigt – denn er traute Heyne zu, im Auftrag der Regierung eine lateinische Programmschrift gegen die Demokratie zu ver fassen (292) –12 vom Fürsten und seiner Regierung. Rehbergs Kommentar zur Adressierung von Knigges Wurmbrand zeigt, dass die Frage, ob der Fürst als Adressat des aufklärenden Textes ernst genommen wurde, von entscheidender Bedeutung war: Rehberg nannte den Wurmbrand eine „maskirte Empfehlung der Revolution“, weil der Appell an die Fürsten – die Revolution durch Reform zu vermeiden – nur als „Vorwand“ eines „für das Volk geschrieben[en]“ „Ton[s]“ diene (ALZ 261 (1792): 20),13 dessen Souveränität wenigstens einmal unzweideu tig konstatiert wird: „daß […] alle Gewalt vom Volke abstammt“ (Knigge 1968, 20). Ohne sich mit den Widersprüchen von Knigges Text auseinanderzusetzen, der einerseits versichert: „Aechte Wahrheiten […] können […] nie […] gefährliche Waf fen seyn“ (94), und es seien „nicht die Schriftsteller […], welche Aufruhr erwe cken“ (92), der andererseits aber betont, dass Zeitungsleser lernen, die Bastille zu stürmen (96), um dann doch den Fürsten „Publicität“ als „das sicherste Mittel“ zu empfehlen, „Meutereyen […] vorzubeugen“ (94), ohne Knigges Inkonsequen zen in der Frage revolutionär praktizierter Volkssouveränität nachzugehen, stellt Rehberg die Adressatenfrage:
12 Heynes Programmschrift Libertatis et Aequalitatis civilis in Atheniensium Republica delineatio ex Aristophane wurde sowohl von Wieland (NTM 1 (1794): 19–49) als auch von Girtanners Annalen (schon 1793) gedruckt. 13 Vgl. hierzu die grundlegende Analyse von Wolf Kaiser 1975, besonders 219.
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Ein Redner, der auftritt und lehrt daß die Revolution nach Gesetzen die der allweise Schöp fer der Welt vorgeschrieben unvermeidlich erfolgen müsse fordert in der That das Volk dazu auf. […] Die Wendung, die der Vf. nimmt seinen Vortrag an die Fürsten und Gewaltigen zu richten um ihnen die Mittel ans Herz zu legen wodurch sie Revolutionen vorbeugen können mögen ihm bei der Verantwortung gegen diese schwere Anklage wohl allenfalls als Vor wand dienen werden aber durch den Ton des ganzen Buchs vereitelt welches nicht für die Großen sondern für das Volk geschrieben ist. (ALZ 261 (1792): 20)
Dass nur ein Text als bescheiden gelten könne, der an den Fürsten als Person adressiert ist, hat kein Publizist 1792–1793 klarer formuliert als Wieland. Weil Wie land in den achtziger Jahren programmatisch zur Denkfreiheit Stellung genom men hatte, ist die Rücknahme früherer Positionen in seinem Fall besonders klar zu erkennen. Dezidiert bricht Wieland 1793 mit dem 1785 aufgestellten und 1788 erneuerten Grundsatz, dass die öffentliche Diskussion nicht den Regeln priva ter Geselligkeit unterliege: „Die Höflichkeit welche uns verbietet, einer Person in öffentlicher Gesellschaft ihre Fehler zu sagen, ist keine Pflicht des Schriftstel lers, der vom Menschen überhaupt, oder von Nationen, Staaten und Gemein heiten (wie groß oder klein sie übrigens seyn mögen) zu sprechen hat.“ (TM 3 (1785): 199–200) In dem TM-Aufsatz „Worte zur rechten Zeit“ erklärt sich Wieland 1793 gegen genau diese Unterscheidung privaten und öffentlichen Sprechens im Namen der Bescheidenheit: „wie übel steht es uns an, mit einer so unbescheide nen und unbilligen Strenge, als seit geraumer Zeit Mode wird, Verdammungs urtheile über jene Großen der Erde auszusprechen, deren größter Fehler am Ende doch nur darin besteht, daß sie nicht besser sind als ein jeder andere an ihrem Platz wäre“ (1797, Bd. 29, 438–439). Aus der Privatisierung der Souveräne ergibt sich die Unterwerfung öffentlicher Kritik scheinbar unter die Regeln von privater Höflichkeit: Man dürfe nicht erwarten, „daß eine Art zu tadeln, die kein Privatmann in der Welt leiden würde, auf Könige eine gute Wirkung tun sollte“ (440). Die Forderung von Bescheidenheit gegenüber dem als privaten Adressaten öffentlicher Rede vorgestellten Regenten entspricht bei Wieland die Absage an jede ausschließliche Adressierung an die „Unterthanen“: „Ist es aber […] nur auf das lesende Publikum abgesehen: […] Wer wollte […] zu den Disposizionen, wel che vielleicht da und dort schon vorhanden sind, nur ein Körnchen zündbaren Stoffes hinzu thun, oder so ohne alle Noth in die glimmenden Funken blasen wollen?“ (440–441) Der sicherste Weg für jemanden, der nicht als kühn gelten wollte, den Vor wurf der Unbescheidenheit zu vermeiden, war also die unzweideutig ernsthafte doppelte Adressierung: an Regenten und Untertanen. In dieser Weise versicherte Hennings als Herausgeber des Schleswigschen Journals wie später des Genius der Zeit und der Annalen der leidenden Menschheit die Unparteilichkeit der Zeitschrift. Die Bescheidenheit des Verfassers strich hin
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gegen Bahrdt heraus, indem er schon im Titel die doppelte Adresse annoncierte: Rechte und Obliegenheiten der Regenten und Unterthanen in Beziehung auf Staat und Religion. Bahrdts Verfahren, für das sich auch andere Verfasser philosophi scher Abhandlungen entschieden, die – wie Knoblauch und Erhard –14 in spe zialisierten Journalen15 veröffentlichten, implizierte das Schweigen über Paine. Nur an einer Stelle der 304-seitigen Schrift findet sich ein, wenn auch brisantes Zitat, das als solches nicht ausgewiesen wurde: „was gehen denn den jetzigen
14 Vgl. Knoblauchs „Gibt es wirklich Rechte der Menschheit? und sind die Menschen in An sehung derselben völlig gleich?“ (Philosophisches Magazin 4 (1792): 424–446) sowie Johann Benjamin Erhards „Versuch zur Aufklärung über Menschenrechte“ (Philosophisches Journal für Moralität, Religion und Menschenglück 2.1 (1793): 1–42). Auszüge aus Knoblauchs Aufsatz sowie aus den unten behandelten Schriften Bahrdts und Rebmanns sowie aus einer Rede Wedekinds bringt die bahnbrechende Sammlung Garber 1974 im Abschnitt „Die Rechte des Menschen und Bürgers“. Zu Knoblauchs Anschluss an Eberhard als den Vertreter der herrschenden Lehre vgl. die ‚Subordination‘ der politischen unter die bürgerliche Freiheit im Namen der Menschenrech te, die zur Festschreibung politischer „Ungleichheit der Rechte“ (433) oder „obrigkeitliche[r] und politische[r] Ungleichheit“ (445) führt, vgl. hier 432. Eberhards Bedeutung betonte schon Wenck 1887, 24; vgl. grundsätzlich zur Unterscheidung bürgerlicher und politischer Freiheit Vierhaus 1967, 191–192, sowie Schlumbohm 1973, 31. Zu Erhards Position vgl. seine Schrift Über das Recht des Volks zu einer Revolution in dem Neudruck von Haasis (1970) oder den Auszügen bei Träger (1975, 1001–1011); das einzige kollektiv dem Volk zukommende Menschenrecht sei das auf Auf klärung – als Gegensatz zur Revolution, die als bloße Rache für selbstverschuldete Unmündig keit erscheint (1006); die einzige rechtmäßige Revolution setze Einstimmigkeit voraus, die selbst Philosophen noch nie erreicht hätten (1007); die Aufklärung sei dann vollendet (1009), wenn Menschenrechte durch Vornehme und Volk anerkannt seien: diesen Prozess bezeichnete Erhard mit dem Begriff „Evolution“ (1010), den sich Kant in seiner „Erneuerte[n] Frage: Ob das mensch liche Geschlecht im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei“ (in Der Streit der Facultäten, hier zitiert nach Dietze 1989a) ausdrücklich zu eigen machte, als er die „uneigennützige[…] Teil nehmung“ (340) an der Französischen Revolution von jener „Neuerungssucht, Jacobinerei und Rottierung, die dem Staat Gefahr drohe“, abgrenzte, welche „verläumderische Sykophanten“ erfänden (338). Ob der Begriff der Evolution bei Erhard und Kant ebenso von Paine übernom men wurde wie bei Herder, bleibt zu untersuchen; zu Herder vgl. sein Tithon und Aurora, das er Forster schickte: „Nicht Revolutionen, sondern Evolutionen sind der stille Gang dieser großen Mutter, dadurch sie schlummernde Kräfte erweckt, Keime entwickelt, das zu frühe Alter verjün get und oft den scheinbaren Tod in neues Leben verwandelt.“ (Herder 1953, Bd. 2, 448) Zu Paines Versuch, den mit dem Erbe von 1688 belasteten Begriff von Revolution als Staatsstreich gegen umfassendere auszuwechseln (Regeneration, Reformation, Evolution), vgl. Paine 1973, 137, 158, 190, 236, 248, 252, 260, 284, 319. 15 Zur Frage des in der Philosophie als Spezialdisziplin erlaubten Tons vgl. unter dem Stichwort von dessen notwendiger „Würde“ die Rezension von Fichtes Beiträge zur Berichtigung der Urteile des Publikums durch Gentz in Fichte 1987, 292.
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Unterthanen die vorigen an“ (Bahrdt 1792, 98).16 Mit dieser Infragestellung der Verbindlichkeit früherer stillschweigender Vereinbarung wurde – wenn auch ausdrücklich nur im Fall des Religionsmonopols – die Figur des Unterwerfungs vertrages außer Kraft gesetzt, die es der herrschenden Lehre erlaubt hatte, Naturund Menschenrechte mit dem Absolutismus nicht nur zu vereinbaren, sondern diesen mit ihnen zu legitimieren.17 Abgesehen von dieser einen Stelle aber wird Bahrdts Abhandlung von der Verbindung von Freimütigkeit und Bescheidenheit bestimmt, die die Vorrede in Form einer doppelten Abgrenzung angekündigt hatte: Noch lebe ich in Zeiten und in einem Staate, wo das freymütige und dabey bescheidne Bekenntniß der subjektiven Wahrheit durch keine Geseze gehemt ist. […] Daß ich die Rechte der Nation eben so gut ehre, wie die Rechte des Regenten, werden nur solche tadelnswerth finden, welche die Wahrheit als eine Ware betrachten, die man dem überläßt, der sie am besten bezahlt. Ich bin weder Schlözer, noch Mirabeau. Ich bin – Bahrdt. (ii)
Wenn sich Bahrdts Freimütigkeit im Primat der Denkfreiheit oder ‚Publici tät‘ zeigt als dem heiligsten Menschenrecht, demgegenüber alle anderen nicht erwähnenswert seien (291), so charakterisiert der Terminus Bescheidenheit nicht nur den Schriftsteller, der letztlich – im sehr breit geratenen Schluss der Abhand lung – die Publizität auf den „freyen Zutritt zum Throne“ (301) reduziert, sondern allgemein die Untertanen; als Gesellschaftsmitglieder seien diese zwar, jeden falls soweit es sich um im Lande geborene Grundeigentümer handelt, natürliche Eigentümer der gesetzgebenden Macht: Nation, als Untertan eines Staates aber, ob die Regierungsform der Nation demokratisch, aristokratisch (Republik) oder monokratisch (Fürstenregiment), sei der einzelne zur „Bescheidenheit“ verplich tet: zur „tiefste[n] Ehrerbietigkeit […], welche er als Theil dem Ganzen schuldig ist“ (82). Bahrdt formuliert es deshalb nicht nur als Recht, sondern als Pflicht des fürstlichen Regenten, „Freyheit des Geistes […] und die Publicität aller Gedan ken und Urtheile, durch welche einzig und allein beständiges Fortschreiten der Einsichten und Wachsthum der Aufklärung möglich wird, […] in keine andere Gränze, als in die der Bescheidenheit, ein[zu]schliessen“ (250). Gerade weil Bahrdt im Gegensatz etwa zu den so genannten Berliner Aufklärern die Publizität ausdrücklich als „unverlezliches Recht der Menschheit“ (250) postulierte,18 zeigt sich im Begriff der ‚Bescheidenheit‘, dass und weshalb er die Denkfreiheit nicht
16 Vgl. Paine 1973, 235–236 und öfter. 17 Vgl. Weissel 1963, 162, 297; Schlumbohm 1973, 34. 18 Vgl. zu Klein und der BM Schneider 1966,164; Schlumbohm 1973, 29; sowie umfassend Weber 1986b, 356–452, besonders 390.
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zu den ‚unveräußerlichen‘ rechnete. Sie gehörte für Bahrdt nicht zum Bereich der Nation, des natürlichen Eigentümers der politischen Macht (36), sondern als Mei nung zum inneren Eigentum des Untertanen (17), das keinen unmittelbaren und direkten Einfluss auf den Staat habe (74). Die Absicht, diese innere Meinungsfrei heit vor dem Zugriff des Fürstenregiments zu schützen (was in Bahrdts Abhand lung immer wieder am Fall des Zwangs zu bestimmten religiösen Meinungen zum Zentralthema wird),19 führte zur einer Abgrenzung von der im Begriff der Nation implizierten Volkssouveränität durch die Einführung des Gegensatzes von bescheiden und empören; dabei ist bezeichnend, dass Bahrdt nicht vom Fürs tenregiment, sondern von der Gesellschaft spricht, die auch von der Demokratie oder der aristokratischen Republik repräsentiert werden könne: Die Gesellschaft „kan fodern“, dass „ich bescheiden und mit Gründen meine Ueberzeugungen darlege und […] mit meiner Freimüthigkeit keinen vermeidlichen Schaden thue, indem ich z. B. […] durch Grobheit und Schimpfreden erbittere oder, Meinungen verbreite, welche […] die Menschen […] gegen die Gesellschaft empören“ (35). Wenn Bahrdts doppelte Adresse an Nation und Regenten die Freimütigkeit letztlich der Bescheidenheit so unterordnete, wie die – z. B. von Knoblauch, der Gleichheit der Menschenrechte von „obrigkeitliche[r] und politische[r] Ungleich heit“ abhob (Philosophisches Magazin 4 (1792): 445), bekräftigte – herrschende Lehre die bürgerliche Freiheit an den Verzicht auf politische band, so stand die doppelte Adresse von Hennings’ Zeitschriften im Zeichen einer Unpartei lichkeit, die den Interessen von Fürst und Volk entsprechen sollte. Seine auf Paines Common Sense anspielende, anonym und ohne Angabe des Druckorts publizierte Schrift Doctor Martin Luther! Deutsche gesunde Vernunft, von einem Freunde der Fürsten und des Volks; und einem Feinde der Betrüger der Einen und der Verräther des Andern operierte auf der Linie einer doppelten Polemik gegen Despotismus und Anarchie,20 um z. B. nicht nur die preußische Zensur, sondern auch die Schriftsteller anzugreifen, die auf Freimütigkeit verzichteten: „Keiner wagt es mehr in Berlin, laut und öffentlich zu denken. […] Willkür sitzt auf dem Thron der Censur. […] die Wahrheit ist irre gemacht, und bettelt vor den Thüren der Despoten um Zurechtweisung und Licht. […] Gedicke und Biester opfern den Ruhm ihrer Monatsschrift dem Götzen des Tages auf, und werden alltäglich, um mit der Blindheit sicher fortgehen zu können.“ (Saine 1988, 115) Wenn Hennings in Gesunde Vernunft noch den von der Zensur in Berlin erzwungenen „Ton“ (115)
19 Vgl. etwa die Wendung gegen die ‚Abforderung‘ von Wahrheit, Bahrdt 1792, 94. 20 Die „Zweyte mit Zusätzen und zwey Abhandlungen vermehrte Auflage. Nicht in Berlin, auch leider! nicht in Braunschweig, eher noch in Wien! 1793“, 116–117 und 127, zitiert bei: Saine 1988, 236–237.
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rundheraus kritisierte – in einer Sprache, die auf das nicht zuletzt durch Bahrdts Zimmermann-Polemik aktualisierte Vorbild Lutherscher Kühnheit zurückgriff (im Gegensatz zu „Melanchtons Schlafmützigkeit“) (Bahrdt 1994, 8), so schränkte er später den Begriff der Unparteilichkeit ein, weil dieser mit Freimütigkeit ver bunden werden konnte, die der Kühnheit verdächtig war, wenn sie nicht durch Bescheidenheit beschränkt wurde: „Der Zeitungsschreiber ist eine der wirkend sten Personen im Staate und muß daher oft seine Privatüberzeugungen in sich verschliessen, wenn sie mit den beabsichtigten Staatszwecken im Widerspruche stehen“ (Annalen der leidenden Menschheit 1 (1795): 10). Trotzdem – oder gerade weil der Vorbehalt den Verzicht auf Freimut zuguns ten von Bescheidenheit so explizit machte – wurde der Henningsschen Zeitschrift die doppelte Adresse nicht geglaubt; nicht nur von Heinrich August Ottokar Reichards Revolutionsalmanach wurde dem Schleswigschen Journal vorgeworfen, „Bückling[e]“ zur Tarnung aufrührerischer Meinungen zu benutzen, weil alle angeblichen ‚Jakobiner‘, „wenn sie das Gift ausstreuen, sich immer durch einen Bückling vor der Konstitution des Staates, in dem sie schreiben, verwahren“,21 sondern auch von Wieland. Er stellte in „Worte zur rechten Zeit“ Hennings’ Luther geradezu als Beispiel für eine Kritik an Monarchen dar, die „im Tone der Marats, Dantons, Robespierres und ihres gleichen“ vorgebracht werde; Wieland seinerseits kritisierte diesen Ton nicht nur als „unwirksam“ – auf Fürsten als Adressaten –, sondern auch als „übertrieben und auf eine einseitige Vorstellungsart gegründet“ (Wieland 1797, Bd. 29, 440). In seiner Kritik am „profetischen Strafton“, der weder „unangefochten“ als „Beruf“ des Schriftstellers gelten könne noch so wirksam sei wie „ein ruhiger, oder verschleierter, oder wenigstens nicht geradezu beleidigen der Vortrag“ (442), spielte der Hennings – und einigen anderen Schriftstellern – vorgeworfene „Mangel an Bescheidenheit und Klugheit“ (432) die entscheidende Rolle. Mit dieser Formel machte sich Wieland als Publizist zu eigen, was im Jahre 1793 in zahlreichen Verordnungen von den deutschen Obrigkeiten formuliert wurde; in Hennings’ unmittelbarer Nachbarschaft z. B. verlangte am 13. März 1793 der Hamburger Magistrat, als er Druck und Verkauf „aufrührerische[r] Schriften“ untersagte, darüberhinaus, beim „Reden und Urtheilen über die gegenwärtigen politischen Angelegenheiten, besonders an öffentlichen Orten und in öffentlichen Häusern, die Regeln der Klugheit und Bescheidenheit sorgfältigst zu beobachten“ (Volke 1989, 146).
21 Revolutionsalmanach (1794): 210, zitiert nach König 1952, 654.
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10.3 Versuche, die Diskussion für abgeschlossen zu erklären: Mahnung zur ‚Bescheidenheit‘ (1793) Wenn Wieland dem unbescheidenen Ton Hennings’ eine übertriebene und ein seitige Vorstellungsart zugrundeliegen sah, berief er sich auf Regeln der Diskus sion, die er mit Hennings durchaus teilte; Hennings lehnte Fehden als „litera rische Dragonaden“ ab, indem er stattdessen „Leidenschaftslosigkeit, kalte[n] Forschgeist und Urbanität“ verlangte (Annalen der leidenden Menschheit 6 (1795): 107): „Kämpfe erzeugen Wahrheit, aber sie dürfen keine Dragonaden seyn, sie müssen auf Ueberzeugung, nicht auf Unterjochung zwecken, sonst verfehlen sie ienen Endzwek, der ihr einziger seyn muß, nemlich Gründe und Gegengründe abzuwägen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen“ (106). Die Konfrontation zwischen Wieland und Hennings, in deren Verlauf dieser jenen mit den „Schirache[n]“22 gleichsetzte, ergab sich aus einem Gegensatz in der öffentlichen Lokalisierung der Gefahr, die der von beiden entworfenen Mitte drohte, von oben oder von unten. Hennings Bild des Kordons, den die Oberen der Aufklärung entgegensetzen, trifft sowohl die Zimmermannsche als auch Brandessche Variante des Blicks von oben; in Hennings’ Bekräftigung der Regeln freier Diskussion fehlt die Abgrenzung von der Volkssouveränität: Und warlich so viele Mühe man sich jezt auch hie und da giebt, einen Grenz-Cordon gegen den gesunden Menschenverstand zu ziehen, so ist doch das deutsche Publikum bis auf den Taglöhner herab nicht immer in der Laune, sich Lügen für Wahrheit, Hyperbeln für Syllogis men, und pasquillantischen Spott für kalte Demonstration aufhängen zu lassen. (Annalen der leidenden Menschheit 1.1 (1795): 15)
Mit diesem Vertrauen in den gesunden Menschenverstand unten kontrastiert scharf Wielands von oben formulierte Verdächtigung von dessen Sprechern. Die Einseitigkeit und Übertriebenheit in der Sache und das Pasquillantische hinsicht lich der obrigkeitlichen Personen sind für Wieland mit dem unbescheidenen Ton notwendig verbunden; seit dem im Januar 1792 erschienenen „Sendschreiben an den Herrn P. E. in K.“ bezeichnet er die in diesem Ton vorgebrachte „Theorie“ (Wieland 1797, Bd. 29, 407) mit dem Begriff „Volkssuveränität“ (313), ohne dass in einem der drei folgenden Aufsätze, „Die Französische Republik“, „Betrachtun gen über die gegenwärtige Lage des Vaterlandes“ und „Worte zur rechten Zeit“, je der Name Paines fallen würde. Aber auch die Namen der deutschen PaineRezipienten, auf die er sich durchweg polemisch bezieht, werden nicht genannt. Dabei ist eine gegen Knigge wie Zimmermann gerichtete Fußnote besonders cha
22 Vgl. den Brief an Gerhard Anton von Halem vom 17. Februar 1793 zitiert bei Volke 1989, 334.
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rakteristisch für Wielands Strategie, sich in einer Mitte zu positionieren: „Es ist übrigens bemerkenswürdig, daß die eifrigsten Verfechter des Aristokratismus in Deutschland Roturiers, und die hitzigsten Demokraten Edelleute sind“ (378). Zugleich macht diese Passage deutlich, dass Wieland sich nicht mit Positionen auseinandersetzen will, sondern stattdessen Verfasser verdächtigt. Auch hierbei befindet er sich in Übereinstimmung mit den Zensurregeln: Durchgängig werden die kritisierten Schriftsteller als ehrgeizig und schwärmerisch dargestellt, als bos haft und unbesonnen. Zwischen dem Nicht-Diskutieren und der Verdächtigung besteht in Wielands Aufsätzen insofern ein Zusammenhang, als es die Überzeugung von der Unver nünftigkeit der Volkssouveränität ist, die ihn davon ausgehen lässt, dass nur eigennützige Interessen oder Mangel an Vernunft jemanden motivieren können, diese Theorie zu vertreten. Vom ersten Aufsatz an erscheint Volkssouveränität als eine der „Sofistereyen“, die von „Leidenschaft“, „Eigennutz“, „Unwissenheit“ und „Eigendünkel“ (313) produziert werden. Zu einer Begründung, die er nur an einer einzigen Stelle geben zu müssen glaubt, beruft er sich mit einer bezeich nenden Beiläufigkeit auf die „Wahrheit“ über die Demokratie, die „schon Montes quieu […] bewies“ (360): „ohne Tugend […] keine Demokratie“ (361),23 schon gar nicht in großen Staaten. Ohne auch nur einmal das von Paine theoretisierte Prob lem der Repräsentation zu stellen, wiederholen Wielands Aufsätze unermüdlich einmal die Bezeichnung des Begriffs Volkssouveränität als „Absurdität“ (462) und „Wahnsinn“ (453), dann gegen die französischen Revolutionäre wie gegen Hennings, Knigge und Forster den Vorwurf des ‚Ehrgeizes‘ (407) und der „sofisti schen“ (400) „sirenenmäßigen Beredsamkeit“ (398), die auf die „schwärmerische […] Jugend“ (407) berechnet sei. In seiner Rolle als Entlarver des selbstsüchti gen Interesses der angeblichen Enthusiasten (445) vergleicht sich Wieland mit einer capitolinischen Gans (410), ausgerechnet an der Stelle, wo er gegen Forsters Besprechung Burkes im Literaturbericht auf 1790 protestiert: Die hier zutagetre
23 Vgl. zur Geltung von Montesquieus Lob der beschränkten Monarchie in Deutschland Vier haus 1965, besonders 426, 430. Paines (1973, 215) Kritik findet sich unmittelbar vor jener Passage, auf deren Zitierung durch die Jakobiner Riedel und Wedekind unten noch eingegangen wird; sie ist auch deshalb interessant, weil Paine die Behinderung des Denkers Montesquieu durch sein Amt akzentuierte: „Er war genötigt, sich zwischen Grundsätzen und Klugheit zu teilen, und deswegen sehen wir seinen Geist oft unter einem Schleier und müssen mehr in ihm suchen als er geäußert hat.“ (113) Paines Montesquieu-Kritik sowie seine kurze Geschichte der französischen Aufklärung wurden 1796 aufgenommen von Cramer, als er eine Vorrede zu seiner Ausgabe der Schriften Sieyes’ schrieb, vgl. Auszüge bei Volke 1989, 29–31; auch bei Cramer erschien die fran zösische Aufklärung als vor der Revolution nicht abgeschlossene Annäherung an die Theorie von Volkssouveränität, Repräsentation und Republik.
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tende Abhängigkeit in der Bildwahl lässt sich vielleicht als Zeichen einer Emp findlichkeit deuten, die sich durch Forsters Hohn über die Bescheidung eines Intellektuellen herausgefordert sah. Grenzt Forsters „Geschichte der Englischen Litteratur“ Burke als einen Gläubigen und Sklaven aus der Diskussion zwischen freien Vernunftwesen aus, wenn es heißt, dass „man es unanständig finden mußte, einen grauen Brittischen Senator der Königswürde, der Hierarchie, der privilegirten Geburt im Jahre 1790 Altäre bauen und sclavisch niederfallend anbe ten zu sehen“ (AA VII, 192),24 so antwortet Wieland mit Entrüstung über „eine[…] solche[…] Sprache“: Wer ihren Begriff von Freyheit und Gleichheit nicht für den einzigen wahren erkennt, ist ein Feind des menschlichen Geschlechts, oder ein verächtlicher Knecht, der, von den engbrüs tigen Vorurtheilen der alten politischen Abgötterei gedrückt, die Knie vor selbstgemach ten Götzen beugt, und freywillig Fesseln trägt, die er, so bald er nur wollte, wie versengte Zwirnsfäden von sich schütteln könnte. (1797, Bd. 29, 405)
Wielands Verteidigung seines Kniebeugens mit dem Hinweis auf Fesseln, die fes ter als Zwirnsfäden seien, ist eine von Bescheidenheit als unzweideutige Ableh nung von Volkssouveränität. Deshalb schließt er eine zweite Anspielung auf Forsters Burke-Kritik an, wenn Mainz als „Mutter des ersten Deutschen Jakobi nerklubs“ zum „Mittelpunkt aller Anstalten“ erklärt wird „zu der heroischen Ope razion, die mit dem deutschen Staatskörper vorgenommen werden soll“ (409). In Forsters Literaturbericht weist das Bild der Revolution als Operation die Burke sche Gleichsetzung von Volkssouveränität und Vatermord zurück: Schauderhaft ist das große Bild, womit Burke die neuen Gesetzgeber bezeichnet! Ihr Vater land, sagt er, den ehrwürdigen Alten, zerhacken die unbesonnenen Kinder in Stücken, werfen ihn mit giftigen Kräutern in den Zauberkessel, sprechen wilde Formeln der Weihe
24 Vgl. dieses Bild Burkes auch bei Cramer: Burkes „kriechende Anbetung; [in griechischen Buchstaben] latreia douleia und proskynesis“ (Knechtschaft, Sklaventum und Verehrung) (Menschliches Leben 2 (1791): 16). Forsters Wendung vom ‚grauen Senator‘ bezieht sich auf Rehbergs „leidenschaftlichste Züchtigung“ von Paines „Verwegenheit, den ‚Staatsmann‘ Burke anzugreifen“, wie eine Fußnote im Literaturbericht auf 1791 (AA VII, 238) zur „pedantischen Prätension“ des Begriffs ‚Staatsmann‘ erläutert: „Zur Erreichung gewisser Absichten mag es zweckmäßig seyn, einen Deklamator im Parlamente einen Staatsmann zu nenen; allein, daß Herr Burke einmal Kriegszahlmeister gewesen, scheint doch nicht hinreichend zu beweisen, daß er in dem, was man gewöhnlich Staatsgeschäfte nennt, grau geworden sey.“ Gegen denselben Begriff wendet sich Cramer in einer Anmerkung zu Burkes Kritik an der Departements-Einteilung Frankreichs: „Bey meiner Ehre! ich glaube, mein Vetter, der Bürgermeister in Schilde, hat gesun dere Begriffe davon, als dieser, (Schirach und Rehberg besagts!) ‚in Staatsgeschäfften grauge wordene Mann!‘“ (Menschliches Leben 2 (1791): 17)
10.3 Versuche, die Diskussion für abgeschlossen zu erklären
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über ihn, und harren seiner Wiedergeburt und der Erneuerung seines Lebens! – Allein dies wahrhaft erhabene Bild hat doch auch den Fehler, daß man durch die Fortsetzung der Alle gorie seine Anwendung schwächt. Wie, wenn nun das Vaterland der einzige Gegenstand wäre, mit welchem eine solche magische Operation sich vornehmen läßt? Wenn im gegen wärtigen Falle der alte Äson so zerrüttet war, daß nur noch dieses Experiment Rettung ver sprach? (AA VII, 189)
Gerade weil Wieland selbst bereits im August 1789 das Bild von „Medeens Zau berkessel“ (1797, Bd. 29, 158) benutzt hatte, musste ihm Forsters positive Umwer tung (vgl. Kapitel 9) als Bestätigung seines Verdachts erscheinen. Es war nämlich in der „Unterredung zwischen Walther und Adelstan“ der revolutionsfeindliche, skeptische Adelstan, der in Wielands frühem Aufsatz den „Herren Demagogen“ vorwarf, dass über „ihre[n] abstrakten Spekulazionen“ (158) von der „Modellie rung einer Platonischen Republik, einer metaphysischen Konstituzion“ (157) „der arme Pazient, den sie in Medeens Zauberkessel regenerieren wollen […] leichtlich gar gestorben und verdorben seyn könnte“ (158). Im Widerspruch zur als evident ausgegebenen Absurdität der Theorie der Volkssouveränität, die nur aus Boshaftigkeit vertreten werden könne, scheint zunächst zu stehen, dass immer wieder ihre breite Wirkung – sowohl in Frank reich wie in Deutschland – von Wieland betont wird (373–374). Aber die Tatsa che, dass diese „Theorie […] auf so wenige und so massive Grundsätze gebracht“ werden könne, „daß der gröbste Tagelöhner scharfsinnig genug ist sie in wenig Minuten zu fassen“, und dass sie „dem Volke praktische Anweisungen zu geben“ vermöge (407), spricht ihr in Wielands Augen das Urteil. In Wielands Formulie rungen zur Wirkung der französischen Besatzung von Mainz und des Verhaltens der Revolutionstruppen wird unzweideutig klar gemacht, dass der bescheidene Sprecher sich nicht zum Volk rechnet, sondern seine Leser zur Identifikation mit den Fürsten anhält; in einer Zimmermann, Brandes und Gentz vergleichbaren Weise imaginiert sich der Autor, der immer die Mitte für sich in Anspruch nimmt, in einem bedrohten Oben, wenn er sich in der Defensive sieht angesichts der Wir kungen von Mainz, der Ansteckung „mit […] sofistisierten Begriffen von unver äußerlicher Volkssuveränität“ (417), „die man dem Pöbel nun durch keine Dis tinktionen und Räsonements wieder aus den Köpfen bringen kann“ (419): „Denn natürlicher Weise wird das Freyheits- und Gleichheits-Evangelium, das an sich selbst schon den Mühseligen und Beladenen so süß tönt, sich desto mehr Ein gang verschaffen, wenn die Apostel desselben ihm auch durch ihr persönliches Betragen die Herzen zu gewinnen suchen.“ (401–402) Wieland trug mit seinen Aufsätzen von 1792–1793 nicht nur dazu bei, dass eine inhaltliche Diskussion der Theorie der repräsentativen Demokratie ausblieb und stattdessen ein Montesquieusches Erbe ungeprüft weiterwirkte, er entwarf
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zugleich ein Bild des Publikums, das dem gleichzeitig von Gentz gezeichneten sehr nahekam; ausgerechnet in der Widmung an Friedrich Wilhelm II. meinte Gentz „allenthalben verschlossne Ohren, und ungünstige Gemüter“ vorausset zen zu müssen; auf eine positive Leserreaktion könne, so versicherte er dem König, nur rechnen, wer Tyrannei verfluche, alle Macht als Narrheit verlache und Weltverbesserung triumphieren lasse (Volke 1989, 465).
10.4 Autobiographische Erinnerungen an ‚Freimut‘ (1794–1795) Aus diesen Gründen ist es bemerkenswert, dass Rebmann ausgerechnet den Auf satz „Worte zur rechten Zeit“ aufgriff, als er ein Jahr später den von oben gelegten ‚Grenzkordon‘ gegen den ‚gesunden Menschenverstand‘ zu durchbrechen suchte. Gegen das Bild eines einheitlichen Feldes unbescheidenen Sprechens, das – im Blick von oben, auch aus der Mitte – negativ mit Paine identifiziert wurde, stellte Rebmann eine Strategie der Polarisierung von unten, die differenzierte Positio nen auf eine gemeinsame Mitte hin zu formieren suchte. Während in den bislang herangezogenen Beiträgen zur Paine-Rezeption aus nahmslos nur die negative Bezugnahme auf zeitgenössische Autoren begegnet, also die Abgrenzung des Individuums von anderen, liefert Rebmann das exzepti onelle Beispiel des Versuchs einer „Gruppenbildung“ (Valjavec 1978, 229).25 Seine Wahrheiten ohne Schminke berufen sich positiv auf Wieland (Rebmann 1990, Bd. 1, 271) wie auf Hennings (243), auf Knigge (276–277) wie auf Bahrdt (253). Er selbst sah sie in seinem autobiographischen Rückblick insofern als den ernsthaf ten Beginn seiner publizistischen Tätigkeit an (Rebmann 1958, 364), als er zwar noch nicht mit der doppelten Adresse, aber doch mit dem bescheidenen Ton gebrochen habe: „Meine Überzeugungen“, schrieb er zwei Jahre nach den Wahrheiten ohne Schminke, „haben sich jetzt in vielen Stücken geändert, hauptsäch lich in Ansehung des Traumes, Verbesserungen von einiger Bedeutung durch die Regenten selbst wirken zu wollen“ (365); er hielt aber an der Bestimmung des Tons fest: „Trage jeder zum Umlaufe der Wahrheit das seinige bei, rede jeder Wahrheit, nicht im Höflingston wie Erasmus, sondern kalt, kühn und frei, auch, wo es den Umständen nach nötig ist, derb, bitter und warm wie Luther.“ (368)
25 Valjavec ist in seiner Pionierarbeit recht vorsichtig mit der Verwendung dieses Begriffs, spä tere Darstellungen haben freizügiger von klarer Frontenbildung gesprochen; das gilt sowohl für Saine 1988, 36, als auch für Graßhoff 1977, 335, die sich am Rande mit der hier dargestellten Nicht-Debatte befassen.
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Rebmanns Argumentation in Wahrheiten ohne Schminke zielt gegen die Gleichsetzung von Menschenrechten und Greuel, verkörpert im Bild von Paine als „Mordbrennerfürst“ (254). Dagegen stellt er eine Gruppierung aller von der Revolution Betroffenen in „drei Klassen“: 1. Menschen, die für Hierarchie und willkürliche Gewalt streiten. – Ihr Losungswort ist Herstellung der bürgerlichen Ordnung. 2. Menschen, die nichts als Verwirrung, Zerstörung und Zügellosigkeit beabsichten, um selbst unterdrücken zu können. – Ihr Losungswort ist Freiheit. 3. Menschen, die sich gegen einen gewaltsamen Umsturz unsrer Verfassung, nicht aber gegen ihre gründliche Verbesserung sträuben. Sie haben kein Losungswort als – Wahr heit. Diese letzte Klasse ist die schwächste und um so eher unterdrückt, da die Anhänger der ersten schlau genug sind, sich mit ihr zu vermengen und von ihr Gründe für sich zu entleihen. (276)
Gerade durch die Gleichsetzung von Despotismus und Jakobinismus, wobei stets der despotische Terror als den jakobinischen quantitativ und qualitativ übertref fend dargestellt wird,26 zielt Rebmann auf die Ausgrenzung der Befürwortung willkürlicher Gewalt aus dem Lager der ‚Wahrheit‘. Deshalb benutzt er Kritiker der ‚Freiheit‘ wie Wieland, um in ihren Beiträgen das antidespotische Moment zu betonen; aus einer mehrseitigen Zitatmontage aus Wielands „Worte zur rechten Zeit“ folgert Rebmann: Dies sind die Worte eines Mannes, der doch sicher bei keinem teutschen Fürsten oder Minis ter als einer von denen gelten kann, welche Empörung predigen oder Wahrheiten unter das Volk bringen wollen, die es zum Aufruhr reizen können. Auch dieser Mann aber kann es nicht leugnen, daß eine Verschwörung gegen die Freiheit der Vernunft und des Gewissens existiert. (272)
Indem Wieland – entgegen der Strategie seines Textes – zum Kronzeugen dafür gemacht wird: „Nicht von seiten des Volks droht Gefahr“, können seine beschei denen Sätze für Denkfreiheit umgebaut werden in kühne gegen eine „schreckli che Revolution von seiten der Pagen- und Ministerregierungen“, die „nicht nur zu befürchten, nein! – […] schon wirklich ausgebrochen“ sei, „von Jakobinern geleitet, die schlimmer sind als die Pariser mit ihren roten Mützen“: „Eine Revo lution, welche uns vors erste nichts weniger nehmen will als Druck- und Preß freiheit“ (272). Aus dieser Lokalisierung der Gefahr für die ‚Wahrheit‘ ergibt sich, dass Rebmann um so entschiedener vor jeder Unterstützung der ‚Ordnung‘ gegen die ‚Freiheit‘ warnt: „Wo […] die Regierung so beschaffen ist, daß sie zu Mißver gnügen Anlaß gibt, oh, so hütet euch doch ja, den Fürsten Strenge zu raten, denn
26 Vgl. Rebmann 1990, Bd. 1, 272, 275, 278.
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wahrlich! das kann und wird kein ehrlicher Mann tun.“ (276) Wenn Rebmann den Appell an seine Kollegen, den Absolutismus publizistisch nicht zu unterstützen, verschärft, wird erkennbar, dass seine Auffassung des Menschenrechts Druckund Pressefreiheit das souveräne Volk wie die Revolution impliziert: „Oder wol len auch Schriftsteller sich zu denen gesellen, welche Inquisitionen, Statsspione, Schrecken und Gewalt anraten, o dann verdienen sie mit vollem Recht mit den Höflingen den Laternenpfahl.“ (277) In dieser Weise wendet Rebmann das mit der Denkfreiheit und ihrer Freimü tigkeit verbundene Muster „unparteiischer Männer, die Wahrheit sagen“, gegen den Absolutismus, gerade indem er betont, „sobald, wie es sein soll und muß, das Interesse des Fürsten und des Volks eines und dasselbe ist“ (277). Wenn man die Merkmale des Lagers der ‚Ordnung‘ zusammenfasst, das sich von jenem gemeinsamen Interesse durch ‚Willkür‘ unterscheidet, dann stellt sich dieses – immer wieder durch die Namen Burkes und Zimmermanns vertreten –27 als das Gegenbild zum freien Publizisten dar: „besolde[te …] Parteigänger der Finsternis“, „Schmierer, die ihre Feder an jeden verkaufen, der sie bezahlt“ (267), „Spione“ und „Denunzianten“, ausgerüstet mit der „Beredsamkeit der Klerisei“ und „dem Werkzeug der Büttel“ (269), organisiert in einem „geheime[n] Bund“ und „durch Interesse verknüpft“ (238). Ihr Gegenbild liefern die „wahren, echten freimütigen“ „Sprecher für die Rechte der Menschheit“ (236), die „ohne Bered samkeit“ (241) „die nüchterne Sprache des prüfenden Weisen“ sprechen (261). An zwei Stellen allerdings wird erkennbar, dass die Spiegelbildlichkeit des Selbstund Fremdbildes ein Problem ist; einmal fragt Rebmann: „Wo sind nun im Gegen teil Beweise von dem Philosophenbund, von der Propaganda, von dem Jakobi nismus in Deutschland?“ (278) An einer anderen Stelle bezeichnet er es als seine „Pflicht“, „anzuzeigen“ und „zur Entlarvung der Bösewichter beizutragen“ (240). Es waren nicht nur geteilte Diskussionsregeln, die für Symmetrie der wech selseitigen Vorwürfe sorgten, sondern auch geteilte Annahmen über die voraus sichtliche Verlaufsform der Diskussion: Die Annahme von der Unaufhaltsamkeit, vom Selbstlauf der Wahrheit motivierte allerdings entgegengesetzte Verhaltens weisen; wenn die einen mit ihr drohten, so zogen die anderen daraus gerade die Konsequenz, sie zu unterdrücken. Beide Verhaltensweisen verknüpften Vernunft in einer Weise mit Gewalt, die den Diskussionsregeln widersprach.28
27 Rebmann 1990, Bd. 1, 236, 249, 260. 28 Problematisch scheint mir die Deutung dieser Symmetrie im Sinne einer Radikalisierungs these, ob Valjavec beklagt, dass man „nur die politischen Extreme, nicht aber das Vorhanden sein einer ausgleichenden Mitte“ (1978, 312) gesehen habe, oder Saine meint, in die verbale Es kalation seien die Regierungen nur ‚hineingezogen‘ worden (was auch bei Graßhoff (1977, 335)
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Wenn es in Paines umstrittenem Text hieß, „wenn einmal der Schleier zerreißt, so hilft kein Flicken“ (1973, 142), so schrieb derjenige, der die Bekämpfung Paines eröffnete, über das von den „Philosophen“ „auf den Thron“ ‚gesetzte‘ „Volk“: „das Volk ist […] wie ein ausgetretener Bergstrom, der nie in sein altes Bett wiederkeh ret“ (Zimmermann 1995, 9). Zimmermanns und anderer Überzeugung von der Macht der verschworenen Aufklärer spiegelte negativ die Illusion von der Macht des vernünftigen Arguments: „Zerstöret ist die Ruhe der menschlichen Gesell schaft seitdem man nicht mehr an die alten Regierungsformen glaubt.“ (9) Des halb konnten sich auch beide Seiten, wie Abraham Gotthelf Kästners Wendung von Zimmermanns Terminus „Jesuitenriecherei“ gegen dessen „Aufruhrriecherei“ zeigt,29 die jeweilige Gegenmacht nur in einer Symmetrie von Verdächtigungen erklären: die Boshaften und Unbesonnenen stehen im Sold, sind Denunzianten, die die Person, nicht die Sache meinen, handeln aus niedrigem Interesse, sind organisiert als geheimer Bund, beherrschen oder erstreben die Herrschaft über das Publikum, bedienen sich leidenschaftlicher Rhetorik. Im Prinzip fanden sich alle diese Vorwürfe schon in den achtziger Jahren, z. B. in der Berlinischen Monatsschrift, wenn deren Autoren bestimmten, wer nicht rational diskutiere.30 In den neunziger Jahren aber erwiesen sich die Regeln nicht als etwas, worauf man sich noch einigen konnte, sondern als polarisierendes Mittel von Entlarvung. Die Möglichkeit dieser wechselseitigen Verkennung wird nirgendwo deutli cher als in der Verteidigungsschrift Cramers, weil er die von den meisten beschei
angedeutet wird, wenn sie von einer „Polarisierung“ spricht, die die Regierungen abgelehnt hätten): Die Konfrontation Zimmermann-Knigge nennt Saine „a public process of verbal escala tion which ended with the government itself being dragged into the controversy after everyone had completely lost all sense of proportion“ (Saine 1988, 283). Während Valjavec mit der These vom in der ‚Mitte‘ ‚übersehenen‘ „liberale[n] Lager“ (1978, 312) seiner eigenen Gleichsetzung von Konservativismus und Mitte widerspricht (268), landet Saine bei einer nationalpsychologischen Konstruktion: Der Deutsche neige „temperamentally“ (1988, 281) nicht zur politischen Partizi pation. Saines Feststellung zum Republikanismus ist eine unfreiwillige Parodie von Forsters Paine-Vorrede: „When Germans thought about the virtues of republicanism, they did not think primarily of the political form. They tended rather to idealize the patriotism and commitment to the commonwealth“ (278); vgl. dagegen Forsters ironisches Porträt von Paines „Nationalismus“ (AA VIII, 223), d. h. er sei als Amerikaner in seiner „Denkungsart“ gleichermaßen durch „Ge wohnheit und Erziehung“ (223) seines ‚Vaterlandes‘ beeinflusst wie Burke als Engländer (vgl. Kapitel 6). 29 Abraham Gotthelf Kästners Gedanken über das Unvermögen der Schriftsteller, Empörungen zu bewirken (1793), hier zitiert nach Träger 1975, 966. 30 Vgl. Weber 1986a: die Ausgrenzung von „Ritter[n]“ (172) und „Monopolist[en]“ (178) ihrer „Parteilichkeit“ (171) wegen, die zu „Winkelzüge[n]“ (154) führe und sich in „Schmähung“ (155) und „Deklamation“(156) ausdrücke: „Sophisterei“ (154) beschrieb das ausgegrenzte Verhalten hinsichtlich des Motivs, der Gegenstands- und Adressatenbeziehung.
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den eingeschränkten Diskussionsregeln noch einmal gegen die feudalabsolu tistische Verfolgung einzuklagen versuchte, dabei aber auch die Widersprüche offenlegte, die sich daraus ergaben, die Frage der Souveränität des Volkes, der Macht, als eine Angelegenheit privater Meinung behandeln zu müssen. Dabei wird eine Konsequenz dieser Privatisierung in Cramers Text deutlich, die von Valjavec als „[un]klare Stellung“ der „Demokraten zur monarchischen Staats form“ (1978, 184), von Saine als deren „Ambivalenz“ und „Schizophrenie“ (1988, 280) beschrieben worden ist: das Doppelleben des Republikaners als zum Gehor sam verpflichteter Untertan. Cramer präsentiert seinen Fall aber als ein „Bey spiel[…] vom möglichen Verein republikanischer Principien mit monarchischem Unterthanengehorsam“ (1795, 119–120). Dieser angeblich versöhnte Widerspruch prägt schon die Entstehungsge schichte von Cramers Apologie: Noch vor seiner Übersiedlung nach Paris ver öffentlichte er die Schrift, mit deren erster, nur als Privatdruck verbreiteter Fassung er ausschließlich das „Wohlwollen“ von privaten Freunden „aufzufo dern sich genöthiget“ sah, „wenn Euer Urtheil auch seine Grundsätze verwirft“ (14). Der wegen der öffentlichen Ankündigung einer Übersetzung von Schriften des – bereits hingerichteten – Girondisten Petion, des ehemaligen Bürgermeisters von Paris, seiner Kieler Professur Amtsenthobene tat durch die private Adresse ausdrücklich „Verzicht darauf […], vor dem gesammten Publico entschuldigt mich zu sehen“, indem er „zur unverbrüchlichen Bedingniß des Empfangens“ machte: „Jeder Gebrauch der Blätter würde meinen Absichten zuwiderlaufend seyn, der mit einer Gesinnung stritte, die gegen des höchsten Ansehens [den dänischen König] keinen Widerstand kennt.“ (15) Mit dieser – durch die im Frühjahr 1795 erfolgte Publikation aufgehobenen – Einschränkung schreibt Cramer das Motiv fort, mit dem er die private Notwendig keit seiner Apologie begründet: In einem politischen Jornal war seine an die Deut sche Kanzlei der dänischen Regierung abgegebene „Erklärung“ „impertinent“ genannt worden (12). Auf diesen, wie Cramer betont, „öffentliche[n] Angriff[…] auf meine Ehre“ (13) entgegnete er mit der privat adressierten Verteidigung im Herbst 1794 (201), nachdem er entlassen worden war. Er weist zwar den Vorwurf der Unbescheidenheit als Beschimpfung zurück (116), aber nicht indem er seine Bescheidenheit unter Beweis stellt, sondern, im Gegenteil, indem er auf seinem Recht zur Freimütigkeit insistiert. Deshalb weist er im späteren Text auch das Gerücht zurück, er hätte in seiner „Erklärung“ „durch heuchlerische Retractration meiner Grundsätze, die Strenge des über mich ergangenen Urtheils, […] fruchtlos zu mildern versucht“ (190). Cramers Verteidigungsstrategie ist tatsächlich in der Erklärung an den Dienstherrn selbst (19–77), den privaten „Erläuterungen über mißdeutbare, oder durch das Gerücht gemißdeutete Stellen meiner Erklärung“ (78–172) und dem
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für die Veröffentlichung – „Freund und Feind“ (205) – geschriebenen „Schluß“ (199–205) dieselbe: Er sei zu Unrecht amtsenthoben worden, weil „wegen keiner andern Handlungen, als wegen geäußerter Grundsätze“ (6).31 Cramers Modell in allen drei Teilen der Schrift Über mein Schicksal ist die im Anhang in Auszügen abgedruckte Verteidigungsrede des britischen Torys Henry Erskine32 für Thomas Paine gegen den Vorwurf, The Rights of Man sei ein „seditious libel“:33 „ein Mann […], der, indem er Paines Recht, seine republicanischen Meinungen vorzutragen, vertheidigt, zugleich öffentlich bekennt, daß es die seinigen nicht sind“ (Cramer 1795, 56). Das für Cramers Apologie entscheidende Zitat aus Erskines Rede für Paines Recht auf Meinungsfreiheit lautet: Verbinde Deine Bürger […] demjenigen Grundsatze nach, […] der allein aufrichtige, starke, ächte, vernüftige Treue hervorbringen kann; aus Ueberzeugung: die Form der Regierung sey ihrer wahrer Vortheil, und müsse zu ihrem eigenen Besten bestehn! Zwang gebiert natürli cherweise Widerstand; und giebt handgreiflichen Beweis, daß die Vernunft nicht auf Seiten Derer ist, die sich Zwanges bedienen. (279)
Der Widerspruch, dass die Vernunft einerseits sich von selbst, d. h. gewaltlos, ohne Zwang durchsetze, andererseits, wenn gezwungen, ihrerseits zur Gewalt werde, durchzieht auch Cramers Versuch, seine Impertinenz als eine Freimütig keit zu erweisen, die den Untertanengehorsam nicht in Frage stelle. Gegen die dienstliche Bestrafung wie gegen die öffentliche Beschimpfung seiner republi kanischen Grundsätze wegen wendet er ein, „daß nicht bloß meine Vernunft als eine irrende, sondern mein Character als ein frevelnder […] dargestellt worden ist“ (7). Mit der Unterscheidung zwischen Irrtum und Frevel, deutlicher noch „Unver stand und Bosheit“ versucht Cramer jenen Verdächtigungsmechanismus außer Kraft zu setzen, der vom preußischen Zensuredikt über Brandes bis zu Wieland
31 Vgl. Cramer 1795, 58, 116, 199–200. 32 Cramer 1795, 46, 48/49, 94. 33 Vgl. hierzu Forsters Literaturbericht auf 1791, der einerseits mit der Trennung von Meinung und Handeln den Begriff der ‚aufrührerischen Meinung‘ grundsätzlich zurückweist, anderer seits aber despotische Gewalt und die darauf antwortende des souveränen Volkes in einer Weise ins Spiel bringt, die die Diskussionsregeln problematisiert: „Dort […], wo jedem sein Recht, eine eigene Meinung zu haben, unbestritten ist, kann keine Gefahr daraus erwachsen; denn jede Meinung bleibt so lange Meinung, bis sie allgemeine Stimme wird. Wo man physische Gewalt zu Hülfe ruft, um eine Meinung zu unterstützen, dort giebt man auch dem Gegner das Recht, sich eben dieses Beystandes zu bedienen, wenn und wo er kann.“ (AA VII, 231) Vgl. auch die entsprechende Formulierung zur britischen Paine-Rezeption: Es sei „allgemeine Überzeugung“, dass „die Anwendung der Grundsätze, die der Königsfeind Thomas Paine in seinen Rechten des Menschen aufgestellt hatte, auf die englische Verfassung, vor der Hand noch verwerflich sey“ (237). Zur ‚libel‘-Diskussion auch vgl. 234–235, 268–269.
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unbescheidene Meinungen zu aufrührerischen Taten erklärte; Cramer beschreibt ihn drastisch als „Sitte sycophantischer Angeber, […] Herzenskündiger von geheimen Absichten seyn zu wollen“ (vi). Demgegenüber besteht Cramer mit der Unterscheidung von Grundsätzen und Handlungen darauf, dass „Irrthum“ – so möglicherweise seine republikanischen Grundsätze – „nicht“ „in das gesetzliche Gebiet“ „gehört“ (43), das der „Strafe“, sondern in das der „Widerlegung“ (44). An seine ihm Strafe ankündigende Regierung schickt der Untertan Cramer so in der Tat freimütig, wenn auch als rhetorische Frage, die Forderung einer Widerlegung: „[W]as läßt sich vom wahrheitsliebenden Manne mehr fodern, als daß er seinen Irrthum zurücknehme und bekenne, sobald man ihn, durch Facta und Gründe! von der Unrichtigkeit seiner Theorie […] überzeugt?“ (39–40)34 Cramer begründet seine Freimütigkeit als Betätigung der „Freyheit […], Meinungen nicht blos zu haben, sondern auch […] mitzutheilen“ (44), gegenüber der Regierung dreifach:35 als „das höchste der Menschenrechte“ (44), als Bedingung der „Erkenntniß des Bessern“ – weil diese „nie anders als aus dem Zusammenstoß von Wahrheit und Irrthum entspringt“ (45–46), als „den dänischen Bürgern eingeräumte[s] Recht“ (53). Cramers Zusammenführung der drei zeitgenössischen Begründungen von Meinungsfreiheit erhält ihre spezifische Färbung durch die Bezugnahme einer seits auf „republicanische[…] Freyheit der Meinung“, andererseits auf den „Cha racter des Kronprinzen“ (53); bewiesen scheint ihm die Vereinbarkeit vom Men schen- und Bürgerrecht mit dem Absolutismus durch die Publikation von Paines Die Rechte des Menschen: „in Copenhagen, – zur Ehre Copenhagens! – [wurden] die in Berlin und Wien verhaßten Painischen Erörterungen verlegt“ (52). Wenn Cramer fortfährt, „ohne daß die Ruhe Dänemarks gestört dadurch ward“ (52), wird der problematische Aspekt der Trennung von Grundsätzen, die öffent lich diskutiert werden, und Handlungen sichtbar. So stehen sich in Cramers Text – massiver noch als bei Knigge, Hennings und Forster – gegenüber einerseits Versicherungen der Folgenlosigkeit der Diskussion republikanischer Grundsätze, andererseits die Drohung mit der Revolution, der Behauptung allgemeiner Büger rechte gegen Vorrechte (62): „so sehn wir […] einst den glücklichen Triumph des Gleichheitsprincips! dessen Einführung, gehörig eingeleitet, in seinem unüber windlichen Gange nur nicht gewaltthätig gehemmt, durch Gesetze bereits unter
34 Vgl. die Entrüstung des preußischen Zensors Hermes auf eine entsprechende Forderung Kants, als er Biester zur Ablehnung von Kants zweitem Aufsatz über „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ für die BM schrieb: „im übrigen verlange man von ihm wohl nicht, ‚mit einem Schriftsteller es auszumachen, auf welcher Seite, bei verschiedenen Meinungen, Wahrheit sei‘“ (Houben 1990, 66). 35 Vgl. zu diesen drei Begründungsmöglichkeiten Schneider 1966, 152.
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uns anerkannt, auch mit königliche Würde bestehen, auch unblutig geschehn […] kann“ (63–64). Cramer zitiert ausgerechnet die Revolutionäre der britischen Civil Wars, um autoritativ versichern zu lassen: „Keine gute Regierung wird jemals durch papierne Schüsse gestürzt werden“ (60), so Cromwell, und am Beispiel des republikanischen Sekretärs von Charles I., James Harrington, zu belegen, dass „Meinungen [keinen] Einfluß auf seine Handlungen“ (58) gehabt hätten. Cramer bemüht sich in den „Erläuterungen“ die nicht nur in Cromwells Satz auch für die Regierung erkennbare Zweideutigkeit – dass nämlich papierne Schüsse auf den Sturz einer schlechten Regierung zielen – einzuschränken, indem er seine republikanischen Grundsätze stärker als Bestandteil jener öffent lichen Diskussion darstellt, die auch die „Erklärung“ schon beschrieben hat: Der „Streit über ihre philosophisch-politische Richtigkeit und moralische Güte“ sei „ein weites Feld der Untersuchung, der Prüfung, oft der Genehmigung, biswei len des Zweifels; kurz der Discussion, durch die allein objective Wahrheit in der intellectuellen Welt ausgemacht werden kann“ (21–22). Zur Reklamation von Dis kussionsregeln gehörte in der „Erklärung“ eine – zweideutige – Beschreibung der Beziehung des Verfassers zu „mehrern Großen des Landes“: Er habe ihre „Freundschaft“ sich bewahren können, weil er „Theorie“ und „Praxis“ getrennt und „wohl die Sache, aber die Personen nie angegriffen hat; ob er gleich auch nicht die Sache den Personen aufzuopfern sich erlaubt“ (62). Im Sinne einer Fort schreibung dieser Vergewisserung über Regeln öffentlicher Diskussion werden die Grundsätze jetzt zum Teil einer „Erörterung“, die ausdrücklich von einer „Entscheidung“ abgegrenzt wird (95–96). Um sich gegen den Vorwurf zu verteidi gen, er hätte Dänemark eine republikanische Regierungsform empfohlen, grenzt Cramer die „zwingende Folgerung“ (97) ab von der offen bleibenden „Untersu chung“ (95) der Frage des Vorzug der Republik vor der Monarchie: „Ein Glaubens bekenntniß über den Republicanism aufzustellen, ist wenigstens meine Absicht nicht gewesen; sie war einzig: […] Vertheidigung des Rechts, unter jeder Verfas sung, über jede Verfassung seine Meinung zu sagen.“ (121) Cramer ist sich der hierin liegenden ‚Einschränkung‘ der öffentlichen Verteidigung republikanischer Grundsätze auf die Diskussion aller Regierungsformen deutlich bewusst, denn er verallgemeinert seine Wendung in zwei Behauptungen, die sich dann aber wider sprechen: einmal erklärt er den jeweiligen Verfasser für den „beste[n] Dolmet scher und Einschränker“ „seiner eignen, in Abstracto, allgemein, hingestellten Meinung“ (98); dann sollen es die Leser sein, deren „Urtheil“ der Philosoph die „besondere Modifikation“ seiner „im Allgemeinen“ aufgestellten „Sätze“ „über läßt“ (100). Nicht vorgesehen ist in Cramers Modell der Meinungsbildung die jenige Instanz, die sich in seinem eigenen Fall nicht mit den vorgenommenen Modifikationen begnügte. Obwohl Cramers Argumentation ein Beispiel für das lieferte, was er an den nicht dänisch regierten deutschen Staaten herausstellte:
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ein Schreiben unter dem Damoklesschwert, erreichte er nicht das Ziel, den Ver dacht der Regierung durch Modifikation seiner Grundsätze zu offenen Fragen auszuräumen. In der „Erklärung“ schrieb er, dass in den meisten deutschen Staaten – von denen er bedingt Braunschweig, Oldenburg, Dessau und Baden ausnahm (134) – „selbstdenkende Männer, genöthigt, in Dem was sie schreiben, vor bevorstehendem Märtyrerthum zu zittern, und also nie andre Meinung zu äußern, als die mit der ihrer Obern übereinstimmig wär, – neue Damoclesse! – […] ein […] ungewisse[…]s Schwert der Verdammung über ihren Scheitel blinken“ (48) sehen; das Schwert der dänischen Regierung galt der Volkssouveränität, insofern diese sogar noch in Cramers Modifikationen nicht prinzipiell ausge schlossen war. Im Gegenteil, was die Regierung Cramer als aufrührerisch und die Zeitung als impertinent vorwarf, war, wie Cramer in einer Fußnote zu den „Erläu terungen“ für die Öffentlichkeit formuliert, „der Mangel einer Einschränkung, die zwar nicht ausgedrückt, aber auch nicht abgelehnt wird“ (182). Was sich hin ter dieser kryptischen Formulierung verbirgt, ist der Vorzug der Monarchie vor der Republik. Wenn Cramer in der Fassung von 1795 nicht nur behauptet, durch Stillschweigen zumindest diese Möglichkeit anerkannt zu haben, sondern weiter geht, wird sichtbar, was mit der nun negativ beurteilten „Unbestimmtheit“ seines Bekenntnisses zu republikanischen Grundsätzen in der „Erklärung“ gemeint ist: „hätte ich […] von dem Mangel einer Einschränkung […] diese Folgen als mög lich geglaubt: die Unbestimmtheit [wäre] nicht darin gefunden worden“ (182). Im Widerspruch zu dieser Bereitschaftserklärung zur Modifikation steht es aller dings, dass sich Cramer auf die Veröffentlichung Paines in Dänemark als „immer noch […] sehr beweisend“ (108) beruft; damit macht er seinen eigenen, mit dem Paines in Großbritannien gleichgesetzten Fall zur Prüfung darauf, ob Dänemark ein freies Land sei; für die Bestimmung des Begriffs der freien Regierung bezieht sich Cramer auf Montesquieu, allerdings in einer Weise, die der Wielandschen Beerbung der Demokratie-Kritik entgegengesetzt ist; obwohl Cramer schon in der „Erklärung“ das Montesquieu-Zitat bringt, nennt er bezeichnenderweise erst in der veröffentlichten Version seinen Gewährsmann beim Namen, wenn er erneut zitiert, sowie die Quelle, Erskines Rede auf Paine: „Unter einer freyen Regierung ist es gleichgültig, ob Individua richtig raisonniren, oder deraisonniren; Wahr heit entspringt aus Zusammenstoß, und daraus Freyheit; die in der Sicherheit durch Wirkung des Raisonnements besteht.“ (60) Gerade weil Cramer im Selbstvergleich mit Paine und in der Unterscheidung zwischen seinem Amt – als Lehrer der Jugend – und seiner Rolle als Schriftsteller stärkste „Einschränkungen“ (111) macht und „Grenzen“ (105) zieht, ohne aller dings je auf den Begriff der Bescheidenheit zu verfallen, ist die Verteidigung um so bemerkenswerter, die ihm von Seiten der Universität zuteil wurde. Sie steht nämlich gleichfalls im Zeichen von Cramers Freimütigkeit und verwickelt sich
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in ähnliche Widersprüche wie Cramer, weil genauso von der Trennbarkeit von Grundsätzen als privater Gesinnung einerseits und Handlungen als Gehorsam gegen die Obrigkeit andererseits ausgegangen wird. Die ausdrückliche Verteidi gung von Cramers Recht, „freimüthig [zu] urtheil[en]“ (179), mit dem Hinweis dar auf, dass die Cramerschen „Nachforschungen […] wie jede freye Prüfung, in den dänischen Staaten, nicht gesetzwidrig“ (180) seien, steht zwar nicht im Wider spruch zur Unkenntnis von Cramers Schriften, die die Kieler Professoren für sich reklamieren, aber erstens zu der ‚Verpflichtung‘, die sie für sich beanspruchen, „auf sein hiesiges Privatleben einen Blick zu werfen“ (179),36 und zweitens zu ihrer Kritik an „Eigenschaften seines schriftstellerischen Charakters“ (181–182). Sowohl durch die Frage nach der „Gesinnung“ (180), die sich in den „Handlun gen“ von Cramers „Privatleben“ „verrieth“ (179), als auch durch die Stilkritik an Cramers Schriften wird die grundsätzliche Verteidigung der Freimütigkeit als öffentlicher eingeschränkt, die lautet: „Die glückliche Lage unsers Vaterlandes, kann, bey dem Geiste unsrer Regierung, durch diese [Cramers], wie durch jede freye Prüfung, nicht beeinträchtiget, sie kann nur dadurch gesicherter, allgemei ner verehrt werden.“ (180) Im Widerspruch hierzu steht schon die Beteuerung über den „häuslichen Mann“: „keiner unter uns kann ihn einer Handlung zeihen, die eine pflichtwidrige Gesinnung verriethe“ (179), noch viel mehr aber die Stil kritik, die nun nicht mehr einen Verdacht zurückweist, sondern nährt: Moniert wird „die Lebhaftigkeit seiner Darstellung; die, bey einer regen Phantasie, viel leicht nicht immer genug bestimmte Fassung seines Urtheils; die mehr überströ mende als begränzte und abgemeßne Fülle seiner Ideen“ (181). Der Mangel an Bestimmtheit, Abgrenzung und Maß kehrt wieder in einer Kritik der Schreibart, die auf die fehlende Distanzierung von als ‚aufrührerisch‘ inkriminierten Meinun gen und Gesinnungen geht, dass Cramer nämlich „nicht deutlich genug die Mei nungen Anderer, welche er oft seinen Arbeiten einverleibte, von seinen eignen Bekenntnissen unterschieden habe“ (185). Dass sich der von solcher Kritik einigermaßen empfindlich getroffene Cramer in einer langen Fußnote gegen den Vorwurf mangelnder „Genauigkeit, Begränzt heit, Abgemessenheit“ (183) wiederum mit der Meinung eines ‚anderen‘ beken nend identifiziert, ist nicht weniger bezeichnend als der Autor zweifelhafter Gesinnung, mit dem er sich so in dieselbe „Classe von Schriftstellern“ setzt: Mit Rousseau verteidigt sich Cramer als einer derjenigen, deren Schreibart als „Ver mählung des Lichtes mit der Wärme“ eine „ehrwürdige[…] Menge aus [… dem] Publico“ (183) erreiche.
36 Ihr Sprachgebrauch, dem das zu Gehorsam verpflichtende Amt privat heißt, entspricht dem Kants, vgl. Kant 1965, 3.
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Auch wenn die Kieler Professoren in ihrer Verteidigung Cramers dessen eigene Bereitschaft, die Freimütigkeit, über republikanische Grundsätze öffent lich zu sprechen, zu modifizieren, weiter einschränkten, verdient festgehalten zu werden, dass sie der Sprache der Zensur keinen Vorschub leisteten – weder die Forderung von Bescheidenheit noch die Ablehnung von „der Staatsverfassung zuwiderlaufenden Grundsätze[n]“ (180)37 als aufrührerisch begegnet in dem Text, den u. a. der Mitarbeiter der Berlinischen Monatsschrift Dietrich Hermann Hege wisch unterzeichnete. Von diesem erschien schon im Mai 1792 ein Aufsatz, der den Zorn der preußischen Zensur erregt hatte.38 Unter Hegewischs Ratschlägen „Über die Pflicht der Ergebung, in Zeiten, wann die Wahrheit verfolgt wird“ fehlte nicht nur die Bescheidenheit, sondern sie bestimmten auch die Klugheit näher: als „furchtsame“ (Weber 1986a, 272) nämlich negativ; stattdessen gab Hegewisch einige Ratschläge, denen sowohl das spätere Publikationsverhalten Cramers ent sprach wie die Verteidigungsschrift der Universität, die beide, was die zentralen Sprachregelungen betraf, „der Lüge nie den geringsten Beifall […] zoll[t]en“ (278); Cramer hielt sich mit seinem Manuscript für Freunde gewissermaßen an folgende Maxime Hegewischs: „Wenn wir Freunde finden, welche die Wahrheit noch nicht kennen, aber redlich suchen; so sollen wir sie mit der Wahrheit bekannt machen, mit der ganzen Wahrheit, nur nicht öffentlich. […] man findet tausend Gelegen heiten, Wahrheiten zu lehren, ohne daß es auf öffentlichem Markte oder in gehei men Kammern geschehe.“ (275) Mit der exemparischen Bestrafung des Painesianers Cramer im zensurfreien Dänemark war im Sommer 1794 deutlich, dass die zwischen Markt und Kammern vermittelnde Sphäre des gedruckten Wortes vom Feudalabsolutismus kontrol liert wurde. Dieser Kontrolle konnte sich das handgeschriebene Wort entziehen, aber an zwei Beispielen handschriftlicher Rezeption von Paines Die Rechte des Menschen lassen sich dieselben Probleme zeigen, auf die in der publizistischen Rezeption die Habitualisierung von Bescheidenheit verweist, wie sie in der Neuen Allgemeinen Deutschen Bibliothek (15.1 (1795): 78) schlagend formuliert wurde: „Verdiente […] je eine Schrift aufrührisch genannt zu werden, so ist es diese, und man muß in der That sehr verkehrte Begriffe von Preßfreyheit haben, wenn man durch sie auch diese und ähnliche Schriften rechtfertiget, und für ihre Urheber Ungestraftheit verlangt.“39 Es ließe sich spekulieren, inwiefern die Nicht-Debat
37 So lautete das Urteil der Deutschen Kanzlei. 38 Vgl. Houben 1990, 66. 39 Der Rezensent Georg Schatz führt die „gewagtesten und gefährlichsten Grundsätze“ Paines zurück auf dessen „Muth […], immer weiter zu gehen“, indem er „übertreibt“ und „verhaßt, lächer lich und verächtlich macht“; die Grundsätze werden inhaltlich nur als „förmliche Vorschläge“
10.4 Autobiographische Erinnerungen an ‚Freimut‘ (1794–1795)
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tierbarkeit der Volkssouveränität langfristig zu jener spezifisch deutschen Ent demokratisierung eines Liberalismus beitrug, der, von einer „verstaatlichte[n] Intelligenz“ (Wehler 1987, 210) getragen, sein Ziel „in einer Versöhnung des Bürgers mit dem Staat und nicht in der Mobilisierung der öffentlichen Meinung gegen die bestehende Ordnung“ (Sheehan 1983, 21) sah, oder auch, ob sie einen Teilaspekt der – von Peter Weber (1982b, 169) analysierten – „Kompensation ver hinderten gesellschaftlichen Operierens mit Literatur“ durch Philosophie und Ästhetik bildete. Für Letzteres spricht etwa Körners ‚Überzeugung‘ von „gewissen Grenzen der schriftstellerischen Freiheit“: „nur glaube ich nicht, daß die durch gesetzlichen Zwang, sondern durch Veredlung des Geschmacks bewirkt werden müssen“;40 für Ersteres spricht die Tatsache, dass die ersten deutschen Parteina men, die als solche von den Zeitgenossen gebraucht wurden, „liberal“ und „ser vil“ waren.41 Nicht in den neunziger Jahren, wo niemals die Begriffe konservativ
bestimmt, „die jetzige Verfassung Englands umzuwerfen“ (NADB 15.1 (1795): 78). Entscheidend ist für Schatz: „Aus dem Ton und der ganzen Manier des Vortrags sieht man deutlich, daß P. vor züglich für die untern Volksklassen schrieb, die er gegen die höhern aufzuwiegeln suchte“ (78). Die Rezension wird zu einer Rechtfertigung des Verbots, die allerdings nicht auf die Versicherung verzichtet: „Gründliche Widerlegungen einsichtsvoller und patriotischer Schriftsteller hätten wahrscheinlich, auch ohne Verbote von Seiten der Regierung, das Gift des Paineschen Produkts weit sicherer und besser unschädlich gemacht“ (79) – ohne dass Schatz auch nur den Ansatz zu einer solchen ‚Widerlegung‘ macht, abgesehen von einem „mitleidigen Lächeln“ (79) über Paines Prognose, die der europäischen Aristokratie sieben Jahre gibt. Eine Schwundstufe von Freimütig keit ist in der Bescheidenheit jedoch erkennbar, wenn im Sinne der Diskussionsregeln festgestellt wird, „daß man aber gleichwohl unter vielen falschen und halbwahren Sätzen doch auch manche richtige und treffende Bemerkungen und manche sehr lehrreiche Stelle findet, die den unbe fangenen Leser für die Mühe und Langeweile belohnen, womit er sich durch das übrige sophis tische, unzusammenhängende Räsonnement hindurcharbeiten mußte.“ (79) Schatz rezensierte auch Cramers deutsche Ausgabe von Vollständige Akten des Prozesses […] gegen Thomas Paine, in Betreff einer Schmähschrift (Kopenhagen: Proft 1794); indem er betonte: „Auf den Inhalt […] können wir uns […] nicht einlassen“ (NADB 19.1 (1795): 263), sah er sich keineswegs an Stilkritik zu Cramers kommentierenden Noten – „ganz in […] seiner bekannten Manier“ – gehindert: „zum Glück sind ihrer äußerst wenig, und diese Mäßigung verdient desto mehr Dank, je leichter es ihm geworden wäre, Noten, im Geschmack dieser wenigen, zu hunderten über seine Übersetzung zu streuen. Bey einer offenbaren, kaum einer Rüge werthen, plumpen Verdrehung einiger Worte von Paine durch den Generalfiscal ruft Hr. C. aus: ‚der hämische Hund! er stellt sich, als ob er Paine nicht verstünde,‘ usw.“ (264). 40 Brief an Schiller vom 2. März 1792, zitiert von Weber 1982b, 169. 41 Vgl. Ludwig Börnes „Die Zeitung der freien Stadt Frankfurt (1819)“ in Börne 1964, Bd. 1, 688; Karl August Varnhagen von Enses „Gesandtschaftsbericht an den preußischen König Friedrich Wilhelm II. vom 7. 9. 1818“ in Varnhagen von Ense 1984, 63. Varnhagen ist ein Beispiel für den von Hans-Ulrich Wehler als Beginn der Parteibildung behandelten „Beamtenliberalismus“: „Im Hinblick auf die modernen politischen Strömungen des 19. Jahrhunderts tauchte der Beamtenli
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oder liberal als Parteibezeichnungen auftauchen, sondern im zweiten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Rede von Parteien fest; doch unter schieden wurden nur zwei: Einer erneuerten Freimütigkeit stellte sich die bis herige Bescheidenheit nun als Servilität dar. Ein früher Beleg für diese Zweiheit der Parteien stammt von Daniel Jenisch, dem Goethe „Literarischen Sansculot tismus“ vorgeworfen hat; in Jenischs 1800 erschienenem Geist und Charakter des achtzehnten Jahrhunderts heißt es im Abschnitt „Publicität oder Oeffentlichkeit der Beurtheilung aller herrschenden Mißbräuche des Staats und aller Maaßre geln der Staatsbeamten durch den Druck“: Vermittelst dieser […] bilden sich daher, in allen Europäischen Staaten, über jeden zur Sprache gebrachten Gegenstand, wie in Brittannien eine Ministerial- und eine OpposizionsPartey, zwey entgegengesetzte Partheyen, eine von Vertheidigern des Neuen, und eine von Vertheidigern des Alten, Fürsprecher der Fürsten und ihrer Diener von der einen, Fürspre cher des Volks von der andern Seite: aus beyden entgegengesetzten Partheyen zusammen erhebt sich eine Art von Tribunal der Wahrheit und des Interesse der Menschheit (Jenisch 1996, 83).
Angesichts dieser Unterscheidung überrascht nicht, dass Jenischs Darstellung der Wirkung der Französischen Revolution einen Schriftsteller hervorhebt, des sen Kühnheit erstaunt habe: „Es erschienen Schriften, wie die Paynischen, voller Grundsätze, wie sie kaum der kühnste Geist zu denken, geschweige dann zu sagen gewagt hatte. Man schien sich nur darüber zu verwundern, daß man über gewisse Dinge so lange und so tief hatte im Schlummer begraben seyn können.“ (88) Statt also die Fragen der langfristigen Wirkung, sei es des Schlummers, sei es der Kunstperiode, zu bedenken, möchte ich mit zwei handschriftlichen Zeugnis sen der Paine-Rezeption aus den frühen neunziger Jahren schließen, die Valja vecs These belegen, dass drei Probleme auch vor denen standen, die sich von der Wahrheit der politischen Gleichheit aller Bürger überzeugen ließen: die Selbst darstellung des Absolutismus als aufgeklärt, seine Kontrolle über die Sphäre öffentlicher Kommunikation und die Frage des Adressaten.42
beralismus als klar profilierte Erscheinung zuerst auf, der Beamtenkonservativismus stellte […] eine Reaktion dar.“ (Wehler 1987, Bd. 2, 313) 42 Valjavec 1978, 183–184, unterscheidet anhand dieser drei Momente drei Gruppen innerhalb der demokratischen Bewegung. Er ist sich aber der Schwierigkeit der Abgrenzung ebenso be wusst wie der Tatsache, dass überdies noch dieses „Lager“ und das als liberal abgegrenzte „in einander übergreifen“ (183).
10.5 Zwei Beispiele handschriftlicher Rezeption von Paine
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10.5 Zwei Beispiele handschriftlicher Rezeption von Paine Andreas Riedel schrieb seinem ehemaligen Zögling, dem nunmehrigen Kaiser Leopold II., ein Zitat aus Paines Die Rechte des Menschen in seinen „Entwurf einer Proklamation über die Gewährung einer Verfasssung für die Länder der Habsburger Monarchie“, wenn er empfahl, „der Nazion einen unsterblichen Gesetzgeber zu verschaffen, den wir nirgends anderst als in der unsterblichen Majestät des Volkes anzutreffen wissen, das ist in dem vereinigten Körper der ganzen Nazion, welche nie zu jung oder zu alt seyn kann, um die Anstalten nicht zu verfehlen, die ihr eigenes Wohl erheischet, die keinen Krankheiten unterlie gen und nie von dem Schauplatz ihres eigenen Daseyns abtretten kann“.43 Es ist dieselbe Passage aus Paine, mit der wenige Monate später Georg Wedekind den Mainzer Bürgern, die am 25. Dezember 1792 in den Jakobinerklub kamen, die Vernünftigkeit der repräsentativen Demokratie klarzumachen suchte. Während Riedel Paines Absage an die Monarchie nach dem englischen Original deutsch paraphrasiert, zitiert Wedekind, mit drei kleinen Abweichungen, wörtlich Meta Forkels von Forster vermittelte Übersetzung, wenn er erklärt: Sehr schön sagt Paine von der repräsentativen Demokratie: „Dasjenige, was Regierung genannt wird oder vielmehr was wir uns unter Regierung denken sollten, ist nichts weiter als ein gemeinschaftlicher Mittelpunkt, in dem alle Teile der Gesellschaft sich vereinigen. Dieses kann durch kein Mittel erreicht werden, welches alle die verschiedenen Vorteile des gemeinen Wesens so würksam beförderte als das repräsentative System. Es konzentriert44 in der Versammlung der Volksdeputierten die zum Besten der Teile und des Ganzen not wendige Kenntnis. Es setzt die Regierung in einen Zustand fortdauernder45 Reife, ist46 nie mals jung, niemals alt, ist weder der Unreife noch der Gebrechlichkeit unterworfen, nie in der Wiege noch auf Krücken. Es läßt keine Absonderung zwischen Kenntnis und Macht zu und ist, wie die Regierung immer sein sollte, über alle Zufälle des einzelnen Menschen und folglich über das, was Monarchie genannt wird, erhaben. (Scheel 1975, Bd. 1, 435)
Riedel47 folgte Paines Theorie repräsentativer Demokratie auch, als er die Hoff nung auf die Aufklärung des absoluten Herrn aufgegeben hatte; sein Aufruf zu
43 Gedruckt nach dem HHStA Wien in Valjevec 1978, 459. Der undatierte Text kann also nicht schon 1790 entstanden sein, wie der Herausgeber nicht ausschließt, der „1790/91“ vermutet. 44 Die folgenden fünf Wörter hat Wedekind aus dem Kontext eingefügt, vielleicht der besseren Verständlichkeit wegen, vgl. Forkels Text: Paine 1973, 215–216. 45 Bei Forkel steht: „andauernder“, Paine 1973, 216. 46 Wedekind lässt weg: „wie wir schon bemerkt haben“, Paine 1973, 216. 47 In Riedels Paraphrase ging, wie das Bild vom Schauplatz zeigt, noch eine – kurz auf das von Wedekind gewählte Zitat folgende – Stelle aus Paines Text (1973, 217) ein, wo die repräsentative
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einer Revolution am 4. November 1792 im Zeichen „der politischen Gleichheit“48 wurde auf handgeschriebenen Anschlägen recht weit verbreitet. Wenige Wochen später trat ein ehemaliger regelmäßiger Besucher von Bahrdts Hallenser Gastwirtschaft, der Jura-Student Ferdinand Beneke aus Ham burg, sein Referendariat im preußischen Minden an. Ein begeisterter Leser Pai nes – wie der Reden der Pariser Jakobiner – erfährt Beneke seinem Tagebuch zufolge sein Leben zunehmend als „aufs höchste getrieben[e]“ „Bizarrerie“; notiert er am 5. März: „Indem ich mich insgeheim bemühe ein biederer Repub likaner, ein glückl. Demokrat zu werden, so lasse ich mich publice aus einem Weltbürger zu Königl. Bedienten machen“, so am 11. April: „als freyer Mann stehe ich auf, als Königl. Sklave lege ich mich nieder“.49 Das Ende von Benekes Doppel leben beginnt damit, dass der an Bahrdt wie Paine geschulte Deist in St. Martini zum Abendmahl geht: „Meine Veranlassung sind der Wunsch meines Vaters, u. das Urtheil des hiesigen orthodoxen Publikums“ (Valjavec 1978, 448). Die Ritu ale und Praxen des preußischen Beamtenalltags haben auf den Republikanis mus Benekes jenen Effekt, den Louis Althusser mit einem Zitat aus Pascal als ideologischen beschrieben hat: „Knie nieder, bewege die Lippen zum Gebet, und Du wirst glauben.“ (Althusser 1977, 138) Je mehr Beneke sich unterwirft, um so heftiger kritisiert er in seinem Tagebuch den Deismus als eine Philosophie der Unfreiheit, die den Menschen „erniedrige“ (Valjavec 1978, 448), und den Repu blikanismus als „inhumanen Vernunftfanatismus“, der von der „Verbrüderung“ mit den Mitmenschen abhalte (451). Nicht umsonst war wohl Wieland über das Bild des knienden Beamten – bei Forster – so erbittert;50 es findet sich aber in einer bezeichenderweise freundlicheren Variante auch bei Cramer: Für Cramer war es nämlich nur die „noch unaufgeklärte[…] Menge […], die […] vor Hirnge spinsten von unnatürlichen Verhältnissen kniet, die die Praxis des denkenden Staatsmannes so gut als die Theorie des erörternden Weltweisen verwirft“ (1795, 138). Eben diesen Bund von Staatsmann und Weltweisem brachte aber Schlözers Allgemeines Staatsrecht auf eine von Hennings zustimmend zitierte Formel der
Demokratie von der Monarchie als einer „Szene beständiger Kabale und Hofintrige“ abgegrenzt wird: „Bei dem repräsentativen Regierungssystem kann nichts von dem allen geschehen. Gleich der Nation selbst steht es in immerwährender Blüte der Seele und des Körpers und zeigt sich frei und männlich auf dem Schauplatz der Welt.“ 48 Riedels „Aufruf an alle Deutsche zu einem antiaristokratischen Gleichheitsbund“ in Valjevec 1978, 505–516, hier 506. 49 „Tagebuch des Hamburger Oberaltensekretärs Ferdinand Beneke“ in Valjavec 1978, 437–454, hier 445. 50 Vgl. oben die Kommentierung von Wielands „Betrachtungen“ (1797, Bd. 29, 405).
10.5 Zwei Beispiele handschriftlicher Rezeption von Paine
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‚Devotion‘: „‚Im devotesten Vertrauen auf deutschen Menschenverstand […] läßt sich in Deutschland alles, was geschehn muß, bloß von sachten Reformationen, ohne Revolution über kurz oder lang sicher erwarten.‘“ (Annalen der leidenden Menschheit 6 (1799): 111)51
51 Vgl. hierzu als „kühne[r] Behauptung“ schon Hartung 1955, 41.
11 Georg Forsters Verabschiedung vom Stereotyp ‚polnische Wirtschaft‘ Georg Forster wurde 1754 im polnischen Preußen geboren, sprach mehr als ein Jahrzehnt Englisch als erste Sprache und musste Deutsch erst wieder lernen, um 1777 seine Voyage round the World – die Beschreibung der Zweiten Reise von James Cook – zu übersetzen, und starb schließlich als Bürger der französischen Republik, als Anhänger des robespierristischen jakobinischen Zentrums. Seine Texte erlauben, die in der Forschung dominierende Unterscheidung zwischem einem objektiven und einem subjektiven (Alter 1985, 21), einem substantiellen und einem voluntaristischen (Maus 1994, 602), einem ‚mittel- bzw. osteuropäi schen‘ und einem ‚westlichen‘ (Thadden 1991, 498–499) Nationsbegriff in Frage zu stellen (vgl. Kapitel 6).1 Einer der ‚Väter‘ dieser Unterscheidung, Hans Kohn, hat Forsters Stellung auf die Formel eines naiven Kosmopolitismus gebracht: „His cosmopolitan enthusiasm for human freedom misunderstood both the nature of the French Revolution and the mentality of his fellow Germans.“ (Kohn 1967, 135)2 Forster hat – wovon bisherige Begriffsgeschichten schweigen, die Her ders isolierter Rede von „Nationalism“ (Herder 1969, Bd. 2, 109) in der Bückebur ger Geschichtsphilosophie die zeitliche Priorität zusprechen (Alter 1985, 12) –3 in seiner Vorrede zur Übersetzung von Thomas Paines The Rights of Man – einer Theorie der Volkssouveränität in der repäsentativen Demokratie – das deutsche Wort „Nationalismus“ ausdrücklich als einen Neologismus geprägt: „wenn wir einen solchen Ausdruck wagen dürfen“ (Paine 1973, 35), und er hat, wie Hubert Orlowski nachgewiesen hat, dem deutschen Nationalismus des neunzehn ten und zwanzigsten Jahrhunderts das Stereotyp von „polnischer Wirthschaft“ (AA XIV, 225, 232, 267, 665) geprägt (Orlowski 1996, 48). Die von Orlowski zitierte Formel des Historikers Hartmut Boockmann von einer rezeptionsgeschichtli chen Wendung der Sozialkritik in Nationalismus (61) scheint mir allerdings die Widersprüche allzu einfach historisierend aufzulösen, denn sie verhüllt, dass es
1 Zur grundsätzlichen Problematisierung dieser Unterscheidung vgl. Eisenstadt 1991 und Ben habib 1999. 2 Vgl. die ähnliche, aber anders wertende Einschätzung bei Gilli 1983, 53: „Das Wohl des Va terlandes bedeutet […] für die rheinischen Jakobiner die Befreiung von dem Feudalsystem, den Sturz des Despotismus, die Volkssouveränität. […] Für sie ist der Sturz des Feudalismus wichtiger als der Nationalismus.“ Garber 1988a, 121, deutet Forsters „Parisische Umrisse“: „Damit werden nationenvergleichende Geschichtskonstruktionen für den ‚Menschheitsrevolutionär‘ Forster ge genstandslos.“ Gegen diese These vgl. Morgan 1992 sowie Kapitel 13. 3 Vgl. Koselleck 1997, 399; Dierse/Rath 1984, 410. DOI: 10.1515/9783110343878-015
11 Forsters Verabschiedung vom Stereotyp ‚polnische Wirtschaft‘
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gerade Demokraten und Liberale des Vor- und Nachmärz – also Sozialkritiker – waren, die sich seit der Veröffentlichung von Forsters Briefen aus Polen, 1829 (durch Therese Huber), 1844 (durch Rudolph Wagner) und 1877 (durch Hermann Hettner), auf Forsters Autorisierung des Stereotyps beriefen, um mit ‚polnischer Wirtschaft‘ – so der Jungdeutsche Heinrich Laube – die Un-„Möglichkeit eines polnischen Staates“ zu begründen (Stasiewski 1941, 210). Der schwäbische 48er Revolutionär Hermann Kurz hob 1867 in seinem Forster-Porträt (innerhalb der Reihe Deutsche Dichter und Prosaisten nach ihrem Leben und Wirken geschildert) hervor: „Die Briefe, welche er von hier [Wilna] aus schrieb und welche theil weise in seinem von seiner Witwe herausgegebenen Briefwechsel, theilweise in Sömmerings Leben abgedruckt stehen, sind von dem höchsten allgemeinen Interesse, denn sie schildern im Bilde der Hochschule und des geselligen Lebens der Stadt die ganze ‚polnische Wirthschaft‘ des untergehenden Staates.“ (Kurz 1867, 285–286) Das einzige Forster-Zitat, das der nationalliberale Historiker Alf red Dove in seinem zehn Quartseiten langen Forster-Artikel in der ADB lieferte, stammte aus den Briefen aus Wilna: „in der ganzen Gesellschaft, wie sie am Rande des politischen Unterganges dahinlebte, erblickte F. nur ‚französischen Luxus auf sarmatische Thierheit gepfropft‘“ (Dove 1878, 177). Und noch ein Arti kel in der Gartenlaube, der – aus der Feder von Rudolf Gottschall – schon im Titel den „Vaterlandsverräter“ Forster verdammte, zitierte zweimal breit aus Therese Hubers Briefpublikation über „ein[…] Land[…], wo durchweg ‚polnische Wirt schaft‘ herrschte“ (Gottschall 1904, 871). Die Forster-Stelle, der Orlowski (1996, 62) eine rezeptionsgeschichtlich „zent rale“ Bedeutung zuschreibt,4 findet sich allerdings nicht in den Briefen,5 sondern in einer reflexiven Passage der Ansichten vom Niederrhein, jenes Forsterschen „Meisterwerk[s]“ – so der einzige wilhelminische Germanistik-Ordinarius jüdi scher Herkunft, R. M. Meyer, 1890 in der liberalen Vossischen Zeitung –, das auch im Kaiserreich noch weithin als kanonisch galt: als „ethnologische Physiogno mik“, als „Erfassung der verborgenen Volksseele“ „aus dem Gesammteindruck der Gegend“ (Meyer 1890); das von Orlowski als zentral eingeschätzte Zitat lautet:
4 Sie steht programmatisch am Ende von Stasiewski 1941, 216. 5 Sauerland 2004 wirft Salmonowicz 1988 und Orlowski 1996 vor, den nicht-öffentlichen Cha rakter der Briefe zu ignorieren. Er bezieht sich auf Schultz’ polnisch 1999 (vgl. Schultz 2007) publizierte Kritik an Orlowski (den er nicht nachweist), während er (den nachgewiesenen) Sal monowicz dafür lobt, dass er „sich immerhin größte Mühe gibt, Forster nicht in Bausch und Bogen zu verurteilen“ (Sauerland 2004, 71). Zwei Jahre später verschärft Sauerland die Kritik an Orlowski zu dem Vorwurf, dieser sei der „Meinung, dass der Polenhass den Deutschen genetisch mitgegeben ist“ (Sauerland 2006, 615).
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Unter allen Nationen in Europa haben die Polen allein die Unwissenheit und Barbarei so weit getrieben, in ihren Leibeigenen beinahe die letzte Spur der Denkkraft zu vertilgen; dafür aber tragen sie selbst die härteste Strafe, theils indem der viehische Unterthan ihnen kaum den zehnten Theil der Einkünfte liefert, den der freiere, glücklichere, vernünftige Bauer ihnen eintragen würde, theils weil sie selbst ohne alle Unterstützung und Beihülfe von der unterjochten Volksklasse, durch ihre Ohnmacht der Spott und das Spiel aller ihrer Nachbarn geworden sind. (AA IX, 122)6
Hans-Joachim Althaus hat 1997 eine rechtfertigende7 psychologische Erklärung von Forsters Polen-Bild vorgelegt, die ein ‚radikal subjektives‘, „personal[es]“ Verhältnis annimmt (Althaus 1997, 88),8 wo Orlowski ein Staatlichkeit und Habi tus in Polen (Orlowski 1996, 59) verbindendes Stereotyp ausgemacht hat. Die psy chologische Deutung übersieht das im Zitat klar angesprochene Verhältnis von sozialer und politischer ‚Unterjochung‘ im Inneren und ‚Ohnmacht‘ gegenüber äußerer Bedrohung der Unabhängigkeit und damit das, was Reinhart Koselleck als den „erstaunliche[n] Befund der […] Begriffsgeschichten“ von Nation „quer durch die Sprachen“ formuliert: „strukturelle Merkmale der Wortverwendung“ sind „die Opposition von oben und unten“ und die „von innen und außen“ (Koselleck 1997, 144). Koselleck hat nun Forster zum Repräsentanten der „republikanischen-uni versalistischen Version“ der Begriffe Volk und Nation erklärt, die „in Deutschland keinerlei Durchsetzungschance“ gehabt hätte, „weil die politischen Vorausset zungen dafür nicht gegeben waren“ (327). Kosellecks bedauernder Schlusssatz: „Als gleichsam abgeschnittene Alternative bleibt sie dennoch wichtig“ (327), scheint mir selbst dann noch zutreffend, wenn an Forsters Polen-Bild und damit am Stereotyp von ‚polnischer Wirthschaft‘ die innere Widersprüchlichkeit von Forsters Konzeptualisierung der Nation und in ihr eine reale Gefährdung von Freiheit und Gleichheit anerkannt wird. Deshalb möchte ich gewissermaßen den
6 Vgl. aber die recht ähnliche Einschätzung der Revolution von 1794 durch Bergeron 1969, 124– 125; er betont, dass die Jakobiner die Bauern nicht gegen die Interventen mobilisieren konnten, weil sie die nationale Einheit nicht brechen wollten, dass aber nur in der Verbindung von Unab hängigkeit und egalitärer Republik ein möglicher Erfolg gelegen hätte. 7 Vgl. Orlowski 1999, 125–126. 8 Fagot, der zunächst (2004, 261) ohne jeden Beleg von Forster behauptet: „Briefe, die er in Wilna verfasst, erinnern an andere Briefe, die er in anderen Städten schreibt, in denen er sich für eine längere Zeit aufhält“, und sie als Beleg für „Forsters Schwierigkeit, seinen Platz in der Welt zu finden“ nimmt, weil er in Forster „einen ewig Reisenden“ sieht, „der in der Bewegung eine Zuflucht vor dem Unbehagen der Sesshaftigkeit sucht“, wertet dann (2006, 610) die Briefe einerseits als in Gegensatz zu Forsters Wissenschaft stehende private Meinung, andererseits als politisch gefährlich.
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Kompromiss aussschlagen, den Orlowski Althaus anbietet, sich nämlich darauf zu einigen, „daß Forsters Äußerungen ‚sich nicht in einem Stereotypenkonzept interpretieren [lassen], das auf der Existenz des modernen Nationalstaats basiert, wie er sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hat‘“ (Orlowski 1999, 126). Statt dessen scheinen mir Forsters Texte aus den achtziger und frühen neunziger Jah ren gerade zu belegen, dass schon vor der Konstitution des Nationalstaats um die Regeln des Ein- und Ausschlusses gestritten wird: Wenn das Volk souverän wird, ist die Frage, wer das Volk ist, bereits beantwortet.9 Auch für den egalitären Universalismus, das Erbe des Französischen Revolution, gilt, wie Immanuel Wal lerstein formulierte: „if everyone is to be included in a group, someone has first to decide who constitutes this group. […] The concept of the ‚citizen‘ […] exclu des every bit as much as it includes, and in the two centuries since the French Revolution the exclusionary thrust of citizenship has been as important as its inclusionary thrust.“ (Wallerstein 2000, 13) Das zeigen die Spannungen zwischen der Nation der ‚citizen‘ und dem Volk auf einer Stufe der Kultur in den Texten Forsters. Ich möchte zeigen, dass erst der revolutionäre Demokrat Forster mit der prinzipiellen Anerkennung der Volkssouveränität die Naturalisierung von Herr schaftsverhältnissen – wie sie das Stereotyp leistet – überwindet und deshalb die Verschleifung von Verfassung und Nationalcharakter im Bild von ‚polnischer Wirtschaft‘ verabschiedet. Das Stereotyp erweist sich als gebunden an die Sicht nicht nur von außen, sondern auch von oben: das demokratische Prinzip der Volkssouveränität dagegen meint die Befreiung von sowohl innerer als äußerer Herrschaft. Forsters letztes Wort zu Polen unterstreicht, dass Volkssouveränität und Unabhängigkeit zusammengehören; am 19. Mai 1793 schreibt er aus Paris:10
9 Vgl. Lepsius 1993, 196, zum Problem, dass der Träger der Legitimationsquelle Volkssouveräni tät bestimmt werden müsse. 10 Schultz interpretiert Forsters Briefe aus Paris als „Ausweg“: „Damit stand er dem Mainstream des aufgeklärten Polendiskurses nicht mehr so fern“ (2007, 51), insbesondere dem seit 1791. Aber diese Nähe qualifiziert sie durch zwei unzutreffende Voraussetzungen zu Forster, erstens: „Der Illusion des aufgeklärten Absolutismus hing er zu keinem Zeitpunkt an“ (49), zweitens: sein „Kosmopolitismus mit seinem westlichen Emanzipationsmodell war vielleicht eine Falle, in die radikale und gemäßigte Aufklärer gleichermaßen tappten. Doch der kulturkritische Relati vismus Rousseaus, der zur Konservierung der sarmatischen Tradition riet, war es nicht weni ger.“ (52) Kozielek, der Forsters Tagebücher nur erwähnt, weil sie „Ergänzungen“ „enthalten“ (1990, 112), weist an zwischen 1779 und 1795 publizierten deutschen Reisebeschreibungen eine überwiegend positive Darstellung des „Polen[s] Stanislaus August Poniatowskis“ nach. Sein Be fund entspricht letztlich dem von Struck (2009, 317), dass der „Reformprozess“ „durchgehend begrüßt“ worden sei. Struck übt eine methodologische Kritik an Orlowski, weil in den Texten das angeblich den Diskurs prägende Stereotyp fehle. Gegen die bisherige Behandlung der Reise
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11 Georg Forsters Verabschiedung vom Stereotyp ‚polnische Wirtschaft‘
[…] mit drei sehr wackern Polen, die ich hier fand: Sulkowsky, Maiszewsky und Nagorsky, die mich sehr liebhaben, komme ich öfters zusammen und suche dann mein bischen Pol nisch hervor. Alle diese Leute knirschen über den schändlichen Theilungstractat, wobei man so unverschämt gewesen ist, nicht einmal einen Vorwand zu brauchen, kein elendes Deckmäntelchen, sondern geradezu zu sagen: wir nehmen, weil wir können und dürfen. […] Niemand in ganz Polen ist zufrieden, sie sehen ihre Fehler ein, und Alles reift dort zu einer Revolution, sobald nur die Lage der Sachen in Europa dazu Gelegenheit geben wird. (AA XVII, 358–359)11
Das Gegenzitat hierzu vom vorrevolutionären Forster, der auf Fürsten-Aufklärung von oben setzt, lautet: Aus den Bären Menschen zu schaffen, dazu gehört weder die Feder noch die Zunge. Die Natur geht stufenweise zu Werk, und Peter glaube ich, hatte das Ding beym rechten Zip fel gefaßt, als er seine Bären vorerst durch die Knute und Ukasen zu Hunden umbildete; seine große Nachfolgerin hat noch ein viel zu weiches Herz, um ihnen den thierischen – Schwanz, mit Stumpf und Stiel zu benehmen. (AA XIV, 574)
Zugespitzt gesagt: das Scheitern mit einem Projekt der Aufklärung von oben – „die augenscheinliche Gewißheit, daß man keinesweges im Sinn habe, die Nation auf zuklären“ (518) – führt zu einer Naturalisierung der Bedingungen des Scheiterns, die im Stereotyp den Begriff der Nation ethnisch-kulturalistisch an die Unverän derbarkeit der politischen Verfassung binden: „Ich kann eine ganze Nation nicht umschaffen, deren größte unheilbarste Schäden in ihrer abscheulichen Staats verfassung liegen“ (426). Statt der Bilder von Feder und Zunge benutzt Forster an anderer Stelle solche, die die Bindung der Aufklärung an Gewalt von oben gewis sermaßen unverblümt aussprechen, um die Stufe der Kultur in Polen zu bezeich nen: „Scheermesser sind nicht gemacht, um damit Klötze zu schnitzen.“ (590) Ganz ähnlich: „Um Köpfe aus dem Groben zu schnitzen, braucht man nur Hack
beschreibungen einzelner Autoren „vor allem im Kontext von Fremdbildern, Diskursgeschichte und Stereotypen“ (299) betont Struck im Sinne der Transferforschung, „[d]ass die Berichte über Polen und den Reformprozess den Entwicklungsbedürfnissen der deutschen Territorialstaaten entsprachen“, weshalb der mit der Verfassung von 1791 erreichte „Höhepunkt“ des Reformpro zesses mit „den Vorgängen in Frankreich seit 1789“ „in Beziehung gesetzt werden“ konnte (315). Struck will Orlowskis Stereotypen-diskursgeschichtliches „Bild eines einseitigen oder primär negativen deutschen Polen-Diskurses ergänzen und partiell korrigieren“, insbesondere die An nahme „eine[s] linearen, teleologisch anmutenden Verlauf[s] eines negativen deutschen Polen diskurses, der vom 18. bis ins 20. Jahrhundert wenig Spielraum für Abweichungen, Dynamiken und Widersprüchlichkeiten erlaubt“. (320) 11 In der Akademie-Ausgabe sind die drei Namen nicht einmal als nicht ermittelt aufgelistet: AA XVII, 722.
11.1 Scheitern mit einem Projekt der Aufklärung ‚von oben‘
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messer, und ein Scheermesser ginge darauf zu Grunde.“ (620) Oder auch ironisch über „Polen […], wo man aus dem Bauer einen Künstler machen kann; versteht sich, mit Hülfe des allmächtigen Prügels.“ (639) Nur scheinbar ironisch heißt es einmal, wenn sich eine Büchersendung aus Königsberg um 14 Tage verspätet: „Es ist doch fürwahr als ob ein Gott die Aufklärung in Polen verböte […]!“ (632)
11.1 Scheitern mit einem Projekt der Aufklärung ‚von oben‘ Die Briefe und Tagebucheintragungen Forsters auf seiner Reise von Göttin gen über Krakau, Warschau, Grodno nach Wilna zeigen, wie er die an ihn gesprächsweise herangetragenen Einschätzungen der Stufe der Kultur in Polen bzw. Litauen – „wie es da zu gehen pflege“ (92) – solange zurückweist, wie er sich – durchaus auch „utopisch“ (43) genannte – Hoffnungen auf eine prakti sche, nützliche Wirksamkeit macht, als Professor für Naturgeschichte „Verbes serungen“ in die „polnische Landwirthschaft“ „einzuführen“ (26): „Vorstellung […] von Bürgerpflicht“ (43) meint solche „von Gemeinnützigkeit, von Einfluß auf Menschenbildung, von Aussaat und Hervorgrünen wissenschaftlicher Cul tur unter einem fremden Himmel“ (45) – diesen Himmel lässt er in Bildern von Wäldern (21) und Bären (21, 28, 37) im Allgemeinen einer „Terra[…] incognita[…]“ (23), und sich selbst lässt er von Erzählungen „nicht anfechten“ (67) oder „bange“ „mache[n]“ (91) in der Maxime, „von allem nicht wohl eher [zu] urtheilen, bis ich zur Stelle bin“ (67). Noch bevor er zur Stelle ist, begegnet der Reisende denjenigen, in denen er die Bedingungen seiner Wirksamkeit verkörpert sieht: vor allem dem Primas und Bruder des Königs, Michael Jerzy Poniatowski, als dem „Mann, der den meisten guten Willen hat, die Wissenschaften in diesem Lande empor zu bringen, auch die Mittel in die Hände bekommt, es thun zu können“ (196), und dem Neffen des Königs, dem litauischen Großschatzmeister Stanislaus Poniatowski, der „sehr vernünftig von der Aufklärung in Polen“ spricht: „es gienge nicht so geschwind, man müsse z. B. nicht deutsche Landwirthschaft auf einmal in ein so verschiede nes Land, wie Polen von Deutschland ist, einführen wollen“ (113). Obwohl auch der Primas dem Reisenden „zu bedenken“ gibt, „daß alles noch im Werden sey“ (208), bleibt die in den Warschauer und Grodnoer Begegnungen etablierte Optik bestimmend für das Anreisetagebuch und die Briefe bis zur Ausreise drei Jahre später: Ob oben ‚Wille‘ und ‚Mittel‘ zur Unterstützung des von außen gekomme nen Trägers der Aufklärung gegeben seien, ist der entscheidende Gesichtspunkt, dem alle Wahrnehmungen zu bloßem Material der Bestätigung werden. Die Enttäuschung konkreter Erwartungen – den botanischen Garten, das Naturalienkabinett und die Fonds der Professur betreffend – führt zum bisher
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11 Georg Forsters Verabschiedung vom Stereotyp ‚polnische Wirtschaft‘
scheinbar aufgeschobenen Urteil, zum Rückgriff aufs Stereotyp, das die zusam menfassende Deutung der verschiedensten Reisewahrnehmungen erlaubt. Dass vorher die negative Wertung nur scheinbar aufgeschoben wird, zeigt sich an den Substantiven, die Forster synonym für ‚meine polnische Reise‘ zu benut zen beginnt: „das Abentheuer in Polen“ (95), die „kritische[…] Lage der Sache in Polen“ (80), „wie dunkel es mit meinem Glück in Polen noch aussieht“ (76). In einem Brief an seinen Verleger Johann Karl Philipp Spener vom 7. Dezember 1784 benutzt Forster dann erstmals den Begriff polnische Wirtschaft; die Enttäuschung begründet die Unverwischbarkeit der Eindrücke (224), das Stereotyp liefert in der Stufe der Kultur die Erklärung dafür, dass „keine Aussicht zur künftigen Besse rung“ (491) bestehe: „daß ich ohne einen Zutritt von glücklichen Begebenheiten, die alle jetzigen Eindrücke wieder verwischen, […] nicht leicht [zufrieden] zu werden hoffe, ist gleich die Einleitung und der Schlüßel zu allem“ (224), beginnt der Bericht, und er endet: Von der polnischen Wirthschaft, von der unbeschreiblichen Unreinlichkeit, Faulheit, Besof fenheit und Untauglichkeit aller Dienstboten, von der ungeheuren Theuerung aller Sachen, […] von der Insolenz der Handwerker, ihrer über alle Beschreibung elenden Arbeit, endlich von der Zufriedenheit der Polaken mit ihrem eigenen Misthaufen, und ihrer Anhänglichkeit an ihren Vaterländischen Sitten, will ich weiter nichts sagen, damit der Brief nicht zu lang wird.“ (225)
11.2 Rückgriff auf das Stereotyp: Unreinigkeit, Langsamkeit und Dummheit Der Rückgriff auf das Stereotyp – das auf einen Blick das Ganze zu erkennen ver meinen lässt: „Mit einemmal sah ich hier also Polen in seinem ganzen Lustre“ (AA XII, 145) – erfolgt auch an anderer Stelle in der Form eines Unsagbarkeits topos, der die Unabschließbarkeit der Reihung bestätigender Beispiele sugge riert: „Doch ganze Bogen reichen nicht zu, um Ihnen einen Begriff von dem zu geben, was in den angrenzenden Gegenden Deutschlands, mit einem emphati schen Ausdruck, polnische Wirthschaft genannt wird.“ (AA XIV, 267)12 Zugleich erfolgt dieser Rückgriff jedoch bezeichnenderweise sehr oft im vorweggenomme nen Einverständnis (etwa an Lichtenberg (491): „Sie würden […] reichlichen Stoff zum Lachen finden“) mit dem jeweiligen Briefadressaten: „überhaupt ist Dreck, wie Du wohl weißt, der Polen Element“ (200). Das hier – gegenüber Samuel Tho
12 Vgl. AA XIV, 343, 493.
11.2 Rückgriff auf das Stereotyp: Unreinigkeit, Langsamkeit und Dummheit
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mas Sömmering – hervorgehobene Element des Stereotyps ist dasjenige, das mit den stärksten emotionalen Wertungen und am häufigsten in Briefen und Tage buch begegnet, weil es soziale Unterschiede einebnet und damit den durchgängi gen Tiervergleich erlaubt: „Die Polen sind Schweine von Haus aus, so Herren als Diener; […] putzen sie sich, so sitzt es wie der Sau das güldene Halsband.“ (236) Und ebenso mehr als zwei Jahre später fast wörtlich genauso: „[…] der Pole, selbst der Vornehme, […] ist ein Schwein von Hause aus und bleibt es, selbst wenn er im Gelde bis über die Ohren sitzt“ (655). Die Fixierung der Kulturstufe liegt der allgegenwärtigen Rede von der „besti alischen Nation“ (465) zugrunde; die polnische Bevölkerung wird dem Brief- und Tagebuchschreiber zu „Thieren in Menschengestalt“ (253) oder „zweifüßigen Thieren“ (460). Dem walisischen Naturwissenschaftler Thomas Pennant schreibt Forster: „the two legged creatures of these miserable regions scarce lay claim to the common sentiments of humanity“ (643–644); nur scheinbar beiläufig kenn zeichnet er seine Universität als „schweinische[…] Anstalt“ (338). Die drei Elemente des Stereotyps – Unreinigkeit, Langsamkeit und Dumm heit – eignen sich zu metonymischen Charakterisierungen des Landes und seiner Bevölkerung zugleich: Polen erscheint so explizit erstens als die „Regionen der Unreinigkeit“ (AA XII, 197), zweitens als das „Land[…] der Trägheit und der ewi gen Indolenz“ (AA XIV, 428) und drittens als das „Land der Dummköpfe, und des versauerten Menschenverstandes“ (395). Entgegen der These von Althaus, dass das Stereotyp polnische Wirtschaft nur die Kehrseite eines deutschen Autostereotyps sei, belegen die Briefe und Tagebucheintragungen, dass für das erste Element Großbritannien – als England auftretend – und die Niederlande den Maßstab (247) bilden: „Ich werde immer aus England den Eindruck für simple Reinlichkeit behalten“ (432), heißt es oder es wird von „holländischer Reinlichkeit“ (445) geredet. Auf der Reise von Wilna nach Göttingen wird 1785 im preußischen Grenzort das Wirtshaus gelobt, „wo man […] mit englischer Reinlichkeit bedient wird. Mir schien dies um so auffal lender, da ich aus den Regionen der Unreinigkeit kam.“ (AA XII, 197) Entspre chend setzen die Briefe an Sir Joseph Banks wie an Pennant ein Einverständnis über „this wild uncivilized country“ (AA XIV, 336) bzw. „this savage […] retreat“ (642) voraus. Gerade weil es kein deutscher Maßstab ist, der die Wertung bestimmt, scheint am Befund von Unreinigkeit die stärkste Emotion zu haften, ob der rei sende Aufklärer nun ‚Schrecken‘ (195, 190) – über den „Abstich“ (185) vom Maß stab, „Aerger“ (205) oder „Ekel“ (434) notiert. Wegen der heftigen Emotionalität seiner Bewertung begegnet das erste der drei Elemente des Stereotyps im Tage buch – verglichen mit den reflektiert-adressatenbezogenen Briefen – bei weitem am häufigsten und zumeist ohne die beiden anderen Elemente; die Feststellung
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von „Unreinigkeit und Schweinerey überall“ (AA XII, 147) ist verbunden mit der Wertung: „Schwer zu gewöhnen an dieses neue Land.“ (153) Die wertende Fest stellung von „unmenschliche[r] Unreinigkeit“ (165) bezieht sich stereotyp jeweils auf den Zustand der Straße (172) und des „abscheulichen Abtritt[s]“: „kothig“ (179) ist im Reisetagebuch das häufigste Adjektiv. Der in Sternescher Manier ausgearbeitete Abschnitt des Tagebuchs über die Fahrt mit zwei jüdischen Fuhr leuten von Grodno nach Wilna (184–187) enthält anlässlich im Wagen sitzend „eingenommener Mahlzeit“ eine bezeichnende Adressatenanrede: „(wovon der verständige und mit feinen Geruchsnerven begabte Leser den zureichenden Grund bereits von ferne gewittert haben wird)“ (185). Entsprechend verallgemeinert der Tagebuchschreiber: „alle polnischen Wirthshäuser [haben] mehr Gelegenheit für Wagen und Vieh als für Menschen“ (156). Doch Betrunkenheit stempelt auch die Menschen – vor allem Dienstboten – zu „unverbesserlich Vieh“ (179). Alles, was nicht schmutzig – also Straßen und Häuser: kotig, oder Menschen: „pro more polonico vollgesoffen“ (167) – ist, „überrascht“ (189) – „noch war mir derglei chen in Polen nicht vorgekommen“ (169) – als Ausnahme von der stets schon antizipierten Regel: „Das hiesige Posthaus […] liegt trocken! Ob das übrige Dorf weniger kothig ist, als andre wird sich zeigen.“ (167) Vom Stereotyp der Unrei nigkeit abweichende Gegenstände der Wahrnehmung werden vom Tagebuch schreiber als Ausnahmen der Regel eingeordnet; so heißt es über „Bjelostock“, das zunächst „eines der schönsten Städtgen in Polen“ genannt wird: „Im ganzen genommen ist es hier ziemlich reinlich; allein hin und wieder giebts Stellen, die ebenso unreinlich sind als irgend eine Gegend von Grodno oder Warschau, ein Beweis, daß es nur an Verstand und Ordnung fehlt, um es überall gleichförmig zu machen.“ (192) Die Ausnahme kann in die Regel integriert werden, indem die beiden anderen Merkmale des Stereotyps – Langsamkeit und Dummheit – ins Spiel gebracht werden. Die primäre emotionale Besetzung des Elements Unreinigkeit spricht aus dem Bild der „unappetitlich[en]“ polnischen Bären, die ihn weder an- noch ablecken würden (AA XIV, 453): Weder wolle Forster sich beinflussen lassen, noch könne er Einfluss ausüben. Heftige Distanzierung bestimmt die briefliche Bekundung, weshalb er für die in Wilna geborene Tochter Therese eine Amme (560) ablehne: Eine polnische Amme würde dem „Kinde die Franzosen oder gelindestens den Scharbock schon im zartesten Alter zusichern“ (580); gleichermaßen früh formu liert Forster schon die Weigerung, das Kind Polnisch lernen zu lassen (524): Es sei vor dem „Schaden“ zu bewahren, „wenn es mit Domestiken und Pfaffen oder Dummköpfen polnisch spricht“ (561). Im Element der so heftig abgelehnten Unreinigkeit werden die Unterschiede aufgehoben zwischen den Klassen der polnischen Bevölkerung, die Forster ansonsten differenziert: Bauernschaft, niederer und höherer Adel. Dass an der
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obersten Klasse etwas wahrnehmbar sei, was in den deutschen Staaten die unterste kennzeichne, ist der entscheidende Punkt in rezeptionsgeschichtlich besonders wirksam gewordenen Briefzitaten: „Polnische Fräulein kämmen ihr Haar zum Fenster hinaus, und lassen die Einquartirung herabregnen, und Cava liers mit dem Stanislausorden schnäutzen sich zwischen den Fingern die Nase, wie bei uns die Bauern; expertus loquor.“ (236)13 Der Maßstab der Reinlichkeit erlaubt nicht nur, das ‚Policirte‘ (242), die ‚Feinheit‘ (491) und den „Luxus“ der Lebensart des hohen polnischen Adels als bloße ‚Übertünchung‘ (255), als „Fir niß“ (389) und als nur „[auf]gepfropft“ (503) letztlich auf „sarmatische Thierheit“ (503) zu reduzieren und im „höhere[n …] Adel“ „nur eine Schattirung der vorher gehenden Classen, mit mehr Gewalt“ als der „niedrige“ (492) und das „eigentliche Volk“(491), zu sehen, sondern auch den Vergleich mit den deutschen Nachbarn am englisch-holländischen Maßstab zuzuspitzen: „Unsere liebe deutsche Rein lichkeit vermisse ich noch sehr. Bei uns nennen wir England und Holland, wenn von Reinlichkeit die Rede ist, hier ist Alles, was rein ist, auf deutschem Fuß.“ (247) Die in der Unreinigkeit fixierte „Thierheit“ (491) ermöglicht die ‚schattie rende‘ Übertragung auch der anderen Elemente des Stereotyps auf alle Klassen der Bevölkerung: „Faulheit“ und „Dummheit“ (492).14 Das zweite Element des Stereotyps – die „Langsamkeit, womit hier Alles geschieht“ (316), oder „[d]ie Langsamkeit, womit hier Alles betrieben wird“ (518) – begegnet vor allem in den Briefen mit einer solchen Formelhaftigkeit, dass die Phrase vom „Lande, wo alles langsam hergeht“ (258), austauschbar wird mit der Wendung: „leider geht alles hier in Polen polnisch zu“ (277). Auch wenn Forster das Element immer wieder an Beispielen von Dienstboten und Handwerkern belegt, fällt auf, dass er zumindest an einer Stelle einen Faktor ins Spiel bringt, der in den stereotypen Wahrneh mungen von Unreinigkeit nie eine Rolle spielt: die Verfassung des Landes. Selbst in Briefen, die sich bemühen, ihren Adressaten ein umfassendes Bild des Landes zu vermitteln, in dem der Briefschreiber lebt, beschränken sich die herangezo genen Faktoren auf „Polens Klima, die Sitten, de[n] Charakter“ (320), von denen Forster versichert, dass er sie schon vor der Reise nach Wilna „so ziemlich im All
13 Vgl. dieselben Beispiele unter Nennung der „Läuse“ AA XIV, 269. Mit der zitierten „verräterisch[en]“ „Passage“ belegt Schultz (2007, 57): „Der kritische Reisende mischte […] sehr unbedenklich Erfahrung und Vorurteil“, und erklärt die ‚Mischung‘ so: „Der aufgeklärte Weltrei sende griff offenbar auf die Stereotype seiner Kindheit im polnischen Preußen zurück, um die Erfahrungen zu ordnen.“ (56) 14 Vgl. ebenso an Pennant (AA XIV, 645–646) über „great nobility“, „small nobility“ und „wretch“.
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gemeinen kannte“ (320) – und zwar als ‚bedenklich‘ und ‚abhaltend‘; in der Liste dieser wertenden Vorkenntnisse fehlt die Verfassung. Dagegen schildert er dem selben Adressaten – dem künftigen Schwiegervater Christian Gottlob Heyne – ein halbes Jahr früher die Situation bei seiner Ankunft: „Alles arbeitet (Handwerker meine ich) mit einer unbeschreiblichen Trägheit und Ungeschicklichkeit; […] am Ende geht es doch, nur Alles langsam; man spürt die Unbehülflichkeit der repu blikanischen Regierungsform bis in den Lauf der täglichen Hausverrichtungen. Das hiesige Gesinde geht seinen langsamen Gang fort […].“(247) Nur an dieser Stelle wird ausdrücklich aus der Verfassung der Adelsrepub lik das abgeleitet, was Orlowski als Habitus zum Kern der Forsterschen Prägung des Stereotyps polnische Wirtschaft rechnet. Aber auch der Rat, den er dem über einen Ruf nach Wilna nachdenkenden Freunde Sömmering gibt, zeigt, wie nahe an der häuslichen Wirtschaft die formelhafte Prägung liegt: „Wirthschaft zu füh ren ist unmöglich, wenn Du nicht deutsche Mägde mitbringst“ (656), schreibt Forster an Sömmering in einer Bilanzierung der Vor- und Nachteile einer Beru fung. Die langsamen Dienstboten – wie Handwerker – sind – feste Bestandteile von Beispielreihen, die außerdem noch teure Händler umfassen können (206), wobei die Bezeichnung als „Sauen“ (282) und „Tölpel“ (650) die Beziehung zum Element der Unreinigkeit herstellt. Die Beschreibung der deutschen Dienstboten, die Forster nicht nur Söm mering empfiehlt, sondern sich auch von ihm und anderen Briefpartnern ver schreibt, zeigt, dass der Gegenwert zur Langsamkeit in einer zweideutigen Weise mit der Ableitung des Habitus aus der Verfassung verbunden ist. Zur Langsam keit findet sich deshalb vielleicht ein im Brief- und Tagebuchmaterial einzigarti ges Eingeständnis Forsters; er notiert als „ein Phänomen dessen Aufschluss ich mir selbst nicht ganz befriedigend gebe“: „nur hier“, in Wilna, „nur hier bin ich äusserst ungeduldig, und gleichsam in einer unaufhörlichen Irritation“ (277). Der deutsche „Bediente“, den sich Forster von Sömmering verschreibt, wird „hauptsächlich“ als „Aufsicht“ über „das polnische Gesinde“ beschrieben – und damit ausdrücklich als Stellvertreter des Herrn: Er habe „meine Stelle zu vertre ten“ (342). Aus der Funktion der stellvertretenden Aufsicht, nämlich Polen „zur Arbeit und Reinlichkeit, zur Ordnung, zur Behutsamkeit anzuhalten“, ergeben sich die Anforderungen an den Charakter des Bedienten selbst: „willig zu allem, fleißig, still, folgsam, nüchtern und mäßig, treu und ehrlich sein“ (342). Eine klare Hierarchie der Elemente des Stereotyps wird erkennbar im Port rät von Forsters polnischem Gärtner, dem er – wieder in einem Brief an Sömme ring – den Wunsch nach einem deutschen Gärtner entgegensetzt; der Wilnaer Gärtner sei „ein Pohle, der alle NationalFehler im höchsten Grade besitzt, er ist unwissend, faul, nachlässig“, der von Sömmering zu engagierende hingegen soll „still, fleissig, ordentlich, ehrlich, mässig […] und bey seiner ihm aufzutragen
11.3 Verfassung: Weder ‚Policey‘ noch ‚public spirit‘
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den Arbeit willig“ sein: „Ich bin in Ansehung des wissenschaftlichen Theils der Kenntnisse gar nicht difficil, mir liegt hauptsächlich nur an Fleiss, Ordnung und Folgsamkeit, die man an hiesigen Leuten vermisst.“ (442) Erkennbar ist der Primat von Ordnung, Fleiß und fügsamer Dienstwilligkeit vor Wissen – in der Entgegensetzung zu Unreinigkeit, Langsamkeit und Dumm heit. Eine ähnliche Gewichtung der Elemente zeigt sich sogar in den Darstel lungen von Langsamkeit am Beispiel der Universität. Auch sie wird durchweg aus dem polnischen Charakter abgeleitet, wenn von „der beliebten polnischen Langsamkeit und Unordnung“ (437) die Rede ist oder es heißt: „alles stockt, […] hier, wo die Trägheit in Geschäften und Unternehmungen aller Art zu Hause ist“ (464). Auch im Falle der Universität gibt es nur eine Stelle, wo zwar nicht explizit, aber doch offen genug auf die Verfassung Polens Bezug genommen wird, indem Forster das konventionell mit der Adelsrepublik verbundene Stichwort der Anar chie einbringt. In der Entgegensetzung der Universitäten Göttingen und Wilna in einem Brief an Heyne kommen ex negativo alle drei Elemente des Stereotyps zum Tragen: Unreinigkeit, Langsamkeit und Dummheit, wenn Forster „dortige [Göt tinger] Wissenschaft, Ordnung und Fleiß, mit hiesiger Unwissenheit, Anarchie und Gleichgültigkeit vergleicht“ (521).
11.3 Verfassung: Weder ‚Policey‘ noch ‚public spirit‘ Nur in drei der fast 200 Briefe, die Forster aus Polen schrieb, kommentiert er die hier angespielte Verfassung direkt; jedesmal geschieht es in der Form des Kons tatierens der Unmöglichkeit von Veränderung: ob er gegenüber Sömmering von den „unheilbarste[n] Schäden“ spricht, die „in ihrer abscheulichen Staatsverfas sung liegen“ (426), ob er sie Lichtenberg als ohne „Aussicht zur künftigen Bes serung“ (491) kennzeichnet oder Joachim Heinrich Campe als „gebrechlich[…], alles Patriotismus entledigt“ (503). Auch wenn er die Verfassung als Determinante der Sitten auffasst, ver schmilzt deshalb das Determinierte mit dem Determinierenden im polnischen Charakter: „Menschen, […] die durch Regierungsform, Auffütterung (so sollte hier die Erziehung heißen), Beispiel, Pfaffen, Despotismus der mächtigen Nach barn […] schon von Jugend auf verhunzt worden sind“ (491). So eindeutig die Bewertung, so sind es doch zwei verschiedene Maßstäbe, an denen Forster die Verfassung misst; auf der einen Seite heißt es – in Überein stimmung mit dem Primat von Ordnung, Fleiß und fügsamer Dienstwilligkeit –, dass „Polizey und gute Ordnung Dinge sind, die man in Polen und Litthauen kaum dem Namen nach kennt“ (699). Auf der anderen Seite kann es aber auch heißen: „public spirit ist hier nicht einmal dem Namen nach bekannt“ (390), es
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11 Georg Forsters Verabschiedung vom Stereotyp ‚polnische Wirtschaft‘
„[…] bekümmert sich hier kein Mensch um die Reichstagsgeschäfte; mich dünkt dieser Zug schildert die Nation im Vergleich mit den Engländern; der Unterschied liegt im public spirit, für den man hier schlechterdings keinen Sinn hat.“ (580) Der zweite Maßstab bestimmt auch die – sehr wenigen – Äußerungen zur Leib eigenschaft: „Das eigentliche Volk, ich meine jene Millionen Lastvieh, die hier schlechterdings von allen Vorrechten der Menschheit ausgeschlossen und nicht zur Nation gerechnet werden, ohnerachtet sie den größten Haufen ausmachen“ (491; vgl. 266). Der hier angewandte Maßstab des Einschlusses in die Nation und der Beteiligung an der Öffentlichkeit steht in Kontrast zu dem der ‚Polizey‘, der aber wiederum der im Stereotyp verankerten Optik von außen und von oben ent spricht; deshalb kann Forster unmittelbar nach dem Zitierten fortfahren: „[D]as Volk ist nunmehr wirklich durch die langgewohnte Sklaverei zu einem Grad der Thierheit […], der unbeschreiblichsten Faulheit und stockdummen Unwissenheit herabgesunken, von welchem es vielleicht in einem Jahrhundert nicht wieder zur gleichen Stufe mit anderm europäischen Pöbel hinaufsteigen würde, wenn man auch desfalls die weisesten Maßregeln ergriff, wozu bis jetzt auch nicht der min deste Anschein ist.“ (491–492) Der Widerspruch zwischen dem ‚polizeylichen‘ und dem ‚öffentlichen‘ Maß stab zur Beurteilung der Verfassung Polens prägt in einer ähnlichen Weise auch eine Passage in einem Brief an Friedrich Justin Bertuch, die zu den zahlreicheren gehört, wo der „Charakter der LandesEingebohrnen“ (388) Polens in Parallele gesetzt wird mit außereuropäischen ‚wilden‘ Völkern, den „Pescherähs“ Feuer lands (254), den Tahitianern (244, 276) und den Neuseeländern (491). Auffällig ist im Brief an Bertuch, dass Forster seiner Konstruktion des polnischen Charakters auf beiden gesellschaftlichen Ebenen – der unten und der oben – einen Einwand macht: Die polnischen Pescherähs oder die große Menge des gemeinen Volks, ist eine Gattung Vieh, und gehört bekanntlich nicht zu dem, was man die Nation nennt, denn sie hat keinen Anspruch auf irgend ein menschliches Vorrecht, geschweige ein bürgerliches. Doch ich irre mich; ein Fünkchen der aurae divinae, das noch nicht ganz und gar in dem gemeinen Polen verglommen ist, giebt dem Bonzenheere das Mittel in die Hand, dem armen Halbmenschen im Namen Gottes und aller Heiligen das noch zu rauben, was sein harter Herr ihm noch gelassen hat. Dieser gehört zur zwoten Menschengattung in Polen; eine schöne starkkno chigte, grosse Rasse von Leuten, deren häsliche geschmacklose Kleidung mit ihrem herr lichen Körperbau/merklich absticht. […] Die freyen edlen Polen scheinen […] auf vieles Wissen im Durchschnitt Verzicht gethan zu haben, auf ihr Land überaus stolz zu seyn, und keinem Potentaten auf der Welt zu fröhnen, ausser dem [Glücksspiel] König Pharao und dem [russischen Gesandten] Regulus Stackelberg. (254–255)
Beide Einwände, die sich Forster macht, der zum ‚Fünkchen‘ Freiheit in den Leibeigenen und der zur äußeren Abhängigkeit der ‚nationalstolzen‘ Aristokra
11.4 ‚Verpolackisiren‘: Sorge um die ‚Eigentümlichkeit‘ des deutschen Schriftstellers
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tie, komplizieren das Bild vom polnischen Charakter. Nur zum zweiten gibt es eine Reihe von Entsprechungen in anderen Briefen Forsters aus Wilna. So zieht er durchweg für Wilna günstige Vergleiche mit russischen Universitätsstädten; sowohl Petersburg als auch Mietau erscheinen als „ungleich schlimmer[e …] Orte“ (476),15 wobei erkennbar ist, dass Forster die Sichtweise polnischer Kolle gen übernimmt: „Wie despotisch alles dort zugehe, kann man hier nicht genug erzählen“ (476). Mehrfach notiert Forster Anzeichen der Gefahr einer weiteren „Theilung“ (690) Polens –16 dabei gibt es an keiner Stelle ein Einverständnis, wie es etwa Therese Forster explizit formuliert: „Die Menschen ohne alles Menschli che, die Nation verwildert. Weg mit ihnen allen; ich […] will eher Rußlands oder Oesterreichs oder Preußens loyale Unterthanin sein, sobald die Theilung von neuem angeht.“ (793)17 Forster hingegen notiert eher beruhigt, dass Joseph II. erklärt habe, er werde keine weitere „Theilung“ Polens „zugeben“ (690), und eher beunruhigt ein 2 Millionen Rubel-Geschenk der russischen Kaiserin an König Sta nislaus II. August, „worüber sich die Polen unbändig freuen. Eine andre Nation schämte sich drüber.“ (654) Schon vorher kommentiert er die äußere Abhängig keit ähnlich: „wir sind und bleiben […] des russischen Gesandten[…] untertänige Diener, vom König an“ (603).
11.4 ‚Verpolackisiren‘: Sorge um die ‚Eigentümlichkeit‘ des deutschen Schriftstellers Das dritte Element des Stereotyps spielt nicht nur im Tagebuch, sondern auch in den Briefen die bei weitem geringste Rolle. Es begegnet fast ausschließlich in Form der Klage des Ehepaars Forster, „daß wir in der schaurigen menschenlee ren Wüste so allein sind“ (572). Stillschweigend wird in der Regel jene Dumm heit vorausgesetzt, die den ‚Umgang‘ so radikal auf die Familie beschränkt: Man könne „keine Seele finden, die […] Nahrung für Geist und Herzen“ böte (401);18 oder: „es ist auch bisher keine einzige polnische oder litthauische Seele uns vor gekommen, die nur erträglich wäre, die nur einen Schatten von Kenntnissen und Politur hätte.“ (411) In den emphatischen Formulierungen werden Voraussetzun
15 Vgl. auch AA XIV, 489, 688. 16 Vgl. AA XIV, 427, 455; oder nicht so explizit auch als „Zerrüttung des Reichs“ (537) oder „Re volution“ (560) bezeichnet. 17 Zu Therese Forster vgl. Becker-Cantarino 1988. 18 Vgl. AA XIV, 430.
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11 Georg Forsters Verabschiedung vom Stereotyp ‚polnische Wirtschaft‘
gen erkennbar, die sich nicht einfach auf Wissen als Gegenwert zu Dummheit beschränken, sondern einen spezifischen gesellschaftlichen Umgang mit Wissen meinen. Vermisst wird von den Forsters ein Gespräch, „wie man in Deutschland täglich zu thun gewohnt ist“: „daß man […], wie man zu sagen pflegt, vom Hun dersten ins Tausendste redet“ (563). Für solche Art der privat-geselligen Kommu nikation stellt sich dann auch ein emotional geladenes Substantiv ein: „wir genie ßen außer einander, keine Freunde, kein Vergnügen, keine Gemüthlichkeit – in einem unwirthbaren und häßlichen Lande“ (626). Die brieflichen Klagen über Mangel an Umgang verraten aber neben der ent täuschten Erwartung auch die Verweigerung von Anpassung. Explizit wird diese nicht am eigenen, sondern am Fall des Schwagers Carl Heyne formuliert, der als Militärarzt nach Petersburg geht: „Nun der Himmel gebe, daß er sich in die Menschen zu finden wisse, mit denen er es dort zu thun haben wird, ohne doch seine Eigenthümlichkeit zu verlieren“ (481). Die Maxime, die ‚Eigenthümlichkeit‘ unter fremden Menschen zu bewahren, findet in Forsters Briefen vor allem nega tiven Ausdruck in dem oft wiederholten Grundsatz, „daß wir uns vor nichts so sehr fürchten müssen[…], als vor dem Polackisiren“ (460–461). Das Verb begeg net auch in intensivierter Form als „Verpolackisiren“ (448) bzw. „verpolack[en]“ (438) und wird synonym mit ‚entarten‘ (461) und „Degeneriren“ (448) benutzt. Forster beschreibt in seinen Briefen nicht nur, dass das Ehepaar „sich soviel als immer möglich vor einem genaueren Umgang mit dieser bestialischen Nation hütet“ (465), sondern auch, dass die Eheleute Forster „einander […] wie Spione [bewachen], damit wir ja auch den leisesten Anfall des Verpolackisirens im ers ten Augenblick zurückstoßen mögen“ (448). Der Klage über den eingeschränk ten Umgang liegt also die Angst zugrunde, dass „wir […] mit zu Barbaren, oder welches ärger als alle Barbarey ist, zu Polacken und Litthauern werden. Daß doch auch nur soviel Menschen in diesem Lande wären, als ehedem zu Sodom Gerechte!“ (457) Beispiel des ‚Ver/Polakisierens‘ ist dem Briefschreiber sein ungarischer Kol lege, der Mediziner Josua Langmayer. Der einzige – aber im Sinne des Stereo typs sehr bezeichnende – Beleg, den Forster dafür gibt, dass Langmayer – wie es in zeitlicher Reihenfolge zuerst im Wortspiel mit dem lateinischen ‚acquiesci‘ (sich abfinden) heißt – „etwas polacquisirt“ (389), dann „verpolackt“ (438) und schließlich „zur Annäherung merkliche Schritte gethan“ habe, „ein naturalisirter Pohle oder Litthauer [zu] werden […] und [zu] vegitiren“(465) – der einzige Beleg lautet: Langmayer „liest […] nichts neues mehr“ (438). Die Sorge des Briefschreibers um seine ‚Eigenthümlichkeit‘ ist die eines Schrift stellers, der nur für deutsche Leser arbeitet, die ihm als das „gelehrte Publicum überhaupt“ erscheinen, aber nicht „für die Mitbürger, die mit mir in einer Stadt woh
11.4 ‚Verpolackisiren‘: Sorge um die ‚Eigentümlichkeit‘ des deutschen Schriftstellers
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nen“ (476). Forsters Rückzug auf die literarische Arbeit für deutsche Leser19 ist zwar in Übereinstimmung mit seiner zutreffenden Feststellung, „die Menschen“ „hier“ „interessiren mich nicht“, aber die Begründung, „daß die Leute und das Land hier keinen Werth für uns haben“ (434), kollidiert mit der Maxime, der der Schriftsteller als Aufklärer zu folgen meint: „das allgemeinere Theilnehmen an allem was das Menschliche Geschlecht überhaupt angeht: homo sum pp – ist doch das schönste Motto, was man zur Regel des Denkens und Handelns machen kann“ (577). Wenn sich hier die Widersprüchlichkeit des von außen auf Polen blicken den Aufklärers zeigt, dem das Stereotyp fremder Dummheit das eigene Wissen beschädigt, so zeigt sich die Widersprüchlichkeit des aufklärerischen Blicks von oben auf die polnische Gesellschaft in Forsters vermeintlicher Absage an „Das Princip: der Mensch ist ein Thier, das einen Herrn bedarf“ (686). In einem Brief, den er im letzten Monat seiner Zeit in Wilna an Sömmering schreibt, bezeich net er das ‚Prinzip‘ zunächst als „de[n] wahre[n] Jesuitismus“, um es dann aber zugleich als das Prinzip der „weltlichen Regenten“ zu entlarven; schließlich endet er jedoch mit der Beteuerung: „der wahrhaft, d. i. ganz aufgeklärte Mensch bedarf keines Herrn“ (686), in der Anerkennung der Notwendigkeit von Herren über die nicht ‚ganz aufgeklärten‘ Menschen. Der Ausweg aus diesem Zirkel wurde Forster erst mit der Verarbeitung der Französischen Revolution durch die Anerkennung des Prinzips der Volkssou veränität ermöglicht; insofern war der vorrevolutionäre Forster, der in seinen Briefen das Stereotyp polnischer Wirtschaft prägte, noch keineswegs ein Reprä sentant einer „republikanischen-universalistischen Version“ der Begriffe Volk und Nation (Koselleck 1997, 327). Aber schon in den Texten, die während des Übergangs auf eine revolutionär-demokratische Position entstanden – wie den Ansichten –, wird die Voraussetzung zur Verabschiedung des Stereotyps geschaf fen, wenn Polen nicht mehr von außen und oben als ein ‚Charakter‘, eine Stufe der Kultur erscheint.
19 Während Siemon (2005, 175) Forsters schriftstellerische Tätigkeit in Wilna „sozusagen ein Ventil“ „seiner tiefen Unzufriedenheit“ nennt, „scheinen“ Lüsebrink (2013, 69) zwar „Forsters intellektuelle […] Beschäftigungen in der Wilnaer Zeit […] auf den ersten Blick mit den Erfahrun gen in Polen […] in keiner Verbindung zu stehen“, tatsächlich aber ließen sie sich „verknüpfen“. Lüsebrink behauptet einen „sukzessiven Prozess des interkulturellen Lernens und Verstehens“ (66), den er beschreibt als „[d]ie Akzeptanz kultureller Differenz und die zumindest ansatzweise Dechiffrierung der semantischen Bedeutung anderer und differenter Symbolsysteme und Verhal tensformen“, die „einher[geht] mit der Entwicklung politisch-philosophischer Erklärungsmuster“ (67), der die Überzeugung von „der grundsätzlichen Entwicklungsfähigkeit der polnisch-litaui schen Gesellschaft“ (69) entspreche. Zugleich behauptet Lüsebrink jedoch: „Forsters Interesse an Polen […] entwickelte sich auch in den Jahren bis zu seinem Tode […] kaum weiter“ (70).
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11 Georg Forsters Verabschiedung vom Stereotyp ‚polnische Wirtschaft‘
11.5 Absage an die ethnische Konstruktion eines ‚Charakters‘, der von Menschen- und Bürgerrechten ausschließt Am deutlichsten weist Forster die ethnische Konstruktion eines Charakters, der von den Menschen- und Bürgerrechten ausschließe, in seiner Rezension der anth ropologischen Schriften des Göttinger Philosophieprofessors Christoph Meiners zurück. Im Januar 1791 wendet sich Forster in der ALZ grundsätzlich gegen Mei ners’ Hierarchisierung von „Celten“, „Slawen“ und „Mongolen“, in der „die Celten […] die einzigen“ seien, „denen eine glückliche Organisation, und mit derselben die höchste moralische Perfectibilität zu Theil geworden ist“, während „[d]rey Viertheile des ganzen Erdrunds“ mongolisch „zur physischen und sittlichen Mis gestalt organisirt“ und die „Slawen“ „mehr oder weniger entartet […] (mongoli sirt)“ seien (AA XI, 238–239). Forster protestiert dagegen, dass Meiners „Völkern, die jetzt auf einer von der unsrigen verschiedenen Stufe der Bildung stehen, allen sittlichen Werth, alle Perfectibilität, alle menschliche Vorzüge abzusprechen“ (244) wage. Der Rezensent Forster greift zum Mittel des Spotts, wenn er eine Stelle, die recht genau der Logik seiner stereotypen Wahrnehmungen in den polnischen Briefen aus den achtziger Jahren entspricht, folgendermaßen einleitet: Unsern Lesern wünschen wir Glück, wenn es ihnen besser als uns geräth, folgende Stelle zu verstehen […]: „Die Menschenliebe macht es uns zur Pflicht, von einzelnen Mitgliedern Slawischer Nationen zu vermuthen, daß sie zu den Auserwählten ihres Volks gehören, bis man durch ein widersprechendes Betragen zu einem weniger günstigen Urtheil genöthiget wird.“ (251)
Ganz in Gegensatz zur Meinersschen Regel, jede Ausnahme zur Bestätigung des ethnischen Stereotyps zu machen, feiert Forster in seiner auf den 1. Septem ber 1790 datierten Vorrede zur Übersetzung der Memoiren Moritz August von Benyowskys diesen „pohlnische[n] General“ (AA VII, 33) und „Partheygänger der Conföderirten“ (30) als jemanden, der jeden „Unglücklichen begeistert, der Unterdrückung trotz zu bieten“ (42). Forster präsentiert den „feurige[n] Mann“ (36) als einen „Blitz, der bey der Lesung […] unser Innerstes durchleuchtet“ (40): „Sein feuriger Geist, sein starker Wille, seine Entschlossenheit, liegen als so viel unwiderlegliche Beweise einer alles überwältigenden Selbstheit in seinen Tage büchern klar aufgedeckt.“ (33)20 In seinen Darstellungen von europäischen Volksbewegungen im Gefolge der Französischen Revolution, die Forster für Kalender seines Verlegers unter den
20 Vgl. aber die durch einen Vergleich mit dem schottischen Entdeckungsreisenden James Bruce etwas negativere Beurteilung im Bericht über die englische Literatur von 1790: AA VII, 225.
11.5 Absage an die ethnische Konstruktion eines ‚Charakters‘
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Titeln „Revolutionen und Gegenrevolutionen“ und „Erinnerungen aus dem Jahr 1790“ verfasste, benutzt er nicht die Metapher des Feuers, sondern die des ‚Zau bers‘ (AA VIII, 238), um einerseits die Blendung zu erklären, weshalb sich das Volk – wie es zu Polen heißt – in „Unwissenheit und Barbarei“ und die Nation in „Ohnmacht“ befinde, und um andererseits die plötzliche Erleuchtung, die Entde ckung der Wahrheit, zu erklären, in der sich das Volk als Nation ‚emanzipiere‘; gilt einerseits: „Für die grosse Masse des Menschengeschlechts ist gewiß der Zau ber unwiderstehlich, womit der Mächtige sie an sich fesselt“ (257–258), so heißt es andererseits, dass ein „Zauberschlag ihnen das Gefühl und den Geist der Frei gebohrnen geben“ könne (241). Forsters Darstellung der europäischen Volksbewegungen betonte „die Hart näckigkeit, womit die Menschen an ihren Verfassungen und Gerichtsformen, kurz an allen herkömmlichen Einrichtungen im Staate haften“ (235). So deutet Forster die Kostüme der Ungarn auf einem Stich von der Krönung Leopolds II. zum ungarischen König als „retroaktive Anspielung […] auf den Revolutionsgeist der Ungarn und ihren soliden Charakter“: „Diesen Charakter erkennt man […] in der wirklich schönen Ungarischen Kleidung, worin diese Nation, wie die Polni sche, bei ihrer projektirten Revolution, eigentlich ihre ganze Hoffnung gesetzt zu haben schien, indem sie mit der Proskription der Deutschen Tracht den Anfang machte.“ (294–295) Forsters Ironie ist zweideutig, wie der Schlusssatz zeigt: einer seits betont die Beschreibung der „Verschwendung von Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen an ihren Dolimans, Kalpaks, Säbeln, ja sogar an Stiefeln und Sporen“ das Gegenteil von ‚Solidität‘, den Zusammenhang der Kleidung mit „Privilegien und Immunitäten“ sowie „frommen Legenden“ (294), andererseits schreibt Fors ter der Kleidung die ‚solide‘ Bedeutung zu, die Erinnerung an die Revolution über die zeitweilige Niederlage hinaus zu bewahren: „die Spur ihrer Revolutionen“, heißt es über Ungarn wie Polen, „die sich schon wieder aus ihren Verhältnissen verloren hat, ist wirklich noch in ihren Röcken und Mützen vorhanden“ (295). Die Verabschiedung des Stereotyps liegt in der Koppelung von ‚Revolutions geist‘ und ‚Charakter‘, die an die Stelle der Unveränderbarkeit die Verbindung von Volkssouveränität und Unabhängigkeit setzt. Zwar war Forster, als er die Kalenderbeiträge im Jahre 1792 schrieb, weit entfernt von Saint-Justs 1794 – sechs Wochen nach Forsters Tod – formulierter Erwartung: „Man täuscht die Völker Europas über das, was sich bei uns ereignet; […] aber starke Gesetze kann man nicht verdrehen; sie dringen wie ein unauslöschlicher Blitz ganz plötzlich in fremde Länder ein. […] Das Glück ist ein neuer Gedanke in Europa!“ (Fischer 1974, 377) Zugleich aber war Forsters Verknüpfung von Souveränität und Unabhängig keit des Volkes der Weise nicht so fern, in der Saint-Just in derselben Rede gegen die als „Faktionen des Auslandes“ ‚entlarvten‘ Feinde der Revolution die Nation artikulierte: „Die Souveränität des Volks will, daß es vereinigt sei“ (390).
12 Georg Forster über das Europa der neunziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts „Ideen über den künftigen Zustand von Europa“ (AA IX, vi) ist eine Passage von Reflexionen – ausgelöst vom Verfall der Tuchmanufakturen Aachens und deren Blüte im benachbarten holländischen Vaals – im Inhaltsverzeichnis von Georg Forsters Ansichten vom Niederrhein überschrieben. Forsters Bild Europas – sei ner Gegenwart und Zukunft – bildet eine durchgehende Schicht des 1791–1792 erschienenen Textes, seines wirkungsgeschichtlich erfolgreichsten Werks. Sie wird im „Inhalt“ wiederholt explizit annonciert: „Gleich unausführbare Entwürfe zur Universalmonarchie und zum allgemeinen Staatenbunde“ (vii), „Chimären der Gleichförmigkeit in Verfassung und Gesetzgebung“ (viii), „Wanderung der Üppigkeit aus Indien nach Europa“, „Symptome der Unreifheit für Aufklärung im Volke, durch ganz Europa“ (x). Die mit den Stichworten Verfassung, Volk und Aufklärung hervorgehobenen Aspekte seines Europa-Bildes bestimmen aber auch zwei weitere Arbeiten, die der Autor noch vor seinem Übergang auf jakobi nische Positionen abschloss (auch wenn sie erst danach im Druck erschienen): „Revolutionen und Gegenrevolutionen“ und „Erinnerungen aus dem Jahr 1790“. Während diese Texte Forsters in der spärlichen Sekundärliteratur primär unter dem Gesichtspunkt seiner Entwicklung zum Revolutionär behandelt worden sind,1 soll es im Folgenden um die Zweideutigkeit des Begriffs der Nation gehen, genauer um die Spannungen zwischen einem politischen Konzept der Volkssou veränität und einem kulturellen Konzept von Ethnizität.2
1 Vgl. schon Uhlig 1965, 151; Steiner 1977, 70–72. Annette Graczyk dagegen setzt die drei im Fol genden behandelten Texte in eine andere Beziehung. Sie liest die Ansichten im Gegensatz zur überwiegenden Forschung als „wissenschaftliche[n] Reisebericht“, als „Fortführung der wissen schaftlichen Perspektiven“ (2006, 443) der Reise um die Welt, nämlich „einer um das Kulturelle erweiterten physikalischen Geographie“ (452). Während Forster in den Ansichten „die politi schen und mentalen Auswirkungen der Revolution nur als weiteren Aspekt in seine physika lisch-geographische Darstellung“ „integriert“ habe (455), erklärt sie „Revolutionen und Gegen revolutionen“ und „Erinnerungen aus dem Jahr 1790“ als ‚Auslagerung‘: „Die Veränderungen der französischen Revolution erforderten ein eigenes Werk.“ (456) 2 Oder in den Worten Jean-Francois Lyotards (1990, 68–69) zum Verhältnis von „Universalis mus“ und „Ethnozentrismus“, ohne dass sein Gegensatz von Depotismus und Republikanismus mitsamt dem Totalitarismus-Konzept übernommen zu werden braucht: „Der Kern dieser Zwei deutigkeit liegt in der Idee des Volkes. […] Der Name des Volkes deckt gleichzeitig die Beson derheit einer zufälligen Gemeinschaft und die Verkörperung der allgemeinen Souveränität ab. Wenn man Volk sagt, weiß man nicht genau, von welcher Identität man spricht. Wenn man das Volk an die Stelle der normativen Instanz setzt, weiß man nicht, ob die Autorität, die man geltend macht, despotisch ist und die Tradition einer Ursprungserzählung benötigt oder ob sie republi DOI: 10.1515/9783110343878-016
12.1 Abstand zu Europa-Konzeptionen des absolutistischen Gleichgewichts
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12.1 Abstand zu Europa-Konzeptionen des absolutistischen Gleichgewichts und der Zivilisation Forsters ‚Ideen über Europa‘ in den drei Texten der Jahre 1791–1792 weisen mit der Alternative von Universalmonarchie und allgemeinem republikanischen Staaten bund zugleich die Vorstellung einer Gleichförmigkeit von Verfassung und Gesetz gebung zurück. Dennoch fügen sie sich nicht in die Gegensätze, die in geistes geschichtlichen Überblicksdarstellungen der Europa-Idee deren Geschichte im späten achtzehnten Jahrhundert strukturieren. Manfred Fuhrmann organisiert seine Geschichte um den Dualismus von Monismus – dem staatlichen Reich – und Pluralismus – einer Kultur der Vielfalt von Nationalstaaten (Fuhrmann 1981, 6); Pim den Boer stellt die Konzepte von Europa als ‚balance of power‘ einerseits und als ‚civilization‘ andererseits gegenüber (Boer 1995, 43, 58); Geoffrey Barra clough identifiziert die Begriffe ‚balance of power‘ und ‚federal unity‘, um ihnen den aufsteigenden Nationalismus entgegenzusetzen, der die Europa-Idee seit der Französischen Revolution verdränge (Barraclough 1963, 29); Tzetvan Todorov sieht den Gegensatz von Universalismus und Relativismus, von Kosmopolitismus und Patriotismus im Zentrum (Todorov 1994, 36, 184). Fast alle diese Oppositions begriffe – Kultur, Gleichgewicht, Staatenbund, Patriotismus – tauchen in Forsters Europa-Ideen auf, aber keineswegs in derselben Anordnung. Zu solchen Sche matisierungen verhalten sich Forsters Texte sperrig schon wegen ihrer – unter einander nochmals durchaus verschiedenen – Schreibart: „Revolutionen und Gegenrevolutionen“ war wie die „Erinnerungen aus dem Jahr 1790“ als Beitrag zu einem Kalender angelegt;3 während aber der erste Text erzählt, kommentiert
kanisch ist und die systematische Institution der nach der Idee der Freiheit strebenden Beratung erforderlich macht.“ 3 Zur Nutzung des Genres Kalender unter den preußischen Bedingungen der Zensur „zur Ver breitung von politischer Kritik“ vgl. D’Aprile 2013, 103, der im Anhang einen Brief von Friedrich Buchholz, dessen Beitrag zur Erfindung der Zeitgeschichte er untersucht, aus dem Jahre 1810 an den Verleger Johann Friedrich Cotta abdruckt, in dem sich Buchholz auf Forsters „Erinne rungen“ als Vorbild beruft: „Für den großen Haufen […] bedarf es nur Erinnerungen – ungefähr solche, wie Forster im Jahre 1793 zu Berlin herausgab. Da läßt sich die höchste Mannichfaltigkeit erbringen; da läßt sich Ernst mit Scherz vermischen; da thun Portraits u. andere Kupferstiche nur ungemeine Wirkung. Biographien, Anecdoten, kleine Abhandlungen politischen oder statis tischen Inhalts, kurz alles was keinen langen Athem erfordert u. indem es Unterhaltung gewährt, sich mit allen Arten von Unterbrechungen verträgt, würde in ein solches Taschenbuch gehören, das man auch dadurch noch pikant machen könnte, daß man Personen, die dem großen Publi kum minder bekannt sind, einen Platz darin vergönnte, z. B. ausgezeichneten Staatsbürgern von allen Classen.“ (352) D’Aprile bezieht sich für die Kalenderproduktion von Friedrich Unger als Beleg dafür, dass „die spezifische Staatsnähe von Aufklärung und Frühliberalismus in Preußen
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12 Georg Forster über das Europa der neunziger Jahre
der zweite die – dem Autor vorgegebenen – Kupferstiche Daniel Chodowieckis.4 Als Erzähler wählte Forster die Subjekte, die er zum Träger der Handlung machte; als Kommentator nahm er wertend Stellung zu Individuen, die Chodowiecki ein zeln porträtiert oder in Szenen mit anderen arrangiert hatte. Die Genres histori sche Erzählung, Porträt und Szene prägen zwar einen großen Teil des Textes der Ansichten vom Niederrhein, aber die ‚Ideen über Europa‘ werden hier expliziert in – auch gegenüber den gleichfalls den Text bestimmenden Stadt-, Landschaftsund Kunstbeschreibungen verselbständigten – Reflexionen. Wenn in „Revoluti onen und Gegenrevolutionen“ historisches Geschehen durchs Erzählen implizit erklärt und in den „Erinnerungen“ einzelne politisch Handelnde ausdrücklich bewertet werden, so machen die Europa-Reflexionen der Ansichten sowohl Kau salfaktoren als auch Rechtsgründe, „Ursachen“ (AA IX, 307) wie „Normen“ (126) zum Gegenstand der Betrachtung. Wenn die letzte Europa reflektierende Passage in den Ansichten mit der Feststellung endet: „Diese allgemeine Übereinstimmung ist nicht das Werk des Zufalls: eine allgemeine Ursache bringt sie hervor“ (318), so beginnt „Revolutionen und Gegenrevolutionen“ umgekehrt mit einer Refle xion, der es um die Widerlegung des „gewagt[en]“ „Einfall[s] gewisser Politiker“ geht, die Volksbewegungen in Europa, „der Verfassung eine neue Gestalt zu geben“, seien „alle mit einander einer gemeinschaftlichen Ursache zuzuschrei ben“, einem „so genannte[n] Revolutions-Miasma“ „von gewissen transatlanti schen Meinungen, die Europa mit dem Geist der Neuerung angesteckt hätten“ (AA VIII, 234–235). Dieser Erklärung und Wertung setzt Forsters Einleitung zu seiner Erzählung programmatisch entgegen, „daß besondere Localursachen die jedesmaligen Bewegungen in Holland und Brabant, in Ungarn, Polen und Schwe den, in Lüttich und Frankreich, zunächst veranlaßt haben müssen“ (235). Seine Begründung ist zweifach: einmal bezieht er sich auf die Träger der Bewegungen, also darauf, dass „die Revolutionen […] in weit voneinander entlegenen Ländern entstanden, deren Einwohner an Bildung, Temperament und Charakter himmel weit verschieden sind“, dann verweist er auf die Art der Bewegungen: „Auch glei chen sich diese Revolutionen so wenig in Absicht ihres Zwecks und ihrer Mittel, als der daraus entstandenen Folgen.“ (235) Die Betonung des Besonderen in den Erzählungen, Szenen und Porträts und die des Allgemeinen in den Reflexionen verhindern jedoch nicht, dass in allen
nicht automatisch zu einer bloßen Verlautbarungspublizistik führte“ (101), auf Peter Webers (2004, 201) Begriff von „‚Publizitätsstrategien‘, um politische Fragen trotz verschärfter Zensur in der Öffentlichkeit verhandeln zu können“ (102). 4 Zu Forsters Unzufriedenheit mit Chodowiecki, dem er „freie Hand“ gelassen hatte, vgl. Steiner 1978, 48.
12.1 Abstand zu Europa-Konzeptionen des absolutistischen Gleichgewichts
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drei Texten sehr ähnliche zusammenfassende Formeln die Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf eine Weise erfassen, dass Forsters Abstand zu den tradier ten Europa-Konzeptionen des absolutistischen Gleichgewichts wie der aufklä rerischen Zivilisation5 ebenso erkennbar wird wie seine Verbindung von natur rechtlich-universalistischer wie historisierend-relativistischer Argumentation.6 In den „Erinnerungen“ fasst Forster die „Versuche der Nationen, in den vollen Besitz […] ihrer Rechte als Menschen einzutreten“, als „Emancipation“ (296) zusammen; in den Ansichten erscheint „die große Masse des Menschenge schlechts“, die aus „einem Zustande der Unmündigkeit“ heraustrete, als „Völker, welche anfangen sich zu fühlen“ (AA IX, 174).7 Forster spitzt die gemeinaufklä rerische – von Rousseau (1968, 78–80) bis Kant (1983b, 6, 53, 670) verbreitete – Lebensalter-Metaphorik,8 die eine Entwicklung von der „Minderjährigkeit“ (AA VIII, 296) zur „Reife“ (297) annimmt, zu den Neologismen der „Volksmündigkeit“ und „Volkseigenmacht“ (296) zu. In der Polemik gegen Verewigung der Vormund schaft besteht er einerseits allgemein auf dem Naturrecht der einzelnen, dass „Ver nunft und Willen ihnen gehören“ und nicht „Eigenthum ihrer Vormünder“ (295) seien, und andererseits auf – historischen – Unterschieden der „Ausbildung“ (297) der Völker. Das Bild Europas, das die drei Texte für die frühen neunziger Jahre entwer fen, ist eins von „Volksbewegung[en]“ zu „einem Zeitpunkte, wo im Westen und im Osten, im Norden und im Süden, die benachbarten Staaten eine Gährung erlit
5 Garbers (1999, 216) unzutreffende Behauptung, dass Forsters Stadtbeschreibungen in den Ansichten „auf verfassungsrechtliche und politiktheoretische Erörterungen verzichten“, folgt aus seiner zivilisationstheoretischen Interpretation des Begriffs des Exzentrischen als die Entwick lung vorantreibenden Widersprüchen. Vgl. dagegen das Interesse von Brian Dolans Untersu chung britischer Reisen an die Nord-, Ost- und Südgrenzen Europas als „cultural analysis emer ged in the wake of the French Revolution“: „how a variety of British travellers to the Continent informed cultural critiques of European nationalism and historical identities in the years pre ceding the Congress of Vienna and the establishment of the ‚Concert of Europe‘ in 1815“ (2000, 7). Dolan betont den Zusammenhang mit den vorangegangen außereuropäischen Reisen: „the measure of civilty was used as a way of determining who was advanced enough to be considered part of modern Europe. But while such measures were deployed to evaluate the status of many exotic groups around the world, rarely was it thought necessary to consider the measure or sta tus of European civilisation.“ (6–7) 6 Vgl. Neumann 2005, 90, zu Forsters ‚Versuch‘ einer „zukunftsweisende[n] Vermittlung zwi schen Universalität und Individualität“: „Das ist ein Geschäft, an dem auch heute noch fortzu arbeiten lohnt.“ 7 Vgl. Hans Erich Bödekers (1986, 298) prägnante Verallgemeinerung seines Resümees von Peitsch 1978: „Die Aufklärer reflektierten […] am Reisenden das Subjekt, das seine eigene Ge schichtlichkeit entdeckt.“ 8 Vgl. dazu Wolgin 1965, 116; Krauss 1968, 274.
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12 Georg Forster über das Europa der neunziger Jahre
ten, welche das bisherige Verhältniß zwischen den Regenten und ihren Unterge gebenen umzustoßen drohete“ (297). In diesem Bild werden die Außen- und die Innenperspektive, die in den zuvor im achtzehnten Jahrhundert dominierenden Konzepten der ‚balance of power‘ und der ‚civilization‘ getrennt waren, verknüpft; Europa geht weder in der Pentarchie der fünf – wie Forster synonym sagt – Rei che, Mächte, Höfe und Kabinette auf noch in der „Gelehrtenrepublik“, die Vol taire – auf dessen historische Schreibart sich Forster als Vorbild berief –9„trotz der Kriege und der verschiedenen Religionen […] in Europa entstehen“ sah: „Alle Wissenschaften, alle Künste haben sich“ – in Deutschland, England, Frankreich, Italien und Russland – „gegenseitig unterstützt und gefördert. […] Dieser innige Verkehr […] ist ein Trostmittel gegen die Übel, welche der Ehrgeiz und die Politik über die Erde verbreiten“, weil er dazu geführt habe, „daß die Menschen im ver gangenen Jahrhundert von einem Ende Europas bis zum anderen mehr an Ein sicht und Bildung gewonnen haben als in allen vorhergehenden“ (Voltaire 1989, 278–279). Wenn Forster von dem „in Europa überhaupt, besonders aber in Deutsch land, zu beobachtende[n] Gleichgewicht“ (AA VIII, 349) spricht, setzt er dieses nicht mehr – wie Voltaire – mit einem „christliche[n] Europa“ gleich, das „für eine Art Republik an[zu]sehen“ sei (Voltaire 1989, 196); Forster betont vielmehr die Kontinuität im Wandel von der „Universalmonarchie“ zum „System“ des Gleichgewichts: „Die neue Theokratie scheiterte endlich an der Verfassung von Europa. Ihre Vasallen waren Könige; […] allein die mächtigen Satrapen spotteten zuletzt der geistlichen Zwangsmittel, wodurch sie ehedem allmächtig war.“ (AA IX, 126–127) Wenn Forster den monarchischen Charakter von Universalreich und Gleichgewichtssystem hervorhebt, so stellt er die Differenz zwischen ‚balance of powers‘ und Staatenbund unter das Vorzeichen des Republikanismus. Die Frage allerdings, „ob ein entgegengesetztes System von republikanischen Grundsät zen etwa leichter eine allgemeine Verbrüderung des Menschengeschlechts zu einem allumfassenden Staatenbunde bewirken könnte“ (127), beantwortet er negativ. Forsters Reflexionen begrenzen den Staatenbund nicht auf Europa – im Unterschied zu den bis in die achtziger Jahre vorgelegten Entwürfen von Konfö derationen, die die Mängel des Gleichgewichtssystems überwinden sollten. Von Saint-Pierre bis Mably wurde gerade betont, dass die Bekämpfung der Gefahr von Universalmonarchien im Namen des Gleichgewichts regelmäßig zu Krie gen geführt habe; die Projekte zielten auf eine europäische Friedenssicherung durch Konföderationen – von vier bis fünfzehn Staaten (Bahner 1955, 162, 172);
9 Vgl. Forsters Brief an Christian Friedrich Voß vom 13. Juni 1791, AA XVI, 305: „mit Philosophie gesalzen“.
12.1 Abstand zu Europa-Konzeptionen des absolutistischen Gleichgewichts
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Saint-Pierre schrieb: „Das Gleichgewicht der Macht […] bietet keine hinreichende Sicherheit für die Erhaltung der Staaten“, es bedürfe der „Bildung eines dau ernden Bundes aller christlichen Staaten“ (159). Forster hingegen diskutiert den Staatenbund als „[e]ine Verfassung des gesammten Menschengeschlechts“ (AA IX, 128). In seiner Begründung der Undurchführbarkeit solcher Pläne – wie sie 1792 Anacharsis Cloots in seiner La république universelle vorlegte (Dietze 1989b, 56) –10 akzentuiert Forster weniger empirische Hindernisse als normative Vorstel lungen, auch wenn er zweideutig formuliert: „Ein politischer Mechanismus, der durch alle Individuen des Menschengeschlechts ginge, würde den Bewegungen aller eine Bestimmtheit und Regelmäßigkeit vorschreiben, welche sich mit der Art und Weise, wie unsere Kräfte sich entwickeln, nicht wohl zusammen den ken läßt.“ (AA IX, 127) Forster assoziiert „Gleichförmigkeit“, „Einseitigkeit“, „Beschränktheit“ (127), „Gleichgewicht“ und „Mittelmäßigkeit“ (128) mit der Universalrepublik – die er in dieser Hinsicht mit der Universalmonarchie identi fiziert – und setzt ihnen „Mannigfaltigkeit“, „Kontraste“, „Größe“ und „Erhaben heit“ entgegen (128) – ohne die entsprechenden Beziehungen zwischen den Staa ten Europas und der Welt insgesamt begrifflich zu fixieren. Es muss auffallen, dass Forster hier nur auf der Ebene des Individuums – wiederum mit der Lebens alter-Analogie – und mit den Beispielen großer Männer argumentiert: „Dort, wo alles einen gemeßneren Schritt als bisher halten müßte, dort würden diese Kräfte schlummern oder doch nie zu ihrer Reife gelangen; […] nur im Streit entgegen gesetzter Begierden und Vorstellungsarten offenbart sich die Vernunft in ihrer erhabenen Größe. […] Excentriciät ist daher eine Bedingung, ohne welche sich der höchste Punkt der Ausbildung gewisser Anlagen nicht erreichen läßt“ (128). Im Ausschluss von Universalmonarchie und Universalrepublik amalgamiert Forster die normative Vorstellung von der Entwicklung des Individuums mit der historischen Unterscheidung von „Stufe[n] der Cultur“ (AA VIII, 302);11 grundle gend für beide sind die Merkmale der Konkurrenz und der Dynamik, des Wett streits auf einer „Laufbahn“ (AA IX, 307). Im Kommentar zum Porträt Josephs II. heißt es in den „Erinnerungen“: Verglichen mit Frankreich, England, Holland und dem Norden von Deutschland, sah er seine Staaten auf einer sehr niedrigen Stufe der Cultur: in Ungarn und Böhmen war die Masse des Volkes zur härtesten Sklaverei herabgewürdigt; in Östreich und Belgien schleppte sie das schwere Joch des Aberglaubens und der Sinnlichkeit. Joseph erkannte im Menschen
10 Vgl. jedoch zu „Kosmopolitismus und Identifizierung mit den sozialen Aspirationen der Sansculotten […] als zwei Seiten der gleichen Medaille“ bei Anarcharsis Cloots und Eulogius Schneider: Grab 1984, 165. 11 Vgl. zur Begriffsgeschichte Bollenbeck 1996, 71, 74, 84.
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12 Georg Forster über das Europa der neunziger Jahre
die Fähigkeit zur sittlichen Vervollkommnung und die unbegreifliche Würde der Vernunft, gegen welche gerechnet, da sie Allen gegeben ist, die zufälligen Unterschiede der Gesell schaft ihm unbedeutend dünkten. (AA VIII, 302)
Wenn dieser Kommentar die naturrechtliche Norm der Entwicklung in den Vor dergrund stellt, werden die historischen Faktoren zur Erklärung der Verhinderung ihrer Einlösung. Demgegenüber akzentuiert eine der Europa-Reflexionen der Ansichten am Beispiel Hollands die „nothwendige[…] Verkettung der Umstände“, die „zur Entstehung eines Volkscharakters mitwirken“ (AA IX, 307);12 aber obwohl Forster jeder Wertung eine ausdrückliche Absage erteilt, wenn er voranschickt: „wie sehr man Unrecht hat, den späten Enkeln eine Schuld beizumessen oder auch ein Lob zu ertheilen“, fällt seine Beschreibung massiv wertend aus: Jetzt befinden sich die Holländer in der Lage aller spät reifenden Völker; indem sie aus jenem vegetirenden Leben erwachen, sehen sie ihre Vorgänger in der Laufbahn des Genus ses als Muster an, denen sie mit verdoppelten Schritten, oder vielmehr mit einem Sprunge, nacheilen wollen, und diese unglückliche Nachahmung stört sie in dem ruhigen Gange der ihnen angeeigneten Entwicklung. (307)
Der Begriff der Reife verknüpft das Konzept des Volks- oder Nationalcharakters mit dem der Vernunft und des „Volkswillens“ (AA VIII, 286), indem das Beson dere mit dem Allgemeinen in einer historischen Reihe von Stufen der Kultur ver bunden wird; aber die scheinbar beschreibende Kategorie des – klimatisch deter miniert gedachten – Charakters erweist sich wiederum als normativ aufgeladen, nur vermeintlich relativistisch, weil de facto eine universalistisch gedachte Norm enthaltend: „Dem physischen und klimatischen Naturell der Holländer, wie ihrem besonnenen Gemüthscharakter, ziemte die äußerste Simplicität; ihre Kul tur durfte sich nie von dieser Grundlage entfernen“ (AA IX, 308).
12.2 Nationalcharakter als Bedingung der Emanzipation: Kulturelle Reife und politische Mündigkeit Während die Einforderung der Menschenrechte – einschließlich der politischen Beteiligungsrechte – den Kern von Forsters naturrechtlicher Argumentation aus macht, tritt auf der Ebene der historischen Beschreibung der nach Reife und Unreife unterschiedenen Volksbewegungen der Volkscharakter in seine Rechte. Wenn in „Revolutionen und Gegenrevolutionen“ von den Bewegungen in Hol
12 Zum „Nationalcharakter“ Hollands vgl. Groenewold 2006, 490–495.
12.2 Nationalcharakter als Bedingung der Emanzipation
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land, Lüttich, Brabant, Frankreich, Ungarn, Polen und Schweden die ersten drei besonders ausführlich dargestellt werden (die ja auch den Gegenstand der Ansichten vom Niederrhein bilden),13 entfallen von den 26 Abschnitten der „Erin nerungen“ zwei auf Brabant, je einer auf Ungarn und Schweden und fünf auf Frankreich; Chodowieckis Kupfer fixieren bis zu einem gewissen Grad die Auf merksamkeit auf die ‚großen Höfe‘ des europäischen Gleichgewichts, auf Eng land (mit drei Abschnitten), Österreich (mit sechs), Russland und Preußen (mit je zwei Abschnitten); aber daneben treten einerseits zwei Abschnitte zu den USA, andererseits einer zum Bauernaufstand in Sachsen. Der Kommentar zum Porträt Benjamin Franklins14 hebt die universelle Geltung des Naturrechts hervor: Das Licht, welches er verbreitete, blieb nicht in Einem Welttheil verschlossen […]. Was er […] für die Rechte vernünftiger Wesen, für die höchste Gerichtsbarkeit selbst der Vernunft, für die Freiheit des Menschengeschlechtes gesprochen und mit unwiderlegbaren Gründen für seine Mitbürger insbesondere sonnenklar bewiesen hat, das steht auch diesseits des Oce ans fest, als ein ewiger Damm gegen die Tyrannei der willkührlichen Gewalt. (AA VIII, 311)
Forsters Darstellung der „Dämpfung des Sächsischen Bauernaufstandes“ (295), den er als „[e]rnsthafter“ (298) in den Zusammenhang eines „noch so leise[n] Anfang[s] einer Volksbewegung in Deutschland“ (297) bringt, rekurriert auf den Nationalcharakter: Glücklicher Weise, oder, wenn man einige Rücksicht auf unsere Verfassung und unsern Cha rakter nimmt, natürlicher Weise, hatte die Widersetzlichkeit der Bürger in Trier, der Bauern bei Gengenbach, der gräflich Leyenschen Gemeine zu St. Ingbrecht und der Saarbrücki schen Unterthanen gegen ihre Regierungen, keinen Einfluß auf die Ruhe von Deutschland, kein Symptom, das sie zu Revolutionen qualificirte, und nicht einmal die Absicht, die ein mal bestehenden Verhältnisse zu durchbrechen“ (297–298).
Forster stellt eine Entsprechung zwischen der charakterbedingten Art der Bewe gungen und ihrer als maßvoll geschilderten Unterdrückung her – zwischen Unreife und Vormundschaft:
13 Anhand der Darstellung Brabants verteidigt Anke Gilleir Forsters Ansichten gegen post moderne Aufklärungs-Kritik – Forster „nimmt jeglichem postmodernen Einwand gegen den ‚blinden Fortschrittstrieb‘ den Wind aus den Segeln“ (2003, 182) – durch einen Bachtinschen Nachweis von Dialogizität: „Die Konfrontation mit anderen ideologischen Sprachen bildet den Hintergrund[,] vor dem der Autor eine eigene, dominante Argumentation entwickelt, die aber eben erst auf dieser Folie generiert werden kann und Bedeutung erhält. […] die Stimmen der Opposition […] fordern auf diese Weise die Anerkennung ihrer Existenz.“ (181) 14 Zu Forsters Franklin-Bild vgl. Kahn 1958, Höhle 1985 und Werner 1987.
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12 Georg Forster über das Europa der neunziger Jahre
Diese musterhafte Mäßigung bei völligem Bewußtseyn der Übermacht rührte die Herzen der Unterthanen, die er [Kurfürst Friedrich August], wie ein guter Vater seine irrenden Kinder, durch sanfte Zurechtweisung nur noch fester an sich zog. Wohl dem Volke, das so regiert wird, und so regiert zu werden verdient! und wohl dem Fürsten, der im Geringsten seiner Untergebenen, selbst wenn Leidenschaft sie verführt, den Menschen zu ehren nie vergißt, und lieber die Vernunft überzeugen und das Gefühl gewinnen, als den Willen gewaltig und eigenmächtig zwingen mag! (298)
In Forsters Benutzung der Mündigkeitsmetapher liegt die Möglichkeit solcher kompromisshaften Formulierungen begründet, die eine Publikation unter preu ßischer Zensur erlaubten. Zugestanden wird in ihnen eine historisch begrenzte Rolle des Vormunds,15 nämlich „die Reife der ihnen anvertrauten Nation zu beför dern und ihr die Ausbildung zu geben, welche sie dereinst in Stand setzen kann, ihre wahre Bestimmung zu erreichen“ (297). Jan Philipp Reemtsma hat ähnliche Zitate eingebaut in eine „psychologische“ (Reemtsma 1998, 49) Entlarvung von Forsters Leben und Werk nach der Weltreise als deren „unerfreuliche Appendi ces“ (52); die Beziehung zum Vater – gedeutet unter dem politisch für die BRD wie für den Interpreten relevanten Schlagwort vom „Generationenbruch“ als „Wiederholungszwang“ (75) – soll auch die „Phantasie von den Fürsten/Vätern“ erklären, „die ihre Kinder in die Welt entlassen – so ausgebildet, daß sie darin nicht untergehen“ (76): „Georg hat sich leider immer seinem Vater zu nah gefühlt, wollte immer weg von ihm und konnte es doch nie so recht.“ (62) Reemtsmas Nähe zum eigenen Vater spricht aus dem Einwand, den er – exakt in dem Forster vorgeworfenen „bauchrednerischen Ton“ – gegen Forsters Beitritt zum Mainzer Jakobinerklub macht: „Alexander von Humboldts Bruder Wilhelm weiß zu sagen, was an Georgs Verhalten auszusetzen ist. Nicht, daß er ein Revolutionär gewor den wäre […]. Auch nicht, daß er sein Vaterland verraten hätte – das war (noch) nicht so arg. Aber seine Illoyalität gegenüber den jeweiligen Arbeitgebern, die war doch langsam auffällig“ (65). Gerade weil Forster die Lebensalter-Metaphorik reflektiert, wird die psycho logische Interpretation zu einem nicht nur politischen Rückfall hinter die Ein sicht des Textes; sie muss alle Signale von Ironie (auf deren Bedeutung in den „Erinnerungen“ Hans-Jürgen Geerdts schon 1955 aufmerksam gemacht hat)16 geflissentlich überlesen. „Deutschland“ nennt Forster einen „Fall[…] großer Kinder, die man in ihrer Erziehung vernachlässigt hat“, um dann in einem ironi schen Fürstenlob fortzufahren:
15 Vgl. zu dem Paradox bei Forster Garber 1974, 190–191. 16 Vgl. Einwände gegen Geerdts 1955 in den Kommentaren von Gerhard Steiner (Forster 1967– 1970, Bd. 3, 889) und Siegfried Scheibe (AA VIII, 461) sowie von Pickerodt 1994.
12.2 Nationalcharakter als Bedingung der Emanzipation
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Für uns giebt es in der Tat keine heilsamere Überzeugung als diese, daß wir wirklich als Nation noch minderjährig und von dem Zeitpunkt unserer Mündigkeit noch weit entfernt sind. Eine solche Gesinnung ist nicht nur unserm gesetzten Charakter und der Unbefangen heit unserer Herzen angemessen; sondern sie erwirbt uns zugleich die Achtung der pflicht beladenen Menschen, denen die Vorsehung unsere Führung anvertraut hat. Den edlen und wohldenkenden unter ihnen sind bescheidene, kluge, ehrliebende, lehrbegierige, tugend hafte und wohlgesittete Mündel von gewissen Jahren vielmehr Freunde als Pflegekinder; sie bindet gegenseitiges Zutrauen, Herzlichkeit, Liebe. […] Kein Land rühmt sich so vieler guter Fürsten, als gegenwärtig unser Vaterland; man fordert keine Beweise von einer Behaup tung, wovon Deutschland überzeugt ist. (AA VIII, 296–297)
Forsters – spätestens im Schlusssatz unüberhörbare – Ironie verbindet die Frage der – noch nicht reifen – Nation mit denen des Volkscharakters und der Liebe zu einem Vaterland der Fürsten. In beiden Beziehungen zeigt sich die Spannung zwi schen einem demokratischen und einem kulturell-ethnischen Begriff der Nation. Die Wertung eines Nationalcharakters geschieht durch seine Einordnung in eine – letztlich hierarchisch gedachte – Stufenfolge der Kulturen; sie hängt nicht nur davon ab, ob „das Volk […] sich für majorenn erklärte“ (295), sondern ob sein Charakter diese Emanzipation ermöglicht.17 In die Beschreibung des Charakters als Bedingung der Möglichkeit von Mündigkeit – bürgerlicher und politischer Freiheit – gehen ethnisierende Annahmen ein, die mit der Bewertung der jewei ligen Kulturstufe zusammenhängen. Auch wenn Forster auf das traditionelle Reservoir nationaler Stereotypen zurückgreift,18 wird seine Auswahl, Anordnung und Wertung vor allem durch die kulturhistorische Einstufung des jeweiligen Landes bestimmt. Die Hintergrundvorstellung dieser Kulturstufen ist ökonomi sche Konkurrenz, die jene Dynamik hervorbringt, die Forster als Wetteifer um die Entwicklung beschreibt. Entscheidende Konsequenz für das Europa-Bild Fors ters ist einerseits die Annahme,19 dass der Handel – als der wichtigste Modus der
17 Vgl. Montesquieu 1965, 289: „Sache des Gesetzgebers ist es, dem Geist der Nation entgegen zukommen, falls dieser nicht im Gegensatz zu den Regierungsprinzipien steht.“ Als Faktoren, die den Charakter bestimmen, nennt er (288): „Klima, Religion, Gesetze, Staatsmaximen, Bei spiele aus der Geschichte, Sitten, Lebensstil“; zu Forsters Auffassung hierzu in den Ansichten vgl. Peitsch 1978, 378–380; Condorcets Kommentar zu Montesquieu behandelt Klima und Natio nalcharakter als Vorurteile, so dass Todorov (1993, 25–26) ihn in die Reihe derer stellt, die – wie Saint-Simonisten und Comtesche Positivisten – nur „a single truth“ über die Regierungsform kannten – „independent of time and place“. 18 Vgl. als zeitgenössisches Beispiel Kant 1983a, 658–671; zu den Traditionen Richards 1992 und Stanzel 1998. 19 Vgl. Bahner 1955, 192, zum Physiokratismus; Hirschman 1984, 68, 70, 82, 90, zur verbreiteten Auffassung von Handel (Austausch) als Antonym von Gewalt und als Synonym von Entwicklung (vs. Unterentwicklung/Barbarei).
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Verknüpfung der Länder Europas – die Friedlichkeit der Entwicklung garantiere, andererseits der Ausschluss der nicht-europäischen Welt aus dieser ökonomi schen Pazifizierung.20 Aus dem Kulturstufenmodell erklärt sich die Ablehnung der Universalrepublik, insofern Forster die zur bürgerlichen und politischen Frei heit ‚unreifen‘ Völker entweder der ‚Vormundschaft‘ – der Kolonialherrschaft – oder schlicht der „Willkühr des Stärkeren“ (AA IX, 128) ausliefert.21 Bevor an der Bewertung von Nationaltracht22 in Holland, Schweden, Ungarn und Polen die Widersprüchlichkeit von Forsters Begriff der Nation gezeigt und an seinen Vergleichen mit nicht-europäischen Ländern Asiens und Ozeaniens die Norm der kulturellen Entwicklung präzisiert wird, soll knapp die widersprüchli che Verwendung des Begriffs Vaterlandsliebe dargestellt werden.
12.3 Widersprüchliche Verwendung des Begriffs Vaterlandsliebe Auf der einen Seite stellt Forster – in Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch der Jakobiner, aber auch einiger von ihm geschätzten französischen Aufklärer –23 wiederholt fest, „nur freie Nationen haben ein Vaterland“ (AA VIII, 286), auf der anderen Seite benutzt er die Begriffe Vaterlandsliebe und Patriotismus auch für die Loyalität des Untertanen zum Fürsten.24 In der Kommentierung von Chodo wieckis Kupferstich Menschenfreundliche That eines Deutschen Fürsten – auf dem ein solcher inkognito einer Dienstbotin ihren Wäschekorb über eine Frankfurter
20 Vgl. Marx und Engels 1969, Bd. 3, 58: „die einzelnen Nationen teilten sich durch lange Kämpfe in den sich öffnenden Weltmarkt. […] in letzter Instanz wurde der Konkurrenzkampf durch Krie ge […] geführt und entschieden.“ 21 Vgl. die Verfassung von 1791, Titel VII, Artikel 8, zitiert nach Markov 1982, Bd. 1, 183: „Die Kolonien und französischen Besitzungen in Asien, Afrika und Amerika sind, obgleich Teile des Französischen Reiches, in der vorliegenden Verfassung nicht inbegriffen.“ Eine abweichende Einschätzung vertritt Morgan 1992, 83, der Forster in seinen Mainzer und Pariser Briefen für „a federation of revolutionary republics, autonomous in terms of culture, language and ethnicity, but sharing the same political goals“, eintreten sieht. Bedeutsam scheint mir Morgans Insistie ren darauf, dass sich in Forsters Begriff von Nation ethnisch-kulturelle und politische, demokra tische Merkmale verbinden. 22 Vgl. dagegen Stanzel 1998, 107, der auf die „Nationaltracht“ verfällt, um die produktive Li terarizität von Stereotypen zu behaupten: „daß die Nationalcharakteristiken der V[ölker]T[afel] einem Autor einen reichen Fundus an farbigen Figuren, gleichsam in Nationaltracht, für eigen willige oder pittoreske Charaktere anzubieten hat“. 23 Vgl. Robespierre in Fischer 1974, 345; Bahner 1955, 191, zu Holbach. 24 Vgl. zu diesem Begriff Sahmland 1990, 97.
12.3 Widersprüchliche Verwendung des Begriffs Vaterlandsliebe
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Mainbrücke zu tragen hilft – steigert Forster jedoch die Ironie zur Infragestellung eines Patriotismus, der den Nationalcharakter durch Loyalität bewährt: […] die Loyalität, womit wir von unsern Herrschern, wie von der Dame unseres Herzens, glauben und gegen die ganze übrige Welt behaupten, daß ihres Gleichen nicht auf der run den Erde zu finden sey […], häuft jährlich einen artigen Schatz zum Deutschen Panegyricus. […] Die Einwohner von Sachsenhausen, ein Völkchen, das im Ruf altdeutscher Treuherzig keit und kunstlosen aber prüfenden Biedersinnes steht, liebten diesen Menschen noch im Pomp seiner Würde – und die Stimme eines rauhen, unbestochenen Volks ist heilig und wahr. (291–292)
Dagegen setzt Forsters Beschreibung des Chodowieckischen Sujets die sarkasti sche Entlarvung der Menschlichkeit des Fürsten als Maskerade: Dort in Frankfurt, wo man damals unsere Fürsten nur als Halbgötter, weit über die Sterb lichkeit erhaben, in ungewohnter Pracht einherziehen und schimmern oder funkeln sah, war es eines Morgens ein überraschender Anblick, auf der Brücke, die nach Sachsenhausen führt, eines von diesen überirdischen Wesen, als Mensch verkleidet […] zu sehen. (291)
Ein Widerspruch zeigt sich auch in der Außenbeziehung der beiden Vaterlands lieben – während die ‚loyale‘ – die soziale und politische Ungleichheit im Inne ren ignoriert – einen Hass auf andere Völker bedeutet, begründet die ‚freie‘ der bürgerlich Gleichen Brüderlichkeit zwischen den Nationen.25 Forster zitiert nicht nur, sondern macht sich durch eine vergleichende Reflexion ausdrücklich zu eigen, was der Pariser Bürgermeister Bailly, der am 10. November 1793 hingerich tete Astronom (Soboul 1973, 114, 307), den Markov (1982, 152) einen der „Götzen der großbürgerlich-liberalen Synthese“ nennt, in seiner Rede zur Verleihung der Bürgerkrone an den Briten Nesham sagte: „daß freie Völker Brüder sind“ (AA VIII, 269).26 Forsters Reflexion differenziert einerseits politisch-sozial zwischen in Deutschland wie in Frankreich bezogenen Standpunkten zur ‚Volkssache‘ und setzt andererseits Nationalhass und Menschlichkeit wie Charakter und Natur recht entgegen; der Kommentator, der an einer Stelle den Kupferstecher direkt kritisiert, wenn er ihm vorwirft, „unserm Nationalbegriff von Parisischen Karrika turscenen Genüge [zu] leisten“ (288), spaltet sich auf in einen ironisierten ‚echten Deutschen‘ und einen enthusiastisch seine – den privilegierten Ständen abge sprochene – Natur bekundenden Menschen:
25 Vgl. die Porträts Franklins, AA VIII, 450, und Mirabeaus, 508, jeder als „Wohlthäter seines Vaterlandes“ „Mitarbeiter […] am großen Vollendungswerke menschlicher Glückseligkeit“, 450. 26 Vgl. zum Sprachgebrauch der Jakobiner Todorov 1993, 188.
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Bekennen wir es nur: bei diesen Worten, die hier freilich wohl, nach der Logik eines neueren Schriftstellers [Edmund Burke] über die Revolution, schon darum Worte ohne Sinn heißen sollten, weil ein Freund der Volkssache sie sprach, bei diesen Worten kön nen wir uns selbst, trotz dem ächten Deutschen Franzosenhasse, des Wunsches nicht ganz entschlagen, entweder an Nesham’s oder an Bailly’s Stelle gewesen zu seyn. Dies ist ein Naturfehler, den wir vermuthlich mit der sehr großen Majorität unserer Mitgeschöpfe gemein haben, und der uns dagegen unfähig macht, mit jenem klugen Manne zu sympa thisiren, welcher Paris mähen und die Pariser mit Heu füttern wollte. Hierzu gehört eine glückliche Entwöhnung von allen Schwachheiten der mitleidigen und theilnehmenden menschlichen Natur! Gewiß, dahin gelangen nur die wenigsten Menschen; denn im gro ben Hemde und im gröberen Kittel, bei spärlicher, einfacher Nahrung, läßt sich das Kind der Mäßigkeit, diese ungeschlachte Fühlbarkeit, diese armselige Humanität, nicht ganz vertilgen. (269)
Die an den Patrioten Franklin und Mirabeau akzentuierte Verbindung von Ver nunft, Tugend und Freiheit in der Vaterlandsliebe lässt den Dienst des einzelnen an den Mitbürgern im Opfer gipfeln: Forsters Kommentar zum Stich Desille’s patriotischer Tod in Nancy bemüht sich um eine Abgrenzung vom Soldaten-Tod für das Vaterland des Fürsten, wenn er den tödlich endenden Versuch eines Offiziers beschreibt, „alles Blutvergießen zu verhüten“ (290): Aus Enthusiasmus für gewisse Grundsätze, aus Partheigeist, aus Erbitterung, Haß oder irgend einer Leidenschaft, die zum Handeln antreibt, können viele Heldenthaten entsprin gen; aber diese Weihung zum Tode, die aus einem so sanften, reinen, unvermischten Gefühl der Bruder- und Vaterlandsliebe hervorgeht, diese Bürgertugend, die den Frieden der Brü der so theuer erkauft, ist eine seltenere und wenn gleich minder glänzende, dennoch der Bewunderung und des Theilnehmens würdige Erscheinung. (290–291)
12.4 Widersprüchlichkeit von Forsters Begriff der Nation: Bewertung von Nationaltracht in Schweden, Ungarn und Holland In seinen Considerations sur le gouvernement de Pologne benutzte Rousseau 1772 ein Beispiel für Patriotismus, das auch in Forsters Texten 1791–1792 eine auffäl lige Rolle spielt: die „Nationaltracht“ (338). Rousseau behandelte die Kleidung als eine der, wie Todorov schreibt, „forms of social life that help attach the citizen to his country (so long as they are forms specific to that country and to no other), by making the cultural and the political coincide. Rather than feeling like a ‚man‘, the citizen formed in this way will feel like a Pole […]: ‚This is to say: you must turn a certain execrable proverb upside down, and bring each Pole to say from the bottom
12.4 Widersprüchlichkeit von Forsters Begriff der Nation
269
of his heart: Ubi patria, ibi bene‘“ (Todorov 1994, 181).27 Rousseau empfahl Erzie hung zum Patriotismus durch Kleidung auf eine Weise, die Forsters Verwendung des Sprichworts in einem – wenige Wochen nach Abschluss der „Erinnerungen“ geschriebenen – Brief an seinen Verleger Voß geradezu diametral widersprach; Voß hatte mit dem – in den „Erinnerungen“ porträtierten – preußischen Minister Graf Hertzberg von Forster gewünscht: „daß Sie ein guter Preuße bleiben mögen!“ (AA XVII, 248), Forster antwortete: „Ubi bene ibi patria, muß der Wahlspruch des Gelehrten bleiben; er bleibt es auch des freien Mannes, der in Ländern, die keine freie Verfassung haben, einstweilen isolirt leben muß.“ (249) Im Unterschied zu diesem Brief vom 21. November 1792, der das Vaterland pat riotisch – den Mitbürgern zu nützen: „ein guter Bürger zu seyn“ – und kosmopoli tisch – allen Menschen und Völkern „Frieden“ zu wünschen: „so bin ich ein guter Preuße, wie ich ein guter Türke, Ruße, Chineser, Marokkaner, pp. bin“ (249) – an die Grundsätze einer freien Verfassung bindet – ohne Rücksicht auf Geburts- und Wohnort,28 spielt in den drei vorher entstandenen Texten der Nationalcharakter eine wesentliche, wenn auch schon widersprüchliche Rolle, wie Forsters Behand lung von ‚Nationaltrachten‘ in Schweden, Holland und Ungarn zeigt. In einer mit positiven Wertungen durchsetzten Darstellung von Gustavs III. Versuch, „das Joch einer mit sich selbst uneinigen, theils von Frankreich, theils von Rußland besoldeten Aristokratie“ (AA VIII, 336) abzuschütteln und „von Bauern und Bürgern unterstützt, den kühnen Schritt zum unumschränkten Des potismus“ (341) zu unternehmen, zählt Forster zu den Erfolgen des Monarchen, „durch seine Nationaltracht einen Geist der Gleichheit und der Sparsamkeit, wo nicht einzuflößen, doch wenigstens seinen Schweden zu empfehlen“ (338). Die antiaristokratisch-moralisch begründete Wertschätzung weicht aber in Forsters Darstellung entschiedener Kritik, wenn auch die militärische Eroberungspolitik Gustavs III. aus der Tradition erklärt wird: „eine[r] Stimmung, die vor Zeiten all gemein bei allen edlen Gemüthern herrschte, jetzt aber kaum noch anderswo als in Romanen angetroffen wird“ (338). Indem Forster die Außenpolitik des Monar chen als „abentheuersüchtige[n] Rittergeist“ (338) kennzeichnet, verschwindet der Unterschied zur Aristokratie, und die Zustimmung von Bürgern und Bauern wandelt sich in eine Illusion, für deren Kosten sie aufzukommen haben:
27 Vgl. zu Voltaires Berufung auf das Wort Ciceros Fink 1996, 154. 28 Vgl. zu Forsters Kosmopolitismus Kleingeld 1999, 515–517, die ihn als kulturell typologisiert; eine Interpretation des Briefes, die dieser Einschätzung widerspricht, liefert Morgan 1992, der allerdings, was Forsters politischen Kosmopolitismus angeht, nicht so weit geht wie Gilli 1983 und Garber 1988a.
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Des Königs Ehrgeitz schmeichelte der Liebe seiner Nation für das Andenken ihrer Gustave und ihres Karl; ihr ganzer Stolz ward rege, indem sie sich die Auffrischung des alten Schwe dischen Waffenruhms gedachte. […] Allein der brennende Durst nach Heldenruhm ward die herrschende Leidenschaft seiner Seele, gegen welche ihm das Wohl seiner drei Millio nen Menschen nur leicht zu wiegen schien. Täuschender Glanz mußte zu gleicher Zeit die Stelle des soliden Werthes vertreten und des Hofes Pracht jene Millionen verschlingen, die man aus den harten Händen des armen Hüttenbewohners bei einzelnen Groschen erpreßte (338–339).
In „Revolutionen und Gegenrevolutionen“ formuliert Forster die Kritik verdeck ter, aber kaum weniger grundsätzlich: „Schon halb gewonnen durch ihren eite len, schwärmerischen Nationalgeist, konnten die Schweden den Lockungen königlicher Rednerkünste und dem Rauschen des Heldenmuths in nickenden Federbüschen nicht widerstehen.“ (236) Wenn im Falle Schwedens die ‚unsolide‘ Eroberungspolitik in Gegensatz zur der Nationaltracht abgelesenen egalitären Moral von ‚Sparsamkeit‘ gesetzt wird, so deutet Forster die Kostüme der Ungarn auf dem Stich von der Krönung Leo polds II. zum ungarischen König als „retroaktive Anspielung […] auf den Revolu tionsgeist der Ungarn und ihren soliden Charakter“ (294; vgl. Kapitel 11). In der Diskussion des Luxus in Holland geht Forster dagegen von einem „Kon trast zwischen der erborgten Kleidung und […] dem Charakter“ (AA IX, 309) aus. Während er den „Volkscharakter“ von „rauher, unzierlicher, republikanischer Einfalt“ bestimmt sieht und positiv als „verführerisch“ wertet (307), stellt er die „Kleidermoden“ als – wie in anderen europäischen Ländern – „aus Frankreich“ „entlehn[t]“ (309) dar. Als Teil des moralisch negativ gewerteten Luxus wird die Mode über die Kleidung hinaus verallgemeinert: „Der bunte, kleinliche Luxus der Mode, der glatte Firniß herzloser Sitten, die wortreiche Leere der Ideen des Tages stehen ihnen wie erborgte Kleider.“ (308) Im Begriff des Charakters werden Natur und moralischer Wert eins; die Wendung von Kleidung ins Metaphorische beschränkt den Gegensatz zwischen Fremdem und Eigenem nicht auf Holland: „Der nachgeahmte Luxus, der nicht mit originellem Kunstsinn bezeichnet ist, […] erscheint nie an rechter Stelle, und bleibt dort immer fremd, wo man ihn nicht erfand.“ (309) Forster rekurriert auf das „specifische[…] Gepräge“ der „Natio nen“, „womit die Natur und das Schiksal sie von einander ausgezeichnet haben“; was er als kausal determiniert auffasst – das „physische[…] und klimatische[…] Naturell“ – wird im Begriff des Charakters zur „Norm“: „Allen Deutschen und Nordischen Völkern (fast möchte ich auch die Engländer mit einschließen) macht […] ihre Organisation und ihre ganze Geistesanlage einen edleren Ernst und eine überlegte Einheit des Betragens zur natürlichen Pflicht“ (308). Hier – wie an anderen Stellen, wo Forster den Primat der Organisation oder Anlage gegenüber anderen Faktoren, die den Volkscharakter prägen sollen,
12.5 Vergleiche mit nicht-europäischen Ländern
271
annimmt – stellen sich Sammelbezeichnungen für europäische Völker ein, die auf das vorchristliche Europa verweisen: Forster kennt nicht nur nordische, son dern auch germanische, fränkische (AA VIII, 285), gotische und slawische sowie tatarische (236). In den Stammesbezeichnungen siegt ein angeborener – unver änderlicher – Charakter über den Einfluss der determinierenden, verändernden Umstände, auch des Klimas: Seitdem sich in den gemäßigten und fruchtbaren Gegenden von Europa große Reiche gebil det haben, ist der Einfluß der Gothischen Könige des Nordens auf die Schicksale unseres Welttheils an und für sich so unbedeutend geworden, wie die geringe Bevölkerung ihres undankbaren, von Eise starrenden Bodens ihn von Natur schon bestimmt zu haben schien. Allein der alte Heldengeist, womit die kühnen, freien Bewohner jener Länder ehedem im zügellosen, übermüthigen Mißbrauch ihrer Kräfte, die sanfteren, schwächeren, vom Acker bau sich nährenden und verhältnißmäßig mehr gesitteten Nationen um sich her überfie len, sie beraubten und ihre Schifffahrt und Handlung auf der Nordsee und dem Baltischen Busen zu Grunde richteten, lebte noch je zuweilen in ihren Königen wieder auf. Als Livland noch eine Provinz des Schwedischen Reiches war, und Sigismund zugleich in Schweden und in Polen herrschte, schien eine Aussicht zur Vergrößerung sich aufzuthun, die aber wegen der unverträglichen Ungleichartigkeit der Gothen und Slaven fast augenblicklich wieder verschwand. (336)
Die Brisanz dieser Behauptung natürlicher Unterschiede ergibt sich aus Fors ters durchgängiger – und keineswegs nur auf das Verhältnis zum aufgeklärten Absolutismus beschränkter – Relativierung des Naturrechts: „Der unwiderleg bare Satz des Naturrechts, daß alle wirklich existirende vernünftige Wesen auf ein ungehindertes Daseyn und auf die dazu gehörigen Erfordernisse gleiches Anrecht haben“, werde „näher bestimmt und eingeschränkt durch die ebenso unläugbare Verschiedenheit der Anlagen und Kräfte, welche verschiedene Kreise der Wirksamkeit notwendig vorschreibt“ (261).
12.5 Vergleiche mit nicht-europäischen Ländern: die Norm der kulturellen Entwicklung Alle drei Texte Forsters werden durchzogen von – manchmal nur knapp, fast metaphorisch formulierten, manchmal über Seiten hin ausgeführten – Verglei chen zwischen europäischen und nicht-europäischen Ländern. Dabei fällt auf, dass sich das nicht-europäische Material beschränkt einerseits auf Asien, insbe sondere China und Indien, andererseits Ozeanien, genau genommen ausschließ lich auf Tahiti. Asien reduziert sich in diesen Anführungen auf das Phänomen des Despotismus, das begrifflich und vor allem in Personennamen – wie „Attila, Dschengiskhan und Timur“ (320) – erscheint; aus Tahiti hingegen wird immer
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12 Georg Forster über das Europa der neunziger Jahre
wieder das Verhalten der Einwohner im – ökonomischen – Austausch mit Euro päern zitiert. Nicht weniger auffällig ist die Begrenztheit des europäischen Ver gleichsmaterials: In Beziehung zu asiatischen und ozeanischen Verhältnissen und Verhaltensweisen gesetzt wird ausschließlich die Aristokratie Europas. Der Vergleich trägt eine massive Wertung, insofern er mit dem Modell von kulturhis torischen Stufen arbeitet: Das Bedürfniß, mehr zu umfassen, als der jedesmalige Erdpunkt auf dem wir wurden, uns gewähren kann, […] macht uns zu Menschen; und je kräftiger es sich in uns regt, desto tiefer lassen wir die bloße Thierheit unter uns zurück. Durch diese Streben ist der Russe in Kamtschatka dem Bewohner der Aleyutischen Inseln überlegen […]. Wenn der Wilde in träger Gleichgültigkeit nach seiner Jagd oder von seinem Fischfang ausruht, so ist es nicht zu läugnen, diese Beschäftigungen hatten ihn in dem Grade angestrengt, daß er den Reiz für fremde Gegenstände kaum mehr empfand. Hingegen die Indier, die Chineser […] und alle jene Völker, denen ihr gesegnetes Land eine ungeheure Verschiedenheit von Produkten im größten Überflusse darbot, bildeten sich schnell in ihrer eigenen Mitte, bis auf einen gewissen Punkt, wo die patriarchalische Autorität üppig ward und in einen Geist und Herz tödtenden Despotismus ausartete, der alle Kräfte des großen Haufens verschlang und ihnen ausschließender Weise nur zu seinem Nutzen eine Richtung gab. (AA IX, 97–98)
Forsters Vergleiche setzen, ohne es zu explizieren, das im achtzehnten Jahrhun dert geläufige Modell von drei Stufen der Entwicklung – von Wildheit über Bar barei zu Zivilisation – voraus, wie es z. B. der von Forster übersetzte Naturhis toriker Buffon vertrat (Todorov 1994, 99); Forster betont durch seine Vergleiche aber schärfer noch als der von ihm geschätzte Holbach (Bödeker 1991, 111) die Fortdauer von Wildheit und Barbarei in der Zivilisation: Die Nationen selbst, die als die zivilisiertesten gelten, bewahren zu ihrem Unglück nur zu viele Spuren der Wildheit […]. Ihre Oberhäupter, leben sie nicht gleich wahren Wilden in einem Zustand der Anarchie, den sie Naturzustand nennen, während nichts der Natur intel ligenter und vernünftiger Wesen entgegengesetzter ist? Ihre ständigen Kriege […], denen diese Souveräne so leicht ihr Glück und das ihrer Untertanen opfern, besagen sie nicht, daß sie größtenteils noch Kariben oder wahre Kannibalen sind? (Bahner 1955, 178)
Während Holbach die Reste der Wildheit in den Außenbeziehungen der Staaten des zivilisierten Europas erblickte, geht es Forster auch um deren innere soziale und politische Verhältnisse: „Die Barbaren im Orient“, heißt es in einer Passage zur Justiz in England, „die rohen, unter der Ruthe ihrer Despoten zur Unwissen heit verurtheilten Türken kannten diese Gräuel nicht […]; ihr Mitleid erstreckte sich bis auf die unvernünftigen Thiere, und nie verwechselten sie den ungückli chen Schuldner mit dem boshaften Friedensstörer. So viel mehr gilt der Mensch, wo der Mufti und der Großvisir so gut wie der ärmste Tagelöhner nur Sklaven ihres Sultans sind, als in unseren durch die Überreste des Feudalsystems gedrückten
12.5 Vergleiche mit nicht-europäischen Ländern
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Ländern, wo das Vorurtheil der Geburt alles Mitleid gegen die erniedrigte Klasse des Volkes erstickt.“ (AA VIII, 314) Wenn in Forsters Texten das europäische „barbarische[…] Feudalsystem“ (AA IX, 98) mit dem asiatischen Despotismus verglichen wird, wird ein Unterschied betont; der Despotismus erscheint im Gegensatz zum Feudalismus nicht als Inbegriff von „Verfassungen […], wo alles darauf abzweckt, die Metamorphose der Menschen in Hunde zu vollbringen“ (AA VIII, 324), wie Forster die „drückenden Privilegien der Feudalität“ nennt, „die ihren Ursprung aus einem rohen Zeitalter verrathen“ (308). Wenn dagegen euro päischer Adel und ‚Wilde‘ Tahitis verglichen werden, geht es Forster um Gleich setzung: beide Arten von ‚Wilden‘ versagen im ökonomischen Austausch: „Dem Wilden, der das Goldstück verachtet und dafür den eisernen Nagel ergreift, dem mangelt der Begriff vom relativen Werth beider Metalle“ (334), heißt es im Port rät Mirabeaus, auf den „[d]es Contrastes und nicht der Ähnlichkeit wegen d[…]er pendant“, der Führer der aristokratischen Partei Brabants Heinrich van der Noot, folgt; Forster ersetzt den Kommentar zu Chodowieckis Porträt durch den Ausruf: „laßt mir das Gold der Freiheit unberührt, und behaltet euren aristokratischen Nagel […]; ein Hängestück, kein Gegenstück“ (335, vgl. 294). Gerade in der Metapher von der schlimmer als barbarischen Wildheit der Feudalität wird erkennbar, wie Forsters zugleich demokratisch offener und kul turell eingeschränkter Begriff der Nation das Verhältnis von oben und unten innerhalb einer Gesellschaft mit deren Außenbeziehungen verknüpft: „[…] denn in despotischen Verfassungen nach altasiatischem Sinne, brütet unter der Decke einer gränzenlosen Unterwürfigkeit die unersättliche Aristokratie eines mächti gen Satrapenschwarms ihre furchtbaren Anschläge gegen den Alleinherrscher“ (321). Die Aristokraten Europas erscheinen in Forsters Darstellung nicht nur als die inneren, politischen und sozialen Unterdrücker von Bürgern und Bauern, sondern auch als Gegner der äußeren Unabhängigkeit. In „Revolutionen und Gegenrevolutionen“ wird das politische Verhalten der jeweiligen Aristokratie nacheinander mit folgenden Worten charakterisiert: „Abhängigkeit von mäch tigen Nachbarn“ (235), „von dem benachbarten Hofe […] auf[ge]muntert“ und „unterstützt“ (236), in „Aufruhr“, den „[a]uswärtige Kabinette […] [an]fachten“ (237), Gegenstand der „Aufwiegelungskünste […] der auswärtigen Politik“ (238) und „auswärtige[r] Unterstützung“ (240) sowie der „schlauen Anreizungen eifer süchtiger Nachbaren“ (242). In Belgien, Holland, Schweden, Ungarn und Polen stellt Forster die aristokratische Opposition gegen die Zentralgewalt als Voraus setzung und Folge von, wie er formuliert, „willkührliche[r] Einmischung einer fremden Macht in die innern Angelegenheiten eines Staates“ (240) dar. Den „Nationalhaß gegen die Ausländer“ erklärt Forster in Ungarn aus der – von Joseph II. im Despotismus seiner Reformpolitik bewiesenen – „Gering schätzung“ des Volks:
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12 Georg Forster über das Europa der neunziger Jahre
Allein je eifriger sich der grosse Kaiser um die Verwandlung seiner Barbaren in Menschen bemühete […], desto stärker wuchs der Nationalhaß gegen die Ausländer, die er zum Muster aufstellte, und von denen der rohe Dorfadel höchstens einige raffinirtere Laster und die Befriedigungsmittel seines prunkenden, geschmacklosen oder schwelgerischen Luxus ent lehnen mochte. (237)
Mit dieser Erklärung, die Widerstand gegen die Missachtung von Menschenrech ten rechtfertigt, schränkt Forster die Zustimmung zur josephinischen Sprachpo litik ein, in der sich Universalismus und kulturhistorisch auftretender deutscher Ethnozentrismus krass miteinander verbinden: „Er hatte es versucht, den Geist der Duldung unter ihnen auszubreiten, die Leibeigenschaft, diese Schande der Menschheit, abzuschaffen und den Ungarn mit der Deutschen Sprache statt ihres Finnendialekts und Küchenlateins, zugleich mildere Sitten und Kenntnisse, die des denkenden Wesens würdig sind, einzuimpfen.“ (236–237) Die Metapher der Blindheit in Forsters Resümee des belgischen Widerstands gegen die josephinischen Reformen markiert die Schwierigkeit des Aufklärers: „Jetzt“, meint er zum Scheitern des Aufstands, „fiel dem Volke die Binde von den Augen, die es so lange geblendet hatte; nicht für seine Freiheit, nicht für seine eigene Wohlfahrt hatte es gestritten, sondern für die Vorrechte der zu sei nem Nachtheil privilegirten Stände“ (250). Forster benutzt dieselbe Metapher des ‚Zaubers‘ (238), um einerseits die Blendung zu erklären, weshalb sich das Volk in „Unwissenheit und Barbarei“ und die Nation in „Ohnmacht“ befinde, und um andererseits die plötzliche Erleuchtung, die Entdeckung der Wahrheit, zu erklä ren, in der sich das Volk als Nation ‚emanzipiere‘; gilt einerseits: „Für die grosse Masse des Menschengeschlechts ist gewiß der Zauber unwiderstehlich, womit der Mächtige sie an sich fesselt“ (257–258), so heißt es andererseits, dass ein „Zauberschlag ihnen das Gefühl und den Geist der Freigebohrnen geben“ könne (241; vgl. Kapitel 11).
13 Französische und deutschen ‚Massen‘ in der Revolution: Bilder und Begriffe in Georg Forsters Schriften von 1793 über Paris und Mainz In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, als das Konzept der ‚Massen gesellschaft‘ entstand, bezogen sich Kulturkritiker und Philosophen vielfach auf das Paris der Jahre 1793–1794, um ihre Sicht auf die problematischen ‚Massen‘ zu belegen. Die Nennung einiger Namen genügt, um sowohl auf die Unterschied lichkeit der Themen, Motive und Darstellungsweisen hinzuweisen als auch auf die Gemeinsamkeit eines Interesses an der Beziehung zwischen Aufklärung und Revolution, ersterer als Werk einer intellektuellen Elite, letzterer als Aktivität von Massen.
13.1 Oswald Spengler, José Ortega y Gasset, Max Horkheimer und Walter Benjamin über Pariser Massen von 1793–1794 In Der Untergang des Abendlandes präsentiert Oswald Spengler die Jakobiner als angeblich offensichtlichen Fall erstens der zerstörerischen Natur der Massen der Großstadt (Spengler [1923], 1036), zweitens der Art des Geistes, die letztlich dem ‚großen Geld‘ diene (1066, 1079). Die Offensichtlichkeit der beiden Merkmale folgt aus Spenglers Annahme, dass die beiden Charakteristika auch für den Mar xismus zutreffen, und diese angeblich unbezweifelbare Identität lässt Spengler den jakobinischen ‚Beweis‘ der – kaum verhüllten – antisemitischen Gleichset zung von aufrührerischen Massen und Börsenkapital hauptsächlich in die Fuß noten seines Textes verbannen. José Ortega y Gassets Der Aufstand der Massen besteht darauf, dass die Masse ein neues Phänomen des zwanzigsten Jahrhunderts sei, aber er bezieht sich den noch auf die neunziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts, um die Hauptschwä chen der Masse zu illustrieren, die er bereits als unbegrenzte Ausdehnung von Bedürfnissen, Undankbarkeit und Unbelehrbarkeit beschrieben hat (Ortega 1947, 37–38, 44–45). Den ‚Beweis‘ für diese drei Charakteristika findet Ortega 1793 in einem, wie er betont, vollkommenen Bild: den Pariser Brotunruhen, weil sie in der Zerstörung der Bäckerei enden. Durch undankbares und unerzogenes Verhalten zerstört die Masse eben die Mittel, die ihre Bedürfnisse befriedigen könnten, aber nur in einem geringeren Maße, als ihr unersättlicher Appetit verlangt. „Wenn die Masse selbständig handelt, tut sie es nur auf eine Art: sie lyncht.“ (76) Es ist aber DOI: 10.1515/9783110343878-017
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13 Französische und deutschen ‚Massen‘ in der Revolution
weniger die Gewalt an sich, die Ortega geißelt, als die Unlenkbarkeit der Masse. Denn für den liberalen Demokraten, der zu sein Ortega beansprucht, unterschei den sich faschistische und bolschewistische Massen vom Volk der Vergangenheit. Diesem schreibt er ein „angeborenes Gefühl für […] seine Uneignung zu theoreti schem Denken“ (47) und deshalb eine Akzeptanz seines Mangels an den Qualifi kationen zu, die die Teilnahme an und Einmischung in die öffentlichen Angele genheit erforderten (9). In Ortegas Argumentation ist die zerstörerische Gewalt nur der Vorwand, um diejenigen, denen die Qualitäten der intellektuellen Elite fehlen, von der ‚Agora‘ auszuschließen, aus der Stadt als dem Raum, „die gemein same Sache zu besprechen“ (100). Deshalb macht Ortega nicht zufällig die Neben bemerkung: „Oder glaubt man, die Souveränität der öffentlichen Meinung sei eine Erfindung, die der Advokat Danton im Jahre 1789 […] machte?“ (84) Max Horkheimers Essay „Egoismus und Freiheitsbewegung“ erörtert 1936 die Ambivalenz von Massen, aber er fokussiert die widersprüchlichen Tenden zen, die in politisch aktiven Massen wirken (Horkheimer 1968, 71). Obwohl er die ‚liberalistische‘ Vermischung von progressiven und konterrevolutionären Bewe gungen zurückweist, um zwischen Masse und Mob (64) zu unterscheiden, stellt Horkheimer doch auf den Widerspruch ab, wenn er den jakobinischen Terror kommentiert: „Angesichts des unabsehbaren Aufschubs einer wirklich tiefgrei fenden und dauernden Verbesserung für die Armen und der Gewißheit, daß die reale Ungleichheit trotz der Phrase der Gleichheit weiterdauern würde, haben die Führer das Richtige getroffen und der Masse anstatt des Glücks des Allge meinen das Unglück des Besonderen angeboten.“ (72) Horkheimers Kritik: „Das überspannte Musterbild des Menschen, der zugleich sentimentalische und harte Begriff der Tugend und Selbsthingabe haben die gleichen Wurzeln wie der indi vidualistische Egoismus und Nihilismus, mit denen sie zugleich in Widerspruch und Wechselwirkung stehen“ (67), basierte noch auf der Voraussetzung, dass die sozialen Bedingungen von ‚Tugend‘ wie ‚Egoismus‘ in der Gegenwart verändert werden könnten: „Die Überwindung dieser Moral liegt […] im Herbeiführen von Zuständen, unter denen ihr Daseinsgrund dahinfällt“ (76). Walter Benjamin, wenige Jahre später, stellte solchen Optimismus in Frage, auch wenn er sich offen auf Horkheimers Analyse bezog. Er entdeckte in der Moral des jakobinischen Terrors nicht nur Sadomasochismus, sondern auch Nationalis mus: „Daß an die Stelle der Konjunktion des nationalen Ideals mit der Tugend, wie sie Robespierre vorgeschwebt hat, bei Hitler die des nationalen Ideals mit der Rasse getreten ist, das zeigt den Unterschied an, der zwischen dem bürgerlichen Führer der Heroenzeit und der Dekadence besteht.“ (Benjamin 1972, Bd. IV/2, 1097)1
1 Vgl. hierzu Peitsch 2008.
13.1 Oswald Spengler, José Ortega y Gasset, Max Horkheimer und Walter Benjamin
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Vergleicht man die zitierten Blicke auf das Paris von 1793–1794 mit denen deutscher Zeitgenossen der Französischen Revolution fällt an deren Reisebe schreibungen, Essays und Briefen das Fehlen einer prononcierten Entgegenset zung von Masse und Elite auf. Forsters Beispiel ist insofern ein besonderes, als seine Parteinahme für die Revolution in Mainz seine Freunde und Kollegen irri tierte und er die ihm – nach der Rückeroberung der Stadt – in Paris bleibende Zeit nutzte, um von Juli bis Oktober 1793 die „Darstellung der Revolution in Mainz“ und in den letzten Monaten des Jahres 1793 die „Parisischen Umrisse“ zu schrei ben. Beide Texte verwenden die Briefform als „Einkleidung“ (AA X/1, 511), aller dings in sehr unterschiedlicher Weise. Während die Briefe der „Darstellung“ dem Leser eine lebendigere Darbietung von Handlungen (511) geben sollen, indem „Thatsachen […], die uns die Geschichte zu erzählen hat“ (524), berichtet werden, wird in den „Umrissen“ die chronologische Abfolge durch Variationen eines The mas ersetzt. Die Unterhaltung des Briefschreibers mit dem Leser der „Umrisse“, der persönlich als ein Gegner der Revolution angeredet wird, schiebt mehr als ein mal das Liefern von Details auf und nutzt das Erzählen einer Geschichte – einer Gespenstergeschichte, die allegorisch interpretiert wird – nur dazu, auf der pri mären Wichtigkeit ihrer „Nutzanwendung“ (612) zu bestehen: „[B]loß um dieser willen steht das Geschichtchen da. Ich möchte Sie nehmlich gern bestechen, mich noch einmal über den Gegenstand anzuhören, von dem ich Ihnen bereits so manches vorgeplaudert habe; Ihrem Verlangen nach Details und Thatsachen möchte ich noch eine kleine Frist abgewinnen“ (612). Sogar, nachdem der Erzäh ler dem ‚Verlangen nach Details und Thatsachen‘ nachgegeben hat, besteht er darauf, deren Bezugsrahmen zu explizieren, wenn er eine Szene in einer der Sek tionen der Commune zu erzählen beginnt: Sie sollen Recht haben, mein Freund; auch habe ich nicht geradezu wegläugnen wollen, daß man aus einzelnen Zügen zuweilen den Charakter eines Zeitpunkts, eines Volkes, einer besonderen Entwicklung menschlicher Geisteskräfte kennen lernt. Nur muß man diese Züge auszuwählen wissen, und nicht Handlungen ohne alle Physiognomie, denen etwa der Nahme des Handelnden ihr ganzes Interesse giebt, für bezeichnende Auftritte halten. Ich will Ihnen heute eine Begebenheit mittheilen, aus welcher, wie mich dünkt, der Geist der Revolution unverkennbar hervorleuchtet. (627–628)
Forsters Einleitung zu der heroischen Szene, die er in Kapitel 6 erzählen wird, verweist auf die Problematik beider brieflichen Darbietungsweisen, die er in der „Darstellung“ und den „Umrissen“ benutzt, der erzählerischen und der essayis tischen, um durch Auswahl und Anordnung den Widerspruch zu lösen, einer seits nicht zu wissen, was repräsentativ sei, sondern es „kennen [zu] lern[en]“, andererseits zu finden, woraus es „unverkennbar hervorleuchtet“ (628). Aber das
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einleitende Zögern, individuelle Züge als repräsentativ aufzufassen, erhellt auch den Unterschied zwischen der Konstruktion eines Subjekts der Handlung in der „Darstellung“ und eines thematischen Gegenstands in den „Umrissen“. „Charak ter“ (514) und „Geist der Revolution“ (628) erweisen sich als widersprüchliche Weisen der Darstellung von Massen sowohl in Mainz als auch Paris.
13.2 Mainzer Volkscharakter: arbeitende Klassen ohne den ‚Geist der Unabhängigkeit‘ ‚ehrbarer Bürger‘ Der Erzähler der „Darstellung“, der sich selbst „Geschichtserzähler“ (508), also Erzähler und Historiker, nennt, positioniert sich nicht unter den Akteuren der Ereignisse, es sei denn in dem „man“ oder „wir“, dem grammatischen Subjekt der meisten Sätze des Textes. Vom Beginn mit der Krönung Franz’ II. an fokussie ren die Briefe des Erzählers, die auf den 1. August, 23. September, 14. Oktober und 7. November datiert werden, die öffentliche Selbstdarstellung von Adel und Klerus so, dass der Erzähler das Verhalten von Kurfürst und Domherren mit der Reaktion derer kontrastieren kann, die er das Volk nennt. In dieser Weise folgen auf die Krö nung der festliche Marsch der Mainzer Truppen an die Front und ihre Panik nach der Niederlage, die Flucht des Kurfürsten und der Aristokraten; den Schluss bildet die Ankunft der französischen Armee. Wegen der durchgehenden Kontrastierung fehlt Forsters Verwendung des Begriffs ‚Volk‘ die Ambivalenz, die sein Reden über „die guten Bürger von Mainz“ (546), „unsere Mitbürger“ (524) oder „[u]nsere Bür ger“ (537) färbt. Sein Grund für die leicht ironische Weise, sich selbst in die erste Person Plural einzuschließen, wird erkennbar, wenn er die kühle und zurückhal tende Reaktion „des großen Haufens“ auf die französische Besetzung kontrastiert mit dem Enthusiasmus der Freunde der Revolution, „einer zwar weniger zahlrei chen, aber durch ihre Kenntnisse und ihren Geist der Unabhängigkeit wichtigeren Klasse der Einwohner“ (552). Während der Erzähler insgesamt in seiner Erzählung den Begriff Klasse nur benutzt, um das ‚Volk‘ als ‚arbeitende Klassen‘ der Aristokratie und dem Klerus als ‚vornehme‘ und ‚nicht-arbeitende Klassen‘ entgegenzusetzen,2 bringt die erste Bezugnahme auf den Jakobinerklub eine Differenzierung innerhalb des Volks. Die Aufgabe der Mainzer ‚Republikaner‘, das Volk Freiheit und Gleichheit zu lehren (552), belegt ihre Rolle als Erzieher. Indem der Erzähler jedoch betont, dass sich der Klub entscheidet, seine Sitzungen im Schloss des Kurfürsten abzuhalten, des
2 Diese entspricht einem allgemeinen Trend im jakobinischen Sprachgebrauch, vgl. Herrnstadt 1965, 210.
13.2 Mainzer Volkscharakter
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sen ‚hässliche Laster‘ in Reden von einer Art „Todtengericht“ (553) zu entlarven und in Form eines „politischen Drama[s]“ (555) einen Freiheitsbaum zu pflanzen, beschäftigt ihn ein republikanischer Zynismus, der der „Eigenliebe“ des Volkes schmeichele, indem „Achtung für die bisher so blindlings angebeteten Götzen in Geringschätzung und Abscheu“ (552) gewendet werde. Trotz des Lobs der effek tiven Wirkung dieser Beschlüsse an dieser Stelle findet sich aber an einer frü heren eine andere Bewertung der bloßen Möglichkeit eines Übergangs „von der Vergötterung zur Verwünschung in Absicht auf ihren Regenten“ (527). Sie wird dort einem Hauptzug des „Mainzischen Volkscharakter[s]“ zugeordnet: „eine[r] Unentschiedenheit, die sich leicht auf Extreme leiten läßt“ (527). So werden in der Darstellung der Reaktion des Volkes auf die französische Besetzung auf der einen Seite ein ‚Geist der Unabhängigkeit‘ einer Minderheit und eine Mehrheit unterschieden, die von Führung abhängig sei. Dieser Kontrast kehrt wieder, wenn der Klub selbst beschrieben wird. Der Kern der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit wird von „eine[r] ungleichartige[n] Masse“ (554) abgehoben; die Entgegensetzung wird geklärt, wenn für die erste Gruppe von „aufgeklärten Männer[n]“ (553) die Rede ist, gebil det und kultiviert, für die zweite dagegen von Ehrgeiz, Egoismus und Zweideu tigkeit. Weil die Berufe derer angegeben werden, die zum Kern zählen, wird die anscheinend moralische Einteilung als eine soziale erkennbar, die Professoren, Geistliche, Rechtsanwälte, Kaufleute und „ehrbare Bürger“ absetzt von „rohen Stu denten“ und „durch ihre Sittlichkeit nicht vortheilhaft bekannten Personen“ (554). In Forsters Qualifizierung der ‚ungleichartigen Masse‘ der Gesellschaft als „mit allen Gebrechen ihrer übereilten Entstehung behaftet“ (554) klingt ein Motiv nach, das ein stark moralisierender Erzählerkommentar benutzt, um für einen Zwischenfall kurz vor der Ankunft der Franzosen, als Weingärten geplündert wur den, den Begriff Pöbel für die mehreren tausend beteiligten Mainzer einzuführen. Diese Szene wird mit ähnlichen in Paris verglichen und als Beweis präsentiert für „die traurige Verwahrlosung des Mainzer Volks unter dem Joche des priesterli chen Despotismus“: „Dieser Pöbel, der plötzlich eine Oberherrschaft […] verach ten gelernt hatte, und in der Erwartung der Ankunft seiner neuen Gebieter keinen Herrn, keinen Treiber und keine aufgehobene Geißel über sich erblickte“ (550). Während Beschädigung von Eigentum den Pöbel ausmacht, wird Eigentum jedoch nicht als Erleichterung ‚geistiger Unabhängigkeit‘ – die mit Moral im All gemeinen gleichgesetzt wird – bei den „wohlhabenden Einwohnern“ (558) ange sehen, sondern von Anfang an behauptet der Erzähler das Gegenteil: Die Bedürfnisse und der Luxus eines zahlreichen Adels und einer nicht minder zahlreichen Priesterschaft ernähren hier eine ungeheure Menge geschäftiger Müßigggänger, Vermittler oder auch Werkzeuge ihrer Üppigkeit; einen Schwarm von Handwerkern, Krämern, Künst lern, Bedienten und Klienten, die sämmtlich in der Person ihrer Herren das Ideal ihrer eige
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13 Französische und deutschen ‚Massen‘ in der Revolution
nen Vollkommenheit und das Muster, dem sie nacheifern müssen, erblicken. Wenn Müßig gang und Genuß als die Vorbilder des Volks an seiner Spitze stehen, müssen nicht in die Länge die Sitten der arbeitenden Klassen sich verschlimmern? (513)
Innerhalb des Volks – der ‚arbeitenden Klassen‘ – lokalisiert Forster eine dop pelte Bedrohung geistiger Unabhängigkeit, erstens durch Luxus, zweitens durch Not. Beide werden als Ergebnis der feudalen Erziehung des Volkes dargestellt, das so eher als Opfer erscheint denn als Subjekt seiner Aktion, selbst in seinem Versuch, sich zu befreien.3 Aber wie verdorben auch immer durch Spuren dieser Erziehung eine Revolution sein möge, der Erzähler verteidigt den Versuch, indem er das Bild eines Vaters benutzt, der auf sein Kind sieht, das laufen lernt. Für den Rückgriff auf das Bild der ‚Vormundschaft‘ zitiert Forster nicht zufällig Kant, um den aufgeklärten Beobachter, der auf das revolutionäre Volk blickt, zu positio nieren: „[M]an reift für die Vernunft nie anders als durch eigne Versuche, welche machen zu dürfen man frei sein muß“ (560).4 Während in Kants wie Wielands Kommentierung der Revolution die Voraussetzung gemacht wird, dass die Frei heit auf dem Privateigentum beruhe, das Unabhängigkeit sichere (Kant 1983b, 151; Wieland 1797, Bd. 29, 307),5 bewegt sich Forster in den Schlusspassagen der „Darstellung“ jenseits dieser Grenzziehung, wenn er recht pathetisch „gemiß brauchte“ „Brüder“ (AA X/1, 561) scheinbar direkt anredet; er stellt in Frage, „daß der Zufall, der einen freien Menschen zwang, eines andern Knecht zu werden, […] bindend sei“ (563). Ohne Privateigentum explizit zu problematisieren, weist Fors ter die Vorstellung von „zweierlei Menschen“ (562) zurück und proklamiert das Kommen einer Zeit, „wo man den Werth der Menschen weder nach angeborenem noch zufälligem Range, weder nach ihrer Macht, noch nach ihrem Reichthum, sondern allein nach ihrer Tugend und Weisheit schätzen wird“ (562). Forsters Appell an die Nachwelt, die er aufruft, seine „Darstellung“ als Zeug nis zu lesen, „daß ein Mann schon heute der Wahrheit die Ehre gab“ (563), kann zum einen als Konsequenz des Scheiterns der Revolution in Mainz angesehen werden, das von den preußischen Truppen wiedererobert worden war, bevor er begann, deren Geschichte zu erzählen, zum anderen als Moment in seiner Ent wicklung eines jakobinischen Standpunkts. Um die Erfahrung des revolutionä ren Mainz erzählen zu können, machte sich Forster eine jakobinische Interpreta
3 Eine andere Einschätzung bei Weber 1989. 4 Zu Forsters häufiger Verwendung des Bildes vgl. Grosser 1994, 251. Pariser Handwerker pro testierten gegen dieses Bild, aber es wurde auch von Robespierre und Saint-Just benutzt, vgl. Markov 1982, Bd. 1, 345; Bd. 2, 519, 561. Zu einer abweichenden Einschätzung der Bedeutung von Forsters Zitieren von Kant vgl. Träger 1993, 106–108. 5 Vgl. hierzu allgemein Mueller 1991.
13.3 Nationalstolz und Eitelkeit
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tion des kurzlebigen rheinisch-deutschen Nationalkonvents zu eigen. Im Fall der „Darstellung“ ließ er die Frage offen,6 ob es dem Klub gelingen werde, die Wert schätzung und das Vertrauen der Bevölkerung, der ‚Einwohner‘, wie es vorsichtig heißt, zu gewinnen, aber der Erzähler ist sehr gewiss, dass ein Erfolg nur von der „reinen Vaterlandsliebe und Nützlichkeit“ (554) des Klubs abhängen würde. ‚Reine Vaterlandsliebe‘ fehlt in der erzählten Geschichte bis zur Gründung der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit völlig. Was Forster durch gängig erörtert, sind Begriffe, die als verwandt erscheinen mögen, die er aber kategorisch von ‚reiner Vaterlandsliebe‘ zu unterscheiden sucht.
13.3 Nationalstolz und Eitelkeit In seiner detailierten Beschreibung der Reaktion des Volkes auf die feudalab solutistischen Festlichkeiten wird der korrumpierende Einfluss betont, eine Art von negativer Erziehung zu „Nationaleitelkeit“ (515). Durch den Vergleich von diesem „Lokalstolz“ (514) mit Eitelkeit in privaten Beziehungen stellt Forster die Verwendbarkeit von solchen Gefühlen, denen zugunsten der aristokratischen Autoritäten die Bevölkerung zum Opfer falle, sowohl innen- als auch außenpoli tisch heraus: „Das Mainzer Volk ist deutsch genug, um den Franzosen jede Demü tigung zu gönnen“ (516). Eitelkeit wird nicht nur als moralischer Fehler kritisiert, sondern auch als illusionär; in der wiederkehrenden Rede vom „gleißende[n] Anstrich von Volksfreude“ (526) kann Forster so weit gehen, vom „Aristokraten stolz der Knechte“ (545) zu sprechen, weil er solchen „Nationalstolz“ (538) aus
6 Meine Betonung des ‚offenen Schlusses‘ der „Darstellung“ widerspricht der Weise, auf die meistens Historiker den Text gelesen haben, nämlich als eine ‚objektive‘ Quelle für die Ursachen des Scheiterns der Republik, vgl. z. B. Dülmen 1992, 121–123, aber auch Literaturhistoriker wie Saine 1988, 19. Anders dagegen, ohne auf die „Darstellung“ einzugehen, die Historiker Walter Grab, der in Forster einen liberalen (eben nicht revolutionär-demokratischen) Feind des Volkes sieht (1984, 192–195), und T. C. W. Blanning, für den er ein „abstract“ Intellektueller ist, der ein „alien“ unter dem ‚guten Volk von Mainz‘ gewesen sei (1974, 293). Grab benutzt wenigstens ein Zitat aus Forsters Rede vom 17. November 1792, um aus Forsters Anrufung von Vorsehung, Wun der und Schicksal (Grab 1984, 195) auf seinen Unglauben an das Volk als revolutionäre Kraft zu schließen. Aus diesem Unglauben erklärt er Forsters Eintreten für die Integration von Mainz in die Französische Republik – worin er zugleich den letztlich entscheidenden Beweis dafür sieht, dass Forster kein demokratischer Revolutionär war (193). In Uhligs Biographie erübrigt sich durch die rein außen- und militärpolitische Deutung der Mainzer Republik (2004, 300–306) die Auseinandersetzung mit Texten; es genügt der pauschale Hinweis auf die agitatorische Funktion von Forsters Rhetorik als Kampfmittel für eine fremdbestimmte Politik.
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13 Französische und deutschen ‚Massen‘ in der Revolution
Eitelkeit und zugunsten der Autoritäten mit der Entwicklung einer öffentlichen Debatte über das Interesse des Landes kontrastiert: Auf der Lesegesellschaft, an andern öffentlichen Orten und in Privatcirkeln behaupten unsere Mitbürger, dieser Krieg ginge den Kurfürsten nichts an, vielmehr erfordere und befehle die Lage und das Interesse des Landes die strengste und unparteiischste Neutra lität. Man muß sie hören, sich dreist über das in allen Wirthsstuben angeschlagene Verbot wegsetzen, welches alle Unterredung von politischen Sachen gänzlich untersagt (526).
Es sind nicht nur Stolz und Eitelkeit,7 die in Forsters Sprachgebrauch das ‚Natio nale‘ als etwas Negatives markieren, sondern auch das Konzept Nationalcharak ter. Auch wenn er einräumt, dass „die unwillkürliche, durch Verschiedenheit des Charakters und der Sprache genährte Antipathie der Deutschen gegen die Fran ken“ (551) einer der Faktoren gewesen sei, die zur kühlen Aufnahme der Befreier beigetragen hätten, Forsters Hauptpunkt über und gegen den Mainzer „Volkscha rakter“ (551) ist der Mangel an ‚Geist der Unabhängigkeit‘. Das Paradoxe an Forsters Argument liegt darin, dass die erklärte Ablehnung der Vorstellung, Deutschland sei nicht reif zu einer Revolution, durch des Erzäh lers Nachweis eines Mangels an Geist der Revolution im Volk unterminiert wird. Die damit zusammenhängende Frage der Klassen bildet eine weitere Ebene des Paradoxen. Forsters Ablehnung der Unterscheidung von zwei Klassen innerhalb des Volks – unterschieden durch Eigentum und Bildung – widerspricht dem Insistieren des Erzählers auf der Auswirkung von Abhängigkeit – sei es aufgrund von Luxus oder von Not – auf das Verhalten in der Revolution. Forster beschäftigen zwei Probleme, die von Linguisten als die Hauptver schiebungen in der Bedeutung der Worte Nation und Klasse in den neunziger Jah ren des achtzehnten Jahrhunderts erkannt worden sind (Weber 1989, 857, 859):8 erstens antwortete auf die Verbindung von Nation und demokratischer oder repu blikanischer Verfassung eine Akzentverlagerung auf die ethnische Definition von Nation; zweitens antwortete auf das Auftauchen der Armen und der Reichen als zwei Klassen innerhalb des Volks die Wiederkehr des Volks als Pöbel. Forster ver sucht in der „Darstellung“, die Probleme durch das Offenhalten der Erzählung und damit die durchgehende Anrufung einer Zukunft zu lösen, die sich als die Zeit der ‚reinen Vaterlandsliebe‘ erweisen werde.
7 Vgl. in Herrgen 2000 allgemein zu den Beziehungen von ‚Demokrat‘ zu ‚Nationalstolz‘ in der Sprache der Mainzer Republik die Untersuchung der Ausdrücke „Patriot“ (204–207) und „Bür ger“ (220–221). 8 Ein gutes Beispiel für den Umgang eines Revolutionärs mit beiden Verschiebungen liefert Saint-Just in Fischer 1974, 302.
13.4 ‚Drahtpuppe‘ des Despotismus und ‚Versuche zum Gehen‘ des Kindes
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13.4 ‚Drahtpuppe‘ des Despotismus und ‚Versuche zum Gehen‘ des Kindes Während die Erzählung der Revolution in Mainz ein Fragment blieb und erst 1843 veröffentlicht wurde, fanden die „Parisischen Umrisse“ ihre ersten Leser, als sie 1793–1794 in Ludwig Ferdinand Hubers Zeitschrift Friedenspräliminarien gedruckt wurden. In direktem, oft ironischem und zunehmend konfrontativem Dialog mit einem zeitgenössischen Adressaten – und also auch mit dem Heraus geber, der sich vom Text in den Fußnoten distanzierte – setzt sich Forster mit ver schiedenen Interpretationen des revolutionären Prozesses von 1793 auseinander, z. B. Herders, Wielands und Carl Wilhelm Frölichs. Zugleich antwortet der Text als öffentliche Rechtfertigung des Verhaltens des Autors in Mainz auf einige der Kritikpunkte, die in privaten Briefen und öffentlich geäußert worden waren. Entgegen einer – besonders unter marxistischen Literaturhistorikern –9 ver breiteten Ansicht überwand Forster nicht die aufgeklärten Illusionen, die seine und seiner Mit-Revolutionäre Tätigkeit als Erzieher des Volkes in Mainz gekenn zeichnet hatten, sondern es war gerade die Erfahrung der fehlenden Massenbasis in Mainz,10 die den moralistischen Idealismus stärkte, der es ihm ermöglichte, die jakobinische Phase der Französischen Revolution sympathetisch zu verstehen und – noch mehr – zu rechtfertigen.11 Weil das Mainzer Großbürgertum die Revo
9 Die zugrundeliegende Annahme scheint zu sein, dass Forster eine Art von historischer Mate rialist werde musste, um ein aktiver Revolutionär werden zu können; diese Argumentationslinie läuft von Träger 1962 über Scheel 1973 und Steiner 1987 bis zu Gilli 1992. Schon in meiner Disser tation (Peitsch 1978) habe ich zu begründen versucht, dass eine politische Orientierung auf die Volksmassen keinen vollständigen Bruch mit humanistischem Idealismus erforderte. Dagegen vgl. aber Reinalter 2003, 217, dass Forster „seine idealistische Humanitätsideologie immer mehr zugunsten einer historische und gesellschaftliche Realitäten berücksichtigenden Humanitäts vorstellung zurückdrängte“. 10 Für eine abweichende Einschätzung vgl. die Zusammenfassung von Scheel 1985, 421. 11 Forderer (2004, 429, 437) verkürzt die „Umrisse“ zu einer „Apologie des Terrors“. In der In terpretations- als Bewertungskontroverse geht es um drei miteinander verbundene Fragen: ob Forsters politische Position über den Liberalismus hinausgehe, wie er zu den (auch gewaltsa men) Aktionen der Volksmassen stehe (dem souveränen Volk) und ob er das Privateigentum in Frage stelle. Für Forderer bleibt Forster privat liberal wie auch für Liesegang (2004), der im Anschluss an Pickerodt 2000 betont: „Anders als in den privaten Briefen teilt Forster zumindest in den ‚Parisischen Umrissen‘ die Konsequenz von Robespierre, den Terror […] zu legitimieren“ (Liesegang 2004, 129). „Anders als beispielsweise [für] Robespierre“ gelte für Forster: „Für sich selbst aber hält er bis in seine letzten Lebenswochen fest am liberalen Modell von Öffentlich keit als Markt, auf dem heterogene Stimmen um den von der Vernunft anerkannten Preis der Wahrheit konkurrieren.“ (Forderer 2004, 439, vgl. die Berufung auf Habermas’ (1965) „Modell“, 429). Folglich schreibt Forderer den „Umrissen“ unter Berufung auf eine Le Bon folgende fran
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13 Französische und deutschen ‚Massen‘ in der Revolution
lution aufgrund seiner materiellen Interessen ablehnte, wurde Forster bereit, an dem jakobinischen Versuch Anteil zu nehmen, die Republik durch ein Bündnis von Bürgern mit den Handwerkern und Händlern der Pariser ‚sans-culotterie‘ unter dem moralischen Banner der Selbstaufopferung aus Patriotismus zu ret ten.12 Aber diese Vernachlässigung von Privateigentum als Voraussetzung nicht nur für Aufklärung, sondern auch für Eigeninteresse hatte den paradoxen Effekt, bisher der Demokratie gesetzte Grenzen zu öffnen. Während „Darstellung der Revolution in Mainz“ eine recht geradlinige chro nologische Erzählung ist, sind die „Parisischen Umrisse“ ein Essay, den nur das Thema eint und der von Abschweifungen und insbesondere Metaphern überfließt. Zu dieser vielschichtigen Struktur tragen die zwei schon erwähnten Dialoge bei, die der Essayist führt, erstens mit den Ansichten deutscher Liberaler über die Revolution, zweitens mit der Kritik an dem Revolutionär Forster, aber – und diese Auseinandersetzung ist neu – drittens mit seiner eigenen Rhetorik in Mainz, die er unter den veränderten Bedingungen des späten Jahres 1793 in Paris umarbeitet. In Forsters Briefen gibt es einen Beleg für diese dreifache Dringlichkeit in Gestalt eines Missgeschicks, das dem Schreiber der „Umrisse“ widerfuhr (AA XVII, 465, 471; vgl. Kapitel 14). Als er das Thema der „Umrisse“ mit seiner Frau und ihrem Geliebten im November 1793 in Travers diskutierte, gelangte ihr Gespräch zu einem Bild, das – wie Forster später schrieb – nicht nur eine vollständige Widerle gung aller Kritik deutscher Journalisten an den Jakobinern war, sondern zugleich auch eine vollkommene Rechtfertigung seiner eigenen Parteinahme für die Revo lution. Indem es diese Funktionen erfüllte, löste das Bild auch das Problem von Forsters moralischer Unzufriedenheit mit den Personen, die im späten 1793 die revolutionäre Sache repräsentierten. Die Tatsache, dass Forster genau dieses Bild
zösische Studie „eine öffentliche Meinung“ zu, „die in sozialpsychologischer Hinsicht weniger die eines Publikums als die einer Masse ist“ (437), und „Forsters Geschichtsdeutung“, dass in ihr „die die Geschichte leitende Vorsehung eine ganze Nation in eine Masse mit der dieser eigenen irrationalen Dynamik verwandelt“ (439). Während Liesegang den moralistischen Idealismus konstatiert: „Die Überwindung des possessiven Individualismus ist in seiner idealistischen Deu tung die moralische – und klassenübergreifende – Konsequenz der Revolution“ (2004, 135), aber etwas pleonastisch zum „Ausdruck der Unfähigkeit in seiner Theorie“ erklärt, „die Bedeutung des Individuums, die revolutionären Ereignisse und die Zukunft der Revolution in eine sinn gebende Beziehung setzen zu können“ (126), führen ihn Oliver Hochadel auf „Erfahrungsverwei gerung“ (2000, 99) und Hans Gerd Prodoehl auf „die metaphysische Grundierung seiner späten Geschichtsphilosophie“ zurück: „An der Gültigkeit seines erfahrungskonträren Geschichtsziels kann Forster nur im Denkhorizont einer erfahrungsunabhängigen Geschichtsmetaphysik fest halten.“ (1982, 188) 12 Mooser 1988, 228, betont, wie selten dieser Appell in den Reden der Mainzer Revolutionäre war.
13.5 Paris: Revolution als Naturerscheinung
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vergessen hatte, als er, zurück in Paris, die „Umrisse“ weiterzuschreiben begann, deutet auf die widersprüchlichen, bewussten und unbewussten Motive, die in Forsters Schreibprozess wirkten. So überrascht es nicht, dass sich beinahe alle Metaphern, die der Erzähler der „Darstellung“ benutzt, auf die Französische Revolution beziehen. Solange Forster das Volk als Objekt von Erziehung darstellt, entweder der korrumpieren den durch die ‚vornehmen Classen‘ oder der aufklärenden durch ‚ehrbare Bürger‘, scheint es keiner metaphorischen Sprache zu bedürfen – mit zwei bemerkens werten Ausnahmen: Der Mechanismus und der biologische Lebenszyklus werden für die zwei einander entgegengesetzten Weisen des Objekt-Status des Volks ver wendet, die „Drahtpuppe“ (AA X/1, 551) des Despotismus und das „Kind“, des sen „mit öfterm Fallen begleiteten Versuche zum Gehen […] das väterliche Herz [erfreuen], das in ihnen die Kraft des künftigen Jünglinges und Mannes schon wahrnimmt“ (560). Alle anderen Metaphern der „Darstellung“ beziehen sich auf die Französi sche Revolution und folgen dennoch derselben Opposition von Mechanismus auf der einen Seite und organischem Leben auf der anderen Seite.13 Während Künst lichkeit dem gestürzten Despotismus zugeschrieben wird, wird der revolutionäre Prozess seit 1789 in Bildern von Natur präsentiert, wobei deren Bild in den neuen Naturwissenschaften vorherrscht, allerdings auch einige Beispiele auf magisches Wissen zurückgreifen.
13.5 Paris: Revolution als Naturerscheinung Forsters Bilder der revolutionären Natur beziehen sich auf Prozesse der „Gäh rung“ (529) und des Schmelzens (625), auf Krankheit, insbesondere deren Krisen zyklus, und auf Regeneration – in dem emphatischen Sinn von Erneuerung, auf den Ozean und Navigation, aber auch auf Wunder (518, 543) und das Rätsel des Gordischen Knotens (555) oder Riesen. Was in der „Darstellung“ als eine ziemlich bunte Mischung erscheinen kann – zum Teil aufgrund der Kürze der Bezugnahmen auf Ereignisse in Frank reich –, erweist sich als relativ kohärente Weise der Darstellung der Revolution in den „Parisischen Umrissen“.14 Die vorherrschenden Bilder von Natur leisten eine durchgehende Naturalisierung des revolutionären Prozesses.
13 Ich folge hier der ausgezeichneten Analyse von Garber 1994, 209–210, insbesondere über die „Umrisse“. 14 Zu den verschiedenen Bildfeldern der „Umrisse“ vgl. Peitsch 1989, 309–315.
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Auf diese Weise weist Forster nicht nur die in den deutschen Zeitschriften dominierende personalisierende, meist moralische Beschäftigung mit individuel len revolutionären Akteuren zurück, sondern auch den legalistischen deutschen Diskurs über das Recht eines Volkes zur Revolution.15 Forsters Bilder und sein Begriff von der Revolution als „Naturerscheinung“ (595) kontrastieren sie als „unvermeidliche Verkettung der in’s Ganze wirkenden Ursachen und Wirkungen auf die Ereignisse des Zeitalters“ mit zwei intellektuellen Gewohnheiten: ers tens „von einer relativen, konventionellen Immoralität der Begebenheiten und Handlungen auf die Ruchlosigkeit der handelnden Personen zu schließen“ (604), zweitens „den Werth der Revolutionsideen […] und ihre Sittlichkeit nach konven tionellen Vorstellungen abmessen zu wollen“ (634). Indem Forster auf der Revo lution als einem natürlichen Prozess insistiert, reduziert er die Bedeutung sowohl der Individuen als auch ihrer Ideen, um in Anschlag zu bringen, dass der ganze Prozess nicht auf die Absichten einzelner zurückgeführt werden könne, sondern „Ursachen […] allem Thun der Menschen viel Unwillkührliches beimischen, das das Wenigste zuletzt, sey es lobens- oder tadelnswerth, ihnen eigen gehört“ (622). Prägnant formuliert der Briefschreiber der „Parisischen Umrisse“, wie das Resul tat gewissermaßen über die bewussten Motive der beteiligten Individuen trium phiert: „Die gewaltsamsten Erscheinungen unserer Revolution entsprangen aus dem Widerstand und Aneinanderreiben der Kräfte.“ (622) Jedoch schneidet die Naturalisierung der Revolution für Forster die Fragen von Moralität des einzelnen in der Revolution Handelnden und die von Rechten des Menschen und Bürgers keineswegs ab; im Gegenteil, in Forsters Naturalisie rung vermischen sich die Vorstellung von Kausalität – wie er sie mit seinen vor zugsweise aus den Naturwissenwissenschaften genommenen Bildern bedient, aus Physik, Chemie, Biologie, Meteorologie und, etwas weniger aus, Mathema tik und Geographie – mit der von Vorsehung. Dieser spezifischen Betonung der Vorsehung entspricht die prominente Rolle mythologischer Bilder in den „Umris sen“. Die Vermischung von Kausalität und Vorsehung ermöglicht es Forster, Rechtfertigungen der Republik weiterzutreiben, wie sie noch vor der Hinrichtung des Königs Herder und Wieland wagten, wenn Herder den Begriff der Revolution als „Wiederbringung“ statt „Zerstörung“ (595) bestimmte16 und Wieland die lega listische Diskussion ablehnte mit der Bestimmung: „Die Französische Staatsrevo luzion ist – eine geschehene Sache“ (Wieland 1797, Bd. 29, 279).
15 Eine kritische Erörterung unterschiedlicher Interpretationen der Zuschauer-Metapher findet sich in Peitsch 1990, besonders 198–201. Allgemein vgl. Schmidt 1983. 16 Vgl. Herder 1887.
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Dies Weitertreiben geschieht, indem Forster Saint-Justs und Robespierres Definition der revolutionären Regierung adaptiert: Solange die Revolution dau ere, sei die Regierung revolutionär, und die Regierung sei revolutionär, damit die Revolution dauere (AA X/1, 596; Soboul 1973, Bd. 2, 305). Diese Definition steckt in Forsters Tautologie: „Die Revolution […] ist die Revolution“ (AA X/1, 595),17 aber er tilgt die Eingrenzung auf die Regierung, denn sie liegt nicht nur in der Natur bild/begrifflichkeit, sondern auch in dem Anspruch, Revolution sei „die Wiederbringung […] aller Dinge“, gleich im ersten Brief der „Umrisse“, wenn Forster, ohne den Namen zu nennen, Herder zitiert: […] aber wer kann für Gewalt? Daß sich alles Kopf über Kopf unter wälzt, ist ein vollgültiger Beweis, daß der Nahme der Sache entspricht; und wer mag wissen, ob mit dieser Bewegung
17 Vgl. dagegen die vor allem als Stellungnahme zu den „[b]eide[n] Tendenzen, welche die Ideengeschichte heute prägen“, bemerkenswerte Interpretation von Axel Rüdiger, der gegen konservative und liberale („postmoderne[…] und postkoloniale[…] Ansätze“ einschließende) ‚Delegitimierung‘ des „revolutionären Topos demokratischer Volkssouveränität“ (2012, 123) Forsters Tautologie dekonstruktivistisch in der „realistische[n] Traditionslinie des neuzeitlichen Republikanismus“ – „‚Das Gesetz ist das Gesetz‘“ (162) – als „(Nicht‑)Identität“ (168) liest: „Fors ters Tautologie trifft sich hier letztlich direkt mit der von Sieyès gelieferten politischen Formel der Revolution, wonach der ‚Dritte Stand‘ nichts ist, um aber alles zu werden.“ (166) Seit der Historiker Karl Griewank Forster und insbesondere die „Umrisse“ 1955 in seiner, mehrfach wie der aufgelegten Monographie Der neuzeitliche Revolutionsbegriff behandelte und 1971 sogar die Überlegenheit der „Umrisse“ über alle anderen zeitgenössischen Beiträge deutscher Schriftstel ler zur Französischen Revolution von Bernd Witte damit begründet wurde, dass Forster der einzi ge gewesen sei, dem es gelungen sei, „die Revolution auf den Begriff [zu] bringen“ (1971, 48), hat sich das Interesse der Interpreten vom Begriff der Revolution zu den Bildern für die Revolution verschoben, besonders durch die Arbeiten von Jörn Garber (1988b) und Ingrid Oesterle (1988), die auch die Berücksichtigung des Bilds der Stadt Paris in die Forschung einführten. Im Ergebnis breitete sich zeitweise eine Einschätzung aus, die der Sozial- und Begriffshistoriker Rolf Reich ardt 1994 so formulierte, dass Forsters Darstellung der Revolution „selbst bei französischen Zeit genossen seinesgleichen sucht“ (Reichardt, 1994, 240). Allerdings waren schon bei Griewank Begriff und Bild gewissermaßen insofern verknüpft, als er besonders betonte, dass Forster in den „Umrissen“ die Revolution als einen Prozess der Naturgeschichte begriffen habe. Griewank nannte diese Sicht einen irrationalistischen Revolutionsbegriff und diese Einschätzung ist auf genommen worden von Interpreten, die Rationalismus mit Liberalismus politisch identifizieren und deshalb die Naturalisierung als totalitär verurteilen (Forderer 2004, 436; Keller 2008, 46: „Sobald die Identität der Regierten mit den Regierenden in einer totalen Volkssouveränität ange strebt wird, entsteht das, was heute totalitär genannt wird“), und ihr ist widersprochen worden von denen, die sich für die Gründe der Naturalisierung der Revolution interessieren: „Die Ver wendung des Gegensatzpaares Mechanismus-Organismus zur Legitimation der Volksrevolution bei Forster ist in der spätaufklärerischen deutschen Revolutionsdiskussion beispiellos.“ (Garber 1994, 210)
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nicht die Exegetik eines Deutschen Schriftstellers noch künftig gerettet werden kann, der von dem großen Wort behauptet hat, daß es eigentlicher auf die Wiederbringung, als auf die Zerstörung aller Dinge gemünzt seyn soll? (595)
Die doppelte Bedeutung von Natur als Kausalität und Vorsehung bestimmt in den „Umrissen“ die Darstellung des Volkes als diejenigen, die die Revolution gemacht haben. Im Unterschied zur „Darstellung der Revolution in Mainz“ kommt die anti-aristokratische und anti-klerikale Bedeutung von Volk kaum vor, denn der Akzent liegt in Paris nicht auf dem Volk als Objekt, den arbeitenden Klassen als Opfer feudal-absolutistischer Repression und Ausbeutung (oder auch: Objekt der Erziehung durch Aufklärer, die auch Fürsten sein können). Stattdessen taucht im Gegensatz zu Mainz in Paris ein Volk auf, das die Revolution macht, also ein Sub jekt von Geschichte, die zugleich Natur und Vernunft sei.
13.6 Volk als öffentliche Meinung: ‚rohe Kraft der Menge‘ und ‚Masse der Vernunft‘ ‚Volk‘ wird in den „Umrissen“ durchgängig gleichgesetzt mit „öffentliche Mei nung“, ein Begriff, den Forster – auch wenn er ihn nicht, wie Habermas im Strukturwandel der Öffentlichkeit (1965, 115) einst behauptet hat, in die deutsche Spra che eingeführt hat –, hier im Text einführt, indem er ausdrücklich erklärt: „Die[…] öffentliche Meinung […] und [ihre] Einflüsse, sind Dinge, wovon man vor der jetzi gen Revolution keinen richtigen, wenigstens keinen vollständigen, Begriff gehabt haben mag.“ (AA X/1, 593) Öffentliche Meinung bezieht sich auf die „Volksmenge“ (593) von Paris unter zwei Aspekten: erstens als „bewegende Kraft“, die auch „roh“ genannt werden kann, zweitens als „Vernunft“, die „zum Theil ihre [der Revolution] Richtung“ „bestimmt“ (596). Deshalb ist für Forster die öffentliche Meinung „nichts rein Intellektuelles“, sondern, wie der ganze Satz heißt, wenn es um das Volk als Subjekt der Revolution als Geschichte geht: „Diese bewegende Kraft ist allerdings nichts rein Intellektuelles, nichts rein Vernünftiges; sie ist die rohe Kraft der Menge.“ (596) In Gegensatz zu der Rolle, die der ‚Mainzer Volkscharakter‘ in der „Darstel lung“ spielt, kommt der Begriff Charakter nur zweimal beiläufig in den „Umrissen“ vor; in einer Randbemerkung zur in Deutschland verbreiteten stereotypen Vor stellung vom französischen Nationalcharakter subsummiert Forster den früheren passiven Zug der „Reitzbarkeit“ (relativ positiv für ‚Leichtsinn‘) dem neuen akti ven Zug des ‚geschärften‘ „Theilnehmen[s] an den öffentlichen Angelegenheiten“ (597). Leicht ironisch reflektiert er seine Metaphorik: „Einem oder dem andern würde es vielleicht mehr sagen, wenn ich mich mathematisch so ausdrückte:
13.7 Öffentliche Meinung als ‚Koloß‘
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Unsere öffentliche Meinung ist das Produkt der Empfänglichkeit des Volks, ver mehrt mit dem Aggregat aller bisherigen Revolutionsbewegungen.“ (597) Forsters Verwendung des Worts „Menge“ hat keine negativen Konnotationen ebenso wie sein Gebrauch von „Masse“. Während ‚Menge‘ sich auf den Aspekt von Naturgewalt oder Naturmacht bezieht, deckt ‚Masse‘ sogar den der Vernunft; nur zusammen, als Menge und Masse konstituiert die öffentliche Meinung den „Volkswille[n]“: „der Wille des Volks hat seine höchste Beweglichkeit erlangt, und die große Lichtmasse der Vernunft […] wirft ihre Strahlen in der von ihm verstatteten Richtung.“ (596–597)18 Diese anthropologische Kategorisierung von Aspekten des ‚Volkes‘ als ‚öffent liche Meinung‘ bereitet die metaphorische Präsentation des Volks als „politischen Riesen“ (598) vor.
13.7 Öffentliche Meinung als ‚Koloß‘ Allerdings kann der Organismus dieses ‚Staatskörpers‘ auch konkreter, aber eher politisch als sozial von Forster aufgefasst werden. Die öffentliche Meinung betrachtet er als „durch das Ganze jetzt unwiderstehlich herrschende Einheit“, die Einheit von Nationalkonvent, den Sektionen der Commune von Paris und den Volksgesellschaften (598). Das Gegenbild zu diesem organischen Körper erklärt die ‚Unwiderstehlichkeit‘ des politischen Riesen – es ist die Maschine des Despo tismus, ein toter Körper: Die Auflösung liegt am Tage. Die Einheit fehlt; Vernunft und Wille sind beide nur im Kopfe des Herrschers und seiner Räthe; das Volk ist eine leblose Masse, ein todter Körper, der bloß mechanischen Antrieben gehorcht; jene geistigen Kräfte durchströmen und beleben ihn nicht mit sich selbst zu einem lebendigen Ganzen. (598)
Selbst in der zitierten, der kürzesten Beschreibung der Einheit ist die Vereinigung von Natur-Macht/Gewalt und Vernunft deutlich – eine Vereinigung, die vielleicht erklärt, weshalb Forster immer wieder auf das Herkules-Bild vom ‚Riesen‘ und „Koloß der öffentlichen Meinung“ (625) zurückkommt.19 Die Zweischneidigkeit dieses Bilds unterstreicht den Umstand, dass die öffentliche Meinung einerseits
18 Nicht folgen kann ich Manuela Ribeiro Sanches’ Entgegensetzung von zweierlei öffentlicher Meinung: von der Vernunft des Konvents und dem ‚Magen‘ der „Massen“, die im „Spontaneis mus“ „ihrer blinden Wut den Weg zur Entfaltung der Vernunft bahnen“ (2000, 160). 19 Zu Dantons Verwendung dieses Bildes vgl. Markov 1982, Bd. 1, 295; Bd. 2, 465, 496. Eine anre gende Analyse bei Hunt 1985, 94–112.
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alle die Individuen umfasst, die an den öffentlichen Angelegenheiten vernünftig teilnehmen, andererseits das Individuum dem Resultat dieses Austauschs unter wirft, dem Volkswillen.20 Es ist nicht nur der männliche Gigant, der die Bedeu tung trägt, dass eine Macht über und auch gegen das Individuum ausgeübt wird; fast alle Forsterschen Naturmetaphern spielen auf potentiell zerstörerische Pro zesse an, die nur – letzten Endes: als Vorsehung – sich als erhaltende, aber für das Ganze, nicht den einzelnen, erweisen, ob es über den „Geist der Revolution“ heißt, „daß sein verzehrendes Feuer jetzt ohne Ansehen der Person alles ein schmelzt, was ihm vorkommt“ (625),21 oder mit einem – auf Medea und die Töch ter des Pelias anspielenden – mythologischen Bild gefragt wird: „[S]chlägt ein Gott die Menschengattung in Scherben, um sie im Tiegel neu umzugießen?“ (623) Im letzteren Fall – den Georg Büchners Saint-Just aufnimmt –22 beantwortet Forster seine rhetorische Frage mit einer Beschreibung der fortschreitenden Etap pen der Revolution, um insbesondere für den jakobinischen Nationalkonvent zu beanspruchen, „daß die Entwickelung der Verstandeskräfte mit der Revolution Schritt gehalten hat“ (610). Aber Forster präsentiert solchen Fortschritt als glei chermaßen geschehen in den Individuen des Volks. Öffentliche Meinung vermittelt nach Forster dieselben Merkmale von „Arbeit samkeit, […] Lichtmasse von Vernunft, […] nie sich verläugnende[r] Energie im Augenblick der Gefahr, […] Selbstverläugnung“ (610) zwischen den Repräsentan ten und ihrer Gesetzgebung auf der einen Seite und den Individuen des Volks und ihrer Moral auf der anderen.
13.8 ‚Umsturz‘ des ‚herrschenden Geistes der Abhängigkeit‘ von leblosen Dingen‘ Die moralische Delegitimierung von Privateigentum nennt Forster die neueste und mächtigste Wirkung der Revolution, angeblich verursacht durch die imma nente Kraft und Vernunft der öffentlichen Meinung: „Sie hat der Habsucht, der Gewinnsucht, dem Geitze, mit Einem Worte, der ärgsten Knechtschaft, zu wel
20 Zu den Bildern vgl. Forderer 2004: Riese (431), Koloss (434, 435, 436); vgl. auch Grosser 1989, 391, zum ‚ungeheuren Haupt‘ als ‚Quell der öffentlichen Meinung‘. 21 Forderer 2004, 436, greift das Bild auf, um aus Forsters „Hochschätzung von Homogenität“ auf die „Uniformität“ der öffentlichen Meinung zu schließen: „Das Qualitätssiegel der […] öffent lichen Meinung ist […] ihr Zusammengeschmolzensein zum nationalen Konsensus.“ 22 Zu Dantons Benutzung des Bilds des Schmelzens vgl. Markov 1982, Bd. 1, 257. Eine Beziehung von Büchner auf Forster begründet überzeugend Wender 1988, 157–207, der die polemischen Be merkungen von Nagel 1987 in Frage stellt.
13.8 ‚Umsturz‘ des ‚herrschenden Geistes der Abhängigkeit‘
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cher der Mensch hinabsinken konnte, der Abhängigkeit von leblosen Dingen, einen tödtlichen Streich versetzt.“ (608) Forster deutet hier sehr emphatisch (begrenzte) wirtschaftspolitische Ein griffe des Konvents – in Wechsel- und Aktienhandel, Aus- und Einfuhr – zu einer „moralischen Emancipation“ um, für die er nicht zufällig auch die Einberufung zur Revolutionsarmee nennt:23 So […] lehrte man die ganze Nation Aufopferungen machen, die dem Eigentum einen Theil seines eingebildeten Werthes benahmen. Die Vorstellung, die sich dem Gemüth des Bürgers allgemein vergegenwärtigte, daß die Noth Aller von jedem Einzelnen die Beisteuer seiner Habe, seiner Kräfte, seines Blutes sogar verlange, macht ihn gewissermaßen schon von allen diesen Gegenständen los. (608)
Wenn Forster die „Riesenschritte unserer öffentlichen Meinung“ verfolgt, legt er den Schluss nahe, dass sich die Revolution „auf den Umsturz des in unserm Jahrhundert mehr als jemals herrschenden Geistes gerichtet“ hat“ (606). Dabei betont er sehr ausdrücklich: „Dieser Richtung waren sich weder die ersten Urhe ber unserer Revolution, noch diejenigen, die seitdem als Hauptfiguren auftraten, deutlich bewußt; jetzt liegt sie indessen […] klar am Tage“ (606). Forster greift, wie zu Beginn des ersten Kapitels, zum Bild des „offne[n] Meer[s]“ (595), wenn er Natur und Vorsehung verbindet, um seine Sicht auf die ‚jetzt so klar am Tage liegende Richtung‘ zu begründen: „mir beweiset sie augen
23 Vgl. Gilli 2003, 228, zur „moralischen Vervollkommnung“. Garber 1988b, 456, stellt fest: „Der demokratische Volks- und Gesellschaftsbegriff wird um die ‚Simplizität der Sitten‘ (Georg Fors ter) gruppiert, die allein die ‚citoyen‘-Ideale verwirklichbar erscheinen läßt“, und merkt dazu an: „Wenn ich recht sehe, ist Forster der einzige deutschen Publizist, der während der Jakobi nerherrschaft einen solchen radikalisierten Rousseauismus vertritt.“ Vgl. dagegen die scharf negative Bewertung durch Keller 2008, 45: „Hier bricht Forster in zweierlei Hinsicht mit seinen früheren Überzeugungen: er unterwirft die Einzelwillen und das gesellige Miteinander dem Zwang – und dies in einem Großstaat, dem Rousseau die despotische Tendenz zuschreibt; das Ziel allgemeinen Wohlstands ersetzt er durch spartanische Kriegswirtschaft. Diese antilibera le Interpretation der Revolution werden sich später andere, etwa die Bolschewisten zu eigen machen.“ Kellers Schlussfolgerung wird in Frage gestellt durch die sehr kritische Behandlung der ‚lykurgisch-spartanischen Illusion‘ durch die sowjetische Historikerin Moskovskaja 1969, 136. Während Keller ungehemmt antitotalitaristisch aktualisiert: „Das gespaltene Bewusstsein, das öffentliche und private, das kalt erbarmungslose und das warmherzig mitfühlende, das so viele revolutionäre Intellektuelle nach 1917 psychisch einrichten, kennzeichnet bereits Forster“ (2008, 45), historisiert Kutzner 2003, 201, der zwar keinen Text Forsters, aber einen Saint-Justs auf Jakobinismus als Totalitarismus analysiert, immerhin die Herausbildung der jakobinischen Position: „Erstens sind Verfassungsfragen noch nicht von tagespolitischen Fragen geschieden, zweitens haben sich die verfaßte politische Sphäre und die Öffentlichkeit noch nicht gegenein ander ausdifferenziert.“
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scheinlich die höhere Einwirkung, die bei den Schicksalen unserer Gattung mit im Spiele gedacht werden muß, wenn wir nicht auf dem Ocean der Teleologie den Kompaß verlieren […] und zugleich alle Begriffe von Recht und Wahrheit, von Güte und Größe für bloße Hirngespinste und Spiele der Einbildungskraft halten wollen“ (606). Die auf solche Weise von Forster gesehene Richtung der Revolution als öffent liche Meinung werde den „allvermögende[n] Egoismus“ und die „Selbstsucht“ durch „Unabhängigkeit des Geistes“ (606) ersetzen. „Selbstverläugnung“ und „Aufopferung“ sieht Forster an die Stelle der Abhängigkeit von materiellen Din gen treten, die er so beklagt: „Mit haben, gewinnen, besitzen, genießen, schließt der Ideenkreis eine Kette um den Menschen, die ihn an Staub und Erde fesselt.“ (606–607)
13.9 Ambivalenz der ‚Selbstaufopferung‘ in einer heroischen Szene und einer Gespenstergeschichte Der Briefschreiber wählt im sechsten Kapitel eine für die den ‚Egoismus‘ überwin dende ‚Richtung‘ der Revolution repräsentative Szene aus: Es geht um den inne ren Konflikt von Eltern in einer Pariser Sektion, deren Söhne, die Militärdienst leisten, des Verrats beschuldigt werden. Forsters Darstellung setzt das Private und das Öffentliche ganz hart gegeneinander. Zunächst zitiert er verschiedene Reden, die im Konvent, der Commune und der Volksgesellschaft der Sektion gehalten wurden und die alle das klassische römische Modell von Vaterlandsliebe anwen den – Sujet eines 1789 entstandenen Bildes von Jacques-Louis David: Die Likto ren bringen Brutus die Leichen seiner Söhne.24 Dann betont Forster jedoch die Besonderheit seines Berichts, indem er sich im Gegensatz zu den Zeitungen auf den Unsagbarkeitstopos beruft: „Aber was in keiner Zeitung steht, was in seiner lebendigen Natur die Feder eines Geschichtschreibers und selbst die eines Dich ters nicht erreichen kann, das waren die Scenen in der Sektionsversammlung“ (631).25 Forsters eigene Version, die sich zugleich für unmöglich erklärt, gibt dem
24 Vgl. den Bericht über einen ähnlichen Fall, in dem die Brutus-Tradition angerufen wurde, bei Markov 1982, Bd. 1, 351. Zum Gemälde vgl. Starobinski 1981, 87, der die „erzeugt[e] Rührung“ betont. Über das Gewicht der klassischen Tradition von Republikanismus im Denken von Auto ren, die oft einem von Demokratie scharf geschiedenen Liberalismus zugeordnet werden, vgl. Hirschman 1984, 115. 25 Die Extreme der Stellungnahmen von Interpreten reichen von Marita Gilli, die die Szene eins der „konkrete[n] Beispiele d[…]er moralischen Vervollkommnung“ nennt, die Forster in den „Umrissen“ (2003, 228) gebe: „Wenn dieses Bild auch der Realität nicht völlig entsprach, so ent
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Weinen zentrale Bedeutung, denn dieses vereint für ihn die Mitglieder der Öffent lichkeit und der Familien derer, die geopfert werden müssten: Zwischen Bürgersinn und Elternliebe erhob sich der wunderbarste Kampf – oder darf ich Kampf nennen, was eigentlich ein Zusammenschmelzen beider Gefühle in ein unnennbares war? Die Überzeugung von der Strafbarkeit ihrer Kinder sprach augenblicklich das Todes urtheil im Herzen selbst der Väter und Mütter; und zu gleicher Zeit behauptete der Schmerz über den Verlust ihrer Lieblinge seine traurigen Rechte. (631)
Nur im Opfer – des Individuums, des Privaten und des Materiellen – verwirklicht sich so die Einheit des Volkes, des Individuums und der Gesellschaft, die Freiheit und Gleichheit. In dem Triumph des Patriotismus bleibt aber eine Ambivalenz, die durch die Betonung des Weinens markiert wird: „Es blieb kein trocknes Auge“ (631).26 Diese Ambivalenz kennzeichnet auch das zentrale Bild, das Forster für den „Geist der bürgerlichen Gesellschaft“ (613) in den „Umrissen“ prägt. Seine „Gespenstergeschichte“ (611) vergleicht die öffentliche Meinung mit einem „Schwarm von vielen Myriaden“ „Johanniswürmchen“ (612), der als „Riesenge stalt“ (611) einem in einer Kutsche Reisenden mitternächtlich erscheint.27 Die Auslegung des Vergleichs setzt das „Leuchtkäfergespenst“ (614) und den Geist der bürgerlichen Gesellschaft in der Homogenität beider gleich. Der Briefschrei ber betont, dass er sicher sei, der Adressat werde zugeben, „daß der Geist der bürgerlichen Gesellschaft ein wahrer Geist genannt zu werden verdient; denn er ist ja der Vereinigungspunkt aller der Intelligenzen, aus denen die Gesellschaft besteht“ (613). Aber das Tertium Comparationis erfordert nähere Bestimmung.
hüllte es doch Forsters tiefes Streben: Robespierres Wunsch nach Strenge und Tugend entsprach seinem eigenen Wunsch einer moralischen Vervollkommnung“ (229–230), und Oliver Hochadel, der die Szene zu „einigen sehr kruden Bemerkungen“ rechnet, zu denen „sich Forster dann aber doch […] hinreißen“ lasse, und aus ihr in einer Fußnote nur „bramarbasierende Töne“ (2000, 100) heraushören kann. 26 Vgl. aber Robespierres Rechtfertigung des Weinens über die Opfer des Septembers 1792, Fi scher 1974, 210. 27 Michael Gamper, der mit Peter Schnyder in der Einleitung zu ihrem Sammelband Kollektive Gespenster. Die Masse, der Zeitgeist und andere unfaßbare Körper Forsters „Umrisse“ methodo logisch interpretiert, weil im Gespenst „sich eine unhintergehbare Poetizität in die Darstellung“ „schleicht“, die das „beobachtete[…] Phänomen […] überhaupt erst hervorbringt“ und „Fragen auf[wirft] nach der Darstellbarkeit einer sich der sinnlichen Wahrnehmung entziehenden so zialen Wirklichkeit“ (2006, 14): „Nur in einer autoreferentiellen Rückwendung auf sich selbst […] kann […] die heraufkommende Moderne Anhaltspunkte für ihre Orientierung finden“ (16), arbeitet im Forster-Kapitel seiner Monographie Masse lesen, Masse schreiben den Unterschied zwischen Mainz und Paris im „Engagement der Menge“ (2007, 183) heraus.
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Forster versucht die Bedeutung von Gleichheit auf die politische, auf die politisch „homogene[r] Menschen“ zu begrenzen, indem er ihr „Übergewicht“ als „Princip“ daraus ableitet, dass „eine auffallende, anerkannte Ungleichheit unter den Men schen ihm entgegengewirkt hätte“ (614).28 Allerdings kann er nicht vermeiden, auf gesellschaftliche Heterogenität zu sprechen zu kommen, z. B. wenn er darauf anspielt, dass ausländische Interven tion dazu geführt habe, dass unter dem Vorwand der Gleichheit über ein Agrarge setz gesprochen worden sei. Aber im gesamten fünften Kapitel wird die verschwö rungstheoretische Ansicht von der Revolution lächerlich gemacht,29 eben weil der Naturprozess nicht auf die – überdies frei erfundenen – „Machinationen“ (624) von Individuen zurückgeführt werden könne. So belegt dieser verschwörungsthe oretische ‚Rückfall‘ hinter die eigene Einsicht vielleicht, dass Forster – wie die Jakobiner im Allgemeinen – das Problem nicht lösen konnte, moralisch das Pri vateigentum in der Politik zu delegitimieren, ohne es in der Ökonomie zu proble matisieren. Forsters Ausweg in den „Parisischen Umrissen“ ist die Spiritualisierung der politischen Gleichheit: Sie erhält einen moralischen Charakter und wird ins Opfer gewendet. Allerdings gibt es in Forsters Text so etwas wie die Wiederkehr des Verdrängten. Die Wendung der materiellen Forderungen der kleinbürger lichen und plebejischen, vorproletarischen sozialen Basis der Jakobiner in ein moralisches Ideal zeigt sich in Forsters Gespenstergeschichte. Die ‚Befriedigung‘ der materiellen Bedürfnisse von Individuen durch eine geistig-moralische, illusi onäre Kompensation in Form spiritueller Gleichheit, die nur durch Opfer letztlich des eigenen Lebens verwirklicht werden könne, nämlich im Krieg, wird in Fors ters Text dadurch problematisiert, dass der Briefschreiber den „kolossalisch[en]“ „Totaleindruck“ von dem „Zweck“, den die „Vorsehung“ mit der „Revolution“ „erreichen will“, befragt: „Ists am Ende ein guter Geist oder ein feindseliger Dämon?“ (619)30 Während die erste Deutung sich auf die Natur und Vernunft ver
28 Vgl. den Gegensatz zwischen dem deutschen Journalisten Girtanner, der über die ‚kleinen Männer‘ der Revolution und deren Mangel an ‚Helden‘ klagte (Herrnstadt 1965, 127), und Danton, der die Bäume des revolutionären Waldes pries (Fischer 1974, 306). 29 Hier könnte Forster den Artikeln folgen, die Desmoulin gegen diese Sicht schrieb (Soboul 1973, Bd. 2, 380; Markov 1982, Bd. 1, 388). Später jedoch entwickelte Robespierre exakt die von Forster verspottete Sichtweise, vgl. Markov 1982, Bd. 2, 566. 30 Im 14. Brief der im Frühjahr 1793 erschienenen Zweiten Sammlung von Herders Humanitätsbriefen wünscht ein fiktiver Briefpartner vom Autor eine Klärung des Begriffs ‚Geist der Zeit‘ mit der folgenden Begründung: „Ist er ein Genius, ein Dämon? oder ein Poltergeist, ein Wiederkom mender aus alten Gräbern? oder gar ein Lufthauch der Mode, ein Schall der Aeolsharfe? Man hält ihn für Eins und das Andre. Woher kommt er? wohin will er? wo ist sein Regiment? wo
13.9 Ambivalenz der ‚Selbstaufopferung‘ in einer heroischen Szene
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bindende öffentliche Meinung bezieht, färbt die zweite das Schlussbild, mit dem Forster meint, die Alternative zu beantworten – das Vaterland als göttergleicher Riese vereint das Licht der Aufklärung mit dem Schwert des Kriegers: „Doch will ich Ihnen sagen, was ich sehe. Ein helles Licht spielt um seine Locken; vom Blute der Erschlagenen trieft sein Schwert. Zürnend, wie der Fernetreffer Apoll, blickt er über seines Landes Gränzen, und ich vernehme deutlich die Donnerworte: discite justitiam moniti!“ (619) Die doppelte Natur von Forsters Gespenst – Geist der Vernunft und Dämon der Gewalt – verweist auf die Ambivalenz, mit der die Revolution, insbesondere ihre jakobinische Phase in Beziehung gesetzt wird zur Aufklärung.31 Auf der einen
seine Macht und Gewalt? Muß er herrschen? muß er dienen? kann man ihn lenken?“ (Herder o. J., Bd. 13, 69) Ulrich Stadler, der durch das Zitat „die propagierte Hoffnung auf einen teleo logisch ausgerichteten Geschichtsverlauf hin zu einer immer entschiedener ausgeprägten Hu manität merkwürdig herab[gedämpft]“ sieht (2006, 268), zitiert zum Begriff Grimms Deutsches Wörterbuch (1897): „Der Begriff ‚Zeitgeist‘ ist nicht identisch mit dem des ‚Gemeingeistes‘, der im 18. Jahrhundert gleichfalls ‚in politischer Anwendung‘ gebräuchlich wird und auf ‚Solidarität‘ vorausweist.“ (265) 31 Carl Gustav Jochmanns Kritik am Jakobinismus in seinem „Robespierre“ unterwarf sich nicht Burkes Glorifizierung des modernen Egoismus, die Jochmann für noch unter dem moralischen Niveau des ‚wiedergeborenen‘ ‚Civismus‘ hielt, aber Jochmann war nicht bereit, moderne Huma nität einem ‚Civismus‘ zu opfern, der sich als Schatten aus der antiken Unterwelt erwiesen hatte: „Diese hohen Gestalten einer grauen Vorzeit gleichen den Schatten der Unterwelt, welche der Magie heraufzurufen gelungen sein soll, die aber nur dem Meister gehorchten, der noch Höheres kannte als sie. Der Zauberlehrling unterlag den mächtigen Erscheinungen und büßte im Wahn sinne die allzu kühne Beschwörung.“ (1967, 115) Was Jochmann verurteilte, war weniger der Ko loss als die Wiederbelebung; indem er aber Egoismus und ‚Civismus‘ gleichermaßen ablehnte, beharrte er auf der Projektion einer Humanität jenseits der Dichotomie von Privatem und Öffent lichem. Schon vor Marx unterscheidet Heine scharf zwischen Beschwörung und Austreibung von Geistern; seine entschiedenste Absage betrifft eine Totenbeschwörung, die Hass und Opfer willen nährt, die Wiederbelebung von römischem Republikanismus: „Beschwörungsworte […] womit man die Toten aus den Gräbern ruft und die Lebenden in den Tod schickt, womit man die Zwerge zu Riesen macht und die Riesen zerschmettert“ (Heine 1976, Bd. 9, 103), erscheinen als sinnverwirrende „‚Banner der Todesweihe‘“ (216). Jacques Derrida hat sich in Marx’ Gespenster bemüht, die Opposition zwischen Beschwörung und Austreibung zu dekonstruieren (2004, 72, 150), um aus den lebenden Toten bei Marx, seinen Gespenstern, und dem Gespenst Marx selbst einen Spezialfall des Erbes (81) zu machen: „daß wir das ‚Lebendigste‘ davon übernehmen müs sen, das heißt paradoxerweise dasjenige davon, was niemals aufgehört hat, die Frage des Lebens zu stellen, die Frage des Geistes oder des Gespenstischen, die Frage von Leben-und-Tod jenseits der Opposition zwischen dem Leben und dem Tod“ (81). Damit entfällt in der „Spektralität“ (61), der Unentscheidbarkeit, die Möglichkeit zu wissen, „ob es einen Unterschied gibt zwischen dem Gespenst der Vergangenheit und dem der Zukunft“ (62). Derrida weist aber mehrfach darauf hin, dass der von ihm analysierte Bildgebrauch von Marx – nicht zuletzt in dem zwei Jahre vor den Vermischten Schriften Heines erschienenen Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte – einge
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Seite scheint die politische Beteiligung des Volkes, vor allem die Ausdehnung der öffentlichen Debatten, über die sozialen Grenzen der Aufklärung hinauszugehen, was sowohl eine Fortsetzung als auch ein Bruch mit aufgeklärtem Diskurs ist; auf der anderen Seite bricht zwar der „Umsturz“ (606) im ‚Geist des Jahrhunderts‘ mit dem aufgeklärten Band von Eigentum und Vernunft, aber er führt zu derselben Vorstellung vom ‚Geist der Unabhängigkeit‘, mit der die Bedeutung des Eigen tums aufgeklärt begründet wurde.
13.10 Demokratie oder Nationalismus: Hannah Arendt Die Ambivalenz wirkt auch in der Unterscheidung zwischen Mainz und Paris. Während in Mainz nur ‚wohlhabende Bürger‘, und unter ihnen die Intellek tuellen, als ‚unabhängige Geister‘ präsentiert werden, wird in Paris weder eine Lesegesellschaft noch ein politischer Klub als Ort des ‚Geistes‘ am enthu siastischsten gepriesen, sondern die Versammlungen der Sektionen und der Volksgesellschaften:32 „des Abends hört man in den Volksgesellschaften, in den Sektionsversammlungen Wasserträger, Schuhknechte und Karrentreiber von den Angelegenheiten ihres Landes, und von den Maßregeln des Augenblicks mit einer Bestimmtheit sprechen, die nur aus der einfachen Richtigkeit und Klarheit all gemein verbreiteter Grundbegriffe entspringen kann“ (634). Jedoch selbst dieses Lob politischer Beteiligung bewahrt ein Element des Blicks auf das Volk als Objekt von Erziehung; besonders deutlich wird es, wenn eine Verbindung hergestellt zwischen revolutionärer Aktivität und vorheriger Aufklärung in vorrevolutionärer Zeit. Dabei ist die Metapher „zustutzen“ bemerkenswert in der folgenden Hymne auf die Sansculotten, die sich nicht auf republikanische Handwerker und Klein
bettet war in eine verbreitete zeitgenössische Redeweise. In dieser war aber, wie Jochmann und Forster zeigen, die Unterscheidung zwischen zu beschwörendem gutem Geist der Zukunft und dem zu exorzierenden Gespenst der Vergangenheit zentral. „Marx hört nicht auf, zu beschwören und auszutreiben“, tadelt Derrida: „Er klaubt gute und böse ‚Geister‘ auseinander.“ (150) Um so bemerkenswerter, dass Marx im Brumaire die (bonapartistisch mobilisierte) Nation eins der „Worte“ nennt, „die in Phrasen“, einen der „Geister, die in Gespenster verwandelt“ (Marx und Engels 1969, Bd. 8, 203), und damit den Befund des Interpreten, dass sich die „zwei Modalitäten […] der ‚Totenbeschwörung‘ […] [m]anchmal kontaminieren“, vorwegzunehmen scheint (Derrida 2004, 156). 32 Vgl. die treffende Formulierung bei Forderer 2004, 432: „Forster schöpft sein Wissen über den Inhalt der öffentlichen Meinung an Orten, wo er das Volk bei einer Aktivität antrifft, die für sein republikanisches Demokratieverständnis zentral ist: dort, wo es als ‚Souverän‘ explizit die Umsetzung seines politischen Willens einfordert“, das seien 1793 „die Sektionsversammlungen, die Volksgesellschaften und der Jakobinerclub“ gewesen.
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händler beschränkt, sondern Lohnarbeiter einschließt: „Ein Kopf, den Moliere, Regnard, Destouches, Marivaux, Racine, Corneille und Voltaire zustutzen hal fen, hat wenigstens die Wahrscheinlichkeit für sich, daß er Wahrheiten, wo nicht selbst kombiniren, doch von Anderen vorgetragen fassen und beherzigen werde“ (635). Trotz dieser aufgeklärten pädagogischen Anmerkung liegt der wesentliche Unterschied zwischen der „Darstellung“ und den „Umrissen“ in dem zwischen den passiven Bürgern in Mainz und dem aktiven Volk in Paris, einem Begriff von Volk, der über die Grenzen des Privateigentums hinausgeht. Diese soziale Wen dung führt zu einer Umkehrung des Begriffs Nationalcharakter – wenigstens im französischen Fall. In einer ausführlichen Fußnote argumentiert Forster gegen die Ableitung der jakobinischen Phase der Revolution aus der traditionellen Vorstellung französischer ‚Reizbarkeit‘.33 Weil das Volk von 1793 als Repräsen tant unabhängiger geistiger Aktivität statt passiver Abgängigkeit von materieller Wirklichkeit gesehen wird, wird diese zum ‚Geist des Zeitalters‘ verallgemeinert. Indem Forster das, was er als Ergebnis der jakobinischen Phase der Revolution ansieht, den Geist des Opfers, zu der „Ursache der Revolution“ (607) erklärt, der treibenden Kraft, deren sich die Beteiligten der früheren Phasen nicht bewusst waren und nicht bewusst sein konnten, weist er jede Bezugnahme auf angeblich französische moralische Korruption als Erklärung zurück, um stattdessen eine universale Grundlage einzuführen,34 auf der die Entwicklung der Revolution in Frankreich gesehen werden könne. Es scheint kein Zufall, dass Forsters eigene Erklärung von der Autorität eines Naturbilds abhängt, aber sie endet in einem expliziten Kommentar, der den Vergleich in Identität wendet; so kann die ange nommene Identität des moralischen Ziels der Revolution – die Umkehrung von Egoismus, dem Geist der Abhängigkeit, in den Geist der Unabhängigkeit – und ihrer Ursache – der Überwindung der Korruption der Menschheit – als ‚natürlich‘ präsentiert werden: […] ich hingegen glaube, daß eine allgemein gewordene selbstsüchtige Stimmung die Ursache der Revolution ist, und nur durch sie geheilt werden kann. Die Revolution hat vollkom men alle Zeichen einer heftigen Krankheit, wodurch die Natur den Körper eines fremdartigen
33 Vgl. dazu Grosser 1989, 436: „die mit dem Vorwurf eines Mangels an aufgeklärter Rationali tät verbundene Kritik an der grundlegenden ‚Immoralität im Charakter (…) der französischen Nation‘ gestaltete sich vehementer als zuvor, was in ihrem hochgradigen Projektionscharakter begründet lag, wie Georg Forster aus der Sicht seines Pariser Exils deutlich erkannte: ‚man ließ uns vergelten, daß man sich in seinen Hoffnungen verrechnet hatte‘.“ 34 Kappeler 2014, 40, belegt mit Forsters Interesse an der Haitianischen Revolution, dass er „explizit gegen die Annahme“ war, „politischer und wissenschaftlicher Fortschritt sei allein ein europäisches Produkt“.
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oder verdorbenen Stoffs entledigt, der, in zu großer Menge abgeschieden, erst allgemeines Stocken, und hernach eben so allgemeine Auflösung verursacht. Dies ist in der That mehr als ein Vergleich; es ist Ähnlichkeit, Verwandtschaft, Übereinstimmung der materiellen mit der moralischen Natur, und des einzelnen Menschen mit der Gesellschaft (607).
Forsters Identifizierung von Individuum und Gesellschaft, die das Opfer als Form der Beteiligung des Privaten am Öffentlichen betont, führt in einer anderen Fuß note zur – wenn auch nicht völligen – Zustimmung zu William Godwins Zurück weisung des Konzepts von Rechten zugunsten des von Pflichten (614).35 Deswegen kann heute Forsters Text insofern verstören, als sich sowohl Demo kratie als auch Nationalismus auf seine Bilder und Begriffe des Jahres 1793 bezie hen ließen.36 Was mir aber bemerkenswert scheint, ist die Überschreitung von aufgeklärten Grenzen, die im deutschen Fall zur Tradition von Autoritarismus beigetragen haben.37 Forsters Freunde und Kollegen belegen einen Punkt, den Albert O. Hirschman (1984, 128–129) im Allgemeinen zum Denken des achtzehn ten Jahrhunderts gemacht hat, nämlich zur Vereinbarkeit von liberalen Ansich ten über ‚Denkfreiheit‘ und kapitalistischen über die Wirtschaft mit autoritärer Politik. Aber in Deutschland ist von Forsters Zeitgenossen (wie Schiller) bis in die Gegenwart (z. B. Hermann Lübbe),38 die Aufklärung mit dem Terror verbunden worden, um sich von der Demokratie zu distanzieren. Auch nachdem das Konzept des Totalitarianismus – als Interpretation des jakobinischen Terrors – angenom men worden ist, hat die zugrundeliegende Rechtfertigung der Akzeptanz eines undemokratischen und unsozialen Status quo die Konstruktion eines spezifisch deutschen Wegs in die Moderne gefördert. Deshalb kann Forsters klassischer
35 Godwin ist ein Beispiel, um Forster gegen die Kritik von Reincke (1989) zu verteidigen. Auch William Godwin sieht Burke als feudalen ‚spirit‘; sein Begriff von Aristokratie – wie der Fors ters – schließt den Bourgeois unter dem Namen ‚Reicher‘ ein. Godwin redefiniert Interesse durch die Entgegensetzung von Selbstsucht als Leidenschaft und an die Pflichten des Wohlwollens gebundenem aufgeklärtem Interesse; Godwins Vorstellungen von Klassen und Volk sind denen Forsters sehr nah, wie insbesondere sein Insistieren auf „independence of our mind“ (Godwin 1976, 276) zeigt. 36 Marxistische Historiker wie Soboul und Markov haben zustimmend die Untrennbarkeit der nationalen und sozialen Aspekte betont. Markov geht so weit, nationales Fühlen als Durchbre chung von Klassenschranken zu sehen (1982, Bd. 1, 215, vgl. Soboul 1973, Bd. 2, 231. 37 Vgl. dazu Herrgen 2000, 241, zu Forsters „integrative[m] ‚Volks‘-Begriffs, der ‚Volk‘ als volun tativ konstituiert versteht“: „Dieser Weg hat sich aus den bekannten Gründen nicht durchge setzt. Die semantische Analyse zeigt aber, daß es ein völlig anderer Weg gewesen wäre als der, den die (Begriffs‑)Geschichte in Deutschland realiter genommen hat.“ 38 Lübbe 1978 lieferte der westdeutschen ‚Wende‘ der siebziger Jahre die ‚Große Erzählung‘, wie die Aufklärung der sechziger zum Terror der frühen siebziger geführt habe.
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Text – auch wenn er seit geraumer Zeit aus dem Kanon entfernt worden ist – eine Erinnerung sein – sowohl an spezifisch deutsche als auch an allgemein westliche Probleme bei der Demokratisierung einer Gesellschaft der Ungleichheit. Seine widersprüchlichen Angebote von Demokratie und Nationalismus scheinen heute relevant.39 Nach 1989–1990 haben westdeutsche Intellektuelle Hannah Arendts Werk wiederentdeckt. Es war nicht nur die Theorie des Totalitarianismus, die in den sechziger Jahren der Kritik verfallen war, sondern insbesondere ihr Nachdenken über Öffentlichkeit, ihr Insistieren auf der Notwendigkeit politischer Debatte, was nun einflussreich wirkte – nicht zuletzt wegen ihrer Warnung vor der Beschädi gung freien öffentlichen Denkens durch Nationalismus. Betrachtet man allerdings ihre Sicht auf die Massen des Jahres 1793, so scheint sie mit den Liberalen und Konservativen übereinzustimmen, die ich eingangs zitiert habe. Ihr Punkt über den Mangel der Massen an Qualifikation ist nicht nur derselbe, den Ortega macht: Menschen in den Ketten der Nöte und Notwendigkeit seien nicht frei zu diskutieren,40 sondern auch genau der, über den Forster hinausgehe musste, um die Revolution verstehen zu können. Mit der Entgegensetzung von Elite und Massen fällt Arendt hinter ihre eigene Analyse der Volksgesellschaften zurück, in denen sie „die Straße, die sich zusammenrottet, und de[n] neue[n] öffentliche[n] Volksgeist, der sich organisiert, […] noch unge schieden nebeneinander“ sieht (Arendt o. J., 352). Obwohl sie den Volksgesellschaften und der Commune zugesteht, dass „das Volk […] seine erste Lektion in Sachen menschlicher Würde und Freiheit erhielt. Ein ungeheures Verlangen nach Diskussion, Belehrung, gegenseitiger Aufklä rung und Meinungsaustausch brach sich […] Bahn“, legt sie durch das Insistie ren auf dem „praktisch zweckfrei[en]“ Charakter dieses ‚Verlangens‘ den Grund zu ihrer vernichtenden Kritik an dem Ruin der Revolution durch „Elend“ und vor allem durch die Korruption von „Freiheitsleidenschaft“ „in dem Strom des Mitleids, den dies Elend erzeugte“ (354). Aus dieser Diagnose der gescheiterten revolutionären Demokratie der Vergangenheit ergibt sich Arendts Therapie für die Massendemokratie der Gegenwart. Sie schlägt eine klare Arbeitsteilung vor: Eine aufgeklärte intellektuelle Elite debattiert frei Politik, mit der die Massen
39 Vgl. Blitz 2000, 11–12, zur „‚Janusköpfigkeit‘“ „von ‚Partizipationsverheißung und Gewaltbe reitschaft‘ als den zwei Gesichtern der modernen Nation“. 40 Arendt o. J., 84–85, 81: Aus der Aussage über „das Elend der Massen, die per definitionem niemals imstande sind, freigesinnte Menschen aus ihren Reihen zu entlassen, solange das Elend jeden Einzelnen in die Fesseln der Notwendigkeit schlägt“, folgt: „Wo immer die Lebensnotwen digkeiten sich in ihrer elementaren Gewalt zur Geltung bringen, ist es um die Freiheit einer von Menschen erstellten Welt geschehen.“
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nicht behelligt werden. Sie begründet deren ‚Freiheit von Politik‘ mit dem folgen den fragwürdigen Satz: „Nur wer an der Welt wirklich interessiert ist, sollte eine Stimme haben im Gang der Welt“ (404). Ein solches ‚wirkliches‘ Interesse wird von Arendt gleichgesetzt mit einem „Geschmack an öffentlicher Freiheit“ (405), und statt mit einer Kritik an dieser luftigen Vorstellung möchte ich enden mit der Erinnerung an Forsters zitierten Enthusiasmus über plebejische Straßendiskus sionen, in denen es aber um ‚Wirkliches‘ ging.
IV Statt eines Schlussworts
14 Der Briefschreiber Georg Forster über das Briefschreiben Nicht erst seit Hugo von Hofmannsthal Georg Forsters „Zwei Briefe aus dem Paris von 1793“ in sein Deutsches Lesebuch (1984, 127–129) aufnahm, gehört Forster zum Kanon der klassischen Briefliteratur.1 Hofmannsthal, der Gustav Landauers Bearbeitung der Forsterschen Texte für seine Briefe aus der Französischen Revolution (1985, 145) folgte,2 nahm damit in einer spezifischen Weise das Interesse vorweg, das Forsters Briefe in der Literaturwissenschaft – zumal nach der gegen über der DDR verspäteten Wiederentdeckung des Jakobiners Forster in der BRD – gefunden haben: Gelesen wurden Dokumente des Versuchs eines deutschen Intellektuellen, sich in der Revolution politisch zu orientieren. Landauers Kür zung des Briefs um alles, was Forsters beruflichen und familiären Alltag betraf, konnte Hofmannsthal in einer Sicht nur bestätigen, die Friedrich Schlegels Fors ter-Essay vermittelt hatte: „So schien uns, es wäre niemals politisch-sittlicher gedacht worden, als von Georg Forster in seinen Briefen aus dem Paris von 1793“ (Hofmannsthal 1984, 9). Die Sittlichkeit von Forsters politischem Denken mit einem Schlegel-Zitat zu beglaubigen, war für Hofmannsthal ein Weg, den französischen Staatsbürger Forster aus der Reichsacht, die über ihn verhängt war, in ein ‚geistiges Deutsch land‘ heimzuholen, zu dem gerade die Außenseiter beigetragen haben sollten. Die herausgehobene Stellung der Briefe aus Paris, die sich von Walter Ben jamins Deutschen Menschen (Benjamin 1972, Bd. IV/1, 160)3 bis Mattenklotts und
1 Vgl. die vergleichsweise prominente Rolle, die Forster spielt in Nieckisch 1991. 2 Zur Frage der Abhängigkeit vgl. Peitsch 1994a, 24. 3 Gegen den von Adorno geprägten Konsens über die Wirkungslosigkeit der Anthologie vgl. meine Nachweise zur Rezeption in Nazideutschland: Peitsch 1986. Freilich zählte zu den Lese rInnen von Benjamins Forster-Auswahl auch die spätere Justizministerin der DDR, Hilde Ben jamin, die Adorno aus seiner Benjamin-Briefausgabe ausschloss. Walter Benjamin hatte seiner Schwägerin das Buch 1936 zum Geburtstag des im Zuchthaus Brandenburg inhaftierten Bruders Georg geschenkt (Benjamin 1982, 233), und das Ehepaar korrespondierte dann über „einige Stellen“ (256) aus der Anthologie, vor allem aus einem der von Walter Benjamin ausgewählten Forster-Briefe. In einer Fußnote versucht die Biographin die ablehnende Reaktion ihres Mannes auf den einen Brief, der sie „sehr berührt“ (256) hatte, zu erklären; Georg Benjamin hatte zu Stellen, die seine Frau in ihren Briefen an ihn zitiert hatte, geschrieben: „Sie atmen eine zu große Trostlosigkeit; die Person Forsters ist mir dadurch unklar, welche Stellung er zu den zeitgenös sischen Ereignissen einnahm.“ (256) Hilde Benjamins Fußnote bringt „[d]ie Stelle […], die mich damals, wie auch heute beim Wiederlesen, so erschüttert hatte“ (256): „Ich habe keine Heimath, kein Vaterland, keine Gefreundete mehr; alles was sonst an mir hieng, hat mich verlaßen, um andere Verbindungen einzugehen, und wenn ich an das Vergangene denke, und mich noch für DOI: 10.1515/9783110343878-018
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Schlaffers’ Deutschen Briefen (1988, 701)4 in den Anthologien und in der Sekun därliteratur von Gerhard Steiner (1988)5 und Ralph-Rainer Wuthenow (1975)6 bis zu Peter Morgan (1992) zeigt, widerspricht der Rezeptionsgeschichte der Publi kation von Forster-Briefen bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert; sowohl Therese Hubers (1829) wie Therese Forsters und Georg Gottfried Gervinus’ (1843)7 Brief ausgaben als auch die späteren Teileditionen Hermann Hettners und Albert Leitz manns8 stellten keineswegs die Pariser Briefe ins Zentrum. Sogar in populären Literaturgeschichten gab es im neunzehnten Jahrhundert ein doppeltes Interesse an Forsters Briefen, das gerade nicht nur denen aus Paris galt: Von Literatur geschichtsschreibern, die der immer noch der Rhetorik verpflichteten Litterar historie nahestanden, wie Koberstein (1873, Bd. 5, 574–580) und Pischon (1868, 207, 219), wurden die Forsterschen Briefe als formale Muster, als Vorbilder, die im Alltag nachgeahmt werden sollten, empfohlen. In den Blättern für literarische Unterhaltung hatte Franz Horn schon vier Jahre nach Erscheinen der Huberschen Ausgabe Forster zusammen mit Gellert unter dem Titel „Ein Wort über deutsche Briefsteller“ behandelt. Gemäß der rhetorischen Gattungsdefinition der Litterar historie erschienen die Briefausgaben bei Horn jedoch auch als eine seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts „sich erweiternde Provinz“ der Literatur, d. h. innerhalb der „Historiographie“ kompensiere der Reichtum deutscher Briefaus gaben den quantitativen und qualitativen Mangel an Chroniken und Memoiren
gebunden halte, so ist das bloß meine Wahl und meine Vorstellungsart, kein Zwang der Verhält nisse.“ (AA XVII, 383) 4 Angesichts der Fortschreibung von Benjamins Auswahl und im Lichte von Benjamins Behaup tung, Forsters Pariser Briefe hätten „als Folge […] in der deutschen Briefliteratur kaum ihres gleiches“ (Benjamin, Bd. IV/1, 160), muss das Verschweigen Forsters in einem Beitrag eines der Anthologisten zu Benjamins Brieftheorie immerhin festgestellt werden: Mattenklott 1992. 5 Hierbei handelt es sich um eine Bearbeitung des Nachworts zum Briefband (Bd. 4) von Stei ners Insel-Ausgabe (Forster 1970). Mit großem Recht, aber leider, was die biographisch oder an politischen Positionen orientierte Forschung angeht, vergeblich hat Steiner schon damals be tont, wie sehr Forsters Brieftexte „auf seine Korrespondenten abgestimmt“ (Steiner 1988, 9) und von seiner „Einstellung zum Briefpartner“ geformt seien. Steiners Plädoyer gegen aus „ihrem Zusammenhang“ (10) losgelöste Briefzitate blieb insbesonders ungehört bei Historikern, die immer wieder dieselben Zitate für Forsters ‚Einsicht‘ in die Unreife Deutschlands zur Revolution bringen; vgl. etwa Vierhaus 1983, 12–15, und Hammer 1983, 36, 40–42. Primär biographische Aus wertungen der Briefe Forster gibt es u. a. für seine Beziehungen zu Goethe (Steiner 1985), Her der (Henning 1988; Uhlig 1990, 2012), Wilhelm von Humboldt (Sauter 1986), Lichtenberg (Rödel 1960; Voigt 1976), Jacobi (Uhlig 2000; Götz 2007) und Johannes Müller (Dotzauer 1986). 6 Vgl. auch seine Anthologie: Wuthenow 1981. 7 Vgl. den Neudruck von Gervinus’ Einleitung zum ersten der drei Briefbände der Ausgabe: Ger vinus 1962. 8 Typisch für Leitzmanns editorisch-biographisches Interesse ist z. B. Leitzmann 1892.
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(Horn 1833, 293). Die rhetorische Musterhaftigkeit im Briefschreiben verband sich also mit anderen, historisch-moralischen9 Varianten von Vorbildlichkeit: der Entwicklung vom Denken zur Tat (Gervinus), dem Ausgleich zwischen Ideal und Realität (Hettner), der Synthese von Aufklärung, Sturm und Drang und Klassik (Leitzmann) – nach allen diesen Mustern ordneten die immer weniger liberalen, dafür aber umso nationaleren Germanisten Forsters Lebenslauf. Die Konstruk tion einer exemplarischen Biographie legitimierte so die Musterhaftigkeit der Briefe, aus denen die Forschung immer wieder das von ihr entworfene Bild bloß zu zitieren meinte. Aber auch diejenigen Literaturhistoriker, deren Einsatz für die Verban nung Forsters aus dem Kanon seit der geistesgeschichtlichen Nationalisierung der Wissenschaft und vollends mit deren Pseudo-‚Bewältigung‘ durch Werkim manenz von triumphalem Erfolg gekrönt war, stützten den Ausschluss auf die Briefe: Wilhelm Dilthey,10 Rudolf Haym und Wilhelm Scherer11 bauten am Bild des Schwächlings, dessen Mangel an Männlichkeit sich im Scheitern seiner Ehe, im Landesverrat in der Politik und literarisch im Dilettantismus, der kein ‚Werk‘ hinterließ, entlarvt haben sollte. Ina Seidels Forster-Roman (1922)12 und Kurt Kerstens Biographie (1957) verhalfen diesem Bild von den zwanziger bis über die fünfziger Jahre hinaus zu größerer Verbreitung. Gerade wenn man davon ausgeht, dass das diesem opponierende Bild von Forsters ‚eiserner Härte‘,13 seiner Konsequenz und seinem Heroismus – das vom expressionistisch-aktivistischen Kersten (1919) zeitweise und von kommunisti schen SchriftstellerInnen wie Rudolf Leonhard (1949), Egon Erwin Kisch (1950, 185) und Anna Seghers (1971, Bd. 3, 206)14 lebenslang vertreten wurde – in der Geschlechtertypisierung eine bemerkenswerte Nähe zu der Norm aufweist, an
9 Horns romantischem Nationalismus gerät Forsters Exempel „lehr- und warnungsreich“ zu gleich; dem Lob des praktischen Manns widerspricht der Tadel von dessen „Flammen in der Brust“ (Nr. 72, 299). Letztlich empfiehlt Horn seinen Lesern stattdessen Baggesens „Sanguinik“ (Nr. 73, 301) oder Gellerts „Zufriedenheit“ (Nr. 72, 299). 10 Diltheys Polemik gegen die in den 1850er Jahren dominierende liberale Forster-Rezeption wählte sich in durch Anonymisierung besonders sprechender misogyner Weise zum Ziel Elisa Maiers Georg Forster. Lichtstrahlen aus seinen Briefen und seinen Werken (1856). 11 Haym 1871 und Scherer 1874 entfalten ihr Forster-Bild anlässlich der Besprechung von Waitz’ Ausgabe der Briefe von Caroline Michaelis-Böhmer-Schlegel-Schelling im Nationalismus der militärischen Reichsgründung. Zur Rezeptionskonstellation Georg Forster-Caroline Böhmer, die vor allem in den achtziger Jahren in der DDR eine neue Bedeutung gewann, vgl. Meyer 1991. 12 Zu Seidels ‚naturwüchsiger‘ Verbindung von Brief und Frau (die der Denunziation Forsters als Mann ohne Werk entspricht) vgl. Ebrecht 1990a, 251. 13 Vgl. hierzu und zu den im Folgenden genannten AutorInnen: Peitsch 1994b. 14 Zum Problem von Männlichkeit und Politik bei Seghers vgl. Rapisarda 1992.
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der die Nationalisten Forster maßen und verwarfen, dürfte eine Relektüre des Forsterschen Briefwerks geboten sein. Es ist wohl nicht nur die modische Tendenz zur Autoreferentialisierung von Texten, die beim Lesen der über 1300 in der Akademie-Ausgabe der Akademie der Wissenschaften der DDR gesammelten Briefe auf die Häufigkeit von Reflexionen über das Briefschreiben stoßen lässt.15 Sie sind motiviert durch dieselbe Isola tion, die die Zahl nicht nur der überlieferten, sondern der von Forster tatsächlich geschriebenen Briefe höher sein lässt als bei vergleichbaren SchriftstellerInnen des späten achtzehnten Jahrhunderts. Die Ortswechsel eines Lebens, das Forster in seinen Briefen früh auf die metaphorische Antonomasie vom „Weltumsegler“ (XIII, 413; XIV, 566) kommen ließ – eine Formel, die von Friedrich Schlegel über Rudolf Borchardt (1960, 20)16 bis zu Kersten immer wieder aufgegriffen wurde, bedingten, dass Kommunikation für Forster in höherem Grade eine briefliche wurde als für AutorInnen, die für einen längeren Zeitraum in einem Zentrum des literarischen Lebens wirkten. London, Wilna und Paris lagen außerhalb des Reichs, Kassel und Mainz befanden sich eher an der Peripherie, als dass sie eins der Zentren literarischer Kommunikation seiner Zeit gewesen wären.17 Die kla gende Feststellung von der Überlegenheit des Gesprächs über den Brief als blo ßen Ersatz von Umgang zieht sich durch Forsters Briefe von London bis Paris.18 Gerade die Bewusstheit, mit der er dem „Stylo Epistolari“ abverlangt, dass er „sich der Conversation nähert“ (XIII, 458), lässt ihn den Abstand zwischen schrift
15 Zur Qualität der Kommentierung der Zitate aus Forsters Briefen nach AA XIII-XVII (1978– 1989) kann ich mich leider nur dem Urteil Inge Stephans (1989, 85) anschließen, die von der „lieblosen Verwaltung“ des jakobinischen Erbes in der späten DDR gesprochen hat. 16 Forsters „Zentrifugalrad um Deutschland herum“ machte ihn für Borchardt zu dem Deut schen schlechthin, der nämlich fähig sei, „die Erfahrung, daß sein Reich nicht von dieser Welt ist […], aus Versagung in Schöpfung zu verwandeln“ (1960, 22): „Der eigner länderverknüpfender und besiedelnder Politik fast ganz Enterbte […] ergreift aus der Bücherstube heraus die Welt durch Begründung erobernder Wissenschaften.“ (26–27) 17 Vgl. dagegen den titelgebenden Anspruch von Jamme und Pöggeler 1986b Mainz – „Centralort des Reiches“. Andrea Theissens Katalogtext über Mainz im „Beitrag des Bundes zur 2000-Jahr feier der Stadt Bonn 1989“ – der Ausstellung Hauptstadt. Zentren, Residenzen, Metropolen in der deutschen Geschichte – vermeidet nicht nur die Mainzer Republik vollständig, sondern spricht auch erst von „Zentrum“, als es um die Karlsbader Beschlüsse geht, die Mainz zu „einem Zen trum der politischen Polizei“ (150) machten. 18 Wer an dem dekonstruktiven Spiel mit einer solchen „Erniedrigung der Schrift angesichts eines gesprochenen Wortes, welches seine eigene Erfüllung träumt“ (Derrida 1983, 124), inte ressiert ist, sei auf eine einschlägige Behandlung eines Forster-Textes verwiesen: Rösner und Schuh 1990.
14.1 Briefe als Ersatz von Umgang: Überlegenheit des Gesprächs
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licher und mündlicher Verständigung immer wieder betonen. Der Topos19 erhält dabei durchaus verschiedene Bedeutungen, weil er auf die Bedingungen der Ent fernung der Briefpartner verweist. Forster misst jeweils seine eigenen Lebensbe dingungen an einem Ideal von Kommunikation, wodurch das Briefschreiben zur Kompensation des Sprechens und „reden hören[s]“ wird; thematisiert werden die Gründe, weshalb der Partner abwesend ist.
14.1 Briefe als Ersatz von Umgang: Überlegenheit des Gesprächs „[…] in gedanken […] unterrede ich mich mit Ihnen, bin in gedanken ein Deutscher“, schreibt Forster an Friedrich Adolf Volpracht am 12. März 1776 aus Lon don, um dann das ‚Mühsame‘ in einer „Correspondenz“, „manches […] in meiner Seele [zu] entwickeln wie manchen dunkeln begriff mir deutlich zu machen“, mit der zu vergleichen, „vermittelst welcher zween Spanier ganze Jahre lang an einer Parthey Schach wegspielen“ (AA XIII, 29). Das Leiden an den Lebensbedingun gen eines deutschen Schriftstellers, dessen „Luftschlößer“ sich aus den „Sitten des allzu verderbten Englands“ „in Deutschland was reineres, weniger geküns teltes, mehr entzückendes […] suchen“ (29), lässt den Brief an einen anderen Freund, den Verleger Johann Karl Philipp Spener, „in spite of the English fashion“ mit einem „recht freundschaftlich[en]“ Kuss enden, nachdem die Klage über die „engen Gränzen eines Briefes“ die Hoffnung auf „manchen Abend […] unsrer Unterredungen“ (33) festgehalten hat. Aber auch die Annahme der Professur in Kassel verändert nicht den Vergleich des eigenen Orts, wo „Umgang […] versagt“ (51), mit jenem anderen, an dem das Gespräch mit dem Adressaten möglich wäre. Wenige Tage nach der Ernennung „denkt“ sich ein Brief Forsters „in den vertraulichen zirkel“ Friedrich Heinrich Jaco bis und seiner Schwestern in Pempelfort „hinein“, indem Forsters „Seele“ „mitten unter Euch erscheint, und Euer lauschendes Ohr freundlich begrüßt“ (166). Zwei Jahre später lässt das ‚Leiden‘ an der Abhängigkeit von einem Hof, wo „Tugend“ „nicht“ „wohnt“, trotz der „Entschädigung“ durch den Freund Samuel Thomas Sömmering Forsters Brief an Jacobi zu „Fortunatus Hütchen“ werden, ein Vergleich, der sich allerdings gleichermaßen auf den Wunsch bezieht, „von jenen Fesseln frei […] ein kleines Stübchen neben der göttinger Bibliothek“ (283) zu bewohnen. Weder Freunde noch eine Bibliothek mit neuen Büchern und Zeitschriften fand Forster in Wilna vor. Auf der Reise zur Stellensuche hatte ihn erst der Berliner
19 Zu den brieftheoretischen Topoi und dem Wandel ihrer Funktionen vgl. Nörtemann 1990, 213.
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14 Der Briefschreiber Georg Forster über das Briefschreiben
„Umgang“ seinen langjährigen Briefpartner Spener „recht fassen und verstehen und lieben“ (AA XIV, 77) gelehrt; in Wilna hingegen sei es bis zum 12. Oktober 1786, als er seinem Schwiegervater Christian Gottlob Heyne schreibt, niemals möglich gewe sen, „daß ich mich unterredete, wie man in Deutschland täglich zu thun gewohnt ist, nämlich so, daß man der interessanten Gegenstände des Gesprächs mehr hat, als man abzuthun Zeit finden kann, und deßhalb, wie man zu sagen pflegt, vom Hundertsten ins Tausendste redet“ (563). Als einzige Ausnahme fungiert seit 1785 Therese Heyne in Forsters Briefen, doch schon die erste Versicherung der privatfamiliären Kompensation der Mängel gesellschaftlicher Kommunikation in Beruf und literarischem Leben, die Forster Heyne am 19. Dezember 1785 gibt, sieht das, wie es später heißt, „mit der gelehrten Welt in Nexu“-„Bleiben“ (537) als gefährdet: […] haben wir gleich vom hiesigen Umgang wenig Genuß zu erwarten, […] sind wir einan der genug; und solange ich bey meinem Grundsatz bleibe mit deutscher und ausländischer Litteratur soviel möglich in Connection zu bleiben, können wir auch auf neue Lebhaftigkeit im Umlauf unserer Ideen rechnen, und werden nicht so leicht Gefahr laufen zu versauern, wie wol ich diese Gefahr auch an und vor sich, bey Menschen die für sich selbst denken, nicht so gros achte. (403)
Das Ausbleiben nicht nur von Briefen (vor allem Georg Christoph Lichtenbergs, Jacobis und Speners), sondern auch von Zeitungen und Büchern – die durchweg in einem Zusammenhang erscheinen: als Post nämlich (471, vgl. 210, 490) – führt Forster zur wiederholten Feststellung seines „litterarischen“ (510) „Todes“ (502): „Kein Mensch nimmt Antheil, […] als ob wir hier für jedermann und jeder für uns todt wäre!“ (499) Selbst dem einzigen „prompten und accuraten Corres pondenten“ (470), Sömmering, dem er zugutehält, „wahrlich jeder Brief ist hier immer zehnfach so viel werth als an einem andern Orte“ (431), wirft er deshalb fast vor, den „gewöhnliche[n] Briefton“ zu verfehlen, wenn er nur „Sachen“ (598) schreibe, wo doch für „wesentliche Briefe“ gelte: „es ist als hörten wir Dich spre chen“ (449). Aber nicht nur für die Freundschaft, sondern sogar für den Beruf und die wissenschaftliche Qualifikation gibt Forster der Mündlichkeit den Vor rang: „Keine Idee werde ich hier in meinem Fache durch Umgang gewinnen, folg lich muß Lecture Alles ersetzen“ (501). Über Therese, ohne die, wie der „aus dem Cirkel der litterarischen Welt ausgeschlossen[e]“ Forster an Johann Gottfried Herder schreibt, „freilich hier kein Aushalten“ „wäre“ (512), berichtet Forster an Heyne: „Nichts bleibt ihr hier von allen ihren Freunden […] als […] schriftlicher Umgang übrig“ (526).20 Ausgerech
20 Zu Therese Forsters Briefen aus Wilna vgl. Leuschner 1990, 208, die den Aspekt der „verhinderte[n] Schriftstellerin“ betont. Vgl. die davon abweichenden Beurteilungen in Koepke
14.1 Briefe als Ersatz von Umgang: Überlegenheit des Gesprächs
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net einen eigenen Brief an Thereses alten Freund Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer schließt Forster dann mit einem Lob des mündlichen Umgangs mit Therese auf Kosten des Briefs, begründet mit seiner Furcht vor der Reaktion Herders auf einen Brief, in dem ihm der vom literarischen Leben isolierte Forster die Vermutung mit geteilt hatte, Herder wäre der Verfasser der Schrift Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie:21 „So geht es manchmal, wenn wir zur Unzeit Alles sagen, was wir auf dem Herzen haben. […] Wie froh bin ich, daß jede Thor heit, jeder Einfall, auch der lauterste Wahn, der sich in meinem Hirn regt, unver hohlen meiner Therese gesagt werden kann.“ (663) Der Zeitfaktor spielt eine andere Rolle in einem Brief Forsters an Herder, als im November 1787 Briefe und damit Nachrichten über den russisch-türkischen Krieg und somit über das Schicksal der Expedition fehlen, an der Forster teilneh men sollte: Das Gespräch erlaubt Entscheidungen, die durch die Post verzögert werden – „ich hätte mündlich tausend Dinge sagen können, die in Briefen nicht abgethan werden, ohne ewiges Hin- und Herschreiben“ (AA XV, 66). Ein Beispiel hierfür liefert der im Dezember einsetzende Briefwechsel Fors ters mit Johann Georg von Zimmermann. Forsters Abhängigkeit von Zimmer manns Vermittlung bei der Zarin, um eine finanzielle Entschädigung für die des Kriegs wegen ausgefallene Forschungsreise zu erhalten, führt zu einer in Forsters Briefen singulären Bestimmung der Hierarchie von Mündlichkeit und Schriftlich keit. Der Wortreichtum des Bittstellers, der im ersten Brief es ‚wagt‘, den „Herr[n]“ „Freund“ „zu nennen“ (78), dementiert die Echtheitsbeteuerung, indem deren Schriftlichkeit durch die Unmöglichkeit, sie mündlich, „von Angesicht zu Ange sicht“, zu formulieren, implizit der Lüge, im Sinne der Unaufrichtigkeit, verdäch tigt wird: „Laßen Sie es mir immer hingehen, daß ich Ihnen hier ein paar Worte mehr sage, als ich mündlich von Angesicht zu Angesicht würde stammeln kön nen, und glauben Sie daß meine Gefühle darum nicht minder ächt sind, weil ich in einem Augenblicke der Ergießung Worte finden kann, sie auszudrücken.“ (82) Etwas mehr als ein Jahr später, bereits als Mainzer Bibliothekar, bekundet Forster über seine Beziehung zu einem anderen Hofrat und Gönner, dem, wie
1988; Heuser 2001 und 2003. Koepke sieht Therese Huber „durch Forster zu sich selbst gekom men, aber nicht so sehr durch seinen positiv bildenden Einfluß als durch die Kritik an seiner Lebensführung – bei aller Hochachtung vor seinen Talenten und seiner Persönlichkeit –, und sie hat sich als sein Gegenteil verwirklicht, vielleicht sogar in ihrer Schreibweise“ (1988, 132). Heu ser hebt an Forsters Briefen nach dem und über das letzte Treffen mit seiner Frau hervor, „wie er die persönlichen Zukunftspläne [über ein Zusammenleben] am Ende doch politischen Bedenken unterordnet“, „seine[r] Entscheidung, ihren [der Revolution] Zielen, trotz aller Bedenken im ein zelnen, dennoch treu zu bleiben“ (2003, 112). 21 Vgl. zur Bedeutung dieses Missverständnisses Popp 1964.
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Zimmermann, in herausgehobener Stellung der feudalabsolutistischen Büro kratie dienenden Johannes Müller:22 „Wenn ich Müller’n etwas zu sagen habe, schreibe ich ihm; wir sehen einander nie, als zufällig am dritten Orte.“ (264) Das Fehlen von Umgang erklärt, weshalb Forsters Briefe an Müller nicht Ersatz eines eigentlich gewünschten Gesprächs, sondern ‚merkantilische‘ oder ‚Geschäfts briefe‘ waren.
14.2 Briefe als Neuigkeiten: ‚merkantilische‘ oder politische Reflexionen – wie die bisher zitierten – über den Vorrang der mündlichen Kom munikation finden sich nur in Forsters Briefen an Freunde. Dabei sind Verleger und Herausgeber Grenzfälle, wie der Wechsel in der Beziehung zu Spener einer seits und zu Christian Friedrich Voß andererseits zeigt. Mit einem „lange[n], vertrauliche[n] Geplauder“ stellt sich Forster z. B. Heinrich Christian Boie, dem Herausgeber des Deutschen Museums, als künftiger Mitarbeiter vor, doch die Vertraulichkeit bezieht sich auf die Darlegung von Prinzipien der Publizität, die gerade die Trennung von Privatem und Literarisch-Politischem, von Freund schaft einerseits und „Partheyen und Meynungen“ andererseits verlangen: „Wie Sie mich jezt in diesem Briefe kennen lernen, sollen Sie mich immer finden, und ich freue mich auf unsere nähere, wenn nicht persönliche, doch in Briefen fort zusetzende Bekanntschaft.“ (313) Die überwältigende Mehrheit der erhaltenen Briefe Forsters geht nicht in der ‚geschäftlichen‘ Begrenzung auf ‚litterarische‘ ‚Sachen‘ auf; für diese ‚merkantilischen‘ Briefe aber gilt, dass ihre ‚Neuigkeiten‘ auch als ‚Zeitung‘ bezeichnet werden können. Neuigkeiten ganz anderer Art machen seit Beginn der Französischen Revo lution Forsters Briefe an Freunde zur Zeitung, wobei sich die Bedeutung des Ver hältnisses von Schriftlichkeit und idealer mündlicher Kommunikation wiederum verändert.23 Am 22. Januar 1791 mutet Forster seinem Schwiegervater Informatio nen über die Reichsexekution gegen das revolutionäre Lüttich zu, an die sich eine Beurteilung anschließt: „Das ist denn die Verfassung, worauf man in Deutsch land so stolz ist! Die Corruption ist wirklich so weit gekommen, daß man sich
22 Vgl. hierzu Caroline Schlegels Athenäum-Rezension „Über Johannes Müllers Briefe“, die die Auswahl von Jugendbriefen zu einer antiabsolutistischen Konstruktion von Müllers Biographie als Schlüssel zu dessen historiographischem Werk nutzt: „Den ganzen Menschen in sich bildet er zu dem erwählten Berufe seiner Kunst.“ Caroline 1913, 664–665. 23 Zur Reflexion der deutschen Bedingungen, in Briefen Politisches zu thematisieren, vgl. die Texte von D. H.von Runckel (1777), Knigge (1788) und Herder (1793–1797) in Ebrecht 1990b, 138, 164, 176.
14.2 Briefe als Neuigkeiten: ‚merkantilische‘ oder politische
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wundern muß, wie alles noch zusammenhält. Desto eher stürzt alles mit einem mal über den Haufen.“ (AA XVI, 231) Am Schluss des Briefes distanziert sich der Schreiber von diesem Absatz als dem Produkt des „politische[n] Kannegießer[s]“; doch die anschließende entschuldigende Erklärung des dem Adressaten keines wegs erwünschten politischen Monologs hält am Ideal des Gesprächs fest: „Man schreibt hin, was einem in dem Augenblicke durch den Kopf fährt. Es ist darum nichts weniger als Beschäftigung des Kopfes. Aber im Schreiben kann man nicht wie im Sprechen auf andere Gegenstände kommen, denn ehe man sichs versieht, ist das Papier zu Ende.“ (231) Dass „Zusammenkünfte“ Briefen überlegen seien, versichert Forster am 14. Februar 1792 Jacobi und seinem „gastfreien Hause“ unter Verwendung einer Metapher, die die ironische Selbstdistanzierung vom ‚Kannegießer‘ fragwürdig macht; Regeneration, die hier als Leistung des Gesprächs erscheint, ist nämlich eins von den Bildfeldern, auf denen Forster sich über die historische Bedeutung der französischen Revolution verständigt (vgl. Kapitel 8):24 Eigentlich regenerirt man sich dadurch, man wird sich selbst neu und lieber, denn man hat oft Ursache zu sagen, daß man nicht von sich geglaubt hätte, daß so mancherlei in einem steckte! Es gehört aber gerade so ein idio-elektrischer Körper dazu, um Funken aus uns her vorzubringen. Eine Zeitlang geht es wohl, daß man sich selbst excitirt, aber in die Länge taugt es nicht. (AA XVII, 43)
Seit Forsters ‚Excitation‘ durch die französische Eroberung von Mainz lassen die divergierenden Einstellungen der Adressaten Forster nicht mehr, wie am 12. Dezember 1791 Sophia Margareta Dorothea Forkel, bloß rhetorisch fragen: „Auch Politika willst Du hören?“ (AA XVI, 398), sondern für die meisten sei ner Briefpartner gilt, dass sie, wie er dem Vater Johann Reinhold Forster am 26. November 1792 schreibt, „es für jetzt nicht rathsam halten, Briefe von mir zu bekommen“ (AA XVII, 255). Obwohl Forster versichert, dass „unsre Correspon denz sehr unschuldig seyn [werde], denn ich werde weder Staatsgeheimnisse aufdecken, noch von Ihnen irgend etwas Aehnliches verlangen“ (254), verhindert die Postzensur auf beiden Seiten entweder briefliche Kommunikation überhaupt oder „die Rede von Sachen und Wirklichkeiten“ (459), wie Forster an seine Frau Therese schon aus Arras am 8. Oktober 1793 schreibt: „Ueber wie viele Dinge müs
24 Zu meiner Auseinandersetzung mit Karl Heinz Bohrers These zum romantischen Momenta nismus, die den geschichtsphilosophischen Zusammenhang mit der Französischen Revolution anthropologisch-autonomieästhetisch auszulöschen bemüht ist, vgl. Kapitel 8, aber auch die positivere Deutung des Momentanismus bei Herta Schwarz 1990, 231, die auch auf Schlegels Forster-Charakteristik eingeht (229).
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sen wir uns verständigen, was in Briefen so unthunlich war.“ (458) Seine Frau wird nach ihrer Trennung von Forster fast zur ausschließlichen Adressatin von Briefen aus dem revolutionären Mainz und Paris, der er – über den Vater hinaus verallgemeinernd – berichtet: Heynes „wagen es nicht mehr, an uns zu schrei ben“ (287), Ludwig Ferdinand Huber „finde es nötig, daß unsere Correspondenz vorerst ganz aufhöre, weil man ihn sonst zu verdächtig machen könne“ (293).
14.3 Zum Verhältnis von Privatem und Öffentlichem: Treffen in Travers Das einzige Treffen mit Therese und ihrem Geliebten Huber lässt Forster sowohl im Privaten wie im Literarisch-Politischen sein Ideal der mündlichen Kommuni kation brieflich bekräftigen. In einem an beide gerichteten Brief vom 22. Dezem ber 1793 versucht er durch Kritik der Form des Briefs ein gemeinsames Leben zu beschwören: „Wenn es etwas giebt, meine Lieben, worin wir uns nicht zu verste hen scheinen, so ist das bloß die natürliche Folge unsers Getrenntseyns. In Con versation erklärt sich augenblicklich ein befremdlich klingendes Wort, und durch Briefe ist es so schwer, man hat den speciellen Ausdruck nicht gegenwärtig, der beunruhigte.“ (495) Während für die Lösung ihrer privaten Krise das Gespräch harmonische Beruhigung versprechen soll, erweist sich für die literarische Arbeit Forsters die Erinnerung an etwas Beunruhigendes im Gespräch mit Therese und Huber gerade als produktiv. Dass „in Conversation mit Andern […] ein Funke her ausgeschlagen“ (466) werde, ist dasselbe revolutionäre Bild von Verjüngung, das Forster dem konterrevolutionär gesonnenen Jacobi gegenüber benutzte und das im Zentrum der „Schrift“ (465) stehen wird, die Forster im Umgang mit Therese und Huber in Travers konzipierte: „Parisische Umrisse“. Wenige Tage nach dem Gespräch bittet Forster durch seine Frau Huber um Hilfe bei der Erinnerung an eine für den zu schreibenden Essay zentrale Idee, die Forster in der Zwischen zeit vergessen habe; dieses Vergessen ist wegen der Engführung von Privatem und Politischem bemerkenswert, die Forster dieser Idee zuschreibt. Sie soll näm lich die anti-revolutionären Vorurteile in Deutschland ad absurdum führen und dadurch widerlegen und zugleich seine eigene politische Entscheidung zwingend legitimieren; sie vergessen zu haben, führt Forster auf die Situation des einsam Schreibenden zurück: Wir redeten von einer Schrift, von den Vorurtheilen, die in Deutschland über öffentliche Angelegenheiten herrschen, und dabei kam eine sehr frappante Idee vor, die gerade die Abgeschmacktheit und Widersinnigkeit der Leute recht ins hellste Licht und sie selbst mit sich in Widerspruch setzte; die hab’ ich in Tod vergessen und seit drei, vier Stunden laufe, geh und steh ich in der Stube halb verrückt, um mich ihrer zu erinnern. Alles umsonst. Ich
14.4 Ablehnung der Veröffentlichung von Privatbriefen
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werde noch müssen jedes Wort, das mir einfällt, aufschreiben. Es ist nicht das erste und nicht das hundertste Mal, daß ich bemerke, allein leben, ist durchaus der Art von Composi tion, an die ich gewöhnt bin, nicht günstig. Wenn sich Huber der Idee erinnern könnte, wäre mirs unendlich lieb […]. Es war etwas, das nur gesagt werden durfte, um so klar einzuleuch ten und dabei hätte es in Beziehung auf meine politische Laufbahn so viel Rechtfertigendes. O, es muß uns noch wieder einfallen. – (465)
Hubers Antwort ist nicht überliefert; Forster dankt jedenfalls am 15. Dezem ber 1793: „Ob es die Idee war, die verloren ist, ist mir nicht klar; aber gut ist sie wenigstens.“ (471) Dass Forster ausgerechnet die im privaten Gespräch entstandene Idee zur öffentlichen Legitimation seiner politischen Parteinahme vergisst,25 verweist auf das spezifisch problematische Verhältnis von Privatem und Öffentlichem, das seiner Konzeption von der Überlegenheit des Gesprächs über den Brief zugrun deliegt. Daraus ergibt sich nicht nur seine Ablehnung der Veröffentlichung von Privatbriefen,26 sondern auch die arbeitsteilig-konkurrenzhafte Einschätzung von Briefen und eigentlich literarischer Arbeit, ja noch die stilistische Definition und Praktizierung des ‚Brieftons‘ folgt aus einer Idealisierung des privaten Gesprächs, die den gegen die Welt gerichteten Selbstausdruck primär setzt. „Was man sich aber mit Gelehrten in Acht nehmen muß! gleich drucken sie einem die Briefe; ist das erlaubt?“, fragte Forster am 7. Juli 1783 rhetorisch seinen Freund und Verleger Spener, um ihm eine Mitteilung an den Herausgeber der Berlinischen Monatsschrift, Johann Erich Biester, aufzutragen, „dass […] ich mich […] scheute mit meinen Privatbriefen, das ist im Hemd, vor dem lieben Publikum zu erscheinen“ (AA XIII, 462).
14.4 Ablehnung der Veröffentlichung von Privatbriefen Dass beim Schreiben ans Gedrucktwerden gedacht wird, unterscheidet für Forster die literarische Arbeit des Mannes vom Briefschreiben;27 die Männlichkeit seiner Öffentlichkeit erklärt, dass er keine Scheu hat, die Briefe von Frauen an Freunde
25 Zur Vermutung, dass es sich hierbei um das im Text der „Parisischen Umrisse“ zentrale Bild des Glühwürmchenschwarms – Teil einer Gespenstergeschichte – gehandelt haben könnte, vgl. Kapitel 13. 26 Vgl. zu dieser Problematik die Zusammenfassung der seit 1740 „zunehmende[n] Tendenz“ bei Nörtemann 1990, 220; anders datiert jedoch der zitierte Aufsatz von Horn (1833): seit 1800. 27 Vgl. hierzu Caroline 1913, 666, über Müllers Briefe: „Ihr größter Reiz ist, daß sie nicht für einen dritten dastehn, und was der dritte nun darin findet, um so mehr der Grund seiner Seele
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weiterzugeben oder zuzuhören, wenn sie ihm vorgelesen werden. So wie er Söm mering Briefe von Therese Heynes Stiefmutter lesen und den Eheplan kommen tieren lässt (AA XIV, 53, 55), so akzeptiert er, dass Johann Franz Wilhelm Böhmer ihm aus Caroline Michaelis’ Briefen Thereses Liebe bestätigt (101), und so liest er selbst einer Wiener Bekanntschaft eine „Stelle“ aus einem Brief Thereses vor, um dieser dann das Lob einer ‚entzückenden‘ „Wendung“ (181) mitzuteilen. Diese Haltung kontrastiert scharf mit seiner eigenen Empfindlichkeit, was Mitlesen durch andere Leser als die AdressatInnen angeht. Im Herbst 1786 beschäftigt ihn die „Vermuthung“, dass eine Briefsendung an den Verleger Fried rich Johann Justin Bertuch „unterweges, wahrscheinlich in Breslau, geöfnet und gelesen“ (582; vgl.588) worden sei. Es ist aber nicht nur die – in diesem Fall: preußische und von Forster der Rosenkreuzerei verdächtigte – Postzensur, die er ablehnt, sondern auch das unerwünschte Mitlesen von Privatpersonen, z. B. seines zukünftigen Schwiegervaters Heyne, der „verlangt hat“: „Meine Briefe an Therese gehen durch ihren Vater“ (91). Umgekehrt warnt er später in den Zeiten seiner Ehekrise den Freund Jacobi: „Was ich zu leiden habe, leide ich gern allein, und da Ihre lieben Briefe das sind, wornach wir alle gerne haschen, so möchte ich sonst niemanden, der mir nahe ist, etwas darin finden lassen, was Unruhe und Kummer verursachen könnte.“ (AA XVI, 367) Ausdrücklich weist Forster Jacobi wenig später darauf hin, dass „Privatbriefe“ „als Privatbriefe [zu] betrachten“ (376) seien. Um so stärkere Schuldgefühle sprechen aus einem Brief, in dem Fors ter seiner gerade aus Mainz abgereisten Frau am 9. Dezember 1792 gesteht, einen Brief ihres Geliebten versehentlich geöffnet zu haben: Kaum war gestern Abends mein Brief fort, […] so kam die Post aus Mannheim und brachte Zeitungen und Briefe aus Frankfurt. Ich riß Hubers Brief an Dich auf, in der Meinung, daß er an mich sey, weil ich im Dunkel schon nicht mehr recht sah; nun fand ich aber gleich einen an mich eingeschloßen und sah auf dem äußern, daß ich mich geirrt hatte. Es ist mir leid, denn Du weißt, daß ich auch den Verdacht einer Unredlichkeit in solchen Sachen nicht leiden kann. (AA XVII, 265–266)
Zur Insistenz auf einer unhintergehbaren Grenze des Privaten,28 die den ‚Mann im Hemd‘ schützen soll, passt, dass nur zwei Briefe Forsters existieren, in denen der
war.“ Wenn sie jedoch fortfährt: „Sie sind wie ächte Liebesbriefe, die zufällig in fremde Hände fallen“, ist die Differenz zu Forsters Auffassung markant. 28 Vgl. hierzu Pickerodt 2000 und 1982, der seine frühere These zur Beziehung von Privatem und Politischem modifiziert. Pickerodt 2000, 129, geht von einer äußerst voraussetzungsreichen These zum „Raisonnement“ in den „‚Correspondenten‘-Briefen“ der „Parisischen Umrisse“ aus, um „genrebedingte[…] Gegensätze“ zu behaupten, die „alle Differenzen im Detail“ „bedingen“: „Unterliegt es in diesen dem politischen Kalkül, insofern sein Argumentationsziel aufgrund des
14.5 Spannungsverhältnis zwischen Briefschreiben und literarischer Arbeit
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Adressat angewiesen wird, wie er im Falle des ersten „daraus“ „referiren“ (227) und in dem des zweiten „das wesentliche des Inhalts“ „[c]ommuniciren“ (252) soll. Während der erste der beiden an den zum Freund gewordenen Verleger Voß gerichteten Briefe die Aufgabe der „Neutralität“ und das „Partei ergreifen“ (224) im besetzten Mainz dem allzu lange schweigenden ankündigt, begründet der zweite die revolutionäre Parteinahme gegen die mit einem vom Verleger vermit telten preußischen Kredit verbundene Bedingung, „ein guter Preuße [zu] bleiben“ (248).29 Wenn die Schlussformel des ersten Briefs Voß noch zur „gehörigen Dis kretion“ verpflichtete: „zeigen Sie ihn niemand, sondern referiren Sie nur einigen Menschen daraus“ (227), so definierte der zweite in seinem ‚zu communiciren den‘ ‚wesentlichen Inhalt‘ die politische Meinung des Schriftstellers als Privatsa che, die den preußischen Feudalabsolutismus nichts angehe: „Ich werde immer Bücher gemeinnützigen naturhistorischen, anthropologischen, geographischen, ja selbst politischen Inhalts schreiben können, wenn ich gleich gesonnen bin, (was weiter niemanden angeht) als Republikaner zu leben und zu sterben.“ (252) Die Zuordnung von Büchern zur Öffentlichkeit und von politischen Meinun gen zur Privatsphäre, die vor dem Staat zu schützen sei wie der im Hemd ste hende Schriftsteller vor dem Publikum, reproduziert das Spannungsverhältnis zwischen Briefschreiben und eigentlicher literarischer Arbeit in Forsters Poeto logie des Genres.
14.5 Spannungsverhältnis zwischen Briefschreiben und eigentlicher literarischer Arbeit Im Zeitbudget des Autors Forster besteht zwischen den beiden Formen des Schrei bens eine Konkurrenz, wenn er Spener gegenüber am 13. November 1786 klagt, dass „unabläßig[e]“ Arbeit ihn seine „Correspondenz saumseliger wie sonst behandeln lasse“, obwohl er „nirgends […] zum Arbeiten soviel Musse“ haben würde wie in Wilna (AA XIV, 582). Umgekehrt lässt ihn jedoch die Isolation lie ber Briefe lesen als z. B. ein wissenschaftliches Programm Sömmerings (274). Der Gegensatz von Gesellschaft als Zerstreuung und Privatheit als Sammlung lässt
politisch-publizistischen Motivs der Schrift immer schon feststeht, so zielt es in den privaten Briefen darauf ab, den Raum der familiären bzw. quasi-familiären Zwischenmenschlichkeit als einzig humanen zu bestimmen, und muß daher die politische Sphäre als solche, vor allem Inhalt schon, abwerten.“ 29 Der exilierte Sozialist Will Schaber traf eine ausgezeichnete Wahl, als er diesem Brief eine prominente Stelle in seiner Anthologie deutscher Demokraten einräumte: Schaber 1941. Vgl. für den Wortlaut den Anfang von Kapitel 4.
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Forster demselben Freund vom Briefschreiben versichern, dass „mir das Schrei ben wieder Spannung geben würde“ (46), nachdem er sich auf der Reise durch große Städte allzusehr zerstreut habe. Im Vergleich mit der privat-geselligen Seite des literarischen Lebens in dessen Zentren30 erscheint in Forsters Briefen die Kor respondenz als eine Vorstufe literarischer Produktion: „Ich war in Göttingen so zerstreut, und durch so mancherley Gesellschaft […] mir selbst entrissen, daß ich mich nach Hause sehnte, wo ich wieder des Gedankens an alle meine Freunde lebhaft geniessen konnte.“ (AA XIII, 381) In den Klagen über die einschränkende Wirkung der Geselligkeit auf das Briefschreiben scheint sich das wertende Ver hältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit umzukehren; dementsprechend verändert sich das implizite Ideal des Briefs: „In meinen eignen vier Wänden hätte ich Ihnen übrigens gesammelter und bedachtsamer geschrieben, als ich es bey der Zerstreuung, die in Göttingen unvermeidlich ist, thun konnte.“ (415) Im Besitz seiner selbst, gesammelt und bedachtsam zu schreiben ist nun kei neswegs das Ideal des stylus epistolaris, das in Forsters brieflichen Reflexionen über den Brief dominiert. Schon die wenigen Bezugnahmen auf die rhetorische Tradition der Brieftheorie und auf zeitgenössische Musterautoren weisen in diver gente Richtungen.
14.6 ‚Briefton‘ als auf Identifikation gerichteter Selbstausdruck Das selbstkritisch eingesetzte Zitat aus Horaz’ Ars poetica im Brief an Spener vom 29. Oktober 1776 „cui lecta potenter erit res, nec facundia deseret hunc nec lucidus ordo“ (70) gilt dem „unzusammenhängend[en]“ Resultat von Forsters „Methode Schritt vor Schritt Ihren Brief durchzugehn“ (65), doch widerspricht die Forderung von leichtem Zusammenhang dem schon vorher von Forster nur auf grund der englischen Rezensionen zum Vorbild erhobenen Briefstil von Goethes Werther: „Ich sehe den abgebrochnen Ausdrükken der Seele Werthers mit Sehn sucht entgegen: mich dürstet nach seinen gefühlreichen (apropos ist das nicht bey nah so gut als empfindsamen) Schilderungen“ (23). Der andere zeitgenös sische deutsche Autor, der von Forster als „Muster“ der „Schreibart“ in Briefen genannt wird, ist Christoph Martin Wieland: Es gebe in Deutschland „nur einen“, der mit „unnachahmliche[r] Leichtigkeit“ „den lieben Lesern etwas vorzuplau dern“ verstehe (AA XIV, 638).
30 Als solche Zentren erscheinen in Forsters Briefen Wien, Berlin und Göttingen; vgl. zu Forsters Göttinger Geselligkeit Marino 1995 und zur Wiener Hofmann 1981.
14.6 ‚Briefton‘ als auf Identifikation gerichteter Selbstausdruck
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Der widersprüchliche explizite Traditionsbezug in Forsters brieflichen Refle xionen über das Briefschreiben spiegelt sich in der Ambivalenz, mit der die Motive des Plauderns und des Zusammenhangs, des Schwatzens und der Gedan kenkette bedacht werden. Ihre höchst relative Einheit finden die widersprüch lichen Bewertungen in der „Mittheilung meiner selbst“ (AA XVII, 104) im idealen privaten Gespräch. Als Selbstausdruck eines Verstorbenen können dann sogar die Privatbriefe eines „Weltberühmten“ nachträglich als veröffentlichenswert anerkannt werden: „[…] wo könnte man wohl anders die Eigenschaften des Herzens besser schöpfen, als aus demjenigen, was er nur an seine Freunde, und nie für die Welt schrieb“ (AA XIII, 22), heißt es am 9. November 1775 über Laurence Sterne, den Forster beharrlich mit seiner literarischen persona Yorick bezeichnet, und am 9. März 1792 setzt sich Forster bei Voß für Caroline Böhmers Übersetzung von Briefen Mirabeaus ein „mit Hinweglaßung alles politischen […] blos als einen Beitrag zur Geschichte des Herzens dieses großen Menschen“ (AA XVII, 59). Die Empfehlung derselben Briefsammlung an Heyne mit der Begründung: „Wollen Sie sich mit Mirabeaus Herz aussöhnen, so lesen Sie“ (61), nimmt ein beständiges Kernmotiv von Forsters Briefkonzeption auf. Adressatenbezogener Selbstausdruck sind Forsters Briefe, insofern eine „Briefstellerey“ „auf Rechnung“ eines „mitleidigen, theilnehmenden Herzens“ „eine frohe halbe Stunde“ „verlebe“ (AA XIV, 192). Die leicht ironische Feststel lung in einem frühen Brief an Spener: „Die Natur hat mich wie es scheint […] eher zum Briefsteller, als zum Lexicographen bestimmt“ (AA XIII, 220), trifft den durchgängigen Primat der expressiv-appellativen Beziehung zwischen Schreiber und AdressatIn gegenüber der Bezeichnung von Sachen. In Forsters Themati sierungen der Briefform findet der Austausch zwischen Selbstdarstellung und Fremdwahrnehmung eine harmonische Lösung in der Identifikation der Adres satIn mit dem Schreiber, die in einem „vielumfaßende[n] Theilnehmen“ beider Menschlichkeit beweisen soll: „[…] homo sum pp – ist doch das schönste Motto, was man zur Regel des Denkens und Handelns machen kann.“ (AA XIV, 576–577) Die „Vergegenwärtigungskunst“ (AA XVII, 444) des Schreibers eines Briefs als „Tableau parlant meiner Gemüths[…]Verfassung“ (AA XIII, 68) zielt auf die „lebhafte Mitempfindung“ (AA XVII, 267) von EmpfängerInnen, die „sich an mei nen Platz […] denken“ (AA XVI, 339) und „in meine Gefühle eingehen“ (AA XVII, 267). Vom ‚Sich-Conveniren‘ (162) bis zum „sich […] aussöhnen“ (61) bezeugt die Beziehung zwischen Schreiber und EmpfängerInnen eine ‚Verwandtschaft‘ der „Herzen“, die „beständig einander etwas mitzutheilen hätten“ (AA XIV, 374). Das Vertrauen auf einen Tausch zwischen Selbstausdruck und Identifika tionsbereitschaft spricht aus dem Vorrang, den die Komponente der Selbst darstellung in der Selbstreflexion von Forsters Briefen besitzt, während der
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AdressatInnenappell sich auf das Eintreiben der ‚Schuld‘ des Nicht- (AA XIII, 80; AA XIV, 458) oder „knickern[den]“ Schreibens (AA XVII, 485) reduziert. Die Konstruktion der Idealität des privaten Gesprächs grenzt dieses ironisch von der feudalabsolutischen repräsentativen Öffentlichkeit ab und setzt es meta phorisch mit der Sphäre des Marktes gleich, wo in der Simultaneität des Aus tauschs Wechselseitigkeit in der Anerkennung von Freiheit und Gleichheit garan tiert scheint (AA XIV, 20, 380). Von den frühen Londoner bis zu den späten Pariser Briefen werden Brief schreiber aus dem idealen Gespräch ausgeschlossen, wenn sie sich Forster durch entweder „geschliffene“ (AA XVII, 398) oder „gespannt[e]“ (429) „politesse“ (AA XIII, 242) als „Höfling“ (AA XVII, 398) – „kalt […], unnatürlich, anmaßend und verstellt“ (429) – statt als Mensch erweisen: „Nie war ich Staatsmann genug, mein Herz so in die Dunkel der Verstellung zu verhüllen, daß man mich nicht beim ersten Anblick dechifriren könnte.“ (AA XIII, 85) Der Ort dieser Menschlichkeit, die zugleich das Selbst ist, wechselt in Forsters Briefen zwischen den Namen ‚Herz‘ und ‚Seele‘. Deren „Empfindungen“ (AA XIV, 43), „Launen“ (217), „Schwachheiten“ (332), ihr „Nachtheilige[s]“ (380), ihre „innerste[n] Falten“ (AA XIII, 471) sollen in den Briefen ihren „Spiegel“ (176), „Guck kasten“ (AA XIV, 139) oder ihr ‚Porträt‘ „in Lebensgröße“ (AA XIII, 85) finden. Die Unmittelbarkeit des angestrebten AdressatInnenbezugs spricht aus der häufigen Erhebung des Selbst zum direkten Objekt: Die EmpfängerInnen sollen das Herz oder die Seele lesen (AA XVII, 56, 121). Im Laufe der Zeit verlieren sich die anfangs zahlrei chen religiösen Vergleiche des adressatenbezogenen Selbstausdrucks als „Beicht[e]“ (AA XIII, 471), „Purgantz“ (31) oder „Predigt an sich selbst“ (AA XIV, 43); stattdessen wird zunächst das Unwillkürliche des Selbstausdrucks in den Metaphern vom ‚SichLuft-Machen‘ (43), ‚Sich-auseinander-Schlagen‘ (AA XIII, 430), ‚Sich-Ausschreiben‘ (AA XV, 344), ‚Sich-Ausschütten‘ (AA XIII,471) bis zum Wider-Willen-etwas-Eröffnen betont: „Sagen Sie aber noch keinem Menschen eine Sylbe; ich handle gegen meine festeste Entschliessung, indem ich Ihnen dieses jetzt schon eröfne; das geschieht aber nur um Ihrentwillen! Was ist Ihre Meinung darüber?“ (AA XIV, 20) Schließlich setzt sich die Betonung der Freiheit des ‚offenherzigen‘ (AA XVII, 183), ‚unverhohle nen‘ (54) Selbstausdrucks als ‚Freimut‘ (181, vgl. AA XIV, 85) durch. Als „Geschichte meines Lebens“ (AA XIV, 190) können die Briefe Forster besonders in Zeiten erscheinen, wo er die Identität des Selbst als problematisch beschreibt: Der Moment, in dem wir leben, ist unser, das Vergangene ist ein Traum, und das Zukünftige existirt erst, wenn es nicht mehr zukünftig ist. An Leib und Seele sind wir heute nicht mehr, was wir gestern waren, morgen nicht mehr die heutigen. Alles ist Kreislauf, alles Verände rung, und doch gründet sich das Angenehme, das Einschmeichelnde der Idee von Fort dauer nur auf die Idee der Identität. (149)
14.6 ‚Briefton‘ als auf Identifikation gerichteter Selbstausdruck
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Zwei „verschieden[e]“ Forster (344) oder nicht derselbe Forster scheinen dem Schreiber die Folge von Briefen verfasst zu haben, die durch ihre Differenz zur Geschichte werden: „Wer die 17 Briefe gelesen hätte die ich diese Tage hinterein ander geschrieben habe, der hätte die Geschichte von A bis S ganz verschiedenen Launen.“ (XIII, 217) Gerade diese Problematisierung gibt der Mündlichkeit des privaten Gesprächs das ideale Gepräge. Die Zustimmung des Gesprächspartners kann die Wahrheit einer „Beobachtung über mich selbst“ (AA XV, 264) über den „Moment“ (AA XVII, 235) oder „Augenblick“ (AA XVI, 231) des isolierten Schrei bens hinaus garantieren, deshalb antwortet Forster z. B. auf eine Nachfrage Jaco bis am 8. Februar 1789: „Ich glaube, mein Ausdruck: bei Gelegenheit müsse ich Ihnen etwas sagen, bezieht sich, wenn Sie den Zusammenhang nachsehen wol len, auf Beobachtung über mich selbst, die ich Ihnen lieber mündlich erzähle.“ (AA XV, 264) An Spener schreibt Forster am 19. Mai 1785: Ich danke Ihnen […] für […] die Besorgung der Einlage, weshalb Sie keine Versicherung, dass Sie ihn nicht gelesen, nöthig hatten, denn ich habe durchaus keine Geheimnisse für Sie. Irre und fehle ich, so sind Sie zu sehr Kenner und gütiger Richter der menschlichen Schwachheit, als dass ich nicht wünschen solte in ihre Hände zu fallen, um von Ihnen bedauert und zurechtgewiesen zu werden. Thu ich recht, so ist mir Ihr Beyfall, und Sömme rings, vor allen der Schätzbarste. (AA XIV, 332)
Das Fehlen dieses Zusammenhangs, der in der fremden Anerkennung die eigene Identität sichere, gibt dem Vergleich des Briefschreibens mit dem Gespräch seine Ambivalenz. Von „Geplauder“ (AA XIII, 21; AA XV, 231, 236, 270, 313, 344) über „Geschwätz“ (AA XIII, 35; XIV, 261; XVI, 160) zu „Gewäsch“ (AA XIII, 171; AA XIV, 274) geht die Reihe möglicher Bewertungen des schreibenden Sprechens, das ohne die Anwesenheit des Partners auskommen muss. Der durchgängigen Abgrenzung von der „Kette“ (AA XIII, 26), aber auch dem „Faden“ (322), „meine Begriffe sys tematisch darzulegen“ (AA XV, 244), entspricht deshalb auf der anderen Seite die von „brausende[r]“ (AA XVII, 56) „Rhapsodie“ (AA XIII, 471), in deren „Taumel“ der Schreiber die „Faßung“ (AA XV, 118) zu verlieren scheint. Obwohl der geschriebene Brief über „Seelenpathologie“ „frei raisonniren“ (AA XVII, 107) lasse, bleiben darin die „Ideenverbindungen“, die „eine Ungleich heit des Charakters und der Laune hervorbrachten“ (56), letztlich im Dunkel; insofern verweist er nur auf das ideale Gespräch: „Es ist einmal mein Schick sal […], daß ich immer von mir selbst anfangen muß, wenn ich an Sie schreibe oder mit Ihnen rede“ (AA XV, 87). Denn erst die Präsenz der Wechselrede scheint nicht nur Selbstliebe und Geselligkeit zu harmonisieren, sondern auch – wie der Markt – Selbsteinschätzung und Bewertung durch andere. Forster beschreibt die ses Ideal zweimal, einmal in seiner intimen Erscheinungsform – in der Ehe –, dann in seiner öffentlichkeitsbezogenen – im literarischen Zirkel. Am 10. Okto
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ber 1785 gibt er Thereses früherem Freund Meyer eine eher theoretische Skizze der zugrundeliegenden Anthropologie: Ich liebe mich selbst gar sehr, und wenn meine Freunde dies nicht gewahr werden, so rührt es lediglich daher, daß meine Selbliebe ihre Rechnung gerade in den feinsten, zartesten Trieben und Gefühlen der Geselligkeit und Menschenliebe findet, und folglich ich, wenn ich recht genieße, ganz im Andern zu leben und für ihn zu leben scheine. (AA XIV, 380)
Diese Harmonie zwischen Selbstliebe und Geselligkeit erweitert im Bild des ehe lichen Gesprächs die Selbsterkenntnis des Mannes, der bisher der Braut nur aus Briefen bekannt ist: Ich habe Ihnen noch nie einen so freimüthigen, offenherzigen Brief als diesen geschrieben, und gleichwohl mach’ ich mir den Vorwurf, daß ich noch nicht ganz darin anzutreffen bin. Ich denke nach über das, was ich Ihnen schreibe, und wann meine Wünsche einst erfüllt werden, kommt die Zeit, wo Sie auch Das von mir hören werden, was ich nicht überdacht habe; werden Sie da nachsichtsvoll seyn […]! […] ich traue es Ihrem Herzen zu, daß Sie es immer seyn werden. (85)
Das private Gespräch als Schonraum, der für Neues offen sei, ohne den einzelnen um den Zusammenhang mit sich selbst und den anderen zu bringen, zeigt die selben Merkmale in seiner auf die literarische Öffentlichkeit bezogenen Variante, die Forster in der Schilderung des „Umgang[s]“ der Eheleute mit Huber Friedrich Schiller gegenüber ausmalt – als „einzige ästhetische Freude, der man in Mainz habhaft werden kann“, wo „außer unserm Kreise […] uns kein Mensch versteht“: „Wären Sie nur auch bei uns; es sollte uns allen wohl dabei werden; das Reiben gibt Funken, und je mehr der verschiedenen Geister sind, die den Zweck haben, sich durcheinander zu excitiren, wenn sie nur so geartet sind, daß sie einander verstehen können, desto herrlicher geht’s.“ (AA XVI, 212–213)
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Verzeichnis der Erstdrucke Kapitel 1: „Deutsche ‚Antheilnahme‘ an der europäischen Expansion. Georg Forster über die Bedeutung der Reisen der ‚Seemächte‘ für das deutsche ‚Publikum‘“. Aufklärung – Evolution – Globalgeschichte. Hg. Iwan-Michelangelo D’Aprile, Ricardo K. S. Mak. Hannover: Wehrhahn, 2010, 257–308. Kapitel 2: „Zum Verhältnis von Text und Instruktionen in Georg Forsters ‚Reise um die Welt‘“. Georg-ForsterStudien 10 (2005): 77–123. Kapitel 3: „Georg Forsters ‚deutsche‘ Kommentierung englischer Reisebeschreibungen“. Reisen um 1800. Hg. Helmut Peitsch. München: Meidenbauer, 2012, 251–264. Kapitel 4: „Die neue Welt des 18. Jahrhunderts: Georg Forsters Australien“. Globalisierung in Zeiten der Aufklärung. Texte und Kontexte zur „Berliner Debatte“ um die Neue Welt (17./18. Jh.). Hg. Vicente Bernaschina, Tobias Kraft, Anne Kraume. Teil 1. Frankfurt/M.: Peter Lang Edition, 2015, 285–308. Kapitel 5: „‚Rec. […] bleibt […] lieber bey dem stehen, wo Hr. Forster in seinem eigentlichen Fache ist‘: Forsters Reisebeschreibungen und Übersetzungen in der ‚Allgemeinen deutschen Bibliothek‘“. Friedrich Nicolai im Kontext der kritischen Kultur der Aufklärung. Hg. Stefanie Stockhorst. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2013, 155–172. Kapitel 6: „Georg Forsters Begriff von Nationalliteratur“. Aufklärung – Konstitutionalismus – Atlantische Welt. Eine Festschrift für Horst Dippel. Hg. Thomas Clark, Ulrich Schnakenberg. Kassel: Kassel University Press, 2009, 3–20. Kapitel 7: „Forster und Goethes ‚Prometheus‘“. Georg-Forster-Studien 12 (2007): 353–368. Kapitel 8: „Georg Forster als Leser Herders in ‚Die Kunst und das Zeitalter‘“. Johann Gottfried Herder. Geschichte und Kultur. Hg. Martin Bollacher. Würzburg: Königshausen und Neumann, 1994, 357–374. Kapitel 9: „Herders ‚Plastik‘ und Georg Forsters Griechenland“. Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 57 (2005): 60–81. Kapitel 10: „‚Der Schriftsteller muß seine Ideen zu modifiziren suchen, wie es der gnädigste Herr wünscht!‘ Das Problem der Debattierbarkeit von Volkssouveränität in der Rezeption von Thomas Paines
Verzeichnis der Erstdrucke
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‚Die Rechte des Menschen‘“. Literatur im Zeugenstand. Beiträge zur deutschsprachigen Literatur- und Kulturgeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Hubert Orlowski. Hg. Edward Bialek, Manfred Durzak, Marek Zybura. Frankfurt/M. et al.: Lang, 2002, 509–528. Kapitel 11: „Forsters Verabschiedung vom Stereotyp ‚polnische Wirtschaft‘“. Stereotyp und Geschichtsmythos in Kunst und Sprache. Die Kultur Ostmitteleuropas in Beiträgen zur Potsdamer Tagung, 16.–18. Januar 2003. Hg. Katrin Berwanger, Peter Kosta. Frankfurt/M. et al.: Lang 2005, 97–116. Kapitel 12: „‚Gleich unausführbare Entwürfe zur Universalmonarchie und zum allgemeinen Staatenbunde‘: Georg Forster über das Europa der neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts“. Eurovisionen III. Europavorstellungen im kulturhistorischen Schrifttum der frühen Neuzeit (16.–18. Jahrhundert). Hg. Jan Papior. Poznan: Rys-Studio, 2001, 211–236. Kapitel 13: „French and German Masses in the Revolution: Images and Concepts in Georg Forster’s 1793 Writing on Paris and Mainz“. Herder Jahrbuch Herder Yearbook (1996): 19–36. Kapitel14: „Der Briefschreiber Georg Forster über das Briefschreiben: ‚[...] desto herrlicher geht’s‘“. Wechsel der Orte. Studien zum literarischen Geschichtsbewußtsein. Festschrift für Anke Bennholdt-Thomsen. Hg. Irmela von der Lühe, Anita Runge. Göttingen: Wallstein, 1997, S.242–253.
Personenregister Abbt, Thomas 130, 194 Addison, Joseph 129 Adler, Hans 124 f. Adorno, Theodor W. 303 Äschylus 191 Agnew, Vanessa 62, 64 Albrecht, Heinrich Christoph 210 Alter, Peter 238 Althaus, Hans-Joachim 240 f., 245 Althusser, Louis 236 Amft, Hubert 124 Anderson, William 74, 77, 118, 120 Anville, Jean-Baptiste Bourguignon d’ 116 Archenholz, Johann Wilhelm 8, 15, 45, 103, 114, 124, 181 Arendt, Hannah 165, 175, 299 f. Arnold, Günter 147 Arnold, Hans 208 Attila 271 Baasner, Rainer 111 Bacon, Francis 151 Baggesen, Jens 147, 305 Bahner, Werner 260, 265 f. Bahrdt, Karl Friedrich 128, 201, 209 f., 214–217, 222, 236 Bailly, Jean Sylvain 267 f. Ball, Henry Lidgbird 106 Banks, Joseph 12, 17 f., 47, 55, 86, 91, 94, 98, 245 Barbeyrac, Jean 25 Barclay, Charles William 10 Baretti, Joseph Giuseppe 15 f. Barkhoff, Jürgen 50 Barner, Wilfried 127 Barnouw, Dagmar 8, 72 Barraclough, Geoffrey 257 Batten, Charles 35 Becker-Cantarino, Barbara 251 Beneke, Ferdinand 236 Benhabib, Seyla 124, 238 Benjamin, Georg 303 Benjamin, Hilde 303 Benjamin, Walter 167, 276, 303 f. Bentham, Jeremy 157
Berg, Eberhard 58 Bergeron, Louis 240 Berlin, Isaiah 5, 124 Berman, Russell A. 4 f., 73 Bernoulli, Johann 32 Bersier, Gabrielle 58 Bertuch, Friedrich Justin 250, 314 Biester, Johann Erich 216, 228, 313 Bindman, David 18 Bitterli, Urs 46 Bligh, William 22 f., 103 f., 118 Blitz, Hans-Martin 124, 129, 299 Blumenbach, Johann Friedrich 91 Blumenberg, Hans 135, 144 Bode, Christoph 61, 73 Bodi, Leslie 84, 98 f. Bödeker, Hans Erich 87, 111, 180, 193, 195, 259, 272 Böhmer, Johann Franz Wilhelm 314 Böhmer-Schlegel-Schelling, Caroline,geb. Michaelis 305, 314, 317 Boer, Pim den 257 Börne, Ludwig 233 Böttiger, Karl August 45 Bohrer, Karl Heinz 159, 172, 311 Boie, Heinrich Christian 310 Bollacher, Martin 146, 148 Bollenbeck, Georg 261 Boockmann, Hartmut 238 Borch, Merete 94 Borchardt, Rudolf 71, 306 Bosse, Heinrich 130 Bougainville, Louis-Antoine de 3, 28, 41, 52, 66, 102 Bouterwek, Friedrich 45, 146 Brandes, Ernst 200 f., 205–208, 212, 218, 221, 227 Bravo, Michael 11, 27 Brissot, Jacques Pierre 10, 36 Bruce, James 254 Bryant, Jacob 82 Buchan, Bruce 94 Buchholz, Friedrich 257 Budde, Bernhard 20 Büchner, Georg 290
Personenregister
Bürger, Gottfried August 129, 141, 160 Bürger, Peter 175 Bürgi, Andreas 61 Büsching, Anton Friedrich 116 Buffon, George Louis Leclerc 13, 31, 272 Burke, Edmund 17, 129, 133, 141, 169, 181, 193, 200 f., 205 f., 208–210, 219 f., 224 f., 268, 295, 298 Burney, James 75 Byron, John 12, 28, 87 Calaresu, Melissa 13, 15 f. Campe, Joachim Heinrich 97 f., 206, 249 Carteret, Philip 12, 28, 87 Chamisso, Adelbert von 112 Chard, Chloe 12 Chodowiecki, Daniel 258, 263, 266 f., 273 Christ, Kurt 135 Cloots, Anacharsis 261 Consett, Matthew 17, 30, 111 Constantine, David 13 Cook, James XI, 3 f., 6, 8, 12, 14, 17–22, 24 f., 27–29, 33, 36 f., 39, 41, 43, 45–49, 51–53, 55–58, 60, 62 f., 66–68, 72–76, 80–83, 86–90, 92–96, 98 f., 102–104, 106, 109, 117–120, 138, 238 Cordova, Antonio de 43 Corkhill, Alan 97 Corneille, Pierre 297 Coste d’Arnobat, Charles Pierre 30 f. Cotta, Johann Friedrich 257 Coxe, William 117 Cramer, Carl Friedrich 199–202, 206, 208, 219 f., 225–233, 236 Cromwell, Oliver 208, 229 Crozet, Julien Marie 21, 66 Dahnke, Hans-Dietrich 154 Dalrymple, Alexander 116 Dampier, William 6, 28, 92 f., 95 f., 99, 105 Dann, Otto 124 Danton, Georges Jacques 217, 276, 289 f., 294 David, Jacques-Louis 292 Dawson, Ruth Pritchard 30, 51 Deist, Tina 124 Derrida, Jacques 295 f., 306
Desille, André 268 Desmoulin, Camille 294 Despoix, Philippe 62, 72, 93 f. Destouches, Philippe Néricault 297 Dharampal-Frick, Gita 73 Diderot, Denis 34, 193 f. Dierse, Ulrich 238 Dietsche, Petra 57 Dilthey, Wilhelm 305 Dippel, Horst 50, 80, 124 Dixon, George 10, 26 f., 117 Dohm, Christian Wilhem 87 f., 138 Dolan, Brian 259 Dotzauer, Winfried 304 Dove, Alfred 239 Drake, Francis 28 Dülmen, Richard van 281 Dürbeck, Gabriele 4 Dussinger, John 17 Ebrecht, Angelika 305 Eckstein, Lars 58 Edwards, Philip 27 Eisenstadt, Shmuel Noah 238 Ellis, William 44 Elsner, Jas 12 Engels, Friedrich 177 f., 190, 266, 296 Epikur 177 Erhard, Johann Benjamin 201, 214 Erskine, Henry 227, 230 Eschenburg, Johann Joachim 111 Esleben, Jörg 58, 72, 102 Ette, Ottmar 38 Ewert, Michael 19, 85, 125, 138 Fagot, Pascal 240 Falkner, Thomas 43 Fea, Carlo 183 Federhofer, Marie-Theres 113–115 Fetscher, Justus 14 Feuerbach, Ludwig 178 Fichte, Johann Gottlieb 214 Fiedler, Horst 11, 20, 89, 98, 112, 158 Fielding, Henry 127 Fink, Gonthier-Louis 126, 269 Fischer, Bernd 127 Fischer, Gerhard 102
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Personenregister
Fischer, Tilman 35, 72, 111 Fish, Stanley 4 Flinders, Matthew 104 Fontius, Martin 153, 161 Forderer, Christof 283, 287, 290, 296 Forkel-Liebeskind, Meta (Margareta), geb. Wedekind 200, 208, 235, 311 Forrest, Thomas 35, 116 Forster, Johann Reinhold 4, 8, 17, 20, 45, 50–53, 55, 57–59, 62, 68, 71, 86, 88–91, 108–110, 116, 311 Forster-Huber, Therese, geb. Heyne XI, 180, 182, 239, 251, 304, 308 f., 311 f., 314, 320 Forster, Therese 145, 246, 304 Frank, Manfred 153 f., 172–174 Franklin, Benjamin 263, 267 f. Friedrich II. 127 f., 132, 210 Friedrichsmeyer, Sara 73, 84 Frost, Alan 27, 91, 94–96, 98, 105 Fuhrmann, Manfred 257 Furneaux, Tobias 60, 89, 106, 109 Gamper, Michael 293 Garber, Jörn 17, 57, 61, 214, 238, 259, 264, 269, 285, 287, 291 Garve, Christian 128, 146 Gascoigne, John 3, 48, 74 Gaudin, Abbé 22 Gedicke, Friedrich 216 Geerdts, Hans-Jürgen 264 Gellert , Christian Fürchtegott 304 f. Genty, Louis, Abbé 9 Gentz, Friedrich 161, 200–203, 207 f., 214, 221 f. Gervinus, Georg Gottfried 160, 304 f. Gibbon, Edward 32 Gilbert, Thomas 104 Gilleir, Anke 263 Gilli, Marita 238, 269, 283, 291 f. Gilpin, William 12 f., 15, 17 f. Girtanner, Christoph 294 Gisi, Lucas Marco 3 Gmelin, Johann Friedrich 81, 112 Gmelin, Johann Georg 10, 115 Gockel, Heinz 191 Godel, Rainer 7, 20, 85, 114
Godwin, William 298 Görbert, Johannes 61, 112 Görner, Rüdiger 169 Goethe, Johann Wolfgang XII, 105, 128, 135–140, 142, 157, 177, 183, 234, 304, 316 Goetschel, Willi 211 Goldsmith, Oliver 127 Goldstein, Jürgen XII, 61, 77 Gomsu, Joseph 88, 125 Gordon, Joseph 51, 71 Gottschall, Rudolf 239 Gottsched, Johann Christoph 194 Götz, Carmen 140 f., 304 Gough, Barry M. 10 Grab, Walter 261, 281 Graczyk, Annette 256 Graßhoff, Annelies 222, 224 Greenfeld, Liah 124 Greif, Stefan 85 Griewank, Karl 287 Groenewold, Peter 262 Grosser, Thomas 280, 290, 297 Guest, Harriet 58 Gulyga, Arseni 188 Guthke, Karl S. 82, 105, 120 Gutjahr, Ortrud 3 Gutwirth, Madelyn 195 Habermas, Jürgen 4, 134, 283, 288 Hall, Anja 3, 61 Hammer, Karl 304 Harbsmeier, Michael 58, 77, 112 Harich, Wolfgang 179 Harlow, Vincent T. 10, 27 f., 39 Harrington, James 229 Harth, Dietrich 175 Hartung, Fritz 237 Haug, Christine 72 Hawkesworth, John 12, 41, 68, 81, 86 f., 92 f., 95, 97 f., 116 Haym, Rudolf 179–181, 184, 305 Heermann, Ingrid 61 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 153, 159, 172 f., 176–180, 192 Hegewisch, Dietrich Hermann 232 Heine, Heinrich 295 Heinrich, Gerda 159, 172
Personenregister
Heinritz, Reinhard 61 Heintze, Dieter 95 Heise, Wolfgang 159, 190 Helvetius, Claude Adrien 194 Henning, Hans 147, 304 Hennings, August von 201 f., 206, 208–210, 213–219, 222, 228, 236 Henrich, Dieter 175 Hentschel, Uwe 20, 79, 111, 115 Herder, Johann Gottfried XI, XII, 5, 8, 19, 21 f., 26, 45, 112, 125, 127–130, 132, 137, 146–158, 160 f., 164–169, 171–175, 179–181, 183–189, 191–194, 214, 238, 286 f., 294 f., 304, 308–310 Hermes, Hermann Daniel 228 Herrgen, Joachim 282, 298 Herrmann, Hans Peter 124 Herrnstadt, Rudolf 278, 294 Hertzberg, Ewald Friedrich von 269 Hettner, Hermann 239, 304 f. Heuser, Magdalene 309 Heyne, Carl 252 Heyne, Christian Gottlob 44, 92, 147–150, 157 f., 161, 165, 180, 188, 212, 248 f., 308, 312, 317 Heyne, Therese 180, 308, 314 Hinz, Berthold 182 f. Hirschman, Albert O. 265, 292, 298 Hoare, Michael E. 46, 50–52, 55, 58, 62, 89, 99 Hobbes, Thomas 193, 195 Hocevar, Rolf K. 176 Hochadel, Oliver 284, 293 Hodges, William 53, 58 Höhle, Thomas 263 Hölderlin, Friedrich 177 Hoepfner, Ludwig Johann Friedrich 112 Hofmann, Alois 316 Hofmannsthal, Hugo von 303 Hohendahl, Peter Uwe 4 Holbach, Paul-Henri Thiry d’ 266, 272 Holleuffer, Henriette V. 101 Homer 13 f., 173 Hoorn, Tanja van 51, 182, 190 Horaz 316 Horkheimer, Max 276 Horn, Franz 304 f., 313
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Houben, Heinrich Hubert 202–204, 228, 232 Howard, John 20 Huber, Ludwig Ferdinand 150, 158, 283, 308, 312–314, 320 Hudson, Nicholas 69 Huge, Eberhard 157, 161, 166 f., 169 Humboldt, Alexander von 5, 38, 46, 112 Humboldt, Wilhelm von 140, 146, 153, 157, 161–164, 167 f., 172, 179, 264, 304 Hume, David 32, 126 Hunter, William 22 Hunt, Lynn 289 Hutten, Ulrich von 19 Jacobi, Friedrich Heinrich 30, 78, 130, 135–143, 145, 147, 149 f., 158, 304, 307 f., 311 f., 314, 319 Jaeger, Stephan 19 f., 61 Jameson, Fredric 4 Jamme, Christoph 176, 178, 192, 306 Japp, Uwe 57, 111 Jauß, Hans Robert 19, 154, 159 f., 167, 174 Jenisch, Daniel 125, 234 Joch, Markus 4 Jochmann, Carl Gustav 295 f. Johnson, Samuel 13 Jones, William 32 Jost, Erdmut 115 Kästner, Abraham Gotthelf 112, 225 Kahn, Robert L. 263 Kaiser, Wolf 212 Kallscheuer, Otto 124 f. Kant, Immanuel 7, 76–79, 102 f., 112, 118, 126, 129 f., 148, 158, 171, 175, 179 f., 204, 211, 214, 228, 231, 259, 265, 280 Kappeler, Florian 297 Keate, George 24, 72 f., 75 f., 78 f., 81 f., 113, 120 Keller, Thomas 287, 291 Kerényi, Karl 144 Kersten, Kurt 305 f. King, James 77, 118 Kinzel, Ulrich 58 Kippis, Andrew 24, 103 Kirkpatrick, Frederick Alexander 28 Kisch, Egon Erwin 305
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Personenregister
Klauck, Monika 100 Klein, Ernst Ferdinand 204, 215 Kleingeld, Pauline 269 Klopstock, Friedrich Gottlieb 129, 131 f., 147 Knigge, Adolph Freiherr 127, 129, 200–202, 205, 208, 210–212, 218 f., 222, 225, 228, 310 Knoblauch, Karl von 200 f., 214, 216 Knoll, Samson B. 124 Koberstein, August 304 Koepke, Wulf 308 f. Körner, Christian Gottfried 150, 154, 162, 203, 233 Kohn, Hans 124, 238 Kolumbus, Christoph 88, 92 Kontler, László 72 Korte, Barbara 12 Koselleck, Reinhart 205, 238, 240, 253 Kozielek, Gerard 241 Krauss, Werner 124, 127, 259 Kronauer, Ulrich 7 Krüger, Christa 148, 170 Kurz, Hermann 239 Kutzner, Stefan 291 Lamb, Jonathan 21 Landauer, Gustav 303 Langara y Huarte, Don Juan de 67 Lange, Erhard 147, 180 Lange, Thomas 57 Langer, Ernst Theodor 114 Langmayer, Josua 252 La Perouse, Jean-François de Galaup de 26 f., 106 La Roche, Sophie von 150 Laube, Heinrich 239 Leask, Nigel 112 Leggewie, Claus 124 f. Leibniz, Gottfried Wilhelm 179 Leiste, Christian 118 f. Leitzmann, Albert 135, 160, 304 f. Lennox, Sara 84 Lenz, Jakob Michael Reinhold 129, 132 Leonhard, Rudolf 305 Lepsius, Mario Rainer 241 Lessing, Gotthold Ephraim 125, 127, 137 f., 142 f., 173, 187
Leuschner, Brigitte 308 Le Vaillant, Francois 7, 22 Lichtenberg, Georg Christoph 6, 74, 244, 249, 304, 308 Liebersohn, Harry 61 Liebsch, Dimitri 192 Liepert, Anita 140 Liesegang, Torsten 283 f. Lifschitz, Michail 177 f. Lind, James 52 Lipsius, Justus 33 Llobera, Josep R. 124 Lohmann, Barthold 6 Long, Jonathan 117 Lottes, Günter 134 Lübbe, Hermann 298 Lukács, Georg XII, 157, 159, 172 f., 176–179 Lüsebrink, Hans-Jürgen 5, 11, 84, 253 Luther, Martin 194, 202, 216 f., 222 Lyotard, Jean-Francois 256 Mably, Gabriel Bonnot de 260 Macarthur, Edward 105 Macarthur, James 105 Mackay, David 104 Magellan, Fernao de 28, 88, 99 Maheine 58 f. Malthus, Thomas Robert 96 Marino, Luigi 316 Marino, Mario 77 Marion, Marc Macé 21 f. Marivaux, Pierre Carlet de 297 Markov, Walter 266 f., 280, 289 f., 292, 294, 298 Marshall, John 105 f. Martin, Alison E. 17, 79 Marx, Karl 177–180, 190, 266, 295 f. Mattenklott, Gert 303 f. Maurer, Michael 124, 133 Maus, Ingeborg 238 May, Yomb 61, 147 Meares, John 10, 33, 117 Meier, Albert 111 Meinecke, Friedrich 123 Meiners, Christoph 33, 76–79, 81, 91, 112, 118, 254 Meißner, Joachim 61
Personenregister
Mendelssohn, Moses 139, 204, 309 Mennemeier, Franz Norbert 146, 169 f. Merck, Johann Heinrich 113 Meyer, Ahlrich 153 Meyer, Annette 57 f. Meyer, Franziska 305 Meyer, Friedrich Ludwig Wilhelm 146, 309, 320 Meyer, Heinz 154 Meyer, Richard Moritz 239 Michaelis, Johann David 71 Miltiades 191 Mirabeau, Honoré Gabriel Victor de Riqueti de 215, 267 f., 273, 317 Mix, York Gotthart 77 Montesquieu, Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède de 126, 219, 230, 265 Moorehead, Alan 61 Mooser, Josef 284 Morgan, Peter 238, 266, 269, 304 Morgenroth, Matthias 95, 97 Moritz, Karl Philipp 93, 111, 145, 153, 165, 170, 193 Möser, Justus 128 Moser, Friedrich Carl von 130 Moskovskaja, Julija 291 Mülder-Bach, Inka 139, 144 Müllenbrock, Heinz-Joachim 16 Müller, Gerhard Friedrich 74 Müller, Johannes 117, 304, 310, 313 Munro, Innes 38 Nadler, Josef 182 Nagel, Ivan 290 Nagorsky, Kajetan 242 Nell, Werner 125 Nesham, C. J. W. 267 f. Neumann, Birgit 73 Neumann, Michael 46, 259 Nicolai, Friedrich 44, 111 f., 115, 139 Niebuhr, Carsten 10 Nieckisch, Reinhard M. G. 303 Niekerk, Carl 79 Noot, Heinrich van der 273 Nörtemann, Regina 307, 313 Nuna 58
363
Oesterle, Günter 124, 167 Oesterle, Ingrid 287 Omasreiter, Ria 12 Orlowski, Hubert 238–242, 248 Ortega y Gasset, José 275 f., 299 Ossian 13 Osterhammel, Jürgen 3, 101 f. Ovid 192 f. Oz-Salzberger, Fania 130 Pagden, Anthony 5, 34 Pagès, Pierre Marie Francois de 22 Paine, Thomas 123, 181, 199–202, 205 f., 209–211, 214 f., 218 f., 222 f., 225, 227, 230, 233–236, 238 Pallas, Peter Simon 10, 74 Parkinson, Sidney 86 Pascal, Blaise 236 Patry, Nevenka 186 Pauw, Cornelius de 68 Pearson, Bill 61 Peiter, Anne D. 60 Pennant, Thomas 15, 245, 247 Pergen, Johann Baptist Anton Graf von 202 Pfotenhauer, Helmut 163 Phidias 173, 178 f., 189 Phillip, Arthur 92, 94, 104–106 Pickerodt, Gerhart 175, 264, 283, 314 Pickersgill, Richard 59 Piechotta, Hans Joachim 111 Piozzi, Hester Lynch 16 f., 33 Pischon, Friedrich August 304 Pitere 58 Plato 14, 162 f., 182 Poniatowski, Michael Jerzy 243 Poniatowski, Stanislaus August 241, 243 Popp, Klaus-Georg 11, 135, 140, 309 Portlock, Nathaniel 10, 26, 117 Pratt, Mary Louise 73 Prodoehl, Hans Gerd 284 Racine, Jean Baptiste 297 Rapisarda, Cettina 305 Rath, H. 238 Raynal, Guillaume Thomas Francois 6, 9, 116, 193
364
Personenregister
Rebmann, Georg Friedrich 201, 206, 214, 222–224 Reemtsma, Jan Philipp 264 Regnard, Jean-Francois 297 Rehberg, August Wilhelm 44, 200–203, 205, 207, 210, 212, 220 Rehm, Walther 184 Reichardt, Rolf 192, 287 Reinalter, Helmut 283 Reinwald, Wilhelm Friedrich Hermann 113, 120 Reynolds, Henry 94 Richards, Earl Jeffrey 126, 265 Richardson, Samuel 127 Riedel, Andreas 219, 235 f. Riedel, Manfred 158 Rigby, Nigel 75 Robertson, William 17, 32, 43 f., 114 Robespierre, Maximilien 217, 266, 276, 280, 283, 287, 293–295 Robson-Scott, William Douglas 124 Roche, Genevieve 72 Rödel, Wolfgang 304 Rösner, Manfred 46, 306 Rose, J. Holland 10, 27 Rosenstrauch-Königsberg, Edith 205 Rousseau, Jean Jacques 7, 131, 165 f., 231, 241, 259, 268 f., 291 Rowe, John 60, 66 Rubies, Joan-Pau 12 Rüdiger, Axel 287 Sahlins, Marshall 5, 70 Sahmland, Irmtraut 123, 130, 266 Said, Edward W. 5, 174 Saine, Thomas P. 216, 222, 224–226, 281 Saint-Just, Louis Antoine de 255, 280, 282, 287, 290 f. Saint-Pierre, Jacques Henri Bernardin de 260 f. Salmonowicz, Stanislaw 239 Sanches, Manuela Ribeiro 289 Sandwich, Lord of, John Montagu 47, 50, 54, 75 Sauerland, Karol 239 Sauter, Christina 304 Schaber, Will 315
Schatz, Georg 114, 200, 232 f. Scheel, Heinrich 283 Scheibe, Siegfried 264 Scherer, Wilhelm 305 Scherpe, Klaus R. 61, 88 Scheuer, Helmut 75 Schiller, Friedrich XII, 125, 128–130, 137, 146 f., 149, 153 f., 157–161, 163–166, 168, 170–172, 177, 183 f., 192, 233, 298, 320 Schirmunski, Viktor Maximowitsch 188 Schlaffer, Hannelore 170, 304 Schlaffer, Heinz 304 Schlegel, August Wilhelm 146, 157, 160, 162, 165, 167, 172 Schlegel, Friedrich XII, 45, 125, 146, 148 f., 157–159, 165–173, 175, 303, 306, 311 Schlözer, August Ludwig 138, 201 f., 206, 215, 236 Schlumbohm, Jürgen 204, 214 f. Schmidt, Michael 114 f. Schmidt, Peter 147, 286 Schmidt-Linsenhoff, Viktoria 195 Schneider, Annerose 11 Schneider, Eulogius 261 Schneider, Franz 204, 215, 228 Schneider, Jost 50, 88 Schneider, Ute 107, 111 f., 114, 119 Schnyder, Peter 293 Schuh, Alexander 46, 306 Schultz, Helga 239, 241, 247 Schulz, Gerhard 46 Schwarz, Anja 58, 60 Schwarz, Herta 311 Segeberg, Harro 125 Seghers, Anna 305 Seidel, Helmut 140 Seidel, Ina 305 Shaftesbury, Anthony Ashley-Cooper of 138 Shakespeare, William 127, 129, 147 Sheehan, James J. 233 Sheridan, Richard Brinsley 129 Sherlock, Martin 32 Shortland, John 106 Siebers, Winfried 81, 111, 115 Siegel, Eva-Maria 4 Siegel, Monika 200 Siemon, Rolf 253
Personenregister
Sieyès, Emanuel Joseph, Abbé 219, 287 Smith, Adam 14 Smith, Bernard 14, 57, 104 Smith, James Edward 91 Smollett,Tobias 127 Soboul, Albert 298 Sömmering, Samuel Thomas 142, 179, 239, 245, 248 f., 253, 307 f., 314 f., 319 Solander, Daniel 18, 86 Sophokles 191 Spate, Oskar Hermann Khristian 18, 27 Spener, Karl Philipp 86, 91 f., 98, 244, 307 f., 310, 313, 315–317, 319 Spengler, Oswald 275 Spieckermann, Marie-Luise 200 Spinoza, Baruch 130, 137, 139 f., 142 f., 179 Sprengel , Matthias Christian 73, 98, 116 Stackelberg, Regulus 250 Stadler, Ulrich 295 Stanislaus II. August 251 Stanley, Edward 31 Stanzel, Franz K. 29, 265 f. Starobinski, Jean 174, 292 Stasiewski, Bernhard 239 Steele, Richard 129 Steiner, Gerhard 135, 147, 150, 160, 256, 258, 264, 283, 304 Steller, Georg Wilhelm 74 Stephan, Inge 306 Sterne, Laurence 20, 111, 246, 317 Stewart, William E. 21, 111 Stiening, Gideon 7 Strack, Thomas 50 Strich, Fritz 182 Struck, Bernhard 241 f. Struck, Wolfgang 20 Stuart, James 14 Stummann-Bowert, Ruth 77, 84 Suckow, Christian 11 Svarez, Carl Gottlieb 204 Szondi, Peter 159, 166–168 Tasman, Abel Janszoon 28, 87, 89, 98 Tautz, Birgit 72 f., 84 Teller, Jürgen 141 Tench, Watkin 104 f. Thadden, Rudolf von 125, 238
365
Themistokles 191 Thomas, Nicholas 8, 17, 72, 88 Thukydides 186 Timur 271 Todorov, Tzvetan 124, 257, 265, 267–269, 272 Tohah 61 Träger, Claus 280, 283 Tupaya 41 Tzoref-Ashkenazi, Chen 84, 96, 98 Uerlings, Herbert 3, 7, 17 Uhlig, Ludwig XII, 57, 72, 91, 130, 135, 143, 146 f., 158, 180–184, 256, 281, 304 Unger, Friedrich 257 Valjavec, Fritz 222, 224–226, 234, 236 Varnhagen von Ense, Karl August 233 Verra, Valerio 147 Vierhaus, Rudolf 214, 219, 304 Voigt, Gerhard 304 Volpracht, Friedrich Adolf 307 Voltaire, Francois Marie Aouret de 44, 68, 147, 151, 260, 269, 297 Voß, Christian Friedrich 84, 104, 143, 186, 199 f., 208, 260, 269, 310, 315, 317 Walch, Albrecht Georg 114, 118 Wales, William 51, 53, 109 f., 112 Wallerstein, Immanuel 241 Wallis, Samuel 12, 18, 28, 87, 102 Weber, Hans 280, 282 Weber, Heinz-Dieter 148, 166, 169 Weber, Peter 200, 203 f., 215, 225, 232 f., 258 Wedekind, Georg 199, 201, 214, 219, 235 Wehler, Hans-Ulrich 124, 233 f. Weissel, Bernhard 215 Weissenberger, Klaus 111 Weller, Christiane 4 Wenck, Woldemar 204, 214 Wender, Herbert 290 Werner, Hans-Georg 263 West, Hugh 57 Wetzel, Johann Ludwig 118 f. White, John 104–106 Wiedemann, Conrad 125, 130 f.
366
Personenregister
Wieland, Christoph Martin XII, 20, 45, 113, 123, 125, 128, 137, 181, 184, 195, 201–206, 212 f., 217–223, 227, 230, 236, 280, 283, 286, 316 Wiese, Benno von 159 Wilke, Sabine 60 Wilkes, John Williams 194 Williams, Christiane Küchler 3, 61 Williams, Glyndwr 62, 75, 91, 95 Williams, Raymond 124 Williamson, James A. 27, 39 Wilson, Henry 120 Wilson, Judith 84, 95 f.
Winckelmann, Johann Joachim 13, 146, 148, 152–154, 157, 159, 166 f., 169, 180, 183 f., 186 f., 194 Witte, Bernd 287 Wolf, Friedrich August 158, 163 Wolgin, Wjačeslav Petrovič 259 Wuthenow, Ralph-Rainer 304 Young ,Robert J. C. 4 f. Zande, Johann van der 77 Zantop, Susanne 4, 73, 77, 84 Zedler, Johann Heinrich 85 f., 111