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German Pages 252 Year 1988
Geophysik und Geologie Geophysikalische Veröffentlichungen der Karl-Marx-Universität Leipzig Herausgegeben von Prof. Dr. sc. nat. R. Lauterbach Dritte Serie Band III, Heft 4 Mit 135 Abbildungen, 5 Tabellen und 9 Tafeln
AKADEMIE-VERLAG Geophys. Veröff. KMU • Leipzig
Bd. III
H. 4
BERLIN
S. 1 - 2 4 6
1987
Die Geophysikalischen Veröffentlichungen der Karl-Marx-Universität sind die Fortsetzung zweier Schriftenreihen 1. Veröffentlichungen des Geophysikalischen Instituts, gegründet 1913 von V. Bjerknes 2. Geophysik und Geologie, gegründet 1959 von R. Lauterbach Sie bringen Beiträge und Berichte aus dem Bereich Physik der Erde, die mit einschlägigen Arbeiten der Karl-Marx-Universität in Zusammenhang stehen. Anschrift des Herausgebers und der Redaktion: Karl-Marx-Universität Wissenschaftsbereich Geophysik, DDR - 7010 Leipzig, Talstr. 35 Redaktion: Dr. sc. F.Jacobs Dipl.-Geoln. M. Meißner Dr. habil. L. Eißmann
ISBN 3-05-500256-3 ISSN 0138-2357 Erschienen im Akademie-Verlag Berlin, DDR-1086 Berlin, Leipziger Straße 3—4 Akademie-Verlag Berlin 1987 Lizenznummer: 202 • 100/445/87 P161/86 Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", 7400 Altenburg Lektor: Dipl.-Met. Heide Deutscher LSV 1405 Bestellnummer: 7636831 (2018/III/4) 04800
Inhalt Vorwort
5
L . EISSMANN
Lagerungsstörungen im Lockergebirge Exogene und endogene Tektonik im Lockergebirge des nördlichen Mitteleuropa
7
H . BISCHE
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung känozoischer Sedimente
79
K . SCHÖSSLER
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung von Lagerungsstörungen känozoischer Sedimente . . . . . . . . . . . 131 F . JACOBS, H . P E T Z O L D u n d K . - H . N I T S C H
Geoelektrische Erkundung von Lagerungsstörungen in Lockergesteinen
. .
161
K . - D . K R E S S E R , H . MATTERSTEIG, G . H Ö N E M A N N u n d G . K Ü H N E
Möglichkeiten der geophysikalischen Bohrlochmessung zur Erkundung von Lagerungsstörungen im Lockergesteinsbereich . . . . . 197 Berichte und Referate Thesen zu Diplomarbeiten, verteidigt am Wissenschaftsbereich Geophysik der Sektion Physik der Karl-Marx-Universität Leipzig 227 Tafeln (zu Beitrag EISSMANN)
1*
237
Content L . EISSMANN
Disturbances in lose sediments Exogene and endogene tectonics in the loose rock formation of Northern Middle Europe . . H . RISCHE
Applications of seismic techniques in the exploration of Caenozoic sediments
7
79
K . SCHÔSSLER
Gravimetric investigations of bedding disturbances in Caenozoic sediments
131
F . JACOBS, H . PETZOLD a n d K . - H . NITSCH
Geoelectric investigations of bedding disturbances in loose rocks
161
K . - D . KRESSER, H . MATTERSTEIG, G . HÔNEMANN a n d G . K U H N E
Geophysical well logging applied in the investigation of bedding disturbances in loose rocks 197 Reports Summaries of diploma papers from the Wissenschaftsbereich Geophysik der Karl-MarxUniversitat Leipzig 227 Plates (to contribution
EISSMANN)
237
Vorwort Die Redaktion und der Herausgeber legen in diesem Heft Materialien zur Untersuchuung des gestörten Lockergebirges vor, einen Themenkomplex von ebenso großer volkswirtschaftlicher wie grundlegender Bedeutung. Hierzu wurden im Weiterbildungszentrum der Karl-Marx-Universität auch Lehrgänge durchgeführt. Die Teilnehmer — besonders aus der Industrie — hatten den Wunsch geäußert, den wissenschaftlichen und industriellen Einrichtungen auch gedrucktes Material zur Verfügung zu stellen. Wir folgen hiermit diesem Vorschlag gern, und zwar sowohl in geologischer wie geophysikalischer Beziehung. Zunächst wird das Problem der Lockergebirgstektonik ausführlich und dokumentarisch dargestellt, ergänzt durch zahlreiche wertvolle Illustrationen. Dann werden die zur Untersuchung des gestörten Lockergebirges geeigneten geophysikalischen Verfahren umrissen. Voran stehen die seismischen Methoden, es folgen die Gravimetrie, die Geoelektrik und natürlich die Bohrlochmessung. Herausgeber und Redaktion sind allen Kollegen dankbar, die sich als Gestalter des Heftes und insbesondere als Autoren um die Verwirklichung dieses Vorhabens verdient gemacht haben, das ohne Zweifel für die gegenwärtigen Aufgaben von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Dies um so mehr, als zahlreiche neue Resultate mitgeteilt werden. Es dürfte daher vielen Fachkolleginnen und -kollegen neue Erkenntnisse vermitteln. Wir danken auch dem Akademie-Verlag für die rasche und qualitativ gute Publikation dieser für breite Kreise interessanten und wichtigen Veröffentlichung, die auch gerade für die Gewinnung von Energierohstoffen von Bedeutung ist. R . LAUTEEBACH
Geophys. u. Geol.
Geophys. Veröff. d. KMU Leipzig
Bd. I I I
H. 4
S. 7 - 7 7
Berlin 1987
Lagerungsstörungen im Lockergebirge Exogene und endogene Tektonik im Lockergebirge des nördlichen Mitteleuropa L . EISSMANN1
Inhalt 1.
Einleitung
9
2.
Endogen-tektonische Lagerungsstörungen
12
3.
Exogen-tektonische Lagerungsstörungen
15
3.1. 3.1.1. 3.1.1.1. 3.1.1.2. 3.1.1.3. 3.1.1.4. 3.1.1.5. 3.1.1.6. 3.1.2. 3.1.2.1. 3.1.2.2.
Glaziäre Deformation und Destruktion Glazigene Störungsformen Regionale Übersicht Systematik der Prozesse und Strukturen Überschiebung und Verschuppung ohne Faltung Faltenschuppen in Beispielen Fließfalten und -schuppen in Beispielen Grundbedingungen der Glazitektonik Ausräumungsstrukturen. Rinnen und Becken als Formen der glaziären Destruktion Größe, Form, Alter, Sedimentfüllung Entstehung der Destruktionsformen
15 16 16 18 19 22 25 33 34 34 41
3.2.
Kryogene Prozesse und Strukturen
43
3.3.
Gravitativ-autoplastische subterrane Fließprozesse und ihre Strukturen (freie Solikinese)
44
3.3.1.
Diapirismus der freien Solikinese
46
3.3.2.
Saigerungs- oder Absinkungsstrukturen
55
3.4.
Subaerische und subaquatische Gleitung
57
3.5.
Deformationen durch Diagenese
58
3.6. 3.6.1.
Bodenbewegungen durch Subrosion Überblick und Voraussetzungen
61 61
3.6.2. 3.6.3.
Strukturen, Abläufe Persistenz und Zyklizität verdeckter Gipssubrosion am Beispiel der Leipziger Tieflandsbucht
62
3.7.
Halokinese und Subrosion
70
Literaturauswahl
72
Tafeln
1
63
237
Anschrift des Verfassers: Dr. rer. nat. habil. LOTHAR EISSMANN, WB Geophysik, Sektion Physik der Karl-Marx-Universität, DDR-7010 Leipzig, Talstr. 35.
8
L . EISSMANN
Zusammenfassung: Im nördlichen Mitteleuropa ist das känozoische Lockergebirge vielerorts durch exogene Prozesse intensiv gestört; endogene Störungen besitzen nur regional eine größere Bedeutung. In Ausmaß und Häufigkeit an erster Stelle stehen glaziäre Biege- und Bruchdeformationen, die in einigen Stauchmoränen Tiefen von 100 bis 200 m erreichen. Es hat sich gezeigt, daß bei ihrer Entstehung Schubkräfte der Gletscher eine geringere Rolle spielten als belastungsbedingte Pressungskräfte aufsteigender mobiler Sedimentmassen, die vielfach zu einem schuppenartigen diapirischen Faltenbau führten. Obwohl es sich nicht um Deformationen, sondern um Formen der Erosion handelt, wurden ihrer großen Bedeutung wegen in die Übersicht auch exarative und glazihydromechanische Strukturen einbezogen. Als Wannen und Rinnen erreichen sie Tiefen von über 150 bzw. 400 m. Eine wesentliche Bedeutung im Ensemble der Lockergebirgsstörungen haben kryogene Deformationen (Kryoturbationserscheinungen im weitesten Sinne; Kontraktions- und Expansionsrisse). Die meisten plastischen Deformationen dieser Gruppe erweisen sich als Formen, die bei der Frostbodendegradation gravitativ entstanden sind. Es besteht vielfach eine enge Beziehung zum gravitativ-autoplastischen Sedimentdiapirismus, insbesondere der Braunkohle. Als eine Hauptquelle von Störungen im Lockergebirge erweisen sich subrosive Vorgänge. Oft weitspannigen Senkungsstrukturen über gelösten Haliten stehen in Form und Größe stark wechselnde Bruch- und Biegestrukturen über Gipskarst gegenüber. Am Beispiel des Leipziger Raumes wird die Gipskorrosion als ein komplizierter, über lange Zeiträume sich erstreckender diskontinuierlicher Prozeß vorgestellt, der von vielen lokalen Faktoren abhängt. Kurz behandelt werden die Wirkung der Halolcinese, der Diagenese und gravitativ-gleitungsbedingter Vorgänge auf die Lagerung im känozoischen Lockergebirgsstockwerk. Die wichtigsten Störungsformen und ihre Genese werden anhand eingehend untersuchter Strukturen vorgestellt. Eine rasche Orientierung geben graphische Übersichten, die in vereinfachter Form nach konkreten Vorbildern entworfen sind (Abb. 1, 18, 19, 30). Summary: In Northern Middle Europe the Caenozoic loose rock formation has been frequently strongly deformed by exogene processes. Endogene disturbances have only great significance in a few areas. B y size and frequency glacigenous bending and fracture phenomena occupy the first place, being observable in push moraines down to depths of 100 to 200 m. I t has been proven that for their origin the thrust forces of the glacier played a lesser role then the load-conditioned compression forces of ascending mobile sediment masses, thus leading in many cases to a folding diapirism. Though, strictly spoken, they are erosional phenomena, we may consider also the very important glacigenous-exarative and glaciohydromechanical structures. As troughs and channels they may be as deep as 150 resp. 400 m. Among all disturbances within loose rocks, cryogenic ones are of particular importance (cryoturbations in the widest sense, contraction and expansion fissures). Most of the plastic deformations prove as forms of frozen soil degredation by gravitative processes. Closely connected are the frequently occuring phenomena of gravitational autoplastic sediment diapirism, especially those of lignite. As a main source of these rock disturbances appear subrosive processes. Contrary to widespanned subsidence structures over leached halites, the fracture and bending structures occuring over gypsum karst are strongly varying in shape and size. The example of the Leipzig region demonstrates that the dissolution of gypsum appears as a complicated, discontinuous process of long duration depending on many local factors. The also frequently occuring gravitational gliding phenomena, and the halokinetic and diagenetic (compaction) deformations are described in brief. The most essential disturbances and their genesis are presented by demonstrating extensively investigated structures. A quick overview is facilitated by graphical illustrations, demonstrated in simplified actual examples (fig. 1, 18, 19, 30).
9
Lagerungsstörungen im Lookergebirge
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Braunkohle
A b b . 19. Die häufigsten Sedimentstrukturen in fossilen Frostwechsel- bzw. A u f t a u b ö d e n EISSMANN 1 9 8 1 )
(nach
46
L . EISSMANN
nen Lockersedimenten ohne zusätzliche dynamische oder gravitative Einwirkungen beispielsweise durch Gletscher unter dem Begriff der freien Solikinese zusammenfassen (EISSMANN 1 9 8 1 , S. 9 1 ) , ist die Mobilität der Schichten. Besitzen sie eine hohe Festigkeit, werden die meist geringen Spannungen von den Schichten ohne nennenswerte Deformationen aufgenommen. Erst die Erhöhung der Mobilität bzw. die Verminderung des Scherwiderstandes aus Kohäsions- und Reibungsfestigkeit bringt in den meisten Fällen die Ausgleichsbewegungen in Gang. Gehäuft treten diese subterranen Fließvorgänge in Glaziär- und Schwemmfächerfolgen auf, wie beispielsweise im Mississippidelta (MOBGAN et coli. 1968), wo horizontal wie vertikal Sedimente unterschiedlicher Dichte, Mächtigkeit und Konsistenz rasch wechseln, also auf engem Raum größere Belastungsunterschiede bei instabiler Lagerung existieren. Die günstigsten Bedingungen zur Auslösung freier solikinetischer Prozesse bildet jedoch unter den weltweit denkbar möglichen ein zerfallender Dauerfrostboden. Die enge Beziehung zwischen Frostbodenzerfall und solikinetischen Prozessen in Mitteleuropa erhellt die Tatsache, weiteren Ausführungen vorgreifend, daß sich bei etwa gleichen lithologischen Ausgangsbedingungen im Quartär und Tertiär mehr als 90% der im Saale-Elbe-Raum untersuchten vielen 100 autoplastischen Aufstiegsstrukturen als quartärzeitlich, dagegen keine einzige Form vergleichbarer Dimension als sicher braunkohlenzeitlich erwies. Sieht man von den Kleinformen ab (Abb. 19), führten die Ausgleichsbewegungen zu zwei durch Übergänge verknüpften Erscheinungen: — zu Ab- uud Aufstiegsstrukturen, d. h. Einmuldungen und vielfach bis zum Diapirstadium fortgeschrittene Aufwulstungen so fließfähiger Sedimente wie Braunkohle, Ton, Schluff und Feinsand und — zu Saigerungs- oder Absinkungsstrukturen d. h. zu Umschichtung bzw. Platzaustausch von Lockergestein an Ort und Stelle nach der Dichte. 3.3.1. Diapirismus der freien Solikinese Existieren stärkere Belastungsunterschiede und besitzt das Gebirge eine Festigkeit, die, im Falle einer inversen Schichtung, eine Dichtesaigerung verhindert, kommt es zu einem flächenhaften Abwandern der mobilen (nicht notwendigerweise weniger dichten) Massen in Richtung des größten Potentialgradienten nach Gebieten geringeren Drucks. Das hangende Gebirge beginnt mehr oder minder kontinuierlich abzusinken und das mobile Material gelegentlich bis auf eine dünne Schicht zu verdrängen. Wie besonders die Ausgleichsbewegungen in der Braunkohle lehren, laufen diese Prozesse wie bei der Halokinese mit Selbstverstärkungseffekten ab (Wulst, Randsenke, Sedimentation, Diapir, zweite Randsenke). Als Gegenstück zum Salz erweist sich im oberen Deckgebirge in vielen Gebieten die Braunkohle. Sie ist nicht nur das spezifisch leichteste Gestein in den meisten mitteleuropäischen Lockergebirgsfolgen (ca. 1,15 g/cm 3 ), mit 45 —60% Ausgangswassergehalt zählt sie auch zu den frostempfindlichsten Sedimenten. Eine hohe kapillare Steighöhe bei regional hoher Permeabilität begünstigte eine starke Wasserzufuhr zur Gefrierfront und damit die Bildung von Massiveis, das sich in der Braunkohle als schlechter Wärmeleiter wohl auch am längsten hielt, vielleicht noch Jahrtausende nach Beginn der jeweiligen allgemeinen Frostbodendegradation. Da die Frostfront normalerweise zuerst die Hochlagen der Kohle erreichte, ist besonders hier mit der Bildung von segregativem Eis zu rechnen, die zu palsen- oder pingoartigen Aufwölbungen geführt und die Bereiche des späteren diapirischen Durchbruchs vorge-
Lagerungsstörungen im Lockergebirge
47
zeichnet haben könnten. Die „statischen Flözaufpressungen" pflegen daher nicht zufällig einzeln oder schwarmweise dort aufzutreten, wo die Flöze in bezug auf die eiszeitlichen Landoberflächen nicht tiefer als etwa 10—30 m anstanden und unruhig gelagert waren. Die Formen sind vielgestaltig. Neben kuppelartigen, 10 bis über 20 m breiten, treten schmale (1—3 m), mauerartige, senkrechte Formen auf, die fast unvermittelt aus dem flach liegenden Flöz aufsteigen. Es überwiegen bei weitem die langgestreckten Strukturen, pfropfenförmige sind selten. Die Länge liegt zwischen einem Dekameter und fast einem Kilometer; mehrfach konnte beobachtet werden, daß die Aufpressungen alten Flözhochlagen verschiedener Genese folgen, ihnen gewissermaßen als „Ekzem" aufsitzen. Ihre Höhe erreicht im Mittel 5 —15 m, doch sind schon Aufstiegshöhen bis 50 m festgestellt worden. Die Abstände scheinen bei breiten Formen größer als bei schmalen zu sein. In der südlichen Leipziger Bucht ermittelte W A G E N B R E T H (1960) in einem größeren Feld ein Abstands-Breitenverhältnis von 10: 1. Im ganzen dominiert der Schmalsattel-Breitmulden-Bau. Bei den meisten Strukturen läßt sich, wie schon ETZOLD (1912) und G R A H M A N N (1934) feststellten, keinerlei tangentiale Druck- oder Schubrichtung erkennen. Die Sattelachsen steigen auf und ab, die Sattelflanken weisen Schleppungen und Verwulstungen auf; die innere Struktur zeigt oft die erstaunlichste flankenparallele Bänderung und Einregelung von Stammstücken. Für den Kern der Diapire typisch ist die Bildung von Spitzfalten, die meist aufrecht stehen und im Streichen konform mit der Großstruktur gehen. Nicht selten sind ins Nebengestein vordringende Kohleapophysen. Kohlebrekzien mit deutlichen Verdriftungserscheinungen belegen auch nichtlaminare Fließbewegungen im Aufstiegsprozeß. Abb. 21 zeigt die wesentlichen kleintektonischen Merkmale der Aufstiegsstrukturen. Einige der beschriebenen Gefügemerkmale waren F. ETZOLD (1912) selbst in der Blütezeit glazitektonischer Interpretation von Lockergebirgsstörungen hinreichender Grund, eine glaziäre Entstehung der Aufstiegsstrukturen strikt abzulehnen. Hier ist nun festzustellen, daß der Beweis für die reine Autopiastie von statischen Verdrängungsformen in einem Vereisungsgebiet allein durch tektonische Gefügemerkmale nicht zu erbringen ist. Der statische Druck des Gletschers erzeugt das gleiche Strukturinventar wie der Belastungsdruck durch reines Sediment. (Auf gewisse Unterschiede im Ensemble der Erscheinungen wurde auf S. 32 hingewiesen). Für die Deutung entscheidend sind daher in der Regel stratigraphische und paläogeographische Kriterien. Im SaaleElbe-Raum ist statischer Sedimentaufstieg aus mindestens vier quartären Kaltzeiten bekannt, darunter auch aus Zeiten, als das Gebiet noch nicht oder nicht mehr vom Inlandeis erreicht worden ist (Frühpleistozän bzw. Weichseleiszeit). Die folgenden Beispiele verstehen sich daher in erster Linie als stratigraphische Belege freier Solikinese.
Abb. 20a zeigt den Prototyp eines Braunkohlendiapirs. Drei insgesamt etwa 15 m mächtige Braunkohlenflöze mit dünnen Ton-Zwischenmitteln werden von schweren, nichtbindigen und bindigen Gesteinen des Quartärs überlagert. Der im Grundriß mauerartige, über 500 m lange Diapir stieg in zwei mehrphasigen Etappen auf. Die erste Etappe begann während der Akkumulation der über der Kohle liegenden frühsaaleeiszeitlichen Schotter. Diese besitzen eine mittlere Mächtigkeit von 8—10 m, in den beiderseits des Diapirs entwickelten Randsenken erreichen sie jedoch Mächtigkeiten bis über 15 m. Dreht man die Bewegungen zurück, erweisen sich einige der ausgeprägten Schichtflächen, wie W A G E N B R E T H (1960) aus anderen Beispielen bereits gezeigt hatte, als fluviatile Diskordanzen, entstanden bei der Heraushebung der Folge über die örtliche Erosionsbasis. In der ersten Etappe blieb der Aufstieg in der Wulstphase mit primärer Randsenke stehen. Der Durchbruch erfolgte Jahrzehntausende später, nach der letzten,
48
L . EISSMANN
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Der Streubereich für die einzelnen Gesteine ist so groß, daß aus einer solchen Übersicht allein nur selten abgeleitet werden kann, ob die Grenzfläche zwischen zwei Gesteinen unterschiedlicher Geschwindigkeit refraktionsseismisch erfaßt werden kann. Abgrenzung
Lockergestein
—Festgestein
Aus der Geschwindigkeitsübersicht kann hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten der Refraktionsseismik eigentlich nur ein einziger Fall erkannt werden, das ist die Grenzfläche zwischen Lockergestein und Festgestein. Betrachtet man die Geschwindigkeitssituation an einer solchen Grenzfläche, so ergibt sich etwa folgendes Bild (siehe dazu auch D E U B E L und K O P F 1 9 8 2 ) :
Lockergestein trocken wenig feucht Lockergestein gesättigt Festgestein angewittert Festgestein unverwittert
Geschwindigkeitsbereich
Häufigkeitsmaximum
100— 800 m/s 1500—2000 „ 2000—3500 „ 2500—7000 „
500 m/s 1700 m/s
Daraus kann abgeleitet werden und die Erfahrung bestätigt es, daß die Grenzfläche zwischen Locker- und Festgestein nahezu stets mit der Refraktionsseismik erkundbar ist. Natürlich liegt der einfachste Fall dann vor, wenn das Festgestein kaum verwittert ist und demzufolge sehr hohe Geschwindigkeiten aufweist. Dieser Fall wird in Abb. B
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
85
gezeigt. Hier ergab die hammerschlagseismische Erfassung des Festgesteins unter pleistozäner Bedeckung Laufzeitkurven mit typischer Gliederung: Laufzeitkurve 1. Abschnitt
Geschwindigkeit 250—
500 m/s
2.
1400-1800
„
3. 3.
2 9 0 0 - 3400
„
3000-4600
„
Interpretation pleistozäne Bedeckung, trocken pleistozäne Bedeckung, gesättigt und/oder Verwitterungszone Granit, angewittert Grauwacke
In Abb. 3 ist deutlich zu erkennen, daß die Abgrenzung der einzelnen Laufzeitkurvenabschnitte sowie ihre gegenseitige Zuordnung über das gesamte Profil hinweg wenig Schwierigkeiten bereitet. Die Geschwindigkeitswerte der einzelnen Laufzeitkurvenabschnitte unterscheiden sich so stark, daß in einem solchen Fall keine schwerwiegenden Bearbeitungsfehler auftreten dürften. Auffällig ist auch die relativ geringe ms
Abb. 3. Hammerschlagseismisches Profil (P-Wellen) zur Erfassung einer Festgesteinsoberfläche ( a u s Tetjpser u n d O l s z a k 1 9 6 0 )
Streuung der Geschwindigkeiten in den einzelnen Abschnitten. So ist im ersten Abschnitt die Streuung noch geringer als oben angegeben, da von Nordwest nach Südost eine Geschwindigkeitszunahme von 300 m/s auf 450 m/s zu erkennen ist. Bei der Betrachtung der Geschwindigkeitswerte für die Grauwacke muß beachtet werden, daß infolge der Neigung der Grenzfläche im nordwestlichen Teil des Profils die ausgewiesenen Werte nur Scheingeschwindigkeiten darstellen, die von den tatsächlichen Geschwindigkeitswerten doch erheblich abweichen. Diese liegen bei 4000 —4200 m/s. Soll bei einem solchen Zwei- bis Dreischichtfall mit ziemlich scharfem Geschwindigkontrast eine flächenhafte Aufnahme erfolgen, so kann durchaus auf eine durchgehende Profilierung verzichtet werden, wie sie in Abb. 3 gezeigt ist. Statt dessen werden entsprechend kurze refraktionsseismische Einzelprofile mit Hin- und Gegenschuß aufgenommen, die als refraktionsseismische Sondierungen bezeichnet werden können. Bei
86
H . RISCHE
der Anlage solcher Sondierungen kann sowohl die Oberflächensituation (Bebauung, Bodennutzung) als auch die bereits vorliegende Aufschlußdichte (Bohrungen, Tagesaufschlüsse) berücksichtigt werden. Ein Beispiel für das Ergebnis einer solchen flächenhaften Aufnahme ist in Abb. 4 dargestellt. Bei hydrogeologischen Untersuchungen zum Wasserhaushalt am nördlichen Alpenrand wandte S E I L E B (1979) hammerschlagseismische Messungen an, um die oberflächennah liegende Grenze zwischen pleistozänem Lockergestein und dem Flysch (Kieselkalke, Zementmergel) zu erfassen. Da in dem untersuchten Teil des Loisachtales zahlreiche Festgesteinsaufragungen durch Tagesaufschlüsse bekannt waren, bot sich
Abb. 4. Oberfläche des Festgesteins unter Kiesen nach hammerschlagseismischen Untersuchungen mit P-Wellen (nach SEILER 1979)
eine Verdichtung durch refraktionsseismische Sondierungen an. In Abb. 4 ist zu erkennen, wie zwischen den Tagesaufschlüssen und den Bohrungen zusätzlich die Sondierungen angelegt wurden, um eine gleichmäßigere Aufschlußdichte zu erreichen. Damit war es auch möglich, eine weitgehend gesicherte Tiefenlinienkarte der Festgesteinsoberfläche im speziell interessierenden Bereich einer Festgesteinsschwelle zu entwerfen. Ein weiteres Beispiel, das den seismischen Verhältnissen einer Grenzfläche zwischen Lockergestein und Festgestein entspricht, ist die Tertiärbasis im Norddeutsch-Polnischen
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
87
Becken. Während im känozoisehen Deckgebirge die Geschwindigkeiten meist zwischen 1600—1800 m/s liegen und nur in tieferen Bereichen auf 2000 m/s ansteigen, erreichen sie in den liegenden Schichten je nach Ausbildung 2500 —5000 m/s. Damit ist eine Kartierung der Tertiärbasis mittels längerer gestaffelter Profile, die gegebenenfalls durch Übersichtsmessungen nach dem Fächerschußprinzip ergänzt werden können, in den meisten Fällen möglich. Gleichzeitig gelingt es dabei, das Liegende auf Grund seiner unterschiedlichen Geschwindigkeiten (z.B. Muschelkalk 3800 —5000 m/s, Buntsandstein 3200 —4000 m/s) zu differenzieren. Von entsprechenden Ergebnissen, die aus verschiedenen Erkundungsgebieten vorliegen, sei als Beispiel auf die Arbeiten in der Egelner Südmulde (MABTIN 1959) hingewiesen.
Abbildung
eines
Gradientenmediums
Weitaus komplizierter wird die Situation für ein seismisches Abgrenzen von Lockerund Festgestein dann, wenn das Festgestein nahezu alle Verwitterungsgrade aufweist, so daß ein weitgehend kontinuierlicher Übergang statt einer ausgeprägten Grenzfläche vorliegt. Dieser wird in den Geschwindigkeiten der seismischen Wellen als kontinuierliche Zunahme der Geschwindigkeit mit der Tiefe abgebildet. Es liegt demnach ein Geschwindigkeitsgradient vor, man spricht von einem Gradientenmedium. In ihm breiten sich die seismischen Wellen auf gekrümmten Strahlen aus (siehe Abb. 5). Je größer die Entfernung der Meßpunkte vom Anregungspunkt ist, desto größer ist in diesem Fall die Eindringtiefe der seismischen Wellen. In der Laufzeitkurve kann keine sprunghafte Änderung der Neigung auftreten, so daß eine Einteilung in verschiedene Laufzeitkurvenabschnitte mit jeweils konstanter Neigung und damit mit je einer bestimmten Geschwin-
x
H Abb. 5. Strahlenverlauf in einem Gradientenmedium mit Laufzeitkurve
88
H . RISCHE
digkeit nicht möglich ist. Statt dessen erfolgt eine kontinuierliche Zunahme der Laufzeitkurvenneigung. Aus einer solchen Kurve t = f(x) kann nach dem Wiechert-Herglotzschen Verfahren v = f(H), also die Geschwindigkeitsverteilung mit der Tiefe, berechnet werden. Sind auf einem refraktionsseismischen Profil nun mehrere Laufzeitkurven von mehreren Anregungspunkten aus aufgenommen, so folgt im Ergebnis der Auswertung ein Profilschnitt, in dem mehrere solche Geschwindigkeits-Tiefen-Funktionen v = f(H) dargestellt sind. Durch Konstruktion von Linien gleicher Geschwindigkeit (Isotachen) erhält man schließlich einen Profilschnitt, in dem statt Schichtgrenzen die unterschiedlichen Geschwindigkeitsbereiche in ihrer Tiefenlage dargestellt sind. Ein sehr instruktives Beispiel für das Erfassen eines seismischen Gradientenmediums in geringen Tiefen legten SKOPEC und ZIMA (1979) vor (Abbildung 6). Im Rahmen 0
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i m Gneis 111 i m i angewittert
1111 Gneis im i m nahezu fest
Abb. 6. Profilschnitt der P-Wellen-Geschwindigkeit zur Untersuchung des Verwitterungsgrades von Gneis (nach S K O P E C und Z I M A 1 9 7 9 )
hydrogeologischer Untersuchungen führten sie refraktionsseismische Messungen aus, um über die Geschwindigkeitsverteilung Aussagen zur Klüftigkeit des Gesteins zu erhalten. In dem Profilschnitt sind die Ergebnisse der Geschwindigkeitsbestimmung dargestellt, die Berechnung erfolgte nach dem oben erwähnten Prinzip. Zum Vergleich sind die Schichtprofile von zwei Bohrungen eingetragen, die jeweils an den Profilenden liegen. Im linken Teil zwischen 0 und 80 m folgen der pleistozänen Uberdeckung Geschwindigkeitswerte ab 2500 m/s, die rasch auf über 4000 m/s anwachsen. Damit deutet sich ein Block unverwitterten Gesteins in geringer Tiefe an. Dagegen zeigt die Geschwindigkeitsverteilung bei der Profilentfernung um 100 m an der Pleistozänbasis nur Werte zwischen 1280 und 1400 m/s sowie ein trogartiges Absinken der Isotachen. Das deutet darauf hin, daß hier eine Verwitterungsmulde vorliegt, die wahrscheinlich an eine Störung gebunden ist. Auf diese Art können zum Teil recht detaillierte Aussagen über den Verwitterungsgrad von Gesteinen erzielt werden. Grenzflächen im KänozoiJcum Betrachtet man nun das Känozoikum der DDR, so ist auch hier eine merkliche
Geschwindigkeitsdifferenzierung vorhanden. DEUBEL und KOPF (1982) geben für die
oberen 60 m vier verschiedene Geschwindigkeitsklassen an, die in den Braunkohlerevieren ermittelt wurden:
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
89
Klasse 1: Sand, untergeordnet Schluff, Ton und Geschiebemerge] mit sehr niedrigem Sättigungsgrad: 3 0 0 - 7 0 0 m/s. Klasse 2 : Teilweise gesättigter Sand, Schluff, (Ton), Geschiebemergel oder Sand-Ton-Wechsellagerung mit einem Wechsel gesättigter und teilgesättigter Sedimente: 700—1500 m/s. Klasse 3 : Sand, Schluff, Ton; tonreicher mergelarmer Geschiebemergel im nahezu „gesättigten" Zustand unterhalb der Langsamschicht: 1 500— 1800 m/s. Klasse 4 : Mergelreicher, porenärmerer Geschiebemergel im nahezu „gesättigten" Zustand: 1 9 0 0 - 2 100 m/s.
Aus dieser Einteilung ist ersichtlich, daß ein zweiter Fall existiert, bei dem die Refraktionsseismik eingesetzt werden kann, nämlich die Grenzfläche zwischen trockenen (oder nur feuchten) und gesättigten Lockergesteinen. Oft ist die Grundwasseroberfläche die erste im refraktionsseismischen Meßergebnis abgebildete Grenzfläche. Der einfachste Fall liegt dann vor, wenn sie nur von trockenem sandig-kiesigen Lockergestein oder von lockerem Verwitterungsschutt überlagert wird. Hier springt die Geschwindigkeit von sehr geringen Werten, meist unter 600 m/s, auf etwa 1700 m/s. Daraus resultiert ein recht eindeutiges Meßergebnis, welches mit den ersten beiden Abschnitten der Laufzeitkurven in Abb. 3 vergleichbar ist. Etwas komplizierter, aber meist noch sicher unterscheidbar ist die Situation, wenn über dem Grundwasserspiegel nicht nur rolliges, sondern auch bindiges Gestein lagert. Dann tritt im refraktionsseismischen Bild oft eine hangende Schicht mit Geschwindigkeiten zwischen 500 und 1000 m/s auf. Abb. 7 gibt dazu ein Beispiel, in dem der Grundwasserspiegel nahezu durchgehend abgebildet wird. Gleichzeitig ist zu erkennen, daß die Oberfläche des Festgesteins unter den Talsedimenten erfaßt wird, da keine merkliche Verwitterungszone existiert. WSW 220 mNN
210
4T 360 1000
ENE
2
3
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320
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880 Í1000)
1200
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—
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-SWS 3L
1700
200 190 180
200
400 m
Abb. 7. Refraktionsseismisch ermittelte Grundwasseroberfläche in einem Flußtal (aus DEPPERMANN u n d HILDEBRAND
1973)
Aus der Einteilung von D E T J B E L und K O P F ( 1 9 8 2 ) folgt aber auch, daß innerhalb des Känozoikums Schichtgrenzen existieren können, die refraktionsseismisch erfaßbar sein müßten. Allerdings kann das nur einige spezielle Fälle betreffen. Doch während die Grenzfläche zwischen Locker- und Festgestein praktisch immer und die Oberfläche des gesättigten Lockergesteins in den meisten Fällen mit Hilfe der Refraktionsseismik erkundet werden können und damit eine Voraussage der Erfolgsaussichten durchaus möglich ist, trifft dies für Schichtgrenzen zwischen unterschiedlichen Lockersedimenten nicht generell zu. Hier kann nur eine Testmessung, die die tatsächlich auftretenden
H. BISCHE
90
Geschwindigkeiten erfassen muß, einen Aufschluß über die Einsatzmöglichkeiten der Refraktionsseismik geben. Als Beispiel für das Ergebnis einer solchen Testmessung mit dem Nachweis von Erfolgsaussichten soll folgende Übersicht dienen: Geschwindigkeit der P-Wellen in den alpinen Talräumen und im Moränengebiet Südbayern (aus BADER, 1979) Schotter, trocken, locker Schotter, trocken, verfestigt Schotter, gesättigt, locker Schotter, gesättigt, verfestigt Seeton mit organischen Bestandteilen Seeton mit org. Bestandteilen, verfestigt Seeton ohne organische Bestandteile Seeton ohne org. Bestandteile, verfestigt
4 0 0 - 1 0 0 0 m/s 1100-1600 „ 1400-2100 „ 2000-2700 „ 700-1300 „ 1500-1900 „ 1300-2000 „ 1900-2700 „
Diese Werteverteilung zeigt an, daß im Untersuchungsgebiet deutliche Geschwindigkeitsunterschiede existieren, die refraktionsseismisch durchaus erfaßbar sein könnten. Gleichzeitig wird aber deutlich, daß ohne zusätzliche Informationen eine aussagefähige Interpretation kaum möglich sein dürfte. Deshalb soll an dieser Stelle nur auf das Beispiel einer Geschwindigkeitsdifferenzierung im Pleistozän hingewiesen werden, die entsprechenden Erkundungsergebnisse und ihre Interpretation werden in einem späteren Abschnitt unter der Überschrift „Komplexeinsatz Refraktionsseismik — Geoelektrik" besprochen.
Erkundung von Kaolinlagerstätten Bei Kaolinlagerstätten wird das Liegende oft durch ein seismisches Gradientenmedium gebildet, in dem ein so starker Gradient auftritt, daß nahezu eine scharfe Grenzfläche vorliegt. Diese ergibt in den Laufzeitkurven deutlich unterscheidbare Abschnitte mit geringen Geschwindigkeiten für die stark kaolinisierten und mit hohen Geschwindigkeiten für die nur schwach oder nicht kaolinisierten Gesteine. So kann die Unterfläche der Lagerstätte meist recht gut und sicher erfaßt werden. Weitaus problematischer ist die Abbildung der Oberfläche von Kaolinlagerstätten im seismischen Meßergebnis. Die Geschwindigkeiten der kaolinisierten Gesteine unterscheiden sich von denen des Hangenden nur geringfügig oder gar nicht, so daß eine sichere Erkundung der Oberfläche in den meisten Fällen nicht möglich ist. SKOPEC ( 1 9 7 1 ) beschreibt refraktionsseismische Untersuchungen im Becken von Plzen, bei denen folgende Geschwindigkeitsverteilung beobachtet wurde:
känozoische Sedimente stark kaolinisiertes Gestein nicht/schwach kaolinisiertes Gestein
0—50 m tief
tiefer 50 m
4 0 0 - 1 0 0 0 m/s 7 0 0 - 1 5 0 0 m/s 1 7 0 0 - 3 0 0 0 m/s
1 5 0 0 - 2 1 0 0 m/s 2 5 0 0 - 3 5 0 0 m/s
Hier war es möglich, neben der Unterfläche der Lagerstätte auch Angaben zu ihrer Oberfläche zu erhalten, da das Hangende aus nichtgesättigtem Gestein bestand.
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
91
SCHMÖLLEB ( 1 9 8 2 ) berichtet über refraktionsseismische Erfahrungen bei der Kaolinerkundung im österreichischen Teil der Böhmischen Masse, wobei folgende Geschwindigkeitsdifferenzierung a u f t r i t t :
250— 350 m/s 600—1050 ,,
2 bis 3 m dicke Lößschicht Lockerschichten (Sande, an weit heraufragende Grundgebirgsrücken manchmal angelagert) kaolinhöffige tertiäre Ablagerungen fallweise beobachtbare Verwitterungsschwarte des Grundgebirges unverwittertes Grundgebirge
1300—2000 „ 2500— 3500 „ 4000—5000 „
Auch dieses Beispiel zeigt an, daß eine refraktionsseismische Erkundung durchaus sinnvoll sein kann, wenn das Deckgebirge kein gesättigtes Lockergestein aufweist. Ein weiteres Beispiel f ü r das refraktionsseismische Erfassen einer Kaolinlagerstätte mit ausgeprägtem Geschwindigkeitsgradient diskutiert SKOPEC ( 1 9 7 9 ) . Abb. 8 zeigt den aus den Laufzeitkurven berechneten Geschwindigkeitsverlauf im Profilschnitt über der Lagerstätte Plenkovice bei Znojmo (ÖSSR). I m linken Teil werden durch Kaolinlagerstätte
0
i
i
i
i
i
50
100
1 1 1 1 1 1 1 1—i
150
200 m
1 1 1 1 1 1—i
1 r
m Abb. 8. Profilschnitt der P-Wellen-Geschwindigkeit zur Erkundung einer Kaolinlagerstätte (nach SKOPEC u n d ZIMA 1 9 7 9 )
relativ hohe Geschwindigkeiten die nur schwach kaolinisierten Granite und Granodiorite abgebildet, während im Bereich der Lagerstätte die Geschwindigkeiten auf Werte unter 1500 m/s absinken und nach der Tiefe zu nur geringfügig zunehmen. Ganz rechts t r i t t fester Phyllit auf. Diese drei Beispiele zeigen, daß eine refraktionsseismische Erkundung von Kaolinlagerstätten durchaus möglich sein kann, daß die tatsächlichen Erfolgsaussichten jedoch stets am Objekt selbst getestet werden müssen. Gleiche Überlegungen gelten f ü r alle Schichtgrenzen im Känozoikum, die sich f ü r ein refraktionsseismisches Erfassen anbieten. Eine gewisse Ausnahme stellt dabei der erste Grundwasserspiegel dar, der meist recht gut erfaßt werden kann. 3. Refraktionsseismik
mit S-Wetten
Erhöhung der Auflösung Bei der Erkundung von kleinräumigen Lagerungsanomalien oder von Reliefänderungen geringer Amplitude erreicht die P-Wellen-Seismik bestimmte Grenzen, die durch die Wellenlänge X gegeben sind und durch sie definiert werden können. Allgemein gilt, daß kleinere Wellenlängen das Erfassen und Aussondern kleinerer Lagerungsanomalien
92
H . RISCHE
ermöglichen. Bei einer vereinfachenden Betrachtung mit harmonischen Wellen ist v X = — = v • T,
1 / = — = Frequenz, T = Schwingungsdauer.
Eine gezielte Verkleinerung der Wellenlänge ist demnach auf zwei Wegen möglich, durch die Anwendung höherfrequenter Wellen oder durch die Nutzung von kleineren Geschwindigkeiten. Der erste Weg, die Anwendung höherfrequenter Wellen, wird gegenwärtig in der Refraktionsseismik nur wenig beschritten. Meist begnügt man sich mit dem Frequenzangebot, das durch die Anregungs- und Ausbreitungsbedingungen gegeben ist, und vielfach genügt auch dieses Frequenzangebot. Veränderungen durch entsprechende Anregungs-, Empfangs- und Bearbeitungsvarianten ergeben nur selten eine wesentlich höhere Auflösung, falls die Vorteile der Nah-Refraktionsseismik — geringer Aufwand, einfach zu handhaben, hohe Meßleistung, sofortige Ergebnisausgabe — erhalten bleiben sollen. Der zweite Weg, die Anwendung geringerer Geschwindigkeiten, ist dann möglich, wenn statt der P-Wellen die sich langsamer ausbreitenden S-Wellen genutzt werden. Da sie quer (transversal) zur Ausbreitungsrichtung schwingen, können sowohl horizontal (SH) als auch vertikal polarisierte S-Wellen (SV) entstehen. Zwar breiten sich beide mit der gleichen Geschwindigkeit aus, jedoch kann die SV-Welle an Schichtgrenzen aus P-Wellen entstehen, und umgekehrt können auch P-Wellen aus SV-Wellen hervorgehen. Die SH-Welle dagegen ändert ihren Schwingungscharakter nicht. Wir wollen uns im folgenden auf die SH-Wellen beschränken, da sie in der Nah-Refraktionsseismik fast immer den SV-Wellen vorgezogen werden. Zunächst soll die Geschwindigkeitssituation etwas näher betrachtet werden. Für elastische Wellen gilt
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E{ 1 — or)
e(l + ff) (1 -
2a)'
E •2(1 + im GW • w/i/ZJw.'/./über
2000 3000
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i
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/»/ /V /«/ /O/ /o/ /o/ /«./
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im GW
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//.//////// mit organ./
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GW
/o/o/o/o/ /o/o/o/o/o/ /o/ /o/ /o/ /©, Vuòer GW / / //'m GW /»/o/o/c/o^o/o/o/o/o/o
und älter
Legende ••
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ti
Iflm)
spezifischer
tkm/s)
seismische
Widerstand Geschwindigkeit
GW Grundwasser orgon. orgonische Bestandteile
Abb. 19. Die Zuordnung von seismischer P-Wellen-Geschwindigkeit und geoelektrischem spezifischen Widerstand zur Fazies und zum Alter quartärer Ablagerungen in den alpinen Talräumen und im Moränengebiet Südbayerns (aus B A D E K 1 9 7 9 )
elektrischem spezifischem Widerstand z u Fazies und Alter der quartären Ablagerungen in den alpinen Trogtälern und im Moränengebiet Südbayerns aufstellen (Abb. 19). Er erläutert dieses Schema folgendermaßen: Geringe Geschwindigkeiten 1,0 km/s) sind bei hohem spezifischem Widerstand als post- bis spätglaziale Schotter über dem Grundwasserspiegel und bei kleinem Widerstand als die oberen 5 m post- bis spätglazialer Seetone zu interpretieren, die durch organische Bestandteile offensichtlich einen geringen Gasgehalt des ansonsten wassergesättigten Seetons führen. Bei Geschwindigkeiten um 1,5 km/s ist bei Schottern und kiesigen Moränen die ungefähre Kenntnis des Grundwasserspiegels erforderlich, der u. a. auch aus dem spezifischen Widerstand folgt, um post- bis spätglaziales und höheres Alter folgern zu können. Ob Seetone mit Geschwindigkeiten um 1,8^0,2 km/s zum Spätglazial oder wegen einer Geschwindigkeitserniedrigung durch organische Bestandteile noch zum letzten Interglazial zu rechnen sind, kann aus der Art und Größe der Geschwindigkeitszunahme nach der Tiefe (Seetonmächtigkeiten möglichst über 50 m) geschlossen werden. Spätglaziale Seetone weisen über 1,6 km/s nur eine geringe, ältere Seetone eine erhebliche Geschwindigkeitszunahme in den oberen Zehnermetern nach der Tiefe zu auf über 2,0 km/s auf. Geschwindigkeiten etwas über 2,0 km/s bis knapp 3,0 km/s sind, wenn es sich um Mächtigkeiten von mehreren Zehnermetern handelt, immer eisvorbelastetem Quartär zuzuordnen. Dünnere Schichten dagegen mit diesen Geschwindigkeiten, kenntlich in der refraktionsseismischen Laufzeitkurve durch kurze, versetzte Laufzeitäste relativ hochfrequenter Wellen, werden durch Grobschotterlagen und Verfestigungen in oder im oberen Bereich von Schotterpaketen verursacht. Dieses außerordentlich instruktive Beispiel für die gemeinsame Interpretation refraktionsseismischer und geoelektrischer D a t e n soll ergänzt werden u m einige Profilbeispiele
H. Rische
106
(Abb. 20). Hier ist zu erkennen, daß auch bei fehlendem Direktanschluß an eine Bohrung die seismischen Geschwindigkeiten ausreichend sicher interpretiert werden können, da zusätzlich geoelektrische Ergebnisse vorliegen und das Interpretationsschema der Abb. 19 angewandt wurde. OBERES ILLERTAL Breitachtal
Rettenberg Kranzegg NW
Helvetikum
LOISACHTAL westl. G a r m i s c h - P v ,, 0,8 1,3 L J N f 1,3a 2,l/°Vhd
W Illertal
N\
Flysch
osti. Vorderrin
hd\
OBERES ISARTAL t ki 5 fach überhöht
EÜ2
Schotter Moräne Seeton
f f 2,3
Grundwasserspiegel Grenze nichteisvorbelasteter/ eisvorbelasteter Sedimente Bohrung refraktionsseismische Messung seismische Geschwindigkeit 110'm/s)
Abb. 20. Talquerprofile postglazialer Haupttäler mit größeren Quartärmächtigkeiten nach Bohrungen, Refraktionsseismik und Geoelektrik (nach Bader 1979)
Dieses Beispiel zur Komplexinterpretation soll verdeutlichen, daß Beziehungen zwischen Geschwindigkeit sowie anderen geophysikalischen Parametern zur Fazies, zur Verfestigung und damit zum Alter der Lockersedimente bestimmt und aufgestellt werden können, daß sie aber nur für das untersuchte Gebiet gelten können. Eine formale Übertragung des in Abb. 19 enthaltenen Schemas auf andere Untersuchungsgebiete kann, auch wenn es sich dabei um eine ähnliche geologische Situation handelt, bereits zu Fehlinterpretationen führen. Eine Übertragung und objektbezogene Anwendung des Vorgehens dagegen, das schließlich zu diesem Schema geführt hat, kann nicht nur empfohlen, sondern sollte gefordert werden.
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
107
6. Reflexionsseismik mit P-Wellen Einige allgemeine Bemerkungen Für eine detaillierte Erkundung der Lagerungsverhältnisse im Känozoikum ist die Refraktionsseismik meist überfordert. Das trifft besonders dann zu, wenn ganz bestimmte Schichtgrenzen zu erfassen sind, wenn Lagerungsstörungen geringen Ausmaßes ausgegliedert werden sollen oder wenn eine Feingliederung mittels mehrerer Schichtgrenzen notwendig ist. Für diese Aufgaben eignet sich das reflexionsseismische Prinzip. Da zusätzlich zur sprunghaften Geschwindigkeitszunahme mit der Tiefe jede Geschwindigkeitsänderung und auch Dichteänderungen Reflexionskoeffizienten ergeben, ist die Zahl der erfaßbaren Schichtgrenzen weitaus größer. Damit ist die Wahrscheinlichkeit höher, daß eine bestimmte, geologisch interessierende Schichtgrenze reflexionsseismisch abgebildet wird. Doch diese spezifischen Vorteile, unentbehrlich bei der Suche, Erkundung und auch Erschließung von Kohlenwasserstoff-Lagerstätten, konnten für das Känozoikum erst ab Mitte der siebziger Jahre erschlossen werden; und dieser Prozeß ist bei weitem noch nicht so weit gediehen, daß von einer Erkundungsmethodik gesprochen werden kann. Neben den zum Teil recht komplizierten Fragen zur Erhöhung der Auflösung trifft der Seismiker hier auf weitere Probleme. Die Genauigkeitsanforderungen sind im Nahbereich wesentlich höher, nur sehr selten befriedigen die bisher erreichten Aussagen den Erkundungsgeologen. Oft stehen zahlreiche Bohrungen für einen Anschluß und damit zur Kontrolle zur Verfügung, nachfolgende Kontrollbohrungen sind schnell abgeteuft. Der Erkundungsablauf erfordert eine sehr rasche Vorlage der bearbeiteten Meßergebnisse. Immer wieder wird der Kostenvergleich Bohrung—Seismik angestellt, der bei Betrachtung nur einer Erkundungsetappe meist eine Kostenerhöhung bei Einsatz der Seismik ausweist. Im Gegensatz zur Kohlenwasserstoff-Erkundung kann der Nahbereich auch mit Bohrungen allein bearbeitet werden, ein Einsatz der Seismik ist nicht zwingend erforderlich. So ist es nicht verwunderlich, wenn trotz aller Anstrengungen, besonders in Ländern mit zunehmender Tagebauerschließung, die Entwicklung reflexionsseismischer Varianten für den Nahbereich noch am Anfang steht. Trotzdem ist der erreichte Fortschritt unverkennbar und hat u. a. dazu geführt, daß in der Braunkohleerkundung der D D R die Reflexionsseismik eine etablierte Erkundungsmethode geworden ist. Für Aufgaben der Pleistozänforschung, zur Erkundung von Lagerstätten für die Glas-, Keramik- und Bauindustrie sowie für ingenieurgeologische Aufgaben kann jedoch die Reflexionsseismik auch jetzt noch nur in Ausnahmefällen und meist nur unter geophysikalischen Forschungsaspekten herangezogen werden. Im folgenden soll der dabei erreichte Stand skizziert werden, wobei die Betrachtungen im Abschnitt „Erhöhung der Auflösung" auch für die Reflexionsseismik zutreffen und von ihnen ausgegangen wird. Erreichter Stand Die notwendige Erhöhung der Auflösung erfolgt durch eine zeitliche Komprimierung der seismischen Wellen. Dies wird durch Nutzung breitbandigerer Wellen mit höheren Frequenzen erreicht. Diesem Vorgehen steht die Absorption entgegen, die die höheren
108
H . RISCHE
Frequenzanteile stärker dämpft und die im ungesättigten Lockergestein recht groß sein kann. Da die Absorption nicht umgangen werden kann, ist es nur möglich, die höherfrequenten Wellenanteile in allen Phasen der seismischen Arbeiten zu bevorzugen. Dabei werden folgende Wege beschritten: — Reduzierung der Anregungsintensität, bei Schußanregung Verwendung sehr geringer Ladungen bis hin zum Zünder, bei Schlaganregung Einsatz von geringen Massen hoher Aufprallgeschwindigkeit. — Sorgfältige Auswahl der Anregungspunkte, bei Schußanregung Prüfung der Anregungstiefe auf Eignung, bei Oberflächenquellen Beachtung des Anstehenden. — Nutzung der Vorteile der Vibrationsseismik: gezielte Anregung spezieller FrequenzBereiche mit vorgegebener Intensität, Reduzierung des Korrelationssignals auf nahezu eine Halbschwingung. — Sehr breitbandiger oder frequenzvariabler Empfang bei Reduzierung der Tiefpaßwirkungen von Interferenzsystemen. — Besonders sorgfältige Bearbeitung der seismischen Daten zur Vermeidung von Tiefpaßwirkungen, hohe Korrekturgenauigkeit. — Anwendung unterschiedlicher Deconvolutionsverfahren, um bei der Bearbeitung die Bandbreite zu erweitern. Diese geophysikalischen Aspekte sind u. a. bei F O R K M A N N U. a. ( 1 9 8 1 / 8 2 ) , G O G O N E N K O V , und P T E Z O V ( 1 9 8 1 ) , R I S C H E ( 1 9 8 3 ) sowie bei Z I O L K O W S K I und L E B W I L L ( 1 9 7 9 ) zusammenfassend dargestellt. Die oben genannten Möglichkeiten brachten zwar gewisse Verbesserungen und Fortschritte, jedoch im Normalfall noch keine befriedigende Lösung. Dabei soll unter Normalfall verstanden werden, daß an der Erdoberfläche trockene Lockergesteine anstehen, die 0
100
200
300 m
Abb. 21. Ergebnisbeispiel reflexionsseismischer Arbeiten zur Braunkohleerkundung: P-Wellen, Schußanregung. T x — Tertiärbasis
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
109
110
H . RISCHE
mindestens einige Meter mächtig sind. Als Beispiel für die erreichten Verbesserungen unter solch normalen Bedingungen sollen die Abbildungen 21 und 22 dienen. In Abb. 21 ist ein Zeitschnitt von schußseismischen Arbeiten zur Braunkohleerkundung dargestellt. Neben zwei Braunkohleflözen bei 0,07 s und 0,17 s Laufzeit, das sind Tiefen um 60 m bzw. 150 m, werden oberhalb der Tertiärbasis noch weitere Schichtgrenzen erfaßt, so bei 0,10 s und 0,14 s. Sie bilden eine Sand-Ton-Grenze und ein Flözäquivalent ab. Ein getrenntes Erfassen von Schichtgrenzen ist ab 20 m Schichtmächtigkeit möglich. Abb. 22 enthält den Zeitschnitt sowie seine Interpretation als Profilschnitt einer vibrationsseismischen Erkundung von Braunkohleflözen. Auch hier ist zu erkennen, daß neben den beiden Flözen und der Tertiärbasis noch weitere Schichtgrenzen im Tertiär abgebildet werden, wobei offensichtlich in geringeren Tiefen gegenüber der Schußseismik ^450
140 m -
420
120 -
660 m/s
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Abb. 23. P-Wellen-Erkundung mit Schußanregung bei größerer Langsamschichtmächtigkeit. Oben: Oberflächenprofil mit Schußbohrungen, Mitte: Zeitschnitt bei Anregung unter der Langsamschicht, Überdeckungsgrad 6, Unten: Zeitschnitt bei Anregung in der Langsamschicht, Überdeckungsgrad 24. A, B, C: Reflexionshorizonte im Tertiär
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
111
ein klareres Bild erzielt wird. Auch ist die vertikale Auflösung besser, da das Korrelationssignal kürzer als die seismischen Schwingungen ist. Diese Auflösung kann bei sehr stabilen Korrelationssignalen und bei Interpretation von Interferenzsignalen in günstigen Fällen bei 10 m liegen. Beide Beispiele stellen den zur Zeit erreichten Stand bei Existenz einer Langsamschicht mit starkem Absorptionseinfluß dar. Wird die Mächtigkeit der Langsamschicht ungewöhnlich groß, nimmt zwar der Absorptionseinfluß entsprechend zu, trotzdem können mit Schußanregung noch Ergebnisse erzielt werden. In Abb. 23 ist ein solcher Fall dargestellt. Das Oberflächenprofil zeigt Langsamschichtmächtigkeiten zwischen 40 und 50 m. Bei Anregung unter der Langsamschicht und geringer Überdeckung folgt ein Meßergebnis, das nicht sicher interpretiert werden kann. Wird die Schußanregung in die Langsamschicht in wenige Meter Tiefe verlegt, so sinkt zwar etwas die Ergebnisqualität der Einzelmessung, durch den höheren Überdeckungsgrad (ermöglicht durch die geringen Anregungstiefen) steigt jedoch die Ergebnisqualität des Zeitschnittes an. Sie kann für die Erkundung tiefliegender Braunkohleflöze durchaus brauchbar sein, für eine Pleistozänforschung dagegen oder eine detaillierte Untersuchung des Tertiär ist sie nicht geeignet. Damit sind der Reflexionsseismik mit ihrem jetzigen methodischen und technischen Niveau Grenzen gesetzt, deren volle Überwindung noch nicht abzusehen ist, obwohl einige durchaus praktikable Veränderungen bereits gewisse Fortschritte brachten. Besonders auffällige Meßergebnisse In der Fachliteratur erscheinen seit einiger Zeit Arbeiten, in denen reflexionsseismische Varianten vorgestellt werden, mit denen zum Teil recht hohe Auflösungen im Nahbereich erzielt wurden. Diese Arbeiten sind für die weitere Entwicklung außerordentlich fruchtbar, wird mit ihnen doch aufgezeigt, welche Fortschritte mit der Reflexionsseismik noch erreicht werden können. Auch enthalten sie meist methodische und technische Neuheiten, die aufgegriffen werden können. Doch dürfen diese publizierten Ergebnisse keinesfalls verallgemeinert werden, da sie unter besonders günstigen Bedingungen für die Anregung und den Empfang seismischer Wellen sowie bei Fehlen der Langsamschichteinflüsse erzielt wurden. Derartige Bedingungen liegen in wasserbedeckten Gebieten, bei gesättigtem Anstehenden und bei anstehendem Festgestein vor. Auch können sie durch Einsatz eines sehr hohen Aufwandes geschaffen werden. So berichten S T Ü M P E L und M E I S S N E R (1982) über reflexionsseismische Messungen im Haddebyer Noor als Beitrag zur Erforschung des Wikingerhandelsplatzes Haithabu. Bei Wassertiefen zwischen 1 und 2 m gelang es, dicht unterhalb des ufernahen Sandbodens Schichtgrenzen abzubilden. So konnte eine glaziale Erosionsrinne nachgewiesen werden, die 15 m breit und nur 1,2 m tief ist. Pfahlgruppen der alten Hafenanlage werden durch markante Diffraktionshyperbeln wiedergegeben, es konnten Objekte bis etwa 0,3 m horizontaler Ausdehnung abgebildet werden. Die besonders günstigen Bedingungen sind bei diesem Beispiel Wasserbedeckung, sehr geringe Tiefen und sandiger Seeboden. Wird dagegen der Seeboden von Faulschlamm bedeckt, steigt die Absorption an, die Ergebnisqualität sinkt. D O O R N E N B A L und H E L B I G ( 1 9 8 3 ) führten reflexionsseismische Arbeiten im niederländischen Deltagebiet auf Marschland aus, das nur bei Niedrigwasser zugänglich ist. Mit Fallgewichtsanregung konnten bis 120 m Tiefe insgesamt 14 Reflexionshorizonte
112
H . RISCHE
erfaßt werden, die Wellenlängen lagen bei 6 m. Bei diesem Beispiel sind die besonders günstigen Bedingungen anstehende gesättigte Sedimente mit sehr geringer Absorption. Als Beispiel für Meßergebnisse, die unter günstigen Bedingungen erzielt werden können, soll Abb. 24 dienen. Bei Anregung mit einer Masse von 0,04 kg, die senkrecht auf die Erdoberfläche geschossen wird, resultiert ein Zeitschnitt, in dem die reflektierten Wellen sichtbare Frequenzen um 150 Hz aufweisen. Damit werden lokale Lagerungs-
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Abb. 24. P-Wellen-Messung mit Impulsanregung bei günstigen Bedingungen (aus BISON Specifications 1984)
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Abb. 25. Vibrationsseismisehes Ergebnis bei anstehendem Festgestein (aus CHAPMAN u. a. 1981)
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
113
anomalien im Nahbereich gut abgebildet. Die oberflächengeologischen Bedingungen sind für dieses Beispiel zwar nicht bekannt, es muß jedoch angenommen werden, daß sie sehr vorteilhaft waren. Beim vibrationsseismischen Verfahren konnte in letzter Zeit das nutzbare Frequenzband bis 250 Hz ausgedehnt werden. Abb. 25 gibt dazu ein Beispiel von der Steinkohleerkundung in den USA. Bei anstehendem Festgestein wird ein Steinkohleflöz in Tiefen um 150 m durch Korrelationssignale mit sichtbaren Frequenzen um 120 Hz abgebildet. Die Wellenlänge beträgt dadurch nur 15 m, so daß bereits Flöze mit wenigen Meter Mächtigkeit seismisch erfaßt und geringe Teufenänderungen ausgewiesen werden können.
Entwicklungsrichtungen Eingangs wurde auf zwei Probleme hingewiesen, die einem erfolgreichen Einsatz der P-Wellen-Reflexionsseismik entgegenstehen, die Absorption der Langsamschicht und die meist sehr hohen Kosten. Der Einfluß der Langsamschicht kann natürlich eliminiert werden, wenn unter ihr gearbeitet wird. Das beweisen die Ergebnisse von seismischen Untertagemessungen. Dazu bestehen auch von der Erdoberfläche aus Möglichkeiten, die z. B . F A H R (1976) bei speziellen Baugrunduntersuchungen ausschöpfte. E r benutzte als Empfänger Hydrophone, koppelte sie in Flachbohrungen unterhalb der Langsamschicht fest an die Bohrlochwandung an und schaltete zu jedem Hydrophon einen Hochpaß Verstärker,
0,150
0,175
0.200 s Abb. 26. Ergebnisbeispiel spezieller P-Wellen-Arbeiten zur Baugrunduntersuchung. Schußanregung, Empfang mit Einzelhydrophonen in Bohrungen unterhalb der Langsamschicht, spezielle Hochpaßfilter (aus FARR 1976) 8
Lauterbach HI/4
114
H.
BISCHE
der die frequenzabhängige Dämpfung der seismischen Wellen etwas kompensieren sollte. Ein Meßbeispiel von diesen Arbeiten ist in Abb. 26 dargestellt. Die sichtbaren Frequenzen liegen hier bei 350 Hz, so daß Grenzflächen mit wenigen Meter Abstand getrennt erfaßt werden. I n der Mitte der Abbildung bei 130 m Profillage wird eine Störung mit einem Versatz von etwa 9 m abgebildet. Sie zeigt an, daß mit diesem Aufwand Lagerungsstörungen im Meterbereich nachweisbar sind. Sicher dürfte diese Methodik auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Doch das Beispiel zeigt an, daß es lohnt zu versuchen, den Einfluß der Langsamschicht mit anderen Mitteln zu überwinden. Dazu bieten sich zum Beispiel inverse Filterverfahren an, bei denen der Filteroperator aus einzelnen Messungen unter und über der Langsamschicht ermittelt wird. Bis jetzt liegen jedoch noch keine überzeugenden Lösungen vor. Auch an der Überwindung des zweiten Problems, dem Aufwand, wird gearbeitet. Dabei zeichnen sich vor allem drei Wege ab: — miniaturisierte Aufnahmeapparaturen, — einfache Beobachtungssysteme, — Bearbeitung mittels Mikrorechner. Erste Ergebnisse und Erfahrungen liegen vor ( H U N T E R U. a. 1984). Das Beispiel in Abb. 27 zeigt für die obersten 100 m bis zur Festgesteinsoberfläche (Reflektor bei 0,1 s) eine gute Auflösung, mit der Lagerungsdetails im Deckgebirge abgebildet werden. Dieses Ergebnis wurde mit sehr geringem Aufwand erzielt: tragbare 12-Kanal-Apparatur, Hammerschlag, Einfachüberdeckung, Einzelgeophon, Empfang im günstigsten Laufzeitbereich. Dazu müssen jedoch die oberflächengeologischen Bedingungen außerordentlich vorteilhaft sein. Dieses Beispiel läßt erkennen, daß auch hinsichtlich Aufwandsenkung noch weitere Fortschritte zu erwarten sind, wenn noch intensiver als bisher die besonderen Umstände bei der nahseismischen Erkundung beachtet werden. Doch dieser Weg erscheint noch sehr mühsam, zeigen doch immer wieder neue Versuche, daß die erschwerenden Einflüsse
tHM^Mbr»: mf».,
i M S W Abb. 27. Reflexionsseismisches Ergebnis mit geringem Aufwand bei günstigen Bedingungen. Hammerschlag, Einkanal-Empfar.g bei konstantem Offset (46 m) (aus H U N T E R U. a. 1984)
115
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
nur sehr schwierig zu überwinden sind. So sind z. B. die von SINGH (1984) vorgelegten Ergebnisse einer reflexionsseismischen Festgesteinskartierung kaum überzeugend, obwohl die Langsamschicht nur 6 m mächtig war. Es ist ein Beispiel, das übertriebenen Optimismus dämpft, jedoch auch keinen Anlaß zu ungerechtfertigten Zweifeln gibt.
7. Reflexionsseismik
mit
S-WeUen
Eine Erhöhung der Auflösung ist bei der Reflexionsseismik ebenso wie bei der Refraktionsseismik durch die Nutzung von S-Wellen möglich. Aus Abb. 10 ist zu ersehen, daß im Känozoikum die Geschwindigkeiten der S-Wellen wesentlich unter den Werten für die P-Welle liegen. Das Verhältnis der beiden Geschwindigkeiten beträgt 3—7, so daß auch eine 3—7fach größere Auflösung resultieren könnte. Da jedoch die Frequenzen der S-Welle generell geringer als die von vergleichbaren P-Wellen sind, kann im Durchschnitt mit einer 2—5fach größeren Auflösung gerechnet werden. Hinzu kommt, daß gegenüber der P-Welle, deren Geschwindigkeit im Lockergestein bei Sättigung weitgehend nivelliert ist, wesentlich mehr Geschwindigkeitskontraste vorliegen, so daß auch wesentlich mehr und meist auch größere Reflexionskoeffizienten auftreten. Damit erscheinen bei Anwendung der S-Welle i. allg. mehr Schichtgrenzen als bei P-WellenArbeiten, ein Umstand, der besonders im Känozoikum zur Geltung kommt. Die erreichbare vertikale Auflösung ist im folgenden als Übersicht zusammengestellt, wobei folgende Kriterien angewandt wurden: — noch sichere Trennung von zwei Schichtgrenzen, wenn deren Abstand AH Wellenlänge X, — teilweise mögliche Trennung bei 1 > AH > A/2, wenn die seismischen Wellen sehr deutlich über dem Störpegel liegen und kaum Nachschwingungen besitzen, — nur noch als Summenreflexion und damit als eine Schichtgrenze nachweisbar, wenn A/2 > AH > A/8. Erreichbare vertikale Auflösung bei S-Wellen-Reflexionsseismik
Braunkohle Schluff Ton Sand Geschiebemergel
Geschwindigkeit
sichere Trennung
mögliche Trennung
nur als Summenreflexion
200—280 280-400 350-450 300-450 320-650
5-8 m 8-11 m 10-13 m 8-13 m 8 — 18 m
3-4 4-6 5-7 4-7 5-9
0,5-1,0 1,0-1,5 1,5—2,0 1,0-1,5 1,0-2,5
m/s „ „ „ „
m m m m m
m m m m m
Mit Erhöhung der vertikalen Auflösung verbessert sich auch die horizontale Auf lösung, Lagerungsanomalien mit geringer Flächenausdehnung werden noch erfaßt. Dazu können jedoch in solch einfacher Form keine quantitativen Angaben erfolgen, diese Auflösung soll in einigen Abbildungen mit demonstriert werden. Doch diese offensichtlichen Vorteile sind auch mit Schwierigkeiten verbunden, die die Einsatzmöglichkeiten der S-Wellen-Seismik beschränken. So existieren nicht nur vorteilhafte vertikale Geschwindigkeitsänderungen, sondern ebenso horizontale Ver8*
116
H . RISCHE
änderungen, die nur selten als solche richtig erkannt werden können. Die Folge davon sind fehlerhafte Korrekturen und damit reduzierte Ergebnisqualität sowie das Auftreten scheinbarer Lagerungsanomalien im Zeitschnitt. Noch schwerwiegender sind die Einschränkungen durch die Variation der Scherfestigkeit des Anstehenden. Dafür läßt sich folgendes Grobschema aufstellen:
Gtesteinsmaterial Sättigungsgrad Verfestigung Nutzung
günstige Einsatzbedingungen
ungünstige bis ausschließende Einsatzbedingungen
bindig feucht fest Acker, Wiese
rollig trocken, gesättigt locker Wald
Anstehender Geschiebemergel garantiert meist ausgezeichnete Meßergebnisse, während sandiger Waldboden eine erfolgreiche Erkundung ausschließen kann.
Deshalb muß die Reflexionsseismik mit S-Wellen bei der Erkundung des Känozoikums zunächst auf bestimmte Gebiete beschränkt bleiben, andere Gebiete müssen gegenwärtig von vornherein ausgeklammert werden. Doch wenn ein Einsatz möglich ist und die oben genannten Geschwindigkeitsprobleme ausreichend beachtet werden, resultieren oft ausgezeichnete Meßergebnisse, die die Lagerung im Känozoikum detailliert abbilden. Dazu sollen im folgenden einige Beispiele diskutiert werden. In Abb. 28 wird das Erfassen von Schichtgrenzen in sehr geringen Tiefen gezeigt. Eine Braunkohlelagerstätte mit einem Flöz in etwa 45 m Tiefe wird durch eine Porphyraufragung begrenzt, die im linken Teil durch ansteigende Reflektoren angezeigt wird. Diese können bis unter 0,1 s Laufzeit eindeutig korreliert werden, so daß der Porphyrrand noch bis 15 m Tiefe nächgewiesen wird. Weiterhin ist bemerkenswert, daß außer dem Flöz und der Tertiärbäsis noch drei weitere Schichtgrenzen im Tertiär abgebildet werden. Lagerungsdetails werden in Abb. 29 mittels mehrerer Schichtgrenzen nachgewiesen. Ein geringmächtiges Flöz in 35 m Tiefe wird durch eine lokale Aufragung des nachfolgenden Flözes zwischen 120 und 240 m Profillage unterbrochen, die Unterbrechung wird mit ± 5 m erfaßt. Während die Bohrungen A und C bereits vor den seismischen Messungen abgeteuft waren, diente Bohrung B , nach den Messungen angesetzt, zur Kontrolle der Interpretation. Bei diesem Beispiel konnte die Basis der känozoischen Sedimente nicht erfaßt werden, ein Effekt, der bei Mehrflözlagerstätten durch ihre abschirmende Wirkung auftritt. Die Wiedergabe der Lagerung des gesamten Tertiärs bis hin zur Basis in maximal 100 m Tiefe zeigt Abb. 30. Dabei treten von rechts nach links deutliche Mächtigkeitsreduzierungen auf, die zwischen einzelnen Schichtgrenzen erkannt werden können. An diesem Beispiel ist auch eine gute vertikale Auflösung zu bemerken. Zwischen den Reflektoren A und T x können noch drei weitere Reflektoren ausgegliedert werden, davon zwei als Ober- und Unterfläche eines Braunkohleflözes. Somit werden im Laufzeitintervall 0,40—0,58 s vier unterschiedliche Schichten abgebildet. Da 0,18 s Laufzeitintervall etwa 36 m Tiefenintervall entsprechen, werden Schichten mit durchschnittlich 8 m Mächtigkeit getrennt durch Ober- und Unterfläche dargestellt. Damit werden die vorher tabellarisch angegebenen Werte zur vertikalen Auflösung überzeugend bestätigt.
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
118
H . RISCHE
120
H . RISCHE
0
200
400 m
Abb. 31. Feingliederung des Deckgebirges einer Braunkohlelagerstätte durch mehrere Reflexionshorizonte, Nachweis eines Subrosionskessels. 1 — Sand, 2 — Schluft, 3 — Ton, 4 — Braunkohle
Schließlich soll Abb. 31 die Möglichkeit aufzeigen, auch im Lockersediment eine Feingliederung mittels S-Wellen zu erreichen. Der Zeitschnitt zeigt im Hangenden eines Braunkohleflözes mehrere Grenzflächen, die zum Teil den entsprechenden Profilabschnitt stärker gliedern als das Bohrergebnis. Auch dieses Beispiel ist eine anschauliche Bestätigung der Auflösungsdaten, da auf 50 m Tiefenintervall mindestens sechs getrennte Reflexionshorizonte erscheinen. Interessant ist weiterhin die Abbildung einer subrosiven Einmuldung bei 170 m Profillage. Dabei ist deutlich zu erkennen, wie die Amplitude der Senkung nach oben hin, also in den jüngeren Ablagerungen, entsprechend abnimmt. Dadurch sind auch Aussagen zum zeitlichen Verlauf der Senkung möglich.
8.
Schlußbemerlcung
In der vorgelegten Übersicht zu Einsatzmöglichkeiten seismischer Verfahren bei Erkundungsaufgaben im Känozoikum wird die Refraktionsseismik ausführlicher als die Reflexionsseismik dargestellt. Das erfolgte vor allem wegen der nach wie vor bestehenden Kostenproblematik, die meist einen Einsatz der Reflexionsseismik noch ausschließt. Dazu wird für näher interessierte Geowissenschaftler im Anhang ein kurzer, teilweise stark vereinfachender Uberblick über Prinzip und Ausführung der Refraktionsseismik gegeben. Dabei sei nochmals betont, daß einfach erscheinende Ausrüstung und Verfahren nicht zwangsläufig eine einfache Anwendung ergeben.
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
121
Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Geophysikern ist immer wieder erforderlich, um Fehlinterpretationen und Fehlschläge zu vermeiden. Zur P-Wellen-Reflexionsseismik werden erreichter Stand und Tendenzen dargelegt, die aufzeigen sollen, daß auf diesem Gebiet noch mit wesentlichen weiteren Fortschritten gerechnet werden kann. Dagegen erscheint bei der S-Wellen-Reflexionsseismik mit Schurfschußanregung bereits ein recht hoher Stand erreicht, der in absehbarer Zeit innerhalb der gegebenen Einsatzbeschränkungen nicht wesentlich überboten werden dürfte. Anhang Prinzip und Ausführung der
Refraktionsseismik
Trifft eine seismische Welle auf eine Schichtgrenze, an der ihre Geschwindigkeit sprunghaft zunimmt, so erfolgt analog zu den Gesetzen der geometrischen Optik eine Brechung des Wellenstrahles vom Einfallslot weg (Abb. 32). Dabei wird das Verhältnis der Brechungswinkel von den Ausbreitungsgeschwindigkeiten v bestimmt: sin oc sin ß
v1 v2
Im Sonderfall ß = 90° wird sin « = sin i = v1/vi, und die seismische Welle läuft an der Schichtgrenze mit der Geschwindigkeit v2 entlang. Diese Grenzschichtwelle wird nun an jeder Stelle, die sie erreicht, wiederum Ausgangspunkt einer neuen Welle, die in der ersten Schicht mit der Geschwindigkeit zurück zur Erdoberfläche läuft. Damit enthält diese Welle Informationen über die Lage der Schichtgrenze sowie über die beiden Geschwindigkeiten und v2, die in der Refraktionsseismik genutzt werden. Die an einem Anregungspunkt erzeugten seismischen Wellen (Abb. 33, linker Teil) breiten sich in der ersten Schicht mit der Geschwindigkeit vj halbkugelförmig aus. Sie treffen an den dem Anregungspunkt nahegelegenen Empfangspunkten als erste ein und können dadurch in der Registrierung in Form der ersten Welleneinsätze leicht erkannt und markiert werden. Ihre Laufzeiten sind proportional dem Laufweg, so daß aus der Darstellung der Laufzeiten über der Entfernung zwischen Anregungs- und Empfangspunkt (die Laufzeitkurve) für den ersten Geradenabschnitt Are,
122
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t in 10'2s
l' i Anregungspunkt
Empfangspunkte
0
Entfernung
20
40
1 60
H
i 80
' xinm
h
Scbkhtgreme
Abb. 33. Prinzip der Refraktionsseismik links Strahlenverlauf und Meßergebnis, rechts Darstellung der Laufzeiten der ersten Einsätze und Auswertung
bestimmt werden kann. Von der an der Sehichtgrenze entlang laufenden Grenzschichtwelle werden Wellen ausgesandt, die zur Erdoberfläche zurückkehren. Da sie einen wesentlich größeren Weg als die direkt gelaufenen Wellen zurücklegen, treffen sie zunächst auch nach diesen an den Empfangspunkten ein. Sie erscheinen in den Registrierungen als spätere Welleneinsätze und werden mit einfachen refraktionsseismischen Geräten nicht ausgewiesen. Da sich diese Wellen jedoch an der Schichtgrenze mit der größeren Geschwindigkeit v2 ausbreiten und mit zunehmender Entfernung vom Anregungspunkt nur der Anteil des Wellenweges mit der größeren Geschwindigkeit zunimmt, wird schließlich eine Entfernung erreicht, wo diese Wellen vor den direkt gelaufenen Wellen eintreffen. Nun erscheinen sie in den Registrierungen als erste Einsätze. Sie unterscheiden sich von den Einsätzen der direkt gelaufenen Welle vor allem durch die stärkere Neigung ihrer Laufzeitkurve und sind demnach durch einen meist deutlich ausgeprägten Knick in der Laufzeitkurve von den ersteren zu unterscheiden. In Form der Laufzeitkurve, die im folgenden nur noch als das Meßergebnis betrachtet wird (Abb. 33, rechter Teil) stehen nun die notwendigen Daten zur Verfügung, um die Mächtigkeit der Deckschicht sowie die beiden Geschwindigkeiten v1 und v2 zu bestimmen: Aarx V l = =
(x
l i 2
=
T T ' Aix
X1i2 n v2 — v1
Ax2 =
— - , At2
H
=
—— 2
1/ y v2
+
vx
Knickpunktentfernung).
Mit diesen einfachen Beziehungen und den recht sicher zu erkennenden ersten Welleneinsätzen scheint eine Anwendung der Refraktionsseismik bei unkomplizierten Zwei-
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
123
schichtfällen durch einen Geowissenschaftler, der f ü r dieses Verfahren keine Detailkenntnisse besitzt, möglich zu sein. Doch ein solcher Schluß ist zunächst nur sehr allgemein möglich, da bis jetzt ausschließlich die Art der Wellenausbreitung in idealisierten Medien, die generelle Form der Laufzeitkurve und das Prinzip der Tiefen- und Geschwindigkeitsbestimmung betrachtet wurden.
Beachtung des
Geschmndigkeitskontrastes
Bevor überhaupt refraktionsseismische Arbeiten vorgesehen werden, sind zwei grundsätzliche Überlegungen erforderlich. Als erstes muß abgeschätzt werden, ob eine bestimmte geologische Aufgabe mit einer solch einfachen Variante der Refraktionsseismik lösbar sein kann. Dazu ist eine Einschätzung der Geschwindigkeitsverhältnisse erforderlich. Dazu wurden bereits im Abschnitt „Refraktionsseismik mit P-Wellen" einige Anhaltswerte gegeben. Stets ist dabei zu beachten, daß der Streubereich f ü r die einzelnen Gesteine meist recht groß ist, so daß im konkreten Falle nur das Ergebnis einer Testmessung die endgültige Antwort geben kann. Wesentlich ist, daß die Geschwindigkeit der zweiten Schicht nicht nur größer als die der ersten Schicht ist, sondern bedeutend größer sein muß. Zu geringe Geschwindigkeitskontraste erschweren besonders bei Schichtgrenzen mit Reliefundulationen die Abgrenzung der einzelnen Laufzeitkurvenabschnitte und damit die Festlegung der Knickpunkte. Die Folge wären größere Unsicherheiten und Fehler in der Tiefenbestimmung. Deshalb sollte mindestens ein Geschwindigkeitskontrast von 1 : 2 vorliegen (siehe Abb. 2). Die zweite notwendige Überlegung betrifft die zu erwartende Tiefe der Schichtgrenze. Aus Abb. 2 folgt, daß die Knickpunktentfernung bei genügend großem Geschwindigkeitskontrast zweieinhalb- bis viermal größer als die Tiefe der Schichtgrenze ist. Also muß das einzelne Profil, auf dem eine Laufzeitkurve aufgenommen werden soll, etwa vier- bis sechsmal länger sein als die Tiefe, damit auch die Geschwindigkeit v2 sicher aus dem Laufzeitkurvenabschnitt bestimmt werden kann. F ü r diese Profillänge muß n u n durch eine geeignete technische Ausrüstung der Empfang genügend sicher erkennbarer erster Welleneinsätze gewährleistet werden.
Zweckmäßige
Ausrüstung
Moderne refraktionsseismische Meßgeräte f ü r die Nahseismik können zusammen mit dem notwendigen Zubehör durchaus als Handgepäck angesehen werden. E s sind erforderlich: — Meßgerät mit einem seismischen Kanal, auch mehrere Kanäle sind möglich. Jeder Kanal benötigt einen einstellbaren Verstärker, um vor der Messung eine möglichst hohe, mit der Entfernung vom Anregungspunkt zunehmende Verstärkung wählen zu können. Die Höhe dieser Verstärkung hängt von der vorhandenen Bodenunruhe ab (Wind, Verkehr, Industrie), die in der Registrierung kaum zu erkennen sein sollte. Es muß die Möglichkeit bestehen, Messungen ohne ausreichend klares Erscheinen der ersten Welleneinsätze zu wiederholen und diese Wiederholungsergebnisse zu dem vorliegenden Ergebnis zu addieren. Dieses Vorgehen (auch Stapeln genannt) muß solange wiederholt werden, bis der erste Welleneinsatz ausreichend sicher festgelegt und damit die Laufzeit genügend genau bestimmt werden kann. Das Meß-
124
H . RISCHE
ergebnis sollte sofort auf einem Bildschirm sichtbar sein, eine zusätzliche Registrierung als Seismogramm ist nicht unbedingt erforderlich. Derartige Meßgeräte sind seit längerer Zeit bereits im Einsatz, sowohl in geophysikalischen Betrieben als auch an Forschungseinrichtungen und Hochschulen. Es ist vorteilhaft, wenn die Meßergebnisse nicht allein in Tabellenform, sondern gleichzeitig als Laufzeitkurve dokumentiert werden. Dadurch können Unsicherheiten bei der Laufzeitbestimmung erkannt und durch sofortige Wiederholungsmessung, auch durch Verdichtung, beseitigt werden. — Geophone (mit Reserve) zum Empfang der seismischen Wellen, dazu Kabel zur Verbindung mit den Meßgeräten. Da es oft zweckmäßig ist, daß der Anregungspunkt fest bleibt und das Geophon jeweils verlegt wird, muß das Kabel zwischen Geophon und Meßgerät etwas länger als die maximale Profillänge sein. — Vorschlaghammer mit Kontaktschalter und Kabel zum Meßgerät zur exakten Erfassung und Speicherung des Zeitpunktes, an dem die seismischen Wellen ausgesandt werden. Der Schlag sollte auf eine Stahlplatte von etwa 0,2 m Durchmesser erfolgen, um eine bessere Übertragung der Energie in den Erdboden zu gewährleisten.
Abb. 34. Refraktionsseismischer Kleinsttrupp links Anregung von S-Wellen mit Hammerschlag rechts Beobachtung des Meßergebnisses auf dem Bildschirm der Meßapparatur Abb. 34 zeigt als Beispiel einen so ausgerüsteten refraktionsseismischen Kleinsttrupp in Aktion. E s sind drei Arbeitskräfte eingesetzt, z u m Geofonumbau (auf dem Bild nicht erkennbar), zur Energieanregung und zur Bedienung des Meßgerätes einschließlich Dokumentation der Ergebnisse. Anlage der
Meßprofile
D a z u zunächst eine generelle Vorbemerkung. I n jedem Falle muß mit geneigter oder kupierter Schichtgrenze gerechnet werden. Also reichen die Betrachtungen, die anhand Abb. 33 vorgenommen wurden, nicht aus. I n Abb. 35 ist n u n das Prinzip des
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
125
geneigten Zweischichtfalles dargestellt. Deutlich ist zu erkennen, daß die Neigungen der zweiten Geradenabschnitte in den Laufzeitkurven recht unterschiedlich sind, obwohl sie beide die Schichtgrenze mit der Geschwindigkeit v2 abbilden. Ursache dafür ist der Anstieg der Schichtgrenze von Punkt 1 nach Punkt 2. Bei Anregung am Punkt 1 ist für alle Wellen, die an der Grenzschicht entlanggelaufen sind und wieder nach der Erdoberfläche zurückkehren, der Weg von Punkt 1 zur Schichtgrenze und damit auch die Laufzeit für diese Strecke ein konstanter Anteil. Jedoch nehmen mit zunehmender Entfernung die Wellenwege von der Schichtgrenze zurück zur Erdoberfläche immer mehr ab. Dadurch werden auch die entsprechenden Laufzeitanteile immer kleiner. Somit erscheint in der Laufzeitkurve eine zu starke Neigung des zweiten Geradenabschnittes, die einen viel zu hohen Geschwindigkeitswert ergibt. Dieser Geschwindigkeits-
wert v2+ (Scheingeschwindigkeit der zweiten Schicht, bestimmt im Anstieg der Schichtgrenze) wird zwar für die weitere Berechnung benötigt, er selbst ergibt jedoch allein keine Aussage. Betrachtet man nun die Laufzeitkurve, die bei Anregung am Punkt 2 erhalten wird, so folgt der umgekehrte Fall. Hier werden die Wellenwege von der Schichtgrenze zurück zur Erdoberfläche immer größer und damit auch die Laufzeitabschnitte, so daß in der Laufzeitkurve eine zu geringe Neigung erscheint, die eine zu geringe Geschwindigkeit ergibt: v2~ (Scheingeschwindigkeit der zweiten Schicht, bestimmt im Fallen der Schichtgrenze). Das bedeutet, daß stets die refraktionsseismischen Profile „gegenzuschießen" sind, damit eindeutig ermittelt werden kann, ob und welche Neigung der Schichtgrenze vorliegt und ob die bestimmten Geschwindigkeiten nur als Scheingeschwindigkeiten behandelt werden dürfen. Dieses Gegenschußprinzip bringt aber auch einen Vorteil. Mit ihm kann nämlich die Genauigkeit der Meßergebnisse überprüft werden. In Abb. 35 ist zu erkennen, daß der Wellenweg vom Anregungspunkt 1 zur Schichtgrenze, dann an der Schichtgrenze entlang und schließlich hoch zum Anregungspunkt 2 genau so lang ist wie der Weg von Punkt 2 über die
126
H . BISCHE
Schichtgrenze zu Punkt 1. Demnach müssen auch die Laufzeiten gleich sein, was in den Laufzeitkurven durch die Werte und t2 markiert ist. Von dieser Möglichkeit, die Genauigkeit der Laufzeitbestimmung der ersten Einsätze zu überprüfen, sollte stets Gebrauch gemacht werden. Für den Praktiker eine Selbstverständlichkeit, ist doch immer wieder darauf hinzuweisen, daß die Profile senkrecht zum vermuteten Streichen der Schichtgrenzen und zu den Lagerungsstörungen anzulegen sind. Auf diese Weise bilden sich Schichtgrenzen, Verwerfungen, Rinnen u. a. in den Meßergebnissen am klarsten ab (Abb. 36). Auch wird dadurch erreicht, daß die empfangenen seismischen Wellen tatsächlich weitgehend in einer senkrechten Profilebene gelaufen sind, so daß die Ergebnisse der Tiefenberechnungen auch die Lagerung in einer solchen Profilebene abbilden.
Abb. 36. Abbildung von Lagerungsstörungen bei einem Zweischichtfall in den Laufzeitkurven
Die notwendige Profillänge wurde bereits bei der Betrachtung des Geschwindigkeitskontrastes abgeschätzt. Sie sollte bei großem Kontrast (1: 3—6) das Vierfache, bei geringem Kontrast (1: 2---3) das Sechsfache der Schichttiefe betragen. Schließlich noch ein weiterer Hinweis zur Profilanlage. Die aus der Knickpunktentfernung (oder ähnlichen Bestimmungsgrößen) und den beiden Geschwindigkeiten v1 und v2 ermittelten Tiefenwerte gelten nur, wie auch aus Abb. 35 abgeschätzt werden kann, für den Profilabschnitt in der Mitte zwischen Anregungs- und Knickpunkt. Falls mit einem recht bewegten Relief der Schichtgrenze gerechnet wird und dieses auch möglichst detailliert erfaßt werden soll, ist es zweckmäßig, die refraktionsseismischen Einzelprofile überlappend zu beobachten. Abb. 14 gibt dazu ein Beispiel. Die Beobachtungsreihe stellt kein einfaches Aneinanderreihen refraktionsseismischer Einzelprofile dar, sondern enthält zusätzlich noch weitere Einzelprofile so, daß sich die einzelnen Gegenschußprofile überlappen. Auf diese Art erfolgt eine Verdichtung, so daß mehr einzelne Tiefenpunkte berechnet und dargestellt werden können. Dieses Vorgehen bringt außerdem noch weitere Vorteile mit sich (Zusammensetzen von Laufzeitkurven, meßpunktweise Bestimmung des Reliefs der Schichtgrenze), die jedoch ohne detaillierte Sachkenntnisse und Erfahrungen kaum sinnvoll genutzt werden können.
Anwendungsmöglichkeiten seismischer Verfahren zur Erkundung
127
Tiefenberechnung Der horizontale Zweischichtfall ist bei der Beschreibung des Prinzips der Refraktionsseismik bereits dargestellt, die dort angegebenen Beziehungen können für die Berechnung der Geschwindigkeiten vx und v2 sowie für die Tiefe H genutzt werden. In jedem Falle muß man sich aber darüber Klarheit verschaffen, ob ein solch einfacher Fall auch mit genügender Näherung angenommen werden kann. Die Kontrolle, ob die Annahme eines horizontalen Verlaufes der Schichtgrenze zulässig ist, erfolgt über die Beachtung der Geschwindigkeiten v2. Sind diese für Hin- und Rückschuß etwa gleich (Unterschiede bis 10% können meist vernachlässigt werden), kann eine mittlere Geschwindigkeit v2 daraus abgeleitet werden und mit ihr die Tiefenberechnung erfolgen. Sind die Unterschiede größer, muß geneigte Lagerung angenommen werden. In diesem Falle wird wie folgt vorgegangen (siehe Abb. 35): — Bestimmung von vlt v2+, v2~, t{+, tf aus den beiden gegengeschossenen Laufzeitkurven, — Berechnung des Neigungswinkels und des Winkels der Totalreflexion i aus sin (i + q) = sin (i -Q)
=
— Berechnung von v2: «2 =
—, v2~ V
1> l —:, sin i
— Berechnung der Tiefen: H+
=
2 • cos i ' 2 • cos i
Dabei sind H + und H~ die Tiefen unter den jeweiligen Schußpunkten senkrecht zur Schichtgrenze. Nach der graphischen Darstellung kann die Berechnung durch den Neigungswinkel q überprüft werden. Dabei ist zu beachten, daß nur eine Kontrolle der Berechnung erfolgt, aber keine Kontrolle der Genauigkeit der Tiefenbestimmung insgesamt ! Literaturverzeichnis H A L E V I N , N . J . : Skorost' uprugih voln b boksitah urala. Geol. i Geofiz., Novosibirsk (1978) 3, S. 149 — 152. B A D E R , K . : Exarationstiefen würmeiszeitlicher und älterer Gletscher in Südbayern. Eiszeitalter und Gegenwart 29 (1979), S. 4 9 - 6 1 . CHAPMAN, W. L . ; BROWN, G . L . ; F A I R , D. W.: The Vibroseis system, a high-frequency tool. Geophysics 46 (1981) 12, S. 1 6 5 7 - 1 6 6 6 . A L E J N I K O V , A . L . ; LICMAN, P . P . ; NEMZOROV, N . J . ;
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Eingang des Manuskripts: Dezember 1985
9 Lauterbach IIJ/4
Geophys. u. Geol.
Geophys. Veröff. d. KMU Leipzig
Bd. III
H. 4 S. 131 —159 Berlin 1987
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung von Lagerungsstörungen känozoischer Sedimente K . SCHÖSSLEB 1
Zusammenfassung: Das gravimetrische Verfahren zur Erkundung von Lagerungsstörungen känozoischer Sedimente, insbesondere von solchen in Braunkohlenfeldern, findet in der DDR bereits seit Jahren umfangreiche Anwendung als Mittel zur Intensivierung und Rationalisierung des Erkundungsprozesses. Die Abhandlung wendet sich sowohl an Erkundungsgeologen, die bereits Erfahrung mit dem Einsatz dieses Meßverfahrens haben, wie auch an solche, die an einer möglichen Anwendung interessiert sind. Mit der Vorstellung der methodischen Grundlagen sollen zugleich die technischen und ökonomischen Randbedingungen praktischer Messungen abgesteckt und das Verständnis für bestimmte Bearbeitungsprobleme vertieft werden. Möglichkeiten und Grenzen des Verfahrens werden anhand mehrerer Beispiele demonstriert. Alle Beispiele sind Routineuntersuchungen entnommen, so daß sie die tatsächlich erreichbaren Ergebnisse widerspiegeln. Summary: For several years, gravity surveys are widely applied in the GDR as a very effective means to investigate bedding disturbances of Caenozoic sediments, especially in lignite fields. This paper may be useful for geologists having some experience with the gravity method as well as for those being interested in a possible application of gravimetry. Together with the methodical principles, the technological and economical implications of practical measurements are presented, and some problems of data treatment are discussed. Several examples demonstrate the capabilities and limitations of the method. All examples are selected from routine surveys reflecting the actually achievable results. PeaioMe: rpaBHMeTpmecKHit MeTOA pa3BeaKH HapymeHiift 3aJieraHHH KafiH030itcKHX ocaAOHHHX nopon, 0C06eHH0 Ha MecTopojKjjeHHHX ßyporo yrjin, HaxoflHT B T ^ P , yme HecKOJifcKO JieT, npHMeHeHHe nan cpe^cTBo HHTeHcni|>nKaiinH H pauH0HanH3auHH pa3Be,a;oiHoro npoiiecca. flaHHan paSoTa npeflHasHa^eHa KaK hjih reojioroB-pa3BeniHKOB, yate HM6IOII^HX OIIHT npHMeHeHHH A-roro MeTona, Tan H AJIH Tex, noToptie ero npHMeHeHHeia 3aHHTepecoBaHiibi. C npeflCTaßjieHHeM MeTOftunecKux OCHOB yKa3HBaeTc« Ha TexHHqecKHe H 3K0H0MmecKHe ycjioBHH npaKTaqecKHx M3MepeHHit H yrjiyßjiHioTCH 3HaHHH 06 onpesejieHHHx npoßneMax o6pa6oTKH.
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1
Anschrift des Verfassers: Dipl.-Geophys. KLAUS SCHÖSSLEB, VEB Kombinat Geophysik Leipzig — Stammbetrieb — DDR - 7024 Leipzig, Bautzener Str. 67.
9*
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K . SCHÖSSLEB
1. Methodische Grundlagen Das gravimetrische Erkundungsverfahren der angewandten Geophysik basiert auf — — — —
der der der der
meßtechnischen Erfassung von Schwerewerten an der Erdoberfläche, Primär- und Sekundärbearbeitung dieser Werte, Darstellung sowie nachfolgenden Interpretation der erfaßten Schwerestörungen.
Die Schwere ist eine Massenanziehungskraft. Die fundamentalen Gesetzmäßigkeiten dieser K r a f t beschreibt das NEWTONsche Gravitationsgesetz K =
f
(
1
)
Die Anziehungskraft K zwischen zwei Massen m t und m 2 ist proportional deren Produkt und umgekehrt proportional dem Quadrat ihrer Entfernung r. Der Proportionalitätsfaktor / ist die Gravitationskonstante mit dem Wert / = 6,672 • 10- 11 • m 3 • kg" 1 • s" 2 Die Masse eines Körpers ergibt sich als Produkt seiner Dichte Q und seines Volumens V m = Q-V.
(2)
Die Erdschwere kann aus dem Gravitationsgesetz abgeleitet werden, wenn f ü r eine der Massen die Erdmasse und f ü r r der Erdradius eingesetzt wird. 1 Massenanziehungskräfte machen sich durch Beschleunigungen bemerkbar. Eine frei fallende Masse wird durch die Erdschwere zum Erdmittelpunkt hin beschleunigt. Die Einheit der Beschleunigung wurde zu Ehren G A L L I L E I S mit Gal bezeichnet: 1 Gal = 1000 mGal = 10~2 m • s" 2 . Mit Einführung des Sl-Systems findet die kleinere Einheit 1 ¡im • s-« = 10- 1 mGal = 10" 4 Gal Anwendung. An der Erdoberfläche beträgt diese Beschleunigung ungefähr 980 Gal = 980 • 10~2 m X s - 2 ; sie wird als Erdbeschleunigung bezeichnet und mit dem Buchstaben g symbolisiert. Die Massenanziehungskraft der Erde an der Erdoberfläche ist sowohl zeitlichen als vor allem auch örtlichen Veränderungen unterworfen. Zeitliche Veränderungen sind bedingt durch unterschiedlich große Gezeiteneinwirkungen (Massenbeschleunigungen durch Mond und Sonne); örtliche Differenzen ergeben sich durch unterschiedlich große Abstände bis zum Erdschwerpunkt (Einfluß der topographischen Meßpunkthöhe und der geographischen Breite), unterschiedlich große der Erdschwere entgegenwirkende Zentrifugalkräfte durch die Erdrotation (Einfluß der geographischen Breite des Meßpunktes) und nicht zuletzt durch unterschiedliche Massen- bzw. Dichteverteilung in der Erde bzw. in den oberflächennahen geologischen Komplexen. 1
Erdmasse: 5,98 • 1024 kg; mittlerer Erdradius 6,371 • 10« m.
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
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Für die geologische Erkundung sind ausschließlich die Schwereanomalien von Interesse, die auf Dichteinhomogenitäten in den Gesteinen zurückzuführen sind. Durch die Anbringung von geeigneten Reduktionen (Freiluft, BOUGTTEB, Normalschwere, Gelände) sind die anderen erwähnten Störeinflüsse soweit als möglich zu eliminieren ( S C H Ö S S L E B , 1 9 6 9 ; M I L I T Z E B und L I N D N E B , 1 9 7 6 ) . Diese Forderung setzt u. a. voraus, daß neben den Schwerewertbeobachtungen mittels Gravimetern an jedem Meßpunkt die topographische Höhe und die Punktlage mit hoher Genauigkeit bestimmt werden müssen. Die Gesamtmeßgenauigkeit einerseits, aber auch der Meßfortschritt und die Kosten andererseits werden durch diese notwendigen Arbeiten entscheidend beeinflußt (gegenwärtig sind etwa 2 / a der personellen wie finanziellen Kapazitäten der entsprechenden Truppeinheiten des V E B K Geophysik damit gebunden!). Im Resultat der Reduktionen werden BouGtrEB-Sehwerewerte erhalten. Sie geben die durch Dichteinhomogenitäten im Untergrund hervorgerufenen Abweichungen der Erdschwere von der Normalschwere wieder und bilden den Ausgangspunkt jeder gravimetrischen Erkundung. Ziel der Interpretation ist es, aus Form und Größe der ermittelten Schwereanomalien Rückschlüsse auf mögliche und wahrscheinliche Form und Größe von Dichteinhomogenitäten im Untergrund zu ziehen. Über letztere wiederum sollen Auskünfte über die Verbreitung und den Bau interessierender geologischer Strukturen, Gesteinsverbreitungsgrenzen und tektonische Störungen abgeleitet werden. Dieses Ziel ist direkt kaum zu erreichen. Bei der gravimetrischen Erkundung ist wie bei allen geophysikalischen Potentialverfahren immer mit der Überlagerung mehrerer Störeffekte zu rechnen. Sie können sich in ihren Wirkungen addieren, aber auch zum Teil gegenseitig abschwächen bzw. gänzlich kompensieren. Die gesuchte Schwerestörung ist also in einem Summenfeld verborgen. Ein weiteres Problem der Interpretation ergibt sich aus der generellen Mehrdeutigkeit von Potentialfeldern. Theoretisch sind als Ursache einer Anomalie unendlich viele Varianten der Massenverteilung bzw. der Dichteinhomogenitäten zu finden (Äquivalenzprinzip). Abb. 1 zeigt ein Beispiel, in dem fünf unterschiedlich geformte Störkörper in unterschiedlicher Tiefe die gleiche Schwerestörung hervorrufen. In der Praxis bedeuten zusätzliche geologische, petrophysikalische oder auch andere geophysikalische Informationen eine wesentliche Einschränkung der Mehrdeutigkeit; beispielsweise können die Dichtewerte nur innerhalb des im Känozoikums bekannten Streubereiches von etwa 1000 kg m~3 bis 2 300 kg m~ 3 variieren, oder bestimmte Schichtkomplexe sind bereits durch Bohrungen teufenmäßig fixiert. In diesem Zusammenhang spielt also die Bereitstellung eines guten geologisch-petrophysikalischen „Startmodells" für den interpretierenden Geophysiker eine ausschlaggebende Rolle. Der Transformation der Schwerestörungen in geologisch-lagerstättenkundlich verwertbare Informationen dienen heute in der Praxis folgende Bearbeitungsschritte: 1. Maßnahmen zur Aufgliederung des Summenschwerefeldes in einzelne Feldanteile, die für die gestellte Erkundungsaufgabe signifikant erscheinen. Dafür steht ein breites Spektrum von maschinellen, teilweise auch manuellen Bearbeitungsverfahren zur Verfügung (vgl. z. B. L I N D N E B und S C H E I B E , 1 9 7 7 ) : Berechnung von Regionalund Lokalfeldern, Wellenlängenfilterungen, zweiten Ableitungen gz%, Gradientenbestimmungen u. a. Hier sei nur soviel festgestellt, daß es sich dabei stets um eine sehr umfangreiche Weiterbearbeitung der BoiJGUEB-Schwerewerte handelt, die
134
Abb.
K . SCHÖSSLEB
1.
Gravimetrisches Äquivalenzprinzip, vereinfacht nach
MILITZEB
und
LINDNEB, 1 9 7 6
nach verschiedenen Formalismen zu Summen bzw. Differenzen zusammengefaßt werden. Das Prinzip zeigt Formel (3): Agwi = &ffo"(P) - -
n
E
i=i
.
(3)
Die lokale Schwerestörung ergibt sich danach als Differenz zwischen dem Schwerewert am Punkt P und dem Mittel der Werte auf einem Kreis mit dem Radius R um Punkt P ( G R I F F I N , 1949). Mit der Wahl der Größe des Radius R wird die Herauslösung flächenmäßig unterschiedlich großer Anomalien gesteuert, wobei zugleich gehofft wird, daß parallel damit eine Sortierung der Anomalienursachen nach unterschiedlich großen Lagerungstiefen verbunden ist (große Anomalienbreite A. große Lagerungstiefe des Störkörpers, geringe Anomalienbreite A. geringe Lagerungstiefe des Störkörpers). Entsprechende Beziehungen gelten jedoch nur unter der Voraussetzung, daß es sich um gleiche geometrische Störkörperformen handelt. Unter natürlichen Bedingungen tritt dieser Fall streng genommen nicht auf. Abb. 1 zeigte bereits, daß fünf Störkörper in ganz verschiedenen Teufen die gleiche Schwereanomalie verursachen können. Sowohl die Feldertrennung wie auch die daraus abgeleitete Interpretation einzelner Tiefenstockwerke sind also nicht eindeutig lösbar. Die Ergebnisse bleiben stets mehr oder weniger gute Näherungen. Die Praxis beweist jedoch, daß diesen Verfahren trotz mancher Einschränkungen eine hohe Bedeutung zukommt.
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
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2. Verfahren zur Lösung der direkten und indirekten Aufgabe der Potentialtheorie. Bei den direkten Verfahren wird von vorgegebenen Störkörperkonfigurationen ausgegangen, für die nach Festlegung der Dichte Verhältnisse die zugehörigen Schwerestörungen berechnet werden können (z. B. JTJNG, 1961). Ausgehend von einfach geformten Modellen (z. B. Kugeln, Platten, liegende Kreiszylinder) über zweidimensionale Profilberechnungen (in Dichteprofile transformierte reale geologische Schnitte) sind heute mit Hilfe moderner Datenverarbeitungsanlagen selbst für nahezu beliebige dreidimensionale Lagestättenmodelle die Schwereanomalien berechenbar. Diese Verfahren erlauben somit zunächst Vorabschätzungen über zu erwartende gravimetrische Indikationen an bestimmten geologischen Strukturen, die wiederum für die meßtechnische und methodische Strategie der Untersuchungen (Punktabstand, Meßgenauigkeit u. a.) von Wichtigkeit sind. Zum anderen — und darin liegt die Hauptbedeutung — bieten sie die Möglichkeit einer unmittelbaren Überprüfung der im Rahmen der Interpretation gewonnenen Vorstellungen von geologisch-petrophysikalischen Deutungsvarianten. Bei den indirekten Verfahren wird der umgekehrte Weg beschritten. Ausgehend von den beobachteten Schwerestörungen gilt es, unter Anwendung von mehr oder weniger umfangreichen mathematischen Bearbeitungsmethoden, die die Schwerestörungen verursachenden geologischen Körper nach Lage und möglichst stofflicher Zusammensetzung zu bestimmen. Die Existenz gravimetrischer Summenfelder und des Äquivalenzprinzipes bedeuten jedoch, daß die indirekte Aufgabe praktisch nicht eindeutig lösbar ist. Die maximal mögliche Ausschöpfung des Informationsinhaltes gravimetrischer Karten erfordert oft sowohl die Anwendung der indirekten als nachfolgend auch der direkten Verfahren, wobei — wie oben schon erwähnt — durch letztere eine Überprüfung der erzielten Ergebnisse vorgenommen wird. Sämtliche Bearbeitungsschritte gipfeln letztlich in der sinnvollen Synthese aller vorhandener Fakten zu einem verbesserten geologisch-petrophysikalischen Modell durch den bearbeitenden Interpretator. Dessen Geschick und Erfahrungen bilden trotz vielfältigster Bearbeitungsverfahren die Basis für eine erfolgreiche Lösung der gestellten Aufgabe. An dieser Stelle sei noch eine Bemerkung zu den technisch-ökonomischen Parametern von Gravimetermessungen erlaubt. Die Untersuchungen finden auf beliebigen Meßpunktnetzen statt, wobei sich in der Praxis flächendeckende, quadratische Punktanordnungen bewährt haben. Die Punktabstände — etwa ab 0,5 m aufwärts — hängen vor allem ab von der jeweiligen Aufgabenstellung bzw. den zu erwartenden Anomalien und der notwendigen Genauigkeit der Messungen. Während POPOVIÖ (1971) z. B. noch zur Erfassung einer schwachen Anomalie eine Belegung mit mehr als 20 Meßpunkten forderte, begnügt man sich heute im Interesse eines höheren Meßfortschrittes und niedrigerer Kosten mit einer weit geringeren Belegungsdichte ( ~ 5 Meßpunkte pro Anomalie). In der gravimetrischen Braunkohlenerkundung stützen sich die Arbeiten beispielsweise auf einen Punktabstand von zumeist 50 m. Die entsprechenden Feldarbeiten für eine Fläche von 1 km2 erfordern gegenwärtig bei Einsatz einer Meßeinheit eine Zeitdauer von ca. 3 Tagen. Die Kosten betragen nicht mehr als etwa das 1—l,5fache einer ca. 100 m tiefen Spülmeißelbohrung.
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K . SCHÖSSLEB
2. Dichteverhältnisse Wie bereits erwähnt, erlauben die reduzierten Schweremessungen Rückschlüsse auf die Massenverteilung im Untergrund. Der petrophysikalisch wirksame Parameter ist die Dichte der Gesteine. Dichtedifferenzen führen zu Schwereveränderungen, und umgekehrt lassen sich aus Schwereanomalien Rückschlüsse auf anomale Dichteverhältnisse ziehen. Für Fragen der Reduktion, vor allem aber f ü r die Interpretation der Schweremessungen (Einschränkung der Mehrdeutigkeit!) sind Kenntnisse über die vorkommenden Gesteinsdichten unerläßlich. Wenn in diesem Zusammenhang vereinfachend von „Dichten" gesprochen wird, so sind darunter Teilsättigungs- und Sättigungsdichten (KOPF, 1966) zu verstehen. Die von K O P F und anderen (1967) an Hartgesteinen beobachtete Abhängigkeit der Gesteinsdichten von fazieller Ausbildung (kalkig, tonig, sandig u. a.), Lagerungstiefe, Alter, Verwitterungsgrad, Wassersättigungsgrad t r i f f t in verstärktem Maße auch f ü r die Lockersedimente zu. I n Tabelle 1 sind verallgemeinerte Dichteerfahrungswerte f ü r einige Gesteinsarten zusammengestellt, die bei der gravimetrischen Erkundung von Lagerungsstörungen im Lockersedimentbereich eine Rolle spielen. Die Variationsbreite der möglichen lokal bedingten Abweichungen sowie die Kompliziertheit der tatsächlichen Bedingungen sind in einem praktischen Meßbeispiel in Abb. 2 zu erkennen.
Rinnenmalerial
i
Rinnenmaterial
H2 2
;
I
[2ÖÖÖI GWL 7
15
Abb. 2. Dichtemodell Braunkohlenfeld (Lausitz) 1 — Sande; 2 — Schluffe; 3 — Braunkohle; 4 — Geschiebemergel; 5 — Quartär, ungegliedert
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
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Tabelle 1. Erfahrungswerte für Dichten einiger känozoischer und prätertiärer Gesteine Material
Rohdichte in kg/m3 min
max
900 1300 1700 1800 1500 1500 1800 1600 1500 1600 1500 1200 1300 1700 1900 1100
1200 1700 2000 2050 2000 2000 2300 1800 1650 1800 1900 2000 1800 2200 2300 1300
mitte)
KänozoiJcum Torf Feinsand
Mittelsand Kies Mergel Lehm Löß Schluff Ton
tr. feucht naß tr. naß tr. naß
tr. naß
Geschiebemergel Braunkohle
1000 1500 1800 1900 1700 1700 2000 1700 1550 1700 1700 1700 1700 1900 2100 1200
Prätertiär
-2100 '2100 ,2200 '2600 ' 2300 ' 2700 ' 2300 ' 2200 2500 2600
Kreide Jura Keuper Muschelkalk Buntsandstein Zechstein Einsturzgebirge Salinar Grauwacke Quarzite Magmatische Gesteine Porphyr Porphyr Zersatz Granodiorit Granodiorit Zersatz Basalt Basalt Zersatz Granit
2500 1900
2400
2000
2700
2000
2900
2700 3000 2650
Die Untersuchungen betreffen die Dichteverhältnisse in einer Braunkohlenlagerstätte der Lausitz. (Alle Dichteangaben wurden aus Gamma—Gamma—Bohrlochmessungen abgeleitet, einem Verfahren (u. a. FABIANCSICS, 1969), das heute zum Standardprogramm der Bohrlochgeophysik gehört.) Es ist beispielsweise festzustellen, daß die Sande des jüngsten Grundwasserleiters G W L 4.1 mit 1950kgm~ 3 eine deutlich höhere Dichte aufweisen als die des G W L 6. Ähnliche Verhältnisse treten bei den Schluf-
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K . SCHÖSSLER
fen auf. Deutlich erhöhte Dichtewerte wurden für das in den quartären Rinnen umgelagerte Material wie Sande und vor allem Geschiebemergel festgestellt. Der Einsatz gravimetrischer Messungen zur Erkundung von Lagerungsstörungen känozoischer Sedimente erscheint immer dann erfolgversprechend, wenn mit den Lagerungsstörungen Dichteinhomogenitäten verknüpft sind. Als gravimetrische „Indikatorsedimente" gelten in diesem Sinne vor allem Braunkohle (auch Torf) und Geschiebemergel. Erstere liegt mit einem Dichtewert von ca. 1200 kgrrr 3 signifikant unter dem Durchschnitt, letzterer mit ca. 2250 kgm - 3 deutlich darüber. Lagerungsveränderungen dieser Sedimente vor allem werden zu gravimetrischen Anomalien führen. Erwähnenswert sind ebenfalls die Dichtevariationen im Ergebnis unterschiedlicher Durchfeuchtungsgrade; ein Fakt, der oft nicht erkannt wird und dann zu Interpretationsfehlern führen kann. Beispielsweise wurden bei gravimetrischen Arbeiten in einem Tagebau Vorfeld in der Lausitz bei Wiederholungsmessungen nach längeren Zeiträumen Schweredifferenzen in der Größenordnung bis 2 [xms~2 beobachtet. Als Ursache kam nur die fortschreitende Entwässerung in Betracht. Eine Überprüfung bestätigte, daß in der Zwischenzeit der Grundwasserspiegel um etwa 17 m abgesenkt wurde. Damit verbunden war der Übergang von Sättigungs- zu Teilsättigungsdichten. In diesem speziellen Fall betrug die Dichteverminderung rd. 300 kgm -3 . Gleiche Effekte werden immer wieder an topographisch herausragenden Dünen oder Sandern beobachtet. Ein weiterer sehr markanter Dichtesprung tritt zumeist an der Grenze Känozoikum— Prätertiär hervor. Infolge der Diagenese besitzen die Prätertiärsedimente stets höhere Dichten als die auflagernden Sedimente. Noch höhere Dichtewerte gelten für nahezu alle magmatischen Gesteine. Wichtige Ausnahmebedingungen werden durch Subrosion (Einsturzgebirge), Kaolinisierung bzw. Verwitterung geschaffen; die Dichtewerte derartig beanspruchter Gesteine sind erfahrungsgemäß sehr deutlich gegenüber denen der Ausgangsmaterialien vermindert. Es bleibt festzustellen, daß sowohl im Känozoikum, im Prätertiär wie auch im Übergangsbereich unter bestimmten Bedingungen von den Dichteverhältnissen her günstige Voraussetzungen für eine gravimetrische Erkundung der Lagerungsstörungen bestehen. Formeln (1) und (2) im Kapitel 1 zeigen, daß der Erfolg einer gravimetrischen Erkundung eines Störkörpers, einer geologischen Lagerungsstörung also, nicht nur von den Dichteverhältnissen Störkörper—Umgebung bestimmt wird. Weitere Faktoren stellen das Störkörpervolumen und dessen Lagerungstiefe dar. Meßbare Schwereeffekte Ag treten nur dann auf, wenn der Störkörper ein bestimmtes Volumen erreicht und in Abhängigkeit davon eine bestimmte Lagerungstiefe nicht überschreitet: Ag ~
Dichtedifferenz X Störkörpervolumen . (Störkörpertiefe)2
(4)
Das Zusammenwirken mehrerer Faktoren ist die Ursache dafür, daß keine allgemeingültigen Grenzwerte für eine Mindestdichtedifferenz, ein Mindestvolumen bzw. eine Maximaltiefe für gravimetrisch nachweisbare Störkörper genannt werden können. In der Hohlraumerkundung, wohlder diffizilsten gravimetrischen Aufgabenstellung, wird als Faustregel davon ausgegangen, daß ein Hohlraum mit dem Durchmesser D gravimetrisch noch in der Tiefe 2 D bis maximal 3 D nachweisbar ist (große Dichtedifferenz und Gravimeter hoher Genauigkeit vorausgesetzt). Zumindest ähnliche Proportionen können für alle anderen Arten von Lagerungsstörungen im Känozoikum angenommen werden.
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
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3. Erkundungsbeispiele Seit Mitte der 60er J a h r e werden in der D D R gravimetrische Spezialmessungen in unterschiedlichem Umfange zur Erkundung von Lagerungsstörungen im känozoischen Deckgebirge eingesetzt. Entsprechend der volkswirtschaftlichen Bedeutung galt und gilt das Hauptinteresse der Suche und Erkundung von Braunkohlenlagerstätten, deren Lokalisierung und flächenmäßigen Abgrenzung sowie dem Nachweis von endogenen und exogenen Störungen. (Gegenwärtig sind im V E B Kombinat Geophysik ca. 75% der Gravimeterkapazität auf diesem Sektor tätig.) Darüber hinaus wurden aber auch Probleme der Erkundung von Ton und Kalk, Bentonit, Kaolin, Sand, Kies u. a. bearbeitet. Die nachfolgenden Erkundungsbeispiele stehen f ü r eine Vielzahl von ähnlichen Ergebnissen, sie repräsentieren somit nicht nur gelegentlich erreichbare „Spitzenresultate". Da sich die Erkundungsmethodik generell k a u m verändert hat — lediglich der Anwendungsbereich der maschinellen Bearbeitung fand eine sehr starke Erweiterung — konnte teilweise auf bereits veröffentlichte Unterlagen zurückgegriffen werden. Im Hinblick auf die generelle Interpretation von beobachteten lokalen Schwereanomalien mit Lagerungsstörungen känozoischer Sedimente bzw. auf die Prognose der zu erwartenden gravimetrischen Indikationen bei bekannten Lagerungsstörungen k a n n Tabelle 2 Anwendung finden. In stark vereinfachter und schematisierter F o r m läßt sie nochmals die Abhängigkeit zwischen Schwerestörungen und möglichen Lagerungsstörungen bestimmter Gesteinskomplexe erkennen. Eingehendere Informationen dazu können einer Reihe von speziellen Publikationen entnommen werden (MILITZER und L I N D N E R , 1 9 7 6 ; SCHÖSSLER, 1 9 6 6 u n d 1 9 6 9 u . a . ) .
Tabelle 2. Prinzipielle Deutungsvarianten gravimetrischer Indikationen Gravimetrische Indikationen
Lagerungsstörungen
Material (Beispiele)
Minima
— Mächtigkeitszunahme von Sedimenten geringer Dichte — Hochlage von Sedimenten geringer Dichte
Kohlen, Schluffe, trockene Sande/ Kiese, Zersatzmaterial bzw. Verwitterungsprodukte
— Mächtigkeitsabnahme von Sedimenten höherer Dichte — Tieflage von Sedimenten höherer Dichte
Geschiebemergel, prätertiäre Sedimente, magm. Gesteine
— Mächtigkeitszunahme von Sedimenten höherer Dichten — Hochlage von Sedimenten höherer Dichten
Geschiebemergel, flözfreie Bereiche, prätertiäre Sedimente, magm. Gesteine
— Mächtigkeitsabnahme von Sedimenten geringer Dichte — Tieflagen von Sedimenten geringer Dichten
Kohle, Schluffe, trockene Sande/ Kiese, Zersatzmaterial bzw. Verwitterungsprodukte
Maxima
140
K . SCHÖSSLEE
Von E I S S M A N N (in diesem Heft) werden die vielfältigen Störungsformen im känozoischen Sedimentbereich diskutiert und eingeordnet. Nach unseren Erfahrungen gehen sowohl die meisten endogen-tektonischen wie auch exogen-tektonischen Lagerungsstörungen mit mehr oder weniger deutlichen Massenveränderungen einher, so daß die Voraussetzungen für eine gravimetrische Erkundung gegeben sind. Mit der Reihenfolge der Beispiele wird die Systematik von E I S S M A N N soweit als möglich berücksichtigt.
3.1. Endogen-tektonische
Störungen
3.1.1. Nachweis einer tektonischen Störung Die Ostbegrenzung eines Lausitzer Braunkohlenfeldes ist durch eine etwa NNW—SSE streichende tektonische Störungszone gegeben. An ihr ist das im Durchschnitt knapp 10 m mächtige Flöz von W nach E um etwa 20 m bis teilweise 40 m in die Tiefe abgesetzt. Für die Vorratsberechnung und vor allem für die Tagebautechnologie spielte die Lokalisierung der Störzone eine wesentliche Rolle. Die früheren Erkundungsarbeiten basierten auf zahlreichen Bohrungen auf Profilen etwa senkrecht zur Störzone. Mit einem Bohrprofilabstand von ca. 100 m und einem Abstand der Bohrungen von etwa 50 m bedeuteten das hohe ökonomische und zeitliche Aufwendungen. Zur Rationalisierung des Störungsnachweises wurden gravimetrische Spezialmessungen angesetzt (SCHÖSSLEE, 1966). Bereits erste Versuchsmessungen lieferten den Nachweis, daß die tektonische Störzone mit einem charakteristischen Anomalienbild — vergleiche Abb. 3 a — verbunden ist. Analog den vorbereitenden Störkörperberechnungen sind ein der Flexur westlich vorgelagertes Schwereminimum (bei Punkt 6), ein relativ steiler Schwereanstieg im Bereich der Flözabsetzung und ein abschließendes Minimum östlich der Störung (bei Punkt 18) festzustellen. Dieser Verlauf der Schwerekurven etwa in Form eines flachliegenden S war auf allen Testprofilen mehr oder weniger typisch zu erkennen. Zur Realisierung der gestellten Aufgabe mußte die
•¡IS
Kohlenflöz
49
Kohle nicht erreicht
Abb. 3 a. Gravimetrische Erkundung einer endogen-tektonischen Störung eines Kohlenflözes
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
141
Flexur nach diesem Sehwerebild lokalisiert werden. Die quantitative Störzonenerfassung setzt die Auswahl von markanten Indikationen im Sehwerebild voraus. Nach einer kritischen Bewertung der in Betracht kommenden Anomalien erschien das westlich vorgelagerte Minimum dafür am geeignetsten. Zur Bestimmung der Entfernung Minimum— Flexur wurde nach den Bohrergebnissen von mehreren Profilen ein mittlerer „Normalschnitt" konstruiert und nach Vorgabe der Dichtewerte die dazugehörende Schwerekurve berechnet (Abb. 3b). Die Entfernungen betrugen unter den angenom-
y//////////////////////////// Kohlenflöz
100 m 6 = 1800 kgm"3
Abb. 3 b. Bestimmung der Entfernung Minimum — Aufpunkt der Flexur am „Normalschnitt"
menen Verhältnissen (Flöztiefe, Mächtigkeit) ungefähr 100 m bis zum oberen Knickpunkt und 150 m bis zum unteren Knickpunkt des Flözes. Bei Übernahme dieser Maße in Profil Abb. 3 a — schraffierte Zone über der Meßpunktleiste — ergab sich eine sehr gute Übereinstimmung mit den Bohrergebnissen. Aufbauend auf diesen Resultaten der Versuchsmessungen erfolgten später umfangreichere Gravimeterbeobachtungen mit gleicher Zielstellung. Das besondere Augenmerk galt der sicheren Erfassung des westlichen Minimums bei operativer Anlage von Profilen und Meßpunkten. Einen Ausschnitt der gewonnenen Ergebnisse zeigt Abb. 3 c. Unter Extrapolation der bei den Versuchsmessungen angetroffenen geologischen Verhältnisse auf das Gesamtgebiet wurde zur Lokalisierung der Flexur zunächst auf allen Profilen des Minimum fixiert und anschließend nach Osten die Entfernungen 100 m bzw. 150 m abgemessen. Die Tiefstwerte der Minima sind durch Kreise markiert. Bei nicht eindeutigen Bestimmungen wurden auch die anderen in Frage kommenden Punkte mit in die Auswertung einbezogen. Die vermutete Lage der tektonischen Störzone ist in die Schwerekarte Abb. 3 c als dunkles Band eingezeichnet. Unsicherheiten der Fixpunktbestimmung sind durch unterbrochene Linienführung kenntlich gemacht. Solche treten scheinbar insbesondere dann auf, wenn die Lagerungsstörungen sehr flach verlaufen (zwischen Profil 4 und 6) und die Messungen auf den Profilen durch Lateraleffekte beeinflußt werden. Denkbar — und das ist geologisch wahrscheinlicher — ist aber auch die Vermutung, daß die Störzone in ihrem Verlauf mehrfach verspringt. Bei diesem Beispiel mit für die gravimetrische Erkundung sehr günstigen Bedingungen konnte die Aufgabenstellung direkt und mit sehr gutem Resultat gelöst werden. Es wird abgeschätzt, daß hier im günstigsten Falle der Fehler bei Lokalisierung der Flexur ± 10 m kaum übersteigt.
142
K .
SCHÖSSLER
Profil 1
Abb. 3 c. Karte der BOUGUER-Schwerestörung und vermutete Lage der Störzone 1 2 3 4 5
— Meßprofile mit Meßpunkten, — Isolinien im Abstand 0,5 | i m r ! , — Isolinien im Abstand 0,25 ¡¿ms-2, — gravimetrische Fixpunkte sicher/unsicher, — vermutete Lage der tektonischen Störzone sicher/unsicher 3.1.2. Tektonische
Bayonierung
Im Gegensatz zum Beispiel unter Punkt 3.1.1. liegen in der überwiegenden Anzahl der Erkundungobjekte noch keine sicheren Vorstellungen über Lage, Verlauf und Sprunghöhe von tektonischen Störungen vor. Ziel der durchzuführenden gravimetrischen Arbeiten ist es, u. a. auch dazu neue Informationen zu liefern. Das bedeutet, daß
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zunächst im interessierenden Gebiet flächendeckende Schweremessungen erfolgen müssen. Das gewonnene Anomalienbild wird dann systematisch nach den typischen Indikationen für tektonische Störungen durchforscht. J e nach dem Verlauf des Regionalfeldes, das die lokalen Schwereindikationen der tektonischen Störung überprägt, gilt das Augenmerk in erster Linie — Schwereflanken bzw. Gradientenzonen, siehe z. B. Abb. 3 a (Regionalfeldisolinienverlauf parallel zur Störung) und — gleichsinnigen Isolinienverbiegungen auf größere horizontale Erstreckung (Regionalfeldisolinienverlauf spitzwinklig oder senkrecht zur Störung). Darüber hinaus können aber auch — gleichsinnige Versetzungen in Anomalien bzw. Anomalienzügen — mehrfacher Anomalienabbruch an bestimmten Linien — Wechsel des Anomalienbildcharakters (kleinflächig/großflächig oder unruhig/ruhig) auf Dichteveränderungen im Untergrund hinweisen. Ob es sich dabei um Dichteveränderungen infolge tektonischer Vorgänge oder lediglich Sedimentationsgrenzen handelt, ist allein nach den Schweremessungen nicht zu entscheiden. Im Ergebnis dieser Rayonierung wird deshalb zumeist nur ein Schema von „Richtungselementen" vorgelegt, das den genetischen Bezug der einzelnen Elemente noch offen läßt. Mit der Berechnung von gravimetrischen Horizontalgradienten oder der störkörpergebundenen Filterung findet die maschinelle Datenverarbeitung auch auf diesem Gebiet Anwendung. Dabei können allerdings nur einige der typischen Indikationen erfaßt werden, so daß letztlich das Gesamtschema manuell komplettiert werden muß. Diese Arbeiten setzen umfangreiche Erfahrungen voraus und liefern stets nur subjektive Resultate. Abb. 4 zeigt einen Ausschnitt einer tektonischen Rayonierung nach Schweremessungen in einem Braunkohlenfeld der Lausitz. Neben den bekannten Hauptrichtungen um NW—SE und NE—SW treten im nördlichen Abschnitt deutlich, im südlichen weniger deutlich auch Richtungen um N—S auf. Die starke Vergitterung der Richtungselemente weist auf insgesamt komplizierte Lagerungsverhältnisse hin. Evident sind teilweise Zusammenhänge der Richtungselemente einerseits mit Kohleverbreitungsgrenzen, andererseits mit Begrenzungen von Auswaschungen. Die Frage, wieweit dabei eine altangelegte Tektonik eine Rolle spielt, soll hier nicht erörtert werden. Am interessantesten im Sinne der Aufgabenstellung dürften die Richtungselemente sein, deren Ursachen nicht sofort im Wechsel flözfreie/flözführende Bereiche erkannt werden. 3.2. Exogen-telctonische Störungsformen 3.2.1. Glaziäre Deformationen — Biegungsformen Das mächtige Braunkohlenflöz in einem Tertiärbecken im SE der DDR ist im Verlaufe mehrmaliger Vereisungen intensiven glazigenen Beanspruchungen unterworfen worden. Die Aufpressungen der Kohle in den oberen Teilen des Flözes führten zur Bildung von Kohlensätteln, die fast bis zur Rasensohle aufgestiegen sind. Eine sichere Tagebauführung erfordert die Kenntnis sowohl der Sattel- als auch der Muldenbereiche. Insbe-
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2
Abb. 4. Tektonische Rayonierung nach Schwermessungen 1 — Linien gleicher lokaler Schwerestörung, Abstand 1 ¡¿ms -2 , Zacken in Richtung höherer Schwere werte, 2 — Bereich mit Sedimenten relativ hoher Dichte, 3 — gravimetrische Richtungselemente deutlich/unsicher, 4 — Kohleverbreitungsgrenze nach gravimetrischen Ergebnissen, Zacken in Richtung Kohleverbreitung, 5 — geologisch vermutete Begrenzung eines Auswaschungssystems
sondere zeichnen sich die Flanken der Sättel und Mulden als rutschungsgefährdete Zonen aus, in denen in der Vergangenheit Böschungsausbrüche und Rutschungen von Abraumgeräten Anlaß zu Betriebsstörungen gaben. Trotz eines relativ hohen Bohraufwandes sind die oft sehr engen Flözdeformationen nicht immer erfaßt worden. Zur Schließung derartiger Lücken und zur Schaffung eines notwendigen Erkundungsvorlaufes erfolgte der Einsatz gravimetrischer Spezialmessungen. Im Verlaufe von
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
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Abb. 5b. Lokale Schwerestörungen über glaziären Flözdeformationen in einem Tertiärbecken im SE der DDR 1 2 3 4
— Isogammen, — lokale Schwereminima, — lokale Schweremaxima, — Lage des Profils Abb. 5 a mit Bohrpunkten
mehreren Meßetappen von 1965 bis zur Gegenwart wurde nahezu das gesamte auf dem Territorium der D D R liegende Teilbecken mit einem dichten Meßpunktnetz 40 m) überzogen und damit eine Gesamtinventur der Lagerungsstörung des Flözes erreicht. Abb. 5 a zeigt einen stark vereinfachten geologischen Profilschnitt mit den entsprechen-
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
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den lokalen Schwerestörungen (Meßpunktabstand hier 10 m!). Die Schwereminima mit Amplituden von 1 —2 [¿ms-2 kennzeichnen deutlich die Kohlensättel. Zu bemerken ist, daß die Flözhochlage bei Bohrung 7 a zunächst nicht bekannt war. Erst nach Feststellung des signifikanten Minimums zwischen Bohrung 7 und 8 wurde sie durch die Kontrollbohrung 7 a bestätigt (SCHÖSSLEE, 1966). Über die flächenhafte Erstreckung der Lagerungsstörungen gibt die Karte der lokalen Schwerestörungen Abb. 5 b Auskunft. Neben der Lokalisierung bisher noch nicht bekannter Kohlensättel erlauben die Schweremessungen außerdem eine lagemäßige Präzisierung von Sattel- und Muldenstrukturen (Zentren der Indikationen). Beispielsweise sind die geringsten Teufen der Flözaufwölbungen nicht an den Bohrungen 5 oder 7 a zu erwarten, sondern jeweils ca. 20 m südwestlich davon. Analog der Deutung der Schwereminima als Flözhochlagen ergibt sich folgerichtig die Interpretation der positiven Anomalien als Gebiete relativ geringer Flözmächtigkeit bzw. größerer Tiefe der Flözoberkante. Die Feststellung der Flözmulden kann für Fragen der Hydrologie der Lagerstätte, für Probleme der Entwässerung mittels Filterbrunnenbohrungen Bedeutung gewinnen. Es wird abgeschätzt, daß die Flözaufwölbungen in diesem Gebiet auf etwa ± 10 m genau lokalisiert sind. Daß gravimetrische Spezialmessungen in der Lage sind, auch bei komplizierteren glaziären Deformationen einen Erkundungsbeitrag zu leisten, soll mit dem folgenden Beispiel demonstriert werden. Das zu Sattel- und Muldenstrukturen verformte Flöz einer Lausitzer Lagerstätte wurde später von der pleistozänen Erosion in unterschiedlich tiefem Niveau erfaßt. Abb. 6 zeigt im unteren Teil die dabei entstandenen Lagerungsverhältnisse. Trotz eines relativ dichten Bohrnetzes konnten die Lagerungsstörungen insgesamt nicht erfaßt bzw. erkannt werden. Aufgabe der gravimetrischen Spezialmessungen war es, mit der Abgrenzung von Flözsätteln und -mulden sowie flözfreien Bereichen diese Kenntnislücken soweit als möglich zu schließen. Die Schweremessungen erfolgten auf einem Profilnetz mit dem Abstand von 50 m. Die Profile wurden so angelegt, daß sie die vermuteten Lagerungsstörungen generell senkrecht querten. Der Punktabstand auf den Profilen betrug z. T. nicht mehr als 25 m. Im oberen Teil der Abbildung ist ein Ausschnitt der ermittelten Karte der lokalen Schwerestörungen dargestellt. Über den geologischen Profilschnitt ist unmittelbar eine Zuordnung der Schwerestörungen zu Flözdeformationen möglich. Die Sattelzonen bilden sich erwartungsgemäß als kräftige Schwereminima ab, flözfreie Bereiche und Flözeinmuldungen werden durch positive lokale Schwerestörungen indiziert. Die auf dem Bohrprofil angetroffenen Lagerungsstörungen können im Ergebnis der Schwerestörungen auf das Gesamtgebiet extrapoliert werden. Form- und Intensitätsveränderungen der Schwereanomalien deuten auf Lage- und Mächtigkeitsveränderungen des Flözes hin. Beispielsweise dürfte die Mulde um Bohrung 1 wenig südlich des Profilschnittes ausklingen (Konvergieren der Minuszonen!). Die größte scheinbare Kohlemächtigkeit ist in jedem Falle in der Minuszone um Bohrung 8 etwa 100 m südlich des Profiles zu erwarten. Das Anomalienbild vermittelt ohne weiteres noch eine ganze Reihe solcher qualitativen Merkmale. Die Aufgabenstellung konnte auch hier mit gutem Erfolg gelöst werden.
10*
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K . SCHÖSSLEE
W/
M
1
2
Abb. 6. Lokale Schwerestörungen über extremen glazigenen Lagerungsstörungen eines Braunkohlenflözes in der Lausitz 1 — lokale Schweremaxima, 2 — lokale Schwereminima, 0 bis 0,8 |imr ! bzw. < —0,8 Jims -2 ), 3 — Linien gleicher lokaler Schwerestörung, Abstand 2 X 10 _ 1 [¿ms-2 4 — Bohrprofil
3.2.2. Glaziäre Destruktionen — Erosionsstrukturen Glaziäre Erosionsstrukturen bedeuten auf Grund ihrer möglichen großen Tiefenreichweite und Längserstreckung eine sehr drastische Lagerungsstörung innerhalb der känozoischen Sedimente. Praktisch bestimmen sie fast stets die Begrenzung von Lagerstätten oder zumindest Lagerstättenteilen und stehen deshalb oft im Vordergrund einer gezielten Erkundung. Für die Prognose einer gravimetrischen Lokalisierung von Erosionsstrukturen spielen folgende Prozesse die ausschlaggebende Rolle: 1. Zerstörung und Ausräumung der ursprünglichen Sedimentfolge unter anderem auch der Braunkohle, 2. Wiederverfüllung der Rinnen mit hydromechanisch beanspruchtem Material. In beiden Fällen ergibt sich in der Regel eine höhere durchschnittliche Dichte für die Sedimente innerhalb der Erosionsrinne, so daß die Voraussetzungen für einen gravimetrischen Nachweis vorhanden sind.
_J 500
-18-
Zh
I 1000
3
I 1S00 Meter
i.
Abb. 7. Gravimetrische Erkundung einer Erosionsrinne in einem Braunkohlenfeld der Niederlausitz 1 — Linien gleicher BOUGUER-Schwerestörung, 3 — Braunkohlenflöz, Abstand 1 [¿ms-2, 4 — Sand/Kies z. T. Ton, 2 — Bohrprofil mit Bohrpunkten, 5 — Geschiebemergel
K. SCHÖSSLER
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Abb. 7 zeigt das Ergebnis von Schweremessungen über einer Rinne im Zentrallausitzer Raum (siehe auch SCHÖSSLEE, 1969). Die geologische Situation ist dem vereinfachten Profilschnitt im unteren Teil der Abbildung zu entnehmen. Trotz des großen Punktabstandes von 100 m auf einem quadratischen Meßnetz konnte der Rinnenverlauf einwandfrei bestimmt werden. Das Rinnentiefste sollte sich mit dem Verlauf der Plusachse decken. Die randlichen, steilen Schwereflanken des Maximums weisen auf steile Flanken der Rinne hin. Mit
1
3
k 2
—\r
Abb. 8a. Gravimetrische Erkundung von Erosionsstrukturen in einer Tonlagerstätte im Norden der DDR 1 — Linien gleicher BououER-Schwerestörung, 2 — Lage des Profils Abb. 8 b mit Bohrpunkten, Abstand 1 [¿ms-2, 3 — Schwereplus- und -minusachsen
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
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Abb. 8b. Gravimetrische Erkundung von Erosionsstrukturen in einer Tonlagerstätte im Norden der DDR, Schwereprofil und vereinfachter geologischer Schnitt
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K . SCHÖSSLER
der Verbreiterung und Intensivierung der Schwerestörung von N W nach SE geht eine Verbreiterung und Vertiefung der Erosion einher. Heute ist die Rinne bereits überbaggert worden. Die damalige gravimetrische Interpretation wurde bestätigt. Offen blieb dabei die Frage der Dichteverhältnisse. Die relativ hohen gravimetrischen Störbeträge von rd. 10 ¡xms~2 wurden ursächlich mit Geschiebemergel in Verbindung gebracht, der aber im Anschnitt nicht in dem vermuteten Maße angetroffen wurde. Neuere Dichtebestimmungen stehen einer Nachbewertung leider nicht zur Verfügung. Der Nachweis von Erosionsstrukturen ist nicht nur in Braunkohlenfeldern von Interesse. Gravimetrische Messungen wurden z. B. auch mehrfach schon zum Nachweis von Rinnen in Kreide- oder Tonlagerstätten durchgeführt. Die Abbildungen 8 a und 8 b zeigen Resultate von Schweremessungen in einer perspektiven Tonlagerstätte im Norden der DDR. Das Rupeltonvorkommen wird durch etwa 300 m bis 500 m breite Erosionsrinnen untergliedert; das Oberkantenrelief des Tones insgesamt ist durch die pleistozänen Schmelzwässer stark kupiert. Über dem Rupelton wird nach den Bohrergebnissen in unterschiedlicher Mächtigkeit Geschiebemergel angenommen. Die gravimetrischen Ergebnisse basieren auf Schweremessungen mit 100 m Punktabstand, stellen für diese Problematik also lediglich Übersichtsmessungen dar. Bereits in der Karte der BoüGUER-Schwerestörung Abb. 8a sind insbesondere im östlichen und südlichen Teil markante positive Anomalienzüge zu erkennen, die sich lagemäßig mit der vermuteten Erosionsrinne decken. Analog den anderen Beispielen weisen auch hier Form und Intensität der lokalen Schwerestörungen auf unterschiedliche Ausbildung der Rinne (Breite, Tiefe, Verlauf usw.) hin. Mit Abb. 8 b wurde der Versuch einer quantitativen Interpretation auf einem Profilschnitt unternommen. In Anlehnung an die Bohrresultate ergab sich das Erosionsniveau etwa spiegelbildlich zur Schwerekurve. Das Rinnentiefste befindet sich danach zwischen den Bohrungen 2 und 3 bei rd. — 50 m NN. Insgesamt gelang es, Lage und Verlauf der Hauptrinnenstruktur einschließlich zahlreicher Nebenäste festzustellen und somit die Voraussetzungen für eine gezielte Bohrerkundung zu schaffen. Auf die erreichbaren Resultate einer optimalen Verknüpfung von geologischen, petrophysikalischen und gravimetrischen Ergebnissen in Form einer dreidimensionalen Modellierung wurde bereits von SCHÖSSLER und S C H U B E R T 1982 hingewiesen. Als Ansatzpunkt der Interpretation dient dabei ein Differenzenschwerefeld, das sich aus dem Vergleich eines Modellschwerefeldes mit einem aus den Feldmessungen abgeleiteten lokalen Schwerefeld ergibt. Das Modellschwerefeld wird für ein nach Bohrergebnissen (z. T. mehr als 1000 Bohrungen!) ermitteltes geologisches Startmodell — Mächtigkeitsbzw. Tiefenlinienpläne — berechnet. Der für den Erfolg der Modellierung entscheidendste Schritt ist die Bestimmung der lokalen Schwerestörungen aus dem gemessenen Summenschwerefeld, die so weit wie möglich dem auch im Modell berücksichtigten Teufenbereich entsprechen müssen. Mit der Zielrichtigung einer Minimierung des Differenzenfeldes ist das geologische Ausgangsmodell — soweit es die Bohrungen zulassen — zu verändern. Im Ergebnis dieser Bearbeitung entsteht ein aus gravimetrischer Sicht verbessertes geologisches Modell, das wiederum in Form von Tiefenlinien- oder Mächtigkeitskarten der weiteren geologischen Erkundung zur Verfügung steht. Die Abbildungen 9 a—f zeigen das Ergebnis von dreidimensionalen Modellierungen zur Erkundung einer Erosionsrinne in einem Braunkohlenflöz der Niederlausitz. Abb. 9a
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
153
Abb. 9. Dreidimensionale gravimetrische Modellierung zur Erkundung einer Erosionsrinne in einem Braunkohlenfeld Flözmächtigkeiten in a und f in Metern lokale Schwerestörungen in b bis e in [i.ms~2
widerspiegelt die Vorstellungen über Flözverbreitung und -mächtigkeiten vor den Schweremessungen. Abb. 9 b zeigt das entsprechende Modellschwerefeld. Die Bereiche größter Flözmächtigkeit (um 12 m) decken sich lagemäßig mit einer Zone geringster lokaler Schwerestörungen, die Abb. 9 b etwa von S nach NNW durchzieht. Das Anomalienbild der lokalen Schwerestörung Abb. 9 c wird dagegen von einem etwa WSW—ENE verlaufenden Schweremaximum beherrscht. Diese Unterschiede drücken sich in sehr markanten Differenzanomalien Abb. 9d aus. Eine wesentliche Verbesserung der Situation wird erreicht durch die Annahme einer Flözmächtigkeit und -Verbreitung entsprechend Abb. 9f. Ein Kohlevorkommen im N W ist von einem weiteren im SE offensichtlich durch eine 500 m bis 600 m breite Erosionsrinne getrennt (vergleiche auch SCHÖSSLEB und S C H U B E R T , 1982, Abb. 7 unterer Abschnitt). Die Differenzanomalien Abb. 9e klingen mit dem veränderten Flözmodell bereits deutlich ab, lediglich im zentralen Bereich verbleibt mit Werten um 2 [¿ms -2 eine geschlossene Indikation. Für den nächsten Zyklus der Modellierung wurde hier ein Geschiebemergelvorkommen angesetzt (in Abb. 9 nicht mehr dargestellt) und damit die angestrebte Minimierung der Differenzanomalien erreicht. Gegenüber den ursprünglichen geologischen Vorstellungen konnte im Ergebnis der gravimetrischen Erkundung ein stark verbessertes Lagerstättenmodell entwickelt werden.
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K . SCHÖSSLEE
Die in Kap. 1 erörterten prinzipiellen Probleme der gravimetrischen Erkundung können auch nicht mit einer noch so aufwendigen 3-dimensionalen Modellierung gelöst werden. Das Äquivalenzprinzip z. B. hat nach wie vor Gültigkeit. Die dreidimensionale Bearbeitung ist nur dann sinnvoll, wenn die Zuordnung der Schwerestörungen relativ klar ist und möglichst keine komplexen Störursachen auftreten (also z. B. in Einflözlagerstätten) .
3.2.3. Subrogene
Formen
I n Abhängigkeit von den zeitlichen Beziehungen zwischen den subrosiven Vorgängen und der Braunkohlenflözbildung — prägenetisch, syngenetisch (Kesselbildungen) oder postgenetisch (Lochbildungen) — entstehen sehr differenzierte Lagerungsverhältnisse. Die mögliche Mehrphasigkeit der einzelnen Prozesse erhöht den Kompliziertheitsgrad. Die Prognose der gravimetrischen Erkundbarkeit subrogener Lagerungsformen setzt deshalb eine sorgfältige Bewertung der vielschichtigen Störeffekte voraus. Bruchtektonische Vorgänge und mit diesen verbundene Subrosionen bzw. Auslaugungen bedingen eine mehr oder weniger starke Auflockerung des Gesteins Verbandes. Volumen- bzw. Massenverluste im Prätertiär wurden fast stets durch höhere Mächtigkeiten der känozoischen Sedimente ausgeglichen. Sowohl die geringere Dichte der Auslaugungs- bzw. Verbruchgesteine wie auch die der känozoischen Sedimente mit anomaler Mächtigkeit führen zur Ausbildung von sehr deutlichen und weitgespannten Schwereminima über solchen Senkungszonen. Abb. 10 zeigt das Ergebnis einer gravimetrischen Vermessung im Halle—Leipziger Braunkohlengebiet. Das Hauptinteresse gilt dem sehr kräftigen Minimum im rechten Teil der Abbildung. Der schematisierte geologische Profilschnitt läßt die Störursachen — wie oben beschrieben — erkennen. Die Lagen der tektonischen Störungen als seitliche Begrenzungselemente der Gesamtstruktur werden im Bereich der Zonen maximaler horizontaler Schweregradienten vermutet (in der Originalkarte mit geringeren Isolinienabständen sind die Gradientenzonen noch besser zu erkennen!). Das Braunkohlenflöz liegt in gleichmäßiger Ausbildung vor. Das bedeutet, daß die Subrosion bis zur Flözbildung abgeklungen war. Im nächsten Beispiel aus dem gleichen Erkundungsraum hält die Subrosion dagegen bis zur Zeit der Flözbildung an. Syngenetisch kommt es zur Bildung von Kesselstrukturen ( E I S S M A N N , 1985) mit z. T. sehr hohen Flözmächtigkeiten. Die durchgeführten gravimetrischen Spezialmessungen hatten die Aufgabe, diese für Vorratsberechnung und Abbautechnologie gleichermaßen bedeutsamen subrogenen Lagerungsstörungen aufzufinden und in ihren geometrischen Ausmaßen zu erkunden. Im gravimetrischen Anomalienbild der Abb. 11 dominieren zwei markante Schwereminima um Bohrung 2 bzw. 7 mit Störhöhen bis über 10000 X10" 18 m • s~2. Nach dem vereinfachten Profilschnitt im unteren Teil der Abbildung finden sie ihre Störursachen in den zu lokalisierenden Kohlekesseln. Form und Intensität der lokalen Schwerestörung lassen auch hier wieder qualitative Rückschlüsse auf die geometrischen Ausmaße der Kessel zu (gedankliche Transformation der Linien gleicher lokaler Schwerestörung z. B. in Tiefenlinien). Es ist zu erkennen, daß die vorhandenen
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Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
Gradient. Maximum ßuntsandstem
0 1
Zecli stein
500 I
1000 I
Meter
Porphyr
Porphyr
Abb. 10. Gravimetrische Erkundung von subrogenen Lagerungsstörungen im Prätertiär/Tertiär im Halle—Leipziger Braunkohlenrevier, Karte der 2. Ableitung qzz nach G B O S S E , Formel V l l a
Bohrungen weder zur Abgrenzung der Kessel noch zur Bestimmung der Senkungszentren ausreichen. Der Kessel um Bohrung 2 ist merklich W—E-gestreckt. Seine Flanken in diesen Richtungen sind relativ flach, wesentlich steiler dagegen in N—SRichtung. Bei Bohrung 7 scheint die Subrosionsstruktur eine fast kreisförmige Be-
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K . SCIHÖSSLER
90 r fc 80 h 1 z$ 7 0 h — 60 5 0 0 Meter
i
1
Abb. 11. Lokale Schwerestörungen (gzz nach GROSSE, Formel Vlla) über Braunkohlenkesseln im Halle — Leipziger Braunkohlenievier 10- 15 cgs A 1 0 - l s m . i - !
grenzung einzunehmen. Vom Zentrum der Senkung 250 m bis 300 m südlich Bohrung 7 dürfte — entsprechend dem Isolinienbild — die Flözmächtigkeit gleichmäßig nach E, N und W abnehmen. Ohne Zweifel geht bei derartigen Kesselstrukturen die Ursache der Schwereminima hauptsächlich auf die Mächtigkeitszunahme der Flöze zurück. Ein bestimmter Anteil muß aber auch im tieferen Untergrund gesucht werden (siehe Abb. 10). Offen bleibt fast stets die Frage der quantitativen Festlegung der einzelnen Störanteile. Obwohl es methodisch keine Schwierigkeiten gibt 2- oder auch 3dimensionale Störkörperberechnungen durchzuführen, bleiben entsprechende Arbeiten auf Grund der unbekannten Störanteilzuordnung hypothetisch.
Abb. 12. Lokale Schwerestörungen (gzz nach GBOSSE, Formel Va) über glaziären Bruchformen in einem Braunkohlenfeld der Lausitz
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K. SCHÖSSLER
Erst in Verbindung mit Kontrollbohrungen und erweiterten Kenntnissen über die Dichte Verhältnisse kann die quantitative Interpretation verbessert werden. Postgenetische Absenkungen führen zu Lochstrukturen, d. h. zu Einmuldungen der Flözfolge ohne Mächtigkeitsanschwellungen der Flöze. Solche Lagerungsformen des Braunkohlenflözes bewirken eine Erhöhung der Schwerewerte (vgl. Tabelle 2), die Tertiärmulde insgesamt jedoch eine Abnahme. Beide Störeffekte überlagern sich, wobei im ungünstigsten Falle gerade eine gegenseitige Aufhebung denkbar ist. Als günstig bleibt zu vermerken, daß derartige Extremfälle bei praktischen Erkundungsarbeiten bislang nicht aufgetreten sind. 3.3. Weitere mögliche Erkundungsaufgaben Aus unserer Sicht erscheinen die Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung von Lagerungsstörungen känozoischer Sedimente gegenwärtig noch nicht voll ausgeschöpft. Diese Auffassung geht nicht aus von der Annahme einer zukünftigen methodischen Weiterentwicklung des Verfahrens oder einem komplexen Einsatz der Gravimetrie mit anderen geophysikalischen Meßmethoden — solche Leistungsreserven sind in jedem Falle extra noch vorhanden —, sondern von der Transformation heutiger Routinearbeiten auf neue geologische Aufgabenstellungen. Zur Zeit werden Schweremessungen zum Nachweis und zur Abgrenzung von glaziären Bruchformen (z. B. Muskauer Faltenbogen) durchgeführt. Es zeichnet sich ab, daß die einzelnen steilgestellten Flözschollen mit einem typeigenen Anomalienbild — nämlich Wechsel von halbkreisförmig gebogenen, eng begrenzten lokalen Schwereminima und -maxima — einhergehen (Abb. 12). Als lösbar wird darüber hinaus auch die Lokalisierung von solokinetischen Strukturen (Flözdiapire, Flözkissen) oder Flözaufpressungen an Eisrändern gesehen, falls deren Aufstiegshöhe ein bestimmtes Maß (ca. 5 m bis 10 m in Abhängigkeit von der Flöztiefe) übersteigt. Selbst bei größeren Saigerungsstrukturen (Tropfenböden) oder „Eiskeilen" können Dichte- bzw. Massenveränderungen in solchen Dimensionen auftreten, daß sie einer gravimetrischen Erkundung zugänglich werden. Hier, wie auch bei den vorgenannten Problemen, müßten die Schweremessungen allerdings wohl auf einem relativ dichten Meßpunktnetz erfolgen. Diese Aufzählung orientiert bewußt auf Probleme der Detailerkundung, weil offensichtlich gerade die unteren Grenzen der Einsatzmöglichkeiten gravimetrischer Messungen zur Erkundung von Lagerungsstörungen känozoischer Sedimente neu zu fixieren sind. 4. Literatur L., 50 Millionen Jahre Subrosion, Über Persistenz und Zyklizität von Auslaugungsprozessen im Weißelsterbecken. Geophys. u. Geol., geophys. Veröff. d. KMU Leipzig, Berlin, m (1985) H. 2. FABIANCSICS, L . , Das Gamma-Gamma-Verfahren in der Braunkohlenerkundung unter besonderer Berücksichtigung der Meßgenauigkeit. Wiss.-techn.-Inform.dienst d. Zentr. Geol. Inst. Berlin, 10 (1969) Sonderheft 3. G K I F F I N , W. R., Residual gravity in theory and praxis. Geophysics, Tulsa 14 (1949).
EISSMANN,
Möglichkeiten der gravimetrischen Erkundung
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Geophys. u. Geol.
Geophys. Veröff. d. KMU Leipzig
Bd. I I I
H. 4 S. 161 — 195 Berlin 1987
Geoelektrische Erkundung yon Lagerungsstörungen in Lockergesteinen F . JACOBS, H . PBTZOLD, K . - H . NITSCH 1
Zusammenfassung: Geoelektrische Verfahren zur Messung des Widerstandsverhaltens von Gesteinen unter natürlichen Bedingungen bieten gute Möglichkeiten zur Erfassung von Lagerungsstörungen. Nach einem Überblick zu elektrischen Widerständen bzw. Leitfähigkeiten von Lockergesteinen werden die methodischen und technischen Grundlagen der geoelektrischen Widerstandsverfahren kurz vorgestellt. An Hand von numerisch gewonnenen Musterkurven folgt eine Diskussion der Möglichkeiten und Grenzen der Widerstandsgeoelektrik unter besonderer Berücksichtigung von Wirkungstiefe, Auflösungsvermögen, Dünnschichtnachweis, hochohmiger Bedeckung, Oberflächenrelief und Aquivalenzprinzip. Praktische Anwendungsbeispiele zur Erfassung von Lage, Form und Eigenschaften känozoischer Bildungen im Südteil der DDR verdeutlichen die Leistungsfähigkeit der Widerstandsgeoelektrik für die Erkundung von Lagerungsstörungen im volkswirtschaftlich bedeutsamen Deckgebirgsstockwerk. Im einzelnen wird auf folgende Fragestellungen eingegangen: Anomaliebilder exogentektonischer Störungsformen, Sandlinsen im Geschiebemergel, Geschiebemergel und Ton in sandigen Schichten, Schmelzwasserablagerungen, flächenhafte Erfassung des Verhältnisses rollig/ bindig, Bänderton-Gleitflächen, Tonlagerstätten, Kohleaufwölbungen, Kohlemächtigkeiten, komplexer Einsatz von Geotechnik und Gravimetrie im Lockergebirge, geoelektrisch-bodenmechanische Untersuchungen auf Kippen, über Transporttrassen und im Baugrund. Summary: Geoelectric resistivity methods are a suitable means to detect perturbations within loose rock layers. After reviewing the electric resistivities or conductivities of loose rocks respectively, methodical and technical principles of geoelectric resistivity methods are briefly described. By means of calculated master curves the capabilities and limitations of resistivity measurements are discussed. Practical examples of the determination of position, shape and properties of Caenozoic sediments in the southern part of the GDR demonstrate the efficiency of geoelectrics in exploring disturbances within the economically interesting unconsolidated overburden. PeaiOMe: reoBJieKTpHiecKHe MeTojjH H3MepeHHH conpoTHBjieHHH nopoff B ecTecTBeHHHX ycnoBHHX naioT xoponiHe BO3MOJKHOCTH OXB&THTB HapymeHHH 3aneraHHH. Ilocjie oÖ3opa ajieKTpniecKHx COnpOTHBJieHHft H npOBOAHMOCTeit pUXJIHX nopofl KOpOTKO npenCTaBJIHIOTCH MeTOAHHeCKHe H TEXHHIECKHE OCHOBH METOFFOB 3JieKTpopa3BeHKHMeToaoM conpoTHBjieHHH. H a npHMepe racneHHo n o j i y i e H H H x k p h b h x npoBOflHTCH o6cy>KReHiie B03M0jKH0creft h orpaHHieHHö 3JieKTpopa3Be,nKii MeTOAOM COnpOTHBJieHHH. IIpaKTHHeCKHe npHMepH BHHBJieHHH 3aJieraHHH, $0pMH H CBOitCTB KaÜH030itCKHX 06pa30BaHHÜ H3 WJKHOÄ HaCTM T f l P yTBepJKAaiOT B03M0JKH0CTH 3HeKTp0pa3BeflKH ÄJIH pa3BeRKH HapymeHHii saJieraHHH B HAPOSHOXO3HÜCTBEHH03HAHHMUX p t i x j i t i x n o p o R a x . I
Anschriften der Verfasser: Dr. sc. F. JACOBS, WB Geophysik, Sektion Physik der Karl-Marx-Universität, DDR-7010 Leipzig, Talstr. 35; Dr. H. PETZOLD und Dipl.-Geophys. K.-H. NITSCH, VEB BuS Welzow; DB Projektierung, Abt. Lagerstättenprojektierung, DDR-7805 Großräschen.
II
Lauterbach III/4
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F . JACOBS, H . PETZOLD u n d K . - H .
NITSCH
1. Elektrische Eigenschaften von Gesteinen Der Einsatz geoelektrischer Meßverfahren zur Erfassung von Lagerungsstörungen in Lockergesteinen beruht fast ausschließlich auf der Verwendung des spezifischen elektrischen Widerstandes. Andere physikalische Kenngrößen wie die Dielektrizitätskonstante und die magnetische Permeabilität, die in der angewandten Geoelektrik eine gewisse Rolle spielen können, treten in ihrer Bedeutung stark zurück. Der spezifische elektrische Widerstand ist die physikalische Eigenschaft jedes Materials der Ausbreitung eines elektrischen Stromes entgegenzuwirken. Anstelle des Begriffes Widerstand wird häufig dessen reziproke Größe, die elektrische Leitfähigkeit, verwendet. Jeder homogene geologische Körper kann durch einen ganz speziellen elektrischen Widerstand charakterisiert werden, den wahren spezifischen Widerstand Q. In der Geoelektrik ist die Angabe von g in Qm (Ohmmeter) üblich. Die Einheit des Ohmmeter ist definiert als der elektrische Widerstand eines Leiters von 1,0 m Länge und 1,0 mm2 Querschnitt, in dem bei 0°C und einer angelegten Spannung von 1 Volt ein Strom von 1 Ampere fließt. Der spezifische elektrische Widerstand ist also über die geometrischen Abmessungen des Leiters mit dem durch Messung aus Strom und Spannung gewinnbaren W o h r e spezifische
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Geoelektrische Erkundung von Lagerungsstörungen 50
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Abb. 2. Spezifischer elektrischer Widerstand von mineralisiertem Wasser nach
BRANDT
u . a . (1976)
Ohmschen Widerstand verknüpft. Die geometrischen Konfigurationen der Anordnungen der Meßelektroden an der Erdoberfläche gehen als konstante Multiplikatoren in die Berechnung des wahren spezifischen Widerstandes aus dem Ohmschen Widerstand ein. Abb. 1 zeigt einige spezifische Widerstände ausgewählter Locker- und Festgesteine, die bei der geoelektrischen Erkundung von Lagerungsstörungen eine Rolle spielen. In Lockergesteinen steigt der Widerstand mit zunehmender Korngröße und sinkendem Wassergehalt, der Widerstand fällt mit zunehmender Bindigkeit und wachsender Durchfeuchtung. Festgesteine zeichnen sich im allgemeinen durch hohe Widerstände aus. Zunehmende Zersetzung und der damit einhergehende Zutritt von Wasser vermindern die Widerstände teilweise erheblich. Abb. 1 veranschaulicht neben den unterschiedlichen Größenordnungen der Gesteinswiderstände auch ihre mitunter recht erheblichen Schwankungsbreiten. Letztere haben gesteinsbedingte und/oder wasserbedingte Ursachen (vgl. auch Abb. 3). Stofflich sind verschiedene Minerale und damit unterschiedlich leitfähige Bestandteile beteiligt. Strukturell sind die Mineralkomponenten zu Gerüsten unterschiedlicher Korngrößen, Kornformen und Packungsdichten zusammengefügt und können infolge vorheriger diagenetischer Beanspruchung zusätzlich in ihrem Widerstandsverhalten beeinflußt sein. Der Gesamtwiderstand eines Lockergesteins wird entscheidend durch wasserbedingte Faktoren und den für die Füllung zur Verfügung stehenden Porenraum bestimmt. Besonders die elektrochemischen Eigenschaften des Flüssigkeitsanteils verändern maßgeblich den spezifischen elektrischen Widerstand. Abb. 2 zeigt den Einfluß geringer Beimengungen von Elektrolyten auf die Erhöhung der Leitfähigkeit des Grundwassers. 11*
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Ohne genaue Kenntnis des Mineralisationsgrades des Wassers ist die quantitative Ermittlung hydrologischer Kennzahlen — wie beispielsweise der Korngröße und des Durchlässigkeitsbeiwertes — allein aus geoelektrischen Widerstandsangaben nicht möglich. Auch Beimengungen in fester Phase können den Gesamtwiderstand eines Lockergesteins stark verändern. So wird der Widerstand eines Sandes durch tonigschluffige Beimengungen mitunter erheblich herabgesetzt. Die Messung des wahren spezifischen Widerstandes eines Gesteinskörpers ist im Gelände nur in seltenen Fällen möglich, da gewöhnlich mehrere geologische Gebilde den Stromfluß im Untergrund bestimmen. Auf Grund der integralen Ausbreitung und Wirkung eines elektrischen Feldes gewinnt der Geophysiker zunächst nur einen scheinbaren spezifischen Widerstand ps. Dieser ist, wie aus Abb. 3 ersichtlich, außer von den bereits erwähnten einzelnen spezifischen Widerständen der verschiedenen Gesteinskomplexe — also dem gesamten Umfeld — auch von der Geometrie des gesuchten Störkörpers und der Meßkonfiguration abhängig.
Abb. 3. Einflüsse auf den scheinbaren spezifischen Widerstand über einem Gesteinskörper
Geoelektrische Erkundung von Lagerungsstörungen
165
Die erfolgreiche geoelektrische Erkundung wird entscheidend vom Widerstandskontrast zur Umgebung, insbesondere zum Hangenden, aber auch zum Liegenden geprägt. Ausreichende Widerstandsunterschiede ergeben sich in der Regel an der Grenze folgender Komplexe: bindig-rollig, kohlig-rollig, rollig wasserführend-rollig trocken und bindig-Festgestein. Mit zunehmender Tiefe eines Widerstandskontrastes verschwinden seine Effekte auf das elektrische Feld an der Erdoberfläche. Eine Schicht kann — weitgehend planparallele Begrenzungen mit Neigungswinkeln kleiner 5 Grad vorausgesetzt — sicher erkannt und in der Vertikalen mit Genauigkeiten unter 10% der Tiefenlage erkundet werden, wenn das Verhältnis der Mächtigkeiten m von Schicht und Bedeckung WiSchicht/^Decke =
1
und ein Widerstandsunterschied zwischen der nachzuweisenden Schicht und der Bedeckung i?Sehieht/i?Decke
= 2
oder
(?Schicht/(?Decke =
0>5
besteht. Die Festlegung der Ausdehnung geologischer Körper in der Horizontalen ist nur bei steilstehenden Grenzflächen, auskeilenden Schichten oder isolierten Gebilden in fremder Einbettung möglich. Eine Faustregel für die Erkundbarkeit und die Genauigkeit der Konturierung kann nicht angegeben werden; die Verhältnisse werden um so günstiger, je oberflächennäher und elektrisch kontrastreicher die Grenzflächen ausgebildet sind. Falls die natürlichen Voraussetzungen für den Einsatz der Geoelektrik bestehen, dann spielt die Wahl der Meßkonfiguration, also die Positionierung der Elektroden und Sonden eine wichtige Rolle, um geophysikalisch und geologisch interpretierbare Meßdaten des scheinbaren spezifischen Widerstandes zu gewinnen. 2. Geoelektrische Widerstandsverfahren Zur Messung des scheinbaren spezifischen Widerstandes an der Erdoberfläche wird über 2 entgegengesetzt gepolte Elektroden A und B ein elektrischer Strom in den Boden eingespeist (s. Abb. 4). Zwischen den Elektroden bildet sich ein elektrisches Feld aus, dessen Stromlinienverlauf von der geologischen und geophysikalischen Situation gemäß Abb. 3 abhängig ist. Senkrecht zu den elektrischen Feldlinien entstehen Flächen gleichen elektrischen Potentials, deren Form wiederum durch die speziellen Untergrundbedingungen beeinflußt wird. Insbesondere ist die Differenz des Potentials zwischen zwei Niveauflächen neben der Stärke des Speisestromes von der räumlichen Verteilung der spezifischen elektrischen Widerstände abhängig. Aus der Messung der Stromstärke / zwischen den Elektroden A und B und der Spannung U (entspricht der Potentialdifferenz zwischen den potentialabgreifenden Sonden M und N) kann unter Beachtung der gegenseitigen Lage von Elektroden und Sonden über das ÜHMsche Gesetz der scheinbare spezifische Widerstand errechnet werden. Zur Erzeugung des elektrischen Feldes ist prinzipiell eine Gleichstromquelle geeignet. Allerdings würden in diesem Falle industrielle Störströme die Sondenspannung stark verändern können, so daß bei praktischen Untersuchungen im Gelände meist mit niederfrequentem Wechselstrom gearbeitet wird. Dieser hat den Vorzug, daß die Empfangs-
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Abb. 4. Geoelektrische 4-Punkt-Anordnung mit Stromlinien zwischen und Potentialflächen um Elektroden A und B (Quasigleichstrom)
Charakteristik des den Sonden nachgeschalteten Spannungsmeßgerätes selektiv auf die
ausgesendete Nutzfrequenz einstellbar ist. Die Sonden sind dann tatsächlich nur für Stromanteile des bei A und B eingespeisten Stromes empfänglich. Die Interpretation der unter Verwendung von niederfrequentem Wechselstrom (/ < 100 Hz) gewonnenen
Abb. 5. Geoelektrische 4-Punkt-Messung auf der Arbeitsebene eines Braunkohlentagebaues
Geoelektrische Erkundung von Lagerungsstörungen
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Meßergebnisse kann später trotzdem nach den gleichen Grundregeln erfolgen wie im Falle von Gleichstrom. Eine aus den Elektroden A und B sowie den Sonden M und N bestehende VierpunktAnordnung zur Widerstandsmessung wird zur Vereinfachung der Meßdurchführung und zur Minimierung des numerischen Auswerteaufwandes linear und symmetrisch ausgelegt. Auf Abb. 5 befinden sich außen die Stromelektroden und innen die Spannungssonden. Aus potentialtheoretischen Gründen ist eine Vertauschung von Elektroden und Sonden möglich und für Kontrollzwecke hin und wieder zu empfehlen. Zur Ermittlung der Form und Lage von geologischen Körpern muß die Vierpunktanordnung an der Erdoberfläche bewegt werden. Das geschieht zweckmäßigerweise auf Profillinien unter Beibehaltung der Symmetrie. Der für die jeweiligen Positionen ermittelte scheinbare spezifische Widerstand wird auf den Mittelpunkt der Meßanordnung bezogen. Unter Wahrung des gegenseitigen Abstandes der Elektroden und Sonden wandert der Bezugspunkt entlang des Profiles oder der Meßfläche bei etwa gleichbleibender Eindringtiefe des Stromfeldes. Die gemessenen Widerstände repräsentieren dann in erster Näherung die elektrischen Eigenschaften eines jeweils gleich mächtigen Tiefenabschnittes unter der Erdoberfläche. Geoelektrische Vierpunktmessungen mit konstanter Aufstellungsweite und veränderlichem Mittelpunkt bezeichnete man früher aus naheliegenden Gründen als Kartierung. Heute ist in Anlehnung an den internationalen Sprachgebrauch die Bezeichnung Profilierung üblicher geworden (profiling, profilirovanie). Mittels geoelektrischer Kartierung lassen sich bevorzugt horizontale Änderungen der Lagerungsverhältnisse nachweisen. Wird eine vertikale, tiefenbezogene Aussage angestrebt, dann behält man zweckmäßigerweise den Meßmittelpunkt bei und expandiert die Anordnung unter Beibehaltung des Symmetriecharakters. Durch die Erweiterung des Abstandes der Elektroden werden immer größere Tiefenbereiche vom Stromfluß erfaßt. Der scheinbare spezifische Widerstand ist dadurch auch eine Funktion der Aufstellungsweite und trägt in sich eine tiefenabhängige Aussage über das elektrische Verhalten der Gesteine im Untergrund. Zur feldmethodischen Realisierung solcher Vertikalsondierungen — auch Tiefensondierungen oder nur Sondierungen genannt — kommen die Verfahren nach S C H L U M B E R G E R oder nach W E N N E R in Anwendung (Abb. 6). Beim ScHLüMBERGER-Verfahren bleibt der Abstand c zwischen den Sonden M und N konstant, während die Abstände L zwischen den Elektroden A und B schrittweise vergrößert werden. Dagegen sind beim Verfahren nach W E N N E R die Abstände AM, MN und NB für jede Einzelmessung untereinander gleich. Der Sondierungseffekt entsteht durch gleichmäßiges Spreizen der gesamten Anordnung. Meßorganisatorisch ist das ScHLüMBERGER-Verfahren günstiger, da bei der Durchführung der Sondierungen nur die äußeren Elektroden A und B bewegt werden müssen. Man beachte, daß beide Arten von Meßanordnungen keine identischen Sondierungskurven liefern, da die räumliche Ausdehnung ihrer jeweiligen Wirkungsbereiche verschieden ist. Beim SCHLUMBERGEB-Verfahren konzentriert sich das Potentialgefälle und damit der Bezugsraum des gemessenen Widerstandes — wie auf Abb. 6 für verschiedene Elektrodenabstände ersichtlich — auf eine schmale Zone unterhalb der Sonden M und N. Dieser Wirkungsbereich ist bei WENNER-Sondierungen breiter und nach der Tiefe von größerem Öffnungswinkel. Der enger begrenzte Aufschlußbereich bei ScHLUMBERGER-Sondierungen macht dieses Meßverfahren weniger anfällig gegen laterale Inhomogenitäten, die den auf den Mittelpunkt der Anordnung bezogenen Meß-
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Abb. 6. Veränderung des Wirkungsbereiches einer 4-Punkt-Anordnung mit zunehmender Spreizung (homogener Untergrund), oben — Verengung (SCHLUMBERGEK), unten — Aufweitung (WENNER)
befund überlagern. Allerdings wirken sich dann störende oberflächennahe Einlagerungen oder Grenzflächen unmittelbar unterhalb des Sondenpaares empfindlicher aus als beim weiter auseinandergezogenen Potentialgefälle des WENNER-Verfahrens. Der mittels geoelektrischer Sondierungen gewonnene Aufschluß über die Lagerungsverhältnisse unter dem Mittelpunkt der Sondierungslinie repräsentiert ein anderes „Einzugsgebiet" als die dünne, zylinderförmige Säule eines Bohrloches. Jede geoelektrische Sondierungskurve ist trotz linearer Meßanordnung das Ergebnis eines räumlichen Integraleffektes, wobei sich die Grenzen des Integralbereiches mit jedem Spreizschritt
Geoelektrische Erkundung von Lagerungsstörungen
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nach allen Seiten ändern und nach unten unbegrenzt offen sind. Zwar verliert sich der Einfluß des Wirkungsbereiches mit zunehmender Tiefe auf Grund der rasch abnehmenden Stromdichte, aber eine Sondierungskurve kennt keine „Endteufe" wie eine Bohrung. Das elektrische Feld zwischen zwei punktförmigen Elektroden klingt nach einer komplizierten mathematischen Funktion in der Tiefe des Halbraumes ab. Diese Funktion ist außer von Stromstärke und Aufstellungsweite auch von der Gesamtheit aller erfaßten wahren spezifischen Widerstände abhängig und damit von Meßpunkt zu Meßpunkt immer wieder unterschiedlich. Daher sind quantitative Angaben von sogenannten Eindringtiefen oder Wirkungstiefen geoelektrischer Sondierungen im strengen Sinne nicht berechtigt, zumal derartige Zahlenwerte wegen ihrer scheinbaren Analogie zu Bohrtiefen oft genug zu Fehlschlüssen, nämlich falschen Zuordnungen und zu geringen Aufstellungsweiten, führen. Als Faustregel darf gelten, daß bis zu einer Tiefe, die der Aufstellungsentfernung L/2 (SCHLUMBERGEB) oder a ( W E N N E B ) entspricht, der Untergrund nur von maximal etwa 75% des gesamten Stromangebotes durchflössen wird und somit dessen Eigenschaften sehr unvollständig widergespiegelt werden. Die Aufstellungsweite L/2 oder a sollte deshalb etwa 3—5 mal so groß sein wie der Tiefenbereich, dessen Erkundung man sich zur Aufgabe gestellt hat. Die Durchführung von geoelektrischen Widerstandsmessungen im Gelände setzt keine Spezialkenntnisse voraus und erfordert im Vergleich zu anderen geophysikalischen und geologischen Erkundungsarbeiten nur geringen technischen Aufwand. Als Meßgeräte sind am einfachsten die auch bei Blitzschutzprüfungen verwendeten Erdungsmesser zu handhaben. Bei ihnen kann über eine Kompensationsschaltung direkt der OHMSche Widerstand ß als Quotient von Spannung und Strom abgelesen werden. Erdungsmesser arbeiten gewöhnlich mit Frequenzen zwischen 50 und 100 Hz, werden durch Batterie oder Kurbelinduktor betrieben, haben eine Leistungsabgabe von einigen Watt und Massen von wenigen Kilogramm. Erdungsmesser sind vorwiegend für Aufstellungsweiten unter 50 m geeignet. Die Verwendung leistungsfähiger Generatoren (bis in den Kilowattbereich) erlaubt die Auslegung von Sondierungen bis zu mehreren hundert Metern Aufstellungsweite. Speisestrom und Meßspannung werden dann in der Regel gesondert abgelesen. Die Meßgeräte sind durch einadrige Kabel mit einfachen Stahlspießen verbunden, die die Punktion der Elektroden und Sonden übernehmen. Zur Erreichung eines ökonomisch sinnvollen Meßfortschrittes sollte das Personal einer Gruppe aus mindestens 4 Kollegen bestehen. Als Meßleistung können — normale Geländebedingungen vorausgesetzt — pro Stunde im Durchschnitt mehrere Dutzend Profilierungspunkte oder 3—4 Sondierungen mit Aufstellungsweiten bis 100 Meter geschafft werden.
Die Transformation der vom Gerät erfaßten Meßgrößen in ein Modell der räumlichen Verteilung wahrer spezifischer Widerstände erfolgt in 2 Schritten. Zunächst werden durch einfache Multiplikation mit den Geometriefaktoren der Elektroden-SondenKonfiguration die scheinbaren spezifischen Widerstände errechnet. Im Gegensatz zu anderen geophysikalischen Verfahren, wie Seismik oder Gravimetrie, sind keinerlei Korrekturen oder aufwendige numerische Datenverarbeitungsoperationen erforderlich, um aus den Primärdaten die interpretationsfähige Endinformation herauszuholen. Noch im Gelände können die endgültigen Widerstandswerte zur Verfügung stehen. Im Falle von geoelektrischen Profilierungen ist dann meist auch eine erste geologische Deutung des Meßbefundes möglich. Schwieriger gestaltet sich die Interpretation von Widerstandssondierungen. Ihre Beherrschung erfordert theoretische Grundkenntnisse, Auswertediagramme, Modellkurven und viel Erfahrung gepaart mit Einfühlungsver-
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mögen in die jeweilige geologische Situation. Eine leichtfertige quantitative Bearbeitung — auch die kritiklose Verwendung von Computerprogrammen mit automatischer Interpretation — kann zu beträchtlichen Fehlern führen, da der Inhalt von Sondierungskurven aus prinzipiellen Gründen mehrdeutig ist. Während bei geoelektrischen Profilierungen eine datengetreue geologische Erstaussage auf schnellem Wege auch vom weniger Geübten gewinnbar ist, sollte zur Behandlung von Sondierungsergebnissen der erfahrene Geophysiker herangezogen werden. Ziel der Interpretation von Sondierungen ist die Erkundung der Schichtenfolge in der Vertikalen, also die Ableitung der reellen physikalischen Parameter Schichtwiderstände Qi und Schichttiefen d-t bzw. -mächtigkeiten m ; aus den scheinbaren spezifischen Widerständen Qs. Da ein ökonomisch befriedigender Algorithmus zur analytischen Direktinterpretation der Meßdaten noch nicht einsatzfähig ist, wird in der Praxis meist zum Kurvenvergleich zwischen gemessenen und synthetisch berechneten Daten gegriffen. Kurvensammlungen für Mehrschichtmodelle bis zu 5 Schichten liegen als Atlanten vor oder sind in Rechenanlagen gespeichert. Der Kurvenvergleich erfolgt fast ausschließlich auf grafischem Wege, seltener über Minimierungskriterien. Die veröffentlichten Modellkurven können nur einen geringen Teil der in der Natur vorkommenden Widerstands- und Mächtigkeitsverhältnisse berücksichtigen. Dadurch werden für ein bestimmtes Meßgebiet nur in Ausnahmefällen zu den Meßkurven deckungsgleiche Äquivalente mit genau definierten Parametern gefunden. Die Berechnung spezieller theoretischer Sondierungskurven ist deshalb zweckmäßig. Diese Aufgabe wird heute auch auf leistungsfähigen Tischrechnern realisiert. Die schnelle und erfolgreiche Anpassung einer Modellkurve an die Meßdaten beginnt mit einem möglichst günstigen Startmodell. Dieses kann unter Benutzung von Hilfspunktdiagrammen nach dem klassischen HUMMEL-EBERT-Verfahren schrittweise aus den gemessenen Widerstandskurven abgeleitet werden. Geologische Vorkenntnisse, wie beispielsweise die Ergebnisse von „Eichbohrungen" und Kartierungen in Tagebauaufschlüssen u. ä., erleichtern die Suche nach guten Startparametern.
3. Möglichkeiten und Grenzen der Geoelektrik Im folgenden Abschnitt sind einige ausgewählte Probleme angedeutet, mit denen die Bearbeiter von Widerstandssondierungen im Lockergestein immer wieder in Berührung kommen. Theoretische Modellkurven zur Interpretation geoelektrischer Sondierungen können auf relativ einfachem Wege nur für den Fall des homogenen, isotropen, planparallel geschichteten, seitlich unendlich ausgedehnten und an der Oberfläche ebenen Halbraumes berechnet werden. Geländeunebenheiten verzerren die Widerstandskurven, da sich die Ausbreitung der Stromlinien dem Relief anpaßt. Allerdings sind diese Veränderungen — abgesehen von Gebirgsgegenden mit starken Hangneigungen — in der Regel vernachlässigbar gering. Eine Ausnahme im Flachland bilden Böschungen, die im Vorfeld und auf den Arbeitsebenen der Tagebaue durch Fördergeräte ins Erdreich geschnitten oder aufgeschüttet werden. Abb. 7 zeigt den Einfluß des an der Oberfläche gestörten homogenen Halbraumes auf Sondierungskurven. Die Startlinien der Sondierungen verlaufen parallel zu den horizontal unendlich gedachten Strukturen. Die Kurven lassen in Abhängigkeit von der Böschungs-
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Abb. 7. Einfluß der Oberflächengestalt auf geoelektrische Sondierungskurven
ent.fernung und der Aufstellungsweite AB unterschiedliche Abweichungen vom Widerstandswert des Halbraumes erkennen. Sondierungen, die am Böschungsfuß zum Hochschnitt angelegt werden, liefern niedrigere Werte des scheinbaren spezifischen Widerstandes. Umgekehrt führen Sondierungen an der Böschungskante zum Tiefschnitt zu höheren Meßwerten. Die stärksten Abweichungen treten in Einschnitten (zu niedrige Werte) und entlang von Rücken auf (zu hohe Werte). Messungen quer zum Streichen von Oberflächenstrukturen führen zu noch komplizierteren und kaum mehr korrigierbaren Abweichungen. Bei Meßeinsätzen sollte deshalb möglichst beachtet werden, reliefgestörte Gebiete zu meiden, auf Arbeitsebenen die Meßprofile parallel zu den Böschungskanten und in
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Planummitte zu legen und bei begrenzter Baufreiheit eher zum Böschungsfuß als zur Bösehungskante auszuweichen. Eine wichtige Aufgabe für die angewandte Geoelektrik im känozoischen Deckgebirgsstockwerk Mitteleuropas ist der Nachweis des Vorhandenseins, der Mächtigkeit und der Struktur von Braunkohlenflözen. Auf Abb. 8 sind theoretische Sondierungskurven für vereinfachte braunkohlenspezifische Vertikalprofile dargestellt. Die im Säulenprofil angegebenen wahren spezifischen Schichtwiderstände wurden nach Erfahrungswerten festgelegt. Die Meßkurve A erlaubt keine Erkundung des Braunkohlenflözes, weil die elektrische Wirkung der 30-Qm-Schicht wegen zu geringer relativer Mächtigkeit sich nicht aus dem allgemeinen Widerstandsanstieg des schluffig-sandigen Komplexes heraushebt. Mit ähnlich ungünstiger Erkundbarkeit (Detektabilität) von Braunkohle muß bei fast allen Versuchen zur Erfassung des Flözes von der Rasensohle gerechnet werden. Das in unserem Fall gewählte Verhältnis von Deckgebirge zur Kohle von etwa 3 : 1 wird bekanntlich kaum noch angetroffen. Hinzu kommt, daß in vielen praktischen Fällen die Kohleflöze im Hangenden oder Liegenden von Tonschichten begleitet werden, die auf Grund des fehlenden kräftigen Widerstandskontrastes zur Kohle ohnehin eine quantitativ ausreichend genaue geoelektrische Erfassung des Flözes verhindern. Günstigere Verhältnisse sind auf Abb. 8 im Profil B vorhanden. Dieser Situation begegnet man nicht selten auf den Arbeitsebenen im Tagebau. Durch die Reduzierung des Deckgebirges hebt sich die Kohle der Sondierungskurve als relatives Minimum aus dem mächtigen, hochohmigen Sand-Kies-Komplex heraus. Man erkennt gleich.flm
liehen Lagerungsbedingungen — Tiefe, Mächtigkeit, Widerstand Kurve A — kein Nachweis, Kurve B — Kohlenachweis möglich
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Geoelektrische Erkundung von Lagerungsstörungen
zeitig, daß eine rein visuelle Festlegung der Tiefenlage des Flözes in viel zu große Teufen führen würde, wenn man Aufstellungsweite gleich Wirkungstiefe setzt. Das kohlebedingte Minimum wirkt sich erst bei Aufstellungsweiten aus, die wesentlich größer als die Flöztiefe sind. Die in Abb. 8 dargestellte Rechteckkurve spiegelt als Ergebnis der rechnergestützten quantitativen Interpretation die realen Verhältnisse teufengerecht wider. Auf Abb. 9 wird in vergleichender Form die Problematik des Nachweises einer niederohmigen Schicht (in unserem Falle Kohle oder auch eines bindigen Materials wie Ton oder Geschiebemergel) im Verhältnis seiner Mächtigkeit zur Bedeckung aufgezeigt. Bei konstanten Widerstandsverhältnissen von 100: 5 0 : 100 ist das besserleitfähige Kohleflöz innerhalb des Sandes noch bis zu einem Verhältnis Kohle/Bedeckung von etwa 0,5: 1 anhand des Minimums der scheinbaren spezifischen Widerstände sicher nachweisbar. Die absoluten Tiefenangaben spielen dabei keine Rolle, da eine Sondierungs2m ;.ioo I50
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Abb. 9. Geoelektrische Sondierungskurven zur Erfassung von Braunkohlenflözen bei unterschiedlichen Lagerungsbedingungen — relative Schichtmächtigkeit KjD (Kohle/Deckschicht)
kurve ihre Form nicht ändert, wenn unter Beibehaltung der Mächtigkeitsverhältnisse eine Verschiebung der Modellgrenzen in größere oder geringere Tiefen erfolgt. Das Gesetz der Formkonstanz gilt gleichermaßen bei Wahrung der Widerstandsverhältnisse unabhängig vom absoluten Niveau. Man beachte ferner, daß die anhand von Abb. 9 demonstrierte Detektabilität nur möglich wird, wenn das geologische und damit das geoelektrische Profil hinsichtlich der Materialeigenschaften (sprich wahren Widerstände) so klar gegliedert ist. Zusätzliche höher- oder niederohmige Komponenten in Flöznähe (Kiese, Ton) würden insbesondere die Tiefen- und Mächtigkeitsbestimmungen erschweren oder gar in unkontrollierbarer Weise verfälschen. Abb. 10 verdeutlicht die Schwierigkeit, ein von schluffigen Begleitern eingebettetes Kohleflöz geoelektrisch zu erkunden. Bei gleichbleibender Ober- und Unterkante der niederohmigen, bindig-kohligen Einlagerung wurden nur die Mächtigkeitsanteile des
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Schluffes und der Kohle variiert. Die drei theoretischen Modellkurven des Ton-SchluffKomplexes mit 20 bzw. 40 Öm innerhalb einer hochohmigen Umgebung zeigen die Aussichtslosigkeit, das gutleitfähige Schichtpaket in seine Kohle- und Schluffkomponenten aufzugliedern. Der Komplex ist nur in seiner Gesamtheit nachweisbar. Natürlich würde sich das Auflösungsvermögen der Geoelektrik besser darstellen, wenn hier die Mächtigkeit der hochohmigen Deckschicht verringert worden wäre. 20
i.0
100
200
9, (flm)
150
Abb. 10. Geoelektrische Sondierungskurven zur Erfassung von Braunkohlenflözen bei unterschiedlichen Lagerungsbedingungen — Kohle-Schluff-Komplex unter hochohmigem Deckgebirge
Die Nachweismöglichkeiten niederohmiger dünner Schichten sind anhand theoretischer Kurven auf Abb. 11 dargestellt. Bei der zu erkundenden dünnen Schicht handelt es sich nicht um eine Einlagerung in einem hochohmigen Komplex, sondern es wurde die schwieriger zu lösende praktische Aufgabe des Nachweises von Restwässern in Kiesmulden modelliert. Aus dem Dreischichtproblem hochohmig/niederohmig/hochohmig wird durch die Notwendigkeit eines Stauers unterhalb des niederohmigen Wassers mindestens ein Vierschichtfall. Auf Abb. 11 wurden zur besseren Nachbildung der natürlichen Verhältnisse weitere Schichten ins Modell eingefügt. Links sind zwei Widerstandsprofile A und B nebst numerisch ermittelten synthetischen Sondierungskurven zu sehen. Unterhalb der lehmig-mergligen Bedeckung von etwa 60 ö m folgt ein über 10 Qm mächtiger trockener bis bergfeuchter Grundwasserleiter mit Widerstandswerten von 500 Qm. Darunter wieder einige Meter Geschiebemergel und Ton und schließlich ein mächtiger Sand mit 200 Qm. Der 500-Qm-Grundwasserleiter (Fall B) ist im Fall A an der Basis wassergesättigt, was dort zu wahren Schichtwiderständen von 100 Qm führt. Die berechneten scheinbaren spezifischen Widerstände liegen — abgesehen von
Geoelektrische Erkundung von Lagerungsstörungen
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den oberflächennahen Anfangswerten — über 100 flm und zeigen ein deutlich ausgeprägtes Minimum bei Aufstellungsweiten um L/2 = 50 m. Kurve B (ohne Restwässer) macht deutlich, daß der Widerstandsabfall vor allem auf die Wirkung des gutleitenden Stauers zurückzuführen ist. Dieser Effekt tritt in Kurve A (mit Restwässern) zwar verstärkt auf, aber der Unterschied kann nicht eindeutig auf die Existenz des Wassers zurückgeführt werden. I n gleicher Weise würde sich eine Mächtigkeitszunahme oder 60 100
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200
z(m) B Abb. 11. Versuch des geoelektrischen Nachweises niederohmiger dünner Schichten (Restwässer im Abraum) A — Restwasser vorhanden, B — keine Restwässer, • — Grundwasserspiegel
Widerstandsabnahme (oder beides) des Stauers bemerkbar machen. Wieder liegt das zu erkundende Objekt — hier das Restwasser — zu tief bzw. weist eine zu geringe Relativmächtigkeit auf, um eindeutig erkannt zu werden. Ähnlich liegen die Verhältnisse unter den auf der rechten Seite der Abb. 11 angenommenen Bedingungen. Der Nachweis von Restwasser ist mit Hilfe der Geoelektrik hier nicht möglich, da Wasser und Stauer zu einem Widerstandsminimum verschmelzen. Es bleibt die Feststellung, daß mittels geoelektrischer Verfahren in der Regel das Vorhandensein, die flächenhafte Verbreitung, die Teufenlage und eventuell die Mächtigkeit von bindigem Material nachgewiesen werden kann. Restwasservorkommen sind dann in den ausgewiesenen Muldenstrukturen wahrscheinlich. Noch schwieriger als der Nachweis dünner niederohmiger Schichten ist die Erkundung von geringmächtigen hochohmigen Einlagerungen, auch wenn sie als Schicht oder Bank in horizontaler Richtung lange aushalten. Abb. 12 zeigt, daß zur Erfassung des zwischen 45 und 50 m Tiefe liegenden 1000-i2m-Horizontes mehr als die lOfache Aufstellungsweite der Elektroden gewählt werden müßte, um in den Bereich des meßbaren Wider-
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standsmaximums zu gelangen. Abgesehen von den geringen Meßeffekten ist eine sichere Deutung oder gar Lagebestimmung auf Grund des zu erwartenden Fehlers der notwendigen Tiefenkorrektur unmöglich. Das gilt vor allem bei relativ hochohmigem Liegenden (Fall B), ist aber auch bei besser leitfähiger Unterlage (Fall A) nur graduell anders. Die teilweise beträchtlichen Verschiebungen der relativen Maxima von Kurven des scheinbaren spezifischen Widerstandes sind eine Folge der abschirmenden („halbisolierenden") Wirkung hochohmiger Schichten gegenüber den sich ausbreitenden Stromfäden. Neben der Gefahr von Korrekturfehlern bei der quantitativen Analyse von Tiefen-
-3
-S
-10
-20
-SO
-100
-200
-500 Tiefe
(m)
Abb. 12. Versuch des geoelektrischen Nachweises hochohmiger dünner Schichten (Quarzitbänke)
Sondierungen muß im Falle zu erwartender hochohmiger Einlagerungen die Tiefenreichweite und damit die zu wählende Elektrodenentfernung von Profilierungsaufstellungen mit Sorgfalt abgeschätzt werden. Auch hochohmige Bedeckungen können in einem Meßgebiet zu Deformationen von Sondierungskurven führen, die im Interpretationsprozeß sorgfältig zu berücksichtigen sind. Abb. 13 zeigt 4 Dreischichtkurven vom Minimumtyp, die sich bei gleichbleibender Tiefenlage aller Grenzen und konstanten Widerständen der mittleren und unteren Schicht nur durch die veränderten wahren spezifischen Widerstände der Deckschicht unterscheiden. Die Zunahme dieser Widerstände verursacht im Bild der errechneten oder gemessenen scheinbaren spezifischen
Geoelektrische Erkundung von Lagerungsstörungen A
B
C
UO
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D
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200
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ftm
Abb. 14. Das Äquivalenzprinzip — gleiche Sondierungskurven trotz verschiedener spezifischer elektrischer Widerstände 12 Lauterbach III/4
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Widerstände nicht nur einen Trend zu höheren Werten, sondern vor allem auch eine auffällige Verschiebung des durch die mittlere Schicht bedingten Minimums nach unten. Man bedenke, zu welchen Tiefenfehlern eine Interpretation führt, die über eine grobe qualitative Abschätzung nach Kurventypen oder Kurvenelementen (hier Lage des Minimums) nicht hinauskommt. Gleichzeitig unterstreicht Abb. 13, daß die richtige Bestimmung des Anfangswiderstandes f ü r die weitere verläßliche Auswertung der Sondierungskurve von großer Bedeutung sein kann. Wie wichtig es f ü r den Interpretator von geoelektrischen Sondierungen ist, ein ausreichendes Bild der im Meßgebiet möglichen wahren Widerstände zu gewinnen, wird vor allem durch das Äquivalenzprinzip unterstrichen. Ein ganz bestimmter Meßwert des scheinbaren spezifischen Widerstandes kann durch unendlich viele Verteilungen wahrer Widerstände hervorgerufen worden sein, während es zu jeder Verteilung wahrer Widerstände a n jedem Ort nur einen einzigen Wert des scheinbaren spezifischen Widerstandes gibt. Ein physikalischer Feldwert kann also aus unendlich vielen Quellenverteilungen resultieren, aber zu jeder Quellenverteilung gibt es nur ein einziges, wohldefiniertes Feld. Damit ist zwar der Schluß vom Modell auf das Abbild eindeutig, aber zu jedem Bild (geoelektrische Meßkurve) können mehrdeutig verschiedene Modelle (geologische Profile) passen. Abb. 14 greift ein Beispiel heraus. Die im Rahmen der Meß- und Zeichengenauigkeit von 5 % deckungsgleichen Meßkurven A, B, C werden durch unterschiedliche vertikale Widerstandsschichtungen A, B, C hervorgerufen. Eine Erhöhung des Widerstandes der mittleren Schicht wird durch Verringerung der Mächtigkeit der gleichen Schicht immer gerade so ausgeglichen, daß das Maximum der scheinbaren spezifischen Widerstände seine Form und Lage behält. Stoffbedingte Verformungen des Kurvenbildes werden durch geometrische Veränderungen kompensiert. Die Mehrdeutigkeit der Interpretation von geoelektrischen Sondierungskurven k a n n nur durch zusätzliche Informationen — wie Kenntnis einzelner Mächtigkeiten oder Widerstände, lateral weitgehende Konstanz von Schichtwiderständen im Meßgebiet oder andere Randbedingungen — eingeschränkt oder beseitigt werden.
4. Meßbeispiele Die erfolgreiche Durchführung und Interpretation geoelektrischer Messungen zur Erkundung von Lagerungsstörungen hängt in starkem Maße von den speziellen Bedingungen im jeweiligen Meßgebiet ab. Abb. 15 zeigt eine schematisierte Darstellung der wahren spezifischen Widerstände in Abhängigkeit von der Tiefe f ü r das gegenwärtig vom Braunkohlenbergbau maßgeblich geprägte östliche Weißelsterbecken. Aus der Abfolge und den elektrischen Eigenschaften der einzelnen Schichten lassen sich die Anwendungsmöglichkeiten der Geoelektrik sowohl während der Vorfelderkundung von der Rasensohle als auch bei bekannter Lage der Arbeitsebenen im Zuge der Betriebsführung abschätzen. Die in diesem Abschnitt vorzustellenden Ergebnisse geoelektrischer Messungen beschränken sich allerdings nicht auf diesen Untersuchungsraum, sondern stammen in großer Zahl auch aus der geoelektrisch ähnlich aufgebauten Niederlausitz und sind in ihrer Aussage f ü r andere Regionen mit vergleichbaren geologischen Verhältnissen repräsentativ ( J A C O B S , 1 9 6 7 ; J A C O B S und G R Ä S S L , 1 9 6 9 ; H I B C H E und W I L K E , 1 9 7 5 ; P E T Z O L D U. a . , 1 9 8 2 ; N I T S C H u n d P E T Z O L D , 1 9 8 5 ) .
Ceoelektrische Erkundung von Lagerungsstörungen
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E3i 1233 EvK E 3 5 ESie Esiv nmms ES]9 SSIO m n n i i a Abb. 15. Geologisch-geoelektrisehes Normalprofil des östlichen Weißelster-Beckens 1 — Lößlehm und Geschiebelehm; 2 — Geschiebemergel; 3 — Kies; 4 — Kies, sandig; 5 — Sand; 6 — Sand, tonig; 7 — Schluff; 8 — Ton; 9 — Braunkohle, Flözhorizonte I—IV; 10 — Buntsandstein; 11 — Zechstein; 12 — geoelektrische Widerstandsbereiche Das Quartär ist im betrachteten Gebiet durch das Überwiegen bindiger Bestandteile (Geschiebelehm, Geschiebemergel) mit Widerständen zwischen 10 und 30 Am gekennzeichnet. Die innerhalb dieses bindigen Komplexes beobachteten Widerstandsschwankungen können durch unterschiedliche Bildungsbedingungen und dadurch verursachte unterschiedliche Zusammensetzung wie z. B. im Sandgehalt oder durch verschiedenartigen Verwitterungszustand hervorgerufen werden. Außerdem bewirken Schmelzwassersande (100—300 Am) und zwischenwarmzeitliche Schotter (100—500 Am) oft markante Widerstandskontraste. Gleiches gilt für die an der Basis der unteren Grundmoränen im Übergangsbereich zum Tertiär auftretenden groben Sande und Kiese (200 bis 1000 Am). Das tertiäre Deckgebirge der Braunkohlenflöze weist in der Regel eine geringere Widerstandsdifferenzierung auf. Tone (15—25 Am) und Sande (20—150 Am) wechseln meist in rascher Folge, wobei Übergangsbildungen häufig sind. In ihnen werden deutliche Widerstandssprünge geglättet. So kann der Widerstand von „Sanden" durch tonig-schluffige Beimengungen, wie es z. B. bei den Pödelwitzer Sanden der Fall ist, unter 20 Am herabgesetzt werden. Die Widerstände des flözführenden Tertiär (Flöz IV—I nebst Zwischenmitteln) unterscheiden sich nicht wesentlich von den Widerständen im Hangenden. Die Braunkohle zeigt durchschnittliche Widerstände zwischen 20 und 50 Am; begleitende Tone liegen nur wenig darunter; zwischengelagerte Sande können über 100 Am aufweisen. Vergleicht man die Mittelwerte der in den einzelnen Flözen gemessenen Widerstände, so fällt eine generelle Widerstandszunahme sowohl von den jüngeren zu den älteren Flözen als auch von den in zentralen Beckenteilen abgelagerten zu den randlich gelegenen Kohlebildungen auf. Außerdem deuten sich Beziehungen zwischen elektrischem Widerstand und dem Bänderungsphänomen der Flöze an. 12*
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Abb. 16. Anomalienbilder geoelektrischer Widerstandsprofilierungen über exogen-tektonischen Störungsformen (vgl. Beitrag EISSMANN in diesem Heft, siehe auch dort Legende)
Geoelektrische Erkundung von Lagerungastörungen
181
Die tertiären Liegendschichten Tone, Sande und Kiese unterscheiden sich im Widerstandsspektrum (20—200 iim) kaum vom Flözkomplex, jedoch treten zuweilen mächtige, relativ hochohmige Liegendsande und -kiese auf. Geringere Kenntnisse liegen gegenwärtig noch über die elektrischen Widerstände im Prätertiär vor. Wahrscheinlich ist eine Unterteilung in niederohmige „Verwitterungsrinde" aus kaolinisierter Grauwacke, Kaolinton des Buntsandsteins und eventuell Ton-Schluffstein sowie hochohmiges „Substratum" mit Zechstein und paläozoischem Grundgebirge.
Auf Grund der stark gestörten Lagerungsverhältnisse liegen die im Vertikalprofil angetroffenen Schichten häufig auch in horizontaler Richtung auf engem Räume beisammen. Auf Abb. 16 wurde der Versuch unternommen, einige typische Anomalienbilder über exogen-tektonischen Strukturen dieses Raumes zu entwerfen. Es handelt sich um Darstellungen des scheinbaren spezifischen Widerstandes, wie sie beim Überfahren mit einer Vierpunktanordnung mittlerer Tiefenwirkung entstehen würden. Vorrangig spiegeln sich natürlich die oberflächennahen Inhomogenitäten wider. Eine tiefenbezogene Interpretation kann bei der Methode der horizontalen Profilierung — also bei Benutzung konstanter Elektrodenspannweiten — ohnehin nicht gegeben werden. Ebenso ist aus dem wechselvollen Amplitudenverlauf entlang der Profile keine direkte Material- oder Schichtansprache möglich. Nur wenn bereits gesicherte geologische Informationen über den Charakter der Störungen bekannt sind, wird eine profil- oder bei einem Meßnetz eine flächenbezogene Konturierung der einzelnen Elemente mittels Geoelektrik möglich sein. 0
50
100
150 m
Abb. 17. Geoelektrischer Nachweis von Sandlinsen im Geschiebemergel Widerstandsprofilierung nach W E N N E R a — 10 m, Qs in ilm
Abb. 17 zeigt die flächenhafte geoelektrische Kartierung von wasserführenden Sandlinsen mittels Widerstands-Profilierung. Die Störkörper sind vollständig im Geschiebemergel eingeschlossen und wurden vom 1. Abraumschnitt nicht angeritzt. An der Böschung des 2. Abraumschnittes traten unerwartete Abbräche mit starken Wasseraustritten und Schwemmkegeln auf. Widerstandsmessungen vom 1. Planum ergaben Maximalwerte von 200 Dm oberhalb der Böschungsabbrüche. Diese hohen Werte wurden jedoch in Verhiebsrichtung bereits nach etwa 50 m von Widerständen kleiner 60 Qm abgelöst. Diese Werte entsprechen einem mächtigen Geschiebemergelprofil. Auf Grund der damit bewiesenen geringen flächenhaften Ausdehnung der wasserführenden Sandlinsen war in diesem Bereich mit weiteren geotechnischen Schwierigkeiten nicht zu
182
F . JACOBS, H . PETZOLD u n d K . - H . NITSCH
rechnen. Geplante Bohrarbeiten sowie aufwendige operative Entwässerungsmaßnahmen (Flachbrunnen, Baugruben u. ä.) konnten eingespart werden. Auf Abb. 18 sind Ausschnitte einer geoelektrischen Kartierung von glazialen Schmelzwassersanden und -kiesen dargestellt, die sich in den oberen Partien eines mächtigen
Wassereinbrüche
Abb. 18. Kartierung von Schmelzwasserablagerungen im Geschiebemergel mittels geoelektrischer Widerstandsprofilierungen B 1—B 8 — Bohrungen
Geoelektrische Erkundung von Lagerungsstörungen
183
Geschiebemergelkomplexes als Rinnensystem durch das Vorfeld zweier Braunkohlentagebaue zogen und ebenfalls Störungen der Betriebsführung hervorriefen (HURTIG und JACOBS, 1964). Der wahre spezifische Widerstand des Geschiebemergels lag hier unter 40 Qm, wie aus den Testprofilen A und B im oberen Teil der Abb. 18 ersichtlich. Die auf den gleichen Profilen erfaßten Widerstandsmaxima wurden durch Kontrollbohrungen als sandig-kiesige Einlagerungen erkannt, so daß einer flächenhaften geoelektrischen Kartierung gute Erfolgsaussichten eingeräumt werden konnten. Die im unteren Teil der Abb. 18 gezeigten Ergebnisse erlauben eine Verfolgung der hochohmigen Zonen ins weitere Vorfeld und die rechtzeitige Einleitung von Entwässerungsmaßnahmen. Die mittels Widerstandsprofilierungen gewonnenen Aussagen über glazial oder subrosiv bedingte Lagerungsstörungen im Pleistozän können vor allem hinsichtlich ihrer vertikalen Differenzierung durch Widerstandssondierungen vertieft werden. Abb. 19 zeigt einen aus 8 Widerstandssondierungen zur Erkundung von Geschiebemergelund Tonresten abgeleiteten geologischen Schnitt. Die Interpretation der Sondierungen wurde durch Einbeziehung von Bohrergebnissen unterstützt. Die Widerstandssondierung WS 1 stellt hinsichtlich ihrer Form einen Minimumtyp des Dreischicht-Falles dar. Das niederohmige Schichtpaket mit einem Summen widerstand von 43 Qm erweist sich im Bohrprofil als Geschiebemergel und basalem Bänderton mit Sandeinlagerungen. Eine Auflösung der Feinstruktur ist geoelektrisch nicht möglich, wohl aber die sichere Feststellung der Hangend- und Liegendgrenze des überwiegend bindigen Komplexes. Die Sondierungskurve WS 2 ist ebenfalls durch die Wechsellagerung von bindigen und rolligen Sedimenten gekennzeichnet. Die mittleren scheinbaren Widerstände weisen auf einen höheren rolligen Anteil gegenüber WS 1 hin. Detailaussagen können nicht gemacht werden. I n Profilrichtung schließen sich die Sondierungen WS 3 und WS 4 an, die wieder Meßkurven mit deutlich ausgegprägtem Minimum zeigen. Entsprechend sind Ober- und Untergrenze des bis zu 25 m mächtigen Geschiebemergels mit wahren spezifischen Widerständen um 60 Qm geoelektrisch sicher erfaßbar. Das dem vom Geschiebemergel verursachten Minimum aufgesetzte relative Widerstandsmaximum (300 Qm, Sand oder Kies) in WS 3 macht die Meßkurve zum Fünfschicht-Fall, der aber auf Grund ausreichender Mächtigkeitsunterschiede der Einzelschichten noch mittels computergestützter Modellkurvenanalyse aufgelöst werden kann. Dagegen zeigt WS 5 durchgehend hohe Widerstandswerte, die einer mit rolligem Material gefüllten Rinnenstruktur entsprechen. Eventuell vorhandene Reste bindigen Materials liegen außerhalb der geoelektrischen Nachweisgrenzen. Sondierung WS 6 läßt wieder einen Dreischicht-Fall erkennen. Die bindige Mittelschicht von 50 Qm besteht laut Bohrbefund wieder aus Geschiebemergel mit Bänderton an der Basis. Beide Schichten sind im Kurvenbild als Einzelelemente nicht mehr trennbar. Sondierung WS 7 erscheint auf den ersten Blick wie ein Dreischicht-Fall vom Typ rollig/bindig/rollig. Tatsächlich folgen im Vertikalprofil unter hochohmigem sandigen Kies (700 Qm) ein elektrisch sehr gut leitender Bänderton mit Schichtwiderständen von 18 Qm und anschließend wieder sandige Bildungen mit 350 Qm. Jedoch ist im Bereich der Aufstellungsweiten L/2 zwischen 18 und 32 m ein verzögerter Anstieg der Sondierungskurve zu verzeichnen. Als Ursache kommt ein eingeschalteter, relativ geringmächtiger bindiger Komplex in Frage, der sich aber einer genaueren quantitativen Interpretation entzieht. Sondierung WS 8 offenbart einen eindeutig auswertbaren Zweischicht-Fall mit nahezu idealen Widerstands- und Mächtigkeitsverhältnissen. Unter 12 m Bänderton folgen mächtige rollige Schichten mit mehr als lOOOQm (beim Bänderton 16 Qm). Anzeichen auf
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1. Einleitung Ziel geophysikalischer Bohrlochmessungen ganz allgemein ist es, Angaben über die von einer Bohrung durchteuften Schichten zu ermöglichen. Von Anfang an stand dabei im Vordergrund, Aussagen über das von der Bohrung durchteufte Material zu machen und die Grenzen zwischen den einzelnen Schichten zu erfassen. Die bei geophysikalischen Messungen in Bohrlöchern gewonnenen Kurven der einzelnen Meßverfahren enthalten jedoch Informationen, die unter mehreren verschiedenen Aspekten interpretiert werden können, d. h. aus geophysikalischen Meßwerten in geologische bzw. bergmännische Begriffe umgesetzt werden können. Die wichtigsten Möglichkeiten dieser Interpretation betreffen Aussagen — zur Art und Ausbildung des durchbohrten Materials (Lithologie), — zur Gliederung und Abfolge der durchteuften Schichten (Lithosequenz), — zur Zuordnung und Korrelierbarkeit der ausgegliederten lithologischen Einheiten von Bohrung zu Bohrung (Lithostratigraphie) sowie — zur Ausbildung der einzelnen Einheiten und zu ihrer horizontalen Veränderlichkeit (Lithofazies). Der Stand der lithologischen Interpretation speziell der Bohrlochmessungen in der Braunkohlenerkundung der DDR am Ende der 60er Jahre ist von C H B I S T A L L E U. a. 1 9 6 9 dargestellt worden. Auf Probleme der lithostratigraphischen Interpretation und auch
Möglichkeiten der geophysikalischen Bohrlochmessung
199
der geophysikalisch-geologischen Interpretation zur Lagerstättenmodellierung haben S T E I N B R E C H E R U. a. 1 9 8 3 in Ansätzen hingewiesen. Im gegebenen Zusammenhang — Erkundung von Lagerungsstörungen — ist vor allem die Tatsache wichtig, daß die geophysikalischen Bohrlochmeßkurven zusammenhängende und lückenlose Abbilder der physikalischen Verhältnisse im Bohrloch sind, daß also die natürliche Aufeinanderfolge der einzelnen Schichtglieder (Lithosequenz) in der Abfolge der physikalischen Meßwerte zusammenhängend und lückenlos abgebildet wird. Damit soll betont werden, daß bei der Interpretation dieser Meßkurven die spezifischen Fehlermöglichkeiten von Bohrungen mit Materialaustrag, die auf Kernverlusten, Kernverwechselungen, Kernverdrehungen o. ä. beruhen können, ausgeschaltet sind. Gleichzeitig muß aber auch gesagt werden, daß die lithologische Interpretation der Meßkurven auf die Informationen aus Bohrungen mit Materialaustrag (Kernbeschreibungen, Analysenergebnisse...) angewiesen ist und diese Angaben zur Kalibrierung der Materialansprache voraussetzt. Die effektive Gestaltung der Arbeitsgänge — Gliederung der durchbohrten Schichtenfolge nach Bohrlochmeßkurven und lithostratigraphische Zuordnung, — Korrelation dieser bohrlochgeophysikalisch identifizierten und definierten Einheiten von Bohrung zu Bohrung und dabei — Suche nach Korrelationsunterbrechungen, also nach möglichen Lagerungsstörungen, hat entscheidende Bedeutung f ü r die Rationalisierung jedes Erkundungsprozesses, der hauptsächlich auf Bohrungen beruht. Dabei ist der jeweils gesuchte Rohstoff nicht wesentlich; die Aussagen gelten f ü r sämtliche Untersuchungs- und Erkundungsarbeiten im Lockergesteinsbereich, also gleichermaßen f ü r Hydrogeologie, f ü r die E r k u n d u n g von Braunkohlen und von anderen Massenrohstoffen. 2. Meßprogramm Die physikalischen Grundlagen geophysikalischer Bohrlochmessungen und die einzelnen Meßverfahren sind in zahlreichen Veröffentlichungen umfassend dargestellt (z. B. L E H N E R T und R O T H E 1 9 6 2 ) . Auf die Meßmethodik und die Meßtechnik der Bohrlochmessungen im Lockergestein, speziell in der Braunkohlenerkundung der D D R , sind besonders C H R I S T A L L E U. a. ( 1 9 6 9 ) eingegangen. Bei der Materialansprache, bei der Gliederung der Schichtenfolgen und bei der quantifizierten Eigenschaftsbeschreibung der Gesteine nutzt die geophysikalische Bohrlochmessung verschiedene Gesteinseigenschaften, auf die die einzelnen Meßverfahren ansprechen. In der Praxis der Lockergesteinserkundung der D D R werden insgesamt elf Meßverfahren routinemäßig eingesetzt: — f ü r den scheinbaren spezifischen elektrischen Widerstand die Verfahren Große Normale (GN), Kleine Normale (KN), Latero-log (LL), — f ü r die Intensität der natürlichen Gamma-Strahlung das Verfahren Gamma-log (G),
200
K . - D . K R E S S E R , H . MATTBESTEIG, G . H Ö N E M A N N u n d G . K Ü H N E
— für die scheinbare Gesteinsdichte das Verfahren Gamma-Gamma-log (GG), — für die Dichte thermischer Neutronen das Verfahren Neutron-Neutron-log (NN), — die Temperaturmessung (T), — die Eigenpotentialmessung (SP) und — für Korrekturzwecke die Verfahren Spülungswiderstand (SW), Kaliber (KB) und Abweichung der Bohrlochachse vom Lot (BA). J e nach der gestellten Aufgabe werden diese Verfahren zu Meßprogrammen kombiniert, wobei das bekannte „Braunkohlenstandardmeßprogramm" (GN, KN, G, GG, K B ) das notwendige Minimum darstellt, trotzdem aber für die meisten Aufgaben ausreichend ist. Eine Erweiterung um das Verfahren NN hat sich in den vergangenen Jahren als sehr sinnvoll erwiesen. 3. Geophysikalisch-geologische Interpretation Die Erkundung von Lagerungsstörungen beruht nicht auf einem speziell darauf ausgerichteten Meßprogramm, sondern sie ist eine spezielle Art der Interpretation. Sie stützt sich — teilweise unter Vernachlässigung anderer Aussagemöglichkeiten — auf die Vorstellungen von der „normalen" Abfolge der Schichten und nutzt die Ergebnisse sämtlichem vorliegender Meßverfahren. Wichtig ist dabei — das sei seiner Bedeutung wegen wiederholt — daß die Kurven geophysikalischer Bohrlochmessungen zusammenhängende und objektive Abbilder der physikalischen Verhältnisse im Bohrloch sind. Die prägnante Darstellung der normalen Abfolge und Mächtigkeiten der Schichten (Lithosequenz) sowie der Art und Ausbildung des durchbohrten Materials (Lithologie) anhand bohrlochgeophysikalischer Meßkurven für ein bestimmtes Gebiet ist das für dieses Gebiet aufgestellte bohrlochgeophysikalische Normalprofil. Es ist zusammengesetzt aus typischen Meßkurven der eingesetzten Verfahren und ist abgestimmt mit den Ergebnissen von Bohrungen mit Materialaustrag (Kernbohrungen und Trockenbohrungen) und mit allen anderen verfügbaren geologischen Informationen (Tagesaufschlüsse, lokale geologische Normalprofile). Kurvenelemente in der Meßkurve eines einzelnen Meßverfahrens („Anomalien", „Zacken", „Verbiegungen") oder in mehreren Meßkurven gleichzeitig können so charakteristisch und auffällig sein, daß sie in verschiedenen Messungen eindeutig und schnell wiedererkannt werden können, daß also die zugehörige lithostratigraphische Einheit schnell und eindeutig identifiziert werden kann. Solche Kurvenelemente in den Meßkurven dienen als Leitelemente zur Identifizierung von Schichten bzw. Schichtkomplexen oder zur Festlegung bzw. Korrelation lithostratigraphischer Grenzen. Die Kurvenbilder der einzelnen Meßverfahren sind oft detaillierter, als sich mit lithologischen Begriffen (Stoffbestand, Korngröße, Farbe, Gefüge u. a.) ausdrücken läßt. Nach charakteristischen Kurvenelementen lassen sich Einheiten der Schichtenfolge teilweise bis zur Mächtigkeit von wenigen Dezimetern hinab aushalten, als bohrlochgeophysikalische Einheiten definieren und oft (aber nicht immer!) mit lithostratigraphisch definierten Einheiten gleichsetzen; dementsprechend
Möglichkeiten der geophysikalischen Bohrlochmessung
201
lassen sich zusammenhängende Kurvenzüge mit ganzen Abfolgen von kleineren lithostratigraphischen Einheiten bzw. mit lithostratigraphischen Einheiten höherer hierarchischer Rangordnung gleichsetzen. Der Vergleich der Bohrlochmeßkurven mit dem zugehörigen bohrlochgeophysikalischen Normalprofil macht es möglich, bohrlochgeophysikalisch definierte bzw. lithostratigraphische Einheiten eindeutig zu identifizieren und Abweichungen vom Normalbild, also Anomalien der Lagerung zu erkennen, zu lokalisieren und zu quantifizieren. Der erste Schritt der geophysikalisch-geologischen Interpretation ist dabei, die möglicherweise vorhandenen Anomalien in den Meßkurven einer Bohrung zu erkennen. Solche Anomalien können Ausfälle, Wiederholungen oder Deformationen von Kurvenabschnitten bzw. Kurvenelementen sein. Ein weiterer Arbeitsgang der Interpretation ist, die Anomalien genau zu lokalisieren (Teufenlage bezogen auf Rasensohle oder NormalNull) und zu quantifizieren (Umfang der Anomalie bezogen auf Kurvenelemente oder lithostratigraphische Einheiten bzw. in Metern). Ein weiterer Schritt besteht darin, die erkannte und definierte Kurvenanomalie auf einen bestimmten geologischen Sachverhalt (Schichtenausfall kann einer Abschiebung entsprechen, Schichtenwiederholung einer Auf- bzw. Überschiebung, Streckung der Kurvenelemente einer Schrägstellung der Schichten usw.) zurückzuführen. In einem weiteren Schritt werden diese geologischen Sachverhalte bzw. ihre Auswirkungen auf die Meßkurven in benachbarten Bohrungen gesucht, identifiziert und lokalisiert. Durch Betrachtung mehrerer Bohrungen kann so die Lage eines geologischen Strukturelements im Raum ermittelt werden und der geologische Sachverhalt bestätigt oder überhaupt erst erkannt werden. In Abhängigkeit von der Bohrdichte können so Strukturelemente unterschiedlicher Größenordnung gefunden und erkundet werden. Weil in der Erkundung im Lockergesteinsbereich schon seit vielen Jahren mit einheitlichen und gleichbleibenden Meßverfahren und -parametern gearbeitet wird, sind Kurvenbildvergleiche sehr schnell und ohne großen Aufwand durchführbar, und die Bohrlochmeßergebnisse aus verschiedenen Erkundungsetappen können bei neu auftretenden Problemen einer geologischen Interpretation unter neuen Aspekten unterzogen werden. Der Schluß von der Anomalie in den Meßkurven einer Bohrung auf bestimmte geologische Sachverhalte (Lagerungsstörungen) und deren Genese (endogen oder exogen) ist oft nicht eindeutig. Unterschiedliche Prozesse können zu weitgehend ähnlichen Kurvenveränderungen geführt haben, und gleiche Vorgänge können — in Abhängigkeit von schwer faßbaren Randbedingungen — unterschiedliche Kurvenbilder erzeugt haben. Weiter muß berücksichtigt werden, daß die strukturbildenden Prozesse mit unterschiedlichen Ursachen — einzeln oder miteinander kombiniert — zu verschiedenen Zeiten und möglicherweise auch noch in mehreren Akten abgelaufen sein können. Daher sind genetische Deutungen der interpretierten Lagerungsformen nur bei einer ausreichenden Anzahl von Bohrlochmessungen innerhalb eines größeren „regionalen" Rahmens und unter Berücksichtigung sämtlicher vorliegender geologischer Informationen mit der gebotenen Vorsicht möglich. Die Interpretation von Anomalien in den Meßkurven setzt gewisse Kenntnisse über die im vorliegenden Gebiet möglichen Lagerungsformen und deren Genese voraus („Geologisches Modell"). Die Ergebnisse der geophysikalisch-geologischen Interpretation sind darum z. T. auch abhängig von den ihr vorgegebenen Modellen. Die Tatsache, daß durch den Tagebaubetrieb die Aussagen der Interpretation oft schon nach kurzer Zeit in Tagesaufschlüssen überprüft werden können, bestätigt diese Meinung.
202
K . - D . K R E S S E R , H . M A T T E R S T E I G , G . HÖNEMANN u n d G . K Ü H N E
Der Vergleich der im Tagebau beobachteten Lagerungsformen mit den aus geophysikalischen Bohrlochmessungen abgeleiteten zeigt meist, daß die natürlichen Lagerungsformen vielfältiger sind, als nach der geophysikalisch-geologischen Interpretation angenommen worden war. 4. Beispiele I n der Praxis ist eine verwirrende Vielfalt von Anomalien der Meßkurven möglich. Auf Störungen der Sequenz bezogen kann es sich dabei handeln um — Wiederholung von Abschnitten der Meßkurven (Sequenzwiederholung), — Ausfall von Abschnitten der Meßkurven (Sequenzunterbrechung), — Deformation von Abschnitten der Meßkurven (Streckung oder Stauchung) bei Wahrung der Sequenz, — Umkehrung des normalen Kurvenbildes (Sequenzumkehr), — Kappung der Sequenz in unterschiedlichen Niveaus, — weitgehende Zerstückelung der normalen Sequenz. Eine praktikable Übersicht über die möglichen Fälle der Anomalien, ihre mögliche geologische Deutung und ihre mutmaßliche Genese ist in Tab. 1 zusammengestellt. Tabelle 1 Anomalie in den Meßkurven
Geologischer Sachverhalt
mögliche Genese
Sequenzwiederholung
Schichten,, Verdoppelung ' Auf-.. .Überschiebung
glazigen endogen
Sequenzunterbrechung
Schichtenausfall
Abschiebung
endogen subrosiv kompaktionsbedingt
Defizit rolligen Materials
„Suffusion" an Rinnenrändern
Schräg—Steilstellung der Schichten Mächtigkeitserhöhung bindigen Materials Mächtigkeitsverringerung bindigen Materials
Faltenschenkel Flexuren
Sequenzumkehr
inverse Lagerung
liegende Mulde überkippte Falte
glazigen
Kappung der Sequenz in unterschiedlichen Niveaus
Diskordanz
Erosionsfläche Exarationsbasis
ausschließlich exogen
„Mylonitisierung" Kleinschuppen und -schollen
endogen glazigen
Deformation der Kurven — Streckung
— Stauchung
Weitgehende Zerstückelung Zerlegung der Schichten folge in Bruchstücke der Sequenz unterschiedlicher Grö ßenordnung
plastische Deformation
glazigen endogen
kryogen i. w. S.
Möglichkeiten der geophysikalischen Bohrlochmessung
203
Diese Übersicht ist unbefriedigend wie alle künstlichen Systeme; sie hat aber den Vorteil, daß sie von vorliegenden objektiven Meßwerten (geophysikalische Meßkurven) ausgeht und nicht von daraus abgeleiteten Aussagen (geologische Interpretation des geophysikalischen Kurvenbildes). In den folgenden Beispielen sollen einige typische, möglichst eindeutig interpretierbare Fälle von Sequenzstörungen vorgestellt und erläutert werden. 4.1.
Sequenzwiederholung
Der am leichtesten erkennbare Fall einer Anomalie der Meßkurven ist die Sequenzwiederholung; in einfachen Fällen ist sie schon in den Meßkurven einer einzelnen Bohrung deutlich sichtbar. Die Meßkurven in Abb. 2 zeigen die Wiederholung eines markanten Kurvenabschnitts: im Teufenbereich etwa 47—54 m und etwa 59—66 m gleichen sich die Kurven der drei dargestellten Meßverfahren weitgehend. Die Wiederholung gleicher Kurvenbilder zeigt die Wiederholung gleicher Schichten an. Diese Schichten Verdoppelung ist besonders Kleine 10
20
Normole 30
«Mim
Gommo
Gommo- Gommo
cpm
6 12 18 24 6E
Oberbegleiter
Hangendschluff Oberbank oberes Mittel Mittelbank Liegendschluff unteres Mittel Unterbank Liegendschluff
Abb. 1. Meßdiagramm: normale Abfolge
204
K . - D . K R E S S E R , H . M A T T E R S T E I G , G . HÖNEMANN u n d G . K Ü H N E
Kleine Normale 10
20
3 0 ¡.Oflm
Gamma
Gamma-Gamma
6 1? 18 7U6E
•
*
*
cpm •
Hangendschlutt Oberbank Hitfelbartk Hangendschluff Oberbank Mittelbank
Unter bonk
Abb. 2. Meßdiagramm:
Sequenzwiederholung
auffällig dadurch, daß sie das Braunkohleflöz betrifft, das in diesem Gebiet Gegenstand der Erkundung war. Abb. 1 zeigt das normale ungestörte Kurvenbild einer in der Nähe stehenden Bohrung. Wegen der normalen Abfolge, Ausbildung und Mächtigkeiten der Schichten wird sie als Bezugsbohrung zum Vergleich herangezogen. Der Vergleich bezieht sich besonders auf den Flözbereich. Vom Hangenden her betrachtet liegen untereinander — der Hangendschluff (insgesamt etwa 10 m mächtig, deutlich dreigeteilt durch einen sandiger ausgebildeten mittleren Abschnitt), — die Oberbank (etwa 2 m), — das obere Mittel (mit nur etwa 0,2—0,3 m geringer mächtig als mit der angewandten Meßgeometrie noch sicher erfaßt werden kann, aber durch sein Kurvenbild eindeutig erkennbar), — die Mittelbank (etwa 5 m), — der Liegendschluff der Mittelbank (etwa 1 m), — das untere Mittel (etwa 7 m), — die Unterbank mit ihrem Liegendschluff (2,5—3 m und etwa 1 m).
Möglichkeiten der geophysikalischen Bohrlochmessung
205
Die Sehichtenverdoppelung in der Bohrung der Abb. 2 betrifft die Mittelbank und die Oberbank, die nach ihren Mächtigkeiten und dem charakteristischen Kurvenbild des oberen Mittels eindeutig und schnell identifiziert werden können. Von oben nach unten sind erkennbar bei 38—47 m Teufe der Hangendschluff in normaler Ausbildung und bei 47—54 m Teufe die Oberbank, das obere Mittel und die Mittelbank. Darunter folgen nicht, wie nach der normalen Abfolge zu erwarten wäre, der Liegendschluff der Mittelbank und das untere sandige Mittel, sondern ein Schluff, der nach seinem Kurvenbild und nach seinen bohrlochgeophysikalischen Parametern nur der Hangendschluff des Flözes, und zwar dessen unterer Abschnitt (rund 5 m mächtig), sein kann. Dieser Hangendschluff liegt in normaler Abfolge über den darunterliegenden Kohlebänken, er befindet sich mit dem tieferliegenden Flöz (59—66 m Oberbank, oberes Mittel und Mittelbank) im normalen stratigraphischen Verband. Die Störung, die die höherliegende „überschobene" Kohle von der tieferliegenden „autochthonen" Kohle trennt, muß unmittelbar an der Basis der überschobenen Kohle und auf der Oberfläche des noch vorhandenen Hangendschluffs bei etwa 54 m Tiefe liegen. Ihre Lage kann innerhalb der Bohrung fast auf Dezimeter genau angegeben werden, und es muß eine ziemlich scharf ausgeprägte Störungsfläche sein. Die Deutung der vorliegenden Anomalie der Meßkurven als Verdoppelung eines Teiles der normalen Schichtenfolge ist klar und eindeutig. Nicht deutlich ist, wie die in einer Bohrung angetroffenen Lagerungsformen in einem größeren Zusammenhang eingeordnet werden müssen und wie die Entstehung dieser Lagerungsformen zu erklären sei. Die erkannte Schichtenverdoppelung kann auf mindestens drei verschiedene Ursachen zurückgeführt werden, die jeweils mit bestimmten Begleitumständen verbunden sein müssen, deren Abbilder sich auch in anderen Bohrungen nachweisen lassen müßten. Fall A: Im Gebiet der quartären Vereisungen liegt der Verdacht auf glazigene Überschiebungen in Form von Schuppen oder Schollen immer nahe. Glazigene Überschiebungen müssen als flachliegende, über weite Strecken schichtparallele Störungsflächen ausgebildet sein, die bei ausreichender Bohrdichte in anderen Bohrungen in ähnlicher Lage und Ausbildung angetroffen werden müßten. Fall B: In Gebieten endogener Einengungstektonik kann es zu Auf- bzw. Überschiebung der Schichten an endogenen Störungen gekommen sein. Diese endogentektonischen Überschiebungsflächen müssen mit gleichen oder ähnlichen Versetzungsbeträgen nach oben und unten fortsetzen und müßten demnach in verschiedenen Teufen im Hangenden und Liegenden des Flözes angetroffen werden können. Fall C: In Gebieten endogener Tektonik kann primär eine Ausweitungstektonik zu Abschiebungen geführt haben, die die Voraussetzungen waren für sekundäre Prozesse, z. B. gravitatives Freigleiten eines Schichtenstapels von der Hochscholle der Abschiebung auf bzw. über die Tiefscholle. Derartige Überschiebungen als Sekundärtektonik im Gefolge einer steilen Abschiebung setzen voraus sowohl die Existenz einer steilstehenden Störungsfläche, die mit ähnlichen Ausfallbeträgen in verschiedenen tieferen Niveaus wieder angetroffen werden müßte, als auch die Existenz einer relativ flach liegenden Gleitfläche, die in ähnlicher Position und Ausbildung in anderen Bohrungen nachzuweisen sein müßte. Abb. 3 zeigt diese drei verschiedenen Möglichkeiten, wie ein und dasselbe Ergebnis einer Einzelbohrung zu verschiedenen Lagerungsformen ergänzt werden kann. Erst durch gemeinsame Betrachtung mehrerer Bohrergebnisse, die Verarbeitung weiterer
206
K . - D . K R E S S E R , H . MATTERSTEIG, G . H Ö N E M A N N u n d G . K Ü H N E
geologischer Informationen und/oder Berücksichtigung der Ergebnisse oberflächengeophysikalischer Messungen kann die Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten eingeschränkt werden.
Abb. 3. zur Erläuterung der Lagerungsverhältnisse entspr. Abb. 2
Das Meßdiagramm der Bohrung in Abb. 4 zeigt nicht nur eine Sequenzverdoppelung, sondern sogar das dreifache Auftreten ein und desselben Kurvenabschnittes. Die Schichtvervielfachung betrifft den Hangendschluff, vor allem dessen unteren Abschnitt (mit geringem scheinbaren spezifischen Widerstand von etwa 20 Qm, hoher GammaIntensität von > 20 GE und relativ geringer Dichte). Von unten nach oben betrachtet liegt bei 61—56 m, bei 54—51 m und nochmals bei etwa 46—42 m jeweils das gleiche Material. Als Bezugsbohrung kann wieder die von Abb. 1 zum Vergleich herangezogen werden. Der tiefste erkennbare Hangendschluff befindet sich im normalen stratigraphischen Verband zu dem darunterliegenden Flöz, nach oben (etwa 56—54 m) folgt aber ein Kurvenabschnitt, der nicht unbedingt normalem gewachsenem Tertiärmaterial entsprechen muß. Er kann möglicherweise sowohl den mittleren sandigen Abschnitt des Hangendschluffes als auch tektonisch überprägtes Material abbilden. Auch über dem nächsten erkennbaren Hangendschluff folgt bei 51—46 m ein Kurvenabschnitt, der stark verändertes Material (Widerstände und Gamma-Intensität gleichen etwa dem mittleren sandigen Abschnitt des Hangendschluffs, nicht aber die Mächtigkeit) anzuzeigen scheint. Der höchstliegende Hangendschluff (46—37 m) scheint mit unterem,
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Abb. 4. Meßdiagramm: mehrfache Sequenzwiederholung
mittlerem und oberem Abschnitt vollständig zu sein, ist aber in seiner Mächtigkeit geringfügig reduziert. Die Bohrung durchteufte von 37—61 m, also über 24 m, nur Hangendschluffmaterial. Bei Betrachtung lediglich der lithologischen Ausbildung oder des ausgetragenen Bohrgutes wäre nur diese starke Mächtigkeitserhöhung aufgefallen, bei Betrachtung der Bohrlochmeßdiagramme ist aber die Schichtenstapelung eindeutig und schnell erkennbar . Eine Überschiebungsfläche oder geringmächtige Überschiebungszone liegt bei etwa 54 m, eine weitere Überschiebungszone mit Überprägung des Materials bei etwa 51 bis 46 m. Eine derartige Schichtenstapelung mit endogenen Überschiebungsvorgängen an steilstehenden Störungsflächen erklären zu wollen (entsprechend Fall B in Abb. 3), setzte eine enge Scharung der Überschiebungsflächen voraus. Einfacher erscheinen die Erklärungen als glazigene Stapelung oder — weil die Bohrung dicht neben einer „endogenen" Abschiebung auf der Tiefscholle steht — als Stapelung der Hangendschluffschichten durch gravitatives Abgleiten, also als Auswirkung einer Sekundärtektonik zu einer völlig anders gearteten Primärtektonik (entsprechend Fall A oder C in Abb. 3).
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4.2. Sequenzunterbrechung Eine Sequenzunterbrechung, also der Ausfall von Abschnitten der Meßkurven, ist nur erkennbar, wenn die gesamte Sequenz der Kurvenelemente als Abbild der vollständigen Abfolge der Schichten bekannt ist. Das setzt voraus, daß ausreichend viele Bohrungen existieren, die die vollständige Schichtenfolge aufgeschlossen haben bzw. aus denen die vollständige Schichtenfolge rekonstruiert werden kann. Abbild der vollständigen Schichtenfolge ist das bohrlochgeophysikalische Normalprofil eines Gebietes, u. U. auch das Bohrlochmeßergebnis einer einzelnen, ausgewählten Bohrung. Abb. 5 zeigt links ein bohrlochgeophysikalisches Normalprofil, das aus den Meßkurven von drei Einzelbohrungen kombiniert ist. Es umfaßt eine mehr als 100 Meter mächtige Schichtenfolge; die Teufenskala an der linken Seite ist relativ und bezieht sich auf die Oberfläche des Flözes. Als charakteristische lithostratigraphische, teilweise auch ausschließlich bohrlochgeophysikalisch definierte Einheiten sind von oben nach unten zu erkennen: „Oberbegleiter 2" mit der ungewöhnlichen Parameterkombination der höchsten Gamma-Intensität des gesamten aufgeschlossenen Profils bei relativ dazu zu hohen Widerstandswerten, „Oberbegleiter 1" als kohlig-schluffige Einheit (stratigraphisches Äquivalent des Oberbegleiters ?), „Hangendschluff" mit charakteristischem Kurvenbild in den Meßkurven aller drei Verfahren, Braunkohlenflöz mit drei Bänken und den dazwischenliegenden Mitteln, bindige, z. T. auch kohlehaltige Einheiten (B2.1, B l ) im Teufenbereich 20 —40 m unter dem Flöz, schluffiges Äquivalent eines tieferen Flözes. Durch Vergleich realer Meßkurven mit diesem bohrlochgeophysikalischen Normalprofil lassen sich Anomalien der Abfolge, speziell Ausfälle einzelner Kurvenelemente oder ganzer Kurvenabschnitte, erkennen. Im Falle der Bohrung in Abb. 5 rechts war eine Lagerungsstörung mit Schichtenausfall schon daran erkannt worden, daß die gesuchte Schicht, das Braunkohlenflöz, gänzlich fehlte oder doch stark mächtigkeitsreduziert war. In der Abbildung sind die Kurven der zu interpretierenden Messung so neben das bohrlochgeophysikalische Normalprofil gezeichnet worden, daß die tieferen Schichten im gleichen Niveau liegen. Die Teufenangaben an der Messung beziehen sich auf Basensohle der realen Bohrung. Die ausführliche Betrachtung der Bohrlochmeßkurven ermöglicht, die Lage des Schichtenausfalles genauer zu lokalisieren und seinen Umfang abzuschätzen. Der Vergleich ergibt — daß in der zu interpretierenden Messung nur in den Teufenbereichen oberhalb 74 m (bis etwa 40 m) und unterhalb 78 m Kurvenbilder existieren, die dem bohrlochgeophysikalischen Normalprofil entsprechen, — daß im Teufenbereich 74—78 m Kurvenbilder auftreten, die nicht dem bohrlochgeophysikalischen Normalprofil entsprechen, — daß der Bereich, der in den Meßkurven der realen Bohrung fehlt, das gesamte Flöz sowie einen Teil seines Hangenden und einen größeren Teil des Flözliegenden umfaßt.
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Die Bohrung hat also bei 74—78 m unter Rasensohle eine Störung durchteuft; an dieser Abschiebung sind rund 40 m der normalen Schichtenfolge ausgefallen, und im Störungsbereich befinden sich etwa 4 m „unnormales", also disloziertes oder irgendwie deformiertes Material. Eine in einer Bohrung identifizierte, lokalisierte und in ihrem Umfang erkannte Störung kann bei ausreichender Bohrpunktdichte in anderen Bohrungen bzw. Messungen wiedererkannt werden. Durch Vergleich der Meßkurven, die jeweils zu Bohrprofilen in verschiedenen Richtungen gehören, kann der Störungsverlauf im Streichen und Fallen weiter verfolgt werden, und Veränderungen in der Ausbildung der Störung bzw. Störungszone können untersucht werden. Durch geschickte Anordnung charakteristischer Meßkurven in der Art eines Profilschnittes können die Bestandteile einer Störung eindeutig und anschaulich dargestellt werden. In Abb. 6 sind die Gamma-Meßkurven von sieben Bohrungen nebeneinander gezeichnet worden (Maßstab vertikal und horizontal etwa 1: 500, also nicht überhöht; auf einheitliches Niveau bezogen; Meßkurven innerhalb der — teilweise mehrfachen — Verrohrung gepunktet; Stäbchen für erbohrte Kohlen). An den Bohrungen angetragen sind die Beträge der Schichtenausfälle (in Metern), die sich durch Vergleich zu einem Normalprofil erkennen lassen. Die Verbindung etwa gleichgroßer Schichtenausfälle ergibt den Verlauf der Störungsfläche bzw. Störungszone zwischen den einzelnen genau bekannten Punkten in den Bohrungen. Im vorliegenden Talle liegen die Einzelwerte der Einfallbeträge zwischen benachbarten Bohrungen zwischen 5° (Bohrungen 3—4) und 45° (Bohrungen 5—6) bei einem generellen Einfallen der Abschiebungsfläche von rund 30° zwischen den Bohrungen 1 und 6. Die Bohrung 7 hat die Hauptverschiebungsfläche nicht mehr erreicht, über deren weiteren Verlauf in diesem Bereich können nur Vermutungen geäußert werden (Übergang in eine listrische Fläche? schichtungsparalleles Einlenken? steileres Abtauchen?). Die Versetzungsbeträge der Schichten an der Hauptstörung sind vertikal etwa 13—18 m, horizontal etwa 26—36 m; der horizontale Bewegungsbetrag ist im betrachteten Bereich also das doppelte des vertikalen. Im Liegenden der Hauptstörung ist durch geringe Schichtenausfälle eine antithetische Adventivabschiebung zu erkennen (Bohrungen 1—3, undeutlich bis 4). Der Schichtausfall im Bereich des Hangendschluffs der Bohrung 7 kann ebenfalls einer antithetischen, möglicherweise aber auch einer synthetischen Adventivstörung zugeordnet werden (für genauere Angaben reicht die Bohrdichte nicht aus). Die beobachteten Parameter der Störungszone lassen sich damit erklären, daß das Auftreten und vor allem die Ausbildung der Störungen in großem Maße materialabhängig sind. Die Störungen durchsetzen die Schichtenfolge unter unterschiedlichen Winkeln und passen sich streckenweise den dafür prädestinierten Schichtflächen — meist scharfe Grenzen rollig/bindig — an. Die Störungsflächen sind mitunter scharf ausgebildet, und ihre Lage kann in den Bohrlochmeßkurven bis auf wenige Dezimeter genau eingeengt werden. In anderen Fällen können mehrere Meter mächtige Ruschelzonen ausgebildet sein, in denen ganz unterschiedliches Ausgangsmaterial, das bis in den Dezimeterbereich und weiter hinab zerkleinert ist, vermengt zu sein scheint. Ein besonderer Fall der Sequenzunterbrechung zeigt ebenfalls deutliche Materialabhängigkeit, indem der Schichtenausfall sich auf ausschließlich rolliges Material beschränkt. Bei der Interpretation derartiger Bohrlochmeßergebnisse muß die Lage der Bohr-
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punkte im Verhältnis zu speziellen Strukturformen der Quartärbasis berücksichtigt werden. In Annäherung an den Rand „quartärer Auswaschungszonen" ist zu beobachten, daß die Schichtenausfälle immer umfangreicher werden, daß also sandige Anteile der Schichtenfolge zunehmend ausdünnen und ganz verschwinden können. Direkt am Bande der quartären Rinnen können dann unterschiedlich alte bindige Schichten unter Ausfall von mehreren Dekametern sandiger Schichten unmittelbar aufeinander liegen (z. B. Schichten des 1. Miozänen Flözhorizontes direkt auf denen des 2. Miozänen Flözhorizontes). Die Ergebnisse der Bohrlochmessung verdeutlichen damit instruktiv das Phänomen, das TETTMER 1 9 2 0 an dem Senftenberger Revier eingehend beschrieben hat. Danach führte der im Liegenden der Kohle vorhandene hydrostatische Druck zu Grundwasserdurchbrüchen im Bereich von „Auswaschungsrinnen", bei denen das Wasser eine Umlagerung der nichtbindigen Massen aus dem normalen stratigraphischen Verband in die Rinnen hinein bewirkte. Diese Vorstellungen fügen sich gut in das Modell der subglaziären glazihydromechanischen Entstehung der Destruktionszonen (EISSMANN, 1 9 7 8 , 1 9 8 1 ) ein. Verminderung des hydrostatischen Druckes innerhalb des Eiskarstsystems kann zu Grundwasserströmungen mit Materialtransport (Suffusion) zu den Rinnen hin geführt haben, plötzlicher Druckabfall kann die Bewegungen zu grundbruchartigen Vorgängen gesteigert haben, bei denen das gesamte tragende Skelett eines Grundwasserleiters mit abfloß. 4.3. Deformation der Meßkurven bei Wahrung der Sequenz Diese Deformation kann sich äußern in einer Verlängerung (Streckung) oder in einer Verkürzung (Stauchung) der Meßkurven in vertikaler Richtung, die alle Kurvenelemente gleichermaßen betreffen kann. Die Reihenfolge der Kurvenelemente, ihre Sequenz, bleibt dabei unverändert. Beispiele für derartige Veränderungen der Meßkurven zeigen die beiden Meßdiagramme in den Abbildungen 7 und 8. Die zugehörigen Bohrungen stehen etwa 100 m voneinander entfernt. Beide Meßdiagramme zeigen nicht die normalen Mächtigkeiten der Schichten: Im Falle der Bohrung 8 erscheinen fast alle Kurvenelemente gestreckt, und die lithostratigraphischen Einheiten und Untereinheiten haben scheinbar größere Mächtigkeiten; im Falle der Bohrung 9 erscheinen fast alle Kurvenelemente gestaucht, und die scheinbaren Mächtigkeiten der lithostratigraphischen Einheiten sind verringert. Die einzelnen Elemente der drei dargestellten Meßkurven sind trotz der unterschiedlichen scheinbaren Mächtigkeiten der Schichten jeweils so charakteristisch ausgebildet, daß sie in beiden Meßdiagrammen eindeutig identifiziert werden können (Kurvenelemente 1—10 in den Abbildungen 7 und 8). Erhöhte scheinbare Mächtigkeit einer Schichtenfolge, die alle Einzelschichten gleichermaßen betrifft, kann daher rühren, daß die Schichten beträchtlich geneigt sind. Im vorliegenden Falle kann nach Ausweis zahlreicher Bohrungen in der Umgebung die Erhöhung der scheinbaren Mächtigkeiten durch Schrägstellung der Schichten mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Der Vergleich der beiden Diagramme miteinander zeigt, daß die Mächtigkeitsdifferenzen zwischen beiden Bohrungen für die einzelnen Schichten unterschiedlich sind; sie sind gering für das Kohleflöz (Kurvenelemente 1—3) und wesentlich stärker für den Hangendschluff (Kurvenelemente 4—10). Etwa 18 m Kohle in der Bohrung 8 stehen
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