Geologie
 9783111369051, 9783111012056

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SAMMLUNG

GÖSCHEN

BAND

13/13a

GEOLOGIE DR. F R A N Z L O T Z E . Professor f ü r Geologie u n d Paläontologie an der Universität M ü n s t e r

D r i t t e , verbesserte A u f l a g e

Mit 80 A b b i l d u n g e n

WALTER DE GRUYTER & CO. v o r m a l s G . J . G ö 9 c h e n ' s c h e Verlagshandlung . J . G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g • Georg R e i m e r . Karl J . T r ü b n e r • Veit & C o m p .

BERLIN

1965

© Copyright 1965 by Walter de G r u y t e r & Co., Berlin 30. ~ Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten. — A r c h i v - N r . 77 91658. — Satz und Druck: Saladruck, Berlin 65. — P r i n t e d in G e r m a n y .

INHALT Seite

Literatur

5

Einleitung

7

Geschichte der Geologie

9

Der Erdkörper: Bauplan und Stoff Die Gesamterde Mineralien und Gesteine Erscheinungen und Vorgänge in allgemein-geologischer Sicht

11 11 17 20

Der geologische Stoffkreislauf

20

Der sedimentäre Zyklus (Entstehung der Sedimentgesteine) Vorgänge im Festlandsbereich Vorgänge im marinen Bereich Sedimente und Sedimentgesteine Die Wirkungsweise der endogenen Dynamik Tektonik Verkrümmungen Rupturen (unstetige Deformationen) Dynamische Gliederung der tektonischen Formen . . . . Die Gebirgsbautypen Die tektonischen Vorgänge in ihrem Zeitablauf Heutige Bodenbewegungen Die Bewegungsvorgänge der geologischen Vergangenheit Erdzustände und Gesamtablauf des geotektonischen Geschehens Exogene und endogene Dynamik in ihren Wechselbeziehungen

22 23 34 37 39 40 41 46 53 54 57 57 61 65 68

Seite

Das magmatische Geschehen Vulkanismus Plutonismus Verknüpfungen zwischen Magmatik und Tektonik . . . . Die magmatische Gesteinsbildung Magmatische Lagerstätten

69 69 75 78 80 83

Metamorphose und metamorphe Gesteine

85

Überblick über die Erdgeschichte Allgemeines

87 87

Zur geologischen Vorgeschichte der Erde

91

Die geologischen Formationen Präkambrium Jung-Präkambrium („Algonkium") Kambrium Ordovizium und Silurium (Ordogot) Devon Karbon Perm Trias Jura Kreide Tertiär Quartär

92 92 95 98 103 109 116 122 129 137 147 154 160

Register

166

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Zeitschriften Geologische Rundschau. Herausgegeben von der Geologischen Vereinigung. Jahresbeitrag 30 DM. Anmeldung an den Vorstand: Bonn, Nußallee 2. Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Abhandlungen und Monatshefte. Herausgegeben von FR. LOTZE und H. O. SCHINDEWOLF. — Verlag E. Schweizerbart, Stuttgart. Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft. Bezug durch Beitritt. Jahresbeitrag 40 DM. Anmeldung durch Mitglieder.

Einleitung D i e G e o l o g i e h a t es m i t d e n G e s t e i n e n z u t u n . Sie trifft sich hierin mit der Mineralogie und Petrographie. Aber sie betrachtet die Gesteine unter besonderen, ihr allein eigenen Gesichtspunkten; denn während bei jenen Wissenschaften der mineralische Aufbau, der gegebene physiko-chemische Bestand im Vordergrund steht, sieht der Geologe die Gesteine als etwas G e w o r d e n e s ; sie sind ihm Zeugen der Vergangenheit. D e n n d i e G e o l o g i e ist in i h r e m W e s e n s k e r n e i n e g e s c h i c h t l i c h e W i s s e n s c h a f t . Sie geht davon aus, daß das heutige Erscheinungsbild der Erde das Ergebnis einer langen und wechselvollen Entwicklung ist, und sie stellt sich die Aufgabe, diese Entwicklung sowohl hinsichtlich ihres Ablaufs in Zeit und Raum wie auch hinsichtlich der dabei wirkenden Faktoren und Kräfte aufzuzeigen; sie will damit das heutige Erdbild aus diesem geschichtlichen Vorgang heraus verstehen lernen. Dabei ist der Rahmen ganz weit gefaßt. Die eigentliche E r d g e s c h i c h t e betrifft die Entwicklung des festen Erdkörpers in seiner Gliederung nach Weite und Höhe (Paläogeographie, Morphogenese), in seinem Klima (Paläoklimatologie), in der inneren Struktur seiner Rinde (Tektogenese). Die L e b e n s g e s c h i c h t e , die heute kaum noch ein bloßes Teilgebiet der Geologie ist, sondern sich als Paläontologie zu einem Zwillingsstamm aus gleicher Wurzel entwickelt hat, versucht, im besonderen den Szenenwechsel im Bereich der Organismen zu erfassen; sie hält dabei engste Fühlung zur Geologie, und die Wechselbeziehungen der beiden Wissenszweige sind heute derart, daß der eine auf die Ergebnisse des anderen angewiesen ist.

8

Einleitung

Die Geschichtswissenschaft bedarf der Urkunden, der Zeugnisse, um die Zustände und Begebenheiten eines vergangenen Jahrhunderts abzuleiten. Für den Geologen sind die Gesteine solche Zeugnisse, und besonders die geschichteten sind ihm sozusagen Tagebuchblätter, wie für den Paläontologen die versteinerten Reste und Spuren der Organismen, die Fossilien, die überlieferten Urkunden der Lebensgeschichte darstellen. So ist es vorzügliches Anliegen der erdgeschichtlichen Forschung, diese Urkunden zu sammeln, zu beschreiben, zeitlich einzuordnen — diese Teilaufgabe erfüllt insbesondere die S t r a t i g r a p h i e — und hinsichtlich der Vorzeitverhältnisse zu entziffern. Dieses Entziffern bzw. Deuten setzt die Kenntnis der Bildungsbedingungen der Gesteine voraus, die sich aus einer Untersuchung gegenwärtiger formender und umformender, zerstörender und aufbauender Vorgänge und ihrer Abhängigkeit von den Gegebenheiten des Klimas und anderen Umweltbedingungen gewinnen läßt (Aktuo-Geologie, „aktualistisches Prinzip"). Die Auswertung des gesamten Tatsachenmaterials aus Vergangenheit und Gegenwart kann einmal auf die Erfassung des eigentlichen historischen Geschehensablaufs gerichtet sein, sei es von Einzelgebieten, sei es von der Gesamterde; — wir sprechen dann von „ H i s t o r i s c h e r G e o l o g i e " oder „Erdgeschichte" schlechthin (mit ihren verschiedenen, schon genannten Teilgebieten, wie Paläoklimatologie u. a.). Sie kann aber auch die Erkenntnis bzw. Ableitung genereller, den Geschehensablauf regelnder Gesetzmäßigkeiten nach Vorgang, Bedingtheiten, Kräften usw., d. h. des Allgemeingültigen, bezwecken; — wir sprechen dann insonderheit von „ A l l g e m e i n e r G e o logie". Die Untersuchung der Lagerungsverhältnisse der Gesteine, des strukturellen Einzelbaues der Kruste mit ihren

Geschichte der Geologie

9

Gebirgen und ihrem Unterbau ist Aufgabe der T e k tonik. Sind die Zielsetzungen auf bestimmte, gut abgrenzbare regionale Einheiten (Landschaften, Länder, Kontinente) beschränkt, wobei diese Einzelgebiete hinsichtlich der Gesteinsabfolge, des tektonischenBaus, der geologischen Geschichte, der Lagerstätten usw. beschrieben werden, so sprechen wir von „ R e g i o n a l e r G e o l o g i e " . — Steht hingegen das wirtschaftliche Interesse im Vordergrund, so handelt es sich um das Teilgebiet der „ A n g e w a n d t e n G e o l o g i e " . Ihre Aufgaben sind mannigfach und erweitern sich fortlaufend. Sie betreffen den Baugrund (Baugeologie, Ingenieurgeologie), den landwirtschaftlich nutzbaren Boden (Agrogeologie, Bodenkunde), den Wasserinhalt des Untergrunds (Hydrogeologie) und im Teilgebiet der Lagerstättengeologie auch die nutzbaren Vorkommen von Erzen, Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas, heute auch Uran), Salzen und sonstigen Nichterzen, Erden und Steinen. Die nachfolgende, sehr geraffte Darstellung muß sich darauf beschränken, die Grundzüge der Allgemeinen Geologie und der Erdgeschichte zu umreißen.

Geschichte der Geologie Die Frage der Entstehung der Erde und Ausformung ihres Bildes hat die Menschheit seit alters bewegt. Zunächst hat die Religion mit dem Rüstzeug des Glaubens, dann die Philosophie mit dem des Denkens, schließlich die Wissenschaft durch Empirie und Deutung („malleo et mente") sie zu lösen versucht. Der Schöpfungsbericht der Genesis hat die erdgeschichtlichen Vorstellungen bis in die Neuzeit hinein tiefgreifend beeinflußt. Bei T H A L E S von Milet, HERAKLIT,

PYTHAGORAS,

XENOPHANES,

EMPEDOKLES,

10

Geschichte der Geologie

A R I S T O T E L E S , E R A T O S T H E N E S , S T R A B O u n d SENECA

finden

sich erste Ansätze zu Beobachtungen geologischer Erscheinungen oder Überlegungen hinsichtlich des Erdbaus; aber das Wissen des Altertums, das PLINIUS der Ältere in seiner „Historia naturalis" (darin auch Berichte über Vulkane, Erdbeben, Versteinerungen) zusammengefaßt hat, blieb gering, und die eigentliche Kernidee der Geologie, diejenige einer „Entwicklung der Erde", blieb dem Altertum unerfaßbar. Auch das Mittelalter brachte keine F o r t schritte. Erst mit dem Beginn der Neuzeit erfolgte ein neuer Ansatz. LEONARDO DA VINCI u n d a n d e r e e r k a n n t e n

die e r d -

geschichtliche Bedeutung der Fossilien, der bedeutende Däne NICOLAUS STENO (1631—1686), der „Vater der T e k t o n i k " , beachtete als erster die Lagerungsverhältnisse der Gesteine und versuchte, den Schichtverband einer norditalienischen Landschaft zu gliedern. Als eigentliche Begründungszeit der Geologie, als ihr „heroisches Zeitalter", muß aber erst die Zeitspanne 1 7 9 0 — 1 8 2 0 gelten. Bedeutende Männer, unter ihnen besonders der „Vater der Geol o g i e " ABRAHAM GOTTLOB WERNER ( 1 7 5 0 bis 1 8 1 7 ) , f e r n e r d i e E n g l ä n d e r H U T T O N , H A L L u n d SMITH u n d d e r

Fran-

zose CUVIER legten die Basis echter geologischer Wissenschaft. WERNER bezeichnete seine auf der Empirie basierende Lehre als „Geognosie", nachdem der von dem Polyhistor DE L u c geprägte Ausdruck „Geologie" als Name einer allzu spekulativen Pseudowissenschaft in Verruf gekommen war. Das nachfolgende „goldene Zeitalter", auch „Zeit der großen Meister" genannt (1820—1860), brachte den weiteren Ausbau von Geologie und Paläontologie und die anschließende Zeit bis heute die Vollendung zum derzeitigen Wissenschaftsgebäude. V o n den „großen Meistern" verdienen besonders genannt zu werden der Deutsche K.-A.

Die Gesamterde

11

v . HOFF ( 1 7 7 1 — 1 8 3 7 ) , d e r d e n E n t w i c k l u n g s g e d a n k e n f ü r

das Anorganische wesentlich förderte und mit LYELL das „Prinzip des Aktualismus" begründete — wonach die gegenwärtig auf der Erde wirkenden Kräfte durch ihre sich summierenden Dauerwirkungen die gesamte geologische Entwicklung bedingen, so daß man aus den Erscheinungen der Gegenwart heraus auch diejenigen der Vergangenheit zu verstehen vermöge —, und CH. DARWIN, der den Entwicklungsgedanken für das Organische zum Siege führte. Als großer Geotektoniker nimmt EDUARD SUESS (1831—1914) eine ganz hervorragende Stellung ein; sein berühmtes Buch „Das Antlitz der Erde" gehört zu den klassischen Werken der Geologie.

Der Erdkörper: Bauplan und Stoff Die Gesamterde Die Erde, von der Sonne aus der dritte unter den neun bekannten Planeten des Sonnensystems, hat ein Volumen von rd. 1083 Milliarden km 3 , eine Gesamtmasse von rund 6000 Trillionen Tonnen (genauer 5,973 • 12 27 g) und ein mittleres spezifisches Gewicht von wahrscheinlich 5,52. Die Oberfläche des festen Erdballs mißt 509,9 Millionen km 2 , der Äquatorumfang 40 076 594 m, der Äquatorradius 6 378 260 m, der Polradius 6 356 912 m. Die Figur der Erde („Geoid") nähert sich sehr einem kugelähnlichen Rotationsellipsoid mit einer Abplattung 1 : 297. Die durch Gebirge und Meere bedingten Unregelmäßigkeiten der Erdoberfläche sind im Verhältnis zur Gesamtgröße nur sehr gering. Auf einem maßstabgetreu verkleinerten Erdmodell von 2 m Durchmesser würden die höchsten Gebirge (Mount Everest: 8882 m) und die Tiefseegräben (Challenger-Tiefe im Marianen-Graben, Pazifik: 11 035 m) vom mittleren Niveau der Krustenoberfläche (2430 m unter N N ) nicht

12

Der Erdkörper: Bauplan und Stoff

einmal um 2 mm abweichen, also kaum wahrnehmbar sein. Diese große Kugel bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 30 km/sec auf einer fast kreisförmigen, rd. 940 Millionen km langen Ellipse um die Sonne, die in dem einen Brennpunkt steht. Sie hält dabei von der Sonne einen mittleren Abstand von 149,6 Mio. km ein, ist ihr aber Anfang Januar um 2,5 Mio. km näher, Anfang Juli um 2,5 Mio. km ferner. Zugleich rotiert sie um eine Achse, die gegen die Erdbahn unter 66° 33' geneigt ist, in west-östlicher Richtung, wobei die Geschwindigkeit eines Punktes auf dem Äquator 465 m/sec beträgt. Der A u f b a u d e r E r d e ist konzentrisch-schalig. Die äußerste Schale, die selbst schichtig unterteilte gasförmige A t m o s p h ä r e , hat eine Mindesthöhe von 1000 km, wird nach außen aber außerordentlich dünn; so sind 9 0 % der Luftmasse bereits in den unteren 20 km enthalten. Die unterlagernde H y d r o s p h ä r e ist zwischen 0 und rund 10 km dick; über 9 8 % ihrer Gesamtmasse, nämlich 1370 Mio. km 3 Wasser, sind in den Meeren angesammelt; der Rest entfällt auf das Eis (22 Mio. km 3 ) sowie den Wasserinhalt der Flüsse und der Seen, der allerdings rein mengenmäßig (0,13 Mio. km 3 ) ohne Belang ist, dynamisch aber eine erhebliche Rolle spielt. D e r f e s t e E r d k ö r p e r (Lithosphäre und deren Unterlage) ist seinerseits kugelschalig geschichtet. Über seinen Aufbau haben vor allem die Erdbebenwellen, die von den nahe der Oberfläche gelegenen Herden aus den ganzen Erdkörper in allen Richtungen durchstrahlen und auf ihrem Wege mancherlei Veränderungen erleiden, Kunde gebracht (Abb. 1). Die vertikale Großgliederung wird durch eine Unstetigkeitsfläche I. Ordnung in 2900 km Tiefe gegeben. Innerhalb von ihr liegt der „Erdkern", außerhalb die „Erdschale". Letztere zeigt eine weitere Unterteilung

Die Gesamterde

13

A b b . 1. G e s c h w i n d i g k e i t der elastischen R a u m w e l l e n i m E r d i n n e r n als F u n k t i o n der T i e f e . Nach H. HAALCK.

v [ = Geschwindigkeit

der

Longitudinalwellen r

vi = G e s c h w i n d i g k e i t

der

Transversalwellen.

durch eine deutliche Trennungsfläche („MOHOROVICICUnstetigkeit") in „ K r u s t e " und „Mantel". Diese liegt unter den Festländern in rd. 35, unter den Meeren in 10—12 k m Tiefe unter N N . Weitere, weniger bedeutende und z. T . nicht ganz sichere Unstetigkeitsflächen kommen hinzu. N u r über die p h y s i k a l i s c h e n V e r h ä l t n i s s e der äußersten Kruste wissen wir durch Beobachtungen unmittelbar Bescheid. Hinsichtlich der in größeren Tiefen herrschenden Drucke und Temperaturen bleiben die Aussagen hypothetisch. In den obersten Metern des Erdbodens schwankt die B o d e n t e m p e r a t u r entsprechend dem Jahresgang des Klimas. In einer bestimmten Tiefe (10 bis 20 m je nach den örtlichen Verhältnissen) herrscht konstant eine dem Jahresmittel an der Erdoberfläche entsprechende Temperatur (im Mittel der gesamten Festlandsgebiete + 14,3 ° C). Weiter nach unten nimmt die Temperatur stetig zu in einem Maße, das durch die sogenannte „geothermische Tiefenstufe" bestimmt ist. Man versteht darunter die vertikale Strecke in Metern, in der sich die Temperatur um 1 0 C erhöht. In den oberflächennahen Bereichen der Kontinente beträgt sie im Durchschnitt 33 m ; hier steigt die Temperatur also

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Der Erdkörper: Bauplan und Stoff

um 3 ° C je 100 m Tiefenzunahme. In Gebieten mit noch tätigen oder jung erloschenen Vulkanen sowie in Bereichen jüngerer Gebirgsbildung pflegt die Temperaturerhöhung geringer zu sein (z. B. im Uracher Vulkangebiet auf der Schwäbischen Alb fast 1 0 ° C pro 100 m Tiefe) als in vulkanisch inaktiven und tektonisch altverfestigten Kontinentalbereichen (z. B. in Nordamerika bis 0 , 8 0 C auf 100 m Tiefe). Über die Verhältnisse unter dem Meeresboden sind wir nicht orientiert. Vielleicht darf für die Außenzonen der Gesamterde ein mittlerer Temperaturgradient von 1,5 bis 2 ° C/100 m Tiefe angenommen werden. Wenigstens läßt sich auf Grund theoretischer Erwägungen für die tiefere Erdkruste bei rd. 60 km eine Temperatur von 1000—1200° C ableiten. Weiter nach unten muß jedoch der Temperaturanstieg wesentlich langsamer erfolgen, und für den Erdkern liegen die Schätzungen zwischen 2000 und 20 000 ° C, wobei Werten unter 5000 0 C die größere Wahrscheinlichkeit zukommt. Daß der D r u c k nach der Tiefe zunimmt, liegt auf der Hand, da die auflastende Gesteinsdecke ja nach unten immer mächtiger wird. An der Kerngrenze (2900 km) dürfte der Druck gegen 1,5 Millionen, im Erdmittelpunkt gegen 3,5 Millionen Atmosphären betragen. In Nähe der Erdoberfläche verhalten sich die Gesteine wie normale feste und großenteils wie spröde Körper. Der hohe Umschließungsdruck und die erhöhte Temperatur verändern mit zunehmender Tiefe die m e c h a n i s c h e n E i g e n s c h a f t e n ; das Material wird dehnbar und verhält sich zuletzt stetig wirkenden Kräften gegenüber wie eine sehr zähe Flüssigkeit. Dem widerspricht nicht, daß sich die Erdschale mindestens bis in 2900 km Tiefe Erdbebenwellen gegenüber wie ein fester Körper verhält und daß die Gesamterde den Ebbe-Flut-Kräften gegenüber die „Righeit" des Stahls aufweist. — Über den A g g r e -

Die Gesamterde

15

g a t z u s t a n d i m E r d k e r n ist keine sichere Aussage zu machen. Bisher konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob auch durch den Erdkern transversale Erdbebenwellen laufen; daraus ist geschlossen worden, daß der Erdkern solche überhaupt nicht zu leiten vermöge, wie das für den flüssigen und gasförmigen Zustand zutrifft. Möglicherweise handelt es sich aber lediglich um eine Beobachtungslücke. Über den c h e m i s c h e n S t o f f b e s t a n d der Erde haben wir unmittelbare und mittelbare Kenntnisse nur hinsichtlich der unteren Atmosphäre, der Hydrosphäre und des äußeren Gesteinsmantels. Die hier bisher bekannten 100 Elemente umfassen nahezu die Gesamtheit der nach den Gesetzmäßigkeiten des „Periodischen Systems" überhaupt zu erwartenden chemischen Elemente. Auf indirektem Wege wurden sie großenteils auch im Weltenraum nachgewiesen. Von diesen Elementen sind indes nur acht in und auf der festen Oberkruste so häufig, daß sie für die geologischen Vorgänge eine ausschlaggebende Rolle spielen. Diese sind, geordnet nach ihrem Anteil in Gewichtsprozenten: Sauerstoff (O) 46,59 % Silizium (Si) 27,72% Aluminium (AI) . . . . 8,13 % Eisen (Fe) 5,01 % Calcium (Ca) 3,63 % Natrium (Na) 2,85 % Kalium (K) 2,60 % Magnesium (Mg) . . . . 2,09% Wenn man in Volumenprozenten statt Gewichtsprozenten rechnet, ergibt sich die Rolle des Sauerstoffs als noch bedeutsamer. Unsere Erdkruste erscheint dann als eine Packung von Sauerstoffatomen, in die die übrigen Atome mehr oder weniger regelmäßig eingelagert sind, örtlich

16

Der Erdkörper: Bauplan und Stoff

können sonst seltene Elemente (wie Gold, Platin, Zinn, Kohlenstoff usw.) besonders konzentriert sein. Solche Anreicherungen bezeichnet man dann, wenn sie sich wirtschaftlich verwerten lassen, als L a g e r s t ä t t e n . — Wenn man die Hauptbestandteile auf Oxyde umrechnet, erscheint die Erde in ihren äußeren 16 km („Oberkruste") zusammengesetzt aus 59,12 % S i 0 2 , 15,34 % A1 2 0 3 , 5,08 % C a O , 3,84 % N a a O , 3,81 % FeO, 3,08 % F e 2 0 3 , 3 , 4 9 % MgO, 3,13 % K 2 0 , 1 , 1 5 % H a O , 1,05 % T i 0 2 , 0,299 % P 2 0 5 . Der Rest von rd. 0,6 % entfällt auf alle übrigen Stoffe. Wegen des Vorherrschens von Silizium und Aluminium bezeichnet man die Oberkruste auch als „ S i a 1" ; die darunter liegende, bis in rd. 35 k m Tiefe reichende Unterkruste, aus der die in Vulkanen ausfließenden Basaltlaven stammen dürften, wird wegen der stärkeren Anteilnahme von Magnesium neben Silizium als „ S i m a " bezeichnet. Daß der chemische Aufbau der tieferen Erde von dem der Kruste wesentlich abweicht, ergibt sich schon aus dem spezifischen Gewicht der Gesamterde, das mit 5,52 sowohl von demjenigen der sialischen Oberkruste (2,7—2,8) als auch dem der simatischen Unterkruste (2,9—3,0) wesentlich abweicht. Aus der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erdbebenwellen, aus der stofflichen Zusammensetzung der Meteoriten, aus Betrachtungen über geochemische Sonderungsvorgänge in Analogie zu Hochofenprozessen (Zerfall einer Schwefel- und arsenhaltigen Silikatschmelze mit Metallüberschuß in Silikatschmelze, Sulfid-Oxydschmelze und Metallschmelze) hat man abgeleitet, daß der Mantel (s. S. 13) in seinem oberen Teil aus ultrabasischem Silikatmaterial, in seinem unteren Teil aus Metallsulfiden und daß der Kern aus Eisen mit Nickel bestände (E.WIECHERT u.a.). In neuerer Zeit sind Bedenken vor allem gegen die Vorstellung des Erdkerns als Eisenkörper erhoben worden. Man hat daran gedacht, daß hier im wesentlichen unverändert

Mineralien u n d Gesteine

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gebliebene Solarmaterie vorläge (KUHN & RITTMANN), daß der Kern hauptsächlich aus Olivin bestände (RAMSEY) oder daß sich in ihm ein hoher Gehalt an Eisen in einatomigem Zustand mit einem relativ bedeutenden Gehalt an Wasserstoff in mehr oder weniger vollständig ionisiertem Zustand (mit Beimengungen besonders von Si, O und Mg) vereinige (HAALCK). Hier harren wesentliche Fragen noch der Lösung. Für die Bereiche zwischen Kruste und Kern (35—2900 km Tiefe) ist dagegen eine Stoff sonderung im Sinne eines Hochofenprozesses durchaus wahrscheinlich; danach würden unterhalb der Unterkruste zunächst spezifisch schwere, eisenreiche Silikate (Olivin u . a . ) vorherrschen ( S i f e m a ) , die nach unten über eine an Oxyden und Sulfiden von Eisen und anderen Metallen reiche Region weiter gegen den Kern zu in reineres, nickelhaltiges Eisen ( N i f e ) übergehen würden. Mineralien und Gesteine Unter den an der Erdoberfläche herrschenden Bedingungen vermögen nur wenige der Grundstoffe in elementarem Zustand zu existieren; in der Regel sind vielmehr zwei oder mehrere derselben zu chemischen Verbindungen vereinigt, wobei Sauerstoff-Verbindungen (Oxyde) stark vorherrschen. Die in der N a t u r als physikalisch und chemisch homogene Körper anzutreffenden Elemente und ihre Verbindungen werden als M i n e r a l i e n bezeichnet. Vielfach sind diese kristallisiert; dann gehorcht die Anordnung ihrer Bauelemente, der Atome, Ionen oder Moleküle, bestimmten geometrischen Gesetzen,.d.h. sie sind in einem „ R a u m gitter" angeordnet, was sich in entsprechenden physikalischen Eigenschaften und gewöhnlich auch in einer regelmäßigen äußeren Gestalt, dem „Kristall", kennzeichnet. Die Winkelbeziehungen zwischen den Kristallflächen sowie 2 Lotze, Geologie

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Der Erdkörper: Bauplan und Stoff

die optischen Eigenschaften (neben anderen) geben daher die Möglichkeit, die Mineralien zu „bestimmen", so daß in vielen Fällen die mineralogische Untersuchung eine chemische Analyse zu ersetzen vermag. — Neben den kristallisierten Mineralien, deren Einzelkristalle bis mikroskopisch klein sein können, gibt es ganz zurücktretend auch völlig unkristallisierte, „amorphe" (gestaltlose). Die Mineralien scheiden sich aus heißen Schmelzflüssen, aus Dämpfen und aus wässerigen Lösungen aus, wenn diese Medien durch Änderung von Temperatur, Druck oder Chemismus unter neue Gleichgewichtsbedingungen gelangen. Wärmeverlust spielt bei Schmelzflüssen, Schwinden des Lösungsmittels bei wässerigen Lösungen eine große Rolle. Im Einzelfall hängt die Mineralausscheidung wesentlich von dem Chemismus der Lösung sowie von Druck und Temperatur ab; dabei gelten die Grundvorgänge der Mineralbildung nicht nur für heute, sondern auch für die geologische Vergangenheit. In den G e s t e i n e n sind Einzelmineralien meist verschiedener, nicht selten auch gleicher Art zu Mineralgesellschaften vereint. Dieser Zusammenschluß kann schon bei der Bildung der Einzelmineralien oder unmittelbar danach, aber noch in ursächlichem Zusammenhang mit dem Bildungsablauf, geschehen; so entstehen Salzgesteine aus den aus wässerigen Lösungen sich abscheidenden einzelnen Salzkristallen. In einer solchen Mineralgemeinschafl (Paragenese) stehen die Komponenten in gesetzmäßigen Beziehungen zueinander. — Der Zusammenschluß kann aber auch in größerem zeitlichem Abstand von der Bildung mehr „zufällig" erfolgen, z. B. in der Weise, daß Mineralkörner aus verschiedenen Mineralgesellschaften ausgesondert und etwa durch fließendes Wasser zu neuen Mineralgemeinschaften zusammengetragen werden; das ist z. B. bei sandigen Gesteinen der Fall.

Mineralien und Gesteine

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Während die Gesamtzahl der bekannten Mineralarten über 2000 beträgt, nehmen nur etwa 100 am Aufbau der normalen Gesteine teil, und nur etwa 10 Grundtypen sind von ausschlaggebender Bedeutung. Hierzu gehören Quarz (Si0 2 ), Feldspat (in mehreren Abarten, wie Orthoklas und die Plagioklase), Glimmer (hauptsächlich zwei Arten: heller Glimmer [Muskowit] und dunkler, eisenhaltiger Glimmer [Biotit]), Hornblende, Augit, Olivin, Magnetit, ferner die Tonmineralien und die Karbonate Kalkspat und Dolomit. Durch verschiedene Kombinationsmöglichkeiten dieser Grundmineralien und ihrer Abarten ergibt sich eine erhebliche Mannigfaltigkeit. Im einzelnen werden die Verhältnisse durch die physiko-chemischen und geologischen Bildungsbedingungen bestimmt, und die Gesteine als die Kombinationen von Mineralien werden damit bezeichnend f ü r bestimmte Bildungsbereiche. Auf dieser g e n e t i s c h e n Basis lassen sich die Gesteine in folgende drei Hauptgruppen einteilen: 1. E r s t a r r u n g s g e s t e i n e (magmatische Gesteine, Magmatite) entstehen durch die Erstarrung heißer natürlicher Silikatschmelzen, der Magmen, in oder auf der Erdkruste. 2. A b s a t z g e s t e i n e (Sedimentgesteine, Sedimentite) sind mechanische oder chemische Absätze aus Wasser oder Lufl oder Anhäufungen organischer (tierischer oder pflanzlicher) Reste. 3. U m p r ä g u n g s g e s t e i n e (metamorphe Gesteine, Metamorphite), darunter insbesondere die K r i s t a l l i n e n S c h i e f e r , gehen aus den Gesteinen der ersten und zweiten Gruppe durch mechanische und physiko-chemische Umwandlungen hervor, wobei der Mineralbestand durch U m - und Neukristallisation mehr oder weniger stark verändert Werden kann. 2*

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Für geologische Deutungen ist oft der E n t s t e h u n g s o r t von besonderer Wichtigkeit. Danach lassen sich superund intrakrustale Gesteine unterscheiden, d. h. solche, die an der Oberfläche der festen Erdkruste entstehen und damit deren spezifische Bedingungen widerspiegeln, und solche, die sich innerhalb der Erdkruste bilden. Diese U n terscheidung ist für die Ableitung erdgeschichtlicher Verhältnisse aus den Gesteinen bedeutsam.

Erscheinungen und Vorgänge in allgemein-geologischer Sicht Der geologische Stoff kreislauf Schon die Existenz der Metamorphite erweist, daß selbst die festesten Gesteine nichts absolut Stabiles sind. Sie sind beständig, solange ihr Stoffbestand mit den Umweltbedingungen im Gleichgewicht ist; ändern sich die letzteren, so verändert sich in entsprechendem Maße der Mineralbestand und damit der Gesteinscharakter. Die Bauelemente, wie etwa das Silizium (Si) bzw. die Kieselsäure ( S i 0 2 ) , können dabei räumlich wie zeitlich verschieden weit gespannte Kreisprozesse durchlaufen, die sich zum Idealbild des „geologischen Stoffkreislaufes" zusammenfügen lassen (Abb. 2). Durch diesen Stoffkreislauf sind die einzelnen Gesteinstypen genetisch miteinander mehr oder weniger eng verknüpft. Neuer Stoff tritt in den Kreislauf ein, wenn aus großer Erdtiefe, etwa aus dem Simabereich, Magma an die Erdoberfläche dringt. Der sich bei der Erstarrung bildende Magmatit stellt ein echtes Primärgestein dar. Unter dem Einfluß von Atmosphärilien an der Außenfläche der Erdkruste kann es sich chemisch zersetzen und mechanisch zerfallen („Verwitterung"); aus den Zerfallsprodukten vermögen sich die Sedimentite als Sekundärgesteine zu bilden.

Der geologische Stoffkreislauf

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Auch diese unterliegen bei veränderten Bedingungen der Verwitterung, woran sich weitere Generationen v o n Sedimentgesteinen knüpfen k ö n n e n . Versenkung in große Erdoberfläche

Erdtiefe Abb. 2. D e r geologische Stoffkreislauf.

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Erdtiefe oder Berührung mit Schmelzflüssen kann die Sedimentite wie auch unmittelbar die Primärgesteine in Metamorphite verwandeln, die nun ihrerseits wieder in den sedimentären Teilzyklus einbezogen werden können. In noch größeren Erdtiefen können die primären Gesteine wie auch ihre ganze Gefolgschaft mehr oder weniger weit aufgeschmolzen werden. I m Endfalle bilden sich so neue (sekundäre oder deszendente) Schmelzen, die sich von den primären Schmelzen in dem Maße durch abweichenden Stoffbestand auszeichnen, wie die sedimentären Zwischenvorgänge Stoff sonderungen bewirkt hatten; neuartige Magmatite können so Zustandekommen. Wenn der Aufschmelzvorgang nicht bis zur völligen Magmabildung führt, sondern in einem Vorstadium stecken bleibt und durch eine Wiederverfestigung fixiert wird, entstehen „Mischgesteine" (Migmatite). Die Hauptstadien des Stoffkreislaufes sollen im nachfolgenden eingehender betrachtet werden. Es wäre logisch, dabei mit der Bildung der magmatischen Gesteine zu beginnen; indes ist die Entstehung der Sedimente leichter überschaubar u n d sicherer erfaßbar, da es sich dabei großenteils u m Vorgänge handelt, die sich vor unseren Augen ständig abspielen. Deshalb soll von ihnen ausgegangen werden. Der sedimentäre Zyklus (Entstehung der Sedimentgesteine) Auf die Gesteine, die in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit an der Erdoberfläche zutage treten, wirkt eine S u m m e v o n Faktoren ständig ein, die durch Energien gelenkt u n d in Gang gehalten werden, welche der Erde v o n außen her dauernd zufließen (exogene Dynamik). Weitaus der größte Teil dieses Energiestromes stammt von der Sonne, deren nach Breiten und Jahreszeiten wechselnde Wärmeeinstrah-

Der sedimentäre Zyklus

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lung im Verein mit der Schwerkraft Atmosphäre und Hydrosphäre in ständigem Umlauf hält, Temperaturschwankungen auch im festen Boden hervorruft und einen steten Wasseraustausch zwischen Hydrosphäre, Atmosphäre und Lithosphäre erzeugt. Die dadurch angeregten Teilprozesse sind Verwitterung, Abtragung, Fortführung der Verwitterungsprodukte und ihre Neusammlung bei der Sedimentation. Im einzelnen verlaufen die Vorgänge je nach den durch die Geländegestaltung sowie die klimatischen und hydrologischen Verhältnisse gegebenen U m weltbedingungen verschieden. So lassen sich zwei Hauptbereiche, der kontinentale und der marine, und in ersterem drei klimatisch bestimmte Unterbereiche, der humide (Niederschläge höher als Verdunstung), der aride (Verdunstung höher als Niederschläge) und der nivale (Niederschläge vorherrschend in Schneeform) unterscheiden. V o r g ä n g e im

Festlandsbereich

Die Verwitterung wirkt mit physikalischen und chemischen Mitteln. Sie kann besonders dann große Effekte erreichen, wenn die Verwitterungsprodukte schnell fortgeführt werden, so daß immer wieder neues Gestein dem Verwitterungsangriff zugänglich wird; sich ansammelnde Rückstände bilden dagegen eine Schutzdecke, die ein Vordringen des Zerfalls in die Tiefe verzögert und schließlich stoppt. So sind Gebirgsländer Hauptstätten der Verwitterung. Die chemische Verwitterung ist stark wasser- und temperaturabhängig; sie ist daher in den humiden und dabei zugleich heißen Gebieten (Tropen) besonders aktiv und vermag hier mit Hilfe des Wassers bis in beträchtliche Teufen vorzudringen. Als Hauptgebiete der physikalischen Verwitterung bleiben die ariden und nivalen Bereiche und die Küsten der Meere.

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Die physikalische (mechanische) V e r w i t t e r u n g wirkt sich in einem zunächst groben, dann zunehmend feineren Gesteinszerfall aus. Temperaturschwankungen im täglichen und jährlichen Rhythmus rufen unterschiedliche Volumänderungen und damit Spannungen im Gesteinsinneren hervor, die besonders stark werden, wenn die Mineralkomponenten verschiedene Ausdehnungskoeffizienten aufweisen. An bereits vorhandenen Flächen (Gefügeelementen) geringerer Festigkeit, wie Schichtflächen, vorgebildeten und latenten Klüften und Schieferflächen, wirken sich die Spannungen bevorzugt aus; in kompakten Gesteinen können neue Teilungsflächen entstehen, besonders parallel der Oberfläche („schalige Abschuppung"), und selbst große Blöcke können durch „Kernsprünge" zerfallen. Sprengende Wirkung übt auch das in Poren und Klüften vorhandene Wasser beim Gefrieren aus, und ähnlich wirkt die Kristallisationskraft von Salzen, die sich aus Lösungen in den Haarspältchen ausscheiden. Zu recht grotesken Felsformen kann die mechanische Verwitterung in den Wüsten führen. In solchen Trockengebieten kommt die Sandstrahlwirkung bewegten Quarzsandes bei Sandstürmen hinzu. Schließlich greifen alle bewegten Medien, so auch das strömende Wasser der Flüsse, besonders wenn sie Feststoffe mitführen, durch Reibungseffekte die Gesteine stetig an, mit denen sie in Berührung kommen. Im Küstenbereich der Meere üben die Brandungswellen vor allem an Steilufern in dauerndem Rhythmus eine mechanisch zerstörende Wirkung aus. Die lebendige Energie der besonders bei Stürmen gewaltigen Wassermassen und von Gerollen und Gesteinsbrocken, die wie Geschosse gegen die Felsen geschleudert werden, zermürben das Gestein. Wasser wird in Gesteinsklüfte gepreßt, die dabei komprimierte Luft wirkt sprengend und schiebend wie Druckluft. So entstehende Brandungsnischen führen zu Instabilitäten

Der sedimentäre Zyklus

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in den überragenden Felsen, bis diese unter ihrem Gewicht zusammenbrechen. Indem der mechanische Zerfall die Gesteinsoberfläche um ein Vielfaches vermehrt, leistet er gute Vorarbeit für die c h e m i s c h e V e r w i t t e r u n g , die auf Lösungsvorgänge hinausläuft. Es bedarf hierzu des Wassers, dessen Lösungskraft durch hinzukommende Säuren, wie Kohlensäure aus der Luft und verwesenden Organismen oder Schwefelsäure (durch Oxydation von Schwefelmineralien im Boden), beträchtlich erhöht wird. Die Auflösung ist nur selten eine einfache, vielmehr ist sie meist mit mehr oder minder großen chemischen Umsetzungen verbunden. Einfach aufgelöst werden die leichtlöslichen chloridischen S a l z g e s t e i n e , die aus Kombinationen von Steinsalz (NaCl), Sylvin (KCl), Carnallit (KCl • MgCl 2 • 6 H 2 0 ) und ähnlichen Mineralien bestehen. Weniger wasserlöslich sind die Sulfate Gips ( C a S 0 4 - 2 H 2 0 ) und Anhydrit (CaS0 4 ). Salzlagerstätten, die aus diesen und ähnlichen Mineralien bestehen, sind daher nur in Trockengebieten an der Erdoberfläche mehr oder weniger beständig; in humiden Klimabereichen schreitet die Auflösung durch Grundwasser bis in große Tiefen fort und erzeugt hier oft eine recht ebene Ablaugungsfläche, den „Salzspiegel". Bei den häufigen K a r b o n a t g e s t e i n e n (Kalzit — C a C 0 3 — und Dolomit — M g C 0 3 • CaCO ä —) hängt die Löslichkeit in starkem Maße von dem Gehalt des Wassers an freier Kohlensäure ab, da das bei einem C0 2 -0berschuß sich bildende Doppelkarbonat C a C 0 3 - H 2 C 0 3 viel löslicher ist als einfaches C a C 0 3 . Die Kalkauflösung führt in reinen Kalkgebirgen an der Erdoberfläche zu Verkarstungserscheinungen, zu Karren, Schratten, geologischen Orgeln, schluchtförmigen Tälern usw.; im Untergrund läßt sie Höhlen, Tunnels, Kanäle, unterirdische Wasserläufe mit Fluß versickerungen auf der einen und wasserreichen Quell-

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

austritten auf der anderen Seite entstehen. Einbrüche von Lösungshohlräumen ergeben Versturzhöhlen im überlagernden Gebirge und trichterförmige Dolinen an der Erdoberfläche. Solche Karsterscheinungen finden sich in den Massenkalk-Vorkommen des westfälischen Sauerlandes, des Harzes usw., in den Malm-Kalken des süddeutschen Juras, in den nördlichen Kalkalpen, im Karst bei Triest, in Dalmatien, überhaupt in allen größeren Kalkgebieten der Erde. — Bei mergeligen Kalken und M e r g e l n bleiben als letzte Verwitterungsrückstände zähe Lehme und Tone, bei sandigen Kalken und K a l k s a n d s t e i n e n lockere Quarzsande zurück. Bei der chemischen Verwitterung der s i l i k a t i s c h e n G e s t e i n e , die 95 % der Erdkruste ausmachen und unzweifelhaft die verbreitetsten Gesteine auf der festen Oberfläche sind, spielt neben Wasser und Kohlensäure auch der Sauerstoff eine bedeutende Rolle. Während Q u a r z (reines SiO a ) kaum angegriffen wird, werden Feldspäte und sonstige Silikate, wie Biotit, Augit, Hornblende u. ä., weitgehend zersetzt. Dabei gehen die Alkalien (Na a O, K a O ) und Erdalkalien (CaO, MgO) und unter bestimmten klimatischen Bedingungen auch mehr oder weniger die Kieselsäure in Lösung. Es bleiben Aluminiumsilikate, wie Kaolin bzw. verschiedenartige Tonmineralien, zurück; bei völliger Entfernung der Kieselsäure resultiert Aluminiumhydroxyd (Bauxit). Beigemengt sind außer Quarzkörnern Oxyde oder Hydroxyde des Eisens, die den Verwitterungsprodukten eine rote oder braune Farbe erteilen. In unseren Breiten läßt der Gesamtprozeß der mechanischen und chemischen Verwitterung Granit und verwandte quarzreiche Gesteine (auch Gneise usw.) zunächst in grobe rundliche Blöcke (Wollsack-Verwitterung), diese in einen Grus (Grit), weiter in einen Sand aus Q u a r z , Glimmer und zersetzten Feldspat-Körnern („Arkose"), der einen leichten,

Der sedimentäre Zyklus

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warmen Boden, darstellt, zerfallen; dagegen verwittern Basalte zu fettem, braunem Lehm mit Brocken restlichen Gesteins, also zu einem kalten, schweren Boden. Im übrigen verläuft die Bodenbildung verschieden nach dem Ausgangsstoff und dem Klima und dem dadurch bestimmten Wasserhaushalt des Bodens (so herrscht im gemäßigten humiden Bereich tonige oder siallitische Verwitterung; im halbhumiden und tropisch-humiden Klima allitische oder hydratische Verwitterung: Laterit). Starke Durchwaschung des Bodens durch einsickernden Niederschlag führt zur Podsolierung (Bleicherde-Bildung), wobei im oberflächennahen Bereich auch Eisen- und Humusbestandteile ausgewaschen werden, die sich weiter unten als „Ortstein" wieder absetzen. Die Abtragung, d. h. die Entfernung des Materials aus dem Verwitterungsbereich, setzt vielfach schon gleichzeitig mit der Verwitterung ein oder folgt ihr auf dem Fuße. In diesem Sinne wirkt ohne Mithilfe anderer Faktoren an Felswänden oder steileren Hängen allein schon die Schwerkraft. Sie verursacht im Gebirge das ständige Abbröckeln, Abrieseln, Abstürzen, Abrollen und Abgleiten gelockerter Gesteinsstücke und in besonderen Fällen auch die talwärtige Bewegung größerer Gesteinskomplexe (Felsstürze, Bergstürze, Bergrutsche, Gravitationsströme von GehängeSchuttmassen). Gelegentlich können diese katastrophale Ausmaße annehmen; so gingen 1881 beim Felssturz von Elm in der Schweiz 11 Mio. m 3 Gestein zu Tal, und 1962 verschüttete eine 12 km breite Rutschmasse in den peruanischen Anden mehrere Dörfer, wobei über 3000 Menschen zu Tode kamen. Hangwärtige Neigung der Gesteinsschichten und natürliche oder künstliche Unterschneidung des Gefällswinkels fördern derartige Vorgänge. Bei geringeren Hangneigungen, ja selbst auf Flächen

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

minimalen Gefälles können durch Wasser aufgeweichte Verwitterungsmassen, besonders wenn sie tonig-lehmige Komponenten in größerem Maße aufweisen, langsam zu Tal wandern („Gekriech") oder — besonders nach starken Niederschlägen — wie mehr oder minder zähe Flüssigkeiten abströmen (Erdschlipfe, Bodenfluß, Solifluktion). Wiederholtes Gefrieren und Tauen und häufige Durchnässung begünstigen diesen Vorgang, der deshalb in den periglazialen Gebieten ganz besonders verbreitet ist. Sortierungsvorgänge können hier zu besonderen Strukturen führen (Strukturböden, Polygonböden u. ä.). Plötzliche Bodenerschütterungen wirken bei wasserreichen tonigen Böden verflüssigend (Thixotropie), und so lösen Erdbeben oft große Rutschungen aus. In allen diesen Fällen bleibt das Material in nächster Nähe des Abtragungsbereichs. Es sammelt sich in Schutthalden usw. am Fuß der Hänge. Zu einer Verfrachtung über größere Entfernungen hin bedarf es eines transportierenden, bewegten Mediums. Als solches kommen Luft, Wasser und Eis in Betracht. Der W i n d ist nur in der Lage, feinere Bestandteile fortzuführen. Gewöhnlich sind diese staubförmig (Staubstürme) oder feinsandig (Sandstürme der Wüsten, Wanderdünen), und nur gelegentlich werden von orkanhaften Stürmen auch kleine Gerolle bewegt. Der Staubtransport kann unter Umständen außerordentlich weit gehen. So wird roter Sahara-Staub auf der Westseite Afrikas bis in die Mitte des Atlantiks und weiter geweht; gelegentlich gelangt er bei südlichen Winden bis nach Mitteleuropa, selbst bis nach Grönland („Blutregen", „roter Schnee"). Durch die Ausblasung der Feinbestandteile entstehen in den ariden Gebieten, wo eine schützende Vegetation fehlt, Landschaften mit charakteristischen Vertiefungen (Deflationslandschaften) und Steinwüsten mit Windschliffen auf Felsen und Gesteins-

Der sedimentäre Zyklus

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brocken (Dreikanter; solche in anderen Klimabereichen auch an Sandküsten). Schon das abrinnende R e g e n w a s s e r nimmt Gesteinspartikel teils als Schlamm, teils als schwebende Trübe, teils in gelöster Form mit. Die Quellen fördern mit dem Wasser zugleich gelöste Stoffe zutage, die verschieden sind je nach den durdiflossenen Bodenschichten. Die zu Bächen, Flüssen und Strömen vereinigten Wassermengen vermögen außer diesen schwebenden und gelösten Teilchen mit wachsender Energie, die von Gefälle und Wassermenge abhängt, zunehmend große Geschiebe und Gerölle als Bodenfracht zu transportieren, wobei diese je nach Größe und Gestalt gewälzt oder gerollt werden oder sich hüpfend vorwärts bewegen. Dabei werden die Gesteinsbrocken zunächst kan-

Nath CH. R. LONGWELL.

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Erscheinungen u. V o r g ä n g e in allg.-geolog. Sicht

tengerundet und schließlich zu kugeligen oder elliptischen Flußgeröllen abgeschliffen. Das flächenhaft angreifende Regenwasser wirkt durch seinen Dauerabtrag im Sinne steter Erniedrigung aufragender morphologischer Elemente. Der Effekt dieser D e n u d a t i o n hängt von der Resistenz des zutagetretenden Materials ab. Die mechanisch wie chemisch schwer angreifbaren Quarzgesteine bilden zwischen andersartigem Gestein steil aufragende Rippen und Klippen. Wenn nicht andere, endogene Kräfte ins Spiel treten, wird schließlich eine sehr ausgeglichene Endform, die Fastebene oder Peneplain (W. M. DAVIS), erreicht (Abb. 3). Das weitgehend eingeebnete Relief überragen dann höchstens noch Reste festerer Gesteine als Härtlinge oder Inselberge (Abb. 4). Im engeren Transportbereich der Flüsse schneidet und sägt das Wasser unter Mitwirkung seiner Geschiebefracht

Abb. 4. Die Alb-Vorberge Lupfen und Karpfen bei Spaichingen als Zeugenberge (Blick vom Zundelberg). — Nach G . W A G N E R .

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immer tiefer ein und schafft V-förmige Täler. Auch diese F l u ß e r o s i o n strebt einer Gleichgewichtsform der Gefällskurve zu, in der sich bei gegebener Wassermenge Einschneiden und Auf schottern die Waage halten. Änderungen der Strömungsenergie durch Bodenhebung bzw. -Senkung oder durch Verminderung bzw. Vergrößerung der Wassermenge führen zur Aufschotterung oder zum Wiedereinschneiden; es kommt zur Ausbildung von Flußterrassen. Die feinen Schwebeteilchen, die Flußtrübe, und die chemisch gelösten Stoffe werden am weitesten transportiert; die ersteren können sich in Seen als in Absatzbecken niederschlagen oder bis ins Meer getragen werden. Bei den gelösten Stoffen bildet das die Regel; Ausnahmen sind vor allem die abflußlosen Seen der ariden Bereiche, die hier als Endsammler fungieren. Das E i s der Gletscher ist ein wichtiges und nahezu das einzige Transportmittel in den nivalen Bereichen, also im Hochgebirge oberhalb der Schneegrenze und in den großen Binnenvereisungsgebieten Grönlands und der Antarktis. Während der Eiszeiten war seine generelle Bedeutung noch wesentlich höher als heute.

A b b . 5 . E n d m o r ä n e n - W ä l l e und deren U m l a g e r u n g s p r o d u k t e v o r der S t i r n eines Gletschers. — N a d i G . W A G N E R .

Die Transportkraft des Eises ist praktisch unbeschränkt; es können daher auch größte Gesteinsblöcke und ganze

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Felssturzmassen mitgenommen werden neben feinstem Material. Eine Sortierung, wie im fließenden Wasser, kann dabei nicht erfolgen, vielmehr wird Grobes und Feines in gleicher Weise mitgetragen. Eine chemische Lösung findet nicht statt. Auch können die Geschiebe nicht zu Gerollen gerundet werden; höchstens werden bei langem Transport durch Vorbeigleiten an anderen Einschlüssen oder am Boden oder an felsigen Seitenwänden des Gletschers Kanten abgerundet und Schrammen eingraviert. — Erst wenn die Gletscherfracht beim Tauen des Eises vom strömenden Schmelzwasser in Rinnen auf dem Eise oder im R a u m vor dem Eisrand (Abb. 5) übernommen wird, tritt Abrollung und Sortierung ein. Die Geschiebe können dann die F o r m normaler Flußgerölle erhalten. Durch die Eiswirkung entstehen im Abtragungsbereich Rundhöcker-Landschaften mit Gletscherschliffen an heraustretenden Felsen, Kare und ähnliche Formen. Die Transportwege werden, auch wenn sie ursprünglich V-Täler waren, zu U-Tälern ausgeformt. — Schon während der Transportphase kommen die mechanisch fortbewegten Komponenten der Frachten oft vorübergehend zur Ruhe. Das ist z. B. bei den Wanderdünen der Fall, die schubweise in stürmischen Perioden weiterbewegt werden, indem auf der Windseite Sand abgetragen, auf der Gegenseite wieder abgelagert wird. N u r ein Teil der gesamten Sandkörner ist also gleichzeitig in Bewegung. Ähnlich wandern Schotter- und Sandbänke in Flüssen. Abtragung und Ablagerung folgen hier also einander in rhythmischem Wechselspiel. In stillen Winkeln und auf ruhigen Strecken des Transportweges kann dabei das Material länger verweilen; leicht aber tritt in solchen Systemen eine Umlagerung ein. Bereiche endgültiger Ablagerung sind dagegen f ü r die g r ö b e r e G e s c h i e b e f r a c h t des fließenden Wassers

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markante Gefälleknicke, wie der Fuß von Berghängen oder die Grenzbereiche zwischen Gebirgen und Ebenen. Hier lagert sich das allein durch die Schwerkraft oder unter Mithilfe von Wasser bewegte Material in F o r m von Hangschuttkegeln und Geröllhalden oder als große, flache Schotterfluren und als Schuttflächen ab, die von den Schotterfluren her sich talaufwärts als Flußterrassen rückbauen. Das f e i n e r e M a t e r i a l sammelt sich in großen innerkontinentalen oder gar innermontanen Wannen und Senken. In Binnenseen bauen sich von Flußmündungen aus flache Schuttdeltas seewärts vor, und über den Boden hin setzen sich als schlammige Ablagerungen die Schwebestoffe ab. Faulschlamme entstehen, wenn organische Bestandteile, besonders Pflanzenreste, sich der Mineralsubstanz in stärkerem Ausmaß beimengen. Von den chemisch gelösten Stoffen scheidet sich am leichtesten das K a l z i u m k a r b o n a t aus. Erwärmung des Wassers, Verdunstung, auch starke Durchbewegung und Kohlensäure-Entzug durch Organismen kann zur Verminderung der Kohlensäure-Konzentration und damit zur Ausfällung von C a C 0 3 führen. In unterirdischen Hohlräumen bilden sich so die mannigfach gestalteten Tropfsteine (Sinterkrusten, Gardinen, Stalaktiten, Stalagmiten, Tropfröhren, Stengel und Rosetten). An Quellaustritten von Wasser aus Kalkgebieten setzen sich oft lockere Polster von Quelltuff ab; an Wasserfällen und in Steilstufen der Flüsse entstehen Sintermassen (Travertin); in Flußauen bildet sich Wiesenkalk und -mergel, in Seen Seekreide. In ariden Gebieten mit hoher Verdunstung k o m m t es auch zur Ausscheidung der leichtlöslichen C h l o r i d e . Zunächst reichern sie sich in den Salzseen an, bis die Sättigungskonzentration erreicht ist. Sind verschiedene Ionengruppen vorhanden, so ergibt sich eine Abscheidungsf o l g e in dem Sinne, daß sich zunächst die im Rahmen 3 Lotze, Geologie

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

der Gesamtlösung weniger löslichen, zuletzt die löslichsten Salze niederschlagen. Von den O r g a n i s m e n nehmen an den Ablagerungen auf dem Festland vor allem die Pflanzen teil. Ihre Reste können sich in Moorgebieten zu Torf anreichern, während sich aus den Kieselskeletten von Diatomeen Kieselgur bildet. Tiere spielen eine geringere Rolle. V o r g ä n g e im m a r i n e n B e r e i c h Im Meere, das 361,1 Mio. km 2 = 70 % der Erdoberfläche einnimmt und einen Inhalt von 1370 Mio. km 3 hat (wohingegen die über den Meeresspiegel aufragende Landmasse nur 125 Mio. km 3 mißt), spielen sich im Prinzip die gleichen Vorgänge wie auf dem Festlande ab, nur treten hier die zerstörenden Faktoren, also Verwitterung und Abtragung, hinter Transport und Ablagerung zurück. Gegen das Meer als den tiefergelegenen Bereich der Erdoberfläche geht ja das Gefälle von den Festländern her, und zu ihm hin strömt das Wasser der großen Flüsse. Es ist also das Sammelbecken für den Abraum der Kontinente. Verwitterung und Abtragung sind ganz vorwiegend an die Küstenregion gebunden, wo die mechanischen Wirkungen, die der Wellenschlag besonders auf Steilküsten ausübt (s. S. 24), sich an den abbröckelnden und abstürzenden Gesteinsmassen weiter fortsetzen, grobe Brocken zu kleinem Haufwerk zerteilend. Vom steten Wellengang am Strand hin und her gerollt, werden die Trümmer weiter abgeschliffen und gerundet (Strandkiese). Muschelschalen werden so zu Schill zermahlen; Sandsteine zerfallen zu lockerem Sand. Ähnlich wirkt die Brandung auf Bauten des Meeres selbst, so auf K o r a l l e n r i f f e und V u l k a n b e r g e . Bei ersteren ist die Zerstörung eine mechanische, indem die Kalkskelette der Korallen und sonstigen Organismen zu mehr oder weniger feinen Brocken zerrieben

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werden, die Schuttwälle am Hang der Riffe bilden. Vulkanische Gesteine oder Komponenten derselben sollen außerdem auch eine chemische Verwitterung submarin erleiden können, die man als „Halmyrolyse" bezeichnet hat. Dabei sollen sich z. B. eisenhaltige Silikate, wie Biotit, zersetzen. Auch S t r ö m u n g e n können, wenn sie stark genug sind, zerstörend bzw. abtragend wirken. Vor Flußmündungen sich findende Ausfurchungen im Meeresboden sind offensichtlich hauptsächlich auf solche Weise entstanden. Auch in schmalen Kanälen oder über submarinen Schwellen aus der Querschnittsverminderung sich ergebende Strombeschleunigungen führen zu Aufarbeitungen des Bodens, wobei bewegliche, sandige und tonige Partikel fortgeführt werden. So ist z. B. im Ärmelkanal der Meeresboden von allem lockeren Sediment freigefegt. Die Hauptmasse des Materials, das im Meer zu Sedimenten verarbeitet wird, stammt nun nicht aus der eigenen Werkstatt des Meeres, sondern wird ihm von außen zugeführt. Der Wind trägt Sand- und Staubwolken über die Ozeane (s. S. 28), Vulkane liefern Aschen, einmündende Gletscher (Antarktis, Grönland) bringen Moränenschutt herbei (Driftmoränen); den Hauptanteil aber haben die Flüsse, die sowohl feste wie gelöste Stoffe ständig heranschaffen. Die jährlich so ins Meer gebrachte Menge wird auf etwa 13 km 3 geschätzt. Den weiteren Transport und die V e r t e i l u n g d e s M a t e r i a l s übernehmen die Strömungen. Bei schiefem Auftreten der Brandungswellen auf eine Küste entsteht eine küstenparallele Transportkomponente. Durch diesen „Küstenversatz" werden Feststoffe von einer Flußmündung aus einseitig an der Küste entlang getrieben, wenn Winde einer bestimmten Richtung vorherrschen. Im 3*

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Kampfbereich zwischen Fluß und Meer bauen sich so Strandwälle und Nehrungen auf. Alles gröbere Material k o m m t im Mündungsbereich der Flüsse in Form mehr oder minder großer Deltas zur Ablagerung. Es sind das mächtige Schutthalden, die sich halbkreisförmig meerwärts vorbauen. Auf der steileren, meerwärtigen Seite wird das Material angelagert, es bekommt hier also — ähnlich wie bei künstlichen Halden — eine abfallende Schrägschichtung. Auf der Oberfläche der Schuttdeltas können sich dünne Schichten horizontal über die schrägen legen. Feineres Material wird weiter transportiert; es kann sich als feinsandig-toniger Schlamm auf den flachen Schelfen, den untergetauchten Sockeln der Kontinente, niederschlagen. Die feinsten Partikel, die eine außerordentlich langsame Sinkgeschwindigkeit aufweisen, werden von den Strömungen bis in die küstenferneren (pelagischen) Gebiete, die zumeist zugleich Tiefseebereiche sind, verschleppt und kommen hier endlich zur Ruhe. Sie bilden die feinen Tiefseeschlicke und -tone, an deren Aufbau in starkem Maße auch die Reste planktonischer Mikroorganismen (Foraminiferen, Radiolarien, Diatomeen) beteiligt sind. Von dem im Meerwasser gelösten Stoffen kommt im allgemeinen nur der Kalk zur Ausscheidung, z. T. in direkter Fällung als Kalkschlamm oder in kugelig-schaligen Körnern (Oolith) aus übersättigter Lösung in warmen Meeren, großenteils aber auf dem Umwege über kalkabscheidende Organismen (Kalkalgen, Mollusken- und BrachiopodenSchalen, Bryozoen, Schwämme, Korallen, Foraminiferen, Echinodermen u. a.); da die mächtige Kaikabscheidungen veranlassenden Riffbildner (Kalkalgen, Korallen u. a.) an warmes Wasser gebunden sind, dürfen sehr kalkreiche Sedimente als Kennzeichen tropisch-warmen Klimas gelten.

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Zur Abscheidung der Sulfate und Chloride werden im offenen Meere hinreichende Konzentrationen nicht erreicht. Wohl aber kann das in weitgehend abgeschlossenen Buchten der Fall sein, die vom Meere her durch einen Salzwasserstrom mittels eines schmalen Kanals oder mittels unterirdischer Verbindungswege oder bei gelegentlichen Überflutungen der trennenden Barre gespeist werden. Herrschen aride Klimabedingungen vor, so steigt infolge der Verdunstung in solchen Seitenbecken die Salzkonzentration allmählich an. Es können sich aus der Lösung dann nacheinander Kalk, Dolomit, Gips, Steinsalz mit Gips, Steinsalz mit Anhydrit, Steinsalz mit Magnesiumsulfaten und Kalisalzen, zuletzt reinere Kalisalze ausscheiden und am Boden absetzen. Von solcher Entstehungsart dürfte die Großzahl der fossilen Salzlagerstätten sein. Sedimente und Sedimentgesteine Das Gesamtresultat der geschilderten Vorgänge ist die Bildung von Sedimenten. Sie sind außerordentlich mannigfach, verschieden je nach dem Fortschritt und Typ der Verwitterung, der Art des Transportes und dem Charakter des Transportmittels, dem Grad der Sortierung und den Umständen der Ablagerung. Generell lassen sich drei Gruppen unterscheiden: 1 . K l a s t i s c h e S e d i m e n t e (Trümmersedimente). Sie bestehen aus mechanisch zertrümmerten, chemisch nicht oder nur wenig veränderten Teilen des Ausgangsgesteins. Alle Korngrößen — von groben Blöcken, eckigen Brokken (Hangbrekzien), grobem bis feinem Kies (über 2 mm Korndurchmesser), grobem bis feinem Sand (2 bis 0,02 mm 0 ) zu mehligem Staub (Schluff: 0,02 bis 0,002 m m 0 ) — kommen dabei vor. Vielfach tritt eine Auslese des Materials nach seiner mechanischen und chemischen Resistenz ein (Quarzsande). — Sonderfälle

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sind Rückstandsbildungen und eluviale Seifen, bei welch letzteren die Fortführung leichter Komponenten eine Anreicherung schwerer, oft wertvoller Stoffe (wie Gold, Platin, Zinnstein) bedeuten kann. — Rückstände der Eisschmelze sind die glazigenen Sedimente, besonders Geschiebemergel und Moränen. 2. C h e m i s c h e S e d i m e n t e , darunter Karbonate, Sulfate, Chloride, Nitrate, Borate usw. Sie sind Bodenabsätze aus Lösungen. — In den Verwitterungsgebieten verbleiben als chemische Rückstandsbildungen Bauxite, Laterite, Tone u. a. 3. O r g a n o g e n e S e d i m e n t e . Sie entstehen bei starker Mitwirkung von Organismen. Auf dem Festland sind daran, wie gesagt (S. 34), besonders die Pflanzen (Torfe, Kohlen, Kieselgur u. a.) beteiligt, weniger die Tiere (Knochenlehme in Höhlen, Schneckenmergel, Muschellagen). In den Meeren ist die Rolle vertauscht, die Pflanzen treten in ihrer Bedeutung (gelegentlich Kalkalgenriffe, Diatomeenschlicke) gegenüber den Tieren (Riffe von Korallen, Schwämmen, Bryozoen usw., Echinodermenbrekzien, Schillagen von Zweischalern, Foraminiferen- und Radiolarien-Sedimente usw.) zurück. Die Organismen verleihen den Sedimenten vielfach ihren Charakter und geben Hinweise auf die Entstehungsbedingungen und die paläogeographische Position der Ablagerungen; sie lassen oft überhaupt erst sicher entscheiden, ob ein Sediment in einem limnischen, brackischen oder marinen Bildungsraum, und im letzteren Fall, ob es küstennah (litoral) oder küstenfern (pelagisch) gebildet wurde, ob ein Wasser bewegt und gut durchlüftet oder sauerstoffarm bzw. -frei und unbewegt (Stillwasser) war. Solche Unterschiedlichkeiten gleichaltriger Ablagerungen je nach den Verhältnissen des Milieus bedingen die F a z i e s eines Sediments, und zwar sowohl die lithologische Fazies (z. B.

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sandige oder kalkige Fazies) wie die biologische (z. B. Cephalopoden- oder Korallenfazies) und die paläogeographische (z. B. marine oder limnische Fazies). Meist sind die Absätze zunächst locker (Sand, Schlick, Tonschlamm, Kalkschlamm u. a.). Im Fortlauf von Vorgängen, die als „Diagenese" bezeichnet werden, tritt gewöhnlich eine Verfestigung zu Sandstein, Schieferton, Kalkstein usw. ein. Dabei wird die Wasserfüllung der Poren (bis 80 % des Volumens) durch Kalk oder ein anderes Zement (so Kieselsäure) ersetzt, oder sie wird unter Volumenschwund des Gesamtmaterials ausgepreßt; eingeschlossene Tiergehäuse, wie Cephalopodenschalen usw., können dabei plattgedrückt werden. Ein wirtschaftlich besonders wichtiger Sonderfall ist die Diagenese pflanzlicher Substanzen („Inkohlung"). Sie führt vom Torf zur Braunkohle, von dieser zu Steinkohle und Anthrazit, zuletzt zu Graphit. Die Elementarbestandteile H und O nehmen dabei von 45 % beim Torf ab bis zu 0% beim Graphit, während der Gehalt an Kohlenstoff (C) von 55 auf 1 0 0 % ansteigt. — Eine andere diagenetische Reihe führt von organischer Substanz zu Bitumen, Erdöl und Asphalt. Die Wirkungsweise der endogenen Dynamik Schon die Schwerkraft, die bei den bisher betrachteten Vorgängen überall und immer mit im Spiel ist — am sinnfälligsten bei Erdrutschen, Hangstürzen, dem Strömen der Flüsse — ist eine endogene Kraft insofern, als ihre Wirkung vom Erdmittelpunkt auszugehen scheint. Aber bei der Betrachtung der endogenen Dynamik lassen wir die Schwerkraft — oft zu Unrecht — im allgemeinen außer acht und verstehen darunter solche Vorgänge, die zweifellos vom Erdinnern her gesteuert werden und denen nicht

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ausschließlich die Schwerkraft zugrunde liegt. Man kann diese Vorgänge in zwei Gruppen aufteilen, in tektonische und magmatische, doch bestehen zwischen ihnen zeitliche und ursächliche Zusammenhänge. Tektonik Unter „Tektonik" verstehen wir ein Doppeltes, nämlich einmal die Lagerungsverhältnisse der Gesteine, wie sie uns die Natur heute darbietet („Strukturtektonik"), und zweitens die Vorgänge, die diese Lagerungszustände schufen („Tektogenese"). Hauptaufgabe des ersten Teilgebiets sind Bestandsaufnahme und Beschreibung eines Befundes, während das zweite die Deutung des Befundes hinsichtlich der Zeitlichkeit und Dauer der Vorgänge, des Bewegungsablaufs und der verursachenden Kräfte anstrebt. Richtige Bestandsaufnahme und einwandfreie Deutung sind wichtig für viele praktische Fragen; so bestehen Zusammenhänge zwischen Verbiegungen der Erdkruste und dem Auftreten von Erdöl, der Zerspaltung der Kruste und dem Vorkommen von Erzgängen; dem mannigfachen Auf und Ab gefalteter Kohlenflöze hat der Bergbau zu folgen. Die in den Aufschlüssen an der Erdoberfläche teils über weite Flächen hin — so in vegetationslosen Hochgebirgen oder in den ariden Bereichen —, teils in kleinen Ausschnitten (Steinbrüchen, Tunnels, Bergwerken, Bohrungen) zu beobachtenden Lagerungsverhältnisse sind außerordentlich mannigfach. Die ursprüngliche Lagerungsform einer Schicht bleibt nur über geologisch relativ kurze Zeiten hin erhalten. Entweder erlebt diese eine Ortsveränderung derart, daß sie über ihr ursprüngliches Niveau aufsteigt oder absinkt, oder sie verändert ihre Form, oder — und das ist das Normale — sie erleidet sowohl eine Ortsänderung (Dislokation) als auch eine Formänderung (Deformation). Die letztere kann

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derart sein, daß der Zusammenhang der Gesteinspartikel gewahrt bleibt, während ursprünglich ebene oder wenig gekrümmte Schichten zu gekrümmten oder stark gekrümmten werden („Verkrümmungen"), oder daß der Zusammenhang der Einzelteile unterbrochen wird, das Gestein zerbricht. Es entstehen dann bestimmte Trennflächen (Rupturen), an denen sich weiterhin Bewegungen vollziehen können, indem die Bruchstücke auseinanderrücken oder aneinander entlang gleiten oder beiderlei Bewegungen vollführen. Verkrümmungen Mannigfach können Gesteine „ v e r k r ü m m t " sein, knieförmig (Flexuren), in nach oben gespannten Bögen (Sättel, Beulen), in nach unten konvexen Bögen (Mulden). Meist ordnen sich Sättel und Mulden zu wellenförmigen Gesamtgebilden zusammen, den „Falten", und diese in rhythmischer Wiederkehr hinwiederum zu Faltenbündeln. Die Gestaltung im einzelnen unterliegt größter Mannigfaltigkeit. Die Sättel können aufrechtstehen (die beiden Flanken sind dann symmetrisch, und die Achsenfläche in der Mitte, d. h. die Fläche, die die höchsten Punkte, den Scheitel, der einzelnen Schichten miteinander verbindet, ist Symmetrie-Ebene), sie können gekippt sein (die Achsenebene steht schräg im Raum; Abb. 6), ja sie können fast horizontal liegen („liegende Falten"). In den beiden letzten Fällen weisen die Faltenscheitel eines Bündels über weite Strecken hin meist nach der gleichen Seite, sie „vergieren" dorthin. In großen Faltengebirgen vergiert die eine zusammenhängende Hälfte eines Faltenbündels oft gleichförmig in der einen Richtung, die andere Hälfte aber in der entgegengesetzten. Wir sprechen von einem „zweiseitigen Orogen" mit einer „Scheitelung" in der Mitte. Im Längsverlauf wechselt die Höhe der Faltenheraushebung gewöhnlich, die Faltenachsen steigen auf und ab,

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A b b . 6. Unsymmetrische F a l t e m i t g e n e i g t e n im unteren Block eingeebnet. D i e p u n k t i e r t e U m l e g u n g s s t e l l e n ( A p i k a i l i n i e n ) des S a t t e l s Achsenebene). N a c h H .

Achsen, oben noch v o l l s t ä n d i g , L i n i e bezeichnet die durch die g e l e g t e „ A p i k a i e b e n e 0 (ScheitelCLOOS.

sie sind quergewellt. Einander parallele Sättel werden von dieser Querwellung oft gleichförmig erfaßt, manchmal aber auch alternierend in der Weise, daß ein neuer Sattel sich heraushebt, während ein anderer eintaucht. Große Mannigfaltigkeit beherrscht auch die D i m e n s i o n der Falten. Solche der verschiedensten Ordnung (Groß-, Normal-, Kleinfalten) finden sich oft im gleichen R a u m neben- und übereinander oder ineinander geschaltet und — wenn im gleichen Bewegungsakt entstanden — auch ähnlich geformt und gleichgerichtet. Dabei besteht eine Abhängigkeit der Faltengröße von der Mächtigkeit der gefalteten Schicht; so zeigen dickere Bänke oft größere Amplituden als dünnere, und bei wechselnd mächtigem Material können übereinander verschieden dimensionierte

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Falten auftreten („disharmonische Faltung"). Großfalten 1. Ordnung sind immer also auch ein Ausdruck von Verbiegungen mächtigerer Krustenteile, Kleinfalten dagegen sind mehr horizont- und schichtgebunden („StockwerkTektonik"). Verbindet man korrespondierende Gewölbescheitel vieler gleichwertiger Falten eines Systems durch eine Tangentialfläche miteinander, so erhält man den „Faltenspiegel" (H. CLOOS), der in vielen Fällen in der Vergenzrichtung abfällt (so in einem großen Teil des Rheinischen Schiefergebirges), in anderen dahin ansteigt (Baseler Kettenjura), in wieder anderen wellig verläuft (Ostrand des Rheinischen Schiefergebirges) oder über ein ganzes Gebirge hinweg ein großes Gewölbe nachzeichnet. In m e c h a n i s c h e r Hinsicht sind zwei Grundtypen der Faltung zu unterscheiden, die „kompetente" und „inkompetente". Bei der ersteren verlaufen die einzelnen Gesteinsbänke innerhalb einer Falte einander weitgehend parallel, sie sind also nach gleichem Schema deformiert. Eine derartige Faltung ist immer verbunden mit gleitenden Parallelbewegungen („Abscherungsbewegungen") entlang den Schichtflächen auf den Sattelschenkeln, und überhaupt setzt die kompetente Faltung die Möglichkeit solcher Gleitbewegungen, also eine Gelenkigkeit durch die Existenz einer mechanisch wirksamen Schichtung, voraus. Bei der inkompetenten Faltung dagegen reagiert die Gesamtheit des Gesteins sozusagen wie eine einheitliche plastische Masse, und die Schichtflächen spielen nicht die Rolle echter Trennungsfugen, vielmehr etwa diejenige von Farbstreifen innerhalb einer Knetmasse. Die Verkrümmung, die zum Faltenbild führt, ist dabei eine Art trägen Fließens, wobei sich die feinsten Teilchen relativ zueinander um geringste Beträge entlang laminaren, weitgehend parallelen, annähernd ebenen Flächen („Gleitbrett-Faltung") oder ent-

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lang mannigfachen, auch gekrümmten, auch wirbelnden Bahnen („Fließfaltung") verschieben. Für den Neuling ist es höchst verwunderlich, Gestein, z. B. Kalkstein, das heute fest und spröde ist und das zweifellos auch schon verfestigt war, als es deformiert wurde, in solcher Art wie eine zähe Flüssigkeit verformt zu sehen. Verständlich ist der Sachverhalt auch nicht unter den Bedingungen, wie sie an der Erdoberfläche bestehen, wohl aber unter denjenigen, die in großen Erdtiefen herrschen. Unter dem hohen „Umschließungsdruck" und der starken Erwärmung im tiefen Untergrund werden die festesten und sprödesten Körper zu weichen, dehnbaren; besonders gilt das, wenn die Verformung sehr langsam, im geologischen Zeitlupentempo, erfolgt. Die Erdtiefe, in der solches geschieht, hängt nun von den mechanischen Eigenschaften des Gesteins ab. So werden Steinsalz und Kalisalze schon in wenigen tausend Metern Tiefe zu „zähen Flüssigkeiten", während die sie überdeckenden Sand- und Kalksteine sich noch „normal", d. h. spröde und brechend, verformen. So pflegen die Salzlagerstätten die intensivste Fließfaltung zu zeigen; und wie eine in eine Tube eingeschlossene Paste unter dem Fingerdruck aus der Tubenöffnung ausfließt, vermögen die Salze unter Pressung in Sättel (Abb. 7), Spalten und Kanäle, die sie dabei bilden

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