Gender Trouble in der Bundeswehr: Eine Studie zu Identitätskonstruktionen und Geschlechterordnungen unter besonderer Berücksichtigung von Auslandseinsätzen [1. Aufl.] 9783839412985

Gender und Militär - eine der Wissenschaft bislang weitgehend verschlossene Welt. Dieses Buch gewährt in einmaliger Weis

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German Pages 286 Year 2015

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Table of contents :
INHALT
1. Einleitung
2. Neue Aufgaben, neue Einsätze, neue Streitkräfte?
2.1 Veränderungen des internationalen Kriegs- und Konfliktgeschehens
2.2 Internationale Friedensmissionen - Begriffsbestimmungen
2.3 Veränderungen der Streitkräfte und des Soldatenberufs
3. Gender im Friedenskonsolidierungs- und Wiederaufbauprozess in Nachkriegsgesellschaften
3.1 Internationale Resolutionen, Initiativen, Vorgaben
3.2 Gender Mainstreaming in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik
3.3 Die Öffnung der Bundeswehr für Frauen
3.4 Das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetz
4. Gleichstellung im Militär
4.1 Männlichkeit im Militär
4.2 Weiblichkeit im Militär
4.3 Zwischenfazit und Forschungsstand
5. Männer, Frauen, Männlichkeit, Weiblichkeit = Gender? - Erkenntnistheoretische Grundlagen
5.1 Judith Butlers Subjekt- und Genderkonzept
5.2 Subjekt und Eurozentrismus
5.3 Subjekt- und Gendertheorie Judith Butlers: Erkenntnisse für diese Studie
6. Von Butlers Subjekttheorie zur Positionierungsanalyse - Methodologische Verortung
7. Empirie: Studie „Geschlecht und Organisation am Beispiel der Bundeswehr“
7.1 Ausgangsfragen und Zielsetzungen des Projektes
7.2 Die Erkundung des Untersuchungsobjekts und die Herstellung der Zugänge
7.3 Die Zugänge zu den Teilfallstudien und die Auswahl der interviewten Soldatinnen und Soldaten
7.4 Teilnehmende Beobachtung
7.5 Problemzentrierte Interviews
7.6 Auswahl der Interviews
7.7 Die Konstruktion von Gender in der Interviewsituation
8. Der Soldatenberuf als männlicher Beruf?
8.1 Geschlechterspezifischer Zugang zur Bundeswehr
8.2 Umgang mit Waffen, Kampf und Tod
9. Verhältnis zwischen Soldatinnen und Soldaten - Diskriminierungserfahrungen
9.1 Regelungen zu Haaren und Schmuck
9.2 Sportliche Leistungsfähigkeit
9.3 Sexuelle Belästigungen
9.4 Diskriminierungserfahrungen als Körpererfahrungen
10. Verhältnis zwischen Soldatinnen und Soldaten - Sexualität
10.1 Die Bedeutung von Sexualität für Organisation und Subjekt
10.2 Formaler Umgang mit Sexualität in der Bundeswehr
10.3 Die Perspektive der Entscheidungsträger
10.4 Die Perspektive der Soldatinnen und Soldaten
10.5 „Gerüchte sind die Hölle auf Erden“ – Die Regelung von Normverstößen
11. Verhältnis zwischen Soldatinnen und Soldaten - Konfliktverhalten
12. Genderordnungen im Einsatz
12.1 Einsatz und Heimatland: „Wie zwei verschiedene Welten“
12.2 Der Kontakt mit der Zivilbevölkerung: Interkulturelle Kompetenz und Gender
12.3 Der „Balkaneinsatz“: Bosnien und Herzegowina, Kosovo
12.4 Der Einsatz in Afghanistan
12.5 Der Einsatz auf dem Schiff: Dschibuti
12.6 Genderkonstruktionen im Einsatz
12.7 Die Bundeswehr im Einsatz als „total gegenderte Institution?“ – Ein Deutungsversuch
13. Fazit und Ausblick
Literatur
Danksagung
Abkürzungsverzeichnis
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Gender Trouble in der Bundeswehr: Eine Studie zu Identitätskonstruktionen und Geschlechterordnungen unter besonderer Berücksichtigung von Auslandseinsätzen [1. Aufl.]
 9783839412985

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Cordula Dittmer Gender Trouble in der Bundeswehr

2009-08-21 09-41-15 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02b9218741178678|(S.

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Cordula Dittmer (Dr. phil.) arbeitet zu Genderaspekten in Kriegen.

2009-08-21 09-41-15 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02b9218741178678|(S.

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Cordula Dittmer

Gender Trouble in der Bundeswehr Eine Studie zu Identitätskonstruktionen und Geschlechterordnungen unter besonderer Berücksichtigung von Auslandseinsätzen

2009-08-21 09-41-15 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02b9218741178678|(S.

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) T00_03 titel - 1298.p 218741178830

Dissertation der Philipps-Universität Marburg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2009 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Cordula Dittmer Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1298-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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I N H AL T

1. Einleitung 2. Neue Aufgaben, neue Einsätze, neue Streitkräfte? 2.1 Veränderungen des internationalen Kriegs- und Konfliktgeschehens 2.2 Internationale Friedensmissionen - Begriffsbestimmungen 2.3 Veränderungen der Streitkräfte und des Soldatenberufs 3. Gender im Friedenskonsolidierungs- und Wiederaufbauprozess in Nachkriegsgesellschaften 3.1 Internationale Resolutionen, Initiativen, Vorgaben 3.2 Gender Mainstreaming in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik 3.3 Die Öffnung der Bundeswehr für Frauen 3.4 Das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetz 4. Gleichstellung im Militär 4.1 Männlichkeit im Militär 4.2 Weiblichkeit im Militär 4.3 Zwischenfazit und Forschungsstand 5. Männer, Frauen, Männlichkeit, Weiblichkeit = Gender? - Erkenntnistheoretische Grundlagen 5.1 Judith Butlers Subjekt- und Genderkonzept 5.2 Subjekt und Eurozentrismus 5.3 Subjekt- und Gendertheorie Judith Butlers: Erkenntnisse für diese Studie 6. Von Butlers Subjekttheorie zur Positionierungsanalyse - Methodologische Verortung 7. Empirie: Studie „Geschlecht und Organisation am Beispiel der Bundeswehr“ 7.1 Ausgangsfragen und Zielsetzungen des Projektes 7.2 Die Erkundung des Untersuchungsobjekts und die Herstellung der Zugänge 7.3 Die Zugänge zu den Teilfallstudien und die Auswahl der interviewten Soldatinnen und Soldaten

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Teilnehmende Beobachtung Problemzentrierte Interviews Auswahl der Interviews Die Konstruktion von Gender in der Interviewsituation Der Soldatenberuf als männlicher Beruf? Geschlechterspezifischer Zugang zur Bundeswehr Umgang mit Waffen, Kampf und Tod Verhältnis zwischen Soldatinnen und Soldaten Diskriminierungserfahrungen Regelungen zu Haaren und Schmuck Sportliche Leistungsfähigkeit Sexuelle Belästigungen Diskriminierungserfahrungen als Körpererfahrungen Verhältnis zwischen Soldatinnen und Soldaten Sexualität Die Bedeutung von Sexualität für Organisation und Subjekt Formaler Umgang mit Sexualität in der Bundeswehr Die Perspektive der Entscheidungsträger Die Perspektive der Soldatinnen und Soldaten „Gerüchte sind die Hölle auf Erden“ – Die Regelung von Normverstößen Verhältnis zwischen Soldatinnen und Soldaten Konfliktverhalten Genderordnungen im Einsatz Einsatz und Heimatland: „Wie zwei verschiedene Welten“ Der Kontakt mit der Zivilbevölkerung: Interkulturelle Kompetenz und Gender Der „Balkaneinsatz“: Bosnien und Herzegowina, Kosovo Der Einsatz in Afghanistan Der Einsatz auf dem Schiff: Dschibuti Genderkonstruktionen im Einsatz Die Bundeswehr im Einsatz als „total gegenderte Institution?“ – Ein Deutungsversuch Fazit und Ausblick

Literatur Danksagung Abkürzungsverzeichnis

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1.

Einleitung

Als Kommandeur dieser Anstalt muß ich nochmals sagen, es ist sehr viel fröhlicher geworden, seitdem die Mädchen da sind (Generalarzt Ewert, Kommandeur der Akademie des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr)1

Am 25. Oktober 2006 titelt die Bild-Zeitung mit der Schlagzeile „Schockfotos von deutschen Soldaten“ (Bild 2006a: 1). Auf den Bildern sind Soldaten2 zu sehen, vermutlich Gebirgsjäger, wie sie mit einem Totenschädel hantieren, ihn auf die Spitze ihres Wagens legen, ihm ihren Penis zeigen und Oralsex andeuten. Dieser Vorfall weist auf die Bedeutung hin, die bestimmte Vorstellungen von Geschlecht, von Männlichkeit und Weiblichkeit, für das Militär, insbesondere aber für militärische Auslandseinsätze, haben. Er wirft damit grundsätzliche Fragen auf, denen sich diese Arbeit zuwendet. Wie sehr die Diskussion um diesen „Totenschädelskandal“ vergeschlechtlicht ist, zeigt sich, wenn man die Erklärungsversuche genauer ansieht, in denen auf Vorstellungen Bezug genommen wird, die traditionell mit Männlichkeit verknüpft sind: So erwähnt z.B. einer der Soldaten, der an den Fotos beteiligt war, dass es zwar keinen Zwang zur Teilhabe gegeben, er sich aber trotzdem unter Druck gefühlt habe: „Wenn man das nicht mitmacht, heißt es: ‚Du Weichei, was stellst du dich so 1 2

Steinkamm 2001: 46. Im Folgenden wird die männliche Bezeichnung verwendet, wenn explizit männliche Personen gemeint sind, in allen anderen Fällen werden männliche und/oder weibliche Form genannt. 7

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

an‘“ (Bild, 2006b). Ein Militärpsychologe erklärt, dass es „ein Imponiergehabe“ (König, 2006: 2) unter den Soldaten gebe, welches sich leicht in der Gruppe verselbständige. Offen wurde die Bedeutung von Männlichkeit für das Verhalten der Soldaten von zwei ehemaligen Generälen thematisiert, die die Erhöhung des Frauenanteils in Einsätzen forderten, da Soldatinnen einen positiven Einfluss auf die Soldaten ausüben würden. „Soldatinnen wirken auch sehr beruhigend auf Soldaten. Und wenn sie in der Patrouille sind, könnte ich mir vorstellen, dass der positive Einfluss unserer Soldatinnen so etwas verhindern würde“, so General Kiesheyer (Kiesheyer in Weiland 2006). General Reinhardt wird an gleicher Stelle mit den Worten zitiert: „Der Ton wird ziviler, der zwischenmenschliche Kontakt ist weniger ruppig“. In Verbindung mit dem neuen Weißbuch der Bundesregierung entbrannte in den folgenden Monaten eine öffentliche Diskussion um den Sinn von Auslandseinsätzen und die Ausrichtung deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Sie erreichte in der dritten Novemberwoche 2006 mit dem Spiegel-Titel ihren Höhepunkt: „,Die Deutschen müssen das Töten lernen‘ – Wie Afghanistan zum Ernstfall wird“ (Der Spiegel 2006: 1). In den Artikeln (Hammerstein et al. 2006; Koelbl 2006) wird argumentiert, dass die deutschen Soldaten von anderen Soldaten der NATO (North Atlantic Treaty Organization) im Einsatz zusehends als „Feiglinge“ (Koelbl 2006: 34) bezeichnet werden, weil sie sich aus den Kampfhandlungen im Süden Afghanistans heraushalten. Auch der britische Schriftsteller Frederik Forsyth fordert in einem Interview vom 8. Dezember 2006 in dem ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“ die Deutschen dazu auf, im Süden Afghanistans zu kämpfen. Keine NATO-Nation könne sich einfach die Rosinen rauspicken: „Es gibt einen gemeinsamen NATO-Befehl. Da kommt ein Land und sagt: ,Okay, wir machen mit, aber nur, wenn uns dabei die Wimperntusche nicht verschmiert [sic!]. Wir bleiben in den Kasernen und begeben uns auf keinen Fall in Gefahr.‘ So benimmt man sich als Soldat nicht“ (Aspekte 2006). Diese Aussagen verdeutlichen, dass nicht nur die Bundeswehr als Organisation und der Soldatenberuf durch die zunehmenden Auslandseinsätze unter Druck geraten, sondern auch die bis dahin gepflegten militärischen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit. Der Soldat als Kämpfer und das damit verbundene traditionelle Männlichkeitsbild scheinen sukzessive auf die Bühne der internationalen Politik zurückzukehren. Die Weigerung Deutschlands, sich an Kampfeinsätzen zu beteiligen, entspricht dem Bild der Bundeswehr als „Friedensmacht“: Einsätze 8

EINLEITUNG

außerhalb der eigenen territorialen Grenzen konnten nach den Erfahrungen Deutschlands mit der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg bisher nur über humanitäre Gründe gerechtfertigt werden. Auch die Beteiligung an den Kampfhandlungen im Kosovo 1999 wurde erst über die Gleichsetzung der serbischen Kriegsverbrechen mit dem Holocaust möglich. Der Bundeswehrsoldat war dementsprechend auch als „Soldat für den Frieden“ (Baudissin 1969) und explizit nicht als Kämpfer definiert: Es galt die Devise „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“ (Kuhlmann/Lippert 1993: 12). Damit distanzierte man sich auch vom Männlichkeitsbild des Mannes als Kämpfer, das bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs eng mit dem Militär verknüpft war. Gefordert waren hingegen der Manager und der Techniker und die Aneignung ziviler Kompetenzen und Eigenschaften (ebd.). Mit Ende des Kalten Kriegs und der verstärkten internationalen Zusammenarbeit in immer komplexer werdenden Auslandseinsätzen gerät dieses zivil ausgerichtete Soldatenbild unter Druck. Zum einen da internationale Streitkräfte verstärkt das defensive Verhalten Deutschlands in den Auslandseinsätzen kritisieren, zum anderen aber auch durch Erfahrungen in den Einsätzen selbst, in denen – neben Deeskalation, Diplomatie und sozialem Engagement – verstärkt auch traditionelle militärische Werte und Fähigkeiten gefordert sind. Worauf das Beispiel des „Totenschädelskandals“ hinweist und wie sich im Lauf der Arbeit zeigen wird, entwickeln sich im Einsatz spezifische militärische Genderidentitäten und -verhältnisse3, also Männlichkeits- und Weiblichkeitskonstruktionen, die den traditionellen westlichen dualistischen militärischen Geschlechterbildern entsprechen: der wehrhafte, harte, kämpferische und heterosexuelle Mann und die friedfertige, schwache und deeskalierende Frau. Diese Konstruktionsprozesse werden bislang kaum untersucht, wie sich bei der Betrachtung des Forschungsstandes zeigt. Es existiert hingegen ein reichhaltiger Fundus an geographisch und thematisch weit gefächerten Studien über die vielfältige Bedeutung von Genderaspekten für Konfliktbearbeitungsprozesse: Das Spektrum reicht von allgemeinen theoretischen Überlegungen über den Zusammenhang 3

In Kapitel 5 wird genauer definiert, welches Verständnis von Gender in dieser Arbeit verwendet wird. Für den Moment mag es ausreichen, Gender als soziale Vorstellungen bzw. Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit anzusehen, die sowohl auf der Ebene des Subjekts (Gender– identität) als auch zwischen den Subjekten (Genderverhältnis) produziert werden und die in keinerlei Hinsicht biologisch bestimmt sind. Gender– ordnung meint die Gesamtheit der existierenden Genderidentitäten und -verhältnisse in einem Feld. Der englische Begriff „Gender“ und der deutsche Begriff „Geschlecht“ werden im Folgenden synonym verwendet. 9

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

von Gender, Sicherheit und Konflikt resp. Gewalt (Cockburn 2001; Goldstein 2005), über thematisch fokussierte Beiträge zu sexueller Gewalt und Vergewaltigung in Kriegen und Konflikten (z. B. Carpenter 2006; Stanley 2006; Hromadžić 2004), zur Rolle von Frauen (Kumar 2001; Brunner 2006) oder der Funktion militärischer Interventionen (Whitworth 2004; Higate 2003), um nur einige zu nennen. Es liegen Fallstudien zur Bedeutung von Gender für eine Vielzahl von gewaltförmigen Konflikten vor, z. B. zu Serbien (Blagojević 2004), Israel/ Palästina (Auga/Braun 2006), El Salvador (Ibáñez 2001), Mozambique (Jacobson 2005), Ost-Timor (Ospina 2006) oder Afghanistan (Kreile 2007). Hier ist auch auf die ausführlichen Länderstudien zu verweisen, die das United Nations Research Institut for Social Development (UNRISD) als Hintergrundmaterial für seine 2005 herausgebrachte globale Gender-Bestandsaufnahme in Auftrag gab (UNRISD 2005). Diese Studien machen deutlich, wie komplex und differenziert sich Frauen- und Männerbilder, Genderidentitäten und -verhältnisse in unterschiedlichen sozialen, kulturellen, religiösen, politischen und konfliktären Settings gestalten und dass sie permanenten Aushandlungsprozessen unterzogen sind. Auch die internationale Politik setzt Genderaspekte zunehmend auf ihre Agenda, vor allem seit mit der Resolution 1325 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (UN) (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2000) ein international verbindliches Dokument existiert, welches die Integration einer Genderperspektive und die Steigerung des Frauenanteils in Konfliktbearbeitungsprozessen vorschreibt. Auf der Ebene der Europäischen Union (EU) sind in den letzten Jahren vielfältige Dokumente, Resolutionen und Studien entstanden, die ein Gender Mainstreaming und die Umsetzung von Resolution 1325 auch für europäisches Krisenmanagement eindringlich fordern und zu integrieren versuchen. Dass Genderidentitäten und Genderverhältnisse für die Bearbeitung von Konflikten – ob in zivilen Konfliktbearbeitungsmechanismen, in militärischen Peacekeeping- oder zivil-militärischen Peacebuildingmaßnahmen – eine zentrale Rolle spielen, hat daher die feministische und gendersensible Friedens- und Konfliktforschung nachdrücklich bewiesen (vgl. für einen Überblick auch Dittmer 2007a). Das Militär wurde jedoch in der Friedens- und Konfliktforschung lange Zeit als Untersuchungsobjekt vernachlässigt, da es sich nicht mit den normativen Prinzipien des „Friedenschaffens“ vereinbaren ließ und zudem ein schwieriges Forschungsfeld darstellt, dem sich aus verschiedenen Gründen nur wenige Forscherinnen und Forscher außerhalb militärischer Forschungseinrichtungen zuwenden (wollen). Ohne in die Klagen der deutschen Militärsoziologie über die Bedeutungslosigkeit von 10

EINLEITUNG

Forschung zum Militär im wissenschaftlichen Diskurs in Deutschland einstimmen zu wollen, ist es doch wichtig, sich im Rahmen der Selbstpositionierung und Verortung noch einmal vor Augen zu führen, was die Besonderheit der Beschäftigung mit dem Militär in Deutschland ausmacht. So existiert auch heute noch eine nicht unberechtigte Angst vor einer Instrumentalisierung der Wissenschaft für militärische Zwecke, da der Zugang zum Militär nur über die offizielle Genehmigung durch das Verteidigungsministerium möglich ist, deren Erteilung von politischen Stimmungen abhängt. Außerhalb militärinterner Forschungseinrichtungen sind kaum Beschäftigungsmöglichkeiten für Militärsoziologen und -soziologinnen vorhanden, so dass die Militärforschung Karrierewege versperren kann (Seifert 2001: 134ff.; Leonhard/Werkner 2005: 14ff.). Von Seiten des Militärs gibt es große Vorbehalte gegenüber den widersprüchlichen und abstrakten sozialwissenschaftlichen Fragestellungen, die als In-Frage-Stellen der eigenen Position verstanden werden (Gar– eis/Klein 2004: 11). Auch in der Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung hält sich das Interesse an genderpolitischen Fragen an das Militär in Grenzen. Hier stellt sich insbesondere die historisch enge Verknüpfung von Friedensbewegung und Frauenforschung in Deutschland als Hindernis für eine wissenschaftlich kritische Beschäftigung mit dem Militär dar. Besonders die Frage der Integration von Frauen in die Streitkräfte führt zu heftigen Auseinandersetzungen und Polarisierungen von feministischen Friedensforscherinnen (Feministisches Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung 2006: 30f.). International engagieren sich hingegen besonders in den USA sowohl dem konservativen als auch dem linken Spektrum zuzuordnende feministische Gruppen für Gleichstellungsfragen im Militär (Seifert/Eifler 1999: 9; Gabbert 2007: 18ff.). Es existiert dementsprechend ein sehr viel größeres Wissen und Engagement für Gleichstellungsfragen innerhalb des Militärs als im deutschen Kontext (Gabbert 2007: 18). Das Militär ist in der Frage der Gleichstellungsprozesse in den USA damit auch sehr viel mehr Teil der Gesellschaft, als sich dies für die Bundeswehr sagen ließe. Erst die neueren Diskussionen um militärische Eingriffe zur Durchsetzung von Menschenrechten und Verhinderung von Völkermord wie im ehemaligen Jugoslawien haben zu einer verstärkten Beschäftigung mit dem Militär als Akteur in Konfliktregelungen geführt. Auch die Ausweitung des Friedensbegriffs, der nicht mehr nur die Abwesenheit von Krieg, sondern darüber hinaus auch die Existenz einer Zivilordnung, die Einhaltung von Menschenrechten und Frieden innerhalb des Staates bedeutet, macht eine Neubewertung militärischer Interventionen auch in Bezug auf internationales Konfliktmanagement erforderlich (Meyer 11

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

2003: 4ff.). Da sich in den gegenwärtigen Friedensprozessen zunehmend Struktur und Auftrag der militärischen Missionen mit zivilen Ansätzen der Konfliktbearbeitung überschneiden, werden auch theoretische Überlegungen zum Zusammenführen von Ansätzen der Friedens- und Konfliktforschung mit Erfahrungen aus den Friedensmissionen generiert (vgl. u. a. Hansen et al. 2004; Duffey 2000; Ryan 2000; Woodhouse 2000). Sowohl die Frauen-, Männer- und Ge– schlechterforschung als auch die Friedens- und Konfliktforschung stehen dabei vor dem Dilemma, normativ für Frieden und eine Verbesserung sozialer Ungleichheit einstehen zu wollen und dafür entweder die Beschäftigung mit dem Militär konsequent abzulehnen oder das Militär anzuerkennen und damit auch diese Institution, die der Gewaltausübung und der Produktion von (Geschlechter-)Ungleichheit dient, ein Stück weit zu legitimieren. Wie sich die Genderidentitäten und -verhältnisse in militärischen Organisationen in genau diesen komplexen Kontexten im Einsatz gestalten und welche Gleichstellungsstrategien bzw. Umsetzungsversuche der Integration einer Genderperspektive in den militärischen Organisationen existieren, darüber liegen bisher kaum Erkenntnisse vor. Wie sich diese Gemengelage auf der Handlungsebene konkretisiert, ist insbesondere für die Bundeswehr praktisch unerforscht. In der Bundeswehr dürfen Soldatinnen erst seit Anfang 2001 nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ohne formale Einschränkungen auch an der Waffe Dienst leisten (Apelt et al. 2005: 113). Bereits Mitte 2002 hieß es auf der Bundeswehr-Homepage: „Die Integration der Frauen in die Bundeswehr ist abgeschlossen“ (Apelt 2002: 325). Dass die Integration von Frauen längst nicht abgeschlossen ist und dass die zunehmenden Auslandseinsätze diesen Integrationsprozess möglicherweise auch in Zukunft noch erschweren können, werden die folgenden Ausführungen verdeutlichen. Auch das Beispiel des „Totenschädelskandals“ deutet auf tief greifendere Problematiken der Genderpolitik der Bundeswehr hin, adäquate Erklärungsansätze sucht man bislang jedoch vergebens. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht daher die Frage, wie die Soldatinnen und Soldaten Genderidentitäten und ihr Verhältnis zueinander vor dem Hintergrund von Auslandseinsätzen im Heimatland und im konkreten Fall des Einsatzes verhandeln. In der sozialwissenschaftlichen Forschungslandschaft bieten sich für die Analyse drei verschiedene Diskurse an, die aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven den Zusammenhang von Gender, Militär und Auslandseinsätzen im Rahmen von Konfliktbearbeitung thematisieren: 1. die

12

EINLEITUNG

Militärsoziologie, 2. die Friedens- und Konfliktforschung und 3. die Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung. 1. Aus Sicht der Militärsoziologie stellt der Auslandseinsatz im Rahmen militärischer Konfliktbearbeitung die für die soldatische Identitätskonstruktion zentrale Sozialisationsinstanz dar: Erst im Einsatz wird der Soldat zum Soldat. Der Einsatz begründet eine eigene Subkultur, eine spezifische Konstruktion sozialer Realität, die sich zunehmend von der Lebenswelt im Heimatland unterscheidet und in der traditionelle militärische Werte verstärkt an Bedeutung gewinnen. Dies lässt die Annahme zu, dass parallel zur wachsenden Bedeutung traditioneller militärischer Werte auch traditionelle Geschlechterbilder wichtiger werden. Bisher gibt es jedoch keine empirische Studie zur Frage, welche Auswirkungen der Einsatz auf die Genderverhältnisse in den Streitkräften hat und wie diese sich in die soldatische Subjektkonstruktion einschreiben. Weder in der Militärsoziologie noch in der Friedensund Konfliktforschung ist die Subjektperspektive überhaupt ausreichend integriert, obwohl Subjektivitäten und akteurszentriertes Handeln für die Entstehung und Bearbeitung von Konflikten zentral angesehen werden (Seifert 2003a: 8). Für die Bundeswehr liegen kaum empirische Studien vor, die sich der Lebens- und Alltagswelt von Soldatinnen und Soldaten aus einer nicht-positivistischen Sichtweise zu nähern versuchen (Ausnahmen Seifert 1996; Seiffert 2005; Tomforde 2005a, 2006) und Genderaspekte werden noch seltener integriert. 2. Aus der Perspektive der Friedens- und Konfliktforschung lässt sich fragen, wie sich die Soldatinnen und Soldaten als „Konfliktbearbeiter“, als die sie eingesetzt sind, selbst verorten und ihre Umwelt konstruieren. Spielt der Konflikt, den sie dort bearbeiten sollen, eine Rolle? Wie sehen sie die für die Konfliktbearbeitung so zentralen sozialen und kulturellen Dimensionen des Landes, in dem sie eingesetzt sind, und die lokalen Genderordnungen? Und schließlich: Identifizieren sich Frauen eher mit einem zivilen Soldatenbild und sind sie daher für die Aufgaben in Friedensmissionen „besser“ geeignet als Männer, wie in der Vielzahl von internationalen Studien der gendersensiblen Friedens- und Konfliktforschung gemeinhin be– hauptet wird? 3. Die Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung hat in vor allem historischen Studien gezeigt, dass das Militär über Jahrhunderte hinweg einen Hort von Männlichkeit symbolisierte (Frevert 1996, 2001; Hagemann 1996). Neben der Analyse von Männlichkeitskonstruktionen im Militär interessiert man sich vor allem für die Akzep13

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

tanz und das Verhalten von Soldatinnen in diesen männlich dominierten Bereichen. Daraus ergeben sich für die Arbeit die Fragen, welche Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen aktuell in der Bundeswehr kursieren und ob und wie sich diese mit lokalen Geschlechterordnungen im Einsatzland verschränken. Im eingangs skizzierten Beispiel stellen sich die Soldaten auf den Fotos auf eine bestimmte, sexuell aufgeladene, Weise dar. Solche Inszenierungen müssen stets aufs Neue „aktualisiert“ werden, sie sind nicht fix und lassen sich daher nur interpretativ analysieren. Dies hat methodologische Konsequenzen, die eine Reflexion des Forschungsprozesses selbst erfordern. Dieser Notwendigkeit wird der Ansatz Judith Butlers in besonderer Weise gerecht. Mit dem Butlersch’en Performativitätsansatz kann berücksichtigt, dass erst in der konkreten Interaktion im Interview oder während einer Feldforschung die jeweilige Genderordnung aktualisiert bzw. hervorgerufen wird. Das bedeutet, dass in anderen Interviewsituationen, mit anderen Interviewpartnern usw. möglicherweise andere Darstellungen abgerufen werden, die wiederum in der Analyse und Interpretation zu anderen Ergebnissen führen könnten. Dennoch sind die hier vorgestellten Themenbereiche und Erzählungen Elemente des kulturellen Gedächtnisses der Soldatinnen und Soldaten und spiegeln einen Teil, wenn auch nicht das ganze Spektrum, kursierender Vorstellungen wider. Zweitens wird mit Butler das Ziel verfolgt, die Kategorien Mann, Frau, Männlichkeit und Weiblichkeit als Kategorien aufzubrechen und als relationale in der sozialen Praxis veränder- und verhandelbare Normen zu denken. Da in der Arbeit drittens davon ausgegangen wird, dass Genderverhältnisse und Gendersubjektivitäten jeweils situationsbezogen, kontextspezifisch und interaktiv konstruiert werden, wurde von der Erstellung von Typen oder der Zuordnung zu bestimmten Gruppen Abstand genommen. Die vorliegende Arbeit fokussiert vielmehr die unterschiedlichen thematischen, organisationalen Kontexte, in denen Gender jeweils unterschiedlich hervorgebracht wird. Ergänzend und erklärend wurde am Schluss der Analyse das Konzept der totalen Institution von Erving Goffmann herangezogen, welches strukturelle und räumliche Bedingungen in die Analyse integrieren lässt. So können unterschiedliche analytisch-schematische Fragen und Themenkomplexe herausgearbeitet werden, die in der Empirie miteinander eng verwoben sind. Die aufgeworfenen Fragen werden primär anhand von qualitativen Interviews mit Soldatinnen und Soldaten des Heeres, des Sanitätsdienstes und der Marine bearbeitet. Die Interviews wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts in den Jahren 2003 bis

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EINLEITUNG

2005 durchgeführt, aus dem auch Erfahrungen aus der dreimonatigen Feldforschungsphase in der Bundeswehr selbst einflossen. Die Arbeit gliedert sich in vier Teile: Der erste Teil (Kapitel 2 bis Kapitel 4) skizziert den Forschungsstand. Die drei relevanten wissenschaftlichen Perspektiven Militärsoziologie, feministische und gendersensible Friedens- und Konfliktforschung, sowie Frauen-, Männer- und Genderforschung werden genauer dargestellt und analysiert, welche Erkenntnisse sie für die Analyse von Gender im Militär allgemein und in militärischen Einsätzen im Rahmen von Konfliktbearbeitung bieten können. In Kapitel 2 wird auf die strukturellen und organisationalen Veränderungen der Streitkräfte und des Soldatenberufs im Rahmen der internationalen Einsätze eingegangen (2.1 und 2.2), die entsprechende Entwicklung der Bundeswehr wird skizziert und Studien zu Subjektkonstruktionen von Soldatinnen und Soldaten werden vorgestellt (2.3). Kapitel 3 bietet einen kurzen Überblick über die Bedeutung von Gender in der Friedenskonsolidierung und stellt internationale Resolutionen und Vereinbarungen vor (3.1), das Gender Mainstreaming der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik wird unter die Lupe genommen (3.2), daran anschließend die Geschichte der Öffnung und Integration der Bundeswehr für Frauen analysiert (3.3) und das Gleichstellungsgesetz für Soldatinnen und Soldaten vorgestellt (3.4). In Kapitel 4 wird der aktuelle Forschungsstand zu Gleichstellung im Militär vorgestellt, aufgesplittet in die Darstellung von Studien zu Männlichkeit (4.1) und zu Weiblichkeit (4.2). Das Kapitel endet mit einem kurzen Zwischenfazit zu den Erkenntnissen für die weitere Arbeit (4.3). Der zweite Teil (Kapitel 5 bis Kapitel 6) markiert den theoretischen Rahmen und verdeutlicht das der Arbeit zugrunde liegende Gender- und Subjektkonzept Judith Butlers (Kapitel 5). Der dritte Teil (Kapitel 6 bis Kapitel 7) beschreibt das methodische Vorgehen. In Kapitel 6 wird in die Positionierungsanalyse eingeführt, die den methodologischen Rahmen der vorliegenden Arbeit vorgibt. Kapitel 7 stellt den Projektrahmen vor, in dem das verwendete empirische Material entstanden ist (7.1 bis 7.5) und es werden die ausgewählten Interviews vorgestellt (7.6). Das Kapitel endet mit der Analyse der Konstruktion von Gender in der Interviewsituation (7.7), was bereits den Übergang zum empirischen dritten Teil darstellt, da hier die Auswertung der Interviews beginnt. Der vierte empirische Teil (Kapitel 8 bis Kapitel 12) umfasst die Analyse und Darstellung des empirischen Materials. Kapitel 8 behandelt den Soldatenberuf an sich und fragt nach einem geschlechtsspezifischen 15

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Zugang zur Bundeswehr (8.1) und dem Umgang mit Waffen, Töten und Kämpfen (8.2). Daran anschließend werden Interaktionsformen der Soldatinnen und Soldaten anhand der Themenbereiche Diskriminierungserfahrungen (Kapitel 9), Sexualität (Kapitel 10) und Konfliktverhalten (Kapitel 11) analysiert. In Kapitel 12 stehen schließlich die einsatzspezifischen Genderordnungen im Mittelpunkt des Interesses. Zunächst werden einsatzübergreifende Prozesse wie die Konstruktion zweier unterschiedlicher Realitäten – Einsatz und Friedensdienst – (12.1) sowie die Einsatzvorausbildung aus gendersensibler Perspektive erörtert (12.2). Dabei wird dem Aspekt „Interkulturelle Kompetenz“ besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit den Erzählungen der einzelnen Einsätze, wobei der „Balkaneinsatz“ (12.3) mit dem Einsatz in Afghanistan (12.4) und Dschibuti (12.5) kontrastiert wird. Abschnitt 12.6 resümiert und 12.7 bietet einen Ausblick auf eine mögliche zukünftige Sichtweise der analysierten Phänomene durch die Einführung und Anwendung des Konzepts der totalen Institution von Goffman. Kapitel 13 fasst abschließend die Ergebnisse zusammen und weist auf zukünftigen Forschungsbedarf hin.

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2.

Ne ue Aufga ben, ne ue Eins ätze , ne ue Streitkräfte ?

In diesem Kapitel werden die sicherheitspolitischen Veränderungen und die Entstehung von internationalen Friedensmissionen analysiert. Zunächst wird auf gesamtgesellschaftliche Wandlungsprozesse hingewiesen, die als ursächlich für diese Veränderungen gelten, wobei besonders auf die Analysen gegenwärtiger Konflikte und Kriege Bezug genommen wird (2.1). Daran anschließend werden Entstehung und Entwicklung internationaler Friedensmissionen skizziert sowie die Umstrukturierung der Bundeswehr erläutert (2.2). Abschließend geht es um die Veränderungen des Soldatenberufs und soldatische Subjektivierungsprozesse in der Bundeswehr (2.3).

2.1

Veränderungen des internationalen Kriegsund Konfliktgeschehens

Gegenwärtige soziologische und politikwissenschaftliche Gesellschaftsdiagnosen betonen, dass seit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch des Ostblocks ein tief greifender sozialer Wandel stattfindet, der die (Welt-)Gesellschaft grundlegend umstrukturiert. Diese je nach theoretischer Ausrichtung als Globalisierung (Beck 2004), (Post-)Modernisierung (Inglehart 1998), Weltgesellschaft (Luhmann 1998: 145) oder Gouvernementalität (Foucault 2004) bezeichneten Entwicklungen haben gemein, dass sie die soziale Welt als zunehmend komplexer, differenzierter und desintegrierter beschreiben. In den für die vorliegende Arbeit relevanten Diskursen der Militärsoziologie und der Friedens- und Konfliktforschung werden diese Fragmentierungs- und 17

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Globalisierungsprozesse als ursächlich für die Entstehung neuer (Kaldor 2000; Münkler 2002), kleiner (Daase 1999), postnationaler (Bonacker 2007) oder „low intensity“ (Creveld 1998: 58) Konflikte, Kriege und Veränderungen in den Gewaltdynamiken angesehen, die wiederum erweiterter Formen der Konfliktbearbeitung bedürfen. Es wird weiter angenommen, dass das Streben nach Komplexitätsreduktion und die Überwindung von Ambivalenz eine zentrale Quelle von Gewalt darstellen (Brock 1997: 121). Die neuen Gewaltdynamiken zeichnen sich dadurch aus, dass nun vor allem lokale innerstaatliche Konflikte zu beobachten sind, die weniger auf ideologischen oder geopolitischen denn auf identitären Konfrontationen basieren (Kaldor 2000), zugleich jedoch immer auch – vor allem durch die Nutzung neuer Informationstechnologien – globale Auswirkungen haben und internationale Vernetzungen aufzeigen (Bredow 2007: 163). Weitere Merkmale sind Genozid, die Privatisierung von Gewalt und die Entstehung von und Finanzierung durch Gewaltmärkte (Elwert 1997; Bredow 2007: 167f.). Letztlich ist das zentrale Merkmal dieser neuen Kriegsform, dass verbindliche Regeln der Kriegsführung wie die klare Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten, zwischen zivilen und militärischen Zielen oder Kriegs- und Friedenszeit nicht mehr existieren bzw. durchbrochen werden (Hoch 2002: 26ff.). Das Konzept der neuen Kriege ist jedoch nicht ohne Kritik geblieben, vor allem an der eurozentristischen Sichtweise (Pradetto 2004: 195ff.): Die Aufteilung in „alt“ und „neu“ wird als nicht sinnvoll angesehen, da es eigentlich um die Trennung von klassischen Staatenkriegen und innerstaatlichen Kriegen mit globaler Dimension geht; der Krieg zwischen Staaten ist jedoch nur in einer begrenzten historischen Phase und in einem begrenzten geographischen Raum überhaupt die dominante Kriegsform gewesen. Bürgerkriege oder Sezessionskriege werden mit dieser Aufteilung nicht berücksichtigt. Alle vergangenen und gegenwärtigen Konflikte und Kriege unter dem Schlagwort „neue Kriege“ zu verallgemeinern, verfehlt die Komplexität und Heterogenität von Gewaltdynamiken (ebd.). Zudem ist ein Großteil der Opfer schon immer in der Zivilbevölkerung zu beklagen gewesen, die Trennung in Zivilisten und Kombattanten ist bereits für den Zweiten Weltkrieg, der als „alter“ Krieg gilt, kaum aufrechtzuerhalten (Apelt 2005: 14). Die Arbeitsgemeinschaft für Kriegsursachenforschung (AKUF) stellt zudem fest, dass es seit 2002 keineswegs einen Anstieg, sondern einen Rückgang bewaffneter Konflikte und Kriege weltweit gegeben hat (AKUF 2007: 4). Das Konzept der neuen Kriege hat laut seinen Kritikern allerdings eine zentrale politische Funktion: Es dient zunehmend als Legitimation für neue Sicherheitsstrategien westlicher Politik. Der Angriff und der 18

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Einsatz militärischer Gewalt jenseits von Krieg und der damit einhergehende Eingriff in die Souveränität anderer Staaten gelten nunmehr – unter bestimmten Bedingungen – als legitim (Kümmel 2005: 58ff.). Als Bedingungen gelten die Verletzung von Menschenrechten und die proklamierte Gefährdung der eigenen nationalen Sicherheit durch mögliche terroristische Netzwerke und Aktivitäten. Im Fall der Verletzung von Menschenrechten ist die internationale Gemeinschaft durch die „responsibility to protect“-Strategie (International Commission on Intervention and State Sovereignty 2001) sogar explizit aufgefordert, militärisch zu intervenieren. Sicherheit wird nunmehr nicht mehr nur als die Sicherung staatlicher Grenzen verstanden, sondern umfasst „gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und kulturelle Bedingungen“ (Bundesministerium der Verteidigung 2006: 25). Diese Veränderungen in der Organisation von Gewalt und die Erweiterung des Sicherheitsbegriffs haben neue nationale Sicherheitsstrategien entstehen lassen, mit denen diese Konflikte sowohl militärisch als auch zivil bearbeitet werden sollen (Bredow 2007: 171ff.). Die internationale Gemeinschaft fühlt sich zunehmend in der Verantwortung, sich international im Konfliktmanagement zu engagieren, was sich auch an der steigenden Zahl an internationalen Friedensmissionen weltweit und der Zunahme an unterschiedlichen Akteuren (NATO, EU, Afrikanische Union, bilaterale Einsätze) zeigt (siehe zur Übersicht über die gegenwärtigen Friedensmissionen ZIF 2007).

2.2 Internationale Friedensmissionen Begriffsbestimmungen Der Einsatz militärischer Mittel außerhalb der eigenen Staatsgrenzen zur Kontrolle und Beendigung von Gewalt besitzt in den westlichen Staaten seit der Entstehung der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert Tradition: 1830 gab es eine internationale Koalition von Streitkräften verschiedener Staaten, die gegen Piraten in Nordafrika vorgingen, 1848 wurden schwedische Friedenskräfte in Schleswig-Holstein eingesetzt und von 1934 bis 1935 besetzte eine internationale Truppe aus England, Italien, Holland und Schweden die Grenzen des Saarlandes (Schmidl 2000: 7ff.). Friedensmissionen oder Peacekeeping-Operationen, wie sie heute bekannt sind, wurden allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der UN entwickelt. Diese Peacekeeping-Operationen lassen sich sowohl in verschiedene Generationen einteilen als auch nach dem jeweiligen Zeitpunkt der Intervention im Konfliktverlauf ordnen:

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So waren die Peacekeeping-Operationen bis zum Ende des Ost-WestKonflikts vor allem die sog. traditionellen Peacekeeping-Operationen unter dem Dach der UN, die sich als „Blauhelm-Missionen“ in den öffentlichen Diskurs eingeschrieben haben. Wenn auch diese Missionen höchst unterschiedliche Funktionen und Aufträge haben, werden sie primär als „Puffer“ zwischen den Parteien eines internationalen zwischenstaatlichen Konflikts eingesetzt. Ihre zentralen Aufgaben sind die Verhinderung von Waffengewalt und die Überwachung der Einhaltung von Waffenstillstandsabkommen. Alle beteiligten Konfliktparteien müssen der Mission zustimmen, die Friedenstruppen sollen unparteilich sein und Waffen sollten nur zur Selbstverteidigung eingesetzt werden. Der Einsatz muss vom UN-Sicherheitsrat autorisiert werden und steht unter der Verantwortung des UN-Generalsekretärs (Gareis 2004: 204ff.). Als Peacekeeping-Einsätze der „zweiten Generation“ (ebd.: 205) gelten die nach 1989 durchgeführten Einsätze, die sich durch ein wesentlich breiteres Aufgabenspektrum auszeichneten: So gehörten Demokratisierungsbestrebungen und Demobilisierungsmaßnahmen eben so dazu wie die Übernahme quasi-hoheitlicher Funktionen über ganze Länder, weshalb diese Missionen als Peacebuilding-Missionen bezeichnet werden. Durch das Scheitern dieser Form der Einsätze in Ruanda und Srebrenica in den 1990er Jahren, in denen UN-Soldaten Massakern an Zivilisten zusehen mussten, da ihr Mandat den Gebrauch von Schusswaffen außer zur Selbstverteidigung verbot, und in der Kosovo-Krise entstand ein neuer dritter Typus von Friedensmissionen. Dieser zeichnet sich durch Multidimensionalität, Multilateralität, Multinationalität und Multikulturalität sowie die verstärkte Zusammenführung ziviler und militärischer Elemente aus. Ziel dieser Einsätze ist, „nicht weniger als der (Wieder-)Aufbau nachhaltig tragfähiger Strukturen im Nachgang eines zerstörerischen Konflikts“ (ebd.: 208). Dazu gehören die Herstellung von Sicherheit, militärische und humanitäre Aufbauhilfe, verstärkte zivil-militärische Zusammenarbeit und die Übernahme hoheitlicher Aufgaben. Es handelt sich zumeist um sog. „robuste“ militärische Mandate, die den Einsatz von Waffengewalt ermöglichen. Die Durchführung liegt entweder in den Händen der UN oder regionalen Organisationen wie der NATO, der EU, der Afrikanischen Union oder Ad-hoc-Koalitionen einzelner Länder (ebd.). In der „Agenda for Peace“ des UN-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali (1992) werden die zentralen Aufgabenbereiche gegenwärtiger Friedensmissionen für die unterschiedlichen Konfliktstadien genauer definiert: Es wird unterschieden in präventive Diplomatie, friedensschaffende Maßnahmen (peacemaking bzw. peace-enforcement), friedenssi20

NEUE AUFGABEN, NEUE EINSÄTZE, NEUE STREITKRÄFTE?

chernde Maßnahmen (peacekeeping) und Friedenskonsolidierung (peacebuilding) (Boutros-Ghali 1992: II). Militärische Einheiten können in allen Aufgabenbereichen eingesetzt werden: Zur Unterstützung präventiver Diplomatie zur Schaffung demilitarisierter Zonen, im Rahmen von Peaceenforcement-Interventionen, in denen unter aktiver Anwendung militärischer Gewalt Frieden herbeigeführt werden soll und in Peacekeeping-Einsätzen, in denen der Waffenstillstand sowie das Friedensabkommen durch militärische Präsenz gewährleistet wird. Die neue Sicherheitsarchitektur und die Übernahme neuer Aufgaben im Konfliktmanagement erfordern auch die Anpassung der zuständigen Institutionen und der Streitkräfte. Nach dem NATO-Gipfel in Prag im Jahr 2002 definierten die NATO-Mitglieder die künftigen Aufgaben der nationalen Streitkräfte folgendermaßen: „to improve and develop new military capabilities for modern warfare in a high threat environment. Individual Allies have made firm and specific political commitments to improve their capabilities in the areas of chemical, biological, radiological, and nuclear defence; intelligence, surveillance, and target acquisition; air-to-ground surveillance; command, control and communications; combat effectiveness, including precision guided munitions and suppression of enemy air defences; strategic air and sea lift; air-to-air refuelling; and deployable combat support and combat service support units“ (NATO 2002).

Auf europäischer Ebene sind diese Umstrukturierungsmaßnahmen im „European Capabilities Action Plan“ (Council of the European Union 2001: 1) festgeschrieben worden, für Deutschland hat die schwarz-rote Bundesregierung im Jahr 2006 das erste sicherheitspolitische Weißbuch seit zwölf Jahren herausgebracht. In diesem Weißbuch werden die gegenwärtigen und zukünftigen Veränderungen der Sicherheitspolitik und der Bundeswehr definiert sind und den „militärpolitischen Verpflichtungen“ (Bundesministerium der Verteidigung 2006: 77) gegenüber der NATO, der EU und der Vereinten Nationen Rechnung getragen. Zukünftig wird die Bundeswehr demnach darauf ausgerichtet, sich auch an Kampfeinsätzen zu beteiligen. Diese „friedenserzwingenden Maßnahmen“ erfordern „den Einsatz von Waffengewalt im Rahmen streitkräftegemeinsamer vernetzter Operationen hoher Kampfintensität“ (ebd.). Dafür werden im Rahmen der sog. „Eingreifkräfte“ gut ein Zehntel der Soldatinnen und Soldaten (ca. 35 000) zur Verfügung gestellt. Eine weitere Aufgabe, die bereits heute von der Bundeswehr durchgeführt wird, sind „friedensstabilisierende Einsätze“ (ebd.: 78), in denen „Voraussetzungen für den Aufbau staatlicher und gesellschaftlicher 21

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Strukturen“ (ebd.) geschaffen werden. Diese Stabilisierungskräfte werden gut ein Fünftel der Soldatinnen und Soldaten (ca. 70 000) repräsentieren, der Rest, also etwas mehr als die Hälfte der Soldatinnen und Soldaten (ca. 148 000) wird in den Unterstützungskräften eingesetzt. Die Landesverteidigung wird bis auf wenige Elemente wie die Wehrpflicht als nicht mehr zeitgemäß betrachtet. Aktuelle Gefahren für die Sicherheit Deutschlands werden im Weißbuch vor allem im internationalen Terrorismus und der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen gesehen. „Dies erfordert, Risiken und Bedrohungen für unsere Sicherheit vorzubeugen und ihnen rechtzeitig dort zu begegnen, wo sie entstehen“ (ebd.: 8). Wo die Bundeswehr früher reformiert wurde, wird sie heute transformiert: Transformation bedeutet in diesem Zusammenhang „die vorausschauende Gestaltung eines fortlaufenden Prozesses zur Anpassung an die sich permanent verändernden Rahmenbedingungen mit dem Ziel, die Wirksamkeit der Bundeswehr im Einsatz zu erhöhen“ (ebd.: 90). Damit wird definitorisch zum Ausdruck gebracht, dass die Bundeswehr auch in Zukunft permanenten Veränderungs- und Anpassungsprozessen unterliegen wird. Die neuen Streitkräfte erfordern neue Soldatinnen und Soldaten, die „neben ihrer Funktion als Kämpfer – auch Helfer, Schützer und Vermittler“ (ebd.: 70) sind. Besondere Bedeutung erlangen die ethisch-moralische und die interkulturelle Bildung. Der Kontakt mit „anderen“ Kulturen stellt ebenso wie die Möglichkeit der Anwendung von Gewalt, des Verwundet- und Getötetwerdens einen neuen, aber zentralen Aspekt soldatischer Identität dar und wird von den politischen und militärischen Akteuren forciert bzw. akzeptiert. Der Einsatz wird zum Dreh- und Angelpunkt der neuen Streitkräfte. Die Bundeswehr nimmt seit 1960 im Rahmen von vor allem humanitären Missionen im Bereich der Not- und Katastrophenhilfe an Einsätzen im Ausland teil. Erste militärische Einsätze erfolgten in UNMissionen im Golfkrieg 1991/1992, Kambodscha 1992/1993 oder Somalia 1992/1993 (vgl. ausführlicher Rauch 2006). Von 1991 bis 1995 war die Bundeswehr in einem ihrer ersten Auslandseinsätze nach dem Kalten Krieg in der Blauhelmmission United Nations Protection Force (UNPROFOR) im ehemaligen Jugoslawien eingesetzt; sie versorgte vor allem die eingeschlossene Bevölkerung Sarajevos mit Hilfsgütern (ebd.: 152). 1995 wurde dieser UN-Einsatz nach der Übernahme Srebrenicas durch bosnische Serben durch einen NATO-Einsatz, der Peace Implementation Force (IFOR) abgelöst, der – auch mit dem Einsatz von Waffengewalt – die Umsetzung des Friedensvertrags von Dayton zu sichern hatte. 1996 wird aus IFOR die ebenfalls UN-mandatierte SFOR-Truppe (Stabilisation Force). Ihre Auf22

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gabe war und ist die weitere militärische Sicherung des Friedensvertrags von Dayton (ebd.: 157). Im Dezember 2004 ging das Kommando von der NATO auf die EU und die EUFOR (European Union Force) über. EUFOR stellt den größten Militäreinsatz der EU dar, allerdings fand in den letzten Jahren eine massive Truppenreduktion statt (Bundeswehr 2007a): Gegenwärtig (April 2008) liegt der Anteil deutscher Soldatinnen und Soldaten in Bosnien und Herzegowina bei 130, davon 9 Frauen (6,9 Prozent) (Bundeswehr 2008), während der Durchführung der Interviews von 2003 bis 2005 waren noch im Schnitt 1070 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt, davon 46 Frauen (4,3 Prozent). 1999 nahm die Bundeswehr das erste Mal seit ihrer Gründung an aktiven Kampfhandlungen zur Beendigung des Konflikts im Kosovo teil und ist seitdem im Rahmen der KFOR-Friedensmission (Kosovo Force) im Kosovo stationiert. KFOR übernimmt im Rahmen des Wiederaufbaus umfangreiche Aufgaben, die von der Schaffung eines sicheren Umfelds und Entwaffnung bis hin zu Verwaltungsaufgaben reichen (Rauch 2006: 189ff.). Aktuell sind 2670 Soldatinnen und Soldaten im Kosovo stationiert, der Frauenanteil liegt bei 170 (6,4 Prozent) (Bundeswehr 2008). 2003/2004 lag die Zahl wenig niedriger, so waren durchschnittlich 2580 Soldatinnen und Soldaten, davon 100 Frauen (3,8 Prozent), im Kosovo eingesetzt. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 durch Selbstmordattentäter riefen die USA den weltweiten Krieg gegen den Terror aus. Legitimiert durch die Resolution 1368 des UNSicherheitsrates (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2001a) stellte die NATO stellte den Bündnisfall fest. Da Afghanistan als Rückzugs- und Ausbildungsgebiet der Selbstmordattentäter definiert wurde, marschierten bereits im Oktober 2001 die US-amerikanischen Truppen in Afghanistan ein und stürzten mit Hilfe der oppositionellen Nordallianz die Taliban. Die Bundesregierung beteiligt sich an dieser Enduring Freedom (OEF) genannten Operation im „Kampf gegen das terroristische Netzwerk Al-Qaida und gegen die Taliban“ (Bundeswehr 2007a) mit Sanitätskräften, KSK-Soldaten und den Seestreitkräften am Horn von Afrika; seit April 2007 sind zusätzlich Tornado-Aufklärungsjets der Bundeswehr im Einsatz (Khalatbari 2007: 22). Im Dezember 2001 wurden auf der Petersberger Konferenz die staatlichen Strukturen Afghanistans neu geregelt und die Einrichtung einer internationalen Schutztruppe ISAF (International Security Assistance Force) beschlossen. ISAF steht unter dem Kommando der NATO und hat den Auftrag, die afghanische Interimsregierung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit und dem Aufbau neuer afghanischer Sicherheitsund Streitkräfte zu unterstützen (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 23

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2001a: 1). Die ISAF wird ermächtigt, „alle zur Erfüllung ihres Mandats notwendigen Maßnahmen“ (ebd.: 3) zu ergreifen, womit auch der aktive Waffengebrauch im Rahmen eines Kampfeinsatzes gemeint ist. Im Rahmen von zivil-militärischer Zusammenarbeit (CIMIC) und den Provincial Reconstruction Teams (PRT), in denen Soldatinnen und Soldaten zusammen mit Entwicklungshelferinnen und -helfern eingesetzt sind, werden mittlerweile umfangreichere Hilfsprojekte wie der Bau von Brunnen oder Schulen initiiert (Bundesministerium der Verteidigung 2007a: 10ff.). Die deutschen Streitkräfte sind hauptsächlich im Norden Afghanistans in Kundus in Mazar-e-Sharif stationiert, wo eines der größten Feldlager der Bundeswehr außerhalb der nationalstaatlichen Grenzen entsteht.1 Ihr Auftrag ist vor allem die sanitätsdienstliche Versorgung aller dort stationierten Soldatinnen und Soldaten, die Ausbildung der afghanischen Armee in der Nordregion und die Durchführung von zivilmilitärischen Maßnahmen, was auch die Leitung der PRT einschließt (Rauch 2006: 229ff.). Die Truppenstärke beträgt um die 3000 Soldatinnen und Soldaten, wobei hier auch die in Usbekistan stationierten Einheiten dazuzählen. Der Frauenanteil liegt gegenwärtig bei fünf Prozent, d. h. 150 Soldatinnen (Bundeswehr 2008). Zum Zeitpunkt der Interviews waren 2175 Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan und Usbekistan involviert, davon 49 Frauen (2,3 Prozent).2 Es folgten die EU-Operation ARTEMIS im Kongo und Uganda sowie die Überwachung des Waffenstillstands im Libanon (Bundeswehr 2007a). Im Schnitt sind ca. 7000 Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz eingesetzt. Inklusive der Soldatinnen und Soldaten in Vor- und Nachbereitung sind jährlich 20.000 Soldatinnen und Soldaten im Turnus von vier Monaten mit Ausbildung, Durchführung und Nachbereitung beschäftigt. Die Bundeswehr hat sich damit von der Armee der Landesverteidigung zur Armee im Einsatz gewandelt.

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Zum Zeitpunkt der Interviews waren die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten bis auf eine Ausnahme allerdings noch in Kabul stationiert. Um diese Zahlen wirklich bewerten zu können, bedürfte es eines internationalen Vergleichs mit den Frauenanteilen anderer Streitkräfte in den jeweiligen Einsätzen. Leider existieren gendersegregierte Daten bisher nur für UN-Einsätze (siehe hierzu die Daten des Department of Peacekeeping Operations online unter http://www.un.org/Depts/dpko/dpko/ contributors/gend.html). Festzustellen ist, je gefährlicher ein Einsatz angesehen wird, desto geringer ist der Frauenanteil.

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2.3 Veränderungen der Streitkräfte und des Soldatenberufs In der Militärsoziologie werden die Veränderungen der Streitkräfte als Wandel von modernen zu postmodernen Organisationen beschrieben (Moskos/Burk 1994: 146ff.). Die These ist, dass sich die Streitkräfte von den modernen Massenarmeen des Nationalismus des 19. und 20. Jahrhunderts zu postmodernen Armeen entwickeln, die sich am neuen globalen Weltordnungssystem orientieren. Gesellschaftliche Veränderungen wie die Auflösung des Nationalstaats und der nationalen Märkte oder die Schwächung des demokratischen Staatsbürgerschaftsprinzips spiegeln sich, so die Annahme, auch in einer Veränderung des Militärs wider (ebd.). Moderne Armeen (1900-1945) sind demnach gekennzeichnet durch die Wehrpflicht und ein professionalisiertes Offizierkorps, welches kampforientiert eingestellt und männlich im Äußeren wie Ethos ist. Der Soldatenberuf wird als Berufung empfunden (Moskos et al. 2000: 1). Die modernen Soldaten identifizieren sich in höchstem Maße mit dem Nationalstaat, dessen Schutz und Verteidigung die zentrale moralische Legitimation militärischen Handelns darstellt. Die Streitkräfte sind in Kultur und Struktur von der zivilen Gesellschaft streng getrennt (Moskos 1988: 16ff.). Die Soldaten der Streitkräfte der Spätmoderne, die Moskos (2000: 15) in die Zeit des Kalten Kriegs (1945-1990) datiert, verstehen sich eher als Manager oder Techniker und identifizieren sich vor allem mit den internationalen Bündnispartnern. Mitglieder postmoderner Armeen hingegen zeigen keine enge Identifikation mit dem Nationalstaat mehr, sondern beziehen sich auf Werte und Normen der internationalen Gemeinschaft. Es handelt sich zumeist um Freiwilligenarmeen, in denen sich die strengen Grenzen zwischen den militärischen Bereichen und Dienstgraden mehr und mehr auflösen. Die Streitkräfte sind durch die Kooperationen mit zivilen Organisationen und die Übernahme ziviler Aufgaben mehr mit der Zivilgesellschaft verschränkt. Der Soldatenberuf wird als Beruf wie jeder andere gesehen, der nach den Prinzipien der Marktökonomie, nach Angebot und Nachfrage funktioniert (Battistelli et al. 2000: 147). Der Kämpfer spielt zwar immer noch eine Rolle, es überwiegt allerdings die Selbstdefinition als Staatsbürger (Moskos 2000: 15). Der postmoderne Soldat, der vor allem im Peacekeeping eingesetzt wird, zeichnet sich durch eine Vielzahl von Eigenschaften wie Diplomatie, polizeiliche und politische Fähigkeiten, Kampf oder soziales Engagement und den defensiven Umgang mit Waffengewalt aus (Bredow 2004: 292f.).

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Däniker (1992, in Erweiterung durch Bredow 2007: 175f.) sieht den Soldaten im Einsatz vor allem als Beschützer, als „miles protector“. Seine Aufgabe liege vor allem in Prävention, Intervention und der Wiederherstellung von Ordnung, im „Helfen, Schützen, Retten“ (Däniker 1992: 185). Aus dieser Vielzahl von Eigenschaften generiert Kümmel (2007) folgenden, auch in der Bundeswehr gültigen soldatischen Idealtypus: „Dem Anspruch der Bundeswehr hinsichtlich ihres militärischen und soldatischen Anforderungsprofils nach ist das soldatische Subjekt heute hybrid und multifunktional. Es ist für beiderlei Geschlecht sowohl Kämpfer und Krieger wie Gendarm, Polizist, Konstabler, Diplomat und bewaffneter Sozialarbeiter. Der Soldat muss wissen, wie man kämpft, wie man lokale Sicherheit gewährleistet, wie man lokale Gegner behandelt und wie man mit lokalen Partnern und zivilen internationalen Hilfsorganisationen zusammenarbeitet. Als Experten in Sachen Gewaltanwendung, die der Soldat und die Soldatinnen bleiben, müssen sie zugleich politisch gebildet sein und über kulturelle und soziale Empathie, interkulturelle Kompetenz und diplomatische Fähigkeiten verfügen. Neben einer Säule des soldatischen Selbstverständnisses, die sich auf Patriotismus und nationale Verpflichtung stützt, ist eine zweite Säule auszubilden, die auf einer Art humanitären Kosmopolitismus und der Orientierung an Menschenwürde und Menschenrechten beruht und nationalen Interessen nicht widerspricht, sondern sie übersteigt. Teamfähigkeit, kritische Loyalität, Reflexions- und Urteilsfähigkeit hinsichtlich des eigenen Handelns und der eigenen Verantwortung und ein Bewusstsein für eine Rückbindung der Streitkräfte an demokratische Legitimation und für eine hinreichende Einbindung der Armee in gesamtgesellschaftliche Bezüge gehören ebenso zu einer modernen soldatischen Identität wie ein Globalisierungsprozesse reflektierendes Verständnis von Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (Kümmel 2007: 15).

In der Praxis zeigt sich allerdings, dass die Soldatinnen und Soldaten diese unterschiedlichen Anforderungen nur schwer vereinen können. Die traditionell nationalen Werte der Streitkräfte wie die universell männliche Wehrpflicht und nationaler Patriotismus geraten unter Umständen in einen Widerspruch mit transformierten High-Tech-Streitkräften, die in internationalen Koalitionen ihre Ressourcen zur Verfügung stellen (Moskos/Burk 1994: 145). Es kommt zur Ambivalenz zwischen sozialen und kulturellen zivilen Kompetenzen und der Beibehaltung der militärischen Einsatz- und Kampffähigkeit. Gerade Letztere führt im Zusammenspiel mit Hierarchie, Befehls- und Gehorsamsprinzip, Kasernierung und Normierung zu einem Konflikt mit Individualisierungserfahrungen 26

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und -anforderungen der zivilen Gesellschaft, die die Soldaten in Subjektivierungsprozessen individuell aushandeln müssen (Seifert 1996: 32ff.). In internationalen Studien hat sich daher gezeigt, dass eher von einer Parallelität, einem Kontinuum verschiedener Typen von soldatischen Selbstbildern auszugehen ist, die sich zwischen den extremen Polen von traditioneller Kampforientierung auf der einen und Humanitarismus auf der anderen Seite verorten lassen (Battistelli et al. 2000: 151ff.; Nuciari 2002: 18ff.). Heute erfolgt die Identifikation mit dem Soldatenberuf und mit militärischem Handeln primär in den multifunktionalen Auslandseinsätzen und in der Zusammenarbeit in multinationalen Streitkräfteverbänden (Moskos/Burk 1994: 145). Moskos (1976: 7ff.) stellt bereits in den 1970er Jahren für die UN-Mission in Zypern fest, dass durch die Teilnahme an Friedensmissionen spezifische Einsatzidentitäten entstehen, die sich vor allem durch eine polizeiliche Ethik und die Identifikation mit der internationalen Gemeinschaft auszeichnen. Auch Galtung/ Hveem (1975) zeigen für norwegische Soldaten in Friedensmissionen in Gaza und im Kongo, wie sich ihre Einstellungen zum Soldatenberuf und zu den Konfliktszenarien verändert haben, wenn auch die Identifikation mit den internationalen Werten bei den untersuchten Soldaten nur unzureichend gelingt. Für die Bundeswehr existieren nur sehr wenige Studien, die sich mit der Frage der Veränderung von soldatischen Selbstbildern und Legitimationsdiskursen im Zeichen neuer Einsätze beschäftigen. Anfang der 1990er Jahre führte Seifert Interviews mit Offizieren zu ihren Einstellungen gegenüber den Veränderungen innerhalb der Streitkräfte (Seifert 1996). Einsätze im Ausland gehörten damals allerdings noch nicht zum alltäglichen Erfahrungshorizont der Soldaten. Seifert (ebd.: 129ff.) stellt in militärsoziologischer Manier eine Typologisierung von Soldaten auf, wie diese die neuen Einsätze bewerten und legitimieren: Diejenigen Offiziere, die sich eher als militärische Profis, Spezialisten und Instrumente des Staates sehen, haben demnach kein Problem mit potenziellen (Kriegs-)Einsätzen im Ausland. Die Einsätze werden als Möglichkeit gesehen, endlich Soldat sein zu können. Die zweite Gruppe definiert sich vor allem als loyal dem Staat gegenüber und argumentiert, dass der Primat der Politik über allem anderen stehe und man daher den Befehl auszuführen habe. Die dritte Gruppe sieht allein in der Landesverteidigung die einzige politische, moralische und emotionale Legitimation. Die Soldaten der dritten Gruppe sehen sich vor allem als Soldaten für den Frieden und haben das Gefühl, dass durch die Einsätze die Definition des Soldaten unter der Hand verändert wird. Sie sehen Auslandseinsätze nicht als sinnvoll an und entscheiden sich deswegen sogar explizit 27

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gegen eine Karriere in der Bundeswehr. Gerade die Gefahr der Stärkung des Kämpfertypus durch Auslandseinsätze wird sehr kritisch bewertet und die Entfernung von Militär und Gesellschaft befürchtet (ebd.). Wenn Soldaten sich daher nicht nur über ihr militärisches Handwerk definieren oder vollständig in die politische Führung vertrauen, dann kommt es zu einer Ambivalenz zwischen soldatischer und individueller Anforderung. Der Konflikt wird dadurch verschärft, dass öffentliche und politische Diskussionen über die zukünftigen Aufgaben von Soldaten fehlen und damit ein zentraler Baustein der beruflichen Identität, die Bestimmung des Verhältnisses der Soldaten zur Gesamtgesellschaft, nicht ausdiskutiert wird. Den Konflikt lösten die von Seifert interviewten Soldaten, indem sie die sachlich-vertragliche Seite des Berufs (man hat dafür unterschrieben) betonten – so scheinen sich die Prinzipien des soldatischen Gehorsams und des autonomen Staatsbürgers nicht mehr zu widersprechen – oder aus der Bundeswehr ausschieden (ebd.: 130ff.). Ein Grund für die Soldaten, sich für den Einsatz zu motivieren ist auch, vor Soldaten anderer Länder nicht als Feigling (und damit als unmännlich) dazustehen (ebd.: 149). Biehl et al. (2000: 22ff.) kommen in einer quantitativen Befragung deutscher Bundeswehrsoldaten im KFOR-Einsatz zu dem Schluss, dass die Motivation nicht durch instrumentell-ökonomische Anreize, sondern durch die Orientierung am Sinn und Zweck des Einsatzes hergestellt wird. Dazu gehört auch, dass der Einsatz und der Auftrag vom sozialen Umfeld der Soldaten legitimiert und unterstützt werden. Weitere Einflussfaktoren sind die Ausgestaltung der alltäglichen Aufgaben und die Tiefe des Vertrauens in die Vorgesetzten. Sie ziehen daraus das positive Fazit, dass die Bundeswehr hinreichend in die Gesellschaft integriert ist und das Konzept der Inneren Führung und des Staatsbürgers in Uniform erfolgreich vermittelt wurde. Einschränkend müssen die Autoren allerdings feststellen, dass die Motivation und Identifikation mit dem Einsatz gegen Ende nachlassen (auch Biehl 2005: 282ff.). An diesem Punkt setzt Seiffert (2005) mit ihrer im Anschluss an Seifert (1996) orientierten subjekttheoretischen Arbeit an: Sie überprüft in ihrer sowohl qualitativ als auch quantitativ ausgerichteten Studie zu soldatischen Identitätskonstruktionen in Bosnien die These, dass die Auslandseinsätze zu einem Auseinanderdriften von Gesellschaft und Streitkräften führen und fragt, welchen Einfluss die Einsätze auf das soldatische Selbstverständnis und die Konzeption der Inneren Führung haben können. Auch sie fokussiert vor allem Motivations- und Legitimationsstrukturen für Auslandseinsätze und erarbeitet im Anschluss an die Ergebnisse der bisherigen militärsoziologischen Forschung vier Motivationstypen (Seiffert 2005: 127ff.): 1. Ökonomische Motivation, 28

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d. h., der Auslandseinsatz wird vor allem mit den höheren Verdienst– möglichkeiten in Verbindung gebracht; 2. Einsatzorientierte Motivation, d. h., es besteht eine hohe Identifikation mit der soldatischen Lebens- und Alltagswelt im Einsatz; 3. Altruistische Motivation, d. h., vor allem humanitäre Überlegungen und die Möglichkeit, helfen zu können, stehen im Vordergrund; 4. Zivil-Militärische Motivation, d. h. die Verbindung von persönlichen/beruflichen Interessen und humanitären Begründungen. Anders als Biehl et al. (2000) kommt sie zu der negativen Einschätzung, dass die Bundeswehr sich durch den Einsatz zunehmend von der deutschen Gesellschaft abkoppelt, allerdings ist eine Annäherung an die lokale Zivilgesellschaft im Einsatzland zu beobachten (Seiffert 2005: 14). Der soldatische Konflikt zwischen individueller ziviler und kollektiver soldatischer Identifikation wird von den Soldatinnen und Soldaten – wie auch in den Interviews von Seifert (1996) – zugunsten der kollektiven Identifikation aufgelöst. Der Einsatz hat damit eine homogenisierende kollektivierende Wirkung auf die Einsatzmotivation. Es entsteht eine spezifische Einsatzrealität, die sich abgekoppelt von der restlichen Gesellschaft entwickelt und in der auch militärische Kämpfervorstellungen als „Reaktion auf ein durch Internationalisierung und Multinationalisierung destabilisiertes soldatisches Selbstverständnis“ (Seiffert 2005: 237) reaktiviert werden. In multinationalen und internationalen Kriseneinsätzen muss der Soldat Loyalität und Verbundenheit neu definieren. Es kommt durch den Einsatz zur Bildung einer corporate identity, die sich durch die Stärkung traditioneller militärischer Werte wie Staatstreue und Staatsbewusstsein auszeichnet. Zugleich wird das Berufsverständnis des Soldaten von den gesellschaftlichen Entwicklungen des Entsendelandes abgekoppelt (ebd.: 295). Tomforde (2005a: 584) kristallisiert in ihrer ethnologischen Studie zur Einsatzmotivation von Bundeswehrsoldaten in Bosnien sehr ähnlich gelagerte fünf Soldaten- bzw. Legitimationstypen heraus: 1. Helfer in Uniform, der sich primär am Frieden, nicht am Krieg orientiert; 2. Führer und Erzieher, der auf die militärische Organisation und traditionell militärischen Aufgaben ausgerichtet ist; 3. Karrierist, der die Bundeswehr und den Einsatz vor allem als Karrierechance begreift; 4. Abenteurer, der vor allem an Abenteuer und neuen Erfahrungen interessiert ist; 5. Männlicher Kämpfer. Sie beschreibt den Einsatz als „Initiation in die ,neue‘ Bundeswehr“ (Tomforde 2006a: 101), als Übergangsritus vom Status des einsatzunerfahrenen zum einsatzerfahrenen Soldaten und als Sozialisationsinstanz in die multinationale Einsatzkameradschaft. Auch sie stellt fest, dass die Soldaten im Einsatz eine neue soldatische Identität herausbilden, die die „militärischen, politischen, soziokulturellen und 29

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

psychologischen Erfahrungen der Soldaten in Auslandseinsätzen mit beinhaltet und während des Friedenseinsatzes generierte internalisierte Normen und Werte aufweist“ (ebd.: 104). Die nationalen Streitkräfte befinden sich durch die neue sicherheitspolitische Agenda seit dem Ende des Kalten Kriegs in einem ständigen Neuorientierungsprozess. Zunehmend werden den Soldatinnen und Soldaten im Einsatz militärische und zivile Eigenschaften abverlangt. Die Bundeswehr versuchte in ihrer bisherigen Geschichte, deeskalierende und friedensschaffende Maßnahmen der Anwendung von Gewalt vorzuziehen. Allerdings erklingen immer wieder Stimmen aus der Bundeswehr selbst, die fordern, dass man nicht verschweigen dürfe, dass der Soldat im Einsatz „in letzter Konsequenz Kämpfer ist“ (General Klaus Naumann 1992, zitiert in Clement 2005: 13). 2004 betonte der Heeresinspekteur General Hans-Otto Budde, dass die „Befähigung der Soldaten des Heeres zum Kampf“ das „Herzstück der Identität des Heeres“ (Budde 2004: 10) darstellt. Auch das Weißbuch betont die Gleichzeitigkeit dieser verschiedenen militärischen und zivilen Konzepte (Bundesministerium der Verteidigung 2006: 70). Die Umstrukturierung der Streitkräfte und die Integration der neuen Werte und Normen ist damit längst nicht abgeschlossen, vielmehr bestehen „alte“ und „neue“ Strukturen und Einstellungen nebeneinander fort und führen zu großen Unsicherheiten in den Identitätskonzepten der Soldatinnen und Soldaten, ziviler und militärischer Habitus geraten unter Druck (Warburg 2008: 289). Zum Teil sind die von der Politik und politiknahen Wissenschaft vorgeschlagenen Konzepte und Idealtypen selbst widersprüchlich – die Idee des Kämpfers scheint nur unter größten Anstrengungen mit einer Vorstellung des Soldaten als Sozialarbeiter vereinbar. Die Studie von Seiffert (2005) deutet darauf hin, dass dieser Konzeptkonflikt zu Lasten der zivilen Orientierung geht und kollektive, traditionelle militärische Werte an Bedeutung gewinnen. Dass postmoderne Streitkräfte durch die zivil-militärische Ausrichtung eher in die Gesellschaft integriert sind, ist für die lokale Zivilbevölkerung im Einsatzland u. U. zutreffend, für Deutschland ist diese Prämisse nachhaltig zu hinterfragen. Zu hinterfragen ist auch, wie sich diese Entwicklungen auf das Geschlechterverhältnis auswirken, das in den bisherigen Studien nur am Rande thematisiert wird. Welche Geschlech– terordnung existiert in der Bundeswehr im Heimatland und wie verändert sich diese im Einsatz? Wie verhandeln die Soldatinnen und Soldaten ihre eigene vergeschlechtlichte Subjektidentität und ihre Beziehungen zueinander? Welche Rolle spielen dabei formale organisationale Vorgaben wie Gleichstellungsprozesse o. Ä..?

30

NEUE AUFGABEN, NEUE EINSÄTZE, NEUE STREITKRÄFTE?

Bevor sich im Folgenden diesen Fragen im Detail anhand des empirischen Materials gewidmet wird, wird im nachfolgenden Kapitel 3 ein gendersensibler Blick auf Nachkriegsgesellschaften geworfen, um die Bedeutung der Integration einer Genderperspektive – eines umfassenden Gender Mainstreamings – in Auslandseinsätzen zu verdeutlichen.

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3.

Ge nde r im Frie de nsk ons olidierungs und Wie dera ufba uprozess in Nac hkrie gs gese lls c hafte n

Nachkriegsgesellschaften sind, wie die feministische und gendersensible Friedens- und Konfliktforschung gezeigt hat, immer auch Orte der (Neu-)Aushandlung von Geschlechterverhältnissen und -identitäten. Gender spielt in allen Phasen des Konflikts, in Entstehung, Verlauf und der Bearbeitung eine zentrale Rolle (vgl. für einen ausführlichen Überblick Braunmühl 2008). Traditionelle Genderbilder wie der Mann als Soldat und Kämpfer und die Frau als Sorgende und zu Beschützende finden sich in allen Kriegen und Konflikten und werden teilweise politisch instrumentalisiert (Harders 2004: 462). Frauen und Männer machen in Kriegen und Konflikten jeweils geschlechtsspezifische Erfahrungen, die differenziert betrachtet werden müssen: Besonders Frauen und Mädchen leiden in Konflikten unter sexueller Gewalt, Vergewaltigung und Missbrauch. Zugleich sind Frauen nicht nur Opfer, sondern ebenso Täterinnen, Unterstützerinnen oder Aktivistinnen, und Männer immer die ersten Opfer von Konflikten und Kriegen (zusammenfassend Kumar 2001; Carpenter 2006; Turshen/Twagiramariya 1998; Goldstein 2001). Für viele Frauen ist der Krieg nicht mit dem Abschluss eines offiziellen Friedensvertrags beendet. Sie sind verstärkt häuslicher Gewalt ausgesetzt, sie bekommen weder die militärische noch eine soziale Anerkennung für ihr Engagement während des Konflikts und werden oft vor allem, wenn sie aktiv an Kämpfen beteiligt waren, aus der Gesellschaft ausgeschlossen, schlimmstenfalls kommt es als Strafe zu Vergewaltigungen, mit denen der Übertritt der traditionellen Geschlechter33

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

grenzen geahndet wird (Farr 2002: 7). Diese geschlechtsspezifischen Erfahrungen müssen in Maßnahmen der Friedenskonsolidierung integriert werden; meist reicht jedoch die alleinige Integration von Frauen kaum aus, es ist vielmehr eine fundierte Analyse der vorherrschenden lokalen Geschlechterordnung notwendig. Jacobson (2005: 140) zeigt z. B., dass in den Peacebuilding-Prozessen in Mozambique Frauen zwar in die Demobilisierungsprogramme integriert wurden, dabei aber nicht darauf geachtet wurde, dass viele von ihnen in während der Kriegszeit erzwungenen Ehen lebten. Die Bereitschaft der ehemaligen Soldatinnen, an einem familienbasierten Reintegrationsprogramm zu partizipieren, war daher gering. Internationale Organisationen initiieren nicht nur mehr oder weniger gendersensible Projekte zur Konfliktbearbeitung, sie repräsentieren auch selbst eine bestimmte Geschlechterordnung, die u. U. für die lokale Geschlechterordnung dominant werden kann. Besonders der Einsatz von Streitkräften in der Friedenskonsolidierung wird von Seiten feministischer und gendersensibler Forschung und Politik höchst kritisch betrachtet, da Streitkräfte eine militarisierte Männlichkeit verkörpern, die der Schaffung von Frieden kontraproduktiv entgegenstehen kann (Enloe 2002: 22). Fundierte Studien zu den Auswirkungen der Stationierung internationaler Organisationen auf die lokalen Genderordnungen fehlen weitestgehend (Department of Peacekeeping Operations 2004: 9). Öffentlich bekannt gewordene Fälle von sexuellem Missbrauch der lokalen Bevölkerung in Kambodscha (Whitworth 2004: 70), Bosnien und Herzegowina und dem Kosovo (Mazurana 2005: 34ff.) oder dem Kongo (Al-Hussein 2005: 7ff.) und die Beteiligung von internationalem Peacekeeping-Personal an Prostitution und Frauenhandel (Martin 2005) fokussieren noch einmal verschärft die Bedeutung, die Gendersensibilität in der Konfliktbearbeitung eingeräumt werden muss (ausführlicher Dittmer 2007a). Dennoch sind feministische oder gendersensible Ansätze bisher kaum systematisch in die praktische Konfliktbearbeitung integriert worden (Reimann 2000: 7). Die wenigen gendersensiblen Ansätze gehen davon aus, dass im Friedensprozess Genderdynamiken so verändert werden müssten, dass die geschlechtsspezifisch strukturierten Zugänge zu Gewalt aufgelöst und konstruktiv für die Schaffung einer positiven Friedenskultur genutzt werden können (Harders 2005: 500ff.). Es sei wichtig, die verschiedenen Akteure und Ebenen jeweils gendersensibel zu integrieren: Zur Bildung von Friedensallianzen, die als zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Friedensprozesse gelten, müsse die Genderperspektive sowohl auf der Ebene der politischen und militärischen Drittparteien (UN, EU, OSZE usw.), der Ebene der internationalen und 34

GENDER IM FRIEDENSKONSOLIDIERUNGS- UND W IEDERAUFBAUPROZESS

nationalen Nicht-Regierungsorganisationen und der lokalen Graswurzelorganisationen beachtet werden. Dabei gelte es, den Anteil an Frauen dort zu steigern, wo es nötig ist, vorhandene Fraueninitiativen und ihre Arbeit zu unterstützen und vor allem die vorhandenen Geschlechterbilder und Strukturen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung zu verändern (Reimann 2004: 101ff.). In den folgenden Abschnitten werden die international vorhandenen Resolutionen und Initiativen auf UN- und EU-Ebene vorgestellt (3.1) und gefragt, wie sich die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik dazu positioniert (3.2). In Abschnitt 3.3 wird der Öffnungsprozess der Bundeswehr für Frauen erläutert und das Gleichstellungsgesetz für Soldatinnen und Soldaten vorgestellt (3.4).

3.1

Internationale Resolutionen, I n i t i a t i ve n , V o r g a b e n

Die Forderung nach einer stärkeren Beachtung von Frauen1 in bewaffneten Konflikten wird von Seiten der internationalen Frauenbewegung seit fast 30 Jahren vertreten. Vor allem der Erfolg der 5. Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 und die Forderung nach weit reichenden Aktionsplänen zur Gleichstellung führten zu einer weltweiten Kampagne, die schließlich in der Verabschiedung der Resolution 1325 im Sicherheitsrat mündete (Haartje 2003: 2). In dieser Resolution 1325 (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2000) werden die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert werden, in alle Friedenssicherungseinsätze eine Geschlechterperspektive zu integrieren. Die besondere Betroffenheit von Frauen und Mädchen von bewaffneten Auseinandersetzungen wird damit erstmals offiziell anerkannt. Die Resolution fordert die Mitgliedsstaaten weiter in 18 Punkten dazu auf, sowohl bei Minenräumprogrammen, der Ausbildung des zivilen und militärischen Friedenssicherungspersonals, der Errichtung von Flüchtlingslagern und in Demobilisierungsprogrammen als auch im formalen Umgang mit Statistiken, Informationsmaterial und Geldern die Situation von Frauen und Mädchen besonders zu berücksichtigen. Lokale Fraueninitiativen sollen unterstützt und Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt besonders geschützt werden. Der Anteil an Frauen in Konfliktbearbeitungsprozessen soll auf 1

In der sozialen und politischen Praxis fokussieren Gleichstellungsforderungen und die Integration einer Genderperspektive in der Mehrzahl der Fälle auf Frauen. Das Geschlechterverhältnis oder die Veränderung der Einstellungen von Männern werden nur selten thematisiert (Ausnahme gaps - gender action for peace and security 2007). 35

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

allen Ebenen und in allen Bereichen angehoben werden, dies gilt besonders auch für die internationalen Streitkräfte (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2000). Seitdem sind eine Vielzahl von Initiativen und Resolutionen verabschiedet worden, die ein Gender Mainstreaming in der internationalen Konfliktbearbeitung zum Ziel haben. Sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Organisationen stehen zunehmend unter Druck, diesem Anliegen Folge zu leisten. Auch das Europäische Parlament hat sich des Problems angenommen: Der Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit des Europäischen Parlaments veröffentlichte fast zeitgleich mit der UN-Resolution einen Bericht über die Rolle von Frauen in bewaffneten Konflikten, der durch einen Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments politische Bedeutung erlangte (Theorin 2000). Die hier aufgelisteten Forderungen sind sehr viel konkreter als in der UN-Resolution (ebd.: 9ff.): Es wird auf die Verletzbarkeit von Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten durch systematische Vergewaltigungen, sexuelle Gewalt und HIV/AIDS in Folge von Prostitution durch UN-Soldaten eingegangen. Die verstärkte Integration der Arbeit feministischer Nicht-Regierungsorganisationen wird ebenso gefordert wie die Erhöhung des Anteils von Frauen auf allen Ebenen des Konfliktbearbeitungsprozesses. So werden ein Frauenanteil von mindestens 40 Prozent und die Einrichtung weiblicher Untersuchungs- und Hilfsteams als notwendig erachtet (ebd.: 12). Auch sollen Frauen, die an Friedenseinsätzen teilnehmen, den UNNormen und internationalen Menschenrechten verpflichtet sein und nicht durch lokale diskriminierende Vorschriften eingeschränkt werden (ebd.). Frauen können dabei, so wird argumentiert, eine Vorbildfunktion für die lokalen Frauen einnehmen und leisten eher als Männer von sexueller Gewalt betroffenen Frauen Beistand. Weibliche Soldaten würden zudem die männlichen Soldaten davon abhalten, Frauen in den Einsatzländern zu missbrauchen, da sie das Bewusstsein für die Wehrlosigkeit in der Zivilbevölkerung schärften (ebd.: 24f.). Der Rat der EU verabschiedete im Jahr 2004 eine weitere Resolution zu „Conflict Prevention and Resolution: the Role of Women“ (Council of Europe 2004). In dieser Resolution betont der Rat erneut, dass die Genderperspektive während Friedensprozessen bisher von der EU nicht ausreichend thematisiert und umgesetzt worden sei (ebd.: 6). Daher wird erneut die stärkere Integration von Frauen in alle Phasen des Friedensprozesses über entsprechende Schulungen von Frauen und die Ermöglichung von Schutz für weibliche Flüchtlinge und Frauen in Nachkriegsgesellschaften gefordert (ebd.: iiff.). Im Jahr 2005 folgte eine Absichtserklärung des Rates der EU zur Frage, wie die UN-Resolution 1325 in die neue Europäische Sicherheits36

GENDER IM FRIEDENSKONSOLIDIERUNGS- UND W IEDERAUFBAUPROZESS

und Verteidigungspolitik zu integrieren sei (Council of the European Union 2005). Es werden geschlechterdifferenzierte Daten, die Steigerung des Frauenanteils in den EU-Missionen und die verstärkte Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten und lokalen Frauenorganisationen eingefordert und eine Fallstudie zu Bosnien vorgeschlagen (ebd.: 4ff.). Im gleichen Jahr wurde im Anschluss an das Follow-Up der Vierten Weltfrauenkonferenz und die Pekinger Aktionsplattform eine weitere Resolution verabschiedet, in der noch einmal ein Frauenanteil von 40 Prozent des „staff of conciliation, peace-keeping, conflict-prevention and disaster aid operations, including fact finding and observer missions acting on behalf of the EU and its member states“ (Europäisches Parlament 2005: 5) gefordert wird. Anknüpfend an den Bericht des Euro– päischen Parlaments von 2000 erschien Mitte 2006 ein Folgebericht „Report on the Situation of Women in Armed Conflict and their Role in the Reconstruction and Democratic Process in Post-Conflict Countries“ (De Keyser 2006). In dieser Studie wird ausführlich auf die Resolution 1325 Bezug genommen und es werden neue Akteurinnen (wie z. B. Selbstmordattentäterinnen) integriert. Auch die NATO bemüht sich zunehmend darum, eine Genderperspektive in ihre Politik zu integrieren. Allerdings geht es ihr vorrangig darum, durch die Verbesserung der Situation von Soldatinnen in den NATO-Armeen die NATO effektiver zu machen. Seit 1961 existiert ein Zusammenschluss weiblicher Offiziere der NATO-Armeen, das Committee on Women in NATO Forces (CWINF), die jährliche Treffen abhalten, in denen die jeweiligen Mitgliedsstaaten Rechenschaft über bereits erfolgte Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Frauen und zur Integration von Genderaspekten in den Streitkräften ablegen müssen. Die Frage des Verhaltens von Soldatinnen in Friedensmissionen wird in diesem Rahmen erst seit 2003/2004 thematisiert (CWINF 2007a): 2007 verabschiedete CWINF Richtlinien, wie Gender Mainstreaming in der NATO umgesetzt werden könnte (CWINF 2007b). Eine Genderperspektive sollte sowohl in die operative Planung und die Durchführung als auch in Evaluation und Ausbildung integriert werden (ebd.: 6). Dafür wird für eine Steigerung des Frauenanteils geworben und darauf hingewiesen, dass Annahmen über die lokale Kultur kein Hindernis für den Einsatz von Frauen sein sollten (ebd.: 7). Es wird die Einrichtung von Beratungsposten für Gleichstellungsfragen (Gender ad– visor) und einsatzspezifischen Aktionsplänen und die Zusammenarbeit mit den Frauen vor Ort gefordert (ebd.: 8). Die Frauen in der Zivilgesellschaft besäßen meist zusätzliche Informationen, die nur über weibliche Soldaten zugänglich gemacht und den Erfolg der Mission sichern könn37

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

ten (ebd.: 7). Die Slowakei und Rumänien ergänzen, dass diese Richtlinien nicht nur für NATO-Missionen Gültigkeit haben sollten, sondern für militärische Operationen im Allgemeinen (ebd.: 12). Seit der Resolution 1325 im Jahr 2000 ist in jede PeacekeepingOperation, die von den UN begonnen wurde, der Posten eines Gender Advisors integriert worden, der sich ausschließlich der Integration von Gender in die Peacekeeping-Operationen widmet. 10 von 18 Missionen waren im November 2004 mit Gender-Advisory-Kapazitäten unterschiedlicher Art ausgestattet, in den anderen Missionen sind sog. Gender Focal Points eingerichtet worden, in denen Personen zusätzlich zu ihren sonstigen Aufgaben mit der Integration von Gender-Aspekten betraut wurden (Department of Peacekeeping Operations 2005: 4). Ihr Auftrag ist „working to provide technical guidance to the heads of operations, to ensure increased efforts to mainstream gender perspectives into all functional areas of peacekeeping and to increase the participation of women leaders and organizations in the implementation of the mandate of the operation“ (United Nations Security Council 2004: 7).

Diese Posten sind allerdings mit einer Vielzahl von Problemen behaftet: So wird immer wieder bemängelt, dass sie schlecht ausgestattet sind und dass allzu leicht die Verantwortung für die Integration einer Genderperspektive an die Gender Advisor abgegeben wird (Department of Peacekeeping Operations 2005: 3). Zudem gibt es kaum qualifizierte Männer für diese Posten und auch keine Bereitschaft, sich überhaupt für einen derartigen Posten zu bewerben (Martin 2005: 10). Es liegen mittlerweile viele Dokumente und Resolutionen zur Integration einer Genderperspektive und einem Gender Mainstreaming im Krisenmanagement und Peacekeeping und -building vor. Sowohl die UN, die mit der Sicherheitsratsresolution 1325 das verbindlichste Dokument verabschiedet hat, als auch die zentralen Institutionen der EU sowie die NATO haben sich mittlerweile des Themas angenommen und setzen die nationalen Regierungen damit zunehmend unter Druck, diese auch umzusetzen. Wie sich die deutsche Regierung dazu im internationalen Vergleich positioniert, wird im folgenden Abschnitt gezeigt.

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GENDER IM FRIEDENSKONSOLIDIERUNGS- UND W IEDERAUFBAUPROZESS

3.2

Gender Mainstreaming in der deutschen Au ß e n - u n d S i c h e r h e i t s p o l i t i k

Die Integration einer Genderperspektive ist zur erfolgreichen Friedenskonsolidierung unabdingbar. Wenn sich auch die empirischen Studien und Erkenntnisse bezogen auf die langfristigen ökonomischen, sozialen und (gender-)politischen Auswirkungen von zivilen und militärischen Friedensmissionen auf die lokalen Genderordnungen bisher noch in Grenzen halten, ist zu vermuten, dass sie die Gesellschaften vor Ort noch einmal nachhaltig verändern werden. Wie aber positionierte sich die deutsche Politik, die zum Zeitpunkt der Feldforschung eine immer stärkere Rolle in der internationalen Gemeinschaft einzunehmen strebte, in dieser Frage? Das Thema Gender in der Konfliktbearbeitung spielte weder im zivilen noch im militärischen Bereich, weder in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, noch in der politischen Praxis eine besondere Rolle (vgl. zusammenfassend Frauensicherheitsrat 2004). Obwohl durch die stärkere Verknüpfung von Entwicklungs- und Sicherheitspolitik entwicklungspolitische Konzepte stärker in die Außen- und Sicherheitspolitik integriert wurden und werden, zeigt sich, dass auch in der Entwicklungszusammenarbeit, in der Genderaspekte seit vielen Jahren eine zentrale Rolle spielten, diese an Bedeutung verlieren, was das Bundesministerium für Wirtschaft und Zusammenarbeit (BMZ) jüngst zu einer Evaluation seiner Projekte motivierte (BMZ 2006). Ressourcen- und Personalknappheit, die Reduktion von Gender auf Frauenbelange und das „Versickern“ von gendersensiblen Maßnahmen sind nur einige wenige der zahlreichen Gründe für diese Entwicklung (Rodenberg 2003: 34ff.; Dittmer 2007b). Im Juni 2004 veröffentlichte die Bundesregierung einen Zwischenbericht zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 in Deutschland (Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland 2004). Bezogen auf Maßnahmen der zivilen Konfliktbearbeitung erwähnt die Bundesregierung eine Vielzahl von Einzelprojekten, die sich vor allem im entwicklungspolitischen Bereich der Frauenförderung widmen. Ein besonderer Schwerpunkt der Umsetzungsbemühungen lag auf Afghanistan, wo vor allem bildungspolitischen Maßnahmen für Frauen gefördert wurden (ebd.: 9ff.). Des Weiteren weist der Bericht auf die Frauenanteile unter Ausbildern und Teilnehmern des Zentrums für Internationale Friedens– einsätze und das OSZE-Personal hin (ebd.: 18ff.). Erwähnte Maßnahmen zur Umsetzung von 1326 in der Bundeswehr sind erstens das Konzept des „Partnerschaftlichen Handelns“, ein allgemeines Trainingsprogramm zur Sensibilisierung für den Umgang mit 39

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Minderheiten (ebd.: 3). Zweitens wird unter dem Punkt „HIV-Training und Training zu Schutz und Bedürfnissen von Frauen“ die Führungshilfe „Entscheiden und Verantworten“ des Zentrums Innere Führung (in der jedoch nicht auf Gender Bezug genommen wird) (ebd.: 14) sowie drittens die Information erwähnt, dass für die Bundeswehr „aktuell 35.000 Exemplare der Broschüre ,Safer Sex ... sicher!‘ bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Verteilung bei der Bundeswehr bestellt“ (ebd.: 15) seien.2 Die erwähnten Maßnahmen erscheinen ohne einheitliche Strategie oder ein politisches Konzept zur systematischen Integration einer Genderperspektive. „In der Bundesrepublik und insgesamt in der EU [fehle es, C.D.] an politischem Willen, an Know-how und den notwendigen Ressourcen“, so das Feministische Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung (2006: 21) in seiner „feministischen Kritik der gegenwärtigen Sicherheitspolitik“ (Feministisches Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung 2006), um die Resolution umzusetzen. Als besonders problematisch stellt sich auch die Frage nach der Umsetzung von 1325 im Militär dar. Die Gruppe derjenigen, die Druck auf das Militär ausüben könnten, der Genderperspektive gerade in Einsätzen eine höhere Bedeutung zuzumessen, ist klein, feministische Lobbyarbeit findet nicht statt.3 Deutschland stellte mit seinen kaum vorhandenen Ambitionen, die Resolution 1325 konsequent umzusetzen, im internationalen Vergleich allerdings keine Ausnahme dar. Von den 21 Staaten, die für 2006 einen Bericht zur Umsetzung von Gleichstellung an das CWINF abgegeben haben, erwähnen lediglich knapp ein Drittel – Belgien, Dänemark, Niederlande, Norwegen, Polen und Großbritannien – überhaupt die interna-

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Mittlerweile hat die Bundesregierung einen weiteren Bericht zur Umsetzung von 1325 für die Jahre 2004-2007 veröffentlicht (Bundesregierung 2007). Dieser ist sehr viel differenzierter und lässt Ansätze einer systematischen Umsetzung einer Genderperspektive erkennen. Neben den bereits erwähnten Maßnahmen in der Bundeswehr werden das Gleichstellungsgesetz (ebd.: 12ff.), das Engagement der Bundeswehr bei CWINF (ebd.: 16) und die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten in Fragen von Menschenhandel und dem „Schutzbedürfnis der Frauen im Allgemeinen“ (ebd.: 30) sowie sexuelle Ausbeutung von Kindern und Frauen thematisiert (ebd.). Das Feministische Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung thematisiert diesen Konflikt in der eigenen Arbeitsgruppe als Konflikt zwischen fundamentaler und systemimmanenter Kritik: So gebe es feministische nicht-pazifistische Ansätze, die sich für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Militär einsetzten und feministische Ansätze, deren Augenmerk auf der zivilen Konfliktbearbeitung läge und die die Abschaffung/Begrenzung militärischer Macht befürworteten (Feministisches Institut in der HeinrichBöll-Stiftung 2006: 30f.).

GENDER IM FRIEDENSKONSOLIDIERUNGS- UND W IEDERAUFBAUPROZESS

tionalen Forderungen, hier vor allem die UN-Resolution 1325 (CWINF 2007a). Dabei reicht das Spektrum von bloßen Absichtserklärungen, 1325 in Zukunft umsetzen zu wollen (Belgien, Großbritannien) bis hin zu umfassenden Maßnahmen und Programmen wie die Etablierung einer „Genderforce“ in den Niederlanden, die die Umsetzung von 1325 in den niederländischen Streitkräften aktiv unterstützen soll.4 Dass weibliche Eigenschaften für die Streitkräfte im Einsatz für den Erfolg der Mission besonders wichtig sind, wird in allen Berichten betont. Es wird davon ausgegangen, dass sog. social skills, d. h. besondere emotionale und moralische Eigenschaften, die den Frauen zugeschrieben werden, gute Kontakte bei der Gesprächsaufklärung und bei Hausdurchsuchungen vor allem in muslimischen Gesellschaften befördern (ebd.). Obwohl die Bundesregierung ablehnte, einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung von 1325 und für die Gleichstellung der Geschlechter zu erlassen, konnte sich die politische Führung den gesamtgesellschaftlichen Veränderungen bezogen auf die zunehmende Gleichstellung und den durch die Auslandseinsätze gewachsenen Personalbedarf nicht entziehen. 2005 schließlich trat das „Soldatinnen- und Soldatengleich– stellungsdurchsetzungsgesetz – SDGleiG“ (Deutscher Bundestag 2004) in Kraft, womit Deutschland im Vergleich zu den anderen NATOStaaten eines der umfassendsten rechtlichen Instrumentarien zur Gleichstellung in den Streitkräften besitzt. Inwieweit dieses sich auch auf den Einsatz auswirkt, wie die Öffnung und Integration der Bundeswehr für Frauen vollzogen wurde und welche Probleme auftraten, wird in den Abschnitten 3.3 und 3.4 erörtert.

3.3

D i e Ö f f n u n g d e r B u n d e sw e h r f ü r F r a u e n

Im Januar 2000 entschied der Europäische Gerichtshof im Fall Tanja Kreil, dass die Gleichstellungsrichtlinie der EU von 1976, die – bis auf begründete Ausnahmen – die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg verlangt, auch von den deutschen Streitkräften in ihrer Funktion als Arbeitgeber anzuerkennen sei (Dittmer/Mangold 2005: 74ff.). Der Ausschluss von Frauen vom Dienst an der Waffe wur4

Auch in Schweden wurde als Resultat der Verabschiedung eines nationalen Aktionsplans zur Umsetzung von 1325 Mitte Juni 2006 mit Unterstützung der EU die „Gender Force Sweden“ eingerichtet, ein Konsortium ziviler und militärischer Einrichtungen mit dem Ziel, Gender vollständig in die schwedischen Peacekeeping-Operationen zu integrieren (http:// www.gender wise.co.uk/transnational/genderForce.html). 41

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

de damit aufgehoben und innerhalb eines Jahres die rechtlichen, organisatorischen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die Auf– nahme von Soldatinnen in den bewaffneten Dienst der Bundeswehr geschaffen, sowie Artikel 12a des Grundgesetzes geändert, der den Waffendienst für Frauen generell ausschloss (Apelt et al. 2005: 116). Die Bundesregierung verzichtete darauf, Einspruch gegen das Urteil zu erheben oder Ausnahmeregelungen geltend zu machen (Dittmer/ Mangold 2005: 75). Zum 1. Januar 2001 traten die ersten Soldatinnen ihren Dienst in den Streitkräften an. Anfang 2007 lag der Frauenanteil in den Streitkräften bei 7,3 Prozent aller Berufs- und Zeitsoldaten, im Sanitätsdienst, der seit 1975 für Frauen geöffnet ist, bei rund 37,2 Prozent, in den übrigen Laufbahnen bei 4,3 Prozent (Deutscher Bundestag 2007: 7ff.). Schon Mitte 2002 hieß es auf der Bundeswehr-Homepage: „Die Integration der Frauen in die Bundeswehr ist abgeschlossen“ (Apelt 2002: 325), im November 2006 klingt diese sehr optimistische Behauptung um einiges gedämpfter, nun heißt es: „Viele Ziele bei der Integration der Frauen in die Streitkräfte wurden erreicht, neue Ziele werden gesteckt: Die Bundeswehr widmet dem Prozess der Integration weiterhin hohe Aufmerksamkeit“ (Bundeswehr 2007b).5 Formal sind Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr gleichgestellt. Von politischer Seite sind alle Verwendungen geöffnet worden, womit die Bundesregierung über das Urteil hinausging, welches durchaus Ausnahmeregelungen erlaubt hätte. Apelt (2002: 334) weist darauf hin, dass von Seiten derjenigen, die für die praktische Umsetzung der Öffnung zuständig waren, keine wirkliche Gleichstellung von Frauen und Männern angestrebt wurde, sondern explizit die Gleichbehandlung forciert werden sollte: Dies bedeutet, dass sich die Frauen den für Männern geltenden Regeln unterzuordnen hatten und dass die Organisationskultur und -struktur so wenig wie möglich verändert werden sollte. Gerade die ersten Versuche, einen Umgang mit dem „Fremdkörper Frau“ zu finden, zeigen deutlich, dass Sondermaßnahmen für Frauen eingeführt und nicht ein grundlegender Organisationswandel initiert wurde: So ist z. B. in einer Ausbildungshilfe des Zentrums Innere Führung zu lesen: „Frauen erheben häufiger Widerspruch, sie stellen häufiger ,Warum‘-Fragen“ (Zentrum Innere Führung 2000: 25), und Frauen sollten mit „Freundlichkeit und Zuspruch zu weiteren Leistungen“ (ebd.) angespornt werden. Männliche Soldaten hätten vor dem Betreten der 5

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Dass dem Integrations- und Gleichstellungsprozess nicht nur formale Regelungen, sondern vor allem kulturelle und soziale Annahmen über „das Wesen“ der Geschlechter entgegenstehen, wird im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit genauer erläutert.

GENDER IM FRIEDENSKONSOLIDIERUNGS- UND W IEDERAUFBAUPROZESS

Unterkünfte weiblicher Soldaten anzuklopfen und sollten nicht allein in die Unterkünfte der Frauen gehen, was dem „Schutz vor sexueller Belästigung, andererseits auch Schutz vor ungerechtfertigten Beschuldigungen“ (Zentrum Innere Führung 2000: 27) dienen soll. Neben dieser Führungshilfe wurden weitere Integrationsmaßnahmen initiiert: Es wurden „Ansprechstellen für spezifische Probleme weiblicher Soldaten“ eingerichtet, die als abgeschwächtes Äquivalent zur zivilen Frauenbeauftragten fungierten, Führungshilfen zum „Umgang mit Sexualität“ entwickelt (siehe Kapitel 10 der vorliegenden Arbeit), Schulungen für Ausbilder und Führungskräfte für das Konzept „Partnerschaftlich Handeln“ angeboten sowie ein in Umfang und Folgen stark begrenztes Pilotprojekt zum Gender-Mainstreaming durchgeführt (Apelt et al. 2005: 116ff.). Die Maßnahmen zementierten eher bereits bestehende Stereotype, als dass sie eine Veränderung der Geschlechterordnung zur Folge gehabt hätten. Frauen wurden weiterhin als Abweichung von der männlichen Norm definiert. Eine in ihren Ausmaßen wesentlich größere und potentiell folgenreichere Maßnahme ist das im Jahr 2005 verabschiedete Gleichstellungsgesetz für Soldatinnen und Soldaten, das im folgenden Abschnitt genauer vorgestellt und analysiert wird.

3.4 Das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetz Am 11. Oktober 2001 verabschiedete der Deutsche Bundestag das „Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz“ (Deutscher Bundestag 2001a), das für alle Beschäftigten der Bundesverwaltungen und Bundesgerichte Geltung hat. Die Bundeswehr blieb jedoch durch die „besondere Situation, die der Dienst in den Streitkräften mit sich bringt“ (Deutscher Bundestag 2001b: 1) von dem Gesetz ausgenommen. Der Bundestag stimmte daraufhin einstimmig für einen Antrag, der die Bundesregierung dazu aufforderte, „unverzüglich einen Gesetzesentwurf für die Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundeswehr zu erarbeiten und dem Deutschen Bundestag vorzulegen“ (ebd.: 2). Nach einem zähen bundeswehrinternen Verhandlungsprozess trat am 1. Januar 2005 das nun gültige „Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurchset– zungsgesetz – SDGleiG“ (Deutscher Bundestag 2004) in Kraft.6 6

Zum Zeitpunkt der Interviews war das Gesetz zwar noch nicht in Kraft getreten, die Diskussionen und Probleme, die mit dem Gesetz von Seiten der Soldatinnen und Soldaten verbunden waren, wurden allerdings während der gesamten Feldstudie thematisiert und diskutiert (siehe dazu auch Dittmer/Mangold 2007). 43

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Das Gesetz orientiert sich zum Teil an den Vorgaben des zivilen Gesetzes, vor allem was den Schutz vor sexueller Belästigung und formale Aspekte betrifft, zugleich werden eine Vielzahl von Ausnahmen geltend gemacht: Es sieht die Möglichkeit der Einführung von weiblichen Dienstgradbezeichnungen vor und fordert die sprachliche Gleichstellung von Männern und Frauen in Rechts- und Verwaltungsvorschriften und dem dienstlichen Schriftverkehr ein, was den Vorgaben des zivilen Gesetzes entspricht. In § 4 des SDGleiG wird festgelegt, dass außerhalb der Sanität ein Frauenanteil von 15 Prozent angestrebt wird, für die Sanität gilt, ebenso wie im zivilen Gleichstellungsgesetz, ein Anteil von 50 Prozent (Deutscher Bundestag 2004). Für diese Abweichung im Sanitätsdienst von einer allgemeinen 50-Prozent-Regelung wurde eine zusätzliche Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag mit einem gesonderten Quotenbericht geschaffen, mit der nach zwei Jahren überprüft werden soll, ob diese Quotenregelung zu ändern ist. Zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollen zum einen die Dienststellen familiengerechte Arbeitszeiten und Rahmenbedingungen schaffen, zum anderen wird es in der Bundeswehr in Zukunft die Möglichkeit – wenn auch kein Recht – auf Teilzeit geben (ebd.: Abschnitt 3). Die Ermöglichung von Teilzeit durch das SDGleiG wird erstens in einer vom Bundestag gleichzeitig beschlossenen Änderung bzw. Ergänzung des Paragraphen 30 des Soldatengesetzes beschränkt: Sie ist auf zwölf Jahre begrenzt sowie ausschließlich für die Betreuung von minderjährigen und/oder pflegebedürftigen Angehörigen und erst nach vier Jahren Dienstzeit7 möglich. Außerdem dürften einer Teilzeitbeschäftigung „wichtige dienstliche Gründe nicht entgegenstehen“ (Bundesminister der Verteidigung 2005: § 30a), welche Gründe dies sind, wird nicht spezifiziert. In einer gesonderten „Soldatinnen- und Soldatenteilzeitbeschäftigungsverordnung“ (Bundesministerium der Verteidigung 2005) werden zusätzlich Ausnahmeregelungen hinsichtlich der möglichen für Teilzeit in Frage kommenden Dienstposten geschaffen: In Positionen mit Führungsverantwortung, im Einsatz, auf Schiffen und Booten der Marine, in fliegerischen Verbänden, während der laufbahnrelevanten Ausbildungslehrgänge sowie während des Studiums an einer Hochschule und dort, wo die Einsatzbereitschaft unabdingbare Voraussetzung ist, ist Teilzeit nicht möglich. Jedoch können Teilzeitregelungen flexibel gestaltet wer-

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Dies wird mit der Ausbildung von Soldaten begründet, die in der Regel am Anfang der Dienstzeit stattfindet und in ihrer gegenwärtigen Organisation mit Teilzeit nicht zu vereinbaren wäre.

GENDER IM FRIEDENSKONSOLIDIERUNGS- UND W IEDERAUFBAUPROZESS

den, so dass sich durch Blockzeitbildung auch Teilzeit und Auslandseinsatz nicht ausschließen.8 Eine weitere Besonderheit des Gesetzes ist die Anzahl der möglichen Gleichstellungsbeauftragten, welche sich nicht nach Anzahl der Beschäftigten, sondern nach Organisationsebenen richtet (Deutscher Bundestag 2004: § 18). Gleichstellungsbeauftragte werden daher erst ab der Divisionsebene und darüber eingesetzt (ca. 40 Gleichstellungsbeauftragte), ab Regimentsebene werden Gleichstellungsvertrauensfrauen bestellt. Die Gleichstellungsbeauftragten werden mit den zivilen Gleichstellungsbeauftragten gleichgestellt, d. h., sie werden von den Soldatinnen gewählt, sind nicht weisungsgebunden und vollständig von ihren sonstigen Dienstaufgaben zu entlasten. Die Übernahme des Postens darf die Karriere nicht beeinträchtigen. Für den gesamten Geltungsbereich des Gesetzes gilt, dass die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte nicht beeinflusst und die Einsatzbereitschaft erhalten wird. Daher wurde das Gesetz für den Spannungs- und Verteidigungsfall als nicht anwendbar erklärt (ebd.: § 3)9, auch für den Einsatz sollte es zunächst keine Gültigkeit haben. Diese Regelung wurde in der letzten Lesung im Bundestag allerdings gekippt, Ausnahmen für den Geltungsbereich müssen nun vor dem Bundestag begründet und legitimiert werden (Dittmer/Mangold 2007: 80). De facto hat das Gesetz jedoch keine Auswirkungen auf den Auslandseinsatz, da die Mehrzahl der Vorschriften entweder bereits in anderen Gesetzen verankert ist (Verbot von Diskriminierung z. B.) oder von Vornherein nur im Inland relevant wird (Personalentscheidungen z. B.) (Eichen 2005: 8f.). Gesonderte Quoten, Vorschriften o. Ä. für den Einsatz sind im Gesetz nicht aufgeführt. Zur Vorbereitung auf die Umsetzung des Gesetzes in den Dienstalltag werden am Zentrum Innere Führung die zukünftigen Gleichstellungsbeauftragten und die in den Personalbereichen in den höheren Führungsebenen Beschäftigten sowie gegebenenfalls Disziplinarvorgesetzte vor allem in Rechtsfragen geschult. Für den letztgenannten Personenkreis soll es insbesondere darum gehen, sich auf die Zusammenarbeit mit den Gleichstellungsbeauftragten vorzubereiten (Bundesministerium der Verteidigung 2004).

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Dies ist insofern wichtig, als ein Auslandseinsatz für eine Karriere in der Bundeswehr unabdingbar ist und damit dem gesetzlichen Anspruch Rechnung getragen werden kann, dass durch Teilzeit keine Nachteile entstehen. Eichen (2005: 8) merkt an, dass es nicht verständlich sei, warum das Gesetz im Spannungs- und Verteidigungsfall außer Kraft gesetzt werde, andere Gesetze hingegen wie z.B. die Urlaubsregelungen jedoch weiterhin Gültigkeit haben. 45

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

In dem Rechenschaftsbericht der Bundesregierung zur Quotenregelung (Deutsche Bundesregierung 2007), der im November 2007 verabschiedet wurde, zeigt sich, dass die Quotenregelung sich bisher kaum nennenswert auf den Frauenanteil ausgewirkt hat: So ist der Anteil in der Bundeswehr insgesamt von 5,9 Prozent Anfang 2005 lediglich um 1,4 Prozent gestiegen, auch bei den Bewerbungen zur Übernahme als Berufssoldat ist keine Steigerung erkennbar. Allerdings liegt der Anteil an neu eingestellten Soldatinnen im Sanitätsdienst im Jahr 2006 bei über 50 Prozent, in den anderen Teilstreitkräften bei über 15 Prozent, womit die Quote erfüllt wäre (ebd.: 9f.). Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass der Förderung der Gleichstellung „angemessen Rechnung“ (ebd.: 12) getragen wird, man aber davon ausgeht, dass die Quote auch langfristig nicht erreicht wird. Begründet wird dies zum einen mit dem fehlenden Willen und fehlenden Leistungsvoraussetzungen von Soldatinnen, die weniger bereit seien, die mit dem Einstieg in höhere Laufbahnen verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen und den Soldatenberuf daher eher als zeitlich befristeten Lebensabschnitt sehen (ebd.: 9), zum anderen interessierten sich die Soldatinnen kaum für technische und elektronische Bereiche, in denen die Chancen, als Berufssoldatin eingestellt zu werden, sehr viel höher seien als in anderen Bereichen (ebd.: 10). Zugleich erhöht sich der Druck auf die Vorgesetzten, Gleichstellung in den Streitkräften umzusetzen. In der neuen Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) zur Inneren Führung von Januar 2008 (Bundesminister der Verteidigung 2008: Absatz 619, Absatz 664ff.) werden die Vorgesetzten dazu aufgefordert, die Vereinbarkeit von Familie und Dienst zu berücksichtigen, die Vorgaben des Gleichstellungsgesetzes in praktisches Handeln umzusetzen und durch persönliche Beispiele vorzuleben und gegen Diskriminierung vorzugehen. Sie sollen für Akzeptanz von Frauenförderung werben und die militärischen Gleichstellungsbeauftragten unterstützen (ebd.: Absatz 642). Dass möglicherweise nach wie vor strukturelle Defizite existieren, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Soldatinnen und Soldaten erschweren oder den Berufsalltag aufgrund von Ausgrenzungsprozessen wenig erfreulich gestalten, wird hingegen in dem Bericht nicht thematisiert. Der nach wie vor geringe Frauenanteil wird individualisiert und den Frauen wird die Schuld gegeben; auf der anderen Seite wird immer wieder betont, dass sich der Frauenanteil automatisch erhöhen werde, da die Soldatinnen noch in die entsprechenden Ebenen hineinwachsen würden (z. B. Deutscher Bundestag 2007: 12). Dass Zeit den Frauenanteil keineswegs automatisch erhöht, weist Carreiras (2006: 117ff.) für die NATO-Staaten im internationalen Vergleich 46

GENDER IM FRIEDENSKONSOLIDIERUNGS- UND W IEDERAUFBAUPROZESS

nach. Beide Erklärungen entlasten die politischen und militärischen Entscheidungsträger, die Veränderungen durchsetzen zu müssen. Auch durch den (bewusst?) abstrakt gehaltenen Verweis auf die Einsatzbereitschaft, der sich alle anderen Ziele unterzuordnen haben, wird es möglich, sich tief greifenden strukturellen Veränderungen zu entziehen und Gleichstellungsbemühungen zu kolportieren. Strukturelle und sozial-kulturelle Veränderungen der Organisation bedeuteten auch, die enge Verknüpfung von Männlichkeit und Militär aufzulösen, die seit der Gründung der stehenden Heere mit Entstehung der Nationalstaaten besteht. Wie sich diese Verknüpfung historisch gestaltete, welchen Veränderungsprozessen sie gegenwärtig unterworfen ist und welche Rolle die Integration von Frauen dabei einnimmt, beleuchtet das folgende Kapitel.

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4.

Gleichstellung im Militär

Die Frage, wie Männlichkeit und Militär miteinander verwoben sind, beschäftigt eine Vielzahl an Studien der Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung v.a. im angloamerikanischen Sprachraum. Die Integration von Frauen in das Militär ist für einige feministische Akteure eng mit der Hoffnung auf Umsetzung gleichstellungspolitischer Forderungen in der zivilen Gesellschaft, aber auch innerhalb des Militärs verknüpft (Bender 2005: 58; Caprioli 2000; Seiffert 2003), andere bezweifeln hingegen, dass sich das Militär durch die Integration von Frauen nachhaltig ändern würde (Batscheider 1993: 140ff.; Seifert 2003b, 2005). Dahinter steht die Frage, ob der Soldatenberuf und die Organisation Militär eine besondere Organisation, der Soldatenberuf ein Beruf „sui generis“ ist oder ob es sich um einen Beruf wie jeden anderen handelt, der sich entsprechend den zivilen Organisationen wandelt und konzeptionalisieren lässt. Geht man davon aus, dass der Soldatenberuf ein Beruf wie jeder andere ist, lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Positionierung von Frauen im Militär und der Positionierung von Frauen in der Gesellschaft und der Möglichkeit der gegenseitigen Beeinflussung konstatieren. Caprioli (2000) stellt fest, dass internationale Politik weniger militarisiert wäre, wenn mehr Frauen eingebunden würden. Seiffert (2003: 76ff.) argumentiert, dass die gesellschaftliche Emanzipation auch die Integration von Frauen in das Militär stärke. Addis et al. (1994: XX) definieren das Militär primär als Arbeits- und soziale Aufstiegsorganisation für Frauen, die durch den Militärdienst soziale und finanzielle Sicherheiten und Ausbildungen erhalten und Erfahrungen sammeln, die ihnen im zivilen Leben verwehrt bleiben und damit auch emanzipativen Charakter haben. Auch Bender (2005) betont, dass sich das Militär zu49

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

nehmend zivilen Organisationen anpassen müsse und daher die für zivile Organisationen geltenden Regeln und Normen übernehmen werde. Diese Position vertritt ebenso der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil zur Öffnung der Bundeswehr für Frauen, in dem er das Militär als Arbeitsorganisation definiert (Dittmer/Mangold 2005). Seifert (2003b, 2005) sieht das Militär hingegen als Organisation an, die besondere Spezifika aufweist. Sie verweist auf die quantitative (Ungleich-)Verteilung der Geschlechter, vor allem aber auf die Gründe, die von den militärischen Akteuren gegen die Integration von Frauen angebracht werden, wie das Schutzargument und die Gefährdung der Kohäsion (Seifert 2003b: 25ff.). Zudem sei das Militär besonders symbolisch aufgeladen und spiele in der Politik eine besondere Rolle (Seifert 2005: 236ff.). Auch Yuval-Davis (1999) sieht keinen Zusammenhang zwischen der Integration von Frauen und der Veränderung der Geschlechterordnung des Militärs. In den israelischen Streitkräften habe sich zwar der Charakter der Unterordnung geändert, die geschlechtliche Differenzierung wurde jedoch nicht aufgelöst, sondern eher noch verstärkt (ebd.: 265). Diskutiert wird auch die Frage, welche Rolle das Militär – und vor allem militärische Männlichkeit – für die zivile Gesellschaft heute noch hat. Wird ihm im Rahmen von Friedenseinsätzen bezogen auf die lokale Zivilgesellschaft im Einsatzland eine große Bedeutung eingeräumt (Cockburn/Hubic 2002: 103), fallen die Einschätzungen für die Gesellschaft im Heimatland gemischt aus: Kühne (1999: 370ff.) argumentiert, dass das Militär heute nur noch für einen kleinen Teil von Männern einen Zufluchtsort darstelle, um „wahre Männlichkeit“ auszuleben; der Soldat sei aber eher zu einer historischen Figur geworden (ebd.: 347). Seifert (1996: 89) definiert die Bundeswehr auch für die heutige Zeit noch als Schule der Männlichkeit, da weiterhin kulturell „männliche Eigenschaften“ vermittelt werden, die nicht unbedingt funktional für das Militär sind. Auch Zirngast (1997) schließt sich dieser Diagnose an: „Wie keine andere Institution tritt das Militär als gesellschaftlicher Produzent und Reproduzent einer männlichen Identität auf, durch die gesellschaftliche Mythen darüber, was ein ,wirklicher Mann‘ ist, lanciert werden“ (ebd.: 130). Frevert (2001: 350ff.) nimmt in dieser Diskussion eine Zwischenposition ein, indem sie feststellt, dass klassische Vorstellungen von männlich-militärischer Identität keine Rolle mehr spielen, sondern vielmehr auf Technikbegeisterung, Sport- und Teamgeist gesetzt wird. Zugleich schriebe die Bundeswehr durch den Ausschluss von Frauen Geschlechterverhältnisse fest, „die sich den sozialen, ökonomischen und kulturellen Dynamisierungstendenzen der Moderne konsequent widersetzten“ (ebd.: 352), und transportierte diese Norm bis ins 50

GLEICHSTELLUNG IM MILITÄR

21. Jahrhundert, obwohl auf allen anderen Gebieten diese Geschlechterverhältnisse aufgelöst wurden. Auch Apelt et al. (2005) und Dittmer/ Mangold (2005) versuchen eine Zwischenposition einzunehmen, indem sie das Militär als eigenständigen Akteur konzeptionalisieren, der sich, je nach Kontext, Machtressourcen und Interessenlage, strategisch in die eine oder die andere Richtung positionieren kann. Wie sich der Forschungsstand über Geschlechterverhältnisse im Militär gegenwärtig gestaltet wird in den nun folgenden Abschnitten erläutert. In Abschnitt 4.1 wird Männlichkeit, in Abschnitt 4.2 Weiblichkeit im Militär diskutiert. Das Kapitel endet mit einem kurzen Zwischenfazit (4.3) zum Forschungsstand.

4.1

Männlichkeit im Militär

Männer- oder Männlichkeitsforschung haben in Deutschland noch keine allzu lange Tradition. Maßgeblich geprägt hat die Männlichkeitsforschung sowohl im deutsch- wie englischsprachigen Raum Connell mit seinem Konzept der „hegemonialen Männlichkeit“ (Connell 1999: 56ff.). In Deutschland ist dieses Konzept vor allem mit Bourdieu ergänzt und weiterentwickelt worden (vor allem Meuser 1998; Scholz 2004). So ist auch eine Dominanz dieser beiden Ansätze in der deutschen Männlichkeitsforschung zu beobachten, andere theoretische Ansätze existieren kaum. Man könnte dies mit Seidler etwas ketzerisch beschreiben als „the theory of hegemonic masculinity had become hegemonic“ (Seidler 2006: 12).1 Connell (1998: 91ff.) selbst fasst die bisherigen Erkenntnisse der Männerforschung unter sieben Punkten zusammen: So sei erstens mittlerweile allgemein anerkannt, dass es „multiple Männlichkeiten“ gebe, d. h., dass Männlichkeit in unterschiedlichen Kulturen und zu unterschiedlichen Zeiten, aber auch innerhalb von Institutionen unterschiedlich konstruiert werde. Diese verschiedenen Männlichkeitskonstruktionen stünden zweitens in einem hierarchischen Verhältnis zueinander und würden von einer Männlichkeitsform, der hegemonialen Männlichkeit, dominiert, zu der sich alle anderen Männlichkeitskonstruktionen im Prozess der Selbstpositionierung verhalten müssten. So profitierten auch die 1

Dies mag auch daran liegen, dass sich für die Umsetzung in die empirische Praxis sowohl Connells als auch Bourdieus Ansatz als sehr tauglich erwiesen haben und dass bis auf diskurstheoretische Ansätze, wie z.B. auch der in dieser Arbeit verfolgte, kaum alternative Ansätze existieren, die sich für die empirische Analyse von Geschlechterverhältnissen ähnlich gut eignen. 51

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Männer von der hegemonialen Männlichkeit, die sich nicht mit ihr identifizierten bzw. sie ablehnten, eben weil Männlichkeit zentrales Strukturprinzip westlicher Gesellschaften sei. Connell nennt dies die „patriarchale Dividende“ bzw. Komplizenschaft (Connell 2002: 35). Die Konstruktion von Männlichkeiten sei drittens zudem nicht nur ein individueller, sondern ebenso ein kollektiver Prozess (Connell 1998: 91ff.). Besondere Bedeutung für Männlichkeitskonstruktionen habe viertens der männliche Körper, der auf bestimmte Art und Weise diszipliniert und geformt werde (siehe hierzu ausführlicher Connell 2000). Männlichkeit sei daher fünftens immer wieder aktiv in der sozialen Handlung herzustellen und sechstens nie homogen, sondern auch innerhalb des Individuums voller Spannungen und Widersprüche. Jede dieser Konstruktionen unterliege siebtens einer spezifischen Dynamik, einem Kampf um Hegemonie und könne daher jederzeit von einer anderen abgelöst, bzw. grundlegend verändert werden (Connell 1998: 93). Männlichkeit ist für Connell immer „Männlichkeit-in-Beziehung-zu“ (Kreisky 2004: 67), und zwar sowohl zu anderen Männlichkeiten als auch zu Weiblichkeit. Für Bourdieu (2005) ist ein zentrales Merkmal männlicher Herrschaft, dass diese unsichtbar ist und dass sie den Anschein des Natürlichen weckt: „Die Macht der männlichen Ordnung zeigt sich an dem Umstand, daß sie der Rechtfertigung nicht bedarf. Die androzentrische Sicht zwingt sich als neutral auf und muß sich nicht in legitimatorischen Diskursen artikulieren. Die soziale Ordnung funktioniert wie eine gigantische symbolische Maschine zur Rati– fizierung der männlichen Herrschaft, auf der sie gründet“ (Bourdieu 2005: 21).

Diese Ordnung zeigt sich in der geschlechtlichen Arbeitsteilung, der Struktur des Raumes und der Struktur der Zeit (ebd.: 21). Männlichkeit bzw. die Einteilung der sozialen Welt in zwei Geschlechter ist für ihn Teil des vergeschlechtlichten Habitus, der in kollektiven Sozialisationsprozessen mühsam angeeignet und verkörpert werden muss (ebd.: 45). Der männliche Habitus zeichnet sich durch die Verantwortlichkeit für die Familie, Ausübung physischer Gewalt, Formen prosozialen Handelns als Beschützer oder Kavalier oder Hypermaskulinität aus (Meuser 2007a: 60ff.). Die männlichen Sozialisationsprozesse finden, so Bourdieu, in sozialen Spielen, in Spielen um Ehre, Ruhm und Anerkennung statt, in denen Männlichkeit als „sexuelles und soziales Reproduktionsvermögen, aber auch als Bereitschaft zum Kampf und zur Ausübung von Gewalt“ (Bourdieu 2005: 92) eingeübt wird. Männlichkeit kann nur durch die Anerkennung und durch die Zugehörigkeit zur Gruppe der 52

GLEICHSTELLUNG IM MILITÄR

„wahren“ Männer bestätigt werden, diesem Zweck dienen eine Vielzahl von schulischen/militärischen Einsetzungsriten, die Männlichkeitsprüfungen enthalten, die den Zusammenhalt zwischen den Männern festigen (z. B. gemeinschaftlich begangene Vergewaltigungen, Bordellbesuch) (ebd.: 95). Frauen sind von diesen Spielen ausgeschlossen, sie seien als „negative, einzig durch Mangel definierte Entität“ (ebd.: 51) konstituiert, die für die Produktion von Männlichkeit letztlich kaum eine Rolle spielt. So „ist die Männlichkeit ein eminent relationaler Begriff, der vor und für die anderen Männer und gegen Weiblichkeit konstruiert ist, aus einer Art Angst vor dem Weiblichen, und zwar in erster Linie in einem selbst“ (ebd.: 96). Scholz (2004: 42ff.) stellt beide Ansätze gegenüber und plädiert für eine stärkere konzeptionelle Verknüpfung. Als zentrale Unterschiede arbeitet sie heraus, dass es Bourdieu vor allem um das Verhältnis von Männern untereinander ginge, Frauen hingegen kaum eine Rolle spielten; bei Connell sei die Abwertung von Weiblichkeit zentral für die Konstituierung von Männlichkeit. Scholz lehnt das Connell’sche Konzept der hegemonialen Männlichkeit insofern ab, als sie davon ausgeht, dass in einer Gesellschaft oder Institution mehrere hegemoniale Männlichkeiten existierten, die der Herstellung von Gemeinschaft dienten, „die sich ,Außen‘ abgrenzt und im ,Inneren‘ hierarchisch strukturiert ist“ (ebd.: 46). Die Mehrzahl der an Connell und Bourdieu orientierten Ansätze geht von einer Persistenz traditioneller Männlichkeitskonstruktionen bzw. des Androzentrismus aus: „Männlichkeit reflektiert immer traditionelle gesellschaftliche Werte, sie bildet eine konservative Kraft, die traditionelle gesellschaftliche Standards nicht nur reflektiert, sondern diese auch aufrechterhält. Von Männlichkeit wird daher in besonderem Maße auch Schutz herrschender Ordnungen gegenüber allen Verführungen der Modernität erwartet“ (Kreisky 2004: 16).

Männlichkeiten werden zwar im Wandel und sich ausdifferenzierend begriffen, dennoch bleibe Männlichkeit eine zentrale soziale, symbolische und kulturelle Ressource, gebe es einen „habituellen Kern männlicher Orientierung und Selbstidentifikation […], der sich auch dort noch geltend macht, wo die Geschlechterordnung explizit kritisiert wird“ (Meuser/Behnke 1998: 9). Dem entgegen fokussieren andere Ansätze eher eine „Krise von Männlichkeit“: „Männer scheitern mit ihrer tagtäglich gelebten Männlichkeit an hegemonialer Männlichkeit, die als negative Folie funktioniert, als eine Form von Idealisierung, die Männer notgedrungen verfeh53

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

len, weil sie heterosexuelle, weiße, starke Mittelschichtsmännlichkeit niemals perfekt repräsentieren“ (Casale/Forster 2006: 190). Als ursächlich für diese diagnostizierte Krise der Männlichkeit gelten vor allem sozialstrukturelle Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, durch die die Männer die Rollen als Ernährer und Vater nicht mehr ausüben können, die ihnen traditionell als Herrschaftslegitimation gegenüber Frauen dienten (ebd.: 186). Männer würden sich zunehmend als „überflüssig“ erfahren, wohingegen die Bedeutung der Frauen stetig wachse (Forster 2006: 193f.). Diese Entwicklung zeichne sich durch erhöhte Selbstmordraten, schlechte Schulleistungen von Jungen oder Gewaltexzesse aus, mit denen dem hegemonialen Männlichkeitsideal ein Stück weit zu entsprechen versucht wird (ebd.; auch Kersten 1995). Postmoderne Ansätze, in deren Rahmen sich auch diese Arbeit verortet, stellen die diskursive Verhandelbarkeit von Männlichkeit in den Mittelpunkt ihrer Analysen: Forster (2007: 15) fasst Männlichkeit als Ideologie, die den Eindruck des Natürlichen erweckt, zugleich aber immer nur eine „flüchtige Fixierung“ (ebd.: 13) verschiedener Differenzierungen darstellt und daher vielfach gebrochen und widersprüchlich ist: „Männlichkeit definiert sich durch alltägliche Praktiken, deren Bedeutung durch diskursive Rahmenbedingungen hergestellt und verändert werden und sich in institutionellen Materialisierungen niederschlagen“ (ebd.: 20). Männlichkeit als Ideologie lässt sich – so Forster (ebd.: 18) – auf der Ebene der Ideen, Theorien, Glaubensvorstellungen oder Argumentationsmuster, auf der Ebene der Materialisierung dieser Ideen in Institutionen wie Staat, Familie, Bildungseinrichtungen usw. und auf der Ebene der spontanen Anwendung in der gesellschaftlichen Realität (man gibt sich männlich, obwohl man den ideologischen Charakter von Männlichkeit durchschaut) nachweisen (ebd.: 19). Diese Männlichkeitsideologie macht Individuen zu Subjekten, indem diese sie internalisieren und in ihren alltäglichen Praxen leben und aktualisieren. Gegenwärtig lässt sich eine Veränderung der Rationalität beobachten, nach der die moderne Gesellschaft funktioniert: Die Logik des Marktes wird zum alles beherrschenden Prinzip. Das „postfordistische Lohnarbeitssubjekt“ (Ludwig 2006: 54) ist sowohl männlich als auch weiblich, mobil, flexibel und eigenverantwortlich. Zugleich wird soziale (Geschlechter-)Ungleichheit und ihre Auflösung privatisiert und individualisiert, traditionelle Geschlechterverhältnisse reproduzieren sich über die Annahme, dass Frauen auch im Neoliberalismus für die privat organisierte Reproduktionsarbeit verantwortlich sind (ebd.: 55ff.). Connell (1998) fragt darauf bezugnehmend, wie Männlichkeiten in der Weltgesellschaft im Zuge der Globalisierung gedacht werden können. Er betont die Bedeutung von Kolonialismus und Imperialismus für 54

GLEICHSTELLUNG IM MILITÄR

die Verbreitung des westlichen Männlichkeitsideals, das sich sowohl durch die sexuelle Ausbeutung der Frauen der lokalen Bevölkerung als auch durch die Abwertung der einheimischen Männlichkeiten als unmännlich und weiblich auszeichnete (ebd.: 97ff.). Die Männlichkeiten der Kolonialherren bezeichnet er als die ersten globalen Männlichkeiten (Connell 2002: 37). Als hegemoniale Männlichkeit im Neoliberalismus arbeitet Connell die „transnational business masculinity“ (ebd.: 38) heraus: Sie zeichne sich durch einen gesteigerten Egozentrismus, Konkurrenzdenken, relativierte Loyalitäten, begrenzte technische Rationalität und eine zunehmend libertäre Sexualität aus. Eine besondere Rolle nehmen in diesen Prozessen die global agierenden transnationalen Unternehmen und internationalen Organisationen ein (Connell 2005a: 1802; Connell/Wood 2005). Kreisky (2003) ergänzt, dass Männlichkeit durch Globalisierung und Transnationalisierung zwar modernisiert werde, allerdings mache sich auf der globalen Ebene „eine Art ,Kasino-‘ oder ,Turbo-Maskulinis– mus‘“ als „höchstes Stadium der Männlichkeit“ breit und „vertraute maskulinistische Muster [finden, C.D.] in den supranationalen und globalen politischen Regulierungen eine neue Heimat“ (ebd.: 25). Das Militär galt und gilt auch heute noch in vielen gesellschaftlichen Bereichen als Symbol für Männlichkeit, historisch wurde das Militär als Schule der Männlichkeit und zugleich als Schule der Nation definiert. Die gesellschaftsprägende Verknüpfung von Männlichkeit und Militär entstand im 19. Jahrhundert. In früheren Phasen waren Frauen auf vielfältige Weise an Militär und Krieg beteiligt: als Tross- und Schanzweiber, Marketenderinnen, als Prostituierte oder auch als Kämpferinnen in Männerkleidern. Mit der Einführung der stehenden Heere, der Professionalisierung und Disziplinierung und dem Heiratsverbot für Soldaten zur Zeit der antinapoleonischen Kriege vollzog sich der Ausschluss von Frauen aus dem Militär. Zeitgleich konstituierte sich das Bild der wehrhaften deutschen Nation, die auf der klaren Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern beruhte, anthropologisch begründet wurde und die „Basis einer im Inneren stabilen und nach außen verteidigungsbereiten Staatsordnung“ (Hagemann 1996: 562) darstellte. Mit der erfolgreichen Einführung der Wehrpflicht 1913/14 wurde das Militär vollständig zu einer „Schule der Männlichkeit“ (Frevert 1997: 145). Das Militär war Symbol des nationalen Bewusstseins und stand für die „Schlagkraft und Männlichkeit einer Nation“ (Däniker 1999: 116). Das Militär hierarchisierte durch diese stark vergeschlechtlichte Organisationsstruktur verschiedene Gesellschaftssysteme und einzelne Gesellschaftsmitglieder oder -gruppen (ebd.).

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GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Zentrales Definitionskriterium militärischer Männlichkeit war der Soldat als Kämpfer, der durch die Beherrschung und Anwendung von Gewalt und der soldatischen Tugenden wie Gehorsam, Opferbereitschaft, Mut und Disziplin bereit war, sein Leben für die Nation zu opfern. Die „Söhne des Vaterlandes“ lernten in dieser Armee „ohne Unterschied der Geburt“ fortan strenge Disziplin, Gehorsam, Mut, Hingebung sowie das Gefühl der Zusammengehörigkeit, ein Glied einer gewaltigen Masse zu sein (Apelt/Dittmer 2007: 69). Militärischer Gehorsam galt als Zeichen von Willenskraft und Selbstbeherrschung, dabei ging es sowohl um die Beherrschung des Geistes als auch des Körpers (Däniker 1999: 113). Militärische Männlichkeit wurde in weiten Teilen der Gesellschaft höher angesehen als zivile Männlichkeiten, wenngleich sie nie, wie Frevert (2001: 299) betont, die einzige, die hegemoniale Männlichkeit darstellte. Nachdem das Militär einmal die Funktion als zentraler, gesellschaftlich bedeutsamer Männlichkeitsproduzent erlangt hatte, diente die Aktivierung von militarisierten Männlichkeitskonstruktionen im Laufe der Geschichte immer wieder zur Mobilisierung weiter Teile der Bevölkerung in der Kriegspropaganda. Bereits die antinapoleonischen Kriege Mitte des 18. Jahrhunderts gingen einher mit einer groß angelegten Kampagne zur „Ermannung“ (Hagemann 1996: 576), da die Erfolge der Frauenbewegung während der Französischen Revolution als Bedrohung für die deutsche bürgerliche Männlichkeit angesehen wurden. Die Begeisterung für den Ersten Weltkrieg speiste sich auch aus der Hoffnung auf eine Bewährung der Männlichkeit in Heldentum und Kampf (Frevert 1990: 103ff.). Aufgrund der verheerenden militärischen Niederlage wurde das Militär in der Weimarer Republik allerdings in seiner Rolle als stabilisierender Rückzugsraum für militarisierte Männlichkeit in Frage gestellt. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs übernahmen diese Funktion vor allem die paramilitärischen Gruppen der Nationalsozialisten (ebd.: 110ff.). In der Zeit des Nationalsozialismus und während des Zweiten Weltkriegs standen die Perfektionierung und Fokussierung von Technik im Vordergrund, der Kämpfer als Leitfigur wurde vom Techniker abgelöst. Ganz erloschen war die „Ausstrahlungskraft des soldatischen Männlichkeitskonstrukts“ (Kühne, 1999: 370) allerdings nie. waren doch Männlichkeitsrituale wie die kollektive Vergewaltigung von Frauen an der Tagesordnung (Kühne 1999: 359). Nach Kühne (ebd.: 361) lassen sich zwei große Rechtfertigungsmuster anführen, mit denen das Töten im Krieg legitimiert wurde: Erstens wurde sich auf Befehl und Gehorsam berufen und damit die individuelle Verantwortung abgelehnt. Zweitens bezog man sich auf das Recht zur Selbstverteidigung und Notwehr. Der 56

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tötende Täter definierte sich immer als Opfer einer Zwangssituation (ebd.). Dieser Opfermythos wurde nach 1945 besonders gewendet, der deutsche Soldat stilisierte sich als wehrloses Opfer von Hitler und Stalin, ohnmächtig, leidend und schickalsergeben, der Opfermythos wurde dadurch feminisiert (ebd.: 363ff.). Der Soldatenberuf erlitt im Nachkriegsdeutschland durch die Verbrechen der Wehrmacht und die Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern, einen hohen Prestigeverlust. Der Soldat des Kalten Kriegs zeichnete sich durch das Motto: „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“ aus. Die Bedeutung des Kämpfers – und damit des sehr traditionellen Männlichkeitsbildes – für den Soldatenberuf sank weiter. Die Bundeswehr stellte sich mit ihrer Gründung 1955 zum Teil in die Traditionen der preußischen Heeresreform vom Anfang des 19. Jahrhunderts und übernahm viele ihrer zentralen Ordnungsprinzipien. Zugleich ließen sich gerade in der Anfangsphase durch personelle Überschneidungen Traditionen der Wehrmacht in der Bundeswehr etablieren. Heute stellt allerdings der militärische Widerstand gegen den Nationalsozialismus durch das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 einen zentralen historischen Bezugspunkt für die Bundeswehr dar (Heinemann 2004: 415). Dennoch sollte die Gründung der Bundeswehr eine Neugründung sein. Das Militär sollte durch die Einführung der Wehrpflicht, der Kontrolle der Exekutive durch das Parlament und die Etablierung der Führungsphilosophie der Inneren Führung in die demokratische zivile Gesellschaft integriert werden. Der Bundeswehrsoldat des Kalten Krieges war als Soldat für den Frieden konzipiert, nicht zur Kriegführung (Mannitz 2007: 3). Zur Männlichkeitskonstruktion dieser „Kalten-Kriegs-Soldaten“ liegt bis auf die Studie von Seifert (1996) keine weitere vor und auch sie tangiert Männlichkeit nur implizit, wenn sie das Geschlechterverhältnis als Frage nach der Akzeptanz von Frauen in den Streitkräften operationalisiert (ebd.: 173ff.). Die Frage nach der Öffnung der Bundeswehr für Frauen wird von den von Seifert befragten Offizieren nicht als relevantes Problem angesehen, obwohl kurz zuvor die Offizierlaufbahn der Sanitätstruppe für Frauen geöffnet wurde. Als ein Grund gegen Frauen im Militär wurde vorgebracht, dass Frauen durch die Koppelung des Soldatenberufs an Männlichkeit ihre Weiblichkeit verlören. Die Abneigung gegenüber Frauen in den Streitkräften ist unter den interviewten Soldaten in Kampfeinheiten besonders hoch, ohne dass sie dies weiter begründen könnten (ebd.: 180). Dies deutet Seifert (ebd.: 197) dahingehend, dass die Männer ihre eigene Identität zu verlieren drohen, wenn das konstitutive Andere von Männlichkeit – Weiblichkeit – nicht mehr vorhanden ist. Ein weiteres Argument gegen die Integration von Frauen 57

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

war die Vorstellung der Frau als männlichem Schutzobjekt und der Gedanke, man müsse die Frauen davor bewahren, selbst Gewalt auszuüben und auf die Seite der Inhumanität zu treten (ebd.: 180ff.). Offiziere, die die Integration von Frauen vollends unterstützten, waren der Meinung, dass diese gleich behandelt werden sollten, d. h., sie sollten sich an die Vorgaben halten, die bereits für Männer gelten. Von einem größeren Frauenanteil wurde sich ein besserer Umgangston, Auflockerung und Normalisierung der Verhältnisse untereinander erhofft (ebd.: 184ff.). Knapp zehn Jahre später – die Öffnung der Bundeswehr für Frauen war gerade gerichtlich entschieden worden – führte das Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut der Bundeswehr eine Befragung von männlichen Soldaten durch, in der die Einstellung männlicher Soldaten zur unmittelbar bevorstehenden Öffnung der Bundeswehr für Frauen quantitativ abgefragt wurde (Biehl/Kümmel 2000: 99ff.): Die Einstellungen gegenüber Frauen in der Bundeswehr waren sehr heterogen. So stand zwar die Mehrzahl einer Öffnung positiv gegenüber, aber es gab auch große Vorbehalte gerade unter Soldaten des Heeres, Zeitsoldaten und Soldaten, die bereits Erfahrungen mit Frauen des Sanitätsdienstes hatten. Biehl/Kümmel (ebd.: 99) begründen dies einerseits mit traditionellen Bildern vom Militär und Genderverhältnissen, sehen andererseits den Hauptgrund in der Wahrnehmung der Frauen als Konkurrenz und Angst vor Bevorteilung der Frauen in Ausbildung, Karriere und/oder Auslandseinsätzen. Für die Zeit nach dem Kalten Krieg liegen für die Bundeswehr keine Untersuchungen zu Männlichkeitskonzepten vor. Studien, die sich mit Männlichkeitskonstrukten in der US-Armee beschäftigen, konstatieren für die Zeit nach 1989 eine neue Männlichkeit, die sich aus der Kombination von Härte und Aggressivität mit Zärtlichkeit und Leidenschaft zusammensetzt (Niva 1998: 111). Besonders der Golfkrieg Anfang der 1990er Jahre veränderte die dominante Männlichkeitskonstruktion in den US-Streitkräften: Hochrangige Soldaten äußerten jetzt z. B. öffentlich ihre Sorgen über die Sicherheit der Truppe und kommunizierten damit offen männliche Verletzbarkeit (ebd.: 118). Der neue US-Soldat konstruierte sich als technisch und ökonomisch überlegen. Das Ideal war nun der gebildete professionelle Soldat, der intelligent und mit Unterstützung von Hochtechnologien für die Einhaltung internationalen Rechts und der Menschenrechte kämpft (ebd.: 119f.). Die USA übernahmen damit zugleich die Definitionsmacht über die Definition von Männlichkeit, welche bis heute durch die Zusammenarbeit mit anderen Streitkräften in der NATO und die mediale Vermarktung von Einsätzen US-amerikanischer Soldaten Genderordnungen weltweit beeinflusst (Enloe 1994: 84; Seifert 2003b: 28). Ob sich dieses von Niva (1998) 58

GLEICHSTELLUNG IM MILITÄR

konstatierte neue Männlichkeitsideal auch in der Bundeswehr wiederfindet, wird im weiteren Verlauf der Arbeit zu eruieren sein.

4.2

Weiblichkeit im Militär

Die Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung beschäftigt sich seit ihren Anfängen aus historischer, psychologischer oder sozialwissenschaftlicher Sicht mit der Frage, was Weiblichkeit ausmacht, wie Frauen in der Gesellschaft positioniert werden und wie der Diskriminierung von Frauen entgegengewirkt werden kann. Mittlerweile existiert eine unüberschaubare Vielzahl von Studien, in deren Mittelpunkt zumeist die Frage der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in ihren unterschiedlichen Facetten und Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis steht. Die Festschreibung der dichotomen Geschlechtscharaktere wird in die Zeit der kapitalistischen Industrialisierung gegen Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts datiert. Lohnarbeit wurde zunehmend bedeutender und veränderte die gesamte Sozialstruktur, indem die Trennung von Haus- und Familienarbeit und Erwerbsarbeit festgeschrieben wurde. Frauen wurden zunehmend aus dem Arbeitsmarkt verdrängt – um sie als Konkurrentinnen um bezahlte Arbeitsplätze auszuschalten – und Hausarbeit und Kindererziehung als spezifisch weibliche Aufgaben definiert. Eigenschaften wie Mütterlichkeit, Fürsorge, Emotionalität, Sittsamkeit wurden als weiblich definiert und durch Anthropologisierung und Psychologisierung als naturgegebene Eigenschaften festgeschrieben (Hausen 1976: 363ff.). Zeitgleich wurde das Bild der wehrhaften Nation entworfen, die mit bürgerlich assoziierten, männlich konnotierten Eigenschaften (tugendhaft, innig, treu, redlich, ehrhaft) beschrieben wurde und als ein Gegenentwurf zur o. g. Weiblichkeit fungierte (Hagemann 1996: 571). In dieser Dichotomie war auch die Vorstellung verankert, dass Frauen als das „schwache Geschlecht“ unter männlichen Schutz gestellt werden mussten, was auch die Grundlage für die Erzeugung männlicher Wehrbereitschaft und weiblichen Opfertums legte (Frevert 1990: 90). Die Entstehung der Frauenbewegung vor dem Ersten Weltkrieg, die den Zugang von Frauen zu Universitäten erstritt und das Ausleben von weiblicher Sexualität zelebrierte, war der Beginn fortlaufender Emanzipationsbewegungen, die den Status der Frau in der Gesellschaft immer wieder in Frage stellten. Durch die Mobilisierung von wehrhafter Männlichkeit in den beiden Weltkriegen wurde versucht, die Frauen auch mit Gewalt immer wieder in die traditionellen Rollen zurückzudrängen, von denen 59

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

sie sich auch während der Kriege mühsam zu befreien versucht hatten (ebd.: 100ff.). In den Anfängen der Frauenbewegung und Frauenforschung in der Bundesrepublik wurde sich auf die Vorstellung der gemeinsamen Unterdrückung aller Frauen durch das Patriarchat berufen und versucht, neue positive Weiblichkeitskonzepte wie Mütterlichkeit oder Naturverbundenheit zu entwickeln. Zugleich entstanden vor allem im USamerikanischen Raum im Rahmen der Transsexuellenforschung Ansätze, die die Geschlechterdichotomie als historisch und sozial konstruierte zu fassen versuchten (z. B. Garfinkel 1976). Frauen aus einem nichtwestlichen Kontext meldeten vermehrt Kritik an der holistischen Auffassung an, dass alle Frauen global durch die gleichen Mechanismen unterdrückt würden, und bezweifelten die Annahme, dass das Geschlecht primäre Ursache für soziale Ungleichheit sei und nicht Ethnizität oder Klasse (z. B. Mohanty 1988). Die lange Geschichte und enge Verwobenheit der Frauenforschung mit politischen Forderungen hat dazu geführt, dass es aus heutiger Sicht kaum möglich ist, äquivalent zur Männerforschung ein dominantes Weiblichkeitskonzept herauszustellen, da die Ansätze und Konzeptionalisierungen höchst heterogen sind. Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, dass Geschlecht zwar eine zentrale Strukturkategorie für Subjektbildungsprozesse darstellt, aber immer auch im Wechselspiel mit anderen Differenzierungen wie Ethnizität, Klasse, Behinderung usw. jeweils kontextspezifisch seine Wirkung entfaltet und daher – wie Männlichkeit auch – eine Vielzahl unterschiedlicher Weiblichkeiten existiert, die in ihren inhaltlichen Ausgestaltungen höchst variabel sind (Gildemeister/Wetterer 1995: 228). Weiblichkeit wird – versucht man weitere Verallgemeinerungen zu finden – in den gegenwärtigen Ansätzen immer als das „Andere“ gedacht, als das Konstitutive von Männlichkeit und als Männlichkeit unterlegen. Dies führt dazu, dass Weiblichkeit in vielen Studien vor allem aus der Perspektive von Männlichkeit konzeptionalisiert wird, wie z. B. bei Bourdieu, der Weiblichkeit als „nichts anderes als ein Entgegenkommen gegenüber tatsächlichen oder mutmaßlichen männlichen Erwartungen, insbesondere hinsichtlich der Vergrößerung des männlichen Ego“ (Bourdieu 2005: 117), definiert und Frauen, um sich selbst zu konstituieren, als permanent am Blick des Anderen orientiert und auf diesen angewiesen versteht. Hagemann (1996) widmet sich militärischer Weiblichkeit aus einer historischen Perspektive bezogen auf die Bedeutung von Weiblichkeit in Zeiten von Mobilisierung und Krieg. Der Frau wurden gemeinhin eine besondere Liebes- und Friedfertigkeit, Sanftheit und Passivität zuge60

GLEICHSTELLUNG IM MILITÄR

schrieben, wobei die Liebe als weibliches Gegenbild zum Krieg galt. Ihr Auftrag war die Erziehung der Kinder und Erbringung persönlicher Opfer für das Vaterland, die Motivation ihrer Söhne und Männer für den Kampf. Dem Kriegermut der Männer an der Front wurde der Opfermut der Frauen in der Heimat gegenübergestellt (ebd.: 583ff.). Weibliches Heldentum konnte nur gedacht werden, wenn die Frau sich ihre weibliche Ehre bewahrte und nach dem Krieg wieder in die Rolle als Gattin, Hausfrau und Mutter zurückkehrte oder den Heldentod starb (ebd.: 587). Frauen werden als Repräsentantinnen von Weiblichkeit im Rahmen der modernen Männlichkeitskonstruktion als schwach, friedfertig und passiv konstruiert. Die Beherrschung und Ausübung von Gewalt stellt ein primär männliches Privileg und eine männliche Aufgabe dar, dem Mann kommt die Aufgabe zu, Frauen und Kinder zu beschützen. Diese diskursive Verknüpfung von Männlichkeit – Gewalt – Schutzfunktion und Weiblichkeit – Friedfertigkeit – Schutzobjekt durchzieht die Konstruktion militärischer Männlichkeit aller nationalen Streitkräfte ebenso wie sie eine Grundlage für die Entstehung von gewaltförmigen Konflikten sein kann und ein Fundament des Nationalstaates darstellt (Seifert 2003b: 26ff.). Militärische Weiblichkeit ist immer nur in Beziehung zu militärischer Männlichkeit zu denken, da verschiedene Weiblichkeitsbilder konstitutiv für die Männlichkeitskonstruktion des Militärs sind (Enloe 2000): Als legitime Weiblichkeitsbilder, die die Konstruktion militarisierter Männlichkeit schützen und stärken, gelten Ehefrauen (PinFat/Stern 2005: 37), Krieger- oder Soldatenmütter (Harders 2003: 13), die „Schöne Seele“ oder Heilige (ebd.: 13; Gerstendörfer 2004: 20) und die pflegende, sich aufopfernde Sanitäterin (Schießer 2002: 49), aber auch die Prostituierte (Gerstendörfer 2004: 20; Hacker 1998: 177). Solange klare Grenzen zwischen den Geschlechtern gezogen werden können und die Zuordnungen eindeutig sind, sind Frauen auch als Teil des Militärs – als Sanitäterinnen oder Prostituierte – kein Problem für die Männlichkeitskonstruktionen. Sobald Frauen allerdings in die Position der Soldatin gelangen, wird diese Männlichkeitskonstruktion zum Gegenstand von Verhandlungen (Yuval-Davis 1999: 28ff.). Soldatinnen symbolisieren „a ghostly embodiment of a confrontation with that which is ,normally‘ excluded that serves to rupture ,normality‘ itself“ (PinFat/Stern 2005: 30). Die männliche „Normalität“ wird zum einen durch den weiblichen Körper und seine hochgradig symbolische Aufladung gestört, zum anderen durch den maskulinisierten Sicherheitsdiskurs, der Frauen zu Symbolen und Reproduzentinnen der Nation stilisierte. Der weibliche Körper verunsichert aus verschiedenen Gründen die relativ stabilen, wenn auch 61

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

nicht unveränderlichen, militarisierten Männlichkeitskonstruktionen: Er wird erstens im Alltagswissen als dem männlichen Körper physisch unterlegen konstruiert. Dies hat vor allem im US-amerikanischen Diskurs zu einer breiten Debatte um die „Feminisierung“ des Militärs geführt, deren Essenz die Annahme ist, dass die Kampfkraft des Militärs durch die geringere Leistungsfähigkeit von Frauen massiv gefährdet sei (Seifert 2003b: 24). Zweitens wird davon ausgegangen, dass der weibliche Körper nicht in den militärischen Körper passe, da Menstruation und Schwangerschaft zu Hygieneproblemen und/oder dem Ausfall von Frauen führten, was wiederum die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte massiv beeinträchtige (Haug 1991: 354). Drittens werden Frauen aus den Streitkräften über die Sexualisierung des weiblichen Körpers und der damit verknüpften Frage von gewollten und ungewollten sexuellen Beziehungen zwischen Soldatinnen und Soldaten ausgeschlossen. In der USArmee spielen Vergewaltigungen und sexuelle Belästigung z. B. auch in der öffentlichen Diskussion in den Verhandlungen um Geschlech– terverhältnisse in der Armee eine zentrale Rolle (Gabbert 2007: 203ff.). Ein weiterer Diskurs ist eher auf der Makroebene zu verorten und bezieht sich auf die Vorstellung, dass der Staat männlich und daher von Männern zu verteidigen ist, weibliche Beschützerinnen haben in der westlichen Welt keine Tradition und damit auch keinen diskursiven Ort (Hacker 1995: 59). Seifert (2005: 233) beschreibt die Position von Soldatinnen in westlichen Militärs: „Frauen sind Marker für die Grenzen der Nation. Soldaten sind die Verteidiger dieser Grenzen. Die verletzte Soldatin steht im Fadenkreuz von zwei Symbolsystemen: Als verletzte Frau ist sie ,Schutzobjekt‘ und symbolisiert Schwäche und Verletzbarkeit der Nation; als Soldat symbolisiert sie eine Beschützer– funktion und stellt eine symbolische Verlängerung des Staates dar“.

Pin-Fat/Stern (2005) interpretieren die inszenierte Befreiung der Soldatin Jessica Lynch durch US-Soldaten während des Irak-Kriegs daher als für die Legitimation der Streitkräfte absolut notwendigen Akt: „The U.S. military fundamentally requires a rescued Jessica Lynch and the notion of femininity she represents in order to produce and sustain fighters who are willing to die for their country“ (ebd.: 42, Hervorhebung i. O.). Lynch stehe symbolisch für die Frauen, die die männlichen Soldaten beschützen und für die sie sich opfern sollten. Daher könne sie kein Opfer für das Vaterland darstellen. Für das Vaterland zu sterben repräsentiere den letzten Beweis der Männlichkeit des Staates und des Soldaten und muss daher Männern vorbehalten bleiben (ebd.: 44).

62

GLEICHSTELLUNG IM MILITÄR

Alle westlichen Streitkräfte müssen demnach in ihrer Außendarstellung Strategien entwickeln, mit der sie die Ambivalenz des Bildes der friedfertigen Frau mit der Soldatin ausbalancieren können. Für den Golfkrieg Anfang der 1990er Jahre analysiert Enloe (1994: 99ff.), dass die US-Streitkräfte die hohe Präsenz an Soldatinnen in Kampfeinsätzen durch die Konstruktion der weiblichen Soldaten als professionalisierte Bürgerpatrioten legitimierten und damit den Soldatenberuf als Job definierten. So konnten die Soldatinnen diskursiv davon entlastet werden, moralisch verwerflich oder zu männlich zu handeln (ebd.). Eine ähnliche mediale Strategie, um den normativen Konflikt zwischen Ärztin und Soldatin, zwischen Helfender und Kämpfender aufzulösen, weist Schießer (2002) auch für die Bundeswehr nach: Durch die Zuschreibung männlicher Attribute zum einen und die Konstruktion der „neutralen Medizinerin“ zum anderen, erscheint die Soldatin als professionelles geschlechtsloses Wesen, das nicht im Konflikt mit weiblich attribuierten Normen steht (ebd.: 58). Die Bundeswehr versucht allerdings die Darstellung ihres Kerngeschäfts, den Aspekt der Gewaltausübung, nach außen generell zu vermeiden. Zwar stehe der Mann und seine Männlichkeit im Vordergrund und die Frau diene eher als Kontrastfolie für die Schärfung der soldatischen Männlichkeit, zugleich spiele Kampf, Tod und Umgang mit Waffen aber keine Rolle (Keller 2005: 105). Wie gehen nun die Soldatinnen selbst mit diesen ambivalenten Anforderungen um? Im Mittelpunkt der Analysen zu diesem Thema steht in der Mehrzahl die „token-Theorie“ von Kanter (1977). Die Marginalisierung von Frauen in einer Organisation oder einem Berufsfeld führt, so die Ergebnisse von Kanter (ebd.) zur Stigmatisierung oder auch Tokenisierung: Die Frauen sind hochgradig sichtbar, sie polarisieren die Gruppenzugehörigkeiten und werden nicht mehr als Individuen, sondern nur noch als Vertreterinnen ihrer Gruppe wahrgenommen. „Alles, was sie tun, wird damit zum Ausdruck ihrer Geschlechtszugehörigkeit“ (Apelt 2002: 336). Frauen müssen sich demnach aufgrund ihrer Minderheitenposition im Militär besonders beweisen. Soldatinnen entwickeln, so zeigt es Carreiras (2006: 177ff.) für die portugiesische und die niederländische Armee, als Reaktion auf diese Tokenisierung sechs verschiedene idealtypische Verhaltensweisen: 1. Konformität (conformity), 2. Komplizenschaft (complicity), 3. übersteigertes Selbstbewusstsein (assertiveness), 4. Unzufriedenheit (disaffection), 5. Ablehnung/Feindschaft (antagonism) und 6. Anpassung (assimilation). Die Strategie der Konformität meint die Reduktion von Genderdifferenzen durch die Übernahme der existierenden Regeln. Dies geschieht 63

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

durch Selbstbeherrschung und die Suche nach größtmöglicher Genderneutralität, also dem Unsichtbarmachen von Weiblichkeit. Bezogen auf das Verhalten gegenüber der Organisation zeichnet sich diese Strategie durch Rückzug/„Nicht-Auffallen“ aus. Sie beinhaltet auch den Versuch, sich primär über die berufliche Identität zu definieren, den Fokus auf die Arbeit zu legen und als besonders professionell zu erscheinen (auch D’Amico 1997: 222; Herbert 1998: 22ff.). Komplizenschaft bezieht sich auf die Übernahme traditioneller Weiblichkeitskonzepte durch Überbetonung der als besonders weiblich definierten Merkmale. Die Differenzen zwischen den Geschlechtern sollen hiernach erhalten und die Frauen demnach auch in entsprechend weiblichen Bereichen eingesetzt werden. Diese Strategie stützt die militärische Männlichkeit, indem das traditionelle militärische Weiblichkeitsbild, welches als das „Andere“ des Militärs definiert ist, übernommen wird (auch D’Amico 1997: 222; Herbert 1998: 22ff.). Die Strategie der assertiveness, des übersteigerten Selbstbewusstseins, bedeutet, dass Geschlechterdifferenzen zwar respektiert werden, allerdings in einem emanzipatorischen Sinn, ohne sich an unfaire Regeln oder Macho-Verhalten anpassen zu müssen (z. B. Beschwerde bei sexueller Belästigung). Diese Strategie ist sehr riskant, da das Einsetzen für die Frauenrechte im Militär nicht besonders hoch angesehen ist und auch unter den Frauen Probleme hervorrufen kann. Der Austritt aus den Streitkräften erfolgt aufgrund von Enttäuschung bzw. Unzufriedenheit bezogen auf die Nicht-Umsetzung von Geschlechtergleichheit und dem Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Organisation. Dies kann sich bis hin zu offener Ablehnung oder Feindschaft gegenüber den Mitgliedern der Streitkräfte erstrecken.2 Assimilation bedeutet nicht nur das Unsichtbarmachen von Weiblichkeit, sondern die komplette Übernahme und Anpassung an die männliche Militärkultur, an männliches Verhalten, Habitus und Sprache, es heißt „to be one of the guys“ (D’Amico 1997; Herbert 1998). Diese Strategie kann man zum einen als Unterwerfung unter den androzentrischen, militärischen Diskurs interpretieren, zum Anderen ist sie jedoch subversiv, da sie auf die Verhandelbarkeit von Männlichkeit hinweist und die Geschlechtergrenzen verwischt, indem eine neue Identität zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit entsteht (Sasson-Levy 2003: 82). 2

64

Diese beiden letzten Strategien sind in der Untersuchung von Carreiras rein theoretische Konzepte und kamen in ihrem Sample nicht vor. In ihrem Sample lässt sich die Mehrzahl der interviewten Soldatinnen in der konformistischen und Komplizenschafts-Strategie verorten, also den Strategien, die keine Veränderung der dominanten männlichen Militärkultur anstreben (Carreiras 2006: 182).

GLEICHSTELLUNG IM MILITÄR

Ein Effekt, der sich bei allen beschriebenen Strategien zeigt, ist die „rejection of one’s kind“ (Carreiras 2006: 177; auch D’Amico 1997: 222; Sasson-Levy 2003: 87ff.), d. h. die scharfe Abgrenzung zu Mitgliedern der eigenen Gruppe, um selbst nicht mit den stereotypisierenden Eigenschaften identifiziert zu werden. Soldatinnen, die sich als besonders weiblich definieren, lehnen dementsprechend „männliche“ Soldatinnen ab, Soldatinnen, die eher die Strategie der Assimilation verfolgen, lehnen die besonders weiblichen Soldaten ab und die Soldatinnen, die versuchen, ihre Geschlechtsidentität komplett zu negieren und sich als besonders professionell darstellen, lehnen beide Formen der Identifikation mit als besonders männlich oder besonders weiblich wahrgenommenen Handlungsstrategien ab. Ein weiterer Effekt ist die Leugnung sexueller Belästigung vor allem bei den Soldatinnen, die sich als genderneutral oder als besonders männlich definieren, da sie sich damit selbst als Frauen definieren müssten (Sasson-Levy 2003: 90ff.). Gabbert (2007: 146ff.) fasst diese für die Soldatinnen problematischen Positionierungsprozesse zusammen: „Besonders Soldatinnen in nicht-traditionellen Einsatzbereichen müssen sehr viel Energie darauf verwenden, um effizient, kompetent und trotzdem nicht bedrohlich und weiblich zu erscheinen. Sie müssen weiblich sein, um Belästigungen zu reduzieren und gleichzeitig nicht zu weiblich zu sein, um nicht als inkompetent zu gelten. Um nicht verdächtig zu erscheinen, können sie sich nicht zu eng und zu ausschließlich mit Frauen anfreunden. Dies erschwert es Frauen im Militär ungemein, sich gegenseitig zu unterstützen“ (Gabbert 2007: 146).

Es gehe letztlich um die Frage nach den „Anforderungen an die richtige Dosis von Weiblichkeit“ (ebd.: 147). Erkenntnisse darüber, wie sich Soldatinnen in der Bundeswehr positionieren, welche Strategien sie verwenden und welchen Problemen sie ausgesetzt sind, liegen bisher nur in Ansätzen vor (Kümmel/Werkner 2003; Kümmel 2008). Auch Kümmel/Werkner (2003) analysieren die Situation der Soldatinnen anhand der token-Theorie und stellen fest, dass es vor allem im Feld der sexuellen Belästigung zu einer deutlichen Polarisierung und Differenzierung zwischen den Geschlechtern kommt (ebd.: 106ff.). Die soziale Integration von Frauen in die Bundeswehr sei noch längst nicht abgeschlossen, vielmehr werde über verschiedene Mechanismen versucht, die Soldatinnen auszuschließen. Die Soldatinnen hingegen arbeiten gegen diese Exklusionsprozesse an und behaupten sich (ebd.: 22). In einer neuen Studie werden diese Tendenzen noch einmal bestätigt und festgestellt, dass die Soldatinnen sich durch die 65

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Übernahme männlicher Verhaltensweisen und -muster versuchen, an die Organisation anzupassen (Kümmel 2008: 105). In der empirischen Analyse dieser Arbeit wird gezeigt, wie diese Positionierungsprozesse sich in den verschiedenen thematischen Feldern konkret ausgestalten.

4.3

Zw i s c h e n f a z i t u n d F o r s c h u n g s s t a n d

Die Argumentation der vorliegenden Arbeit speist sich aus drei Forschungsperspektiven: 1. der Militärsoziologie, 2. der feministischen und gendersensiblen Friedens- und Konfliktforschung und 3. der Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung. Die Militärsoziologie hat gezeigt, wie sich die postmodernen Streitkräfte und der Soldatenberuf in Aufgaben und Strukturen zu Einsatzarmeen wandeln. Der Einsatz stellt auch für die deutschen Soldatinnen und Soldaten den zentralen Bezugspunkt ihrer Selbstbeschreibungsprozesse dar. Er bedeutet für sie, besonderen Raum-Zeit-Erfahrungen (die Enge des Lagers, lange Abwesenheitszeiten, unzureichende sanitäre Versorgung) ausgesetzt zu sein, aber auch, im Kontakt mit der lokalen Zivilbevölkerung, z. T. in bedrohlichen Umwelten, Erfahrungen zu machen, für die sie nur schwer ausgebildet werden können. Die Bedeutung von Gendersensibilität in Friedenseinsätzen ist mittlerweile von den internationalen Organisationen UN, NATO und EU offiziell anerkannt worden. Somit stehen auch die nationalen Streitkräfte unter dem Druck, den Forderungen nach Steigerung des Frauenanteils und Durchführung eines Gender Mainstreamings in Friedenseinsätzen nachzukommen, wie die feministische und gendersensible Friedens- und Konfliktforschung gezeigt hat. Auch die Bundeswehr war bis in das neue Jahrtausend hinein ein „männlicher“ Ort, d. h., es waren – bis auf die Ausnahmen Sanitäts- und Militärmusikdienst – nur Männer zugelassen, abgesichert durch die auf Männer beschränkte Wehrpflicht. Der Ausschluss von Frauen und die Konstruktion von Weiblichkeit als dem „Anderen“, dem NichtMilitärischen, waren konstitutiv für die Organisation. Vermittelt wurden und werden männlich konnotierte Werte wie Stärke, Wehrhaftigkeit, Schutzfunktion und die Kontrolle von Emotionen, aber auch Technikbegeisterung und Sportlichkeit. Für die Bundeswehr gilt seit den Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs, dass das Kämpferische in den Hintergrund getreten ist und Deeskalation und Friedensschaffen betont werden. Dies gilt noch einmal besonders vor dem Hintergrund der neuen Einsätze und Aufgaben im Ausland, in denen die Bundeswehr sich, wie noch zu zeigen sein wird, als besonders zivil und zurückhaltend insze66

GLEICHSTELLUNG IM MILITÄR

niert. Durch die Öffnung der Bundeswehr für Frauen und die Konfrontation mit lokalen Geschlechterordnungen im Einsatz ist auch die Bundeswehr mit Genderaspekten sowohl in den eigene Reihen im Umgang miteinander als auch in der Erfüllung ihres Auftrags konfrontiert. Bisher liegen allerdings kaum Erkenntnisse dazu vor, wie sich die Geschlechterordnung in der Bundeswehr aktuell gestaltet. Daher werden im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit anhand des empirischen Materials zunächst die einsatzunspezifischen Verhandlungen um das Geschlechterverhältnis, um Männlichkeit und Weiblichkeit und die eigene individuelle Subjektidentität für die Bundeswehr im Allgemeinen analysiert. In einem zweiten Schritt erfolgt die einsatzspezifische Analyse. Die Struktur folgt den Themen, die von den Soldatinnen und Soldaten in den Interviews vorgegeben wurden. Folgende Annahmen sind für die Analyse der Interviews erkenntnisleitend: 1. Der Auslandseinsatz im Rahmen militärischer Konfliktbearbeitung stellt die für die soldatische Identitätskonstruktion zentrale Sozialisationsinstanz dar: Erst im Einsatz wird der Soldat zum Soldat. Bisher gibt es jedoch keine empirische Studie zur Frage danach, welche Auswirkungen der Einsatz auf die Genderverhältnisse in den Streitkräften hat und wie sie sich in die soldatische Subjekt- und Genderkonstruktion einschreiben. 2. Im Friedensdienst bzw. im militärischen Alltag im Heimatland steht den Soldatinnen und Soldaten ein breites Angebot an Subjekt- und Genderpositionen zur Verfügung, welche einen relativ großen Verhandlungsspielraum zulassen. Der Einsatz stellt hingegen eine eigene Subkultur, eine spezifische Konstruktion sozialer Realität dar, die sich zunehmend von der Lebenswelt im Heimatland unterscheidet. Es kommt so zu einer Verengung der vorhandenen Subjektpositionen, die in einem traditionellen Geschlechterverhältnis und der Reproduktion der Geschlechterstereotype von männlichem Schutz und Stärke und weiblicher Schwäche und Friedfertigkeit münden. 3. Besondere Aufmerksamkeit ist den Subjektivierungsformen der Soldatinnen zu widmen. An ihnen als Repräsentantinnen von Weiblichkeit, also des vormals ausgeschlossenen Anderen, lassen sich männliche Organisationsstrukturen und -kulturen besonders deutlich herausarbeiten, da sie sich permanent zur dominanten Männlichkeits-, aber auch Weiblichkeitsnorm positionieren müssen. Zunächst ist jedoch zu klären, auf welchem Verständnis von Subjektivität, von Männlichkeit, Weiblichkeit und Gender die folgenden Ausführungen basieren (Kapitel 5). 67

5. Männer, Frauen, Mä nnlichkeit, Weiblic hk eit = Ge nder? Erkenntnistheoretische Grundlagen

Die Zielsetzung dieser Arbeit ist die Analyse der Verhandlungen um militärische Genderidentitäten und Genderverhältnisse im Zeichen neuer Aufgaben und Einsätze. Oder mit Reckwitz’schen Worten höchst theoretisch formuliert: „Wie wird in Subjektdiskursen dem Subjekt ein bestimmter innerer Kern zugeschrieben, auf welche Weise wird dieser universalisiert und naturalisiert? Wie funktioniert es diskursiv, dass die Eigenschaften dem Spiel der kulturellen Kontingenzen entzogen werden?“ (Reckwitz 2008: 86). Dafür ist zunächst die Frage zu beantworten, wie Gender überhaupt gedacht werden kann. Wie sind Männlichkeit und Weiblichkeit, Mann und Frau konzeptionell zu fassen? In Ansätzen der Militärsoziologie, aber auch in den positivistisch ausgerichteten Teilbereichen der Friedens- und Konfliktforschung wird zu einem Großteil noch immer von der Annahme ausgegangen, dass es eine äußere Wirklichkeit gibt, die unter Anwendung eines quantitativen Instrumentariums messbar, klassifizierbar und gezielt steuerbar ist. Das sich hinter diesen Denkansätzen verbergende Menschenbild ist das autonome souveräne Subjekt, das als „irreduzible Instanz der Reflexion, des Handelns und des Ausdrucks“ erscheint, „welche ihre Grundlage nicht in den kontingenten äußeren Bedingungen, sondern in sich selber findet. Das klassische Subjekt erhält seinen Kern in bestimmten mentalen, geistigen Qualitäten, die zugleich Ort seiner Rationalität sind“ (ebd.: 12). Diesem autonomen Subjekt wird ein „innerer Kern“ mit universalen Eigenschaften unterstellt, der unveränderlich und ihm qua Natur oder 69

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Biologie von Geburt aus innewohnt. Sowohl in der Soziologie und Philosophie als auch in der Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung wird seit Anfang der 1970er Jahre daran gearbeitet, diese Vorstellung eines rational handelnden souveränen Subjekts als Ideologie zu enttarnen und kritisch darauf hinzuweisen, dass diese Ideologie tendenziell Ausgrenzungsprozesse bis hin zu Rassismus, Sexismus usw. begünstigt. Zudem ist bereits eine Vielzahl von alternativen Ansätzen entwickelt worden, wie Subjekte anders, als Prozess, Diskursprodukt oder Habitus gedacht werden können. Gender gilt, so hat die Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung ausführlich gezeigt, als ein zentrales Strukturmerkmal von Gesellschaft und Subjekt. Es weist Frauen und Männern unterschiedliche gesellschaftliche Positionen zu, führt zu sozialer Ungleichheit und hat Inklusions- und Exklusionsmechanismen zur Folge. Simone de Beauvoir gilt als eine der ersten Vertreterinnen der feministischen Diskussion, die „Frausein“ nicht als natürliche Konsequenz bestimmter körperlicher Eigenschaften definierte. „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“, lautet ihr berühmtester und meistzitierter Satz, und weiter heißt es, „kein biologisches, psychisches, wirtschaftliches Schicksal bestimmt die Gestalt, die das weibliche Menschenwesen im Schoß der Gesellschaft annimmt“ (Beauvoir 1987: 265). Das „zur Frau werden“ bezieht Beauvoir auf einen lebenslangen Sozialisationsprozess, in dem sich Frauen immer wieder als Frauen herstellen und bestätigen müssen. Die These, dass das Geschlecht nicht etwas Biologisches ist, sondern erst in sozialen Zusammenhängen geschaffen wird, und damit auch nicht zwangsweise auf zwei Geschlechter reduziert bleiben muss, wurde vor allem im Rahmen der transsexuellen Forschung und in ethnologischen Studien weiterentwickelt (Becker-Schmidt 2001: 68). Gender bezeichnete fortan das sozial konstruierte Geschlecht, das sich in Sozialisationsprozessen angeeignet wird und damit auch veränderbar ist, unter Sex wird der biologisch zugeschriebene Status beschrieben, der sich durch Anatomie, Morphologie, Physiologie und Hormone bestimmen lässt (Gildemeister/Wetterer 1995: 212ff.). Gender wurde in der feministischen Bewegung auch als Instrument der Ideologiekritik verwendet, um gegen hierarchische – meist als patriarchal definierte – Strukturen vorzugehen (ebd.: 248). Gender gehört mittlerweile auch zu jenen Begriffskonzeptionen, die in der Verwendung im Kontext verschiedener Theorierichtungen unterschiedliche Bedeutungen angenommen haben: „,Gender‘ zirkuliert inzwischen als linguistisches Passepartout, das sich mit changierenden Bedeutungen aufladen kann“ (Knapp 2001: 57). Knapp (ebd.) ordnet den Gender den „fast traveling notions“ zu, der „so schnell über die 70

ERKENNTNISTHEORETISCHE GRUNDLAGEN

Ränder diverser Diskursuniversen hinausgelangt [ist, C.D.], als sollte er in einer Art reflexiver Kopplung sein eigenes ,mainstreaming‘ verifizieren“. Auch Thürmer-Rohr (2001: 35) stellt fest, dass ein wesentliches Merkmal feministischer Arbeit sei, gerade nicht in den „Mainstream“ aufgenommen zu werden: „Der Feminismus kämpfte gegen diese Norm [des Mainstreams, C.D.] an, nicht um selbst Aufnahme zu finden, sondern um die Stromlinie zu stören und die Definitionsmacht des rechten Weges zurückzuweisen“. Die Tatsache, dass der Begriff Gender nun im „Mainstream“ aufgegangen und sogar zum zentralen Schlagwort avancierte, ist für Thürmer-Rohr (ebd.) „ein Sieg nicht nur für die heteronormalen, die weiblich-normalen und die männlich-normalen Weltsichten, sondern ein Sieg auch für alle weiteren tragenden MainstreamFundamente“. Diese sehr radikale Einstellung zeigt, wie weit sich der Begriff auch vom Verständnis feministischer Diskurse entfernt hat und seine tragende Funktion verloren zu haben scheint. Ohne hier einen Überblick über die reichlich vorhandenen feministischen und genderspezifischen Ansätze geben zu können – dafür bedürfte es mehrerer Arbeiten –, wird im Folgenden das für die Arbeit zentrale Subjekt- und Genderkonzept von Judith Butler vorgestellt. Butler stellt in ihren Arbeiten die von der feministischen Theorie und Praxis konstatierte Trennung von Sex und Gender in Frage und entwickelt ein auf Foucault und psychoanalytischen Ansätzen, der Sprechakttheorie und Derrida aufbauendes Subjektkonzept, das die Autonomie und Stabilität von Subjekt- und Genderkonstruktionen dekonstruiert und dezentriert. Sie versucht mit ihrer Argumentation, in der sie beweisen möchte, dass es keine Natur und keinen Ursprung gibt, die den Dingen vorgängig sind, das aufklärerische Ursprungsdenken und die Vorstellung eines autonomen, selbstidentischen Subjekts zu dekonstruieren. Nachdem Butler in Abschnitt 5.1 kurz im feministischen Diskurs verortet wird, wird in Abschnitt 5.1.1 Butlers Konzept des postsouveränen Subjekts vorgestellt. Das postsouveräne Subjekt denkt Butler eng mit Körperlichkeit (5.1.2) und Gender (5.1.3) zusammen. Für die vorliegende Analyse spielt auch der Kontakt der Subjekte mit nicht-westlichen Gesellschaften eine wichtige Rolle. Daher wird in Abschnitt 5.2 ein Ansatz referiert, der Butlers Gedanken weiterentwickelt, für den Kontakt mit anderen Gesellschaften fruchtbar macht und versucht, das Subjektkonzept aus eurozentristischen Tendenzen zu befreien. Welche Schlussfolgerungen daraus für die Arbeit gezogen werden können, wird in Abschnitt 5.3 erläutert.

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GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

5.1 Judith Butlers Subjekt- und Genderkonzept Butler entfaltet ihr Subjektkonzept anhand der drei Dimensionen Performativität, Körper und Gender, die sie als jeweils wechselseitig miteinander verknüpft denkt. Ihre „Theorie des Gender“ (Butler 1995: 123) erhebt den Anspruch, „Grausamkeiten, durch die Subjekte produziert und differenziert werden, zu entlarven und zu verbessern“ (ebd.). Ihr zentrales Anliegen ist, nach den Bedingungen der Entstehung und dem Wirken von den als natürlich verstandenen Kategorien – Mann und Frau – zu fragen: Sie wirft die Frage auf, ob die „natürlichen Sachverhalte des Geschlechts nicht in Wirklichkeit diskursiv produziert [sind, C.D.], nämlich durch verschiedene wissenschaftliche Diskurse, die im Dienste anderer politischer und gesellschaftlicher Interessen stehen“ (Butler 1991: 23).1 Mit dieser Frage kritisiert Butler die in den 1980er Jahren vorherrschende feministische Politik, die im Namen der Frauen zu sprechen beansprucht, ebenso wie die modernen Naturwissenschaften, die die „natürliche“ Geschlechterdifferenz erst geschaffen haben (siehe dazu auch Fausto-Sterling 2002). Butler argumentiert, dass jede Politik, die vorgibt, für Frauen zu sprechen, zugleich durch diskursive Machtmechanismen konstruiert ist, die erst im Prozess des Benennens des Objekts „Frau“ dieses als Frau definieren (Butler 1991: 17). Die Setzung fester kohärenter Kategorien und Subjekte, auf die sich aus Ansprüchen politischer Repräsentation in der feministischen Politik berufen wird, kann nur auf der Grundlage von Ausschlüssen und Verwerfungen jener geschehen, „die den unausgesprochenen normativen Anforderungen des Subjekts nicht zu entsprechen vermögen“ (ebd.: 22). Die Anrufung einer als homogen verstandenen Kategorie „Frau“, die durch eine allen gemeinsame, universale, patriarchale Herrschaftsachse gekennzeichnet ist, wie dies in der feministischen Politik geschieht, ist damit „offensichtlich widersprüchlich und unsinnig“ (ebd.: 17), da sie „normativen und ausschließlichen Charakter“ (ebd.: 34) hat. Eine gemeinsame Identität „Frau“ existiert demnach nicht und wenn sich auf sie berufen wird, wird keineswegs die Gesamtheit aller Frauen repräsentiert, sondern nur diejenigen, die sich mit der herrschenden Definition von Frau identifizieren können. Das Subjekt Frau wird unhinterfragt als Tatsache vorausgesetzt und fungiert als Gegenstand politischer Repräsentation. Dass die1

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Vgl. hierzu auch die „abschließende, unwissenschaftliche Nachschrift“ (Butler 1991: 159ff.). Butler spielt in diesem Essay auf die Intentionen verschiedener Theoretiker und Theoretikerinnen an, wissenschaftstheoretische Voraussetzungen der naturwissenschaftlichen Disziplinen zu hinterfragen.

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ses Subjekt Frau erst durch die Thematisierung desselben erzeugt wird, wird von der Frauenbewegung nicht reflektiert. Das Problem wird sozusagen in dem Moment erst erschaffen, in dem versucht wird, es zu lösen. Damit werden die zu kritisierenden Herrschaftsverhältnisse und Ausschließungen reproduziert und arbeiten gegen die eigentliche Intention an, diese aufzulösen.

Das (post-)souveräne Subjekt Für Butler steht die Frage im Raum, wie sich die Formationsprozesse des Subjekts gestalten, durch welche Diskurse, Praxen oder Interessen sie hervorgebracht werden. Um sich dieser Frage anzunähern, entwickelt sie zunächst eine Vorstellung davon, wie sich moderne souveräne Subjekte in der Interaktion in der sozialen Praxis bilden. Sie geht davon aus, dass der Prozess der Hervorbringung von Subjekten auf der Anerkennung, Inkorporierung und Reproduktion sozial konstruierter Normen basiert. Diese Normen totalisieren, normalisieren und unterwerfen die Subjekte, wodurch sie wiederum erst hervorgebracht werden können. Dieser Prozess beruht auf dem Althusser’schen Prinzip der „Anrufung“ (Butler 1998: 52ff.): Hier bezieht sich Butler auf die berühmte Anrufungsszene Althussers, in der ein Polizist einen Passanten mit „Hallo, Sie da“ anruft. Der Passant fühlt sich angesprochen, erkennt sich selbst wieder, dreht sich um und beantwortet diesen Ruf (ebd.: 42). In diesem Moment erst wird das Subjekt hervorgebracht, das Subjekt „existiert im strengen Sinne nicht vor diesem Ruf“ (ebd.: 43). Die Anrufung „erschafft, was sie benennt, so gibt es offenbar keinen ,Petrus‘ ohne den Namen ,Petrus‘“ (ebd.: 52). „Anrufungen operieren demnach mittels Identitätskategorien; Personen werden aufgefordert, mit dem Namen, mit dem sie angerufen werden, zugleich eine Identität anzunehmen“, fasst Villa (2004: 47) zusammen. Butler modifiziert Althussers Anrufungskonzept, indem sie die Anrufung von der Notwendigkeit des Sprechens, der menschlichen Stimme enthebt und im Diskurs verortet, der keinen Sprecher benötigt (Butler 1998: 54). Zugleich setzt eine gelungene Anrufung die Anerkennung einer Autorität, der souveränen Macht, voraus und die Legitimität und Identifikation mit der zugeschriebenen Identität (ebd.: 52). Indem Butler den Prozess der Anrufung in den Diskurs verlagert, wird die Idee eines Urhebers, einer göttlichen Macht (ebd.: 51; ebd.: 55) aufgehoben und der Prozess der Identitätsbildung als „Kreislauf“ (ebd.: 54) verstanden: Die Anrufung konstituiert die Subjekte, die wiederum durch die Anerkennung dieser Anrufung die Autorität anerkennen und damit diese zugeschriebene Identität bestätigen. Benennungen und damit souveräne Macht verkörpern 73

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sich in sprachlichen Äußerungen, der geschriebenen Sprache, „über bürokratische Formen wie in Volkszählungen, Adoptionsunterlagen oder Einstellungsformularen“ (ebd.). Die Individuen2 verbreiten zwar diese Diskurse, sind aber nicht deren Urheber und können den Diskurs letztlich auch nicht kontrollieren (ebd.: 55). Problematisch sind diese Anrufungen, da sie totalisieren, ausschließen und den Eindruck des „Natürlichen“ erwecken: „Ein Name tendiert dazu, das Benannte festzuschreiben, es erstarren zu lassen, zu umgrenzen und es als substantiell darzustellen“ (ebd.: 56). Die Totalisierung und Begrenzung höchst komplexer und vielfach konstituierter Subjekte stellt eine „Vereinseitigung und eine Lähmung“ (Butler 1997a: 166) dar und bedeutet immer auch den Ausschluss, die Unterordnung und Ausbeutung all derjenigen Identitäten, die sich nicht mit den vorgegebenen Zuschreibungen identifizieren können. Das Subjekt glaubt, autonom und selbstbestimmt zu sein und Dinge entsprechend beeinflussen zu können. Dieser Glaube ist jedoch Teil der souveränen Macht und wird erst über die Subjektwerdung – Butler verwendet den Begriff „Subjektivation“ (2005a: 8) – hergestellt: „Die Diskurse erzählen sich unendliche Geschichten von einem geschlechtlichen Subjekt, das glaubt, es wäre deren Urheber“ (Lindemann 1994: 131). Der Diskurs „entscheidet“ damit bereits vor dem Subjekt, welcher Lebensentwurf als der „normale“ zu gelten hat. Dennoch ist das Subjekt nicht durch die Strukturen determiniert und damit handlungsunfähig. Subjektivation ist durch die Paradoxie gekennzeichnet, erst durch die Unterwerfung unter die Macht überhaupt Handlungsfähigkeit erlangen und damit zum Subjekt werden zu können. „Doch gerade weil die Subjekte diesen Strukturen unterworfen sind, die sie regulieren, werden sie auch in Übereinstimmung mit den Anforderungen dieser Strukturen gebildet, definiert und reproduziert“ (Butler 1991: 16). Der Prozess der Subjektbildung durch Machtstrukturen wird jedoch „verschleiert“, so dass der Eindruck entsteht, es handele sich um „natürlich“ entstandene Kategorien. Macht ist damit keineswegs repressiv, sondern konstruktiv. Sie funktioniert, indem sie den anderen anerkennt, ihn benennt und mit der Benennung erst zum Subjekt macht. Foucault, von dem Butler ihren Machtbegriff übernimmt, definiert Macht als „Verhältnisse zwischen ,Partnern‘ (und dabei denke ich nicht 2

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Das Subjekt ist in Butlers Konzept allerdings nicht mit dem Individuum gleichzusetzen, das Subjekt ist eine „sprachliche Kategorie“, „ein Platzhalter“, eine „in Formierung begriffene Struktur“ (Butler 2005b: 15) oder auch ein „Modell von Handlungsfähigkeit und Intelligibilität“ (Butler 2005a: 63). Individuen besetzen vielmehr den Platz des Subjekts, das Subjekt ist „die sprachliche Gelegenheit des Individuums“ (Butler 2005b: 15).

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an ein Spielsystem, sondern einfach – um es zunächst ganz allgemein zu sagen – an ein Ensemble von Handlungen, die sich gegenseitig hervorrufen und beantworten)“ (Foucault 1994: 252). Macht hat dabei nichts mit Gewalt zu tun: „Tatsächlich ist das, was ein Machtverhältnis definiert, eine Handlungsweise, die nicht direkt und unmittelbar auf die anderen einwirkt, sondern eben auf deren Handeln. Handeln auf ein Handeln, auf mögliche oder wirkliche, künftige oder gegenwärtige Handlungen. Ein Gewaltverhältnis wirkt auf einen Körper, wirkt auf Dinge ein: Es zwingt, beugt, bricht, es zerstört: es schließt alle Möglichkeiten aus; es bleibt ihm kein anderer Pol als der der Passivität. […] Ein Machtverhältnis hingegen errichtet sich auf zwei Elementen, ohne die kein Machtverhältnis zustande kommt: so dass der ,andere‘ (auf den es einwirkt) als Subjekt des Handelns bis zuletzt anerkannt und erhalten bleibt und sich vor dem Machtverhältnis ein ganzes Feld von möglichen Antworten, Reaktionen, Wirkungen, Erfindungen öffnet“ (ebd.: 254).

Foucault denkt die Macht, die die Subjekte hervorbringt und ihnen Handeln ermöglicht, nicht in der Hand Einzelner liegend, sondern als eine Art Netz, das von den Subjekten durch die Handlung weitergegeben wird und diese Handlung zugleich ermöglicht, aber auch begrenzt (Foucault 1999a: 38ff.). Der beschriebene Prozess der „Umwendung“ (Butler 2005a: 157), d. h. die Anerkennung der Autorität des Diskurses, ermöglicht (kritische) Handlungsfähigkeit, wenn erkannt wird, dass man von diesen diskursiven Strukturen hervorgebracht wird, von ihnen abhängig ist und eben nicht autonom, wie dies der Diskurs glauben macht (Butler 1998: 198). Das Subjekt kann sich der Anrufung, der Benennung, entziehen oder diese kreativ umdeuten. Das postsouveräne Subjekt zeichnet demnach aus, dass zwar sein Handlungsrahmen von vornherein umschrieben ist, aber immer wieder neu und in unerwarteter Form realisiert werden kann (ebd.). Das Subjekt weiß, dass es nicht autonom und auch nicht vollkommen determiniert ist, und ist damit in der Lage, die bestehenden Verhältnisse zu kritisieren und zu verändern. Das Veränderungspotenzial sieht Butler im permanenten Akt der Hervorbringung und Reproduktion von Diskursen. Diesen Akt beschreibt Butler mit Hilfe des Konzepts der Performativität: „Performativität darf nicht als vereinzelter oder absichtsvoller ,Akt‘ verstanden werden, sondern als die ständig wiederholende und zitierende Praxis, durch die der Diskurs die Wirkungen erzeugt, die er benennt“ (Butler 1997a: 22). Diese Akte sind nicht beliebig, sondern werden von kulturellen Konventionen gesteuert, unter denen Butler die heterosexuelle Matrix, d. h. die Vorgabe, dass nur zwei gegensätzliche Geschlechter mit 75

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gegenseitigem Begehren existieren dürfen, als zentral ansieht (ebd.: 22). Was Subjekt-Sein konkret bedeutet, wird also von den sozial ausgehandelten Normen bestimmt, Subjekt-Sein ist damit immer in der Sozialität außerhalb des Subjekts verortet. Die Subjekte reproduzieren die Normen performativ, diese werden im Moment der Handlung bestätigt. In diesen Wiederholungen, die letztlich immer scheitern, weil keine Wiederholung der anderen gleicht, liegt für Butler das Potenzial für widerständiges Handeln (Butler 2005a: 17). Die Umsetzung idealtypisch formulierter Normen kann in individuellem Handeln in der komplexen Wirklichkeit letztlich nicht gelingen: „Der Diskurs ordnet nämlich ein Sein an, die Praxis ein beständiges Werden“ (Villa 2006: 228). Es kommt also zu Widersprüchen und Ambivalenzen im Verhältnis von Sagen und Tun. Daraus folgt, dass die Analyse dessen, was das Subjekt „ist“ letztlich nur situativ, in der konkreten Interaktion und in einem konkreten Kontext erfolgen kann (ebd.: 230). Das Subjekt kann nicht sein, ohne sich auf die Normen zu beziehen, die ihm in der Sozialität vorausgehen und über es hinausgehen (Butler 2004: 7). Das bedeutet zum einen, dass das Subjekt selbst auf der persönlichsten Ebene immer auf das „Andere“ ausgerichtet und damit Teil der Öffentlichkeit ist. Es ist quasi außerhalb seiner selbst zu verorten und nur durch diese diskursive Selbstenteignung sind überhaupt Selbsterkenntnisse möglich (Butler 2005b: 61ff.). Zum anderen bedeutet diese Abhängigkeit vom „Anderen“, von der Sozialität, hochgradig verletzbar zu sein. Verletzbarkeit ist damit „eine Vorbedingung für die Vermenschlichung“ (ebd.: 61). Das Begehren danach, anerkannt und nur durch Anerkennung überhaupt als soziale Wesen konstituiert zu werden, definiert Butler als einen „Überlebenswunsch“ (Butler 2005a: 12). Die Begriffe, Normen und Kategorien, die die Anerkennung als menschliches Wesen ermöglichen, sind selbst das Resultat von Aushandlungsprozessen und können daher auch die Anerkennung – und damit den Subjektstatus und menschliches Leben – verweigern: Butler (2004: 75ff.) verdeutlicht ihre Überlegungen am Beispiel von Menschen, die eine Geschlechtsumwandlung durchführen lassen möchten: In den USA wird eine derartige Geschlechtsumwandlung nur vom Gesundheitssystem bezahlt, wenn die Diagnose „gender identity disorder“ (ebd.: 76) vorliegt. Das Gesundheitssystem in den USA zwingt also Menschen, die eine Geschlechtsumwandlung vollziehen wollen, dazu, sich als krank und abnormal darzustellen. Erst die erfolgreiche Unterordnung unter diese regulative Praxis, die über „Normalität“ und „Abweichung“ befindet, ermöglicht den Subjekten, den hohen finanziellen Aufwand einer Geschlechtsumwandlung von Seiten des Gesundheitssystems bezahlt zu bekommen:

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„The only way to secure the means by which to start that transformation is by learning how to present yourself in an discourse that is not yours, a discourse that denies the language you might want to use to describe who you are, how you get here, and what you want from this life“ (ebd.: 91).

Subjekt und Körper Verletzlich ist das Subjekt nicht nur darin, dass ihm die Anerkennung verweigert werden kann, sondern auch auf konkrete körperliche Art, stellt doch der Körper die Instanz dar, durch die anhand körperlicher Gesten, Bewegungen und Darstellungen Subjektivität und vor allem die geschlechtliche Identität überhaupt erst möglich werden (Butler 1997b: 270). Den Körper fasst Butler mit Merleau-Ponty als ein Set an Möglichkeiten, die in jeweils konkreten historisch spezifischen Formen realisiert werden (ebd.). Man ist nicht einfach Körper, „one does one’s body“ (ebd.: 272). Der Körper ist ein historisches Produkt und zugleich ein Mittel, eine historische Situation zu erzeugen. Kulturelle Konventionen und Normen schreiben vor, wie der Körper inszeniert werden muss und wie diese körperliche Inszenierung wahrzunehmen ist (ebd.: 274f.). Erst durch den Körper, durch die Haut und das Fleisch wird das Subjekt dem Blick anderer ausgesetzt, der Körper ist damit politisch verfasst und „Ort einer öffentlichen Aufmerksamkeit, der durch Selbstbehauptung und Ungeschütztheit zugleich charakterisiert ist“ (Butler 2005b: 37). Der Körper wird – ebenso wie das Subjekt – erst durch performative Bezeichnungspraxen hervorgebracht, er existiert quasi nicht außerhalb oder vor der Benennung: „Der körperliche Habitus stellt in eben diesem Sinne eine stillschweigende Form von Performativität dar, eine Zitatenkette, die auf der Ebene des Körpers gelebt und geglaubt wird“ (Butler 1998: 219). Der Körper ist Produkt historischer und gesellschaftlicher Diskurse, die über performative Äußerungen in den Körper eingeschrieben werden und eine „Wahrnehmung des Körpers herzustellen“ (ebd.: 225) vermögen. Die Erzeugung von Materialität denkt Butler als „produktivste Wirkung von Macht überhaupt“ (Butler 1997a: 22). Dadurch, dass Butler auch den Körper und Materialität als Effekt von Diskursen sieht, wird auch die Trennung in Sex und Gender für sie obsolet, die Geschlechtsidentität wird zu einem „freischwebenden Artefakt“ (Butler 1991: 23). So wird es für Butler möglich, die Begriffe Mann und männlich resp. Frau und weiblich sowohl männlichen als auch weiblichen Körpern zuzuordnen (ebd.). Damit ist allerdings keineswegs gemeint, dass sich die Subjekte ihre Geschlechtsidentität frei wählen könnten, da dieser Gedanke ein humanistisches Subjekt voraussetzt oder dass es keine körperlichen Empfindungen gebe (ebd.: 14). 77

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Butler geht es vielmehr darum, die Zwänge und „gewaltsamen Eingrenzungen“ (ebd.: 17) zu analysieren, die bestimmten Körpern Gewicht beimessen und anderen nicht (ebd.).

Subjekt und Gender Die Zuschreibung von Weiblichkeit zu weiblichen Körpern und Männlichkeit zu männlichen Körpern als einen natürlichen Zusammenhang sieht Butler als Mechanismus der Produktion von Gender selbst. Gender ist eine zentrale soziale Norm und ein regulatives und disziplinierendes Regime3 mit dem Ziel, zwei sich gegenseitig ausschließende in heterosexuellem Begehren zugewandte essentialistische – und damit unveränderliche – Geschlechter zu konstruieren (Butler 2004: 10). Diese Konstruktion geht einher mit der Vorstellung von richtigen und falschen Genderidentitäten, inszeniert man Gender „falsch“, erfährt man Bestrafung und Sanktionen, wird es „richtig“ inszeniert, bestätigt man die Richtigkeit der vorherrschenden Subjektpositionen (Butler 1997b: 279). Die Wiederholungsakte von Normen, welche die Geschlechtsidentität herzustellen vermögen, sind Versuche, ein Ideal nachzuahmen, ein heterosexuelles Konstrukt, das nicht existiert: Das Original sei „nichts anderes als eine Parodie der Idee des Natürlichen und Ursprünglichen“ (Butler 1991: 58). Jeder Versuch der Erreichung einer idealen Geschlechtsidentität „Mann“ oder „Frau“ sei damit zum Scheitern verurteilt: „Geschlechtsidentität [ist, C.D.] eine Art ständiger Nachahmung […], die als das Reale gilt“ (ebd.: 8). Diese Wiederholungen bringen eine Vielzahl von Verfehlungen hervor, also an Identitäten, die nicht mit dem „Original“ übereinstimmen. Der performative Akt der Inszenierung von Gender wird meist unbeabsichtigt, wenn auch nicht automatisch, durchgeführt, es ist eine Improvisationspraxis, die beschränkt und reguliert wird und immer im Kontext der Sozialität stattfindet, die bereits definiert hat, welche Genderinszenierung die legitime ist (Butler 2004). „Gender is in no way a stable identity or locus of agency from which various acts proceede; rather, it is an identity tenuously constituted in time – an identity instituted through a stylized repetition of acts“ (Butler 1997b: 270, Hervorhebung i. O.). Gender performativ zu denken, bedeutet also, dass die Genderidentität „nicht durch Handlungen, Gesten oder Sprache ,ausgedrückt‘ wird, sondern dass die Performanz der Geschlechtszugehörigkeit rück-

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Hier geht Butler nach eigenen Angaben über Foucault hinaus, der Gender nur als einen Teil einer weit reichenden regulativen Macht sieht, wohingegen Butler Gender als eigenes Regime fasst (Butler 2004: 39ff.).

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wirkend die Illusion erzeugt, dass es einen inneren Geschlechtskern gibt“ (Butler 2005b: 136). Die Trennung in ein biologisches und ein soziales Geschlecht, wie sie in der feministischen Theorie und Politik vertreten wird, ist demnach überflüssig, ist doch auch die biologische, sexuelle Differenz Effekt von Diskursen. Das Verhältnis von Männlichkeit und Weiblichkeit, von Mann und Frau konzeptionalisiert Butler in der Verbindung von Foucaults Machttheorie mit Freuds psychoanalytischen Überlegungen. Sie übernimmt das Freud’sche Prinzip der „Melancholie“ (Butler 2005a: 125) als Basis und geht davon aus, dass „sich sowohl ,Männlichkeit‘ wie ,Weiblichkeit‘ als durch Identifizierungen geformt auffassen, die zum Teil aus verleugneter Trauer bestehen“ (ebd.: 131). Die Trauer liegt in dem Verlust ungelebter Möglichkeiten, die Butler vor allem in dem Zwang des Verbots von Homosexualität – dem Mädchen ist die Liebe zur Mutter, dem Jungen zum Vater verboten – sieht (ebd.: 129ff). Wenn Mädchen die Mutter als Objekt der Begierde versperrt ist, müssen sie sich nach Freud zunächst der Liebe zur Mutter entsagen und damit jegliches homosexuelle Verlangen ausblenden. Das männliche Verlangen nach dem Weiblichen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Mann die Frau will, „die er niemals sein würde“ (ebd.: 129), bedeutet homosexuelles männliches Begehren doch, feminisiert zu werden und nicht mehr als richtiger Mann zu gelten. Der Mann wird daher auch besondere Anstrengungen unternehmen, den Unterschied zwischen den Geschlechtern deutlich zu machen, da sein Verlangen nach dem Weiblichen immer von der Angst begleitet ist, „das zu werden, wonach er verlangt“ (ebd.). Heterosexualität basiert daher maßgeblich auf dem Ausschluss des homosexuellen Begehrens, welches die legitime Genderinszenierung tief greifend zu erschüttern vermag und daher abgewiesen werden muss. Wird die Genderinszenierung durch Homosexualität oder stärker noch Transsexualität gestört, greifen klare Sanktionsmechanismen, die sich bis hin zu Gewalt erstrecken können. Butler erwähnt das Beispiel des Transvestiten, der auf der Theaterbühne noch akzeptiert ist, ist hier doch die Grenze zwischen „Theater“ und „Realität“ noch zu ziehen. Sitzt derselbe Transvestit allerdings auf dem Nebenplatz im Bus, wird die Grenze von „Theater“ und „Realität“ durchkreuzt und den sozialen Normen widersprochen. Dies kann zu Verunsicherung, Ärger, Aggression oder Gewalt bis hin zu Mord führen, um die binäre Zweigeschlechtlichkeit zu erhalten bzw. wieder herzustellen (Butler 1997b: 278ff.). Butler (1991: 33) betont jedoch auch, dass ihre Ausführungen zu Gender nur auf westliche Gesellschaften anwendbar sind und dass für andere Gesellschaften andere Machtverhältnisse gelten können. Die Annahme, Frauen seien als Frauen in anderen gesellschaftlichen Kon79

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texten in den gleichen Machtverhältnissen verfangen wie in westlichen Gesellschaften, stelle einen kolonisierenden Aneignungsakt dar (ebd.). Butler geht von verschiedenen „Vektoren der Macht“ (Butler 1997a: 44) aus, die nicht analog zueinander in Beziehung gesetzt werden können, sondern sich gegenseitig bedingen und durchdringen. Der Fokus auf nur einen Machtvektor sei immer der Kritik ausgesetzt, dass die anderen Vektoren entwertet oder ignoriert würden. Ihre eigene Prioritätensetzung auf die sexuelle Differenz als zentraler Strukturkategorie, in der sie auch die „Gefahr der Verengung“ (ebd.) sieht, begründet sie damit, dass es gleichzeitig unmöglich sei, jeden Machtvektor einzubeziehen, da dann die Gefahr bestehe, einen „epistemologischen Imperialismus auszuüben: Er besteht in der Unterstellung, jeder beliebige Autor könne für die Komplexität der gegenwärtigen Macht ganz einstehen und sie erklären. Kein Autor oder Text kann eine solche Reflexion der Welt leisten und diejenigen, die behaupten, solche Bilder zu liefern, sind genau aufgrund dieses Anspruches suspekt“ (ebd.).

Butler integriert diese anderen Machtvektoren zwar ansatzweise, da sie die Bildung der Geschlechtsidentität innerhalb dieser Machtvektoren verortet, arbeitet sie diese jedoch wenig aus. Sie stellt lediglich fest, dass „die Geschlechtsidentität in den verschiedenen geschichtlichen Kontexten nicht immer übereinstimmend und einheitlich gebildet worden ist und sich mit den rassischen, ethnischen, sexuellen, regionalen und klassenspezifischen Modalitäten diskursiv konstituierter Identitäten überschneidet. Folglich läßt sich die ,Geschlechtsidentität‘ nicht aus den politischen und kulturellen Vernetzungen herauslösen, in denen sie ständig hervorgebracht und aufrechterhalten wird“ (Butler 1991: 18).

Die Festlegung homogener, allein durch Sex definierter Kategorien „Frau“ und „Mann“, übersieht diese Überschneidungen vielfältiger Identitätsbildungen, macht sie sogar zu einer „Fehlbenennung“ (ebd.: 20). Es müsse vielmehr darum gehen, Identität als eine Art Knotenpunkt zu verstehen, „an dem diese Kategorien [„Rasse“, Sex, soziales Geschlecht, C.D.] aufeinander zulaufen und der kein Subjekt ist, sondern vielmehr die uneinlösbare Forderung, konvergierende Signifikanten im jeweils anderen und durch den jeweils anderen Signifikanten umzuarbeiten“ (Butler 1997a: 167). Jede Art denkbarer Kategorisierung kann als ebenso wichtig für die Konstruktion von Subjekten angesehen werden wie die Heterosexualität. Im Prozess der Subjektbildung werden normative Anforderungen nicht nur heterosexueller Art, sondern auch bestimmte Vorstellungen von eth80

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nischer Zugehörigkeit, über Gesundheit und Krankheit oder Armut und Reichtum vermittelt. Die durch Kategorisierung bedingten Ausschlussmechanismen sind demnach nicht nur „einfach“ als Ausschluss über Sexualitäten zu betrachten, sondern als individuelles Wechselspiel verschiedener Herrschaftsachsen, die je nach Kontext verschiedene Wirkungen und Ausschlüsse zeigen. Wird eine Frau also nur in ihrer Position als Frau und den damit einhergehenden Diskriminierungsprozessen analysiert, wird ausgeblendet, dass sie aufgrund des Zusammenspiels von Sexismus und Rassismus z. B. nicht nur als Frau, sondern auch als Angehörige einer ethnische Gruppe diskriminiert wird. Eine analytische Betrachtung muss die Verflochtenheit der Kategorien integrieren und die Homogenität, die mit Begriffen wie „Rasse“, Sexualität oder Klasse suggeriert wird, hinterfragen. Eine Trennung dieser Kategorien würde, so Butler, den „Regulierungszielen des liberalen Staates“ (ebd.: 167) dienen und damit eine Politik unterstützen, die Ausschlussmechanismen produziert. Zugleich kann eine derartige Analyse immer nur in Ansätzen durchgeführt werden.

5.2 Subjekt und Eurozentrismus An der Frage, wie sich das westliche Subjekt in der Auseinandersetzung mit „anderen“ Kulturen bildet, setzt Yeğenoğlu (1998) an, die den Entstehungsprozess des westlichen Gendersubjekts genauer beleuchtet. Das westliche Subjekt konstituierte sich, so Yeğenoğlu, zur Zeit der Aufklärung. Es zeichnet sich durch kausales, rationales, autonomes und selbstverantwortliches Denken und Handeln aus, das „Ich“ oder das „Selbst“ steht im Zentrum der Welt und der Handlungen. Dieses Subjekt braucht ein Anderes, von dem es sich unterscheidet. Dieses „Andere“ wird jedoch unterdrückt und „vergessen“ und dadurch der Anschein an Autonomie erweckt. Dieser Definitionsprozess des Eigenen über den Umweg des Anderen funktioniert über die Markierung des Anderen, wobei der Platz des Subjekts leer bleibt. Im humanistischen Diskurs ist das Andere die Frau bzw. das Weibliche, das all die Eigenschaften beinhaltet, die dem Subjekt fehlen, wie Emotionalität, Schwäche, Irrationalität, Abhängigkeit. Das Männliche wird so zur universalen Norm, die den „leeren“ Platz einnimmt und das Menschliche konstituiert, von dem die Frau die „natürliche“ Abweichung darstellt. Durch die radikale Differenz bedroht das Weibliche allerdings die Stabilität des Subjekts permanent und muss daher immer wieder ausgeschlossen werden.

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Dass dieser Exklusionsprozess des Weiblichen und die Übernahme des „männlichen Blicks“ unabhängig von der jeweiligen biologischen Geschlechteridentität ist, weist Yeğenoğlu (1998) für die Bedeutung von westlichen Frauen in der Entstehung orientalistischer Diskurse nach. Sie zeigt anhand von Briefen einer feministischen Reisenden, wie diese im Kontakt mit den Frauen vor Ort den männlichen Blick übernimmt: „She takes up the masculine, phallic position and employs his frame in enjoyment“ (ebd.: 91). Sie nimmt also im Kontakt mit dem orientalischen Anderen einen Subjektstatus ein, der ihr im Kontakt mit der eigenen Kultur versagt bleibt. Sie reproduziert all das, was den orientalistischen und phallozentrischen Diskurs ausmacht, zugleich bleibt sie, ebenso wie die orientalischen Frauen, die Basis, auf der Phallozentrismus ausgehandelt wird. Das westliche Subjekt konstituiert sich nicht nur über die Abgrenzung zum Anderen, im Kontakt mit den Menschen des Ortes, es nimmt damit immer auch eine männliche Subjektposition ein. Der Westen wird damit als universale Norm konstruiert und die Illusion von Autonomie und Freiheit geschaffen, indem sein konstitutives Anderes negiert wird. Kulturelle und sexuelle Differenzierung sind im Kontext von Orientalismus „powerfully mapped onto each other“ so Yeğenoğlu (ebd.: 10).

5.3 Subjekt- und Gendertheorie Judith Butlers: Erkenntnisse für diese Studie Butlers Ansätze sind nicht ohne Kritik geblieben: Ein großes Problem ist, dass sie ihre Konzepte weder empirisch überprüft noch historisiert, damit fällt sie hinter die Erkenntnisse Foucaults zurück (Landweer 1994: 163). Zudem sieht sie, wie bereits erwähnt, Identität/Subjektivität primär als Genderidentität und blendet die Verwobenheit mit anderen Differenzierungen wie Klasse, Ethnizität und Alter zwar nicht aus, räumt der geschlechtlichen Differenzierung allerdings eine absolute Priorität ein (Villa 2004: 151). Weitere Kritikpunkte sind, dass der Butler’sche Körperbegriff steril und ungenau sei, dass die Materialisierung von Gefühlen nicht erklärt werde (ebd.: 150) und dass sie durch ihre Verabsolutierung des diskurs- und machttheoretischen Rahmens und den für sie dadurch bedingten Ausschluss des Außerdiskursiven den Blick für Mythisches und Symbolisches verliere (Landweer 1994: 156ff.; Trettin 1994: 221). Daraus folge, dass sie von einem sehr homogenisierenden Diskurs-, bzw. Normbegriff ausgehe, der Widersprüchlichkeiten und Hierarchisierungen in Subjektivationsprozessen nicht abbilden könne (Trettin 1994: 221). Ein letzter großer Kritikpunkt ist, dass sie durch ihre 82

ERKENNTNISTHEORETISCHE GRUNDLAGEN

explizit subjekttheoretische Perspektive strukturelle, bzw. gesamtgesellschaftliche Prozesse der Herstellung von Gender in Organisationen oder Institutionen nicht berücksichtige(n könne) (Villa 2004: 151). Ohne hier auf die einzelnen Kritikpunkte im Detail einzugehen, dafür sei auf Villa (2003: 127ff.) verwiesen, wird sich im Folgenden der Kritik angeschlossen, dass Butler soziale Differenzierungen und Hierarchisierungen kaum in den Blick nimmt, sondern fast ausschließlich mit Ein- und Ausschlussprozessen operiert. Sie verweist allerdings immer wieder darauf, dass die sozialen Bedingungen der Subjektivation und des konkreten Sprechakts in die Analyse zu integrieren sind (Butler 1998). Daraus ließe sich weiterdenkend folgern, dass Differenzierung und Hierarchisierung von Subjekten, wie sie sich durch die sozialen Bedingungen gestalten, durchaus in der empirischen Analyse abbilden lassen. Die Frage, die zu beantworten ist, ist, welche der Optionen, innerhalb derer die Subjekte zum Subjekt werden, angenommen und reproduziert werden. Die Optionen werden innerhalb bestimmter institutioneller Bedingungen für spezifische Subjekte durchaus differieren und damit höchst unterschiedliche, miteinander in besonderen Abhängigkeiten und Inklusions- sowie Exklusionsprozessen stehende Subjektkonstruktionen bilden. Dafür wurde für die Interpretation der Ergebnisse ergänzend das Konzept der totalen Institution von Goffman verwendet. Dieses ermöglicht die Integration struktureller, räumlicher und zeitlicher Aspekte, die für die Subjektbildung relevant sind. Im Folgenden wird mit Butler davon ausgegangen, dass die geschlechtliche Strukturierung in allen Gesellschaften eine mehr oder weniger starke Rolle spielt, wobei sich die konkrete Ausprägung zeitlich und kulturell jeweils unterschiedlich gestaltet. Die biologische Reproduktion steht dabei meist im Zentrum der Verwandlung des „kulturell Willkürlichen in Natürliches“ (Bourdieu 2005: 8, Hervorhebung i. O.). In sozialen Prozessen wird in westlichen Gesellschaften die „Tatsache“ erzeugt, dass es zwei sich gegenseitig ausschließende biologische Geschlechter gibt, denen jeweils bestimmte Eigenschaften, Verhaltensweisen, sozialen Positionierungen usw. zugeschrieben werden. Diese Zuschreibungen erfolgen anhand der Differenzierung und Benennung der Subjekte und werden zentral über die Sprache im Diskurs hergestellt. Männlichkeit und Weiblichkeit werden daher mit Butler als soziale Normen gefasst. Sie können als konkrete „Umsetzungen“ der geschlechtlichen Differenzierung in die soziale Praxis angesehen werden. Auf diese Männlichkeits- und Weiblichkeitsnormen beziehen sich die Subjekte performativ, d. h., sie bestätigen oder verändern sie perma-

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GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

nent. Sie inszenieren diese Normen in ihren alltäglichen Praxen und vergewissern sich ihrer Männlichkeit und/oder Weiblichkeit. Der Diskurs privilegiert bestimmte Subjektformen gegenüber anderen, z. B. den weißen christlichen heterosexuellen Mann vor dem islamischen homosexuellen Mann, d. h., er hierarchisiert und definiert Grenzen zwischen legitimen und illegitimen Subjekten. So werden durch diese Subjektivierungspraxen auch die „vergeschlechtlichten Macht- und Herrschaftssysteme“ (Lorber 2003: 47) auf der gesellschaftlichen Makroebene reproduziert. In den Umsetzungspraxen kommt es zu massiven Aushandlungsprozessen, in denen um Deutungsmacht und den Zugang zu Ressourcen gerungen wird. Yeğenoğlu (1998) lässt die Erkenntnis zu, dass im westlichen Kulturkreis der Männlichkeitsnorm gesellschaftlich mehr Bedeutung und Macht zugemessen wird als der Weiblichkeitsnorm. Dies wird besonders im Kontakt mit nicht-westlichen Gesellschaften offensichtlich. Die inhaltliche Begründung der Einteilung in zwei „natürliche“, unveränderliche und unwiderruflich an die beiden jeweiligen biologischen Geschlechter geknüpfte Geschlechterdifferenz kann zwar je nach Kontext variieren, die Form der Geschlechterdifferenz, d. h., dass Geschlechter in Mann und Frau zu differenzieren sind, reproduziert sich fortlaufend. Man könnte Gender daher auch als Institution bezeichnen (vgl. dazu ausführlicher Lorber 2003). Viele der Ansätze zur Konzeptionalisierung von Männlichkeit und Weiblichkeit, bzw. Gender erscheinen daher als unzureichend, da vor allem in der Männlichkeitsforschung nur als biologisch definierte Männer in die Untersuchungen einbezogen werden, Ähnliches gilt für Studien im Rahmen der Frauenforschung. Dies führt zu einer offensichtlichen Reproduktion des vorherrschenden Geschlechterdualismus durch die feministische Forschung selbst, der das biologische und das soziale Geschlecht als natürlich und eng miteinander verknüpft sieht. In der sozialen Praxis stellt diese Vorstellung zwar die dominante Ideologie dar, dennoch erscheint es für analytische Zwecke zunächst hilfreich, Mann/Frau und Männlichkeit/Weiblichkeit als Konzepte voneinander zu trennen bzw. im Sinne Butlers von einer Gleichursprünglichkeit des biologischen und sozialen Geschlechts auszugehen: Weil ein Individuum ein als männlich definiertes Geschlechtsorgan besitzt, identifiziert es sich mit der herrschenden Männlichkeitsideologie, zugleich erzeugt die herrschende Männlichkeitsideologie das Subjekt erst als männliches mit entsprechenden äußeren und inneren Merkmalen (dazu auch Scholz 2005: 262). Foucault lässt die Erkenntnis zu, dass soziale Handlung und Praxis durch Machtverhältnisse definiert und begrenzt sind. In der sozialen Praxis werden Subjekte über Anerkennung und Benennung hervorge84

ERKENNTNISTHEORETISCHE GRUNDLAGEN

bracht. Mit Butler lässt sich davon ausgehen, dass die hervorgebrachten Subjekte über dominante Genderdiskurse in der sozialen Praxis vergeschlechtlicht sind. Im Prozess der Handlung werden Genderideale versucht zu reproduzieren, diese Versuche scheitern jedoch, das Ideal wird nie erreicht. Der Prozess des Scheiterns und die Erkenntnis der Unmöglichkeit des Gelingens ermöglichen wiederum erst Handlungsfähigkeit, Veränderungen und Widerstand. Dabei beziehen sich soziale Handlungen immer auf vorhergegangene oder zukünftige soziale Handlungen (Performativität), wodurch der Eindruck von Natürlichkeit erweckt wird. Es geht also in der Analyse von sozialer Praxis (im Folgenden anhand von Interviews) nicht mehr um das erzählte Ereignis, sondern um die Erzählung selbst. Erst im Prozess des Erzählens wird der Sinn der Erzählung und hergestellt und das Subjekt manifestiert sich. Die Frage ist also, wie wird das Subjekt im Prozess des Erzählens als Subjekt erzeugt, das die Erfahrung gemacht hat, die es beschreibt (Lindemann 1994: 129)?

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6.

Von Butle rs Subjektthe orie z ur Pos itionierungsa nal ys e Methodologisc he Verortung

Butlers Überlegungen zu performativer Identität weiterdenkend hat sich im Rahmen der diskurstheoretisch orientierten Biographie- bzw. Narrationsforschung die sog. Positionierungsanalyse (vor allem Bamberg 1997, 2004; Lucius-Hoene/Deppermann 2004) entwickelt. Butler (2005a: 16) selbst geht davon aus, dass das Subjekt, um die eigene Genese erklären zu können, sich selbst gegenüber die Position eines Dritten einnehmen muss. Zugleich ist die bereits erlebte Konstitutionsgeschichte des Subjekts die Voraussetzung für das Erzählen derselben. Erst in der Sprache, die die sozialen Normen und Diskurse vermittelt, wird das Subjekt zum Subjekt. Durch Anrufung und Benennung wird das Subjekt handlungsfähig und konstituiert sich. In der Analyse der sprachlichen Äußerung also liegt der Schlüssel zur Analyse des Subjekts und der das Subjekt produzierenden Normen. Das Subjekt ist in der Interaktion ständig selbst damit beschäftigt, sich selbst zu legitimieren und sich situativ als intelligibles Subjekt darzustellen. Dabei ist es in den jeweiligen Sprachpraktiken verortet (Bamberg 2004: 224). In Konversationen und Interaktionen positionieren sich die Subjekte selbst und zueinander situationsgebunden als soziale Wesen (Bamberg 1997: 336). Positionierung bezeichnet daher „die diskursiven Praktiken, mit denen Menschen sich selbst und andere in sprachlichen Interaktionen aufeinander bezogen als Personen her- und darstellen, welche Attribute, Rollen, Eigenschaften und Motive sie mit ihren Handlungen in Anspruch nehmen und zuschreiben, die ihrerseits funktional

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für die lokale Identitätsher- und -darstellung im Gespräch sind“ (LuciusHoene/Deppermann 2004: 168).

Diese Positionierungsaktivitäten erfolgen meist implizit und indirekt. Sie beziehen sich sowohl auf eine vorgängig gedachte Identität als auch auf die Etablierung einer situierten Identität. Es kann zu kollektiv geteilten Identitätsbestimmungen oder aber zu Konflikten und Machtkämpfen um bestimmte Subjektpositionen kommen. Positionierungen verweisen auf „soziale und moralische Deutungshorizonte mit komplexen diskursiven Regeln und Konventionen“ (ebd.: 172), zugleich beziehen sie sich auf autobiographische Erfahrungen, historische Wissensbestände, institutionelle Konventionen und kulturelle Gepflogenheiten (ebd.). Positionierungen werden nicht mit einer bestimmten Form des sprachlichen Akts vollzogen, vielmehr kann „jede interaktive sprachliche Handlung […] mehr oder weniger positionierungsrelevant sein bzw. mehr oder weniger positionierungsrelevante Anteile besitzen“ (ebd.: 171). Positionierungen erfolgen auch dort, wo es primär um andere Ziele in der Interaktion geht und sie „quasi nebenbei vollzogen werden“ (ebd.). Die Positionierungsanalyse wird sowohl von Bamberg als auch Lucius-Hoene/Deppermann vor allem für die Analyse von narrativen Elementen, also Erzählungen verwendet. Die Positionierungsanalyse dient dabei als „Metaperspektive“ (ebd.: 168). Die Analyse von Narrationen beinhaltet erstens die Analyse der Charaktere in den erzählten Ereignissen in ihrer Beziehung zueinander. Zweitens ist zu fragen, wie sich der Erzähler selbst in der Erzählung und drittens in seinem Verhältnis zur Zuhörerschaft positioniert (Bamberg 1997: 337). Es gilt, sowohl den Inhalt der Äußerung zu analysieren als auch die Interaktion zwischen Erzähler und Zuhörer (Bamberg 2004: 224f.). Narrationen zu fokussieren bedeutet, den Menschen als Geschichtenerzähler zu konzeptionalisieren. Narrationen verleihen Weltdeutungen und sozialen Praktiken Kohärenz, Bedeutung und durch Wiederholung Regelmäßigkeit (Viehöver 2001: 178). Erlebte Ereignisse werden, so die Annahme, narrativisiert und damit begreifbar gemacht. Narrationen moralisieren Realität und thematisieren Grenzüberschreitungen sowie deren Sanktionierung (Stehr 2002: 8). So lassen sich über Narrationen sowohl bestehende Normen als auch (sozio-)kulturelle und Sinnstrukturen analysieren, die die Subjekte definieren und von denen sie definiert werden. Eine besondere Bedeutung besitzen Narrationen in Organisationen: Sie dienen als Medium der Kommunikation und als Gedächtnis der Organisation, in denen sowohl positive als auch negative Erfahrungen vermittelt und bei Bedarf aktualisiert werden (Weick/Browning 1986: 88

MYTHODOLOGISCHE VERORTUNG

250). Die von der Organisation angebotenen Narrationen konstituieren die organisationalen Subjekte und forcieren Handlungen. Gerüchte spielen in Organisationen eine wichtige Rolle, da sie dazu beitragen, bessere Geschichten zu erzählen und die Situation angemessen einschätzen zu können (ebd.; siehe auch Abschnitt 10.5). Durch Narrationen werden Ereignissen Sinn und Bedeutung zugeschrieben, Subjekte konstruieren damit zudem ihre individuelle, aber auch und vor allem ihre kollektive Identität: „It is through narrativity that we come to know, understand, and make sense of the social world, and it is through narratives and narrativity, that we constitute our social identities“ (Somers 1994: 18). Jede noch so individuelle Narration bezieht sich immer auch auf kollektives Wissen, um kommunizierbar zu sein und verfestigt und reproduziert es damit. Narrationen sind eingebettet in historische, institutionelle, materielle, normative und vor allem hierarchische Kontexte, die über das Wann, Was, Wie und Wo des Erzählens einer Geschichte entscheiden. Narrationen dienen der sozialen Kontrolle, sie „colonize consciousness“ (Ewick/Silbey 1995: 214), indem sie homogenisieren und Charakteren und Ereignissen Kohärenz zuschreiben, wobei sie zugleich ihren Entstehungskontext verschleiern. Narrationen fungieren daher als Distinktionsmechanismus und Grenzzieher: Die Differenzen zwischen Eigenem und Fremden werden über Narrative symbolisch, sprachlich und diskursiv vermittelt (Straub 2004: 286). Im Folgenden werden Narrationen im Sinne von Ewick/Silbey (1995: 206) als „storytelling“ definiert, d. h. als einzelne in sich abgeschlossene Geschichten resp. „Märchen“ bzw. „moderne Sagen“ (Stehr 2002: 4). Diese „Geschichten“ zeichnet aus, dass von den Subjekten eine Auswahl von vergangenen Ereignissen und Charakteren getroffen wird, die in einer chronologischen Reihenfolge (Anfang, Mitte, Ende) stehen, in einen inhaltlichen Zusammenhang gebracht werden und eine zumeist moralisierende Botschaft enthalten: „Narrativizing is impossible without moralizing“ (Ewick/Silbey 1995: 201). Sie sind meist kurz, leicht zu behalten und gut weiterzuerzählen, oft haben sie eine überraschende Pointe, mit der der Erzähler Eindruck machen kann, und werden als „wahre“ authentische Erlebnisse präsentiert. In den Narrationen spiegeln sich die symbolischen, strukturellen und organisationalen Deutungsrahmen, die kollektiv geteilt werden und durch die die Subjekte sich konstituieren. Oft thematisieren sie die Überschreitung von moralischen Grenzen und deren Bewältigung (Stehr 2002: 8). Diese modernen Sagen helfen „in schwierigen sozialen Situationen eigene moralische Empfindlichkeiten, moralische Dilemmata und Unsicherheiten zu artikulieren und zu bearbeiten, ohne dass die Erzähler/innen sich dabei selbst ins Spiel bringen müssen“ (ebd.: 33). 89

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In der Interviewauswertung wurde ein besonderer Fokus auf Narrationen gelegt, da diese sich in besonderer Weise anbieten, Positionierungs- und Subjektivationsprozesse herauszuarbeiten. Da jedoch auch in anderen sprachlichen Äußerungen wie Argumentationen, Meinungsäußerungen oder Informationsweitergabe entsprechende Prozesse nachgewiesen werden konnten, wurden auch diese in die Analyse einbezogen. Im folgenden Kapitel 7 werden der Zugang zum Untersuchungsgegenstand Bundeswehr und die Datenbasis vorgestellt, sowie die verwendeten Methoden erörtet. Das Kapitel endet mit einer ersten empirischen Analyse der Interviews, in der unter Anwendung der Positionierungsanalyse der Prozess der Erzeugung von Gendersubjektivitäten in der Interviewsituation anhand vier ausgewählter Interviews gezeigt wird.

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7.

Empirie: Studie „Geschlecht und Orga nisation a m Be is pie l der Bundesw ehr“

Die im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Daten sind Teil der Studie „Geschlecht und Organisation am Beispiel der Bundeswehr“, die an der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, von November 2002 bis April 2005 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wurde. Außer der Autorin waren Prof. Dr. JensRainer Ahrens, PD Dr. Maja Apelt und Dr. Anne Mangold sowie zwei soldatische studentische Hilfskräfte beteiligt. Für die vorliegende Arbeit wurde eine Auswahl von 33 Interviews ausführlich ausgewertet. Für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit wurden besonders die im Vorfeld aus der Literatur herausgearbeiteten relevanten Themenkomplexe fokussiert: 1. Zugang zur Bundeswehr, 2. Definition des Soldatenberufs bzw. Umgang mit Waffengewalt, 3. Verhältnis zwischen und innerhalb der Geschlechter und 4. Erfahrungen im Einsatz. Im Lauf der Interviewauswertung wurden sie modifiziert, ergänzt und differenziert und nach den jeweiligen für das Feld relevanten Themenbereichen strukturiert.

7 . 1 Au s g a n g s f r a g e n u n d Z i e l s e t z u n g e n des Projektes Aktueller Anlass des Forschungsprojektes war die Öffnung des bewaffneten Dienstes der Bundeswehr für Frauen und die Fragen, ob und wie

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sich das Militär im Zuge dieser Öffnung verändert.1 Ziel war die Untersuchung der Geschlechterordnung des Militärs und der Prozesse seiner Veränderung im Zuge der Integration von Frauen in den bewaffneten Dienst. Es ging dabei einerseits um einen Beitrag zur Gender-Organisations-Debatte, der anhand des Militärs die Verschränkung von Organisations- und Geschlechterstrukturen betrachtet. Andererseits sollte ein Beitrag zur soziologischen Bestimmung des Militärs geleistet werden. Das Projekt lag damit an der Schnittstelle Organisation, Militär und Geschlecht. Zentrale Fragestellungen waren: 1. Wie ist die Kategorie Geschlecht in die Organisation Bundeswehr, d. h. in die Organisationsstruktur und -kultur eingelassen? 2. Welche Veränderungen vollziehen sich mit der Öffnung des bewaffneten Dienstes in Hinblick auf die Geschlechterordnung der Bundeswehr? Welche mikropolitischen Prozesse finden in der Bundeswehr um die Öffnung und Gleichstellung statt? Wie sind diese organisationalen Prozesse mit anderen intra- und interorganisationalen Prozessen verbunden und welche Umweltbedingungen werden von der Organisation relevant gemacht? 3. Welche Chancen haben Frauen im Militär, welche Handlungsstrategien setzen sie ein? 4. Was ist in Bezug auf das Verhältnis von Organisation und Geschlecht das Besondere militärischer Organisationen? Das Forschungsprojekt stellte eine qualitativ angelegte Einzelfallstudie zur Geschlechtersubstruktur der Organisation und ihrer Veränderungen dar. Die hypothesengeleitete Studie umfasste zwei Teile: Teil A bezog sich auf die Ebene der Gesamtorganisation und Teil B auf Studien in organisationalen Einheiten und auf individuelle Akteure. Die Untersuchung verband verschiedene Methoden im Sinne einer Triangulation. Dazu gehörten Dokumentenanalyse, Experten- und Expertinneninterviews, problemzentrierte Interviews, (teilnehmende) Beobachtung und Gruppendiskussion. In Teil A der Untersuchung ging es darum, sich einen Einblick in die Organisationsstrukturen zu verschaffen und zu ermitteln, wie sich der Prozess des Organisationswandels vollzog und welche Akteure daran beteiligt waren. Zudem wurden die mikropolitischen Prozesse im Hinblick auf den Wandel der Geschlechterordnung sichtbar gemacht. Erstens dienten diesem Ziel die Sammlung und Auswertung von Dokumen1

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Die folgenden Abschnitte 7.1-7.4 sind dem zusammen mit PD Dr. Maja Apelt und Dr. Anne Mangold erstellten Fortsetzungsantrag und dem Abschlussbericht an die DFG entnommen und entsprechend angepasst und überarbeitet worden.

STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

ten zur Organisationsstruktur, zur Organisationsgeschichte und zu aktuellen Wandlungsprozessen. Zweitens wurde von den entsprechenden bundeswehrinternen Stellen die Herstellung von Dokumenten, insbesondere Daten zur Personalstruktur, erbeten und deskriptiv ausgewertet. Drittens wurden 65 Interviews mit Experten und Expertinnen geführt. Als Expertinnen und Experten galten insbesondere Organisationsmitglieder, die am Wandel der Geschlechterordnung beteiligt waren, bzw. Inhaber von Schnittstellenpositionen, die die Prozesse des Wandels der Regel- und der Personalstruktur umsetzten wie die Ansprechstellen für spezifische Probleme weiblicher Soldaten, Vertreterinnen und Vertreter des Verteidigungsministeriums, des Einsatzführungskommandos sowie Personen, die im Sozialdienst der Bundeswehr oder in der Personalverwaltung tätig waren. Die Experten- und Expertinneninterviews hatten einerseits die Funktion, die eigene Informationsbasis über den durch die Integration von Frauen vermuteten Organisationswandel zu vergrößern, andererseits sollten die mikropolitischen Prozesse widergespiegelt werden. Die Interviews wurden mit auf die Expertinnen und Experten zugeschnittenen Leitfäden geführt. Die Leitfäden gewährlei– steten durch die theoretischen Vorarbeiten eine inhaltliche Fokussierung, wurden aber so flexibel gehandhabt, dass auch die Relevanzstrukturen der Befragten und überraschende Informationen zum Vorschein kommen konnten. Zusätzlich wurden nach den Interviews Protokolle angefertigt, die Auswertung wurde nach Meuser/Nagel (2002) vorgenommen. In Teil B der Untersuchung wurden drei Teilfallstudien durchgeführt: Die drei Fallstudien bezogen sich auf das Heer, den Sanitätsdienst und die Marine. Ziel dieser Auswahl war die Abbildung der organisationsinternen Differenz. Innerhalb der Bereiche wurden organisationale Einheiten ausgewählt, die als repräsentativ galten. Diesem theoretical sampling sind allerdings Grenzen gesetzt, denn ob eine Einheit tatsächlich typisch ist, zeigt letztlich erst die Analyse selbst. Jede organisationale Einheit nimmt für sich in Anspruch, unter ganz spezifischen Bedingungen jeweils andere Anforderungen erfüllen zu müssen. Insofern stellt jede zugleich auch einen Extremfall dar (Flick 2002: 109). Es war insofern auch Teil der Analyse zu ermitteln, welcher Geltungsbereich der aufgeworfenen Forschungsfragen mit den Teilfallstudien abgedeckt werden kann. Begonnen wurde die empirische Studie im Heer und im Sanitätsdienst. Die Entscheidung für den Sanitätsdienst und das Heer wurde aus folgenden Überlegungen getroffen: Der Sanitätsdienst wurde vor über 30 Jahren für Soldatinnen geöffnet. Zum Zeitpunkt der Interviews besaß er mit fast 30 Prozent den 93

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

höchsten Frauenanteil der Teilstreitkräfte. Unter den seit 2001 eingestellten Zeit- und Berufssoldaten im Sanitätsdienst lag der Anteil von Frauen bei knapp 70 Prozent.2 Der Sanitätsdienst rechnete mittel- und langfristig mit einem Anteil von 50 Prozent an allen Zeit- und Berufssoldaten. Zugleich hat er im Zuge der Auslandseinsätze einen massiven Bedeutungsgewinn innerhalb der Streitkräfte erfahren. Dennoch blieb er bisher sozialwissenschaftlich nahezu unerforscht. Für die Fallstudie wurde ein Lazarettregiment ausgewählt, das den Auftrag hat, im Verteidigungsfall oder im Einsatz ein mobiles Krankenhaus von der Größe eines Kreiskrankenhauses aufzubauen. Zusätzlich führten wir Gespräche an einem Bundeswehrkrankenhaus und an zwei Standortsanitätszentren. Das Heer stellt die größte Teilstreitkraft dar. Es erfährt gegenwärtig durch die Reform der Bundeswehr einen massiven finanziellen und personellen Einschnitt. Das ausgewählte Panzergrenadierbataillon gilt als die klassische und traditionelle Truppengattung des Heeres, der Panzergrenadier dient in der Truppe als Sinnbild des typischen Heeressoldaten. Die Panzergrenadiere stellen den quantitativ größten Teil der Heeressoldaten. Die Aufgabe des Bataillons war zum Zeitpunkt der Untersuchung die Durchführung der Grundausbildung. Zusätzlich bereitete sich eine Kompanie auf den Einsatz in Kundus vor, wo sie vor allem Sicherungsaufgaben übernehmen sollte. Der Anteil der Frauen an den seit 2001 eingestellten Zeit- und Berufssoldaten bei den Panzergrenadieren insgesamt lag laut den vorliegenden Statistiken bei über 15 Prozent und damit unter dem Durchschnitt der Truppengattungen des Heeres (22 Prozent).3 Die ersten beiden Teilfallstudien wurden in folgenden Schritten, die teilweise ineinandergriffen, durchgeführt: 1. ein Vorgespräch mit dem Kommandeur; 2. ein Bataillonsbriefing (jedes Bataillon besitzt eine offizielle PowerPoint-Präsentation zur Lage und Geschichte des Bataillons, zum Auftrag im Frieden und im Krieg, einschließlich der Auslandsaufträge, zur Personal- und Ausbildungsstruktur, Ausrüstung usw.); 3. Begehung des Standortes; 2 3

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Die folgenden Angaben basieren auf eigenen Berechnungen. Zahlen zur Zusammensetzung der jeweiligen Regimenter wurden uns auch nach intensiven Bemühungen nicht oder nur unvollständig gegeben. Dies hatte vor allem mit der strukturellen Überarbeitung der jeweils zuständigen Soldaten zu tun, teilweise hatten die Verantwortlichen selbst keinen Überblick über die aktuelle Stärke ihrer Kompanie. Hinzu kam, dass die Fluktuation an Soldatinnen und Soldaten an den Standorten durch Lehrgänge, Auslandseinsätze, Übungen u.Ä. überraschend hoch war. Die auf dem Papier verwalteten Soldatinnen und Soldaten entsprachen damit keineswegs der realen Anzahl der Soldatinnen und Soldaten am Standort zum Zeitpunkt der Feldforschung.

STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

4. Interviews mit Vertretern des Stabes (insbesondere Personal und Ausbildung) und teilweise mit anderen Expertinnen und Experten; 5. (teilnehmende) Beobachtungen an einzelnen Ausbildungselementen, Dienstbesprechungen, Mittagessen in den verschiedenen Laufbahngruppen, teilweise Übernachtung in einer Kompanie; 6. problemzentrierte Interviews mit Zeit- und Berufssoldaten (Auswahl nach Laufbahngruppen und Geschlecht); 7. Analyse von für uns hergestellten Dokumenten zur Personalstruktur, soweit dies möglich war. Die beiden Teilfallstudien wurden von Anfang Januar bis Mitte März 2004 durchgeführt. Die dritte Fallstudie in der Marine ergab sich durch die Anbindung der Leiterin des Projekts an die Helmut-Schmidt-Universität und aktuelle Entwicklungen innerhalb dieser Teilstreitkraft. So wurde Weihnachten 2003 an Bord eines Minentauchboots eine Soldatin ermordet, vermutlich in Verbindung mit sexueller Belästigung. Daraufhin fand eine bundeswehrinterne Tagung zu sexueller Belästigung in der Marine statt, in der die Notwendigkeit einer Studie zu diesem Thema kommuniziert wurde. Diese Fallstudie wurde daraufhin im Juni 2005 nach Ablauf des geförderten Projekts, aber mit dem gleichen theoretischen wie empirischen Konzept durchgeführt. In dieser dritten Fallstudie führten außer den beteiligten Forscherinnen auch zwei männliche soldatische studentische Hilfskräfte Interviews, was sich gerade für die Einschätzung der Bedeutung von Geschlecht, Position usw. für die Erhebung und Analyse erhobenen Daten als Glücksfall erwies (siehe Kapitel 7.7). Die Marine ist immer schon mit langen Abwesenheitszeiten, engen räumlichen Bedingungen und der lokalen Zivilbevölkerung konfrontiert gewesen. Auf See entwickelten sich – ebenso wie in den Kasernen im Einsatzland – eigene Subkulturen, die sich wiederum je nach Größe und Aufbau des Schiffs unterschieden. Der Frauenanteil unter den seit 2001 eingestellten Soldaten und Soldatinnen in der Marine lag Ende Dezember 2004 bei 11,3 Prozent. Für die Fallstudie wurden zwei Schiffe, ein Einsatzgruppenversorger und eine Fregatte ausgewählt. Ein Einsatzgruppenversorger hat den Auftrag, einen Einsatz bis zu 45 Tage zu versorgen, ohne dass ein Landgang nötig wäre. Zudem führt der Einsatzgruppenversorger ein Marineeinsatzrettungszentrum mit sich, um die auf See befindlichen Soldaten adäquat zu versorgen. Zur Stammbesatzung zählen 157 Soldaten und Soldatinnen. Zum Zeitpunkt der Interviews war das Schiff gerade von einem halbjährigen OEF-Einsatz zurückgekehrt und die Soldaten und Soldatinnen standen unter dem Eindruck der Tsunami-Katastrophe, bei der sie medizinische Hilfe geleistet hatten. Der 95

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Kampf ist bis auf die Selbstverteidigung nicht im Auftrag enthalten. Die Fregatte ist vor allem für den Kampf gegen U-Boote ausgelegt, kann aber auch zum Kampf gegen Flugzeuge oder Schiffe eingesetzt werden. Ihre Stammbesatzung beläuft sich auf 219 Soldatinnen und Soldaten. Die Fregatte befand sich gerade in der Vorbereitung für einen neuen Einsatz und war im Jahr zuvor am Horn von Afrika stationiert.

7.2 Die Erkundung des Untersuchungsobjekts und die Herstellung der Zugänge Die Erfahrungen bei der Herstellung der Zugänge sind insgesamt uneinheitlich. Die Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium gestaltete sich mühsam, so benötigte z. B. die Bearbeitung von Anfragen und Genehmigungen häufig einen Vorlauf von ca. drei Monaten. Teilweise reagierten einige der Experten und Expertinnen sowie Praxispartner und -partnerinnen mit Reserviertheit oder Ablehnung auf unsere Fragen und verwiesen uns beständig auf das Ministerium. Sofern die Genehmigung durch das Ministerium und die Vorgesetzten vorlag, wurden wir bereitwillig und mit Interesse unterstützt.

7.3 Die Zugänge zu den Teilfallstudien und d i e Au s w a h l d e r i n t e r v i ew t e n S o l d a t i n n e n und Soldaten Das Lazarettregiment: Ausgangspunkt war ein gegenseitiges Informationsgespräch, an dem der Kommandeur, zwei Stabsoffiziere, zwei Vertrauenspersonen (entspricht dem Personal- oder Betriebsrat) und zwei Vertreterinnen des Projektes teilnahmen. Der Kommandeur begründete die Beteiligung der anderen Personen damit, dass das Projekt die Unterstützung der Vertrauenspersonen finden müsse und durch den Stab abgesichert werden würde. In diesem ersten Gespräch wurde vereinbart, dass wir uns zunächst eine Woche lang mit den Strukturen des Regi– ments vertraut machen und daraufhin die Entscheidungen treffen könnten, welche Einheiten wir (teilnehmend) beobachten und welche Soldaten und Soldatinnen interviewt werden sollen. Auch sollten Daten zur Personalstruktur bereitgestellt werden. Es wurde vereinbart, dass wir mit einer Flecktarnuniform ohne Dienstgrad eingekleidet werden, um einerseits etwas Vertrauen zu schaffen und andererseits „im Feld“ etwas weniger aufzufallen.

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STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

Wir erhielten ein ausführliches Briefing sowie eine Führung durch die Räume des Stabes und bekamen die Möglichkeit zu Informationsgesprächen mit Vertretern des Stabes, der Familienbetreuungsstellen, der Kompanien und anderer Stellen. Zudem nahmen wir an zahlreichen Dienstbesprechungen der Chefs, des Stabes und einzelner Kompanien, an einem Stadtempfang für die Soldaten und Soldatinnen und an den Mahlzeiten der Offiziere teil und wurden einmal durch das gesamte Gelände geführt. In der ganzen Zeit war es möglich, sich selbständig im Gelände zu bewegen, die nächsten Untersuchungsschritte zu planen, Interviewpartner und -partnerinnen auszuwählen, Interviews zu führen und Beobachtungen zu machen. Das Panzergrenadierbataillon: Am ersten persönlichen Informationsgespräch nahmen zwei Vertreterinnen unseres Projektes und der Kommandeur selbst teil. Einer Einbeziehung der Vertrauenspersonen in die Vorbereitung der Fallstudie erteilte der Kommandeur eine dezidierte Absage, da die Entscheidung, an den Interviews teilzunehmen, allein durch ihn getroffen werde. Wir trugen auch hier die Flecktarnuniform und waren während der Fallstudie in der Kaserne in einem Flur mit Rekruten untergebracht. Wir erhielten am Beginn der Untersuchung ein Bataillonsbriefing und konnten danach Gespräche mit für Personal und Ausbildung zuständigen Stabsunteroffizieren führen. Für Beobachtung und Interviews konnten wir Positionen und Ausbildungsinhalte vorgeben, die Personen wurden vom Kommandeur resp. den Vorgesetzten ausgewählt.4 Es stellte sich dabei heraus, dass lediglich zwei Soldatinnen im Bataillon in der Grundausbildung waren und dass mit zwei weiteren Soldatinnen als Gruppenführerinnen erst im Frühjahr gerechnet wurde. Die Marine: Die Studie ergab sich durch ein informelles Treffen innerhalb der Marine, bei dem festgestellt wurde, dass es keinerlei Wissen über die Situation der Frauen in der Marine gab. So konnte der Zugang zu den beiden untersuchten Einheiten hergestellt werden. Ebenso wie bei den beiden anderen Fallstudien bekamen wir die Möglichkeit, die Soldatinnen und Soldaten bei ihrer Arbeit zu beobachten, übernachtet wurde in den Unterkünften für Soldatinnen und Soldaten im Hafen. Die Interviewpartnerinnen und -partner wurden auch hier nach den von uns vorgegebenen Kriterien von der Führung ausgewählt, teilweise erklärten sich die Soldatinnen und Soldaten von sich aus zu einem Inter4

In der anschließenden Interviewauswertung zeigte sich jedoch, dass diese Auswahl sich nicht ausschließlich auf besonders unkritische Soldatinnen und Soldaten bezog, wie zu vermuten gewesen wäre, sondern dass sich ebenso wie im Sanitätsdienst das gesamte Spektrum an Einstellungen und Meinungen wiederfinden ließen. 97

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

view bereit. Aufgrund der negativen Erfahrungen in den vorherigen beiden Studien (siehe dazu ausführlich Abschnitt 7.7.4) trugen die Forscherinnen bei dieser keine Uniform.

7.4

Teilnehmende Beobachtung

Wir haben uns in unseren Teilfallstudien dafür entschieden, zunächst mit offenen Augen und Ohren (für unser Feld und für uns selbst) in das Feld zu gehen (Bachmann 2002: 338). Wir beobachteten die Soldaten und Soldatinnen bei einzelnen Ausbildungsabschnitten (Formaldienst, Schießausbildung, Aufbau eines Lazarettzeltes u.Ä.), nahmen an Appellen und an Dienstbesprechungen auf Stabs-, Chef- und Kompanieebene teil, übernachteten in der Kaserne und befragten die Beforschten (je nach Situation) über ihre Tätigkeiten. Besondere Aufmerksamkeit widmeten wir zunächst den Arbeits- und Lebensbedingungen in der Kaserne, den Inhalten der Tätigkeiten, und – soweit möglich – den Kooperationsformen und Unterordnungsverhältnissen sowie den formellen wie informellen Normen und Regeln der verbalen wie nonverbalen Interaktion. Die Beobachtungen wurden in Protokollen niedergeschrieben und enthalten • den jeweiligen Ablauf der Teilnahme, • Situationsbeschreibungen, • unterschiedliche persönliche Eindrücke, • Ideen und theoretische Überlegungen. In einer späteren Supervision haben wir unsere unterschiedlichen Eindrücke aufgefangen und hinterfragt. Es zeigte sich dabei, dass die Beobachtung besondere Ansprüche an die Kontrolle der Beziehung zwischen Beobachterinnen und Beobachteten und die entstandenen Daten stellt.5 Den Abschluss der Feldforschungsphase bildete die Durchfüh5

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Die Problematik der Beobachtungen wurde insbesondere am ersten Tag im Panzergrenadierbataillon deutlich. Die Offiziere machten uns Komplimente zu unserem Aussehen in Uniform. Man(n) amüsierte sich über die Vorstellung, mit uns über die Hindernisbahn zu laufen. Beim Mittagessen und Kaffeetrinken im Kasino wurde viel gescherzt. Die Scherze waren so gesetzt, dass immer auch eine sexistische Interpretation möglich (aber nicht unumgänglich) war. Zugleich entwickelte sich in der Kommunikation eine Hierarchie zwischen den Offizieren an deren unteren Ende wir platziert wurden. Die Interpretation der Situation und der einhergehenden Emotionen durch die Beobachterinnen waren sehr unterschiedlich und abhängig von Alter und Position der Forscherinnen. Erschwert wurde die Bewertung der Situationen zusätzlich dadurch, dass die Soldaten und Sol-

STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

rung von Gruppendiskussionen in den jeweiligen untersuchten Einheiten mit dem Ziel, erste Ergebnisse zu validieren.

7.5

Problemzentrierte Interviews

Im Lazarettregiment wurden 25, im Panzergrenadierbataillon 20 und in der Marine 25 problemzentrierte Interviews nach Witzel (2000) durchgeführt. Problemzentrierte Interviews zeichnen sich durch das Wechselspiel von Vorwissen und Offenheit gegenüber der Empirie aus und dienen der Theoriegenerierung (ebd.: 3). Die drei Grundpositionen des problemzentrierten Interviews sind 1. Problemzentrierung, d. h. die „Orientierung an einer gesellschaftlich relevanten Problemstellung“ (ebd.: 4), 2. Gegenstandsorientierung, was bedeutet, die Methode variabel auf den untersuchten Gegenstand anpassen zu können und verschiedene Methoden zu verwenden (ebd.: 5), und 3. Prozessorientierung, mit der auf den individuellen Gesprächsverlauf eingegangen werden kann, die so eine Offenheit für die Interpretation der Daten zulässt (ebd.: 6): Zur thematischen Sondierung und Unterstützung des Erzählflusses diente ein Gesprächsleitfaden, auf den die Interviewerinnen und Interviewer situativ zurückgegriffen haben. Auf diese Weise konnten umfangreiche narrative Anteile in die Interviews integriert werden. Die zentralen Themen der Interviews waren: bisheriger Lebenslauf innerhalb und außerhalb der Bundeswehr, momentane Tätigkeit, Einschätzung des Soldatenberufs, Erfahrungen im Auslandseinsatz und Erfahrungen im Umgang zwischen Frauen und Männern. Die Bedeutungsstrukturierung des Erzählten sollte den Interviewten überlassen bleiben. Die qualitativen Interviews wurden mit einem Kurzfragebogen zu demographischen Daten (Geburtsjahr, Familienstand, Schulabschluss usw.) kombiniert (ebd.: 7). Die Interviews dauerten ein bis zwei Stunden und wurden auf Tonband aufgenommen und später transkribiert. Es wurden Protokolle zur Gesprächssituation und über zusätzliche Informationen angefertigt (ebd.: 8). Die Protokolle besitzen deshalb eine besondere Bedeutung, weil viele Interviewpartner nach Ende des Interviews zusätzliche Informationen, Eindrücke, Meinungen u.Ä. kundgetan haben. Die Auswertung erfolgte nach dem von Witzel (ebd.: 19ff.) vorgegebenen Schema und wurde für die vorliegende Arbeit mit der Positionierungs- und Narrationsanalyse ergänzt:

datinnen auch im Lazarettregiment über unser Aussehen in Uniform scherzten, dies wurde aber von uns nicht sexistisch interpretiert. 99

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

1. Markierung des Textes mit Stichworten aus dem Leitfaden (theoriegeleitet) und mit Begrifflichkeiten, die neue thematische Aspekte aus den Darstellungen der Interviewpartner kennzeichnen (induktiv). Narrationen wurden aus den Texten für die spezifische Analyse entfernt. 2. Analytische Zuordnung thematischer Auffälligkeiten zu „invivocodes“, also alltagsnahen Begriffen. 3. Anfertigen einer Falldarstellung, die mit dem Einzelfall vertraut macht. Einzelaussagen oder Textsequenzen können damit in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden. 4. Erzeugung fallspezifischer zentraler Themen, die mit Originaltextstellen, Paraphrasierungen und analytischen Aussagen verbunden wurden, diese ausgewählten Textstellen wurden wiederum nach dem Prinzip der offenen Kodierung nach Strauss/Corbin (1990) kodiert und Schlüsselkategorien entwickelt. Diese wurden anschließend zueinander in Beziehung gesetzt (axiale Codierung), wobei auf Bedingungen (Schlüsselwörter weil, da, wegen usw.), Interaktion zwischen den Akteuren (Wechselbeziehungen zwischen Handelnden), Strategien und Taktiken (gezielter Einsatz von Strategien, Taktiken), Konsequenzen (als Folge von, deshalb, mit dem Ergebnis, folglich usw.) geachtet wurde. Dabei stand vor allem die Frage im Mittelpunkt, wie sich die Subjekte als Subjekte in den sprachlichen Äußerungen positionieren. 5. Entwicklung von zentralen Positionierungsstrategien und Themen im Vergleich der Interviews untereinander, die der Erzeugung von Hypothesen diente und mit empirischem Material ergänzt wurden. 6. Gesonderte Analyse der Narrationen nach der von Viehöver (2001) vorgeschlagenen Systematik ergänzt mit Bambergs (2004) und Lucius-Hoene/Deppermanns (2004) Vorschlägen zur Durchführung einer Positionierungsanalyse (siehe Kapitel 6): • Was ist passiert? • Welche Akteure treten an welchen Orten auf und welche Ereignisabfolge lässt sich rekonstruieren? • Welche Probleme werden kontinuierlich thematisiert? Wer definiert sie wie? • Welche Problemlösungen werden angesprochen? Von wem werden sie vorgeschlagen? Welche Strategien/Taktiken werden angewendet, um das Problem zu lösen, welche werden verworfen und warum? • Wie lassen sich die Interaktionen und Positionierungsstrategien zwischen den Akteuren beschreiben?

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STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

• Welche intendierten und nicht-intendierten Konsequenzen finden Erwähnung? • Welche moralischen Prinzipien oder Leitbilder werden zur Rechtfertigung der Position herangezogen? • Wie positioniert sich der Erzähler in der Geschichte? Der nächste Schritt bestand darin, die motivgleichen Narrationen zu vergleichen und zu kontextualisieren. Das Herausarbeiten von Verbindungen zwischen Geschichtentext, Erzählsituation und gesellschaftlichem bzw. organisationalem Kontext diente schließlich der Beantwortung der Frage: Wie hängt das Erzählte mit der Organisation, Subjektivationsprozessen und Gender zusammen? Mit Butlers Überlegungen, dass sich durch die sprachliche Reproduktion vorhandener sozialer Normen die Subjekte bilden und dass diese Normen von der heterosexuellen Matrix durchdrungen sind und damit Subjektivationsprozesse immer auch Vergeschlechtlichungsprozesse darstellen, ergab sich die Vermutung, dass jede dieser Narrationen und Positionierungsprozesse vergeschlechtlicht ist. Scholz (2004: 240ff.) arbeitet anhand von autobiographischen Interviews folgende Merkmale für Männlichkeitsnarrationen heraus: Männlichkeitsnarrationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie zum einen einen starken Bezug auf Erwerbsarbeit haben. Frauen, Familie oder Kolleginnen tauchen kaum auf, männliche Konkurrenzbeziehungen spielen eine zentrale Rolle. Die Dethematisierung von Familie und die ausschließliche Konstruktion heterosexueller Partnerschaften deuten nach Scholz darauf hin, dass die Familie nicht zu den Männlichkeitsnarrationen gehört. Zum anderen sind nach Scholz (ebd.: 258) auf einer linguistischen Ebene Männlichkeitsnarrationen dadurch gekennzeichnet, dass sie chronologisch und linear sind, die Ich-Erzähler werden als autonom dargestellt, das Ich als vom Anderen abgegrenzt. Die Narrationen haben die Form einer Helden- oder Abenteuergeschichte, in der sich die Erzähler als Gewinner und Überlegene konstruieren, selbst wenn sie real Niederlagen erleiden. Das fraglos Gegebene – als das die Geschlechterdifferenz und vor allem Männlichkeit wirkt – wird nur dort thematisiert, „wo die gewohnten Denk- und Handlungsmuster durchbrochen werden, wo es zu Krisen und gesellschaftlichen oder individuellen Umbrüchen kommt“ (Meuser 1998: 175). Frauen sind daher, so lässt sich schlussfolgern, dazu gezwungen, sich selbst als Frauen zu thematisieren, falls die sprachliche Struktur männlich ist und für eine „weibliche“ Sprache keine Narrationen zur Verfügung stehen. Daraus folgt für die empirische Analyse, dass man besonders die Stellen analysiert, in denen die Interviewpartner von sich aus die 101

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Geschlechterdifferenz thematisieren. In einem weiteren Schritt werden die Stellen betrachtet, an denen durch die Interviewführung explizit die Geschlechterdifferenz hervorgerufen wird. Den sprachlichen Äußerungen der Frauen ist dabei besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da sie sich in besonderer Weise als Frauen zur männlichen Struktur positionieren müssen und positioniert werden, was sich dementsprechend auch in ihren sprachlichen Darstellungen äußert (dazu auch Dittmer 2007c: 163).

7.6

Au s w a h l d e r I n t e r v i ew s

Aus den vorliegenden 65 Interviews mit Soldatinnen und Soldaten wurden für die ausführliche Analyse 33 Interviews ausgewählt. Zentrales Auswahlkriterium war, dass die Soldaten und Soldatinnen bereits im Auslandseinsatz waren, wenn auch letztlich bei der Auswahl der weiblichen Soldaten von diesem Kriterium etwas Abstand genommen werden musste, da sonst kaum weibliche Soldaten im Sample vorhanden gewesen wären.6 Auch wurden die ausgewerteten Interviews nicht alle von der Autorin selbst geführt. Da die Interviews aber alle im Rahmen des oben beschriebenen Projekts erhoben wurden, sind ausreichend Kontextinformationen vorhanden gewesen, die für eine Analyse nicht eigenständig erhobener Daten notwendig sind (siehe dazu Corti et al. 2005). Das Sample bestand aus 19 Männern (9 Sanitäter7, 4 Marinesoldaten, 6 Panzergrenadiere), von denen 2 ohne Auslandserfahrung waren und 14 Frauen (7 Sanitäterinnen, 6 Marinesoldatinnen, 1 weiblicher Panzergrenadier), von denen 6 bisher keine Erfahrungen im Ausland gesammelt hatten. 7 Marinesoldaten (3 Männer und 4 Frauen) kommen von dem Versorger, der im OEF-Einsatz und im Rahmen der Tsunamihilfe in Banda Aceh eingesetzt war. Die anderen 4 Marinesoldaten hatten vor allem Erfahrungen in Dschibuti, einer Station im OEF-Einsatz, gesammelt. Die meisten der Sanitätssoldatinnen und -soldaten und der Panzergrenadiere waren im KFOR-Einsatz im Kosovo (9, davon 1 6

7

Da es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine explorative qualitative Studie handelt, wurde die Auswahl der Interviews nach inhaltlichen/thematischen Kriterien getroffen, eine statistische Repräsentativität ist daher nicht gegeben, zur Verallgemeinerbarkeit und Repräsentativität von qualitativen Studien siehe z.B. Flick (2002: 317ff.). Sanitäter und Sanitäterinnen werden in allen Teilstreitkräften eingesetzt. Sie werden im Folgenden unter dem Sanitätsdienst angeführt, wenn auch viele der Soldaten und Soldatinnen ihre gesamte Dienstzeit z.B. in der Marine verbringen und die Identifikation mit der entsprechenden Teilstreitkraft hoch ist.

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STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

Frau), 5 männliche Soldaten waren in Bosnien und 2 in Afghanistan wie auch 1 weitere Frau.8 6 der männlichen Soldaten waren bereits mehr als einmal im Einsatz (3 Sanitäter, 3 Panzergrenadiere), für die Soldatinnen war es durchgehend der erste Einsatz. Sanität und Marine sind mit 14 bzw. 11 Interviews überproportional vertreten. Dies liegt daran, dass in den beiden untersuchten Einheiten von Sanität und Marine sowohl der Frauenanteil als auch die Auslandserfahrungen sehr viel größer waren als bei den Panzergrenadieren. Betrachtet man die Verteilung bezogen auf die Dienstgrade, so sind insgesamt 10 Offiziere (4 weiblich), 16 Unteroffiziere/Feldwebel (8 weiblich) und 7 Mannschaften (2 weiblich) vertreten. Von den weiblichen Offizieren gehören 2 der Sanität, 1 der Marine und 1 den Panzergrenadieren (Offizieranwärter) an. Bei den männlichen Offizieren handelt es sich um 2 Panzergrenadiere, 4 Sanitäter und 1 Marinesoldat. In den mittleren Dienstgraden wurden 6 Unteroffiziere, die alle der Marine angehörten, und 9 Feldwebel, von denen 4 weibliche der Sanität, 3 männliche den Panzergrenadieren und jeweils 1 dem Sanitätsdienst und der Marine angehörten, einbezogen. Die Alterstruktur der ausgewerteten Interviews gestaltet sich wie folgt: Zwischen 20 und 29 Jahren sind über die Hälfte der Interviewpartner (insgesamt 20), davon 9 in der Marine (3 männlich und 5 weiblich), 7 im Sanitätsdienst (3 männlich und 4 weiblich) und 4 (3 männlich und 1 weiblich) bei den Panzergrenadieren. In der Altersgruppe zwischen 31 und 40 Jahren sind 7 der Interviewten zu finden, davon 6 im Sanitätsdienst (3 männlich und 3 weiblich) und 1 männlicher Soldat bei den Panzergrenadieren. Älter als 40 Jahre sind 6 der männlichen Interviewpartner, davon ist 1 aus der Marine, 3 sind aus dem Sanitätsdienst und 2 sind Panzergrenadiere. Die jüngste Interviewpartnerin ist mit 22 ein weiblicher Unteroffizier der Marine, der Älteste mit Ende 40 ein Hauptmann des Sanitätsdienstes. Ergänzend wurden für die Analyse ausgewählte Experten- und Expertinneninterviews hinzugezogen, diese werden an den jeweiligen Stellen jeweils kurz vorgestellt. Sie dienen dazu, die Sicht der Bundeswehrführung darzulegen, aber auch von für die Soldatinnen und Soldaten wichtigen Ansprechpersonen wie z. B. den Truppenpsychologen und -psychologinnen, Vertretern und Vertreterinnen des Sozialdienstes oder der Vertrauenspersonen. Zudem besitzen die Experten- und Expertinnen in vielen Fällen Informationen bzw. Wissen über die Thematik, die den 8

Wenn Soldaten in mehreren unterschiedlichen Einsätzen waren, wurden diese auch jeweils als einzelne Einsatzerfahrung gezählt. Daher liegt hier keine Kongruenz mit der tatsächlichen in das Sample aufgenommen Anzahl an Soldaten vor. 103

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

„Laien“ verborgen bleiben und/oder die die Laien implizit in ihr Alltagswissen aufnehmen. Experten- und Expertinnen stehen zudem für „Strukturzusammenhänge, sie verkörpern organisationale und institutionelle Entscheidungsstrukturen und Problemlösungen, sie repräsentieren Wissensbestände im Sinne von Erfahrungsregeln, die das Funktionieren von sozialen Systemen bestimmen“ (Liebold/Trinczek 2002: 41).9

7.7 Die Konstruktion von Gender in der Interviewsituation Die Bundeswehr ist, gerade für weibliche zivile Forscher, ein sehr spezielles Forschungsfeld mit speziellen Umgangsformen, Kulturen und Diskursen. Man ist als Forscherin zunächst eine Fremde, der Misstrauen entgegengebracht wird und die auf spezifische Art und Weise sich im Feld positioniert oder positioniert wird. Diese Positionierungsprozesse haben massiven Einfluss auf die produzierten Daten und die nachträgliche Einschätzung dessen, was mit den erhobenen Daten gesagt werden kann und was nicht. Im folgenden Abschnitt werden daher folgende drei Fragen thematisiert: 1. Welche feministischen Ansätze und Methodologien existieren zu der Frage, wie Gender in der Interaktion – im Feld und in der konkreten Interviewsituation – hergestellt wird? 2. Wie sind wir als Forscherinnen im Feld positioniert worden und wie haben wir uns selbst positioniert? 3. Welche Konstruktionsprozesse von Geschlecht laufen während einer Interviewsituation ab? In einem ersten Schritt wird der aktuelle Forschungsstand zum Thema dargestellt. In einem zweiten Schritt wird der Prozess der Feldforschung einer ausführlichen Analyse unterzogen, hier werden insbesondere die erstellten Feldprotokolle analysiert. In einem dritten Schritt werden vier verschiedene Interviewsituationen (Interviewerin und Soldatin, Interviewerin und Soldat, Interviewer (Soldat) und Soldatin, Interviewer (Soldat) und Soldat) bezogen auf die interaktiven Herstellungsprozesse von Gender analysiert und gegenüber gestellt.

9

Sowohl die Soldatinnen- und Soldateninterviews als auch die Interviews der Expertinnen und Experten wurden im Folgenden mit Synonymen versehen, um die Anonymität zu gewährleisten. Zusätzlich werden Geschlecht, Dienstgrad und Teilstreitkraft/Truppengattung erwähnt.

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STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

Feministische Ansätze und Methodologien zur Konstruktion von Gender in der Interviewsituation Im deutschsprachigen Raum ist die Reflexion darüber, welche Auswirkungen die situative Konstruktion von Gender auf Art und Aussagekraft der erhobenen Daten haben kann, wenig entwickelt, obwohl die deutsche Feministin Maria Mies mit ihren „methodischen Postulaten“ (1993: 68ff.) im Jahr 1977 als eine der ersten westlichen Frauenforscherinnen überhaupt eine spezifisch weibliche Methodologie forderte. Sie geht davon aus, dass Frauenforscherinnen einer widersprüchlichen Vergemeinschaftung unterliegen. Einerseits sind sie von der sexistischen Unterdrückung ebenso wie alle anderen Frauen betroffen, andererseits teilen sie jedoch als Teil der männlich dominierten akademischen Elite deren Privilegien (ebd.: 67). Dieser Widerspruch führt Mies zu der Forderung, dass Frauenforscherinnen ihre eigenen Erfahrungen von Unterdrückung und Diskriminierung in den Forschungsprozess integrieren sollten, um sich und ihre Forschung nicht von der herrschenden Elite instrumentalisieren zu lassen, sondern aktiv an den sozialen Bewegungen und den Kämpfen für die Emanzipation der Frau teilzunehmen (ebd.: 69). Der Forschungsprozess soll damit, so Mies, ein Prozess der Bewusstwerdung auf beiden Seiten sein (ebd.: 72). Sie formulierte damit zum ersten Mal in dieser Deutlichkeit, dass der Slogan der Frauenbewegung, dass das Persönliche politisch ist, bis in die Forschungsparadigmen hinein zu realisieren sei. Diese Forderungen riefen eine Vielzahl von Kritiken und Diskussionen hervor (siehe dazu zusammenfassend Mies 1993), besonders die Annahme, dass alle Frauen gleichsam unterdrückt seien und sich daher eine gemeinsame Emanzipationsidentität bilden könne, wurde massiv kritisiert: Frauen sind immer auch „Mittäterinnen“ (Thürmer-Rohr 1983: 13) und unterstützen durch ihr Verhalten den status quo, Die westliche feministische Bewegung selbst wird als Teil des hegemonialen Diskurses wahrgenommen, der die Erfahrungen nicht-westlicher Frauen nicht reflektiert (siehe z. B. Mohanty 1988). Ein Resultat dieser Diskussion ist, dass es sich in bestimmten feministischen Milieus mittlerweile durchgesetzt hat, die Position, von der aus man oder frau spricht, zu thematisieren, um die Begrenztheit und den Blick des eigenen Wissens zu verdeutlichen. Foucault und Butler zeigen, dass Wissen und Interaktionen immer machtvoll sind und über Sprache reproduziert werden (siehe Kapitel 5). Daher ist davon auszugehen, dass die Forscherinnen und Forscher in den Forschungsprozess immer auch eigene soziale, historische und kulturelle Aspekte einbringen – ihre eigene Geschichte –, die den Interaktionsprozess zwischen 105

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

den Forschungsteilnehmern ebenso wie die Forschungsergebnisse beeinflussen. Bereits Alfred Schütz schreibt, dass die Interpretation der Welt auf eigenen Erfahrungen ebenso wie auf übermittelten Erfahrungen anderer beruht: „All diese mitgeteilten und unmittelbaren Erfahrungen schließen sich zu einer gewissen Einheit in der Form meines Wissensvorrats, der mir als Bezugsschema für den jeweiligen Schritt meiner Weltauslegung dient“ (Schütz 1975: 26). Dies gilt natürlich für die Forschenden ebenso wie für die Beforschten. Dem Geschlecht der Forschenden kommt hier eine entscheidende Bedeutung zu: „Yet I came to understand that it was not so much me as a person having a particular interactional and interview style to whom they were sharing their stories. Rather they were relating to me on the basis of their expectations of me as a woman“ (Arendell 1997: 348).

Die Forscherinnen im Feld Besonders virulent wird die Erfahrung der eigenen geschlechtlichen Positionierung, wenn man Forschung in einem als eindeutig männlich oder weiblich definierten Bereich durchführt, der zudem, wie im vorliegenden Fall Bundeswehr, nicht einer unterdrückten Minderheit angehört, sondern, wie Grenz formuliert, Teil des „dominant discourse of masculine heterosexuality“ (Grenz 2005: 2093) ist. Feministische Forschungen über Mitglieder machtvoller und dominanter Institutionen lassen sich nur schwer mit den oben beschriebenen Strategien der Parteinahme oder der Ermöglichung des „Sprechen-Lassens“ von Unterdrückten und Ausgeschlossenen, wie es auch die Vertreter und Vertreterinnen postkolonialer Ansätze fordern (z. B. Spivak 1995), bewältigen. Zugleich gibt es kaum Literatur darüber, wie feministische Forschung in Institutionen des hegemonialen Diskurses methodologisch zu fassen ist. Easterday et al. (1977: 336) stellen fest, dass sie als Forscherinnen ebenso wie die Frauen in den jeweiligen untersuchten Feldern behandelt wurden. So kam es zu paternalistischen Vater-Tochter Beziehungen, zu sexueller Belästigung, der Ausnutzung der Forscherinnen für Sekretariatsarbeiten oder die Frauen dienten als Maskottchen (ebd.: 338ff.). Die Positionierung der Forscherinnen äquivalent zu den traditionellen weiblichen Rollenbildern des jeweiligen Feldes und die in der qualitativen Methodenliteratur geforderte Passivität und Zurückhaltung der Forschenden führen dazu, dass die Forscherin im Feld zum Teil sexistische Anspielungen bis hin zu persönlichen Verletzungen akzeptiert: „I therefore tolerated things which made me uncomfortable, but convinced myself they were part of the sacrifices a researcher must make“ (Gurney 106

STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

1985: 56). Man gewöhne sich sehr schnell daran, Verachtendes über Frauen zu hören, so Arendell (1997: 363). Grenz (2005: 2111) weist darauf hin, dass es, um eine für den Interviewpartner angenehme Gesprächssituation zu schaffen, notwendig sein kann, den hegemonialen Diskurs anzunehmen, was Frauen in der Feldforschung wiederum besonders verletzlich macht (dazu auch Lee 1997). Auf der anderen Seite werden Forscherinnen als harmlos angesehen, als „friendly stranger“ (Huggins/Glebbek 2003: 374), und ihnen wird daher auch viel Offenheit und Vertrauen entgegengebracht. Weiblichkeit und Flirten kann wiederum auch gezielt als Strategie des Zugangs zum Feld verwendet werden (Gurney 1985: 49). McKeaganey/Blor (1991: 195) kritisieren andererseits, dass es zwar eine Vielzahl von Literatur zum Einfluss von Gender in der Forschungssituation bei weiblichen Forschern gebe, dieser Einfluss bei männlichen Forschern jedoch bisher kaum untersucht sei. Sie reflektieren daher ihre eigene Rolle als männliche Forscher und arbeiten als größtes Problem heraus, dass körperlicher Kontakt und bestimmte Verhaltensweisen gegenüber den weiblichen Beforschten potenziell immer in der Gefahr waren, als sexuell konnotiert zu werden bzw. auch wurden (ebd.: 205). Auch Männer können ihre Attraktivität positiv für sich nutzen, wie Warren/Rasmussen (1977) feststellen. In ihrer Studie war es einem jungen Forscher durch seine physische Attraktivität möglich, einen guten Zugang zu einem Massagesalon zu bekommen, in dem weibliche Masseusen vorwiegend männliche Kundschaft bedienten. Von der männlichen Kundschaft wurde er allerdings wiederum vor allem als Konkurrent wahrgenommen (ebd.: 353f.).

Die Interviewsituation Die Interviewsituation als solche ist durchdrungen von Machtspielen und Aushandlungsprozessen. Es besteht ein gegenseitiges eher symbolisches Abhängigkeitsverhältnis von Interviewer und Interviewten: Der Interviewer ist abhängig davon, dass sich der Interviewte überhaupt zu einem Interview bereit erklärt und dass er das Interviewgespräch nicht boykottiert (Cotterill 1992: 600). Die Macht der Interviewer liegt darin, das Gespräch zu steuern und zu dominieren, sowie in der Auswertung und Interpretation der Daten (Grenz 2005: 2091). Handelt es sich um die Konstellation weiblicher Interviewer – männlicher Interviewpartner, dann ist die in westlichen Kontexten tradierte Erzählung der Frau als Objekt, die im Mittelpunkt der Begierde steht, umgekehrt, denn nun steht der Mann im Mittelpunkt und ist das Objekt, das betrachtet und analysiert wird. Der männliche Interviewte fühlt sich 107

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

dadurch möglicherweise in seiner Männlichkeit bedroht und kann versuchen, die Kontrolle über die Situation wieder herzustellen (Schwalbe/Wolkomir 2001: 91ff.). Eine mögliche Strategie kann die Sexualisierung der Interviewerin durch Flirten oder Komplimente darstellen, eine andere, möglichst wenig aussagekräftige und oberflächliche Informationen zu geben, um als unverletzlich und unemotional zu erscheinen (ebd.: 94). Scholz (2004: 240ff.) stellt in ihren Interviews allerdings keinen dieser Effekte in der Interviewsituation von Forscherin und männlichem Interviewer fest, in ihren Daten werden Frauen vor allem in ihrer Rolle als Interviewerin gesehen, die interviewten Männer fühlten sich lediglich bei der Frage ihrer Familienarrangements unter Legitimationsdruck. Anerkennung durch die weiblichen Interviewpartner sei für die Männer, so folgert Scholz mit Bourdieu, „weniger wert“ (ebd.: 253). Was indes bei Scholz (ebd.) besonders im Mittelpunkt steht, ist das Gespräch zwischen einem männlichen Interviewer und einem männlichen Interviewten. Sie kann in der Interviewinteraktion die Herstellung männlicher Gemeinschaft zwischen den beteiligten Akteuren nachweisen. Dies geschieht durch die Bezugnahme auf unterstellte gemeinsame männliche Erfahrungen im Bereich der Sexualität, Alkoholkonsum oder sonstigen „Abenteuergeschichten“. Männlichkeit wird in der Interaktion, so ihr Fazit, durch „Prozesse der Gemeinschafts- und Differenzkonstruktion hergestellt“ (ebd.: 241). Durch die Reaktionen des Interviewers werden diese Geschichten bestätigt oder abgelehnt und so Dominanzansprüche ausgehandelt. In dieser Konstellation ist auch zu beobachten, dass die Differenzen zwischen den Geschlechtern besonders betont werden, wohingegen in den Interviews in der Konstellation weiblicher Interviewer – männlicher Interviewter auf die Gleichheit zwischen den Geschlechtern abgehoben wird (ebd.: 259). In Interviews, in denen beide Interviewpartner weiblich sind, kommt es von Seiten der Interviewten, so ist zu vermuten, zu ähnlichen Solidarisierungs- und Abgrenzungsprozessen wie unter Männern, hier ist die Literaturlage jedoch dürftig. Auch zur Konstellation männlicher Interviewer – weibliche Interviewte ist keine Literatur bekannt, die dieses Verhältnis unter einer Geschlechterperspektive beleuchten würde. Zu vermuten ist, dass es hier zur Reproduktion der klassischen Geschlechterverhältnisse in allen ihren Facetten kommt. Um diesen Defiziten abzuhelfen werden im Folgenden eigene Forschungsergebnisse in den verschiedenen Konstellationen vorgestellt und diskutiert. Zunächst jedoch einige Reflexionen zur Situation der Forscherinnen im Feld Bundeswehr.

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STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

Als zivile Forscherin im Forschungsfeld Bundeswehr In der Panzergrenadiereinheit und in dem Lazarettregiment10 hielten wir uns während der Feldforschungsphase immer wieder längere Zeit auf und fertigten während dieser Zeiten ausführliche Interview- und Beobachtungsprotokolle an. Eine erneute Analyse unter einer Geschlechterperspektive heißt nun, unsere Rolle als Forscherinnen in den unterschiedlichen Settings anhand der vorliegenden Protokolle zu reflektieren und zu analysieren, wie wir als Frauen und als Forscherinnen jeweils wahrgenommen und auch instrumentalisiert wurden. „Wir“ bedeutet in diesem Fall zwei frisch examinierte Soziologinnen Mitte 20 und eine promovierte Soziologin Ende 30, die dem Militärischen kritisch bis ablehnend gegenüberstanden und denen die militärische Welt sehr fremd war. Illius (2006) bezeichnet das Problem des Fremdfühlens als „Anomie des Anfangs“ (ebd.: 89), auch „Kulturschock“ genannt, was sich durchaus auf unseren Eintritt in die militärische Lebenswelt übertragen lässt. Wir ließen uns von dem Chef des Lazarettregiments dazu überreden, zum Zweck der Sicherheit und der „Unsichtbarkeit“ während unserer Untersuchung eine Uniform zu tragen. Das Tragen der Uniform war zwar eine sehr interessante persönliche Erfahrung, wirkte sich jedoch insofern negativ auf unseren Forschungsprozess aus, als wir unseres Status beraubt wurden, da wir keine Dienstgrade bekamen und uns in unbekannter und zugegebenermaßen nicht sehr angenehmer Kleidung bewegen mussten, was uns verletzlich werden ließ. Das Lazarettregiment, welches sich uns durch die lange Anwesenheit von Frauen und eine sehr engagierte Führung zunächst als sehr offen für unser Forschungsprojekt präsentierte, zeigte sich bei der näheren Betrachtung als zerstritten und von massiven Kungeleien und Mobbing durchdrungen. Wir konnten uns zwar sehr frei auf dem Gelände bewegen und suchten uns zu einem großen Teil unsere Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen selbst aus, zugleich war aber auffällig, wie wir von verschiedenen Seiten innerhalb des Regiments als Forscherinnen instrumentalisiert wurden und wie groß die Ablehnung vor allem von Seiten der unteren Dienstgrade uns gegenüber war, wenn wir uns nicht gerade in einer formalen Interviewsituation befanden.

10 Da die Interviews mit den Soldatinnen und Soldaten der Marine zeitlich versetzt erhoben wurden und die Autorin an dieser Fallstudie nur noch indirekt beteiligt war, kann ein tieferer Einblick in die Marine hier nicht gegeben werden, daher werden für die Marine nur die vorliegenden Interviewtexte einbezogen. 109

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Die Offenheit von Seiten des Kompaniechefs für unser Projekt erklärte sich sehr schnell damit, dass er sich von dem Forschungsprojekt einen Bericht über die „wirkliche“ Situation und die Probleme der Soldatinnen und Soldaten am Standort erhoffte. Er offenbarte in dem Interview, welches die Ältere von uns führte, seine Eheprobleme und sein Sexualleben. Dies kann zum einen als Versuch gedeutet werden, einen Vertrauensvorschuss zu erhalten – und damit seinen Anliegen noch einmal besonderen Nachdruck verleihen zu können –, zum anderen inszeniert er sich so als besonders männlich und heterosexuell, als einer, der die Kontrolle hat, zugleich aber auch weich genug ist, um bei den Frauen anzukommen. Diese Positionierung des Kompaniechefs wurde von einem anderen Soldaten konterkariert, der in uns die große Hoffnung setzte, dass wir das Mobbing untersuchen und aufdecken würden, dem er sich von Seiten des besagten Kompaniechefs ausgesetzt fühlte. Ein anderer Vorgesetzter zeigte schon von Anfang an massiv seine Ablehnung uns gegenüber, indem er das verabredete Gespräch auf Stühlen mitten im Flur seiner Kompanie mit der Begründung abhielt, dass wir doch sehen wollten, wie sich der Alltag in der Kompanie gestaltet. Seine Aussagen waren zynisch und beleidigend, so dass wir beschlossen, seine Kompanie nicht weiter zu untersuchen, womit er letztlich sein wahrscheinliches Ziel erreichte, sich gegen die Kompanieführung aufzulehnen und seine eigene Arbeit vor uns als Forscherinnen schützte. Wir dienten damit auch als Machtressource zwischen Führung und Untergebenen: In uns als Forscherinnen wurden besondere Hoffnungen gelegt, Missstände am Standort aufzudecken. Besonders auffällig war die Ablehnung der weiblichen Soldaten uns gegenüber, obwohl durch die Interviews mit einigen der Frauen bereits eine gewisse Basis für ein persönlicheres Verhältnis gelegt war. Ein Interview in der Marine gibt Anhaltspunkte, welche Prozesse dort „hinter unserem Rücken“ gelaufen sein könnten: Ein Interview mit einer Soldatin wird durch einen Soldaten gestört, der den Raum, in dem das Interview stattfindet, benötigt. Dabei lässt er einige spaßhafte Bemerkungen über die Situation fallen und bemerkt, dass wieder nur die Frauen interviewt würden.11 Danach kommt es zu der folgenden Szene zwischen Interviewerin und der Interviewten: „L.: Das ist auch so ein Beispiel: Der ärgert die Frauen auch gerne. Aber das macht er eigentlich mit jedem, wohl erstmal so ein bisschen zurechtstutzen.

11 Dies entsprach nicht der Wahrheit, die Mehrzahl der Befragten in der Marine waren Männer. 110

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I.: Müssen Sie sich dann irgendwie nach den Interviews noch ein paar Sprüche gefallen lassen? L.: Jaaa, natürlich. Weil, die sehen immer nur, dass alles quasi, was weiblich ist an Bord, zu diesen Gesprächen kommt, und dann glaub’ ich noch unser Wachtmeister, der II NO und noch ein paar Unteroffiziere. I..: Ja, aber eigentlich ist es gleich. L.: Aber das Verhältnis wird nicht so gesehen. Man sieht einfach nur, da ist Linkmeister, Küchenfee, das sind nur Frauen. I.: Ja, das tut mir immer leid, dass das immer so rüberkommt. L.: Ach, wir können damit um. Sie haben ja schon vorgeschlagen: ,Bringt die Wahrheit ans Licht.‘ ,Ja, das machen wir auch, wir werden von euch missbraucht, misshandelt, gedemütigt.‘ Weil bei uns in der Messe sind wirklich so’n… Wir Damen können auch schon mal den einen oder anderen Spruch zurückschießen und da kommen wir mit Sachen, mit denen die gar nicht rechnen. Und dann gucken die auch schon. Na, aber dann merken die auch, wie weit sie gehen können“ (Lange, w, Offizier, Sanität).

Diese Szene könnte sich so oder so ähnlich auch in unseren anderen Untersuchungseinheiten zugetragen haben, so dass zu vermuten ist, dass mit dem Forschungsprojekt die hohe Sichtbarkeit von Frauen in der Truppe verstärkt wurde und sie daher durch die Abgrenzung von uns ihre Integration in die Truppe unter Beweis stellen wollen. Soldatin Lange benutzt diese Situation zugleich dazu, sich als den Männern überlegen zu inszenieren. Indem sie den öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs ironisiert, der die Frauen im Militär vor allem unter dem Label „Probleme“ bearbeitet, gelingt es ihr, sich davon abzuheben und als handlungsfähige Soldatin zu konstruieren, die sich selbst gegen eventuelle Übergriffe zu wehren weiß. Die Situation bei den Panzergrenadieren gestaltete sich komplett anders: Der Bataillonschef erlaubte zwar die Forschung, zeigte aber weder Interesse noch Unterstützung, dies übernahm ein ihm unterstellter Kompaniechef auf sehr paternalistische Weise. In dieser sehr viel hierarchischeren Organisationseinheit wurden die Interviewpartner nach einem von uns vorzulegenden Schema zugeteilt. Man(n) inszenierte militärische Männlichkeit und die dazugehörige Ablehnung von Frauen in der Truppe: So wurden wir zum Panzerfahren eingeladen und uns wurde beim Ausstieg „gentleman-like“ die Hand gereicht, wir konnten uns im Schießsimulator unter Beweis stellen und mussten den Initiationsritus des gemeinsamen Alkoholtrinkens bestehen. Es kam zu offenen sexistischen Äußerungen und Späßen, die eine zivile Mitarbeiterin am Standort entgegen unserer Wahrnehmung als Flirten interpretierte. Wir wurden von Anfang an primär als Frauen gesehen und nicht wie bei den Sanitätern, die professionelle Hilfe bei der Verbesserung der Arbeitsbe111

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

dingungen erhofften, als Forscherinnen oder Expertinnen. Wir wurden hier eindeutig als schwache Frauen konstruiert (und konstruierten uns auch selbst so), die dieser machtvollen Inszenierung von Männlichkeit mehr oder weniger hilflos ausgesetzt waren. Trotzdem bekamen wir die Möglichkeit, an dieser Männlichkeit teilzunehmen, indem wir uns beim abendlichen Absinth-Trinken bewiesen: Das gemeinsame „Besäufnis“ gehört zu den Ritualen, die jeder Neuankömmling in der Bundeswehr durchstehen muss und die den Zusammenhalt stärken. Soldatin Lange beschreibt das Ritual des „Respekt Ersaufens“: „Dann gibt es noch ,last man standing‘. Die Person, die als Letztes noch am Tresen stehen kann und die Messe quasi abschließt, das ist der Gewinner. Ich hatte den Pokal drei Mal. […] Wenn man das einmal mitgemacht hat, hey, herzlich willkommen in der Messe‘“ (Lange, w, Offizier, Sanität).

Elias (1992) interpretierte Trinkrituale und exzessives Trinken als Ausdruck einengender Gesellschaftsnormen: „Gesellschaftliche Bräuche, die zum schweren Trinken anregen und die zugleich an eine gewisse Disziplin im Betrunkensein gewöhnen, lassen auf ein hohes Maß an Unglücksgefühlen schließen: offenbar sucht man sich auf diesem Wege eine gesellschaftliche Notlage, die schmerzt, aber der man nicht entrinnen kann, erträglicher zu machen“ (ebd.: 36).

Heither (1999: 121ff.) weist darauf hin, dass Trinkrituale der Ausbildung eines männlichen Habitus dienen, der gemeinsame Alkoholkonsum erhöht das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe und verknüpft exzessives Trinken mit Körperkraft und der Ausgrenzung von Frauen, denen man dies „nicht zumuten“ könne (ebd.: 122). Nachdem wir diesen Abend mit den Offizieren durchgestanden hatten, in dessen Verlauf u. a. mit Säbeln Sektflaschen geköpft wurden, war die Situation im Feld weitaus entspannter, wir hatten das Gefühl, nun eher akzeptiert zu werden.

Beispiele für Genderkonstruktionen in der Interviewsituation Die Interviews wurden zu einem großen Teil sowohl von den Soldatinnen und Soldaten der Panzergrenadiere als auch der Sanitäter als „Vernehmung“ bezeichnet, gegen Ende der Gespräche äußerten sich viele der Interviewten erleichtert, dass es nicht so schlimm wie erwartet gewesen sei. Sie empfanden daher unsere Anwesenheit und unsere Position als

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STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

weibliche (?) Forscher als Bedrohung ihrer männlichen (?) Identität.12 Im Folgenden werden vier Interviews exemplarisch vorgestellt, anhand derer man die Konstruktionsprozesse von Geschlecht besonders deutlich erkennen kann. Bei der Durchsicht durch die anderen Interviews lassen sich die beschriebenen Prozesse mehr oder weniger deutlich allerdings ebenso finden.

Männlicher Interviewer – männlicher Interviewpartner Das Interview wurde von einem männlichen Heeressoldaten durchgeführt, der in etwa in gleichem Alter (Ende 20) ist und sich in der gleichen Position befindet wie der interviewte Marinesoldat Wittig. Wittig erwähnt bereits in den ersten Minuten des Interviews, dass ihm in der Bundeswehr bisher am besten ein Lehrgang auf Sylt gefallen hat, „das war nämlich im Juli und der Unterricht ging immer bis Mittag, danach haben wir hinterher immer Beachboy am Strand gespielt, das war natürlich sehr praktisch. Da waren auch viele Mädels dabei, das war eine ganz angenehme Sache eigentlich“ (Wittig, m, Offizier, Marine). Es ist schwer vorstellbar, dass ein männlicher Soldat gleich zu Beginn des Interviews einer weiblichen zivilen Interviewerin ein derartiges Statement geliefert hätte. Er positioniert sich gleich zu Beginn des Interviews als heterosexueller Mann, der Erfolg bei Frauen hat und damit auch besonders männlich ist. Diese Geschlechtsidentität verstärkt er zusätzlich, indem er davon ausgeht, dass es im Kontakt zwischen Frauen und Männern immer zu einer sexuellen Beziehung kommen muss – Kameradschaft zwischen Frauen und Männern also nicht möglich sei –, weil sich die Männer immer vor den Kameraden und den Frauen profilieren wollen, und da würde er sich nicht ausnehmen: „W.: Dass ich auch die Erfahrung gemacht habe, Freundschaften zwischen… und im Endeffekt auch Kameradschaft ist ja genau das gleiche, geht ja meistens dahin, dass der Mann irgendwann anfängt, von der Frau was zu wollen. Das ist ja nun mal so. Ich will mich da jetzt auch nicht ausnehmen. I.: Vor allem, wenn sie gut aussieht. W.: Vor allem, wenn sie gut aussieht. Und meistens, wenn man sechs Monate auf See ist, dann hängt einem die Zunge auf der Erde, wenn sie nur vorbeiläuft“.

Der Interviewer bestätigt die Einschätzung der Unmöglichkeit von Kameradschaft zwischen Männern und Frauen und fügt hinzu, dass die 12 Trotzdem ließ sich die Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten gern interviewen, da es eine willkommene Abwechslung zum Dienst in der Kälte des Februars war. 113

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Kameradschaft zwischen Frauen und Männern ja besonders problematisch sei, „wenn sie gut aussieht“. Der Interviewte überbietet den Interviewer wiederum, indem er ihm zustimmt und sagt, dass es noch einmal schwieriger sei, wenn man sechs Monate auf See ist, „dann hängt einem die Zunge auf der Erde, wenn sie nur vorbeiläuft“. Es entspinnt sich eine Art Wettbewerb, beide schaukeln sich in der gegenseitigen Bestätigung hoch, dass es ganz normal sei, wenn es zu diesem Verhalten komme. Kameradschaft zwischen Frauen und Männern, so resümieren beide, sei dann nur „aufgesetzte“ Kameradschaft, da es sich um „Balzgehabe“ (Zitat Interviewer) handele und nur die Kameradschaft zwischen Männern wirkliche Kameradschaft sei. Im weiteren Verlauf des Interviews distanziert sich der Interviewer wieder von dem Interviewten, bis die Sprache erneut auf Frauen kommt und wieder ein ähnlicher Prozess des Sich-gegenseitig-Überbietens und Gemeinschaftstiftens kommt. Auch versucht der Interviewte immer wieder über Witze und ironische Bemerkungen Gemeinschaft zwischen ihm und dem Interviewer zu stiften, wobei diese Witze zum Großteil sexuell konnotiert sind wie z. B. in folgendem Auszug: „I.: Kommen wir nun zum Thema Frauen an Bord: Welche Erfahrungen haben Sie selbst im Umgang zwischen Soldaten und Soldatinnen gemacht? W.: ((feixt)). Also sexuelle Erfahrungen habe ich keine gemacht, im Umgang mit Soldatinnen. I.: Da war auch mehr so der allgemeine dienstliche mit gemeint“.

Der Interviewer schwankt während des gesamten Interviews zwischen seiner Rolle als passiver Forscher und seinen persönlichen Erfahrungen als Soldat, mit denen er immer wieder aus seiner zurückhaltenden Forscherrolle ausbricht und in den Wettbewerb um Männlichkeit einsteigt.

Weibliche Interviewerin – männlicher Interviewpartner Das folgende Interview hat die Autorin selbst mit dem Mannschaftssoldaten Elsner aus dem Sanitätsdienst geführt. Elsner war zuständig für das Freizeitbüro am Standort und zugleich Vorsitzender der Vertrauenspersonen. Er duzte mich gleich zu Beginn unseres Treffens, auch war er in ungefähr dem gleichen Alter wie ich. In dem Interview versucht er an verschiedenen Stellen, sich vor mir als „harter“ Mann darzustellen, obwohl die Mehrzahl seiner Erzählungen sich dazu kontradiktionär um seine Vaterrolle, Spaß am Umgang mit Menschen und Freizeitorientierung drehen. Er wollte zunächst eigentlich nicht zu den Sanitätern, sondern zu den „harten“ Fallschirmjägern. Als er dann die Nachricht bekam, dass er zu den Sanitätern käme, brach für ihn eine Welt zusam114

STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

men: „Ja, wenn man als Kerl so Kriegsfilme sieht, dann will man ja kämpfen, dann stellt man sich ja was vor unter der Armee. […] Also ich hab’ echt gedacht, so wie bei Full Metal Jacket und man wird angeschrien, man wird so ein bisschen erniedrigt und das war ja alles nicht gewesen“. Er unterbricht diese Erzählung, führt sie aber an der Stelle fort, an der es um den Umgang mit Waffen geht. „I.: Hast du dich mal mit Sterben und Töten und Waffen auseinandergesetzt? B: Hätt’ ich kein Problem mit. Hört sich bestimmt krass an, was? Ja, aber ist so. Ich muss ja sagen, in meinen tiefsten Träumen hab’ ich ab und zu mal… ich würd’ gerne mal wissen, wie es ist, wenn ich einen erschieße. Wie es mir dann geht. Jetzt sag’ ich noch okay, ich komm mit klar. […] Wenn der Befehl kommt, dann schieß’ ich. Und wenn er umfällt, dann fällt er um. Aber so ab und zu hab’ ich schon so das Gefühl, man müsste eigentlich mal einen erschießen. Hört sich bestimmt voll hart an, ’ne? I.: ((lacht))“.

In dieser Sequenz wird sehr deutlich, wie Elsner bewusst Formulierungen wählt, um mich zu provozieren und sich zugleich die Bestätigung seiner Männlichkeit und Härte von mir erhofft, die ich ihm durch mein zustimmendes Lachen auch wie gewünscht gebe. Ähnliche Stellen durchziehen das gesamte Interview und dienen ihm immer wieder der Bestätigung seiner eigenen Eindrücke. Interessant ist, dass er, wenn er über Frauen spricht, die Bezeichnungen „Puppe, Hammergranate, Schrott, Leckerbissen“ wählt, die man im Sinne des Alltagswissens einer Frau gegenüber nicht erwarten würde. Entweder sieht er mich in dem Moment als Forscherin an und nicht als Frau wie zuvor oder er inszeniert hier nochmals verstärkt seine Männlichkeit, indem er sich absichtlich des sexualisierten, abwertenden Männlichkeitsdiskurses bedient.

Männlicher Interviewer – weibliche Interviewpartnerin Das einzige Interview in dem Sample, in dem ein männlicher Interviewer eine Soldatin interviewt, ist eines der kürzesten. Wieder ist der bereits beschriebene Heeressoldat der Interviewer, die Soldatin ist Obermaat Lenz, damit dem Interviewer also weit untergeordnet. Sie ist 22 Jahre und Köchin an Bord des Versorgers. Auffällig ist an diesem Interview, dass die Soldatin sehr zurückhaltend ist, sehr unsicher antwortet und häufig nachfragt, ob sie die Fragen richtig verstanden hat. Der Interviewer hingegen versucht durch aufmunterndes Lachen oder interessiertes Nachfragen bis zur Vervollständigung der Antwortsätze die Soldatin zum Reden zu bewegen wie in folgendem Beispiel: 115

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

„I.: Was würden sie einer Frau auf den Weg geben die Soldatin werden möchte? B: Ja, muss schon stark sein. I.: In welcher Hinsicht? B: Muss wissen, was sie will. Darf sich halt nicht unterkriegen lassen. Ja, muss schon sagen, hier bin ich und so geht’s. I.: Und kontra geben? B: Ja. Ja.“

Man könnte den soldatischen Interviewer hier als fürsorglichen Vorgesetzten charakterisieren, der versucht, sich auf seine Untergebene einzulassen. Sie hingegen ist sehr zurückhaltend und macht letztlich nur sehr oberflächliche Aussagen, deren Erkenntnisgewinn minimal ist. Dieses Verhalten könnte als Strategie gedeutet werden, möglichst wenig von sich preiszugeben und damit ein Stück weit die Kontrolle über die Situation zu behalten. In der männlichen Welt, in der sich die Soldatin bewegt (sie ist z. B. die einzige Frau in der Küche an Bord), kann dies als eine Art Überlebensstrategie gelesen werden: Wenn ihr männliches Umfeld möglichst wenig von ihr weiß, bietet das auch wenig Möglichkeit, sie anzugreifen.

Weibliche Interviewerin – weibliche Interviewpartnerin Das folgende Interview führte eine der jüngeren weiblichen Mitarbeiterinnen des Projekts mit einer Soldatin der Panzergrenadiere. Offiziersanwärterin Peter berichtet gleich zu Beginn des Interviews von ihren Mobbingerfahrungen, die sie ihrer fehlenden körperlichen Leistungsfähigkeit zuschreibt. Sie thematisiert recht offen ihre eigenen Figurprobleme: „Ein bisschen der Pfunde ist ja noch so am Körper geblieben. Ich bin ja nicht gerade die schlankste und dementsprechend sportbegeistert war ich natürlich auch nicht“. Sie hat Vertrauen zu der Interviewerin und möchte mit ihr eine Gemeinschaft bilden, indem sie sich des als weiblich konnotierten „Figurdiskurses“ bedient. Teil dieser Gemeinschaftsstiftung ist auch die explizite Erwähnung, dass man „als Frau“ in besonderer Weise behandelt wird bzw. bestimmte fachliche Defizite aus der Tatsache des „Frau-Seins“ resultieren. Dies wird besonders in den Bereichen deutlich, die männlich definiert sind, wie z. B. Technik: „Und zum Beispiel Panzerführerschein war auch sehr interessant, so ’n Ding zu fahren und zu wissen, wie das da alles funktioniert und so. Weil, als Frau hat man ja eigentlich nicht so viel mit Motoren und so was zu tun und Getriebe, und da konntest alles erklärt kriegen“. Oder die Uniform:

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STUDIE „GESCHLECHT UND ORGANISATION AM BEISPIEL DER BUNDESWEHR“

„Ist doch auch schick, also ich mag blaue – ach, blaue sag’ ich schon, grün. Grün, schwarz, na ja, braun ist nicht so mein Fall, aber die Farben sind halt schick. Der Schnitt ist ein bisschen Kacke, aber na ja, es gibt ja extra Frauenhosen. Na ja. Hab’ ich nicht die Figur für. Die sind höher geschnitten und das mag ich überhaupt nicht, also ich mag lieber die ganz normalen Männerhosen“.

Diese Erläuterungen hätte sie vermutlich einem männlichen, noch weniger einem soldatischen Interviewer in dieser Ausführlichkeit kaum gegeben, zumal die Soldatinnen, wie im Folgenden noch deutlich wird, in der Männerwelt tendenziell nicht als Frauen gesehen werden wollen, sondern als professionelle Soldatin. Zugleich beginnt Peter ähnlich wie die Männer eine Art Wettbewerb um die eigene sexuelle Attraktivität. Sie macht deutlich, dass sie als Frau trotz ihrer Figur- und Mobbingprobleme durchaus begehrenswert ist: „Die meinen ja wohl nicht, dass ich hier noch nie einen Kerl gehabt hab’. Also von daher, ich weiß wie ’n nackter Mann aussieht.“ Am Ende des Interviews sieht die Soldatin die Interviewerin nur noch in ihrer Rolle als Frau und solidarisiert sich mit ihr über die potenzielle Mutterschaft: „Weil, wenn Sie sich vorstellen, wenn Sie jetzt Mutter sind. Sind Sie schon Mutter? Also, wenn Sie dann schon irgendwie Mutter sind, und dann denken Sie sich, ,och, wie geht’s meinem Kindchen denn jetzt in dem Hort‘ und so“. Aus dieser ersten Metaanalyse der Konstruktion von Gender in der Interview- und Feldforschungssituation lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen: 1. Die Erhebung und Interpretation von Daten ist immer auch geschlechtsspezifisch differenziert und muss reflektiert werden. 2. Gender wird in der jeweiligen Erhebungssituation, sei es im Interview oder in der Beobachtung, von allen Teilnehmenden (inter-)aktiv produziert. Dabei spielen auch Alter, Status, das physische Aussehen und die Möglichkeit der gegenseitigen Erfahrungsübertragung eine zentrale Rolle. 3. Sowohl Männlichkeit als auch Weiblichkeit werden – bei gleichgeschlechtlicher Interaktion – über die Konstruktion von Gemeinschaft hergestellt. Dabei kommt der heterosexuellen Norm eine besondere Bedeutung zu. Bei gemischtgeschlechtlicher Interaktion werden Männlichkeit und Weiblichkeit über die Reaktivierung von gesamtgesellschaftlich verankerten Genderbildern – wie z. B. der passiven Frau und des aktiven Mannes – konstruiert. Es konnte von Seiten der Soldatinnen und Soldaten mit den im akademischen Feld sozialisierten zivilen weiblichen Forschern nur über die Einnahme traditioneller Gendersubjektpositionen eine gemeinschaftliche 117

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Basis geknüpft werden. Dadurch wurden die Forscherinnen, vor allem bei den Panzergrenadieren, ebenso wie die weiblichen Mitglieder des soldatischen Feldes definiert und behandelt, im Sanitätsdienst wurde darüber hinaus versucht, uns für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Die soldatischen männlichen Interviewer begegneten den Interviewten zwar auf der gleichen habituellen Ebene, was teilweise zu einer größeren Offenheit führte, zugleich durchkreuzten diese potenzielle Gemeinschaft verschiedene hierarchische Positionen und das Geschlecht. Dies weist darauf hin, wie differenziert sich soldatischer Habitus innerhalb der Bundeswehr entlang Gender und Hierarchie ausbildet. Im folgenden Kapitel 8 wird analysiert, wie die interviewten Soldatinnen und Soldaten den Soldatenberuf verstehen. Dafür wurde zum einen der Zugang zur Bundeswehr genauer betrachtet und zum anderen der Umgang mit Waffen, Kampf und Gewalt detailliert erörtert.

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8.

Der Soldatenbe ruf als männlicher Beruf?

Der Soldatenberuf und das soldatische Umfeld sind, wie oben bereits aufgeführt, historisch männlich geprägt und wurden von Männern dominiert. Der Soldatenberuf und die militärische Organisation werden durch Normen wie Wehrhaftigkeit, Technikakzeptanz, körperliche Stärke oder unbeschränkte zeitliche Verfügbarkeit konstituiert, die mit Männlichkeit konnotiert werden und die wiederum „den Mann“ definieren. Der Ausschluss von Frauen und einer bestimmten Vorstellung von Weiblichkeit als friedfertig, schwach oder passiv ist konstitutiv für die militärische Männlichkeitsnorm. Der Zugang von Frauen zum Militär, aber auch gesamtgesellschaftliche Veränderungen im Geschlechterverhältnis führen daher zwangsweise zu Neuverhandlungen der Männlichkeits- und Weiblichkeitsnorm im Rahmen von Subjektivierungsprozessen. Obwohl immer wieder betont wird, dass Soldatinnen mittlerweile einen normalen Bestandteil der Streitkräfte darstellen, ist dies im alltäglichen Umgang keineswegs der Fall. Die Neuverhandlungen der Männlichkeits- und Weiblichkeitsnormen sind sowohl für die Männer als auch für die Frauen relevant und verändern ihr Arbeitsumfeld nachhaltig. Dass in der folgenden Analyse der Fokus vor allem auf den Frauen ruht, kann damit begründet werden, dass sie als „Fremde“ im Simmel’schen Sinne eine besondere Form der Objektivität, der Beobachtung der Gruppe auszeichnet (Simmel 2006: 509ff.). An und mit ihnen wird Definitions- und Interpretationsmacht ausgehandelt, die geltenden Gendernormen werden offensichtlich, die Subjekte müssen sich dazu positionieren.

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GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Dass Soldatinnen in der Bundeswehr trotz anders lautender Bekundungen immer noch einen Fremdkörper darstellen, wird bereits mit einem ersten Blick auf das Interviewmaterial deutlich: Selbst die männlichen Sanitätssoldaten, die betonen, wie „normal“ der Umgang mit Soldatinnen für sie mittlerweile geworden ist – Sanitätssoldatinnen gibt es bereits seit über 30 Jahren –, finden Soldatinnen an der Wache oder in größeren Bundeswehrfahrzeugen „komisch“ und „ungewohnt“ (Simbeck, m, Mannschaften, Sanität). „Das sieht immer witzig aus, wenn da so eine Frauenmannschaft antapst“ (Sommer, m, Offizier, Sanität). Die Bundeswehr sei eben doch noch eine „Männergesellschaft“ und es gebe auch in der Sanität immer noch Männer, die sich nicht vorstellen können, von einer Frau geführt zu werden (Hoffmann, m, Offizier, Sanität). Die Anwesenheit von Frauen thematisiert für die männlichen Soldaten die männliche Dominanz der Organisation. Ihre Anwesenheit „lockert das allgemeine Bild auf, dass man nicht mehr sieht, die Bundeswehr ist ein reiner Männerverein. […] Wenn man da die Bundeswehr irgendwo im Fernsehen angetreten sieht, sieht man da auch mindestens immer einen Zopf wehen. Oder wenn die da das gerade tragen, sieht man da ’nen Rock“ (Rehberger, m, Feldwebel, Marine).

Dadurch werde das Bild der Bundeswehr „wesentlich weicher“ (ebd.). Allerdings ist es „grade – in Anführungszeichen – bei den alten Säcken, ist ja immer noch das Bild, wir sind ein reiner Männerverein und Frauen sollten besser an den Herd und auf der Pier auf uns warten. Und bei denen ändert sich das ganz schwierig“ (ebd.). Für die Panzergrenadiere, für die die Zusammenarbeit mit Soldatinnen – von dem Kontakt mit Soldatinnen anderer nationaler Streitkräfte im Einsatz abgesehen – relatives Neuland ist, stellt die Anwesenheit von Soldatinnen in den jeweiligen Ausbildungseinheiten eine Herausforderung dar: Sie betonen, dass es mit den Soldatinnen sehr ungewohnt sei, sie geben aber zu, dass sie überrascht darüber waren, wie leistungsfähig sich die Soldatinnen zeigen. Nur Soldat Ludwig (Offizier, Panzergrenadier) äußert sich explizit ablehnend gegenüber Frauen in Kampfeinheiten. Dies begründet er mit dem „Umgang mit Hygienebedürfnissen“ und dem „natürlichen Schutzinstinkt der Männer“, die sich im Ernstfall um eine verwundete Soldatin eher als um den militärischen Auftrag kümmern. Ob der Soldatenberuf ein männlicher Beruf ist bzw. wie Soldatinnen und Soldaten die Männlichkeits- und Weiblichkeitsnorm bezogen auf den Soldatenberuf an sich verhandeln, wird in den folgenden Abschnit-

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DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

ten anhand des Zugangs zur Bundeswehr (8.1.) und dem Umgang mit Waffengewalt resp. Tod, Töten und Sterben gezeigt (8.2).

8.1 Geschlechterspezifischer Zugang z u r B u n d e sw e hr Die Frage des Zugangs zum Soldatenberuf und die Motivation von vor allem jungen Menschen, den Soldatenberuf zu ergreifen, stellen die zentralen militärsoziologischen Themen dar, die aufgrund der Notwendigkeit angemessener Personalrekrutierung und -werbung auch für die militärischen Akteure von besonderer Bedeutung sind. Aber auch aus soziologischer Sicht ist die Frage wichtig, welchen sozioökonomischen Hintergrund und welche Motivstruktur die jeweiligen untersuchten Akteure des Feldes haben, um ihre Aussagen entsprechend werten und gewichten zu können. Für die Bundeswehr liegen nur drei Studien (Anker et al. 1993; Kümmel/Werkner 2003; Kümmel 2008) vor, die sich explizit mit weiblichen Soldaten und ihren Zugangsvoraussetzungen und -motiven befassen; beide sind im Auftrag der Bundeswehr vom Sozialwissenschaftlichen Institut in Potsdam durchgeführt worden. Studien, in denen die Motive von Soldaten und Soldatinnen gegenübergestellt werden, fehlen bisher ebenso wie Erkenntnisse über die Motive der Männer. Anker et al. (1993) führten 1989 eine Befragung der ersten 50 Sanitätsoffizieranwärterinnen nach der Öffnung der Offizierlaufbahn für weibliche Sanitäter durch, Kümmel/Werkner (2003) befragten die gesamte Kohorte der 2001 eingetretenen Soldatinnen. Übereinstimmend stellen beide Studien fest, dass der Zugang zur Bundeswehr in vielen Fällen durch „bundeswehraffine Familien“ (Anker et al. 1993: 51) geprägt war, militärspezifische oder soldatische Aspekte hingegen weniger wichtig waren (Kümmel/Werkner 2003: 17). Die berufliche Perspektive, Ausbildungsmöglichkeiten und die finanzielle Sicherheit stellten wie der Wunsch, zur Friedenssicherung etwas beizutragen, Gründe für den Eintritt in die Bundeswehr dar (ebd.). Auch die Herausforderung, in einer „Männerdomäne“ bestehen zu können, und Abenteuerlust wurden angeführt (ebd.: 93). Wird in der Studie von Anker et al. (1993) als weiteres Motiv noch die Möglichkeit der guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf genannt, gehen die Soldatinnen in den neueren Studien ganz selbstverständlich davon aus, Beruf und Familie in der Bundeswehr vereinbaren zu können und tun dies auch, ohne dass es allerdings ein besonderes Motiv für die Weiterverpflichtung wäre (Kümmel/Werkner 2003: 62ff.; Kümmel 2008: 72ff.). 121

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Die männlichen Soldaten des vorliegenden Samples kamen mehrheitlich, d. h. 15 von 19, über die Wehrpflicht zur Bundeswehr und entschieden sich erst während des Wehrdienstes, meist durch die Ermunterung durch Vorgesetzte, dazu, sich länger zu verpflichten. Neben der Förderung durch Vorgesetzte betonen die Männer, dass sie relativ schnell festgestellt hätten, dass es ihnen in der Bundeswehr sehr gut gefallen habe und sie daher eine Weiterverpflichtung in Betracht ziehen konnten: „Hab’ mir dann gedacht, ja, das ist gar nicht so schlecht und hab’ mich dann verpflichtet“ (Simbeck, m, Mannschaften, Sanität). Betrachtet man sich die individuellen Biographien allerdings genauer, fällt auf, dass diese Männer im Zivilen zum Zeitpunkt der Entscheidung für die Bundeswehrlaufbahn kaum berufliche Optionen besaßen, da sie entweder außer der schulischen Ausbildung keine weitere Ausbildung abgeschlossen hatten oder sich aus der Arbeitslosigkeit heraus bei der Bundeswehr verpflichteten. Auch Bequemlichkeit spielt eine nicht unwesentliche Rolle; einer der befragten Offiziere beschreibt seinen Zugang zur Bundeswehr folgendermaßen: „Ich hatte Abitur gemacht, wusste nicht so richtig, was ich machen sollte, also bisschen Orientierungsphase, hab’ ich gesagt, na ja, lässt du dich erst mal einziehen, hast du erst mal was. Meine älteren Geschwister waren bereits bei der Bundeswehr auch längere Zeit gewesen, da hatte man so das vom Hörensagen mitgekriegt. Und es war eben auch der Reiz da, nach dem Motto, das war irgendwo auch interessant, jetzt Soldat zu werden. Stand dann vor der Frage, nach der Entlassung musst du dich erst mal um einen Studienplatz kümmern. Lust hatte ich keine, auf Deutsch gesagt, Soldat zu sein machte mir Spaß, ich hatte dann ein entsprechendes Angebot da. Also es kam alles zusammen. Das waren irgendwie günstige Umstände“ (Andresen, m, Offizier, Panzergrenadier).

Vier der befragten Männer, alle mit Abitur, 2 Unteroffiziere und 2 Offiziere, entschieden sich vor dem Einzug als Wehrpflichtige für den Soldatenberuf und kümmerten sich bereits während ihrer Schulausbildung aktiv um die Einstellung als Soldat. Sie begründen ihre Entscheidung recht unterschiedlich: Für Soldat Damm (Feldwebel, Panzergrenadier) war die Faszination für Waffen, Panzer und Sport, aber auch die Arbeit mit Menschen, das zentrale Entscheidungskriterium. Scharrer (Offizier, Sanität) hingegen wählte den Soldatenberuf aus der rationalen Erwägung heraus, ein Studium bei der Bundeswehr absolvieren zu können, der Polizeidienst wäre für ihn ebenso in Frage gekommen. Für ihn spielte allerdings auch seine strenge, leistungsorientierte und hierarchische Erziehung eine Rolle, wie er betont. Die anderen beiden Männer wählten den Beruf des Marinesoldaten aus, da eine große Verbundenheit zur See 122

DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

vorlag bzw. der Wunsch bestand, etwas von der Welt zu sehen. Nur 2 der 19 Männer erwähnen, dass in ihrem sozialen Umfeld Bundeswehrangehörige zu finden waren. Für die Frauen gestaltete sich der Zugang zur Bundeswehr komplett anders: Als Konsequenz der rein männlichen Wehrpflicht mussten sie sich von vornherein aktiv für den Soldatenberuf entscheiden. 5 der 14 Frauen wären auch und teilweise sogar lieber zur Polizei oder zum Bundesgrenzschutz gegangen. Ein zentrales Hindernis stellte dabei allerdings die fehlende Körpergröße dar, „dann blieb mir nur die Wahl die Bundeswehr“ (Meier, w, Unteroffizier, Marine). Die Hälfte der Frauen betont, dass sie den Soldatenberuf als Herausforderung empfand, 4 der Frauen bezogen dies explizit auf den Soldatenberuf als männlichen Beruf und die Möglichkeit, sich in dieser Männerdomäne zu behaupten: „Jetzt will ich mal zeigen, dass ich in der Männerwelt genauso mit bestehen kann“ (Vogt, w, Feldwebel, Sanität). Für Meier (w, Unteroffizier, Marine) ist der Soldatenberuf der Traumberuf, „ich wollte schon immer Soldat werden“, den ersten Kontakt mit der Bundeswehr an einem Tag der offenen Tür bei der Marine beschreibt sie so: „Und in Kiel, ja, Stützpunkt rein, Wasser gerochen, das ist meine Heimat“. Die Begeisterung für den Soldatenberuf schreibt sie der Familie zu, „ist wahrscheinlich so, wenn das in der Familie liegt, dann geht man automatisch dahin“. Eine Ärztin des Sanitätsdienstes verknüpft den Wunsch, als Soldatin zu dienen, mit der Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten: „Hab’ mir auch immer gesagt, klar, als Frau, warum nicht auch für’s Vaterland dienen“ (Gabriel, w, Offizier, Sanität). Für Ärztin Neumann (Offizier, Sanität) war der Wunsch, zur See zu fahren, das ausschlaggebende Kriterium für den Soldatenberuf, das Medizinstudium hätte sie, wenn sie sich gegen die Bundeswehr entschieden hätte, nach eigenen Aussagen nicht gemacht. Für eine Kfz-Mechanikerin bot die Verpflichtung als Soldatin die einzige Möglichkeit, in ihrem erlernten Traumberuf zu arbeiten, da sie nach ihrer Lehre keine Anstellung fand, „immer mit der Absage, ja, keine Frauen“ (Lorenz, w, Feldwebel, Sanität). Eine andere Soldatin entschied sich für die Bundeswehr, weil sie „einfach keinen frauentypischen Beruf“ (Moser, w, Unteroffizier, Marine) wollte. Für ihr eigentliches Berufsziel Schreiner oder Stuckateur fand sie keinen Ausbildungsplatz, „weil ich eine Frau war“. Dass sie nun letztlich doch einen frauentypischen Beruf, sie arbeitet als Krankenschwester an Bord, ergriffen hat, legitimiert sie, indem sie den Soldatenberuf als männlichen dagegen positioniert: „aber in Verbindung mit der Bundeswehr wird das schon gehen“.

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GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Gerade an diesem letzten Beispiel von Soldatin Moser zeigt sich eine Verhaltensstrategie, die sich auch bei anderen Soldatinnen finden lässt und die in Anlehnung an Connells Modell der hegemonialen Männlichkeit (Connell 1999: 100) als „komplizenhafte Weiblichkeit“ (Apelt/ Dittmer 2006: 12) interpretiert werden kann. Connell (1999: 100) geht davon aus, dass nur wenige Männer der hegemonialen Männlichkeitsnorm überhaupt entsprechen können. Dennoch profitierten die Mehrzahl der Männer von dieser Männlichkeitsnorm, also von dem Vorteil, den die Unterdrückung von Frauen ihnen bietet. Dies lässt sich hier auch auf die Soldatinnen übertragen, die einen gesellschaftlich weiblich konnotierten Beruf aufwerten, wenn sie ihn in der Bundeswehr ausüben können. Moser positioniert sich als von der Männlichkeitsnorm und der männlichen Prägung des Soldatenberufs profitierend und verstärkt diese dadurch diskursiv. Durch die Kombination des eigentlich als weiblich konnotierten Berufsfelds Krankenschwester mit dem männlich konnotierten Soldatenberuf kann sie sowohl Männlichkeit als auch Weiblichkeit inszenieren. Gerade für die Frauen und Männer des Sanitätsdienstes stellt die Kombination von weiblich konnotiertem Berufsfeld mit männlich konnotiertem Soldatenberuf die Möglichkeit dar, sowohl Männlichkeit als auch Weiblichkeit zu inszenieren, wenn auch diese Inszenierungen vielfältig gebrochen und nicht immer leicht zu vereinbaren sind. Für viele Frauen bietet der Dienst in den Streitkräften die Möglichkeit und die Hoffnung, dem engen Rahmen der gegenderten Arbeitsteilung im zivilen Bereich zu entkommen. Dass sie in ihrer Zeit bei der Bundeswehr diese Motivation immer wieder unter Beweis stellen müssen, um akzeptiert zu werden, spielt bei den Entscheidungen für den Soldatenberuf noch keine Rolle. Bei der anderen Hälfte, die sich für den Soldatenberuf nicht explizit aus emanzipatorischen Gründen entschieden hatte, spielten vor allem ökonomische Motive, d. h. drohende oder existierende Arbeitslosigkeit und die Chance, in der Bundeswehr eine Ausbildung zu erhalten, die zentrale Rolle. Die Idee, sich für den Soldatenberuf zu entscheiden, entstand zumeist durch das soziale Umfeld. Die Hälfte der Frauen erwähnt, dass sie durch Familienmitglieder oder Freunde zur Bundeswehr gekommen sind bzw. „geprägt“ wurden. Auch die Möglichkeit, sich in der Bundeswehr als Frau im Ausland engagieren zu können – und dafür vorher von Seiten ziviler Institutionen keine Unterstützung bekommen zu haben –, stellt ein Motiv dar, sich für den Soldatenberuf zu entscheiden: „Interesse ja, Auslandseinsatz bzw. ins Ausland gehen wollen, fangen wir mal so rum an, sagte ich, ,ja, will ich auch auf jeden Fall‘. Probierte das über das 124

DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

Rote Kreuz: ,Hm, Mädel, du gehörst in die Küche und hast Kinder zu hüten und hast gefälligst in die Kirch’ zu gehen‘. Ja, das war die Aussage vom Roten Kreuz, dachte ich, na ja, Möglichkeit Nr. 2, ich werde Krankenpfleger. […] Ja, hin und her überlegt, dabei mal selber nachgeforscht im Rahmen eines Preisausschreibens von Braun, was es denn so für Möglichkeiten gibt, was man denn so alles machen kann außer dem Krankenhaus und dann stand mein Entschluss irgendwann fest, ich probier’ es jetzt einfach mal“ (Vogt, w, Feldwebel, Sanität).

Die Frage nach dem Zugang zur Bundeswehr stellte im Interviewverlauf die erste Frage dar. Bereits hier thematisiert die Mehrzahl der Frauen explizit ihr Frau-Sein. Dies lässt darauf schließen, dass die Frauen sich mit der Männlichkeit der Bundeswehr bereits vor ihrem Eintritt auseinandergesetzt haben, bzw. auseinandersetzen mussten, die Männer sich hingegen selbstverständlich in diese Männlichkeitsnorm integrieren konnten. Die Männlichkeitsnorm wird für die Frauen bereits bei der Entscheidung für oder gegen den Soldatenberuf zu einer bestimmenden Variable, die Trennung in Männer und Frauen bereits von Beginn an festgeschrieben, obwohl letztlich beide von der Männlichkeitsnorm profitieren bzw. darunter leiden. Was zeichnet diese Männlichkeitsnorm im Zugang zur Bundeswehr aus? Zunächst spielt der auf Männer beschränkte Wehrdienst eine wichtige Rolle: Er zwingt die Männer kollektiv dazu, sich zum militärischen Dienst zu positionieren. Diese Entscheidung ist aber vor allem von ethischen, moralischen Gründen abhängig und nicht von der gegenderten, der männlichen Konnotierung des Soldatenberufs. Die Karriere in der Bundeswehr wurde für die Mehrzahl der Soldaten über „old-boysnetworks“, d. h. über die gezielte Förderung durch Vorgesetzte ermöglicht. Über dieses „male-bonding“ bestätigt sich die Dominanz der männlichen Norm und das quantitative Übergewicht von Männern (Eifler/Seifert 1999: 13). „Das hat sich halt so ergeben“ ist eine typische Aussage derjenigen Soldaten, die über den Wehrdienst zum Soldatenberuf gekommen sind. Für die Frauen ist die Entscheidung für den Soldatenberuf hingegen von Anfang an eine gegenderte Entscheidung, die sie mit ihrer Selbstdefinition als Frau und ihrer Positionierung in der Organisation konfrontiert. Sie entscheiden sich bewusst für den Soldatenberuf als männlichen Beruf und sehr viel eher für die soldatische und militärspezifische Seite des Berufs – wie z. B. die Begeisterung für Waffen und Technik – als die Männer (Kümmel/Werkner 2003: 129ff.). Hinzu kommt, dass sich einige der Frauen nur in der Bundeswehr in ihrem Beruf verwirklichen können, da sie unter der Ablehnung von Frauen in Männerberufen in der zivilen Gesellschaft litten bzw. ent125

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

täuscht waren von der fehlenden Unterstützung für ihre Bedürfnisse. Die Frauen nutzen die Männlichkeitsnorm zu ihren Gunsten aus und bringen sie in ihren Subjektivierungsprozessen mit Weiblichkeitsnormen in Einklang. Damit zeigen sie, dass die Genderkonstruktionen innerhalb des Militärs variabler zu sein scheinen als im zivilen Bereich. Inwieweit dies gelingt und wo sich Brüche zeigen, wird noch zu zeigen sein. Für Männer wie für Frauen stellt der Eintritt in die Bundeswehr einen mit Unsicherheit und Angst belasteten Vorgang dar. Die Männer kommunizieren dies indirekt, indem sie feststellen, „das ist eigentlich was Gutes“ (Carstensen, m, Feldwebel, Panzergrenadier), die Frauen betonen sehr viel stärker als die Männer, dass sie unsicher waren und nicht wussten, was auf sie zukommt. Sie argumentieren sehr vorsichtig und kommentieren sowohl die vergangene als auch die gegenwärtige Situation durchgängig mit „einfach mal gucken“. Sie positionieren sich damit immer wieder als Beobachterinnen, die sich nicht festlegen möchten, sondern flexibel und eigenverantwortlich bleiben und für sich implizit die permanente Option des Aussteigens thematisieren. Damit verbunden ist auch die Angst, es nicht schaffen zu können, es erst einmal auszuprobieren und abzuwarten. Die Bundeswehr scheint für Frauen allgemein ein zeitlich überschaubares und befristetes Projekt zu sein, für die Männer ist es eher ein auf Dauer angelegter Beruf (Deutscher Bundestag 2007: 9). Welche Bedeutung das Spezifische des Soldatenberufs, nämlich der Umgang mit Waffen und Gewalt, für die Subjektkonstruktionen hat und wie die Soldatinnen über den Umgang mit Waffen und Gewalt Männlichkeit inszenieren, ist der Gegenstand des folgenden Abschnitts.

8.2

Umgang mit Waffen, Kampf und Tod

Die Anwendung von Waffen und der Gebrauch von Gewalt in den Streitkräften kann anhand verschiedener Dimensionen betrachtet werden: Ethische/religiöse, rechtliche, und technische Aspekte spielen ebenso eine Rolle wie psychologische, politische und soziale Faktoren. Die Fragen nach dem Sinn des Soldatenberufs und der ethischen und moralischen Ausrichtung militärischen Handelns, die auch die Anwendung von Waffengewalt legitimieren, werden in der Bundeswehr über das Konzept der Inneren Führung geregelt (8.2.1). Rechtlich ist zu klären, in welchen Fällen legitimerweise Gewalt angewendet werden darf und wie ungerechtfertigte Anwendung von Gewalt zu sanktionieren ist. Dies wird für die Bundeswehr im „Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Sol126

DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

daten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen“ (UZwGBw 2007) festgelegt und in den jeweiligen Befehlen und Aufträgen genauer definiert. Für den Auslandseinsatz gelten die jeweiligen Rules of Engagement, die den Soldatinnen und Soldaten in Form von sog. „Taschenkarten“ zugängig gemacht werden (8.2.2). Die Subjekte erlernen in der militärischen Ausbildung nicht nur den Sinn ihres Handelns, sondern auch die Kontrolle ihres Körpers. Dies wird über militärische Sozialisation und Disziplinierung geregelt (8.2.3). Dabei unterscheiden sich die jeweiligen Legitimierungs- und Sinnstiftungsprozesse je nach Truppengattung; gemein ist allen, dass sie sich in der Frage des Umgangs mit Waffen und Gewalt kollektiv von der Figur des Soldaten als Kämpfer distanzieren (8.2.4). Die Soldatinnen nutzen diese Figur des Kämpfers wiederum, um sich als besonders professionelle Soldaten darzustellen, wohingegen dies für die Soldaten kaum noch eine Relevanz hat (8.2.5).

Innere Führung als sinnstiftende Instanz soldatischen Handelns Innere Führung, eine Art militärische Managementphilosophie, konzeptionalisiert den Soldaten als Staatsbürger, der eine besondere Verantwortung für sein Handeln zu tragen hat und an den Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung orientiert ist. Die individuelle ethische und politische Bindung der Soldaten, also die Reflexion und eigene Positionsbestimmung, steht im Vordergrund, denn militärisches Handeln ist immer auch als politisches Handeln zu denken (Seiffert 2005: 66ff.). Die Achtung der Menschenwürde hat für die Soldatinnen und Soldaten über allen anderen Werten zu stehen. Uneingeschränkten Gehorsam sollte es nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs nicht wieder geben (von Rosen 2004: 157). Die Soldaten werden als gleichberechtigt konzeptionalisiert, die Pluralität der Individuen ist zu akzeptieren (Seiffert 2005: 60). Das Prinzip der demokratischen Freiheitsrechte steht dabei nach Baudissin nicht im Widerspruch zur militärischen Disziplin, beides bedinge hingegen einander, da Verantwortung und Partizipation wichtige Elemente der militärischen Praxis darstellen (ebd.: 46). Die Unterordnung unter das militärische System habe aus Einsicht zu erfolgen und nicht als Resultat eines „Nur-Objekt-Seins“ (Baudissin 1969: 25). Damit wurde der Soldat der Bundeswehr eher als Polizist denn als Kämpfer konzeptionalisiert, für den das Primat des „Nicht-KämpfenMüssens“ (Bröckling 1997: 299) Geltung hatte, was sich gut in die Zeit des Kalten Krieges einfügte, in der „unter den Bedingungen atomarer Abschreckung Kampf nur simuliert werden konnte“ (ebd.: 306). Spezia127

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

lisierung und Professionalisierung fand durch Technisierung statt. Wenn auch Elemente traditioneller Waffensozialisation erhalten blieben, spielte das Militärische immer weniger eine Rolle (ebd.: 307). In der ZDv 10/1 zur Inneren Führung von 1993 (Bundesminister der Verteidigung 1993) wird das Spannungsverhältnis von militärischen Erfordernissen und demokratischen Freiheitsprinzipien, von Kämpfer und Polizist noch einmal besonders deutlich: So ist für militärisches Handeln nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jeweils zwischen Funktionalität und individuellen Rechten, Hierarchie und Partizipation, Disziplin und Eigenverantwortlichkeit sowie der Führungsverantwortung von Vorgesetzten und kooperativem Delegieren von Verantwortung abzuwägen (ebd.: Absatz 212). Als ethische Hilfestellung gilt die Vorgabe, dass die Variante gewählt werden sollte, die „bei der Erfüllung des Auftrags nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die betroffenen Menschen die wenigsten Nachteile bringt“ (ebd.: Absatz 212, Hervorhebung i. O.). Durch die Neuausrichtung der Bundeswehr gerät die Innere Führung unter Druck, da die normativen Voraussetzungen und die Sinnhaftigkeit der Verteidigung der Interessen Deutschlands außerhalb der eigenen nationalstaatlichen Grenzen gesamtgesellschaftlich noch kaum geklärt sind und die „konzeptionelle Umsetzung und Realisierung dieser Leitbilder für eine Einsatzarmee“ noch ausstehen (Seiffert 2005: 72). Seiffert (ebd.) stellt in ihrer Untersuchung von Subjektkonstruktionen von Soldatinnen und Soldaten im Einsatz fest: „Das soldatische Selbstverständnis entfernt sich mehr und mehr vom Staatsbürger im Uniform hin zu einem Soldaten, der multifunktional in einem internationalen Umfeld einsetzbar ist und sich als militärischer ,Einsatzspezi– alist‘ versteht. Das Berufsverständnis des Soldaten wird von den gesellschaftlichen Entwicklungen des ,Entsendelandes‘ abgekoppelt“ (ebd.: 297).

Zudem sind gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse wie Individualisierung und Wertewandel kaum mehr mit den aus dem Christentum abgeleiteten moralisch-ethischen Grundsätzen vereinbar, auf denen die Innere Führung aufbaut. Auch zunehmende Multinationalität und Europäisierung stellen die Innere Führung grundsätzlich in Frage (DörflerDierken 2005: 25). Um der Entfernung der Soldaten von der Gesellschaft des Heimatlandes durch die Erfahrungen im Einsatz entgegenzuwirken, legte Verteidigungsminister Jung Ende Januar 2008 eine lang angekündigte komplett überarbeitete ZDv zur Inneren Führung vor (Bundesminister der Verteidigung 2008). Diese zeichnet sich erstens durch die Integration 128

DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

des Kampfes in die Innere Führung aus, zweitens durch ein „EinsatzMainstreaming“ und drittens durch ein „Gender-Mainstreaming“ (siehe Abschnitt 3.4). In der ZDv von 2008 findet im Vergleich zur ZDv von 1993 eine bemerkenswerte Bedeutungsverschiebung statt: Der Kampf, das Töten und Getötetwerden werden in der neueren Fassung als selbstverständliche Aufgaben der Soldaten definiert. So heißt es z. B.: „Der militärische Auftrag erfordert in letzter Konsequenz, im Kampf zu töten und dabei das eigene Leben und das Leben von Kameraden einzusetzen“ (Bundesminister der Verteidigung 2008: Absatz 505). In der Fassung von 1993 taucht der Kampf an lediglich einer Stelle auf, in der die Grundpflichten des Soldaten definiert sind. Dort heißt es, „dass der Soldat im Fall einer bewaffneten Auseinandersetzung auch unter Einsatz seines Lebens kämpfen muss“ (Bundesminister der Verteidigung 1993: Absatz 209). Nach Ende des Kalten Kriegs spielte der Kampf noch kaum eine Rolle und wäre auch politisch nur schwer zu legitimieren gewesen, so dass die Formulierung in der ZDv von 1993 sehr vorsichtig gewählt ist und lediglich die Möglichkeit des Kampfes und die Gefahr, das eigene Leben zu verlieren, erwähnt wird. Fünfzehn Jahre später unter neuen sicherheitspolitischen Vorzeichen und der Neudefinition der Bundeswehr als Einsatzarmee bekommen der Kampf und der Soldat als Kämpfer eine sehr viel größere Rolle zugeschrieben: Das Töten wird formal als Option in die Innere Führung eingeschrieben, die Bundeswehr damit bis in ihre Grundfesten hinein auch auf den Kampf hin ausgerichtet. Der Einsatz spielt an sehr vielen Stellen der neuen ZDv eine Rolle, es wurde quasi ein „Einsatz-Mainstreaming“ durchgeführt: Grundrechte, Menschenrechte sowie das Völkerrecht werden für die Soldatinnen und Soldaten „an jedem Ort und zu jeder Zeit“ (Bundesminister der Verteidigung 2008: Absatz 105) als bindend definiert. Innere Führung – vermittelt über die Vorgesetzten als „vornehmste Träger der Inneren Führung“ (ebd.: Absatz 601) – habe das Ziel, den Soldatinnen und Soldaten den Sinn des militärischen Auftrags und vor allem von Auslandseinsätzen verständlich zu machen, weshalb politischer Bildung eine noch größere Bedeutung zugemessen werden sollte. Der Vorgesetzte habe sich besonders im Einsatz um seine Untergebenen zu kümmern, da in dieser Extremsituation die Untergebenen besonderer Aufmerksamkeit bedürften. Auch der soldatische Wertekanon wurde erweitert und neben den traditionellen Werten wie Tapferkeit, Treue, Gewissenhaftigkeit, Kameradschaft, Fürsorglichkeit, Disziplin, Wahrhaftigkeit auch Gerechtigkeit, Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen integriert (ebd.: Absatz 507). Der Einsatz ist damit für die soldatischen Subjekte 129

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

handlungs- und identitätsleitend und die Innere Führung als militärische Menschenführung und damit primäre Subjektivationsinstanz zunehmend auf Kampf und Krieg ausgerichtet.

Rechtliche Dimensionen zum Umgang mit Waffengewalt Wird der Umgang mit Gewalt und die Neuausrichtung des Soldatenberufs normativ durch die Innere Führung geregelt, so wird im UZwGBw (2007) der konkrete Einsatz von Gewalt definiert: Die Anwendung von körperlicher Gewalt oder Gewalteinwirkung durch Waffengewalt werden dann als legitim definiert, wenn gegen die Bundeswehr eine Straftat ausgeübt wird oder werden soll (ebd.: § 9). Dabei hat der „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ (ebd.: § 12) zu gelten, d. h., dass der Einsatz von Schusswaffen nur erfolgen sollte, wenn keine andere Maßnahme erfolgreich war (ebd.: § 16). Der Einsatz von Schusswaffen gegen Unbeteiligte und Kinder ist verboten (ebd.). Für den Einsatz ist der Gebrauch von Schusswaffen und körperlicher Gewalt in den jeweiligen „Rules of Engagement“ festgelegt, die konkrete Anwendung ergibt sich erst aus den Gegebenheiten vor Ort und in den jeweiligen Situationen (Dreist 2007: 100). Die Problematik in jedem Versuch, die Anwendung von Waffengewalt zu regeln, liegt in der bereits angedeuteten Ambivalenz der Verteidigung der Interessen der Streitkräfte und Deeskalationsstrategien bzw. dem defensiven Einsatz von Waffengewalt. Dies führe zu einem gewissen „Frustrationspotenzial; denn einerseits will niemand der erste sein, der schießt, andererseits will der eingesetzte Soldat nicht als erster beschossen oder gar erschossen, mit einem Flugzeug abgeschossen oder einem Kriegsschiff versenkt werden“ (ebd.: 113). Wann Waffengewalt eingesetzt wird, ist damit von in Extremsituationen schnell zu treffenden Entscheidungen der Vorgesetzten abhängig. Dies erfordert eine entsprechende Ausbildung. In der Ausbildungshilfe „Umgang mit Verwundung und Tod“ (Zentrum Innere Führung 1996) wird betont, dass zur militärischen Selbstdisziplin vor allem die Beherrschung der Gefühle gehört, um in Extremsituationen handlungsfähig zu bleiben. Zwar müsse sich jeder Soldat seiner Verantwortung über Tod, Töten, Tötenlassen, Sterben und Verwundung bewusst sein, unter akuter Belastung könne jedoch nur „drillmäßig reagiert“ werden (dazu auch Warburg 2008: 167).

130

DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

Militärische Sozialisation und Disziplinierung Diese Disziplinierungsprozesse wie auch der Drill im Rahmen der militärischen Sozialisation prägen die Soldatinnen und Soldaten besonders in der Grundausbildung:1 Das generelle Ziel militärischer Sozialisation ist es, die Soldaten und Soldatinnen für Situationen auszubilden, in denen sie mit Gewalt konfrontiert sind und verletzen/töten bzw. verletzt/getötet werden können (Apelt 2004: 26). Wie Foucault (1977) zeigt, werden stabile und gehorsame militärische Körper durch Disziplinartechniken wie Normalisierung, Standardisierung und Synchronisierung produziert, die wiederum militärisches Handeln definieren. Über das Exerzieren wird „aus einem formlosen Teig, aus einem untauglichen Körper, […] die Maschine, derer man bedarf“ (ebd.: 173). „Das Exerzieren brachte die Motorik des Soldaten in Übereinstimmung mit der Konstruktion des Gewehrs“ (Bröckling 1997: 71). Dem Zusammenspiel von Körper und Waffen wird in der militärischen Ausbildung besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da der Soldat sowohl auf Befehl willens sein muss, Gewalt anzuwenden, als auch dazu die nötige technische und physische Ausbildung benötigt (ebd.). Dieser „Komplex Körper/Waffe, Körper/Instrument, Körper/Maschine“ (Foucault 1977: 197) bringt eine neue – die soldatische – Identität hervor, in der das Subjekt sich sowohl physisch als auch psychisch mit der Waffe identifiziert. Der individuelle Körper des Soldaten wird damit zum Kollektivkörper erzogen, der in Extremsituationen selbst wie eine Waffe reagiert, der seinen Auftrag ausführt und Emotionen – zumindest in der Extremsituation an sich – so weit wie möglich auszublenden vermag. Warburg (2008: 153ff.) analysiert den Prozess der militärischen Disziplinierung anhand der zwei Kategorien Körper und Leib: Der Körper bezeichnet die instrumentelle, die funktionale Seite. Er entwickelt durch den Drill spezifische Handlungsroutinen, die in Extremsituationen mechanisch abgerufen werden können. Der Leib hingegen zeichnet sich durch die Affekte und Emotionen aus, die nur schwer zu kontrollieren oder konditionieren sind. Die militärische Ausbildung ist damit immer eine Ausbildung gegen die Angst und hat das Ziel, Körper und Leib in Einklang zu bringen. Diese beiden Ebenen lassen sich in der Analyse des Prozesses der militärischen Waffensozialisation vor allem in der Grundausbildung herausarbeiten: Militärische Sozialisation beinhaltet eine intellektuelle, rationale technische Dimension – die Disziplinierung des Körpers und die Beherrschung der Waffe – und eine emotionale bzw. leibliche Kom1

Die folgenden Ausführungen basieren auf Dittmer 2007d. 131

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

ponente. Ohne die absolute Kontrolle und Ausschaltung von Emotionen ist die Hemmung zu Töten kaum zu überwinden. Auch der Körper muss an den Umgang mit Waffen gewöhnt und angepasst werden. Dazu gehören sensorische und motorische Fähigkeiten ebenso wie spezifische Körperhaltungen (Warburg 2008: 290). Der Ausschluss von emotionalen Aspekten im Waffengebrauch bringt diese jedoch, folgt man Foucaults konstruktiven Machtbegriff (siehe Abschnitt 5.1.1), erst hervor und muss von der Organisation über Kameradschaft und Vertrauen aufgefangen und kanalisiert werden.

Militärische Sozialisation aus Sicht der Soldatinnen und Soldaten Für die Soldatinnen und Soldaten stellt der erste Kontakt mit Waffen zunächst einen angstbesetzten Vorgang dar: „Also damals in der Grundausbildung, als ich das erste Mal eine Waffe in der Hand hatte, da hab’ ich wirklich schon ganz schön gezittert. Also diese Überwindung, jetzt wirklich dort auf diese Pappfigur zu schießen“ (Gries, w, Unteroffizier, Marine). Soldat Späth schildert seinen ersten Kontakt mit Waffen während der Grundausbildung, indem er deutlich zwischen den theoretischen, rationalen und den emotionalen Aspekten der Ausbildung unterscheidet: „Man lernt theoretisch, was das Gewehr für eine Schussweite hat, was für ein Kaliber, wie viele Baugruppen und das alles. Wie man es zerlegt, das Gewicht der Waffe und wie das Projektil fliegt, ob das im Bogen fliegt oder so. Dann gibt es auch Texte zum Durchlesen. Aber es ist halt geiler, so ein Gewehr kennen zu lernen“ (Späth, m, Mannschaften, Panzergrenadier).

Er benutzt den Ausspruch, dass er die Waffe „kennen lernen“ möchte, sie hat für ihn bereits eine sehr humane Dimension. Für ihn bedeutet das Kennenlernen der Waffe den konkreten physischen Kontakt, das Anfassen und Fühlen. Eine der Strategien, wie diese Vertrautheit in die Waffe hergestellt werden kann, ist das ständige Auseinandernehmen und Zusammenbauen der Waffen vor allem in der Grundausbildung, was z. T. in Form von Spielen vermittelt wird. „Wir haben Auseinandernehmen und Zusammensetzen mit kleinen Spielchen verbunden. Zum Beispiel mit verbundenen Augen auseinandernehmen und zusammensetzen“ (Hofbauer, w, Mannschaften, Sanität). Die Soldaten lernen ihre Waffen genauso wie ihren eigenen Körper kennen und sich und ihren Waffen blind zu vertrauen. Sie lernen, die Augen vor den Folgen ihrer Handlungen zu ver132

DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

schließen, was den Waffen einen Teil ihres bedrohlichen Potenzials nimmt. Soldatin Hofbauer (Mannschaften, Sanität) ist stolz darauf, dass sie schließlich in der Lage ist, die Waffe zu beherrschen: „Genauso wie das erste Mal an der Waffe: da gab es bei der G36 so einen Druck darauf. Und man wusste nicht, wie man sie richtig anfassen soll, aber aus den Fehlern hat man gelernt. Man drückt sie richtig rein, dann hat man sie im Griff und dann schießt man“. Diese physischen, emotionalen Erfahrungen, die Erfahrungen des Leibes wie das Anfassen, das Fühlen des Rückstosses oder das Zittern werden durch diffizile physische und disziplinäre körperliche Techniken kontrolliert: „Aber diese Atemtechnik, die dir beigebracht wird zum Schießen. […] Das ist schon genial“ (Späth, m, Mannschaften, Panzergrenadier). So vereinen sich die Soldaten quasi bis hin zum wichtigsten Aspekt ihres Lebens, dem Atmen, mit der Waffe. „Nur wenn er [der Soldat, C.D.] versteht, seinen Körper wie ein Instrument einzusetzen, und dieser gleichsam zum Teil der Waffe wird, kann der Soldat die Waffe optimal als ein von ihm kontrolliertes Instrument verwenden“ (Warburg 2008: 290). Zugleich werden durch diese Techniken die emotionalen Beziehungen und das Vertrauen zu den Vorgesetzten gestärkt: „Und dann fing es wirklich langsam an mit dem Schießen. Das waren ganz liebe Vorgesetzte. Die haben gesagt, ,keine Angst, wir stehen hinter Ihnen, falls irgendetwas passiert, brauchen Sie keine Sorgen zu haben‘“ (Hofbauer, w, Mannschaften, Sanität). Ein weiterer Schritt in der Identifikation mit Waffen stellt die Integration der Waffe in das tägliche Leben der Rekruten dar: „Ich selber kann mir nicht vorstellen, dass man mit so einem Gerät jemanden töten kann. Ich kann es mir nicht vorstellen, weil ich es nicht gesehen habe. Weil es in den ersten zwei Wochen alltäglicher Gebrauch war. Wir hatten die ständig am Mann. Wir sind damit Essen gegangen, wir mussten damit auf Toilette gehen. Alles. Also ich kann mir nicht vorstellen, dass aus dem Ding was rauskommen kann, was jemand anderen tötet“ (Müller, m, Mannschaften, Sanität).

Soldat Müller hatte durch seine zivile Sozialisation keinerlei Bezug zu Waffen. Als Folge der Disziplinierungstechniken ist die Waffe nun hingegen quasi inkorporiert, sie ist etwas Selbstverständliches geworden, ein Teil von ihm, welcher ihn in allen Situationen seines Alltags bis hin zum Besuch der Toilette begleitet. Die Waffe wird zum Kameraden, dem man vertrauen kann, der mit einem „durch dick und dünn geht“, und der Einen verteidigt. Die Vorstellung, dass eine Waffe töten kann, ist kaum mehr möglich. 133

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Wie sich diese Inkorporation auch auf die konkreten Verhaltensweisen der Soldaten in ihrem späteren Dienstalltag auswirkt, zeigt folgende Erzählung eines Soldaten, der eine Situation schildert, in der er mit seiner Einheit bedroht wurde: „Also ich habe, glaube ich, kein Problem damit, einen zu erschießen. Ich war jetzt schon in zwei Auslandseinsätzen und ich muss sagen, in so einer Situation denkt man nicht darüber nach. Da hat man so weit abgeschaltet, man fährt sich selber seine, sag’ ich mal, soziale Stufe ein bisschen runter, dass man sich dem Ganzen anpasst, dann sieht das auch schon ganz anders aus. Man denkt da nicht so darüber nach, in dem Moment, über’s Sterben denkt man, glaub’ ich, in so einer Situation nicht darüber nach. Das ist dann eigentlich vieles, was man erst hinterher verarbeitet. Man handelt dann einfach nur, was man gelernt hat, sieht zu, dass man seinen Auftrag erfüllt, dass man seine Soldaten, die man anvertraut gekriegt hat, auch lebend wieder zurückkriegt. Das ist der Hauptauftrag. Aber über das Eigene, da denkt man eigentlich in dem Moment nicht nach. Weil, da hat man so viel zu tun, so viel im Kopf und das richtige Bewusstsein tritt eigentlich erst ein, wenn man im Nachhinein in Ruhe darüber nachdenkt“ (Damm, m, Feldwebel, Panzergrenadier).

Damm erscheint perfekt sozialisiert, er reagiert automatisch, ohne die möglichen Folgen seines Handelns zu reflektieren. Er inszeniert sich als perfekter Vorgesetzter, der sein eigenes Wohl unter das Wohl der Untergebenen und die Erfüllung des Auftrags setzt. Er führt in der Extremsituation automatisch das Gelernte aus und blendet vor allem die eigene Verletzlichkeit aus seinem Bewusstsein aus. Er ist komplett in den militärischen Körper inkorporiert und inszeniert sich als professioneller, gefestigter Soldat. Allerdings ist der Gedanke, dass die Soldatinnen und Soldaten in eine Situation kommen könnten, in der sie schießen müssen, für die wenigsten derart einfach, wie er für Soldat Damm scheint. Der Gedanke ruft Angst und Unsicherheit hervor, wird allerdings ebenso wie bei Damm bearbeitet, indem man sich letztlich als professionellen Soldaten darstellt, der seine Arbeit macht: „Mit Waffen hab’ ich überhaupt keine Probleme. Jetzt nicht, dass ich sag’, uh, ’ne Waffe, Hilfe, könnt’ ja jemand töten.‘ Und wenn ich in den Einsatz gehe, muss ich damit rechnen, dass ich die Waffe gebrauchen muss. Weil einerseits ist das ja so, wenn jemand mich bedroht, erschieß’ ich den. Na ja, nicht sofort erschießen, aber bevor der mich erschießt, erschieß’ ich lieber ihn. Und dessen muss man sich bewusst sein. Ich glaub’, ich hätt’ da am Anfang erst mal ein bisschen Skrupel, auf jemanden wirklich zu schießen. Auch wenn’s zum Beispiel hier an der Wache oder so, und man ist ja früher auch hier Streife gelau134

DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

fen, als ich noch halt Obergefreiter war. Da hat man ja auch immer gesagt gekriegt, ,ja, hier, wenn jetzt aber einer über den Zaun klettert und einfach mal abhaut, dann musst du auf den schießen‘. Ich weiß nicht, ob ich’s dann gemacht hätte. Ich hätte vielleicht erst mal Warnschuss und nach dem Warnschuss… muss man ja sowieso erst mal, aber wenn der nicht stehen geblieben wäre. Hm. Weiß nicht, hm. Ich weiß nicht, ob ich wirklich geschossen hätte. Wahrscheinlich schon. Weil ist ja ein Befehl gewesen“ (Peter, w, Offizier, Panzergrenadier). „Ja, man muss sich ja damit auch auseinandersetzen, wenn man zu lange zögert, kann es vielleicht schon zu spät sein. Man muss aber gleichzeitig wissen, dass man das, was man tut, dass es, ja, ich hoff’ mal, weil im Nachhinein kann man es immer anders sagen, ich hoff’ mal, dass es das Richtige ist, was man tut […]. Also ich würde, glaube ich, in der Situation meine Entscheidung aus dem Bauch und das, was da mein Auftrag ist, ein bisschen vermischen“ (Rehberger, m, Feldwebel, Marine).

Soldatin Peter beginnt ihre Ausführungen über ihre Einstellung zu Waffen damit, dass sie zunächst einmal deutlich macht, dass sie überhaupt kein Problem mit Waffen hat und man ihr deshalb auch nicht absprechen kann, eine gute Soldatin zu sein. Die Waffe macht ihr keine Angst, sie gehört zu ihrem Berufsverständnis dazu, Peter ist reflektiert und aufgeklärt über das, was ihren Beruf auszeichnet. Ebenso wie fast alle anderen Soldatinnen und Soldaten ist die einzige Situation, die sie für den potenziellen Gebrauch von Waffen erwähnt, die Notwehrsituation, in der das Recht und die Möglichkeit, sein eigenes Leben zu retten auch dem Zuhörer verständlich wird und gerechtfertigt scheint. Dann beginnt sie allerdings von ihren persönlichen Erfahrungen aus der Zeit zu berichten, in der sie Wachdienst hatte. Die Erzählung wird zunehmend gebrochen und von Zweifeln durchdrungen. Sie ringt mit sich, ob sie in einer Situation wirklich schießen würde, bezieht dabei auch ihr Wissen aus der Schießausbildung, dass man zunächst einen Wachschuss abzugeben habe, mit ein, bleibt aber dennoch unsicher. Hier zeigt sich sehr deutlich die Unabgeschlossenheit und Performativität von Subjektbildungsprozessen, wie Butler sie beschreibt. Die Soldatin löst dieses Dilemma, diesen „Gewissenskonflikt“ (Frank, m, Feldwebel, Sanität), indem sie die Verantwortung an die Organisation (die Vorgesetzten, den Auftrag, den Befehl) abgibt und sich – zumindest diskursiv – für den Waffengebrauch entscheidet. Hier zeigt sich, wie schwierig es für die Subjekte ist, sowohl von der Möglichkeit ihres Freiheitsrechts und der Prüfung der Befehle auf ihre Richtigkeit Gebrauch zu machen als auch die militärische Ordnung zu befolgen. 135

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Auch für Soldat Rehberger (Feldwebel, Marine) ist der Waffengebrauch sehr ambivalent. Auch er erwähnt die Notwehr als legitimen Grund, sich für die Waffe zu entscheiden und betont die Verantwortung, die in dieser Entscheidung liegt. Er hat Angst davor, dass seine Entscheidung im Nachhinein falsch gewesen sein könnte. Anders als Soldatin Peter vertraut er auf sein eigenes Gefühl bei der Entscheidung und externalisiert die Verantwortung nicht vollständig. Dennoch ist weder die Strategie, sich als Vollzieherin von Befehlen zu verstehen, noch auf den eigenen „Bauch“ zu hören im Sinne der Inneren Führung, die eine ethisch reflektierte Entscheidung einfordern würde. Besonders problematisch erscheinen derartige Überlegungen, wenn die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz von Kindern2 (vermeintlich) bedroht werden. Diese Bedrohungsszenarien durch Kinder belasten die Soldatinnen und Soldaten extrem, vor allem, weil sie im Einsatz „so unter Strom“ stehen, „dass man auch mal zieht. Nicht losschießt, aber wenn man sich so bedroht fühlt, man sieht es ja nicht“ (Jänsch, w, Feldwebel, Sanität). Die folgende Erzählung von Soldat Simbeck (Mannschaften, Sanität) findet sich in ähnlicher Weise in vielen Interviews wieder: „S.: Die Erfahrung habe ich 1999 gemacht, im Kosovo. I.: Wollen Sie kurz erzählen? S.: Ja, da kam ein Kind… Also, die Vorgeschichte ist, wir waren draußen und haben Massengräber geöffnet. Waren damals auf’m BAT [Beweglicher Arzt Trupp, C.D.] eingesetzt, was wir nicht wussten, war, ’ne Woche vorher hatte eine Hilfsorganisation Spielzeug, so Wasserpistolen an die Kinder ausgegeben, weil es war ja im Sommer. Das wussten wir aber nicht. Dann hatten wir ’n Hauptfeldwebel dabei gehabt, der hat gesagt, ,ja hier, da kommt ein Kind mit Waffe auf uns drauf zu‘, ja und da mussten wir halt wirklich alle in Anschlag gehen, sprich: Wir haben das Kind im Visier gesehen und dann ist ein Dolmetscher los und hat gesagt, ,hier, stopp‘, und hat dem Kind die vermeintliche Waffe abgenommen und ja, dann hat sich das zum Glück noch alles im Guten geregelt. Aber letztendlich, Befehl und Gehorsam herrscht da ja auch und wenn der Hauptfeldwebel gesagt hätte, so jetzt, was weiß ich, Wadenschuss und dann Schießen, dann hätten wir das Kind halt getroffen oder, wie auch immer, wahrscheinlich verletzt nur am Bein, oder so, aber man hätte schon auf ein wehrloses Ziel in dem Sinne schießen müssen. I.: Und wie hat sich das angefühlt dann? S.: War ’n blödes Gefühl, echt, bäh. Also ich möcht’s nicht nochmal machen müssen, so, in solcher Konstellation. Deswegen bin ich ja Sanitäter, ich soll den Leuten ja helfen“. 2

Die Thematik der Kindersoldaten wurde zu dem Zeitpunkt der Interviews gerade besonders diskutiert, da in der medialen Öffentlichkeit der Bundeswehreinsatz im Kongo verhandelt wurde.

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DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

Im Ernstfall auf ein „wehrloses Ziel“ schießen zu müssen, widerspricht der Selbstdefinition der Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten. So verweist auch Simbeck, der ein ähnliches Erlebnis hatte wie Jänsch, in dem er vermeintlich von Kindern bedroht wurde, gleich darauf, dass er Sanitäter sei und den Leuten ja helfen solle. Der Umgang mit Waffen ist noch dem klassischen Kriegsbild verhaftet, in dem der Soldat sich anderen „wehrhaften“ Soldaten gegenübersieht. Letztlich bleiben die Überlegungen doch rein hypothetisch, da die Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten davon ausgeht, dass sie kaum in die Lage kommen werden, Waffen anwenden zu müssen. Ist in den Einheiten mit direktem Feindkontakt wie die Panzergrenadiere und die Sanitäter die Verschmelzung des Körpers mit der Waffe, von Leib und Körper noch die unabdingbare Voraussetzung für die Erfüllung des Auftrags, spielt diese Disziplinierung in den hochtechnisierten Bereichen wie in der Marine kaum noch eine Rolle. Die zunehmende Technisierung und Verwendung von Informationstechnologien führen dazu, dass der gesamte Prozess des Tötens abstrahiert wird, der direkte Feindkontakt wird vermieden, der Kampf und das Töten sind nun nicht mehr als das Drücken eines Knopfes: „Also der Trost, den ich habe ist, dass wir hier [in der Marine, C.D.] nicht viel mit Handwaffen zu tun haben, d. h., die Chance, dass ich in die Verlegenheit komme, mit der Pistole jemanden abzuknallen, ist relativ gering. Ansonsten haben wir in der Marine den Vorteil, dass wir nicht wie Panzergrenadiere auf ein Ziel schießen, dem man hinterher noch in die Augen gucken kann, sondern wir schießen auf ein Radarbild, von daher ist das Ganze, hört sich jetzt makaber an, vielleicht ein bisschen unpersönlicher, anonymer und vielleicht auch für das Gewissen ein bisschen leichter zu verarbeiten. O.k., bei einem Flugkörpertreffer, dass da auf dem Schiff vielleicht auch zweihundert Seeleute ums Leben kommen, das hat man zwar im Hinterkopf, aber man hat in erster Linie einfach nur ein Ziel bekämpft. Das ist ein Punkt und der verschwindet dann und dann ist gut. Nach dem Motto“ (Wittig, m, Offizier, Marine).

Soldat Wittig lehnt den Gebrauch von Waffen generell ab und scheint sehr froh darüber zu sein, dass er in der Marine kaum in Feindkontakt kommt. Der „Feind“ ist zudem in Punkte auf einem Bildschirm transformiert worden, die auf einem Computerbildschirm erscheinen. Emotionale oder physische Aspekte – zum Drücken eines Knopfes bedarf es kaum körperlicher Kraft – spielen nun keine Rolle mehr. Die Technisierung führt dazu, dass sowohl der eigene als auch der Körper des Feindes, also das Menschliche dehumanisiert wird (Djuren 1997: 4). Das Destruktionspotenzial dieser neuen Waffen ist ungleich höher, doch die

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GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Folgen des Handelns bleiben abstrakt und können nur noch politisch vermittelt werden (Warburg 2008: 290).

Waffengebrauch und die Zugehörigkeit zu verschiedenen Truppengattungen In der Frage nach dem Umgang mit – und vor allem der Ablehnung des Gebrauchs von – Waffen wird die Zugehörigkeit zur jeweiligen Teilstreitkraft besonders relevant: Soldat Wittig (Offizier, Marine) betont im obigen Zitat, wie froh er darüber ist, dass er in der Marine keinen Feindkontakt hat, und für Soldat Froschauer (Unteroffizier, Marine) ist die Entscheidung für die Marine vor allem eine Entscheidung gegen das Kämpfen gewesen: „Dass ich eben so mit der Knarre in der Hand irgendwo stehe und irgendwie Kugeln um die Ohren fliegen, hab’ ich mir gesagt, nö, dann mach ich auf Nummer sicher, was heißt Nummer sicher, aber, sag’ ich mal, Marine ist ja immer ein bisschen mehr ab vom Schuss“. In der Marine spielt der Waffengebrauch nur eine untergeordnete Rolle, die Soldatinnen und Soldaten kommunizieren durchweg ihre Ablehnung gegenüber dem Waffengebrauch. Der Kämpfer ist als Subjektposition kaum relevant, größere Relevanz besitzen für ihre Subjektivationen hingegen technische oder intellektuelle Fähigkeiten. Können sich die Soldatinnen und Soldaten der Marine auf ihre hochtechnisierte Ausrüstung oder ihre jeweiligen genuinen Aufgaben berufen, die sich weit weg vom eigentlichen Kampfgeschehen abspielen, so definieren sich die Sanitätssoldatinnen und -soldaten in dieser Frage eindeutig als Sanitäter und damit als Nicht-Kombattanten und weisen den Aspekt des Militärischen von sich. Das zentrale Unterscheidungsmerkmal des Sanitätsdienstes von anderen Einheiten ist das Verbot zu kämpfen. Trotzdem geraten sie in Konflikt mit der Kämpfernorm, die für die Sanitätssoldaten und -soldatinnen sowohl als positiver wie negativer Referenzpunkt dient. Sanitätssoldat Hoffmann z. B. nutzt das Bild des klassischen Kämpfers nur, wenn er sich als Sanitäter positiv von anderen Soldaten unterscheiden will. So zielt die Frage nach dem Umgang von Waffen bei ihm genau auf den Zwiespalt, dem er sich als Sanitäter ausgesetzt fühlt: „Wir sind Sanitätssoldaten und wir lernen von Anfang an auch den Umgang mit der Waffe. Aber es wird uns gleich gesagt, ihr habt die Waffe nur zur Selbstverteidigung oder zur Verteidigung von euch anvertrauten verwundeten, verletzten Patienten. Insofern spielt der Gebrauch der Waffe eine untergeordnete Rolle […] und ich hab’ mich auch schon ertappt, dass ich gesagt 138

DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

habe, ,ja, ich bin ja ein Sanitäter.‘ Also, wenn es darum geht, Bundeswehr und Töten und Gebrauch von Waffen, ja, wir sind Sanitäter, aber das ist ja nicht die Realität, die Wahrheit ist, wir sind Soldaten. O.k., mit einem besonderen Kombattanten-Status. Je mehr man den sanitätsdienstlichen Anteil wahrnimmt und ihn auch ausübt, desto mehr wird eigentlich das Kämpferische des Soldatenberufs in den Hintergrund gedrängt. Und wenn wir dann mal wieder eine Biwak-Woche machen, wo wir also wirklich im Gelände sind, o.k., dann steht der Kampf im Vordergrund“ (Hoffmann, m, Offizier, Sanität).

Dann wiederum verweist er darauf, dass man mit den ihm zur Verfügung stehenden Waffen keinen Krieg führen kann und dass der Schwerpunkt der Arbeit des Sanitätsdienstes darauf liegt, „Menschenleben zu retten“. In diesem Textausschnitt wird das Spannungsverhältnis zwischen den beiden Identitätsangeboten des kämpfenden Soldaten und des helfenden Sozialarbeiters besonders deutlich. Obwohl der Sanitätsdienst durch die besondere Stellung in den Streitkräften bereits differente Subjektpositionen zulässt, dient der Kämpfer auch im normalen Dienstalltag außerhalb der Einsätze immer wieder als Norm, zu der sich die Sanitäter positionieren müssen, da er mit der Sanitätsnorm des Helfens konfligiert: „Ich habe da auch schon mit dem Militärpfarrer drüber gesprochen, passt das überhaupt zusammen, Sanität und Waffen bei der Bundeswehr und es steht doch in der Bibel schon drin geschrieben, du sollst nicht töten. Aber im Originaltext heißt es ja eigentlich nicht, du sollst nicht töten, sondern du sollst nicht morden. Wir benützen die Waffe ja auch nur zur Selbstverteidigung als Sanitäter, um uns selbst oder andere, uns anvertraute Verwundete, zu beschützen. Bevor wir überhaupt schießen, schwenken wir die Rotkreuzflagge, so dass die auch jeder sehen kann. Eigentlich dürfte man uns dann ja nichts tun, gemäß Genfer Konvention und Kriegsvölkerrecht. Ob man sich dran hält, weiß ich nicht, ich möcht’ es nicht drauf ankommen lassen. Man macht sich schon seine Gedanken, aber das gehört dazu“ (Frank, m, Feldwebel, Sanität).

Die Religion als zentrale ethisch-moralische Instanz für Innere Führung und wichtiger Halt und Sinnstifter für viele Soldatinnen und Soldaten, klärt auch für Soldat Frank das für ihn widersprüchliche Verhältnis zwischen Sanität und Gewaltausübung. Dabei nimmt der Militärpfarrer der Gewaltausübung an Brisanz, indem er absichtsvolles „Morden“ von nicht-absichtsvollem Töten trennt. Auch hier greift wieder implizit die gesellschaftlich und rechtlich legitimierte Annahme, dass Töten in Notwehr gerechtfertigt ist. Neben der Religion als sinnstiftender Instanz dient Frank auch das internationale Völkerrecht als Bezugspunkt, das seinen Nicht-Kombattantenstatus als Sanitäter legitimiert, obwohl es 139

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

nicht die gleiche Sicherheit zu bieten vermag wie die Religion. Die Auseinandersetzung mit dem Waffengebrauch gehört für ihn zu seinem professionellen Berufsverständnis dazu, auch er hofft, die Waffe nie benutzen zu müssen. Die Panzergrenadiere können sich weitaus weniger auf alternative Subjektpositionen berufen und arbeiten sich daher vor allem an der Ambivalenz von Deeskalation und Waffeneinsatz ab. In dem folgenden Zitat von Soldat Oswald wird die Einstellung zu Waffen innerhalb der Truppengattung noch einmal zusammengefasst, die sich bei den beiden anderen Panzergrenadieren Soldatin Peter und Soldat Damm oben bereits andeutete. „Also, wenn ich mir da keine Gedanken drüber gemacht hätte bis jetzt, dann hätte ich die letzten Jahre, denk ich mal, irgendwas falsch gemacht. […] Ich sag’ mal, grade in den Einsätzen, es ist wahrscheinlich eine andere Sache, ob ich jetzt wirklich im Krieg bin, sag’ ich mal, und beschossen werde und dann meine Waffe auf größere Entfernung einsetzen muss. Oder ich bin jetzt im friedenserhaltenden Einsatz und bei irgendeiner Hausdurchsuchung oder bei irgendeinem Checkpoint, was weiß ich, zieht irgend’n Zivilist unmittelbar eine Waffe und man muss die Waffe dann einsetzen. Man wird ja eigentlich auch darauf gedrillt, dass man diese Situation schnell erkennt, und dann dementsprechend auch handelt. Die Gedanken wird man sich wahrscheinlich erst später machen. Also, ich glaube nicht, wenn halt einer ’ne Waffe zieht, dass man dann erst überlegt: ,Ja gut, zieh’ ich jetzt meine Waffe oder zieh’ ich die nicht?‘ Da ist man mittlerweile so weit gedrillt, dass man automatisch die Waffe zieht. Man versucht natürlich immer erst, deeskalierend zu wirken, aber wenn es nicht geht. Es ist natürlich auch nicht das Ziel, auf alles zu schießen, was sich bewegt, sondern erst mal deeskalierend wirken und wenn’s dann wirklich gar nicht anders geht, mit einem Warnschuss, der auch noch erst mal durchzuführen ist, dass man dann halt mit dem Schwerpunkt natürlich erst mal versucht mit einem gezielten Schuss auf die Beine oder so und nicht auf irgendwelche Organe und Körperteile, weil derjenige dann sofort stirbt“ (Oswald, m, Feldwebel, Panzergrenadier).

Auch Oswald beginnt seine Ausführungen wie Soldatin Peter damit, sich als reflektierten Soldaten darzustellen. Die Reflexion über die Bedeutung des Waffengebrauchs gehört für ihn unmittelbar zu seiner Vorstellung des guten Soldaten hinzu. Er weist auf den Unterschied zwischen einem Kampfeinsatz und einem friedenserhaltenden Einsatz hin, die beide jeweils unterschiedliche Verhaltensweisen generieren. In einer Extremsituation müsse man sich darauf verlassen, dass man automatisch richtig handelt und entscheidet, zugleich sei die Deeskalation unbedingt

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vorzuziehen. Ziel müsse es sein, den anderen nicht zu töten, sondern fluchtunfähig zu machen. Die Subjektposition, die Oswald, Peter und auch Damm einnehmen, um sich von der Kämpfernorm zu distanzieren, ist die des reflektierten Soldaten, für den die Deeskalation an oberster Stelle steht. Soldat Ludwig – ebenfalls Panzergrenadier – inszeniert in seinen Ausführungen zum Umgang mit Waffen die Kämpfernorm hingegen fast provokativ: „Also mit Waffen identifiziert man sich oder man lässt es, spätestens ab der zweiten Woche des Soldatseins, [wenn man, C.D.] bei der ersten Waffen- und Geräteausbildung sein Sturmgewehr in der Hand hält. Da muss man sich damit auseinandersetzen, ich sag’ mal, 99 Prozent der jungen Männer finden das toll“ (Ludwig, m, Offizier, Panzergrenadier).

Auf die Frage, was ihm an seinem Beruf am meisten gefalle, antwortet er: „Am besten gefällt mir, wenn ich mich mit meinen 140 Soldaten und 14 Schützenpanzern über das Gefechtsfeld bewege und dort meine Kompanie führen kann, wie ich es für richtig halte.“ Ludwig inszeniert sich als Prototyp des männlichen Kriegers, für den das klassische Kriegführen im Gefecht ein zentrales Identifikationsmerkmal darstellt. Im Verlauf des Interviews wird jedoch deutlich, dass der Kämpfer auch für ihn nicht so einfach zu legitimieren ist. In der Ausbildung sei es wichtig, aus „dem Soldaten von gestern, einen Peacekeeper von morgen“ zu machen, man benötige „keinen Soldaten, der nur Aufträge ausführt, weil er jetzt grad einen befohlen bekommen hat“, sondern er muss interkulturell kompetent, sprachlich gewandt und vor allem geistig flexibel sein. Auch seine eigenen Erfahrungen in der Bundeswehr widersprechen den Zuschreibungen seiner Identität als männlicher Kämpfer, so war er Mobbing ausgesetzt oder hat zugunsten seines Privatlebens auf Karriere verzichtet. Der Umgang mit Waffen spielt für die Soldatinnen und Soldaten außerhalb unserer explizite Nachfrage hin in keiner der Truppengattungen eine zentrale Rolle. Deeskalation und zurückhaltender Waffeneinsatz sind für alle Soldatinnen und Soldaten der primäre Handlungsrahmen. Auch bei den Fragen nach den Besonderheiten, Merkmalen oder Eigenschaften des Soldatenberufs taucht die Anwendung von Waffengewalt, die den Soldatenberuf als besonderen kennzeichnen, so gut wie nicht auf. Das heißt, das Prinzip, auf dem das Militär aufbaut, das Gewaltmonopol, besitzt für die Soldatinnen und Soldaten kaum eine Relevanz oder – psychoanalytisch formuliert – wird komplett ausgeblendet.

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GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Die Verantwortung für die Anwendung von Waffen wird externalisiert: auf den Befehl, also die Vorgesetzten bzw. den Auftrag, auch auf den Militärpfarrer. Die Soldatinnen und Soldaten reflektieren mehr oder weniger ausführlich über die Macht, die in ihren Händen liegt, in der Extremsituation steht der Rückzug auf das Gelernte und Eingeübte jedoch an oberster Stelle. Innere Führung, so ließe sich daraus überspitzt schlussfolgern, ist für den Frieden relevant, in der Extremsituation ist die Bezugnahme auf den traditionellen Kämpfer die einzig mögliche Subjektposition.

Umgang mit Waffen und die Konstruktion von Gender Aus den Ausführungen zu militärischer Männlichkeit (siehe Abschnitt 4.1) ließe sich schlussfolgern, dass Frauen durch die diskursiv enge Verknüpfung von Militär, Männlichkeit und Waffengebrauch als das besondere, historisch ausschließlich männliche „Privileg“ des Soldatenberufs gerade im Umgang mit Waffen besondere Schwierigkeiten entwickeln bzw. ein anderes Verhältnis zu ihnen aufbauen müssten. Der beschriebene Mensch-Maschine-Komplex, der nur reagiert bzw. hochgradig technisiert ist, ist zugleich männlich konnotiert, da sowohl Mensch als auch Maschine eng mit Männlichkeitskonzepten verknüpft sind (Frevert 1996). Aus Aufzeichnungen von Soldaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wird deutlich, dass die Waffe immer auch weiblich konnotiert und vor allem sexualisiert war, die Waffe als „Braut des Soldaten“ (Vinnai 2001), oder aber als Phallussymbol fungierte (Pohl 2004; Myrttinen 2003: 39ff.). Diese Sexualisierung von Waffen, so die psychoanalytischen Erklärungsansätze, hänge eng mit Männlichkeit und Mann-Sein zusammen, Männer besäßen daher eine quasi naturgegebene Begeisterung und Faszination für Waffen (Pohl 2004). Waffen symbolisieren das „embodiment of violent, often militarized models of masculinity, which, in turn, have broader socio-political ramifications“ (Myrttinen 2003: 41). Waffen dienen der Durchsetzung von ökonomischen und sozialen Zielen, sie stellen in Peacekeeping-Einsätzen westliche technologische und militärische Überlegenheit dar und bestätigen Männlichkeitskonstruktionen (Schroeder et al. 2005: 6; Myrttinen 2003: 38). In der Bundeswehr gilt das Gewehr G36 im Allgemeinen als „Braut des Soldaten“. Es findet sich – interessanterweise auf der Internetseite zur Schilderung des Girl’s Days bei den Panzergrenadieren – dazu folgendes Zitat: „An einer weiteren Station wurde die ,Braut des Soldaten‘, das Gewehr G 36 vorgestellt“ (Kofoth 2006), auf einer weiteren nicht mehr zugänglichen Internetseite des Deutschen Heeres wurde das 142

DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

Gewehr als „Lebensabschnittsgefährtin“ bezeichnet, das Verhältnis des Soldaten zur Waffe als „Ehe“ (siehe Dittmer 2007d). In den Interviews mit den Soldatinnen und Soldaten tauchen derartige Symbolisierungen und Sexualisierungen von Waffen nicht auf, was allerdings auch durch die Absicht der interviewten Soldatinnen und Soldaten bedingt gewesen sein könnte, sich möglichst zivil zu positionieren. Die Genderdimension kommt vor allem dann zum Tragen, wenn die Soldatinnen den Diskurs über Waffen verwenden, um sich als Soldatinnen zu behaupten. Sie argumentieren, dass es viele Männer und Frauen gebe, die große Probleme mit dem Schießen haben, sie hingegen, als „besondere“ Frauen nicht: „Also ich hab’ mit dem Schießen gar kein Problem gehabt, manche haben da so ein bisschen Angst vor gehabt und so, aber ich eigentlich nicht“ (Pfeifer, w, Mannschaften, Marine). Viele Frauen sind begeistert von der Möglichkeit des Waffengebrauchs, er stellt sogar einen der zentralen Gründe dar, sich für eine Karriere in der Bundeswehr zu entscheiden (dazu auch Kümmel/Werkner 2003: 129ff.). „Also ich sag’ mal so, wenn man ganz normal auf Schießübungen geht oder so auf die Scheiben schießen, das bringt totalen Spaß. Also ich schieß’ total gerne“ (Jänsch, w, Feldwebel, Sanität). „Interessieren würd’ mich das schon, ich würd’ viel öfter mal so Schießübungen machen“ (Lenz, w, Unteroffizier, Marine). „Mir hat das einfach super viel Spaß gemacht im Gelände, das war cool mit Rucksack, dann Farbe ins Gesicht und das Gewehr schultern und ab geht das“ (Moser, w, Unteroffizier, Marine). „Ich hab’ die Waffenausbildung eigentlich immer genossen, es hat mir Spaß gemacht. Ich bin sicherlich nicht schießwütig, würd’ ich nicht behaupten, aber es macht mir Spaß, ich fühl’ mich auch einfach sicherer, wenn ich gut ausgebildet bin und ich denke, es ist wichtig, dass man halt eben den Umgang mit der Waffe lernt“ (Neumann, w, Offizier, Sanität). „Aber für mich ist klar, was Krieg bedeutet, und ich weiß auch, was Sterben und was Schießen und was dann auch demzufolge Krieg bedeutet“ (Gabriel, w, Offizier, Sanität).

Auch Sasson-Levy (2003) beobachtet in ihrer Studie von Soldatinnen der israelischen Armee, dass die Soldatinnen „das Tragen einer Waffe als Privileg und als Ausweis ihres militärischen Wertes sowie als Quelle von Autorität und Selbstvertrauen“ (ebd.: 84) betrachten. Erst durch das Beherrschen der Waffe können sie Normen militärischer Männlichkeit 143

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

wie Kontrolle, Entschlossenheit und Selbstvertrauen übernehmen. Indem die Soldatinnen das Beherrschen der Waffe als positiv und wichtig für ihre eigene Subjektposition bestimmen, übernehmen sie männliche Verhaltensweisen und den männlichen Kämpferhabitus und weisen die traditionellen militärischen Weiblichkeitsvorstellungen zurück. Sie kreieren damit eine neue Genderidentität, die männliche und weibliche Elemente kombiniert und damit die „Idee einer konstanten, in dem Körper sitzenden Geschlechteridentität ad absurdum“ (ebd.: 85) führt.3 Auf der anderen Seite bestätigt sich die Dominanz des Körperdiskurses, der den Soldatinnen weniger körperliche Fähigkeiten zuschreibt und damit die Genderdifferenz verstetigt (siehe dazu Kapitel 9, vor allem 9.2). Viele der Soldatinnen beschreiben das Tragen und den Gebrauch von Waffen als körperlich anspruchsvolle Aufgabe und begründen dies explizit mit ihrer geringeren körperlichen Leistungsfähigkeit: „Ich war überrascht am Anfang, wie schwierig doch der Umgang mit der Waffe eigentlich ist. Die Waffen sind zum Teil recht schwer, gerade wenn man jetzt an das Gewehr denkt oder an das Maschinengewehr zum Beispiel oder so, wahrscheinlich war der Umgang damit nicht besonders leicht, weil sie einfach schwer handhabbar sind, ja, vor allen Dingen für ’ne Frau, für ’ne kleine Frau noch dazu“ (Neumann, w, Offizier, Sanität).

Männer können und müssen Waffengebrauch und Kämpfernorm explizit von sich weisen, da sie ihr per definitionem entsprechen, wie die Aussagen oben von Andresen oder Wittig belegen. Frauen genießen es, sich als Kämpfer zu inszenieren, wenngleich sie das reale Kämpfen rational ebenso ablehnen wie die Männer und sich in der Frage des Waffengebrauchs ebenso auf die Auftragserfüllung bzw. die alternativen Subjektpositionen als Sanitäterinnen oder Marinesoldatinnen zurückziehen. Dazu noch einmal die Aussage von Soldatin Pfeifer: „P: Und wenn es jetzt wirklich so weit kommen würde, muss man es ja machen, weil man ja eben dafür geschworen hat und so dafür eigentlich da ist. I.: Spielt das hier auf dem Schiff auch für ’nen Versorger ’ne Rolle? P: Nicht großartig. Also wir sind ja eigentlich, wie der Name schon sagt, Versorger, wir versorgen die anderen Schiffe. Uns beschützen ja eigentlich andere, wenn es wirklich so weit kommen würde“ (Pfeifer, w, Mannschaften, Marine). 3

Sasson-Levy (2003) weist zu Recht darauf hin, dass man diese Strategie ebenso als Unterwerfung unter den militärischen Männlichkeitsdiskurs und damit als Bestätigung der herrschenden Genderordnung, in der SoldatSein nicht mit Weiblichkeit in Einklang zu bringen ist, interpretieren könnte.

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DER SOLDATENBERUF ALS MÄNNLICHER BERUF?

Die weiblichen Soldaten müssen mit den männlichen Strukturen umgehen und sich dazu positionieren. Sie identifizieren sich nicht mit dem vorgegebenen militärischen Weiblichkeitsideal, das die militärische Männlichkeit ihnen vorschreibt, der schwachen und passiven Frau. Sie übernehmen hingegen in der Tendenz das Bild des Mannes als Kämpfer. Die Männer hingegen definieren sich vor allem über alternative Männlichkeitskonzepte wie den Techniker oder den deeskalierenden Peacekeeper, der Kämpfer spielt für sie kaum eine Rolle bzw. dient vor allem als Negativfolie, von der sich abgegrenzt werden muss. Die Frauen versuchen, militärische Männlichkeit zu inszenieren, scheitern jedoch an dieser Inszenierung, da das Ideal – der Soldat als Kämpfer –, an dem sie sich orientieren, längst nicht mehr in dem Maße zur Inszenierung militärischer Männlichkeit gehört. Sie kopieren damit im Butler’schen Sinne ein Original, welches nicht existiert, scheitern aber an der Inszenierung und weisen damit genau darauf hin, dass der Kämpfer für die allgemeine Selbstdefinition des Soldaten außerhalb des Einsatzes obsolet geworden scheint. Die Möglichkeit, selbst getötet oder verletzt zu werden, taucht in den Interviews kaum auf. Thematisiert werden allerdings Selbstmorde, die besonders im Einsatz vorkommen. Die Erzählungen über diese Selbstmorde dienen den Soldaten wiederum dazu, Männlichkeit und Weiblichkeit im Militär zu definieren: Als Ursache für die Selbstmorde werden meist persönliche Probleme, vor allem Beziehungsprobleme, vermutet, wie in den folgenden Beispielen. Die Institution selbst entlastet sich damit von der Verantwortung für die ihr anvertrauten Subjekte. Zugleich wird in den Narrationen die Genderordnung des Einsatzes gestärkt: „Kurz vor Kontingentende hat sich bei uns ’ne junge Frau erschossen. ’ne junge Unteroffizier, weiblich. Wir wissen nicht genau, woran das lag, wir vermuten, die hat kurz vor ihrem Einsatz geheiratet, und wir denken einfach mal, sie hat während des Einsatzes irgend jemand anderes kennen gelernt. So, und jetzt stand das Kontingentende bevor und sie hat nicht mehr gewusst, was mache ich jetzt. Wobei, ich behaupte mal, also ’ne neun Millimeter ist bestimmt die allerschlechteste Lösung. Aber wir wären auch nie auf die Idee gekommen, dass sie das…, und es gibt genug, ’ne, man kann sich an Kameraden oder an Vorgesetzte wenden, Truppenarzt, Truppenpsychologen sind vor Ort, Nervenarzt und Psychiater, und auch die Männer sollen mal nicht so denken, auch die können weich werden“ (Sommer, m, Offizier, Sanität).

Sommer erzählt in diesem Interviewausschnitt, dass sich in seinem Kontingent eine junge Frau erschoss, die frisch verheiratet im Einsatz einen anderen kennen gelernt habe und nun vor Kontingentende hilflos keinen anderen Ausweg gewusst habe als den Selbstmord. Dass es für diese 145

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Theorie keine Beweise gibt, es lediglich eine Vermutung ist, spielt für Sommer keine Rolle. Die Frau, jung zudem, wird hier im Sinne der militärischen Weiblichkeitskonstruktion als hilflos, unvernünftig und verzweifelt dargestellt, die Situation schien ihr über den Kopf gewachsen zu sein. Verständnis hat dieser Soldat nicht für ihre Situation. Den Selbstmord der Frau interpretiert er als individuelles Versagen. Selbstmord wird diskursiv mit Schwäche gleichgesetzt, und diese Schwäche betrifft vor allem Frauen. Besondere Bedeutung für die Frage nach den Genderverhältnissen bekommt seine Erzählung zudem durch das Ende, indem der Soldat explizit darauf hinweist, dass auch Männer weich werden können und dass dies auch innerhalb der Streitkräfte legitim ist. Der Subtext dieser Äußerung ist, dass Männer sich im Allgemeinen als hart und tapfer inszenieren und keine Schwäche zeigen. Eine ganz ähnliche Erzählung – allerdings mit umgekehrten Genderverhältnissen – ist die folgende: „2001, als wir den ersten Soldaten auf’m Tisch hatten, bei uns im Schockraum hatten, der sich selbst niedergestreckt hatte mit seiner Waffe. 21 Jahre jung, eigentlich noch in der Blüte seines Lebens. Neben ihm haben wir denn halt gefunden das Handy, das Foto seiner Frau oder Freundin, da kann man eins und eins zusammenzählen. […] Ich gehörte zum OP-Team und nicht vorne zur Notaufnahme. Ich war draußen, hab’ draußen eine geraucht vor der Notaufnahme, wollt’ eigentlich nur wissen, ob wir den nachher noch operieren oder nicht, ob er das schafft oder nicht. Ich bin dann wieder rein und sah denn plötzlich meinen Oberfeldwebelkameraden mutterseelenallein in diesem Schockraum stehen. Die Tür stand offen und er war dabei, diesen, ja, Jungen zu entkabeln. Alle waren sie weg. Vorher war der voll der Laden. Alle jungen Unteroffiziere, die da vorne mit waren als Rettungssanitäter, vorher natürlich immer den Mund relativ weit auf, und plötzlich waren die alle verschwunden, weil sie alle mit der Situation nicht klarkamen, und er sollte jetzt ganz alleine diesen, ja, diesen jungen Mann halt dann dementsprechend entkabeln und vernünftig zurechtmachen, damit wir ihn dann vernünftig überführen konnten. Und auch, obwohl ich da nichts mit zu tun hab’, bin ich dann sofort mit ihm rein – bei ihm rein und hab’ ihn dann unterstützt. Das ist in meinen Augen Kameradschaft“ (Frank, m, Feldwebel, Sanität).

Die Erzählung von Frank ist von der Struktur her die gleiche wie die von Sommer: Ein junger Soldat erschießt sich, neben sich das Handy und ein Foto seiner Partnerin, die Gründe sind auch hier vermutlich Beziehungsprobleme. Frank suggeriert, dass der Soldat Opfer seiner Freundin, die ihn vermutlich verlassen hat, geworden ist. Dem Soldat wird die Ver-

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antwortung für sein eigenes Handeln abgenommen, seine Freundin trägt die Schuld an seinem Selbstmord. Wird der Soldatin selbst die Verantwortung für ihr Handeln zugeschrieben, dieses aber zugleich als Schwäche ausgelegt und wenig Verständnis gezeigt, steht der Soldat als handlungsunfähig und Opfer weiblicher Sexualität dar. Die hier inszenierte Männlichkeit lässt sich mit dem von Niva (1998: 111) konstatierten neuen militärischen Männlichkeitsparadigma fassen, das Härte und Aggressivität mit Zärtlichkeit und Leidenschaft vereint. Dieses Männlichkeitsparadigma reproduziert Frank zudem auch für sich auf der Metaebene, indem er durch das Erzählen der Geschichte (männliche) Kameradschaft inszeniert, die sich durch das fast zärtliche „Abkabeln“ durch den Oberfeldwebel, der damit dem Kameraden die letzte Ehre erweist, auszeichnet. Die anderen „jungen“ Unteroffiziere waren zu schwach, um diesen Dienst zu erfüllen. Der erzählende Soldat inszeniert sich damit als den guten Kameraden und grenzt sich über die Kameradschaft von den anderen Männlichkeiten der jüngeren Unteroffiziere ab. Weiblichkeit erscheint in diesem Szenario als unvernünftig, schwach und hinterhältig und entspricht damit der traditionellen militärischen Weiblichkeitsnorm (siehe Kapitel 4). Männlichkeit wird als offen, authentisch und verletzbar durch die Frauen charakterisiert, sie widerspricht damit der traditionellen Männlichkeitsnorm und etabliert ein neues Männlichkeitsparadigma.

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9.

Ve rhältnis zw ischen Soldatinne n und Soldate n Diskriminie rungse rfa hrunge n

Eine Befürchtung der männlichen Soldaten ist, dass die Soldatinnen bevorzugt und die Soldaten dementsprechend benachteiligt werden könnten. Besonders prominent ist das Beispiel der Unterkunft und der sanitären Anlagen: Da die Soldatinnen und Soldaten getrennt untergebracht werden, führt dies in den Fällen, in denen die Anzahl der Soldatinnen sehr viel geringer ist als die der Soldaten, dazu, dass die Soldatinnen sich mit weniger Kameradinnen die Kammer/Stube und die sanitären Anlagen teilen müssen als die Soldaten. Einen weiteren Diskussionspunkt stellt die Bevorzugung von Frauen durch die Frauenquote dar, vor allem, was die Besetzung von karriereträchtigen Dienstposten und den Einsatz im Ausland angeht. Dabei richtet sich der Vorwurf allerdings primär gegen die Führung bzw. die Vorgesetzten. Die Frauen selbst stehen in der Kritik, wenn sie sich die Möglichkeit der Bevorzugung zu Nutze machen, was allerdings alle befragten Soldatinnen entschieden von sich weisen. Formal werden die Soldatinnen und Soldaten bezogen auf das Tragen des Haares und von Schmuck bzw. Make-up (9.1) und die sportlichen Leistungstests (9.2) ungleich behandelt. Dabei fungiert die männliche Norm als allgemeingültige, die Regelungen für die Soldatinnen werden dementsprechend als Abweichungen – allerdings mit höchst unterschiedlichen Einschätzungen – wahrgenommen (Apelt et al. 2005: 118ff.). So werden die unterschiedlichen Regelungen zu Haaren als gerecht empfunden, bei der Regelung zum Tragen von Schmuck gehen die Meinungen auseinander, allerdings überwiegt das Argument, dass 149

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Schmuck eher als lange Haare ein Sicherheitsrisiko darstellt und daher generell nicht getragen werden sollte. Die unterschiedlichen sportlichen Anforderungen stellen vor allem für die weiblichen Soldaten ein Problem dar, da hier die Ansprüche, gleichberechtigt behandelt zu werden, und das diskursiv vermittelte Alltagswissen, welches Frauen und Männern einen unterschiedlichen Körperbau zuweist, der die Frauen „schwächer“ macht, massiv konfligieren. Eine besondere Diskriminierungsform stellt sexuelle Belästigung dar, die allerdings keiner der Soldatinnen und Soldaten des Samples erlebt haben will (9.3). Die Soldatinnen als potenzielle Opfer von sexueller Belästigung betonen, dass sie sich gegen sexuelle Belästigung gut zur Wehr setzen können und befreien sich damit aus ihrer Opferrolle bereits im Vorfeld. Obwohl sie bestreiten, sexuell belästigt worden zu sein, erzählen fast alle Soldatinnen von Situationen, die als sexuelle Belästigung gedeutet werden können. Die Soldaten hingegen betonen die Möglichkeit, auch selbst Opfer sexueller Belästigung werden zu können. Resümierend lässt sich konstatieren, dass Diskriminierungserfahrungen in der Bundeswehr sich vor allem auf die Ausgestaltung des Körpers beziehen (9.4).

9.1

Regelungen zu Haaren und Schmuck

In der ZDv 10/5 zum „Leben in der militärischen Gemeinschaft“ (Zentrale Dienstvorschrift 1993) wird u. a. auch die „Haar- und Barttracht“ geregelt: Die Haare sollten gepflegt sein und keine modischen Auffälligkeiten in Farbe, Schnitt und Form aufweisen. Das Haar der männlichen Soldaten darf weder Ohren noch Augen bedecken und den Uniform- und Hemdkragen nicht berühren. Weiblichen Soldaten ist hingegen nur vorgeschrieben, dass das Haar „den vorschriftsmäßigen Sitz der militärischen Kopfbedeckung nicht behindern“ darf, in bestimmten Situationen kann aus Sicherheitsaspekten das Tragen eines Haarnetzes befohlen werden (ebd.: V, 3). Dass die Soldatinnen die Möglichkeit haben, ihre Haare lang zu tragen, wird von den Interviewpartnerinnen und -partnern durchweg begrüßt. „Frauen mit raspelkurzen Haaren und so weiter, will man ja auch nicht sehen, also so Mannweiber, puh, das ist ja auch kein wirklich schöner Anblick“ (Froschauer, m, Unteroffizier, Marine). Auch Soldat Carstensen (Feldwebel, Panzergrenadier) begrüßt diese Regelungen, da man keine Frauen wie Demi Moore in dem Film „Die Akte Jane“ wolle, die „vom Erscheinungsbild her halt auch auftreten wie ’n Mann“. In dem Film behauptet sich Moore durch die Übernahme militärischer Sprach150

DISKRIMINIERUNGSERFAHRUNGEN

und Verhaltenscodes als erste Frau einer US-Navy-Eliteeinheit. Ihr Inte– grationsprozess beginnt mit dem Abrasieren ihrer langen Haare und endet mit der heldenhaften Rettung eines Kameraden im Kampfeinsatz. In militärischen Kontexten spielt das Abrasieren der Haare beim Eintritt in die Organisation eine besondere Rolle: Die Haare als Identitätsmerkmal und Zeichen von Individualität werden genommen und die Subjekte damit ihres Subjektstatus geraubt. Erst dadurch werden sie Teil der Gemeinschaft (Goffman 1973: 29). Die Möglichkeit, durch das Abrasieren der Haare Teil der militärischen Gemeinschaft zu werden, ist für die Soldatinnen zwar im Prinzip möglich, wird aber zugleich informell durch die massive Ablehnung der „männlichen Frau“ sanktioniert, die die militärische Männlichkeit bedroht, da durch sie ihr konstitutives Anderes, das friedfertige Weibliche verloren geht. Von Frauen kann und sollte man daher nicht verlangen, dass sie sich die Haare kurzschneiden. Die Soldaten plädieren dafür, dass die Frauen Frauen bleiben sollen, und lange Haare gehören für sie dazu, solange die Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden können. Auch die Soldatinnen sehen die Möglichkeit, lange Haare tragen zu können, als Teil ihres Persönlichkeitsrechts an, für Soldatin Jänsch (Feldwebel, Sanität) würde der Befehl, sich die Haare kurz schneiden zu müssen, sogar einen Grund darstellen, aus der Bundeswehr auszuscheiden, „dafür bin ich doch zu sehr Frau“. Das Kürzen der Haare wird besonders dann für die Soldatinnen relevant, wenn sie sich in Extremsituationen befinden, in denen die Haare ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen, wie bei Übungen oder im Einsatz: „Zum Beispiel, wenn ich eine ABC-Schutzmaske aufziehen muss. Wer das mal mit langen Haaren versucht hat, das ist nun weiß Gott kein Vergnügen, und dann ist die Frage, schließt das Ding auch wirklich ab oder mogeln sich da Haare drunter?“ (Neumann, w, Offizier, Sanität). Wenn der Soldat bzw. die Soldatin wirklich Soldat sein muss wie im Einsatz und auf Übungen, dann „passen“ nur die männlich attribuierten kurzen Haare, nur sie sind wirklich funktional für die Ausübung des Berufs. Dass die männlichen Soldaten sich selbst als Norm sehen, kann daran gezeigt werden, dass keiner von ihnen lange Haare bei Männern thematisiert, für die Soldatinnen hingegen die formale Erlaubnis langer Haare für Männer eine Möglichkeit wäre, die Ungleichbehandlung aufzulösen. Auch eine Entscheidung des Truppengerichts Süd (2004), das die Klage eines Grundwehrdienstleistenden bestätigt, auf die sich die Soldatinnen berufen, dass nämlich die vorgeschriebene Haarlänge eine Verletzung des Gleichheitssatzes und ein Verstoß gegen das Grundrecht

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GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

auf freie Entfaltung der Persönlichkeit darstellen, unterstützt ihre Forderung. Wo den männlichen Soldaten formal kaum Spielraum gelassen wird, über das identitätsrelevante Attribut Haar individuelle Identitätsarbeit zu leisten, verfügen die weiblichen Soldaten über breite Variationsmöglichkeiten: Sie können sich sowohl weiblich inszenieren, indem sie lange Haare tragen, oder männlich, indem sie die Haare kürzen. Haare dienen damit eindeutig der Darstellung der Geschlechtszugehörigkeit der Frauen. Sie besitzen, so Burkart (2000: 63), immer auch eine sexuelle Konnotation und dienen dem Ausdruck von Schönheit. Der Diskurs um die Länge der Haare zeigt deutlich das Dilemma, dem die Soldatinnen ausgesetzt sind: Der Zwang zum Abschneiden der Haare würde die Soldatinnen auch dazu zwingen, so ließe sich dieser Gedanke weiterführen, ihre Genderidentität aufzugeben und „männlich“ zu werden. Sie wären dadurch zugleich Sanktionen von Seiten ihrer männlichen Kameraden ausgesetzt, die kurze Haare bei Soldatinnen als Übernahme männlicher Subjektpositionen und damit als Bedrohung ihrer eigenen Männlichkeit sehen. Letztlich können Soldatinnen den Soldatenberuf aufgrund der strukturellen Bedingungen wie z. B. der Form der Gasmaske aber nur mit kurzen Haaren angemessen ausüben. In der „Anzugordnung für die Soldaten der Bundeswehr“ (Zentrale Dienstvorschrift 1996) wird männlichen Soldaten außer zwei dezenten Fingerringen, Krawattenspangen und Manschettenknöpfen kein Schmuck erlaubt, für weibliche Soldaten ist dezenter Schmuck außer im Einsatz generell zugelassen (ebd.: Absatz 114). Die Regelungen zum Tragen von Schmuck werden in den Interviews nicht so eindeutig wie die Regelungen zur Haarlänge kommentiert. Ein Teil der Soldatinnen und Soldaten lehnt das Tragen von Schmuck aus Sicherheitsgründen generell ab und toleriert ihn auch als Vorgesetzte nicht. Andere akzeptieren dezenten Schmuck, vor allem Eheringe sowohl für Soldaten als auch Soldatinnen, allerdings wird auch bei den Frauen, die „schon seit Jahrhunderten Schmuck tragen“ (Kieser, m, Offizier, Sanität) eher die Möglichkeit, mehr Schmuck zu tragen, akzeptiert. Sichtbare Piercings lehnen alle Soldatinnen und Soldaten ab, wenn auch hier sich die Einstellungen unterscheiden, denn fordert der eine, Piercings komplett zu entfernen, ist für den anderen lediglich wichtig, dass diese nicht sichtbar sind. Der Schmuck ist damit sehr viel weniger geschlechtlich konnotiert und Gegenstand von Verhandlungen als die Haare. Haare, so formuliert es auch Burkart (2000), „bieten sich an für eine Naturalisierung des Sozialen, da sie zwar eine ähnliche Funktion übernehmen wie Kleidung und Schmuck, aber doch weit stärker als diese eine körperliche Basis 152

DISKRIMINIERUNGSERFAHRUNGEN

besitzen“ (ebd.: 62, Hervorhebung i. O.). Wenn auch die Soldatinnen und Soldaten des Samples die bestehenden Regelungen zu Haaren und Schmuck akzeptieren und sogar begrüßen, scheinen sie in der Bundeswehr insgesamt eher auf Ablehnung zu stoßen: So finden sich in jedem Wehrbericht der letzten sieben Jahre Eingaben zu dieser Regelung, in denen ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und der Eingriff in das Recht zur Entfaltung der Persönlichkeit beklagt werden. In den Beschwerden wird meist von Soldaten die Anpassung der Regelungen an die Regelungen für die weiblichen Soldaten gefordert. Die Soldaten fordern damit die Integration veränderter gesellschaftlicher Werte in die Organisation, die für die Soldatinnen bereits Gültigkeit besitzen. Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVG) stellte die Überarbeitung der Erlasse zwar in Aussicht, im November 2006 wurde allerdings mitgeteilt, dass der Haar- und Barterlass wie auch die Regelungen zum Schmuck nicht geändert werden, eine Entscheidung, die der Wehrbeauftragte entschieden zurückweist und eine Änderung einfordert (Robbe 2007: 33). Diese Genderpolitik des BMVG bestätigt die Konstruktion der Soldatinnen als Abweichung von der männlich-militärischen Norm: Die Soldatin darf und sollte Frau bleiben, sie bekommt das Recht, sich individuell zu inszenieren, bleibt damit aber letztlich außerhalb der militärischen Gemeinschaft. Dem Soldat hingegen, der das Militärische symbolisiert, wird das Uniforme befohlen, die Unterordnung unter die militärische Norm; er definiert damit die militärische Gemeinschaft. Der weibliche Körper mit seinen äußeren Attributen bleibt, wie auch in der Diskussion um körperliche Leistungsfähigkeit gezeigt wird, widerständig und thematisiert dadurch die Männlichkeitsnorm der Organisation. Zugleich lässt er sich situativ auch instrumentalisieren, um zu zeigen, dass weibliche Körper nicht in den männlich-militärischen Körper zu integrieren sind.

9.2

Sportliche Leistungsfähigkeit

Ein zentrales Element des Soldatenberufs ist die körperliche Leistungsfähigkeit. Das Bild des wehrhaften, kämpferischen Mannes basiert maßgeblich auf körperlicher Fitness und Stärke und stellt zugleich einen zentralen Disziplinierungsmodus dar. Obwohl in den gegenwärtigen Streitkräften eher technische oder diplomatische Kenntnisse gefragt sind und der Wehrbeauftragte im aktuellen Wehrbericht die fehlende körperliche Leistungsfähigkeit und Tendenz zur Dickleibigkeit von Soldatinnen und Soldaten kritisiert (Robbe 2008: 21f.), spielt körperliche Leis153

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

tungsfähigkeit formal eine große Rolle. Die Soldatinnen und Soldaten müssen in regelmäßigen Abständen u. a. einen Leistungsmarsch, das Deutsche Sportabzeichen und den Physical Fitness Test absolvieren, um ihre generell körperliche Fitness unabhängig von den spezifischen Anforderungen der Verwendung nachzuweisen. Die Beurteilung erfolgt nach Alter und Geschlecht gestaffelt und ist damit an den in der zivilen Gesellschaft geltenden Regelungen im Sport orientiert. Die Ergebnisse dieser Tests gehen in die jährlichen Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten ein und entscheiden über ihre weitere Karriere (Apelt et al. 2005: 118). Im Gegensatz zu den Haar- und Schmuckregelungen sind die geschlechterdifferenzierten Vorgaben der sportlichen Tests, obwohl sie sich an den Vorgaben der zivilen Gesellschaft orientieren, unter den Soldatinnen und Soldaten sehr umstritten und führen vor allem zu Kritik an der Führung. Besonders konfligieren hier die Norm der Emanzipation und der Wunsch nach Gleichberechtigung mit dem legitimierten Alltagswissen, dass Männer und Frauen einen unterschiedlichen Körperbau besitzen und daher eine Differenzierung nach Geschlecht gerecht ist: „Wir sagen ja auch, Frauen, Gleichberechtigung, und wir wollen nicht diese Extras. Also, ich sag’ mal, in Sachen Sport würde ich sagen, müsste man gleiche Zeiten auch fahren, das ist wirklich so, das kann man schaffen. […] So einen 30-Kilometer-Marsch kriegt eine Frau auch hin. Behaupte ich mal. Aber ob das jetzt mit dem Tragen zu tun hat oder so, das schafft halt eine Frau nicht. Das ist nun mal so, das ist genetisch so festgelegt, dass eine Frau irgendeine bestimmte Kilozahl nicht mehr tragen kann. Die aber ein Mann tragen kann. Und da muss man halt schon Unterschiede machen“ (Jänsch, w, Feldwebel, Sanität).

Soldatin Jänsch aktiviert in dem Zitat den Differenz-/Gleichheitsdiskurs (siehe dazu z. B. auch Wilz 2005: 168ff.) und ist davon überzeugt, dass Frauen die gleiche Leistung bringen können wie Männer. Diese Behauptung konfligiert allerdings stark mit dem Alltagswissen, dass Frauen „genetisch“ gesehen schwächer sind als die Männer. Also differenziert sie die sportlichen Anforderungen und schreibt Frauen nicht pauschal die körperliche Schwäche zu, sondern nur für das Tragen von Lasten. Soldatin Lange (Offizier, Marine) betont, dass sie selbst zwar keine „Sportskanone“ sei, dass sie aber in bestimmten Disziplinen „locker die Bestbenotung“ erhalte und in der Lage sei, mehr Liegestütze als die Männer zu schaffen: „Gut, dass man das nicht, vielleicht nicht eins zu eins machen kann, weil die Männer sind meistens größer und haben andere, von den Muskeln her sind sie 154

DISKRIMINIERUNGSERFAHRUNGEN

ganz anders proportioniert. Aber man kann schon das eine oder andere gleichsetzen. Also Liegestütze kann ich genauso viele machen, wenn nicht sogar noch mehr wie die Männer. Quasi ist es egal, ob Männlein oder Weiblein. Vielleicht kann man von der Anatomie her doch Unterschiede machen, dass man vielleicht die nur berücksichtigt. Aber ansonsten wüsste ich nicht, wo man Unterschiede machen sollte.“

Obwohl Lange entgegengesetzte Erfahrungen gemacht hat, bezieht sie den Diskurs um das Wissen der unterschiedlichen Anatomie von Männern und Frauen ein und fordert Differenzierung. Sie revidiert diese Annahme jedoch sogleich, indem sie zugibt, eigentlich nicht zu wissen, wo man Unterschiede machen sollte. Persönliche Erfahrungen treffen hier auf legitimiertes und formalisiertes Alltagswissen. Für die Soldatinnen stellen diese konfligierenden Normen eine Herausforderung für ihre Selbstdefinition dar. Sie müssen sich als körperlich fitte leistungsfähige Soldatinnen inszenieren, zugleich dominiert der Diskurs um ihre körperliche Schwäche, der ihnen ebenso zur Subjektkonstitution dient. Besonders deutlich wird dieser Konflikt an den Ausführungen von Soldatin Peter (Offizier, Panzergrenadier), die während des gesamten Interviews immer wieder darauf hinweist, dass sie aufgrund ihrer körperlichen Konstitution massivem Mobbing und Ausgrenzungsversuchen von Seiten ihrer männlichen Kameraden ausgesetzt war: „Ja, und wie das so ist, wenn man da aus der Schule kommt, ein bisschen verwöhnt und so, und dann so: ,Nee, laufen, keinen Bock‘, hat man sich aber schnell abgewöhnt, da sind die Kameraden richtig auf einen losgegangen. Also da wurde ich auch richtig gemobbt. Also das war richtig schlimm“. Dass es unterschiedliche Regeln im Sport gibt, findet sie, so erklärt sie an anderer Stelle, im Prinzip in Ordnung, da es „wissenschaftlich bewiesen“ sei, dass Frauen mit dem gleichen Training nicht so viel Muskelkraft aufbauen können wie Männer. Sie selbst profitiert von diesen unterschiedlichen Regeln, weist an dieser Stelle jedoch auch auf das Gleichheitsparadigma hin und dass man eigentlich „das Gleiche leisten können“ sollte. In der Praxis geht sie die Leistungsmärsche mit den Männern in voller Länge mit und trägt im Gefechtsdienst das gleiche Gewicht wie ihre männlichen Kameraden. Sowohl bei den Panzergrenadieren als auch bei den Sanitätern scheint die Tendenz dahin zu gehen, alle sportlichen Anforderungen, die sich nicht aus dem Zivilen heraus ergeben wie der Leistungsmarsch, nicht geschlechterdifferenziert zu behandeln. Gemäß der ZDv 37/10 „darf die Marschstrecke [für weibliche Soldaten, C.D.] um 20% unterschritten werden“ (Zentrale Dienstvorschrift 1996: Anlage 9/2), d. h., es handelt sich hier keineswegs um eine verbindliche Vorschrift, sondern 155

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

den Vorgesetzten wird lediglich die Möglichkeit gegeben, die Soldatinnen eine kürzere Strecke laufen zu lassen. Meist laufen die Soldatinnen freiwillig die Strecke für die Soldaten mit, „damit die sehen, dass eine Frau nicht schlechter ist als ein Mann. Also ein bisschen beweisen muss man sich schon als Frau“ (Billek, w, Feldwebel, Sanität). Die Zuweisungen von körperlicher Leistungsfähigkeit zu dem einen oder anderen Geschlecht sind, so zeigt sich hier, nur schwer aufrechtzuerhalten. Vor allem die Norm des weiblichen Körpers als schwach widerspricht der alltäglichen Erfahrung der Soldatinnen und Soldaten. Die Soldatinnen nehmen für sich in Anspruch, ihren „schwachen“ Körper entsprechend auf die sportlichen Herausforderungen vorbereiten zu können: „Ich bereite mich darauf ja vorher vor, also ich hab’s gemacht, ich hab’ mich darauf vorbereitet vorher, weil, entweder, ich will das wirklich und ich will das mit vollem Herzen. […] Ich denke, das ist gar kein Problem, wenn man da vorher übt und so“ (Meier, w, Unteroffizier, Marine). Der Körper wird als Instrument definiert, welches individuell ausgebildet und an die männliche Norm angepasst werden kann. Damit wird zum einen die Vorstellung des rationalen Subjekts reproduziert, welches den Körper zu disziplinieren in der Lage ist und zum anderen eine körperbetonte Männlichkeitsnorm inszeniert. Der Sport bietet sich in besonderer Weise an, sich den „kompetitiven Modus hegemonialer Männlichkeit“ (Meuser 2007b: 162) anzueignen, dies gilt sowohl für die Soldatinnen als auch für die Soldaten. Der Körper wird damit zum Politikum, zum Gegenstand der Verhandlungen um Gender und zeigt zugleich die soziale Konstruiertheit von Körperdiskursen auf (Butler 2004: 21). Parallel dazu werden die große Unsicherheit und die Versuche, Sicherheiten zu schaffen, offensichtlich: Die Naturalisierung von Genderunterschieden und der Zugriff auf Alltagstheorien löst diese Entscheidungsunsicherheiten auf. Der Rückgriff auf „die Natur“ als Legitimationsressource ermöglicht die Durchsetzung von Entscheidungen ohne Kritik und ohne Alternativen und dient der Organisation dazu, handlungsfähig zu bleiben (Wilz 2005: 169). Genderspezifische Körperdarstellungen sind jedoch nicht nur ein Mittel, um die Differenz zwischen den Geschlechtern zu zementieren, sie dienen auch zur Positionierung als Teil der Truppengattung bzw. Teilstreitkraft, wie anhand der folgenden Erzählung von Soldatin Neumann (w, Offizier, Sanität) gezeigt werden kann: „Wir haben ja auch drei Monate in München verbracht an der Sanitätsakademie, dieser Offizierslehrgang, und das ist der Moment, wo alle drei Truppengattungen zusammengezogen werden. Marine, Heer und Luftwaffe. Und ein Jahr, na ja, ein dreiviertel Jahr waren wir marineintern zusammen gewesen, 156

DISKRIMINIERUNGSERFAHRUNGEN

wir haben einige Abschnitte auch zusammen erlebt, zuerst im großen Rahmen, und dann waren wir Sanitäter ja für uns, und wir haben uns geschworen, weil es vorher schon immer hieß, ach München, und das Heer, und das ist alles ganz schrecklich, und die sind alle ganz doof, und die denken Wunder was sie wären, und die Marine ist sowieso immer außen vor, wird da schief angeguckt, also wir hatten uns vorher so ein bisschen darauf eingeschworen, na ja, also wir müssen zusammenhalten“ (Neumann, w, Offizier, Sanität).

Neumann erzählt von ihrer Grundausbildungszeit, in der sie im Rahmen der Ausbildung zum Offizier auch einen teilstreitkraftübergreifenden Lehrgang in München an der Sanitätsakademie absolvieren musste. Da der Sanitätsdienst zu dieser Zeit noch kein eigener Organisationsbereich war, fand die Ausbildung der Sanitätssoldaten bereits in der jeweiligen Teilstreitkraft, in ihrem Fall der Marine, statt. Zunächst wurde die Ausbildung zusammen mit den Marinesoldaten durchgeführt, anschließend nur unter den Sanitätern. Das dreiviertel Jahr, das sie marineintern verbrachte, führte bereits zu einer Identifizierung mit der Marine. Durch die gemeinsamen Erlebnisse vor allem während der Grundausbildung werden die Subjekte als militärische sozialisiert und diszipliniert (Apelt 2004: 33ff.; siehe auch Abschnitt 8.2.3). Die anstehende Konfrontation mit den anderen Teilstreitkräften im Rahmen des Lehrgangs führte dazu, dass die Gruppenidentität „Sanitäter“/„Marine“ sich noch stärker herausbilden konnte. Indem die Überheblichkeit des Heeres thematisiert und die anderen Soldaten als „doof“ bezeichnet werden, wird die eigene Überlegenheit bestätigt. Die Abgrenzung führt sogar zu einem gemeinsamen Schwur, sich von den anderen nicht auseinanderbringen zu lassen und zusammenzuhalten. Das verstärkte Dringen auf Herstellung einer Gemeinschaft dient auch dazu, Ängste vor der Konfrontation mit den anderen zu bearbeiten, die, so scheint es, die Gruppenidentität zu verunsichern drohen. Das gemeinsame Versprechen ist allerdings nicht von langer Dauer: „Und als wir runterkamen, am Anfang ging das noch, aber es bröckelte dann zunehmend. Wir kamen auch aus dem Flottenpraktikum, saßen zwei Monate an Bord und haben sicherlich auch nicht viel getan, uns jetzt so sportlich betätigt, hatten vielleicht am Anfang schon ein bisschen zu kämpfen dort unten, sei es auf den Märschen oder beim Sportteil eben, zumal es auch ein anderes Gelände war. Hier oben alles platt, und da kamen jetzt noch die Berge mit dazu. Die anderen waren da einfach geübter, vom Heer oder Luftwaffe. Da gab es so eine Situation, dass unsere Jungs uns dann letztendlich, also von der Marine uns vorgeworfen haben: ,Ihr stellt euch aber auch an, ihr macht gar nicht richtig mit, ihr seid nicht motiviert, ihr lasst euch hängen und wie stehen wir denn da von der Marine? Und die anderen, die sind so engagiert und die sind viel 157

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

besser und viel toller‘. Da haben wir gesagt: ,Dann geht doch zu den Frauen der Luftwaffe, wenn es da so toll ist‘“ (ebd.).

Bevor Neumann überhaupt erzählt, was vorgefallen ist, rechtfertigt sie sich bereits und versucht, eine Erklärung für ihr Verhalten zu finden. Der Konflikt entzündete sich an der geringeren körperlichen Leistungsfähigkeit der Sanitätssoldatinnen. Die Marinesoldaten werfen den Sanitäterinnen vor, sich nicht richtig anzustrengen und damit den Ruf der Marine zu gefährden. Neumann gibt zu, dass die Vorwürfe gerechtfertigt waren, begründet dies allerdings damit, dass sie vorher an Bord waren und auch durch die unterschiedlichen geographischen Gegebenheiten sich kaum sportlich betätigen konnten. Im letzten Satz des obigen Zitats kippt sie dann in einen Sarkasmus, mit dem sie den Marinesoldaten unterstellt, sie würden die Frauen der anderen Teilstreitkräfte bevorzugen, weil sie körperlich fitter waren: „Das fand’ ich schon ziemlich blöde. Zerbröckelte da eben richtig. Ja? Das war… Das, was man sich vorher vorgenommen hatte, das war alles so, ich mein’, so im Nachhinein lach’ ich darüber, das war, sicherlich waren wir auch faul gewesen und wir waren auch kontra eingestellt und hatten auch keine richtige Lust, und bei den Jungs war das aber so gewesen, die haben gesehen, dass die anderen da ein bisschen fitter waren und wollten sich nun präsentieren und wir konnten nicht so mitziehen, und dann haben sie das voll an uns ausgelassen. Das fand ich schon, das war ’ne ziemlich üble Situation. So im Nachhinein, man hat dann auch irgendwann noch mal drüber gesprochen, also da lacht man jetzt eigentlich eher drüber, das hat keine Bedeutung mehr, aber das war schon in dem Moment war das schon so, dass wir gedacht haben so, ey, das hat jetzt gar nichts mit Kameradschaft zu tun“ (ebd.).

Am Ende der Erzählung reflektiert sie noch einmal darüber, wie sie dieses Erlebnis beurteilen sollte, ist dabei aber sehr unsicher. Zum einen lehnt sie das Verhalten ihrer männlichen Kameraden ab, da es für sie den Verrat an der Kameradschaft bedeutet hatte, zum anderen gesteht sie zu, dass sie als Frauen auch nicht ganz unschuldig gewesen seien. Das Verhalten der Soldaten erklärt sie sich damit, dass sie sich in einen Konkurrenzkampf mit den Soldaten der anderen Teilstreitkräfte begeben haben und dabei feststellen mussten, dass sie körperlich nicht so leistungsfähig sind. Dieses Manko haben sie dann an den Soldatinnen ausgelassen, obwohl, wie es scheint, auch die Soldaten die körperlichen Anforderungen nicht erfüllt haben. Obwohl dieses Erlebnis Soldatin Neumanns Vorstellung von Kameradschaft nachhaltig geprägt hat, relativiert sie es in der Retrospektive und stellt die Gemeinschaft wieder her, indem sie mit den Soldaten nun gemeinsam darüber lachen kann. 158

DISKRIMINIERUNGSERFAHRUNGEN

Ausgangspunkt der Erzählung ist ein abstraktes „wir“, mit dem Neumann sowohl die Gruppe der Sanitäter als auch die Gruppe von Marine und Sanität bezeichnet. Dieses „wir“ „zerbröckelt“ im Lauf der Zeit durch die Konkurrenz mit den anderen Teilstreitkräften, die Differenzierung und Einteilung nach Teilstreitkraft wird ersetzt durch die Differenzierung nach Geschlecht. Zunächst besitzt die Zugehörigkeit zu einer Teilstreitkraft durch die militärischen Sozialisations- und Disziplinierungsformen im Sinne der militärischen Logik die größere Integrationsmacht. Sobald allerdings direkte Konkurrenz zwischen den Teilstreitkräften aktiviert wird, tritt das Geschlecht als Differenzierungsmerkmal in den Vordergrund. Das Verhalten der „Jungs“ lässt sich anhand der von Bourdieu beschriebenen „sozialen Spiele“ (Bourdieu 2005: 88) zur Herstellung des männlichen Habitus durch den Wettbewerb, die Konkurrenz von Männern untereinander, analysieren. Die Differenzierung nach Geschlecht und die Abwertung von Weiblichkeit werden in dem Moment vollzogen, in dem die Marinesoldaten in den Wettbewerb um Männlichkeit einsteigen. Die Abwertung und Ausgrenzung der Soldatinnen erfolgt über die ihnen zugeschriebene geringere körperliche Leistungsfähigkeit. Dadurch entlasten sich die Männer von den eigenen Defiziten und reproduzieren die bestehenden Stereotype, dass Frauen körperlich weniger leistungsfähig sind und schließen sie dadurch aus den „Spielen der Ehre“ (ebd.: 89) aus. Die Marinesoldaten fühlten sich erst durch die Konfrontation mit der Männlichkeit der anderen Teilstreitkräfte herausgefordert, Männlichkeit und Weiblichkeit sind damit eng an die jeweilige Teilstreitkraft oder Truppengattung geknüpft (dazu auch Barrett 1999). Allerdings wird diese Verknüpfung erst in spezifischen Situationen überhaupt relevant und aktiviert. Soldatin Neumann reagiert auf diese Verschiebung der Differenzierungskategorien zunächst damit, dass sie die Zuschreibung der Schuld zumindest teilweise übernimmt und sich vor dem Interviewer bzw. den imaginierten Anschuldigungen der anderen bereits zu Beginn der Erzählung rechtfertigt. Am Ende der Erzählung, in der sie sich noch einmal rechtfertigt, differenziert sie die Schuldfrage allerdings. Sie thematisiert die Konkurrenzsituation zwischen den Soldaten und den Wunsch, sich zu „präsentieren“, was auch eine abwertende Konnotation beinhaltet. Sie empfindet die Anschuldigungen daher eigentlich als ungerecht, die Soldaten hätten ihr eigenes Versagen an den Soldatinnen ausgelassen. Implizit ist ein weiterer Aspekt, der mit Bourdieu nicht zu fassen ist, nämlich die Konkurrenz unter Frauen um die Anerkennung durch die Männer über den Körper und die Konkurrenz um die Anerkennung als vollwertige Soldatin und als legitime Zugehörige der Streitkräfte. Diese 159

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Konkurrenz wird an der Stelle deutlich, an der Neumann „ihren“ männlichen Kameraden ironisierend rät, die „anderen“ Frauen zu bevorzugen. Neumann inszeniert damit das „männliche“ Prinzip Konkurrenz als eigene Form der Subjektkonstruktion, zunächst allerdings aus der Position der Unterlegenen, die sie aber positiv umdeuten kann. Dies ermöglicht ihr, im Nachhinein darüber zu lachen und den Vorfall zu vergessen, womit sie ihr Gesicht wahren und unverletzt aus der Situation hervorgehen kann. An den Diskussionen um die sportliche Leistungsfähigkeit zeigt sich sehr deutlich, wie Alltagswissen und formale organisationale Vorgaben konfligieren und wie der Widerspruch zwischen Egalität und Differenz der Geschlechter über den Körper ausgehandelt wird. Die organisationalen Vorgaben, die nach Geschlecht differenzieren, widersprechen dem Egalitätsverständnis der Soldatinnen und Soldaten, was dazu führt, dass sich die Soldatinnen in der Praxis an den Vorgaben für die männlichen Soldaten orientieren (müssen). Sportliche Leistungsfähigkeit dient auch in der Konfrontation mit anderen Truppengattungen oder Teilstreitkräften dazu, Genderdifferenz zu erzeugen und zu verstetigen. Ein besonders drastisches Mittel, die Genderdifferenz über Körperlichkeit herzustellen und zu etablieren, stellt sexuelle Belästigung dar, die ihm folgenden Abschnitt genauer analysiert wird.

9.3

Sexuelle Belästigungen

Prozesse, die die Machtstrukturen in Institutionen oder Organisationen schneller als gewöhnlich verändern – wie z. B. die Integration von Frauen in exklusiv männliche Bereiche – und die damit auch zu massiven Veränderungen der Subjektivierungsprozesse führen, werden in stark geschlechtlich segregierten Settings in vielen Fällen über Sexualisierung, sexuelle Belästigung bis hin zu Vergewaltigungen zu verhindern versucht. Für die feministische und gendersensible Forschung dient sexuelle Belästigung vor allem der Ausübung und Verstetigung von Machtverhältnissen, der Polarisierung der Geschlechterdifferenzen und der Abwertung von Weiblichkeit (Gabbert 2007: 216f.; Bourdieu 2005: 41; Cnossen 1999: 240ff.). Frauen werden über das Mittel der sexuellen Belästigung, so Cockburn (1993: 160), für den Übertritt von Gendergrenzen sanktioniert und daran erinnert, dass „du in meinen Augen nur eine Frau bist“ (ebd.: 161).

160

DISKRIMINIERUNGSERFAHRUNGEN

Im Beschäftigtenschutzgesetz von 19941 – welches auch für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gilt, soweit die Vorschriften des Soldatengesetzes, der Wehrdisziplinarordnung und der Wehrbeschwerdeordnung nicht berührt werden – wird sexuelle Belästigung definiert als „jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäf– tigten am Arbeitsplatz verletzt. Dazu gehören 1. sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die nach den strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt sind, sowie 2. sonstige sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden“ (Beschäftigtenschutzgesetz 1994: § 2).

In Anlage B 173 zur ZDv 14/3 (Wehrdisziplinarordnung und Wehrbeschwerdeordnung) mit dem Titel „Umgang mit Sexualität in der Bundeswehr“ wird zu sexueller Belästigung im militärischen Dienst Stellung genommen und die o. g. Definition ergänzt: „In diesem Sinne ist jede Form von Obszönität im dienstlichen Umgang pflichtwidrig. Dies gilt selbst dann, wenn Ausdrucksweisen oder Gesten mit sexuellem Bezug nur scherzhaft gemeint sind“ (Anlage B173 zu ZDv 14/3 2004: II). Die Vorgesetzten sind verpflichtet, gegen sexuelle Belästigung vorzugehen, und als besonders gravierend wird sexuelle Belästigung verstanden, wenn die Vorgesetztenstellung missbraucht wird. Verstöße gegen das Sexualstrafrecht, welches die Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung betont, haben „erhebliche Auswirkungen auf die innere Ordnung und das Ansehen der Streitkräfte in der Öffentlichkeit“, daher seien sie als „besonders schwere Straftaten“ zu werten (ebd.: V). Das Problem bei der Beschäftigung mit sexueller Belästigung ist, dass die juristischen, wissenschaftlichen und alltagspraktischen Definitionen dessen, was als sexuelle Belästigung verstanden wird, weit auseinanderklaffen. Daher erhält man, je nachdem, ob man nach sexueller Belästigung allgemein oder nach bestimmten als sexuelle Belästigung definierten Verhaltensformen fragt, sehr unterschiedliche Angaben (Gabbert 2007: 218). In der US-amerikanischen Diskussion hat sich der Begriff der sexuellen Belästigung sehr weit ausdifferenziert: So wird unterschieden in strukturelle Verursachung im Sinne eines feindseligen 1

August 2006 wurde das Beschäftigtenschutzgesetz durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ersetzt, zum Zeitpunkt der Interviews war die Rechtslage wie oben beschrieben. 161

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Arbeitsumfelds versus Akt einer Einzelperson, in Diskriminierungen mit und ohne sexuelle Komponenten und in offene und verdeckte/subtile Formen (Hahn/Helfferich 2007: 73ff.). Die Diskussion verschiebt sich gegenwärtig in die Richtung, sexuelle Belästigung als Element von allgemeiner Diskriminierung zu fassen. Dadurch wird der enge Fokus der Belästigung von Frauen durch Männer aufgebrochen und auch Männer können als Opfer sexueller Übergriffe und Diskriminierungen in den Blick genommen werden. Ebenso werden damit auch Diskriminierungen aufgrund von ethnischen Zugehörigkeiten fassbar gemacht. Im US-amerikanischen Militär gelangte sexuelle Belästigung durch den Tailhook-Skandal Anfang der 1990er Jahre in die öffentliche Diskussion (Gabbert 2007: 46ff.). Bei einem dreitägigen – ausschließlich dem privaten Vergnügen der Soldatinnen und Soldaten gewidmetem – Treffen der Marinefliegervereinigung Tailhook, an dem 5000 Personen und 800 Unternehmen teilnahmen, wurden 83 Frauen und 7 Männer sexuell belästigt. „Weibliche Gäste, Soldatinnen, Pilotinnen und Offizierinnen mussten zwischen Hunderten von Männern Spießruten laufen. Ihnen wurden die Kleider vom Leib gerissen, und sie wurden am ganzen Körper berührt. Die Männer sahen sich Pornofilme an“ (ebd.: 46). Gabbert interpretiert den Tailhook-Vorfall als „feindselige Reaktion von Männern im Militär gegen die Integration von Frauen mit dem Mittel der sexuellen Belästigung“ (ebd.: 101). Die Marineflieger fühlten ihr Konkurrenz- und Hierarchiesystem von der bevorstehenden Öffnung von Kampfflugzeugen für weibliche Pilotinnen bedroht. Hinzu kam, dass die Marine beim kurz zuvor beendeten Golfkrieg schlecht abgeschnitten hatte. „The prevalence of sexual harrassment may be seen as the effect of pressures to reassert the masculinity of service members“ (Carreiras 2006: 54). Zwar hatte dieser Vorfall weit reichende juristische und disziplinarische Konsequenzen, sexuelle Übergriffe stellen in der US-Armee allerdings bis heute ein nicht zu unterschätzendes Problem dar (Gabbert 2007: 234). In der Bundeswehr ist sexuelle Belästigung bisher kaum öffentlich diskutiert worden. Vergleicht man die Eingaben in den Wehrberichten, die zumeist unter dem Stichwort „Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ abgehandelt werden, für die letzten fünf Jahre, so liegen die Eingaben im Schnitt bei 70 pro Berichtsjahr. Kümmel (2008: 80) stellt allerdings fest, dass die Mehrzahl der Vorfälle – er geht von 76 Prozent aus – nicht gemeldet werden. 60 Prozent der befragten Soldatinnen hätten bereits sexistische Bemerkungen über sich ergehen lassen müssen (ebd.: 76), bei 20 Prozent sei es zu unerwünschten körperlichen Berührungen gekommen (ebd.: 77), und sexuelle Übergriffen hätten 5 Prozent der Soldatinnen erlebt (ebd.: 78). Sexuelle Belästigung stellt damit auch 162

DISKRIMINIERUNGSERFAHRUNGEN

für die Bundeswehr ein nicht zu unterschätzendes Problem dar. Bisher ist für die Bundeswehr allerdings kein Vorfall an die Öffentlichkeit geraten, der derart große Wellen geschlagen hätte wie die Vorkommnisse in den USA. Anfang 2002 veröffentlichte das BMVG einen Erlass zum Umgang mit Sexualität in der Bundeswehr, der auch das Verbot sexueller Belästigung – hier definiert als „nicht einvernehmliche Aufnahme sexueller Handlungen“ thematisiert (Anlage B173 zu ZDv 14/3 2002: III, 2). Dieser Erlass wurde nach massiver Kritik2 von Seiten der Soldatinnen und Soldaten überarbeitet und Mitte 2004 in geänderter Form erneut herausgebracht (Anlage B173 zu ZDv 14/3 2004, siehe dazu ausführlicher Kapitel 10). Flankiert wurde die bundeswehrinterne und zum Teil auch öffentliche Diskussion um den Sexualitätserlass von einer Weiterbildungsmaßnahme mit Namen „Partnerschaftlich Handeln“, welche als Mittel der Personalpolitik vor allem die Verbesserung der Arbeitsatmosphäre fokussiert und für sexuelle Belästigung, Mobbing und sonstige Diskriminierungserfahrungen in der Bundeswehr sensibilisiert (Apelt et al. 2005: 124; Hahn/Helfferich 2007). Unter den interviewten Soldatinnen und Soldaten ist ein großes Problembewusstsein über sexuelle Belästigung vorhanden. Allerdings verschwimmen die Grenzen zwischen sexueller Belästigung und „normalem“ sexuellen Umgang, bzw. Flirten in den Erzählungen. Klar scheint zu sein, dass es sich bei sexueller Belästigung um Vorfälle handelt, die gegen den Willen des anderen durchgeführt werden, was ziemlich genau die Definition des Sexualitätserlasses widerspiegelt. Bis auf eine Ausnahme betonen alle Soldatinnen und Soldaten, noch nicht sexuell belästigt worden zu sein. Allerdings hat die Mehrzahl bereits davon gehört und kann sich vorstellen, dass sexuelle Belästigung vorkommt. Die Bewertungen unterscheiden sich darin, welche Rolle sexuelle Belästigung spielt: Einige der Soldatinnen und Soldaten beurteilen die Häufigkeit der sexuellen Belästigung als ebenso hoch wie im zivilen Leben auch und sehen sexuelle Belästigung als „unangenehmen Nebeneffekt vom Zusammenleben von Mann und Frau“ (Kieser, m, Offizier, Sanität). Die Soldatinnen und Soldaten betonen durchweg, dass es in der Bundeswehr über das Disziplinarrecht bessere Möglichkeiten als im Zivilen gibt, sich gegen sexuelle Belästigung zur Wehr zu setzen. Daher kritisieren sie die von den Medien suggerierte Häufung an Fällen sexuel-

2

Es ging dabei vor allem um das Verbot sexueller Betätigung außerhalb des Dienstes in dienstlichen Unterkünften und Anlagen, was letztlich einem Verbot von Sexualität im Auslandseinsatz gleichkam (siehe Kapitel 10). 163

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

ler Belästigung in der Bundeswehr: „Wenn’s bei der Bundeswehr passiert, wird’s immer gleich an die große Glocke gehängt. Und ob im Einzelfall dann was dran ist, spielt dann in dem Moment, wo’s an die Presse geht, erst mal gar keine Rolle, sondern es wird erst mal ausgeschlachtet“ (Kieser, m, Offizier, Sanität). Andere meinen, dass das Thema bisher noch nicht ausreichend diskutiert wurde und eine der „am meisten unterschätzten Gefahren“ (Rehberger, m, Feldwebel, Marine) darstellt. Sexuelle Belästigung komme vor allem auf Partys oder im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol vor. Auch lange Abwesenheitszeiten auf See oder lange Zeit im Lager werden als Begründungen genannt, da kämen die Männer auf „doofe Gedanken“ (Vogt, w, Feldwebel, Sanität). Sexuelle Belästigung kann zum Teil entschuldigt werden: „Wenn man auf See ist und wenn man dann im Auslandshafen ’ne Party macht und irgendeiner da ein bisschen Alkohol getrunken hat und eh ein bisschen enthemmt ist, dass der dann vielleicht mal eher der Meinung ist, er müsste da jetzt, nachdem er fünf Monate oder vier Monate keinen Druck ablassen konnte, dann mal tätig werden zu müssen oder jemanden zu belästigen, das will ich nicht ausschließen, das kommt mit Sicherheit auch vor“ (Wittig, m, Offizier, Marine).

Analysiert man die Stellen, an denen sexuelle Belästigung thematisiert wird, genauer, unterscheiden sich die Narrationen von Frauen und Männern: Nachdem die Soldatinnen betont haben, dass sie noch nie sexuell belästigt worden wären, erzählen viele wiederum Erlebnisse, die sie in Verbindung zum Komplex sexueller Belästigung sehen, aber als normale „Anmache“ definieren. Diese reichen von „schöne Augen machen“ (Jänsch, w, Feldwebel, Sanität) über sexistische Witze hin zu „Hand auf das Bein legen“ (Lorenz, w, Feldwebel, Sanität). Die Grenze zwischen „normaler Anmache“ und sexueller Belästigung ist für die Soldatinnen nicht klar zu ziehen. Wenn die Frauen sich darauf einlassen, wird das von den Soldatinnen wiederum nicht als sexuelle Belästigung verstanden. Es können sieben verschiedene Strategien herausgearbeitet werden, wie die Soldatinnen mit diesen „Anmachen“ umgehen bzw. wie Soldatinnen, die sexuell belästigt wurden, damit umgegangen sind. 1. Direkte Konfrontation, 2. Akzeptanz als Teil der Alltagskultur, 3. Mit den gleichen Waffen zurück schlagen, 4. Entschuldigung finden, 5. Das „buddySystem“. Unterstützung durch männliche Kameraden, 6. Beschwerde und 7. Austritt aus der Bundeswehr. Interessant ist, dass die Soldatinnen 164

DISKRIMINIERUNGSERFAHRUNGEN

sexuelle Belästigung im Gegensatz zu den Männern ausschließlich als Belästigung von Männern gegenüber Frauen verstehen und sich selbst dabei immer als potenziell Betroffene konzeptionalisieren. Zu 1. Fast alle Soldatinnen bestehen darauf, dass man sexuelle Belästigung mit einem klärenden Gespräch, also der direkten Konfrontation verhindern kann. „Dann muss man ja eben halt ganz normal sagen, ,hier, hör zu, so und so, das will ich nicht. Wir können uns ganz normal unterhalten und dann ist gut‘“ (Lorenz, w, Feldwebel, Sanität). Dafür bedarf es allerdings nach Meinung von Soldatin Peter (Offizier, Panzergrenadier) einiges an Selbstbewusstsein „Es gibt schon so’n paar, die irgendwelche anzüglichen Bemerkungen machen, aber da muss man sich einfach irgendwie Selbstbewusstsein angelegt haben und dann einfach ’n Satz zurückschleudern“. Diese „Erziehungsleistung“ (Gabbert 2007: 250) von Frauen gegenüber Männern, funktioniere allerdings nur in seltenen Fällen bei wirklich beabsichtigten Belästigungen oder körperlichen Angriffen (ebd.). Soldatinnen können allerdings mit der direkten Konfrontation von männlichem Fehlverhalten eine professionelle Haltung zur Schau stellen und entsprechen damit zudem der Norm, wie man im Militär Konflikte zu lösen habe, nämlich in der offenen direkten Konfrontation (siehe Kapitel 11). Zu 2. „Ich mein, es ist nun mal Seefahrt, mein Vater war auch Seefahrer und die hatten nun mal einen anderen Ton am Leib und andere Sprüche“, so die Reaktion von Marinesoldatin Lange (Offizier), die massiven verbalen Angriffen ausgesetzt ist. Eine ihrer Aufgaben an Bord sei die Leckabwehr, eine normale Tätigkeit zur Verhinderung von Lecks in der Schiffwand. Diese wird allerdings in der Interaktion sexuell aufgeladen, „dass da die eine oder andere spitzfindige Bemerkung kommt, das ist hier eigentlich schon gang und gäbe“ (Lange, w, Offizier, Marine). Wer diese Sprüche als Beleidigung auffasse, der habe in der Bundeswehr nichts zu suchen, diese seien Teil der Alltagskultur und zu akzeptieren. Selbst Soldatin Vogt (Feldwebel, Sanität), die als einzige konkrete Situationen erzählt, die sie als sexuelle Belästigung definiert, relativiert diese, indem sie sexistische Sprüche wie „’ne Frau jetzt zum Bumsen wäre schön“ als unproblematisch ansieht. Sobald allerdings konkrete Personen erkennbar seien, könnten diese Sprüche nicht mehr toleriert werden. Zu 3. Marinesoldatin Lange (Offizier) erzählt von einer Situation, in der sie mit den gleichen Waffen zurückschlägt: Sie relativiert den verbalen sexualisierten Übergriff, indem sie ihn vorwegnimmt und ein Stück weit entkräftet:

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„Also, ich hör’ da auch schon gar nicht mehr hin. Zum Beispiel gestern war das perfekte Beispiel: Es kam so eine ganz doofe Quizfrage, Michaela Schaffrath3, wie hieß sie vorher? Da stand dann ganz einfach, Nummer eins Gina Wild und Nummer zwei Petra Waid und ich wusste genau, als ich das gelesen hab’, jetzt kommt gleich ein Spruch, weil mein Vorname ist ja nun mal Petra, und er kam dann auch. […] Aber bis jetzt ist das alles noch im Rahmen. Das sind keine Beleidigungen, keine böswilligen Aussagen, das ist einfach nur witzig. Es hat jeder, selbst ich, drüber gelacht, obwohl gestern hab’ ich schon als Erstes gelacht, da wussten die noch gar nicht warum, bis sie dann gesehen haben, was da im Fernsehen kam.“

Zu Beginn des Interviewausschnitts wendet Lange die Strategie des Ignorierens bzw. Überhörens an, die außer ihr allerdings niemand thematisiert. Nachdem sie über die Quizfrage in Verbindung mit dem Pornostar gebracht wurde und dieses als noch im Rahmen definiert hat, schließt sie sich der dominanten Erzählung an und findet diese Gleichsetzung „witzig“. Zum Ende der Erzählung ist sie dann den anderen sogar ein Stück voraus, indem sie das Erlebnis vorwegnimmt und es damit selbst als witzig definiert. Sie konstruiert sich im Laufe der Erzählung vom passiv-erduldenden Opfer zur aktiv handelnden und selbstbewussten Soldatin, die auch über sich selbst lachen kann und die Regeln des Feldes, sogar besser als die Männer, beherrscht. Sie inszeniert Männlichkeit, indem sie sich quasi selbst sexuell belästigt und damit durch die Überwindung von Weiblichkeit die Männlichkeitsnorm reproduziert. Diese Zurückerlangung von Handlungsmächtigkeit über die Ablehnung militärisch definierter passiver Weiblichkeit und die Inszenierung von Männlichkeit bringt sie als soldatisches männliches Subjekt hervor, das seinen legitimierten Platz im Militär einnimmt. Zu 4. Sowohl Alkohol als auch Partys und lange Abwesenheiten von zu Hause werden von den Soldatinnen als Entschuldigung für das Verhalten der Männer angebracht. „Also ich kenn’ das zwar nur, dass, ja auf irgendwelchen Partys wird das halt ein bisschen lockerer. Ja und dann kommen die auch gerne schon mal an, setzen sich so neben einen und die Hand auf das Bein“ (Lorenz, w, Feldwebel, Sanität). Auch mit dem Verweis „das sind Jungs“ (Vogt, w, Feldwebel, Sanität) wird das Verhalten der männlichen Soldaten naturalisiert und entschuldigt. Zu 5. Die Soldatinnen erhalten in vielen Fällen auch Unterstützung von ihren männlichen Kameraden, ihren „buddies“. Soldatin Billek (Feldwebel, Sanität) berichtet von einer Freundin, die massiv sexuell 3

Michaela Schaffrath ist unter dem Namen „Gina Wild“ als Pornodarstellerin bekannt geworden.

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belästigt wurde. Sie konnte einem Kameraden ihr Herz ausschütten, dieser erlebte zudem einen der Übergriffe hautnah mit und hat sich „den Kameraden erstmal zur Brust genommen“. Teilweise sind die Soldatinnen sogar darauf angewiesen, unter den männlichen Kameraden Verbündete zu haben. Soldatin Vogt (w, Feldwebel, Sanität) erzählt, dass im Einsatz in den Toilettenhäuschen „Sprücheblätter“ aufgehängt wurden, die eigentlich verhindern sollten, dass die Wände beschrieben wurden. Auf diesen Zetteln fanden sich sexistische Sprüche wie „Die Oberfeld, nicht die Dicke von den beiden, bumst von bis im Betreuungszelt“. Aber „es sind immer Männer gewesen, die uns darauf angesprochen haben. Dass mal wieder was läuft“.4 Die männlichen Soldaten treten hier als Beschützer der weiblichen Soldaten vor anderen Soldaten auf und werden von den Soldatinnen auch entsprechend angefordert. Dass sich Soldatinnen, vor allem, wenn sie in den Einsatz gehen, einen männlichen Beschützer, einen „buddy“, suchen, ist eine weit verbreitete Strategie, um sich gegen unerwünschtes Verhalten und Gerüchte zur Wehr zu setzen. Dies bestätigt auch eine Soldatin, die in ihrer Funktion als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Soldatinnen des Bundeswehrverbandes befragt wurde: „Viele Frauen haben das Gefühl, also man braucht einen Beschützer. Also, wenn man im Einsatz ist, dass man irgendwie jemanden braucht oder irgendwie den Eindruck verschaffen muss, dass man da irgendwie besetzt ist, sag’ ich mal. Weil man sonst, ja, als unbesetzt, Freiwild, oder wie auch immer man das nennen will gilt. […] So das Gefühl, wenn ich irgendwie nicht besetzt bin…, ich dann irgendwie für jeden zur Verfügung stehe“ (Schlinke, w, Offizier, Sanität).

Zu 6. Für alle Soldatinnen ist klar, dass sie sich bei sexuellen Übergriffen sofort beschweren würden und sind sich sicher, dass entsprechende disziplinarische Maßnahmen erfolgen. Sie setzen damit ein hohes Vertrauen in die militärische Führung und die Bundeswehr, die in ihren Augen „ein vergleichsweise sicheres, weil streng reglementiertes Berufsfeld darstellt“ (Kümmel 2005c: 70). Die Fälle, die in den Interviews thematisiert wurden, zeigen auch, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt ist, da die Verantwortlichen eine schnelle Lösung herbeizuführen versuchten. Dies scheint allerdings nicht die Regel zu sein, da nahezu die Hälfte aller Beschwerden wegen sexueller Belästigung nicht oder nur schleppend verfolgt werden (Kümmel 2008: 82).

4

Dieser sehr gravierende Vorfall wurde von der Soldatin auch gemeldet und von den Vorgesetzten sanktioniert. 167

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Zu 7. In zwei Erzählungen über andere Soldatinnen, die sexuell belästigt wurden, sind beide Soldatinnen aus der Bundeswehr ausgetreten, ohne sich offiziell zu beschweren. Dieses Verhalten wird von den erzählenden Soldatinnen zwar verstanden, sie betonen aber, dass sie sich dies selbst nicht gefallen lassen würden. Die Soldatinnen sehen sich selbst zwar in einer potenziellen Opferrolle, überwinden diese Zuschreibung aber über die beschriebenen Strategien und konstruieren sich damit als handlungsmächtige Subjekte. Dieser Neudefinition entspricht auch die von einigen Soldatinnen geäußerte Annahme, dass Frauen die Beschuldigung der sexuellen Belästigung ausnutzen können, um sich selbst Vorteile zu schaffen, sich zu rächen, o. ä.. „Es war auch so, dass Frauen das [Anmache von Seiten der Männer, C.D.] angenommen haben, ja, und der Mann aber gesagt hat, das ist für mich aber nur so nebenbei, und dann hat die Frau sich gesagt, ,na, wenn ich dich nicht haben kann, dann will ich mich rächen‘. Im Zweifelsfalle wird immer der Frau Recht gegeben. Das schadet dem Mann“ (Jänsch, w, Feldwebel, Sanität).

Das potenziell weibliche Opfer wird zur potenziellen Täterin umdefiniert, sexuelle Belästigung ist damit nicht mehr eine Bedrohung für die Frauen, sondern für die Männer. Dabei geht es allerdings nicht darum, dass die Frauen die Männer sexuell belästigen würden – diese Narration des belästigenden Mannes und der belästigten Frau bleibt unangetastet –, einzig nutzt die Frau ihre Macht aus, da sie durch die aktuelle Rechtsprechung immer Recht bekomme. Die beschriebenen Strategien können mit Sasson-Levy (2003: 93) als subversive Praktiken interpretiert werden, mit denen die Soldatinnen verhindern, dass sexuelle Belästigung ihre ausgrenzende Wirkung – Soldatinnen werden über sexuelle Belästigung als Frauen angerufen, die aus dem militärischen Körper auszuschließen sind – entfalten kann. Auch in den Erzählungen der männlichen Soldaten wird sexuelle Belästigung primär als Übergriff von Männern auf Frauen thematisiert. Da sich die Soldaten dadurch in der impliziten Täterrolle sehen, bestehen sie sehr viel vehementer als die Soldatinnen auf einer strengen Bestrafung der Täter und der besonderen Verantwortung von Vorgesetzten, um selbst nicht als Täter wahrgenommen zu werden. Sie vertrauen darauf, dass die Frauen sich zur Wehr setzen. Sie sind „schlagfertig“ (Oswald, m, Feldwebel, Panzergrenadier), haben eine „freche Klappe“ (Frank, m, Feldwebel, Sanität) und können austeilen (Wittig, m, Offizier, Marine). Damit seien die Soldatinnen relativ sicher vor sexueller Belästigung. Auch die Männer gehen nicht von einer sexuellen 168

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Belästigung durch Frauen aus. „Die Frauen kommen dann mal an und hauen einem mal mit der Hand auf’n Arsch. Das ist halt so, mein Gott. Aber das empfinde ich nicht als sexuelle Belästigung“ (Frank m, Feldwebel, Sanität). Die beschriebene Geste wäre, hätte sie ein Mann gegenüber einer Frau ausgeführt, definitiv als sexuelle Belästigung definiert worden. Frank spielt dies herunter, indem er es explizit nicht als sexuelle Belästigung definiert. Hier wird deutlich, wie die Macht, definieren zu können, Teil der Männlichkeitsnorm ist und dass sexuelle Belästigung nur aus einer machtvollen Position ausgeübt werden kann, die Frank Frauen nicht einräumt, wie an anderen Stellen des Interviews ersichtlich wird. Nur Soldat Damm (Feldwebel, Panzergrenadier) thematisiert – allerdings über Umwege – die Möglichkeit, selbst als Täter in Frage zu kommen. Nachdem er darauf hingewiesen hat, dass Frauen immer Recht bekämen, schlussfolgert er für sein Verhalten gegenüber Frauen, dass man als Mann Abstand zu halten habe und dass er eine „Frau genauso wie einen Soldat, irgendwie genau wie ’nen Mann“ behandele. Damit hofft er, nicht in eine Situation zu geraten, in der er ungerechtfertigterweise der sexuellen Belästigung beschuldigt werden könnte. Eine weitere Strategie für ihn ist, nicht allein mit einer Frau auf der Stube zu bleiben, sondern immer einen Kameraden als Zeugen dabei zu haben.5 Er thematisiert hier deutlich die Angst vieler männlicher Soldaten, unschuldig der sexuellen Belästigung beschuldigt zu werden und die Unschuld nicht beweisen zu können. Ihr Vertrauen in die Organisation ist damit, was den Umgang mit sexueller Belästigung angeht, weitaus weniger ausgeprägt als das der Soldatinnen. Auch die Männer definieren das Täter-Opfer-Verhältnis um: Sie sind als Männer immer auch potenzieller Täter, wenden allerdings die subversive Strategie der Selbstkonstruktion als Opfer rachsüchtiger Frauen an, mit der sie sich vom impliziten Verdacht der Täterschaft zu befreien versuchen. Diese sowohl von den Soldatinnen als auch den Soldaten vollzogene Umkehr schreibt den Soldatinnen eine bestimmte Macht über die Männer zu. Im Fall der sexuellen Belästigung wird diese Macht durch die gegenwärtige Rechtsprechung gestützt. Dabei wird die Soldatin, die diese Macht „ausnutzt“, als negativ wahrgenommen.

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Dies entspricht auch der Empfehlung, die den Soldaten mit der Öffnung der Bundeswehr im Jahr 2001 im Umgang mit den Soldatinnen gegeben wurde (Apelt et al. 2005: 118). 169

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9.4 Diskriminierungserfahrungen als Körpererfahrungen Diskriminierungserfahrungen bzw. -ängste ebenso wie real stattfindende, auch formal legitimierte Ungleichbehandlungen von Soldatinnen und Soldaten beziehen sich ausschließlich auf den Körper wie oben anhand der Regelungen zu Haaren, Schmuck, körperlicher Leistungsfähigkeit, aber auch der sexuellen Belästigung gezeigt wurde. „Der Körper ist wie kein anderes Medium geeignet, die Geschlechterdifferenz zu symbolisieren“ (Meuser 2007b: 154). Historisch gesehen besaß das bürgerlich-männliche rationale Subjekt keinen Körper, Körperlichkeit wurde mit Weiblichkeit gleichgesetzt. Der männliche Körper war allgemeingültige Norm, der weibliche Körper stellte die Abweichung dar, die dementsprechend pathologisiert werden konnte (Foucault 1999b: 126). Dort, wo der Körper wesentlich für die Ausübung des Berufs war, wurde er als Mittel zum Zweck, „als verfügbares Instrument männlichen Wollens“ (Meuser 2007b: 156), und nicht, wie der weibliche Körper, als „auferlegtes Schicksal“ (ebd.) verstanden. Der Körper widersetzt sich durch seine angenommene Materialität einer vollständigen Dekonstruktion der Geschlechtergrenzen, er fungiert als „nicht hintergehbare Sinnressource gegen eine diskursive Verflüssigung des Geschlechts“ (Meuser 2005: 271). „Yet, it is through the body that gender and sexuality become exposed to others, implicated in social processes, inscribed by cultural norms and apprehended in their social meanings“ (Butler 2004: 20). Die Berufung auf die biologische Trennung der Geschlechter in Mann und Frau und die daraus resultierende Einteilung in leistungsfähige legitime und nicht-leistungsfähige illegitime Körper, wie sie die Organisationsstruktur der Bundeswehr generiert, wird von den Soldatinnen und Soldaten subversiv unterlaufen, indem zum einen die Forderung nach der Auflösung der Uniformierung der Haare laut wird und zum anderen die Soldatinnen die gleichen körperlichen Leistungen wie die Soldaten erbringen. Der Körper dient der Neu-Aushandlung und der performativen Inszenierung der Genderordnung und -identitäten und stellt die tradierte Genderordnung in Frage. Das Kriterium der körperlichen Leistungsfähigkeit ist umkämpfter als die Frage nach der Haartracht, da sportliche Leistungen auch über Karriere entscheiden, die Haartracht „nur“ über die Möglichkeit der Selbstpositionierung. Die Forderungen nach Angleichung der männlichen an die weiblichen Haar- und Schmuckregeln zeigen, dass die männliche Hierarchie zu bröckeln beginnt. Auch die Tatsache, dass die Soldatinnen körperlich so viel zu leisten in der Lage sind wie die Männer, weist darauf hin, dass 170

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die Genderdifferenz auch innerhalb des Militärs nicht mehr ohne weiteres biologisch zu begründen und zu legitimieren ist, wenn auch die militärische Führung gegen den Widerstand der Soldatinnen und Soldaten weiterhin diese Strategie zu verfolgen scheint. Auch sexuelle Belästigung dient dazu, die tradierte Genderordnung zu bewahren, allerdings verwehren sich auch hier vor allem die Soldatinnen diesen Zuschreibungen und nutzen die jeweiligen Diskurse für sich positiv. Körperlichkeit spielt jedoch nicht nur auf der formalen Ebene eine wichtige Rolle für die Bundeswehr, auch auf der informellen Ebene, im Umgang der Soldatinnen und Soldaten untereinander, kommt Körperlichkeit, vor allem in Form von Sexualität zum Tragen, wie im folgenden Kapitel gezeigt wird.

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10 . Ve rhältnis zw isc he n Soldatinne n und Soldate n - Sexualität

Für die Soldatinnen und Soldaten nehmen sowohl die kameradschaftlichen und sexuellen Beziehungen zwischen Männern und Frauen als auch das konfliktiveVerhältnis der Soldatinnen untereinander (siehe Kapitel 11) einen hohen Stellenwert ein. Liebesbeziehungen zwischen Soldatinnen und Soldaten werden, wenn sie keine kurze Affäre, sondern eine längerfristige Beziehung darstellen, von allen Seiten toleriert und sind daher kaum ein Problem. Kurzfristige Beziehungen werden dementsprechend abgelehnt. Problematisiert wird, dass der freundschaftliche bzw. kameradschaftliche Kontakt zwischen Soldatinnen und Soldaten über Gerüchte sexualisiert wird. Unter diesen Gerüchten, die im Einsatz noch einmal in besonderer Intensität auftreten und sich verbreiten, leiden sowohl die männlichen als auch die weiblichen Soldaten. Bevor sich diesem Themenkomplex angenähert wird, wird zunächst auf den Zusammenhang von Organisation und Sexualität eingegangen und die Bedeutung, die Sexualität für die Subjektkonstruktion hat (10.1). In einem zweiten Schritt wird der Umgang mit Intimbeziehungen zwischen Soldatinnen und Soldaten wie er sich auf der formalen Ebene (10.2), aus Sicht der Expertinnen und Experten (10.3) und der Soldaten und Soldatinnen gestaltet (10.4), analysiert und daran anschließend die Rolle von Gerüchten als Korrektiv und Herstellungsmodus einer legitimen Genderordnung betrachtet (10.5).

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10.1 Die Bedeutung von Sexualität für Organisation und Subjekt Bürokratische Organisationen basieren, so hat es die feministische und gendersensible Organisationsforschung gezeigt, auf dem Ausschluss von (Hetero-)Sexualität. Dieser Ausschluss wurde historisch über den Ausschluss von Frauen aus der Organisation und dem öffentlichen Erwerbsleben vollzogen. Frauen wurden fortan mit Sexualität gleichgesetzt, Sexualität hatte im privaten Bereich stattzufinden und fungierte als Gegenstück des „entkörperlichten“ Arbeitsplatzes (Acker 1991: 165). Zugleich wurden Körper und Homosexualität in der Organisation negiert. Der Arbeiter oder Angestellte wurde damit als asexuell konzipiert, als „ein Bündel spezifizierbarer Funktionen und Qualifikationen“ (Cockburn 1993: 166). Das Militär besaß in diesem Prozess eine „wichtige symbolische Vorreiterfunktion“ (Gabbert 2007: 30), da Homosexualität und Emotionalität in den Armeen historisch bereits sehr früh ausgeschlossen wurden und kontrolliert werden mussten. Erst durch den diskursiven Ausschluss von Sexualität und der Ausblendung von Homosexualität konnte sich das soldatisch-männliche, rationale und wehrhafte Subjekt bilden (Butler 1998: 149ff.). Subjektivierungsprozesse und Sexualität hängen, folgt man Foucault und Butler, eng zusammen. Für Butler stellt die Annahme der Heterosexualität als „stabilisierenden Konzept“ (Butler 1991: 38) sogar die Bedingung für die Subjektwerdung dar. Der Männerbund Militär wird ebenso wie die etablierten männlichen Subjektivierungsprozesse durch die Integration von Frauen in Frage gestellt, die nicht den „gesellschaftlich hervorgebrachten Geschlechter-Normen […] kultureller Intelligibilität […] entsprechen, durch die die Personen definiert sind“ (ebd.). Durch den Eintritt der Frauen in das Militär kehrt die zuvor diskursiv ausgeschlossene Körperlichkeit, Emotionalität und Heterosexualität in die Organisation zurück. Sexualität – und damit die Frauen – werden als Bedrohung für die soziale Ordnung wahrgenommen. Die Organisationen müssen Strategien zum Umgang mit Sexualität und mit Liebesbeziehungen ihrer Mitglieder finden, um die Effizienz zu gewährleisten und das Störpotenzial möglichst gering zu halten. Sexualität „stört“ die Organisation, da sie über hierarchische und diskriminatorische Grenzen hinweg ausgeübt werden kann. Prozesse der Entsexualisierung in Organisationen sind bisher vor allem für totale Institutionen, zu denen z. T. auch das Militär zu zählen ist, untersucht worden, in denen „die Regelung einer Reihe von menschlichen Bedürfnissen (einschließlich der Sexualität) einer großen Anzahl von Menschen mit Hilfe einer bürokratischen Organisation“ (Rastetter 174

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1999: 170) vollzogen wird. In ihnen wird Sexualität „zwangsläufig mehr innerhalb der Organisation als außerhalb ausgelebt“ (ebd.). Rastetter (ebd.: 172ff.) arbeitet drei Strategien der Entsexualisierung der Organisation heraus: 1. Trennung der Geschlechter, indem man nur ein Geschlecht aufnimmt, ihnen unterschiedliche Räumlichkeiten zuteilt oder geschlechtsspezifische Arbeitsplätze zuweist. Dazu gehört auch, die Art und Weise der Kontaktaufnahme zwischen den Geschlechtern zu reglementieren und zu überwachen. 2. Entsexualisierung durch Verbote und Strafen (vor allem von Homosexualität). 3. Entsexualisierung durch die Kontrolle der Zeit und des Körpers, d. h. die durch Ordnung und Disziplinierung hergestellte Trennung von Erwerbszeit und Freizeit, in der Sexualität verboten bzw. erlaubt ist. Die Ermöglichung von Freiräumen ist umso notwendiger, je mehr die Organisation auf ihre Mitglieder angewiesen ist, da die Menschen sonst „zu zerbrechen“ (ebd.: 178) drohen. Auch spezifische Kleidervorschriften, die sexuelle Reize minimieren oder hervorheben wie z. B. die Uniform, dienen der Kontrolle und Regulierung von Sexualität. Rastetter (ebd.) kommt zu dem Schluss, dass alle Organisationen Sexualpolitik betreiben müssen, um „ihre herrschaftsförmigen und leistungserzeugenden Strukturen gegen Widerstand und Untergang zu sichern und damit sich selbst zu stabilisieren. Sexualpolitik, also alle Maßnahmen, die auf die Regelung der Sexualität der Organisationsmitglieder abzielen, basiert im wesentlichen auf Grenzziehungen, die das Verbindende und Untergeordnete der Sexualität verhindern oder in geordnete Bahnen lenken sollen: Grenzen zwischen Hierarchien, Räumen und Zeiten, zwischen Männer- und Frauenarbeitsplätzen, zwischen erwünschter Männlichkeit und anderen Formen von Männlichkeit“ (ebd.: 181).

Allerdings ruft die Unterdrückung von Sexualität zugleich Widerstand gegen diese Form der Formalisierung und Disziplinierung hervor, indem das Recht auf Sexualität eingefordert bzw. Sexualität ausgeübt wird (Burrell 1993: 128ff.). Sexuelle Beziehungen sind Teil der Organisationsstruktur, sie stützen sogar das organisationale Machtsystem, ohne dass dies offiziell oder formal thematisiert werden würde (Hearn/Parkin 1987: 131ff.). Auch führt die Veränderung der Genderverhältnisse in der modernen Gesellschaft dazu, dass Beziehungen zwischen Mitgliedern einer Organisation nicht komplett negiert werden können. Akzeptiert 175

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sind jedoch nur Beziehungen, die „gelungene, am besten in die Ehe mündende Verbindungen“ (Rastetter 1999: 174) darstellen, da diese der Aufrechterhaltung der Trennung der Lebenssphären in Arbeit und Familie entsprechen, die als Voraussetzung für das Funktionieren der Organisation gilt. Dass innerhalb der Bundeswehr mit dem Reden, dem Diskurs über Sexualität eine Normierung sexueller legitimer Identitäten und Genderordnungen stattfindet, wird in den folgenden Ausführungen anhand des formalen, vor allem aber des informellen Umgangs mit Sexualität deutlich.

10.2 Formaler Umgang mit Sexualität i n d e r B u n d e sw e h r Am 17. Dezember 2000 erhob der ARD-Weltspiegel die Vorwürfe, dass hunderte deutsche Soldaten in Mazedonien Bordelle mit Minderjährigen und Zwangsprostituierten besucht haben sollen (Kempe 2004: 18; Bickel 2004: 2). Drei Tage später veröffentlichte der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr General Harald Kujat eine „Führungshilfe für Vorgesetzte zum Umgang mit Sexualität“ (Kujat 2000), in der er indirekt auf die Vorwürfe Bezug nimmt, indem er sich auf „Probleme der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz mit dem Thema ,Umgang mit Sexualität‘“(ebd.: Vorbemerkung) bezieht. Ziel dieser Führungshilfe sei es, „zum Abbau von Verhaltensunsicherheiten“ (ebd.) beizutragen, die durch den Einsatz, aber auch durch die Öffnung der Streitkräfte für Frauen und die Änderung der Bundeswehr gegenüber Soldatinnen und Soldaten mit „gleichgeschlechtlicher Orientierung“ hervorgerufen wurden (ebd.). Er verweist zunächst darauf, dass die Soldatinnen und Soldaten ein Recht auf Sexualität und Intimund Privatsphäre haben und dass für sie die allgemeingültigen zivilen Rechtsverordnungen gelten (ebd.: 1). Soldatinnen und Soldaten unterliegen allerdings einer besonderen Verantwortung im Umgang mit Sexualität, da für sie zusätzlich die „Kameradschaftspflicht“, die „Verhaltenspflicht als Soldat“ sowie die „Pflicht der Vorgesetzten zu beispielhaftem Verhalten“ (ebd.) zu beachten sind. Kujat stellt sechs Verhaltensregeln auf, „deren Kern vor allem Toleranz und gegenseitiger Respekt“ (ebd.) darstellt. Diese Regeln sind 1. Zurückhaltung, 2. Verbot sexueller Belästigung, 3. Wahrung des Zusammenhalts, 4. Respektieren von Partnerschaften, 5. Achtung der Privatsphäre und 6. Toleranz (ebd.: 2). Die Regeln Zurückhaltung, Wahrung des Zusammenhalts und Toleranz beziehen sich vor allem auf die Forderung nach Akzeptanz von gleichgeschlechtlicher Orientierung 176

SEXUALITÄT

unter den Kameraden. Unterschiedliche Einstellungen zur Sexualität führten zu „Irritationen und negativen Reaktionen in der Gruppe“ (ebd.), daher sei die Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme ein „Gebot der Kameradschaft“ und dürfe nicht durch „Neid, Eifersucht oder demonstrative Ablehnung einer bestimmten sexuellen Orientierung“ gestört werden, solange dadurch „Ausbildung und Einsatz nicht gefährdet werden“ (ebd.: 2c). Sexuelle Handlungen sind innerhalb der militärischen Liegenschaften zu unterlassen und auch außerhalb des Dienstes und militärischer Liegenschaften hat der Soldat sich so zu verhalten, „dass er das Ansehen der Bundeswehr nicht ernstlich beeinträchtigt“ (ebd.: 2a). Der Respekt von bestehenden Partnerschaften stellt eine „Grundlage für das Vertrauen der Soldaten untereinander“ dar und ist als ein wesentlicher Bestandteil von Kameradschaft anzusehen (ebd.: 2d). In einem zweiten Teil wird ausführlicher auf die Pflichten und Aufgaben von Vorgesetzten eingegangen (ebd.: 3): Die Vorgesetzten haben Sexualität als „Teil menschlicher Gesamtpersönlichkeit“ zu akzeptieren, insofern sich daraus keine Störung des Dienstbetriebs ergibt. Im Fall von hierarchieübergreifenden Beziehungen hat der Vorgesetzte diese zu unterbinden, um einer „Beeinträchtigung seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit“ (ebd.: 3a) entgegenzuwirken, die durch mögliche persönliche Bevorteilungen entstehen könnten. Sollte eine derartige Bevorzugung oder Benachteiligung auftreten, sind die Beziehungen sofort zu unterbinden. Dem Vorgesetzten kommt außerdem die Aufgabe zu, diese Verhaltensregeln zu kommunizieren und das Bewusstsein für gleichgeschlechtliche Orientierung – hier bezieht Kujat sich vor allem auf Homosexualität – zu schaffen. Diese recht allgemeinen Verhaltensregeln wurden durch den Erlass „Sexuelles Verhalten von und zwischen Soldaten“ (Anlage B173 zu ZDv 14/3 2002) von Ende Februar 2002 Gegenstand formaler Regulierung und damit konkretisiert. Der Erlaß besteht aus drei thematischen Schwerpunkten: der Regulierung der „einvernehmlichen Aufnahme einer sexuellen Beziehung“ und der darin formulierten Definition legitimierter Beziehungen, der „geschlechtsbezogenen Zurschaustellung“ und der „nicht einvernehmlichen Aufnahme einer sexuellen Beziehung“. Der Umgang eines Soldaten mit „seiner“ Sexualität wird nur dann als dienstrechtlich relevant erklärt, „wenn er die dienstliche Zusammenarbeit erschwert, den kameradschaftlichen Zusammenhalt beeinträchtigt und damit zu nachhaltigen Störungen der dienstlichen Ordnung führt“ (ebd.: I). Die Ausübung von Sexualität darf sich nicht negativ auf die „dienstliche Reputation“ (ebd.) des Soldaten bzw. der Bundeswehr ausüben. Wann dies der Fall ist, wird „durch das Urteil eines unvoreingenommenen Betrachters“ (ebd.) festgestellt. Die homosexuelle wird mit 177

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der heterosexuellen Beziehung gleichgestellt, ebenso die eheähnliche Lebensgemeinschaft – insofern diese auf Dauer angelegt ist – mit der Ehe (ebd.). Das sog. „sexuell bestimmte Verhalten“ innerhalb dienstlicher Anlagen und im Dienst ist generell verboten, „der Dienstbetrieb ist ,sexuell neutral‘ abzuwickeln“ (ebd.: II). Ausnahmen sind nur dort erlaubt, wo explizit Freiräume zugestanden werden, wie bei Ehepaaren oder bezogen auf das Besuchsrecht für zum Wohnen in der Kaserne verpflichtete Soldaten. In Paragraph II wird auch „Das Eindringen in die Ehe oder in die eheähnliche Lebensgemeinschaft eines Kameraden“ als Dienstvergehen definiert, da dadurch „das gegenseitige Vertrauen und die Bereitschaft der Soldaten, füreinander einzustehen“, in Frage gestellt wird. Beziehungen zwischen dienstgradverschiedenen Soldaten sind mit den bereits genannten Einschränkungen (keine negativen Auswirkungen auf das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit, kein Autoritätsverlust für Vorgesetzte oder Bevorzugung, bzw. Benachteiligungen des Partners und kein Eindringen in die Ehe von Kameraden) möglich, ausgenommen sind dabei allerdings Beziehungen, die nicht auf Dauer angelegt sind und in denen ein unmittelbares Vorgesetzten-/Untergebenen– verhältnis besteht, um einer „ernsthaften Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Vorgesetzten“ (ebd.: II, 4a) entgegenzuwirken. Ein eigener Abschnitt wird der „geschlechtsbezogenen Zurschaustellung“ von Soldaten, d. h. „Nacktfotos“ von Soldaten gewidmet, die dann dienstrechtlich von Belang sind, wenn „die Grenze zur Obszönität, Pornographie, Menschen- oder Geschlechterverachtung“ überschritten wird, durch den Einbezug von „Streitkräfteattributen“ die Bundeswehr diskreditiert wird oder ein Vorgesetzter sich „bildlich prostituiert“ und damit einen Autoritätsverlust erleidet (ebd.: II). Ein dritter thematischer Schwerpunkt liegt in der Regulierung der „nicht einvernehmlichen Aufnahme einer sexuellen Beziehung“ (ebd.: II, 3), also der sexuellen Belästigung (siehe Abschnitt 9.3). Dieser Erlass wurde laut Wehrbericht 2002 vor allem von den Soldatinnen mit der Begründung abgelehnt, dass die darin enthaltenen Verhaltensvorschriften, die sich vor allem an die männlichen Kameraden richteten, die Distanz zwischen den Geschlechtern verstärke (Robbe 2003: 13). Dadurch würden Berührungsängste ausgelöst und der Kameradschaft geschadet (ebd.). Diese Kritik wurde im folgenden Jahr verstärkt, der Erlass als „lebensfremd“ (Robbe 2004: 32) bezeichnet. Besonders wurde kritisiert, dass die Vorgesetzten einzugreifen hätten, sobald sie Kenntnis von sexueller Betätigung außerhalb des Dienstes innerhalb militärischer Liegenschaften erhielten. Diese Vorschrift kam einem Ver178

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bot von Sexualität im Auslandseinsatz und in Kasernenwohnungen gleich. Das Verteidigungsministerium sah sich aufgrund dieser Kritik veranlasst, den Erlass zu überarbeiten. Ende Juni 2004, wiederum kurz nachdem publik wurde, dass Bundeswehrsoldaten im Kosovo weiterhin Bordelle besuchten und sogar am Frauenhandel beteiligt waren (Bickel 2004: 2), wurde der neue Erlass zum „Umgang mit Sexualität“ (Anlage B173 zu ZDv 14/3 2004) veröffentlicht. Er unterscheidet sich von der Version von 2002 vor allem darin, dass die sexuelle Betätigung außerhalb des Dienstes in dienstlichen Unterkünften im Prinzip erlaubt ist, einschränkend wird allerdings gefordert, dass in engen räumlichen Verhältnissen wie z. B. im Auslandseinsatz besondere Rücksicht auf die Kameradinnen und Kameraden genommen wird.1 Obwohl der Passus, dass das Eindringen in die Ehe ein Dienstvergehen darstellt, im neuen Erlass nicht mehr auftaucht, besitzt er weiterhin Relevanz, da nach „gefestigter Rechtsprechung“ „die Aufnahme sexueller oder sonstiger ehewidriger Beziehungen zu der Ehefrau eines Kameraden gegen die Kameradschaftspflicht verstößt“ (Robbe 2005: 39), bei dessen Kenntnis die Vorgesetzten disziplinarisch tätig werden müssen. Ob das Aufnehmen einer sexuellen Beziehung zu dem Ehemann einer Kameradin einen Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht darstellt, bleibt unklar. Es zeigt aber deutlich, dass die Regulierung von Sexualität immer noch die Regulierung männlicher heterosexueller Sexualität in der Ehe bedeutet. Die Führungshilfe von General Kujat behält weiterhin ihre Gültigkeit. Der Umgang mit Sexualität in der Bundeswehr entspricht – formal gesehen – immer noch den Prinzipien traditioneller Organisationen, die Sexualität und Emotionalität als außerhalb der Organisation im Privatbereich verorten. Dass die Bundeswehr sich den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht entziehen kann, wie sie in jeder der Vorschriften betont und daher sowohl gleichgeschlechtliche als auch eheähnliche Beziehungen toleriert, stellt eine wenn auch nur partiale Öffnung dar. Der Druck aus dem zivilen Umfeld und über die Rechtsprechung – es gab mittlerweile auch umfassende Initiativen zur Stärkung der Akzeptanz von Homosexualität in der Bundeswehr (siehe z. B. http://www.ahsab.de) – scheint zu stark geworden. Durch die steigenden Auslandseinsätze hätte ein generelles Verbot von Sexualität in den Feld1

In der Öffentlichkeit wurde dieser neue Erlass z.B. mit „Struck erlaubt Sex im Container“ (Spiegel Online 2004) oder „Leise Liebe im Lager“ (Szandar 2004: 48) kommentiert. Im Vergleich der beiden Erlasse erscheint der zweite Erlass, auch was die sprachlichen Formulierungen angeht, sehr viel durchdachter und lässt die Vermutung zu, dass der erste Erlass schnell veröffentlicht werden musste. 179

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lagern einen größeren Unmut unter den eingesetzten Soldatinnen und Soldaten hervorgerufen. Die Strategie der Bundeswehrführung scheint darin zu liegen, Sexu– alität als zu regulierendes Problem zwar anzuerkennen, dabei aber den Spielraum für disziplinarisches Vorgehen für Vorgesetzte recht weit zu lassen. Nur die Beziehungen werden toleriert, die auf dem klassischen Ideal der ernsthaften Beziehung, die idealerweise in der Ehe mündet, basieren und damit die Funktionsfähigkeit der Organisation erhalten. Damit kann dem äußeren und inneren Druck, Sexualität reguliert zuzulassen, entsprochen werden und zugleich die Organisation entsexualisiert bleiben, indem die Art und Weise der Ausübung von Sexualität streng reglementiert und gegebenenfalls sanktioniert wird und Kontrolle über die Körper und die Zeit ausgeübt wird (Rastetter 1999: 178ff.). Wie mit Sexualität im Kontakt mit der Zivilbevölkerung im Einsatzland oder mit Prostitution umgegangen werden soll, darüber geben die Dokumente keine Auskunft.

1 0 . 3 D i e P e r s p e k t i ve d e r E n t s c h e i d u n g s t r ä g e r Im Zeitraum der vorliegenden Untersuchung 2003 bis 2004, war man gerade dabei, den neuen Erlass zu erarbeiten. Für die Entscheidungsakteure ist der Widerspruch zwischen der gesellschaftlich notwendigen Inklusion und Regulierung von Sexualität und der Vorstellung des „geschlechtsneutralen“ Dienstbetriebs nur schwer aufzulösen. Dass Sexualität oder auch Emotionalität nicht mit dem Soldatenberuf zu vereinbaren sind, ist für jeden der Experten und Expertinnen klar. Selbst eine der Soldatinnen, die sich sehr für Gleichstellungsmaßnahmen in der Bundeswehr einsetzt, begrüßt die Regel „Uniform, Händchenhalten, geht nicht“ (Schlinke) und fordert beim Verletzen dieser Regel ein Einschreiten der Vorgesetzten. Zwei hohe Offiziere im Führungsstab des Verteidigungsministeriums, zuständig für den Bereich Innere Führung, betonen, dass es das Ziel im Umgang mit Sexualität sei, zu einer „Normalität“ zu kommen, allerdings wird deutlich, dass sie die Notwendigkeit, das Thema überhaupt formal regeln zu müssen, nicht sehen: „Also frage ich mich, warum bringe ich so eine Regel? Denn der gleichen Frau, dem gleichen Mann billige ich zu, mit einer scharfen Schusswaffe durchgeladen, wenn es die Situation erfordert, vernünftig umgehend die Kasernenanlage zu bewachen. Aber ich billige nicht zu, ein solches Regelwerk miteinander zu finden“ (Barsch/Meister, m, Oberstleutnant/General, BMVG). 180

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Indem Sexualität mit dem Umgang mit Waffen kontrastiert wird, wird versucht, die Bedeutung der Regelung von Sexualität herunterzuspielen. Die Erhaltung der Einsatzbereitschaft übersteuere nach Meinung der Offiziere in jedem Fall jede andere Angelegenheit, wie es an anderer Stelle heißt. Die beiden Offiziere würden die Selbstregelung dieses Themas auf jeden Fall bevorzugen, „denn sonst geraten Sie sofort in die Notwendigkeit, bei Verstoß gegen die Reglementierung auch irgendein Punishment zu haben. Und das wird dann eben sehr, sehr schwierig“ (ebd.). Obwohl Sexualität kein Thema formaler Regulierung sein, sondern lieber am „Einzelfall“ diskutiert werden sollte, geben die beiden Offiziere zu, dass Sexualität für die Soldatinnen und Soldaten eine der größten Belastungen im Einsatz darstellt, wie dies eine bisher nicht veröffentlichte Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts gezeigt habe. Als Begründung führen sie die Altersstruktur an, da die 20- bis 35-Jährigen ein „ganz anderes Sozialverhalten“ hätten und sich noch mitten im „Planungsprozess“ der Familie befänden. Dieses Ergebnis hat die Bundeswehrführung dazu veranlasst, einen Arbeitskreis „Sexualität im Einsatz“ zu gründen, der sich routinemäßig zweimal im Jahr und bei besonderen Vorfällen, wie z. B. bei Vergewaltigungen, trifft. Mitglieder dieses Arbeitskreises sind Mediziner, Vertreter der Kirchen, Juristen, der Wehrbeauftragte, Psychologen und ehrenamtliche Helfer von der Initiative „Frau zu Frau-Online“, einem Austauschforum für Angehörige von Soldatinnen und Soldaten, die im Auslandseinsatz sind. Der Arbeitskreis dient dem Erfahrungs- und Problemaustausch und möglichen Veränderungen von Seiten der Führung (ebd.). Welchen Stellenwert die beiden Offiziere diesen Treffen zumessen, wird deutlich, als der eine Offizier von einer Frau erzählt, die in der Initiative „Frau zu Frau-Online“ engagiert ist: „Ich höre ihr unheimlich gerne zu, weil sie also so“, dann fällt der andere Offizier ins Wort, „Klasse, ja“, und weiter „eine so lebensnahe Berichterstatterin ist. Wenn sie also dann darüber spricht, wie junge Frauen denken, wenn ihre Männer in den Einsatz gehen. Wie sie also nun versuchen, diesen sexuellen Kontakt mit denen zu halten, was ja über so eine Distanz gar nicht so einfach ist“. Hier inszenieren sich die beiden Offiziere als sehr offen für die Bedürfnisse der Ehefrauen der Soldaten und diese Offenheit wird auch belohnt, da sie ja mit Informationen über das soldatische Sexualleben auf Entfernung ausgestattet werden. Zwar seien die Forderungen, die sie stellt, sehr hilfreich, aber eigentlich ist es primär das schöne Erzählen und Zuhören, nicht die mögliche Brisanz des Themas, die relevant erscheinen. Eine ganz andere, aber innerhalb der Streitkräfte sehr beliebte Erklärung für die Problematik von Sexualität im Einsatz gibt ein Offizier am 181

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Zentrum Innere Führung, zum Zeitpunkt des Interviews zuständig für Gender Mainstreaming in der Bundeswehr: „Wenn Männer ein halbes Jahr lang im Einsatzland sind und, sagen wir mal, ihr normales gewohntes Sexualleben nicht ausleben können, dann ist das per se ein Problem. Und der eine kriegt’s besser in den Griff als der andere“ (Papst). Der Biologismus ist offensichtlich: Männer agieren „von Natur aus“ triebgesteuert und wenn sie diese Triebe nicht ausleben können, dann gibt es Probleme. Diese Vorstellung einer „naturbedingten Sexualität“ (Wrede 2000: 26) entspricht der gängigen Geschlechterstereotype, nach der männliche Sexualität zugleich triebhafte und machtvolle Sexualität ist, die weibliche Sexualität hingegen mit Sinnlichkeit und Triebverzicht in Verbindung gebracht wird. Durch diese Zuschreibungen auf biologische Determinanten und die bereits von Freud definierte Notwendigkeit der Triebabfuhr wird das Subjekt von der Verantwortung für sein sexuelles Handeln entlastet (ebd.). Die Ausübung männlicher Sexualität – so heißt es also von oberster Stelle – muss möglich sein, und mögliche Probleme sind verständlich und zu entschuldigen. Durch die folgende Aussage einer Truppenpsychologin, die für die Truppenpsychologen und -psychologinnen des Heeres zuständig ist, wird der Zusammenhang der verschiedenen Argumente deutlich: „Das ist, glaub’ ich als Psychologin auch, ein halbes Jahr ist sehr lange für junge Leute. Sexuelle Energie ist eine normale heilsame Energie, die muss auch gelebt werden. Dadurch, dass wir Frauen haben, kann sie auch gelebt werden. Also da in einen Puff zu gehen, wo Krankheiten verbreitet werden, wo sie erpresst werden können, ist auch nicht so gut. Die machen es eh, wir können es nicht verhindern, und wenn sie es nicht machen können und sie haben das Bedürfnis, drehen sie auf, da haben wir auch Probleme, dann werden die aggressiv, selbstzerstörerisch, sind kribbelig, können ihren Auftrag auch nicht mehr leisten. Haben wir gehabt. In jedem Einsatz, wo es hoch her geht, wo wirklich viel große Gefahr ist, ist große Anspannung, ist das kein Thema. Es ist ein Thema, was dann anfängt, wenn die Langeweile anfängt. Darf man eigentlich nicht sagen, aber ich bin überzeugt, dann werden auch Frauen und Männer sich irgendwie da Entlastung verschaffen. Und das ist nicht nur schlecht. Ich sehe das nicht nur schlecht“ (Schneider).

Sexualität ist aus ihrer psychologisch-professionellen Expertinnensicht, mit deren Betonung sie die besondere Relevanz ihrer Aussage unterstreicht, im Einsatz vor allem ein Problem für junge Leute. Nicht ausgelebte Sexualität macht krank und – und dies ist das zentrale Problem – die Soldaten sind damit nicht mehr einsatzbereit. Da man es nicht vermeiden kann, dass sich die Männer und Frauen „Entlastung verschaffen“, sollten die Beziehungen untereinander ermöglicht werden. 182

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Sonst bestehe die Gefahr, dass sie – hier sind wiederum die Männer gemeint – Prostituierte in Anspruch nehmen, wo sie Krankheiten bekommen oder erpresst werden könnten. Dass es zu sexuellen Beziehungen kommt, so sagt sie, darüber dürfe man offiziell nicht reden, aber sie kommen vor, wie sie aus eigener Erfahrung weiß. Dabei spielt Langeweile eine besondere Rolle, wenn genug Ablenkung vorhanden ist, ist Sexualität eher weniger ein Problem. Die Strategie der Bundeswehrführung für den Umgang mit Sexualität – so lässt sich daraus folgern – liegt scheinbar darin, Sexualität – und vor allem Sexualität im Einsatz – zu tolerieren und zugleich die Möglichkeiten, dass sexuelle Verhältnisse politisiert werden könnten, einzuschränken und darauf zu setzen, dass sich das Thema von selbst regelt. Dahinter steht die Annahme einer naturgegebenen männlichen Sexualität, deren Unterdrückung sich negativ auf die Erfüllung des Auftrags und die Einsatzbereitschaft auswirken kann. Daher muss die Führung Sexualität tolerieren, um die Funktionalität ihrer Streitkräfte sicherzustellen. Zugleich muss sie offensichtliche Beziehungen, wie die zwischen direkten Vorgesetzten und Untergebenen unterbinden, da diese Bevorzugungs- oder Benachteiligungsvorwürfen ausgesetzt werden könnten. Indem Sexualität in den Kasernen bzw. in den Lagern im Prinzip erlaubt wird, wird der Kontakt zwischen Soldatinnen und Soldaten möglich, was zu der Hoffnung führt, dass der Besuch von Bordellen im Einsatzland abnimmt. Dies mag auch die Erklärung dafür sein, warum trotzdem der Besuch in Bordellen immer noch toleriert wird, da – trotz anders lautender offizieller Angaben – auf den Schiffen immer noch Kondome für den Landgang verteilt werden bzw. in den Feldlagern erhältlich sind (Kempe 2004: 19). Zugleich ist es möglich, nach außen den Eindruck zu erwecken, dass man sich im Rahmen der gesellschaftlichen Legitimation angemessen verhält (Dittmer/Apelt 2008: 75).

1 0 . 4 D i e P e r s p e k t i ve d e r S o l d a t i n n e n und Soldaten Das „heterosexuelle, monogame, verheiratete und reproduktive Paar“ (Ott 2000: 187) steht, so lassen sich die bisherigen Erkenntnisse resümieren, an der Spitze der formal legitimierten Genderordnungen in der Bundeswehr, gefolgt vom heterosexuellen, monogamen, auf Dauer zusammenlebenden Paar. In den Interviews wird der Umgang von Soldatinnen und Soldaten meist vor allem als sexuelles Verhältnis definiert. Pärchenbildung auf dem Schiff, in der Kaserne oder im Feldlager wird als Normalität angesehen und im Prinzip von allen – sowohl von den 183

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Vorgesetzten als auch von den Kameradinnen und Kameraden – akzeptiert, insofern sie den hegemonialen Konstellationen und der Maxime, dass die Beziehung den Dienstbetrieb nicht stören darf, entsprechen: „Das ist völlig normal, dass sich dort [an Bord, C.D.] auch Pärchen bilden. Und, irgendwie habe ich so einen Eindruck, dass die Bundeswehr da, also zumindest die alte Bundeswehr, da ein großes Problem mit hat. Also um Gottes Willen, das kann ja überhaupt gar nicht sein, das darf nicht sein. Das ist völliger Blödsinn meiner Meinung nach. Wenn es ein Pärchen hier an Bord gibt, dann müssen die hier nicht knutschenderweise auf dem Gang sicherlich stehen, das würde ich aber in der Firma oder so genauso fehl am Platze heißen. Wenn die im Tagesdienst normal ihren Dienst verrichten und wenn die sich da mal die Hand geben oder mal ein Küsschen auf die Wange geben, dann fände ich persönlich das nicht schlimm. Aber es ist ja unnatürlich zu sagen, nein, das darf es nicht geben und das gibt es nicht bei uns an Bord. Das ist schon irgendwie Blödsinn“ (Neumann, w, Offizier, Sanität).

Soldatin Neumann gibt deutlich zu verstehen, dass sie Beziehungen als etwas Normales ansieht. Sie kann die Einstellung der „alten“ Bundeswehr nicht nachvollziehen, die Beziehungen an Bord verbietet. Die neue Regelung, die Beziehungen im Prinzip erlaubt, ordnet sie der „neuen“ Bundeswehr zu. Damit kommuniziert sie, dass die neue Bundeswehr fortschrittlicher, toleranter und vernünftiger ist als die „alte“ Bundeswehr. Der Umgang mit Sexualität wird zu einem Maßstab für Fortschrittlichkeit und Modernität. Indem Neumann den Vergleich mit dem zivilen Arbeitsplatz sucht, unterstreicht sie, dass die Trennung von Sexualität und Arbeitsplatz nichts Militärspezifisches ist, sondern ebenso die Arbeit im Zivilen kennzeichnet. Gewissen verhaltenen Zärtlichkeiten auch im Dienst steht sie keineswegs ablehnend gegenüber, betont aber die Wichtigkeit, trotzdem den Dienst angemessen auszuüben. Einige der Soldatinnen und Soldaten fordern sogar explizit für sich die Möglichkeit ein, Beziehungen untereinander eingehen zu dürfen, da man sonst kaum eine Möglichkeit habe, jemanden kennen zu lernen. Gerade Beziehungen im Einsatz seien als gerechter Ausgleich für die hohe Trennungsrate von Paaren nach jedem Einsatz anzusehen, so Soldat Frank (m, Feldwebel, Sanität): „Und dass es im Einsatz halt vermehrt zu Beziehungen kommt, ist ja halt auch so. Das gleicht dann diese große Trennungsrate, die es bei der Bundeswehr ja nun mittlerweile gibt, ’n kleines bisschen wieder aus. Denn sonst liegt bei den

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Soldaten, die im Einsatz…, die Trennungs- und Scheidungsrate bei bummelig 72 Prozent, müsste sie mittlerweile liegen“.2

Probleme tauchten besonders dann auf, wenn sich mehrere Soldaten für eine Soldatin interessierten, dann sei die Kameradschaft dahin, so Soldat Rehberger (Feldwebel, Marine). Auch Soldatin Pfeifer (Mannschaften, Marine) betont, dass ihrer Meinung nach die meisten Konflikte unter Männern auftreten, die um wenige Frauen konkurrierten. Die diskursive Verknüpfung der Konkurrenz um Frauen mit der Bedrohung der Kameradschaft und des Dienstbetriebs ist für die Akteure ein machtvolles Mittel, um die Probleme zu verdeutlichen, die durch die Anwesenheit von Frauen auftauchen: „Oder eben dieses Zusammenspiel Männlein-Weiblein, was da einfach querkommt. Was einfach nicht ausgeblendet wird. Dann kommen halt die schönen Partnerschaften am Dienstort zustande und das bringt dann entweder je nachdem wie stabil das auch wieder ist, aber häufig sind es auch nur vorübergehende Partnerschaften. Und dann bringt es die Frau entweder in Verruf oder aber es destabilisiert eine Gruppe, die vorher gut funktionsfähig war, weil mehrere um ein Frauchen herumschwärmen“ (Gabriel, w, Offizier, Sanität).

Soldatin Gabriel ist der Meinung, dass eine Partnerschaft von Frauen und Männern, die dadurch hervorgerufene Positionierung der Frauen und die Konkurrenz zwischen den Männern zur Destabilisierung der Gruppe führen können. Gabriel kritisiert, dass die Beziehung zwischen Männern und Frauen nicht ausgeblendet wird, wie es für die „Funktionsfähigkeit der Armee“, wie sie kurz vorher ausführt, notwendig ist. Besonders nicht auf Dauer angelegte Partnerschaften gefährden die Position der Frauen, da sie dadurch „in Verruf“ geraten können. Zum anderen werde die Gruppenkohäsion gestört, auf deren Grundlage militärische Effizienz basiere. Dass Frauen die Gruppenkohäsion und die männliche Kameradschaft zerstören und damit die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte gefährden, ist neben dem Schutzargument einer der am häufigsten zitierten Gründe gegen die Integration von Frauen, vor allem in Kampfeinheiten (Maninger 2008: 23f.). Dabei spielen die angeblich geringere Leis2

Dass die Scheidungsrate sich in der Bundeswehr durch die erhöhte Anzahl an Auslandseinsätzen drastisch erhöht habe, ist ein gut gepflegter Mythos in der Bundeswehr und findet sich auch in den Interviews wieder. Tomforde (2006b: 67ff.) weist allerdings nach, dass die meisten Paare gestärkt aus dem Einsatz hervorgehen. Zu Problemen oder Trennungen kam es in ihrer Untersuchung nur dort, wo bereits im Vorfeld des Einsatzes Probleme bestanden hatten. 185

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tungsfähigkeit von Frauen sowie das Entstehen von engen (sexuellen) Beziehungen der Soldatinnen und Soldaten eine wichtige Rolle (ebd.: 24). Diverse Studien haben allerdings bewiesen, dass der Faktor Geschlecht nur einer unter mehreren Faktoren ist, die die Kohäsion beeinflussen (Seifert 2003b: 44f.). Schiebt Gabriel eher der Tatsache der Integration von Sexualität/Emotionalität in den militärischen Alltag die Schuld für die Gefahr der sinkenden Funktionsfähigkeit der Armee zu, so liegt für Soldatin Neumann (w, Offizier, Sanität) eindeutig das Problem bei den Frauen: „Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass man nicht jede Frau an Bord nehmen kann, also es kann eine Frau durchaus ein guter Soldat sein, aber besser, man nimmt sie nicht an Bord mit. Weil das nicht funktioniert, weil sie sich da nicht einfügt. Also das gibt es bei Männern sicherlich genauso, aber eine Frau irgendwo rein, das ist ja doch so, dass Männer nach dieser Frau gucken. Also, das ist ja nun mal einfach so. Umgekehrt wär’s ganz genau so, ja? Wenn wir ein Frauenschiff wären und da kämen jetzt drei Männer an Bord, da würde sich, ich sag’ jetzt mal, irgendwo um diese Männer schon geschlagen. Und ich denke, dass es halt eben so auch ist. Es ist nicht so, dass ’ne Frau, ja, die ist ja nun nicht geschlechtslos. Die wird schon als Frau gesehen. Und da gibt es halt eben auch so typische Reibereien.“

Zwar schreibt sie Frauen generell die Fähigkeit zu, gute Soldatinnen sein zu können, aber ob sie sich an Bord unter engen räumlichen Bedingungen „einfügt“, bezweifelt sie. Sie begründet dies damit, dass die Männer um die Frauen konkurrieren, da die Frauen „als Frauen“ gesehen würden. Sowohl bei Neumann als auch bei Gabriel wird deutlich, dass sie sich von den Frauen, die eine Beziehung eingehen, oder von den Frauen, um die konkurriert wird, distanzieren und damit die dominante „männliche“ und sehr zwiespältige Bewertung der Rolle von Frauen in der Bundeswehr übernehmen. Vier der interviewten Soldatinnen und 1 der Soldaten erwähnen, im Einsatz ihren jeweiligen Lebenspartnerin bzw. -partner kennengelernt zu haben. Soldatin Jänsch (Feldwebel, Sanität), Soldatin Meier (Unteroffizier, Marine) und Soldat Frank (Feldwebel, Sanität) sind aus einer bestehenden Beziehung über den Einsatz in die neue Beziehung gegangen. Dass sie dies in einen Konflikt mit der herrschenden Norm gebracht hat, kann exemplarisch anhand der genaueren Analyse der Situationen und Rechtfertigungsstrategien von Soldatin Jänsch (Feldwebel, Sanität) gezeigt werden. Im Verlauf des Interviews wird deutlich, dass sie mit ihrem Partner zusammen in den Einsatz gegangen ist und dort einen anderen Mann kennen gelernt hat, und sich daraufhin von ihrem vorherigen Lebenspartner trennte: 186

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„Also manchmal wird der Auftrag dort nicht richtig verstanden. Was der eigentliche Auftrag ist. Und man muss auch sagen, dass das nur für K- und für SFOR zutrifft. Also es finden sich viele Bindungen dort, ja. Man muss wirklich differenzieren, man darf nicht alle verurteilen, denn wenn die Beziehung nach dem Einsatz noch weitergeht, dann hat sie auch Hand und Fuß und dann hat man sich verliebt und so ging’s mir auch und dann soll es so gewesen sein. Aber es gibt auch Bindungen, die nur den Einsatz dort unten betreffen, weil jeder vielleicht einen Partner zuhause hat oder auch nicht, ist ja auch egal, und wenn man dann in Deutschland landet, dann hat man alles vergessen. Das gibt’s auch. Und man hat halt bei KFOR, SFOR auch die Zeit dazu. Ich denk mal, in Afghanistan, da geht das nicht. Da findet man sich vielleicht auch, aber das ist halt eine andere Art. Also der Auftrag ist dort klar definiert, da hat man keine Zeit irgendwie Liebesduselei zu machen. Und bei KFOR, SFOR ist schon mehr Freizeit möglich. Weil zu bestimmten Zeitpunkten hat man dann halt Dienst und dann ist irgendwann Dienstunterbrechung und dann kann man halt auch in Betreuungseinrichtungen gehen und weil halt viele Frauen dort unten sind, ja, das wissen auch viele Männer. Und wenn man dann so lange weg ist von zuhause, dann braucht man auch vielleicht mal ’ne weibliche Schulter, sag’ ich mal, und aus so ’ner Art und Weise kann auch ’ne Freundschaft entstehen, ja, wo nichts ist, aber es passiert meistens, dass dann der Mann oder auch die Frau dann doch schwach wird. Und da kann sich keiner von freisprechen, mir ist das auch passiert, aber ich sag’ mal so, ich hab’s nicht nötig gehabt, mir da unten was zu suchen, weil ich’s jetzt unbedingt brauchte. Sondern einfach, es ist passiert und das kann halt passieren.“

Jänsch beginnt ihre Ausführungen zum Verhältnis von Männern und Frauen damit, dass sie den Rahmen definiert, in dem die Beziehungen stattfinden: den militärischen Auftrag, den zu erfüllen die Hauptaufgabe von Soldatinnen und Soldaten darstellt. Damit positioniert sie sich in der Eingangssequenz als Soldatin, die sich ihrer Rolle bewusst ist, indem sie sich von den anderen, die den militärischen Auftrag missverstehen würden, distanziert. Daran anschließend macht sie deutlich, dass dies nur für die Einsätze in Bosnien und im Kosovo gilt, da dort, wie sie weiter unten ausführt, viel Freizeit möglich ist, da diese Einsätze weniger militärisch sind, der Frauenanteil sehr hoch ist und es daher zu vielen Beziehungen kommt. Allerdings, so betont sie, dürfe man diese Beziehungen nicht vorschnell verurteilen, was, so scheint es, die Regel ist. Wenn diese Beziehungen von Dauer sind und auch nach dem Einsatz Bestand haben, dann sind sie legitim. Ihr selbst sei es auch so ergangen, sie habe sich verliebt und da könne man nichts entgegensetzen. Die anderen Beziehungen, in denen ein Partner zu Hause ist oder die nach dem Einsatz beendet sind, sind allerdings zu verurteilen. 187

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Viele Männer hätten durch die lange Abwesenheit ein Bedürfnis nach einer „weiblichen Schulter“. In vielen Fällen mündete dieses Bedürfnis in eine Freundschaft und dann auch in eine Liebesbeziehung, so auch in ihrem Fall. Das sei allerdings normal und könne jedem passieren. Sie argumentiert hier aus der Perspektive der Männer, die sie als emotional und schwach darstellt. Indem sie die „starke Schulter“ in eine „weibliche Schulter“ umdefiniert, setzt sie den schwachen Männern die starken Frauen gegenüber, die die Männer auffangen und ihnen die Emotionalität bieten, die sie benötigen. Frauen sind – so der Subtext – stärker als Männer, sind aber auch in der Lage, emotionale Unterstützung zu leisten, die die Männer benötigen. Dass sie als starke Frau schwach geworden ist, zeigt, dass es sich bei ihr wirklich um Liebe handeln muss, gegen die sie machtlos war. Zugleich muss sie sich von dem impliziten Vorwurf distanzieren, sie würde auch zu jenem Typus Frau gehören, der nur wegen der Männer die Bundeswehr eingetreten sei. In dieser Passage wird deutlich, wie sich Jänsch gegenüber verschiedenen impliziten Normen positionieren muss: zum einen gegenüber der Norm, dass Emotionalität und Sexualität bei der Erfüllung des militärischen Auftrags keine Rolle spielen dürften, sie dennoch gerade im Einsatz sehr relevant werden. Zum anderen gegenüber der hegemonialen monogamen Paarordnung, die nur auf Dauer angelegte Beziehungen toleriert und Fremdgehen bzw. mehrere Partner negativ sanktioniert. Die Positionierungsprozesse dienen ihr dazu, sich als starke Frau und Soldatin zu inszenieren, die zwar gegen eine Norm verstoßen hat, dies aber in ihrer Selbstinterpretation positiv umdeutet. Dafür dient ihr letztlich ein ähnliches Argumentationsmuster wie dies bereits für die Führungsebene ausgearbeitet wurde, die Unausweichlichkeit von sexueller Anziehung bzw. Liebe, der man machtlos ausgeliefert ist und die daher auch nicht zu sanktionieren ist. Allerdings finden diese Sanktionen statt und zwar vor allem in Form von Gerüchten, die als die von Barsch/Meister beschworene „Selbstregelung“ fungieren. Marinesoldatin Moser (Unteroffizier, Marine) antwortet auf die Frage, ob es durch die Beziehung mit einem anderen Soldaten Probleme mit Vorgesetzten oder Kameraden gab: „Das war o.k. Natürlich kam, das ist ganz klar, das ist überall so, da kamen natürlich hinterher dann die Gerüchte, aber das hat sich alles gelegt, also die Tour ist vorbei, wir sind immer noch zusammen, und da legt sich das wieder, weil da wurde gemunkelt, ,ja wenn die Tour vorbei ist, dann geht das auseinander und ehpepepepepe‘. Aber da es immer noch gut geht und ich mit dem Mann gerne alt werden möchte, klappt das optimal“.

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Mit dem Eingehen einer Beziehung zu einem Soldaten verstößt Moser zunächst gegen die Norm, gegen das Verbot der Beziehung am Arbeitsplatz und wird über Gerüchte sanktioniert. Als jedoch klar wird, dass es sich um eine ernste Beziehung handelt, legten sich die Gerüchte, und das gute Verhältnis untereinander war wieder hergestellt. Bevor ausführlicher auf die Annahme eingegangen wird, dass Beziehungen die Kohäsion der Soldatinnen und Soldaten stören, wird sich ausführlicher der Bedeutung von Gerüchten gewidmet, da diese in der Organisation Bundeswehr eines der zentralen Korrektive für Normübertritte darstellen.

10.5 „Gerüchte sind die Hölle auf Erden“ – D i e R e g e l u n g vo n N o r m ve r s t ö ß e n Besonders belastend sowohl für Soldatinnen als auch Soldaten ist, dass der zwischengeschlechtliche Kontakt – und sei er auch noch so harmlos –, der außerhalb des normalen Arbeitsalltags stattfindet, sofort zu Gerüchten über ein mögliches intimes Verhältnis führt.3 Soldatinnen sind von den Gerüchten in besonderer Weise betroffen, da ihnen eher als den Soldaten ein Verhältnis unterstellt wird: „Man brauchte sich nur mit einem Kameraden eben halt nur auch mal so außerhalb der Kaserne treffen und nur mal ,Hallo‘ sagen und schnacken, und dann irgendeiner sieht das und nächsten Tag heißt das schon gleich, ja, die sind zusammen, die haben was“ (Lorenz, w, Feldwebel, Sanität).

Darum wird den Soldatinnen auch angeraten, sich im Kontakt mit den Soldaten vor allem im Einsatz besonders zu disziplinieren, da im Einsatz die „Gerüchteküche“ (Elsner, m, Mannschaften, Sanität), schlimmer als zu Hause sei. „Gerüchte entstehen im Ausland schneller als man gucken

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Ein weiteres beliebtes Gerücht, welches der Bestätigung bestehender Stereotype dient, ist, den Soldatinnen im Abwesenheitsfall durch Krankheit eine Schwangerschaft zu unterstellen. Diesem Gerücht waren immerhin zwei Soldatinnen des Samples ausgesetzt. Hier wird die Annahme reaktiviert, dass Frauen die gute soziale und finanzielle Absicherung der Bundeswehr nur ausnutzen würden, um Kinder zu bekommen, was zu Lasten der männlichen Soldaten geht, da im Fall des Mutterschutzes und der Elternzeit der entsprechende Dienstposten nicht besetzt werden darf. Dies kann sich im Rahmen des durch die Transformation bestehenden Beförderungsstaus nachteilig auf die Karriere männlicher Soldaten auswirken und ruft so massiven Unmut und Benachteiligungsängste unter den Soldaten hervor. 189

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kann. Da braucht man sich mit einem Mann nur mehr als zwei Minuten unterhalten und schon hat man ein Verhältnis“ (Vogt, w, Feldwebel, Sanität). Bereits vor den Einsätzen kursieren Geschichten darüber, „wie es da abging in den vorigen Einsätzen […]. Da ist ja vorgekommen, da wurde dann halt so ’ne Frau auf’m Altar... Das war so ’n richtig krasses Ding. Ja, aber das ist halt nicht mehr so. Also bei uns da im Einsatz war das halt nicht so viel Thema“ (Elsner, m, Mannschaften, Sanität). Über Gerüchte werden Erwartungen geschürt und der Einsatz als sexualisierter Raum konstruiert. Dass die Realität letztlich enttäuschend war, deutet darauf hin, dass die Gerüchte dazu dienen, die Besonderheit des Einsatzes auch bezogen auf die Genderordnung zu thematisieren. Gerüchte entwickeln besonders im Einsatz eine besondere Eigendynamik: „Viel schlimmer sind eigentlich die Gerüchte, die da kursieren. Wenn man nix zu tun hat, dann entwickelt sich das mal schnell. Das Feldlazarett hat nicht viel zu tun. Wenn wir nichts zu tun haben, da können Sie sich vorstellen, da sitzen zweihundert Mann oder so, die nichts zu tun haben. Mann in Anführungsstrichen, Mann und Frau. So, und wenn die nichts zu tun haben den ganzen Tag…“ (Sommer, m, Offizier, Sanität).

Gerüchte verbreiten sich schnell und werden durch Langeweile begünstigt, so Soldat Sommer, da sie einen erheblichen Unterhaltungswert besitzen (Elias/Scotson 1990: 168). Seiffert (2005: 117f.) sieht die Funktion von Gerüchten im Einsatz vor allem als Korrektiv. Sie überlagern die Realität des Einsatzes mit der Funktion, soziales Verhalten und soziale Kontrolle ohne Vorgesetzte zu ermöglichen. Die hierarchische Infor– mations- und Wissenspraxis wird umgangen, Handlungsorientierungen können im Interesse und im Dienste vorgefundener Normen und Strukturen vorgegeben werden (ebd.: 118). Gerüchte wirken sowohl inkludierend als auch exkludierend und können die Kameradschaft massiv beeinträchtigen (Tomforde 2005b: 10) oder die Integration von Frauen in die Streitkräfte behindern (Kümmel 2005c: 72). Gerüchte dienen in Organisationen im Allgemeinen dazu, „to communicate rules, values and morals; it facilitates the diffusion of organizational tradition and history; and it maintains the exclusivity of the group“ (Noon 1993: 29). Sie dienen der Schaffung und Erhaltung einer Subkultur oder, mit Goffman gesprochen, eines „Unterlebens“ (Goffman 1973: 194), in der die Organisationsmitglieder Autonomie zurücker– obern und dadurch gegenüber der Führung Widerstand leisten (ebd.: 290). Über Gerüchte werden Machtverhältnisse ausgehandelt und auf organisationalen Wandel reagiert. Auch organisationales Lernen kann in 190

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Gang gesetzt oder verhindert werden (Waddington/Michelson 2007: 2). Gerüchte sanktionieren Grenzüberschreitungen und die Verletzung sozialer Normen (McAndrew et al. 2007: 1562). Die zentrale Funktion von Gerüchten ist „the maintenance of a group’s structure and norms through regulations and control“ (Noon 1993: 29). Besonders das Militär mit seinen auf Intimität und Vertrauen aufbauenden Dependenzstrukturen in der „eng geknüpfte Gemeinde“ (Elias/Scotson 1990: 166) erfordert und ermöglicht die schnelle Verbreitung von Gerüchten. Dabei hat der Verstoß gegen herrschende Normen mehr Unterhaltungswert als Normkonformität, da der „Beweis der eigenen Untadeligkeit“ die „Gemeinschaft der Gerechten“ stärkt (ebd.: 171). Der sog. „Gruppenschimpf“ (ebd.) gegen die Regelbrecher hat stark integrierende Funktion und hält die vorhandenen Gruppenbande lebendig, er dient der Entwicklung gemeinsamer Meinungen und Glaubensaxiome. Besonders wenn es Konkurrenzsituationen gibt, wenn es in der Gruppe zu Statusrivalitäten kommt, kann man zeigen, „dass man noch loyaler in der Befolgung des gemeinsamen Credos ist und noch radikaler im Pochen auf die Glaubensüberzeugungen, die den Gruppenstolz stärken“ (ebd.: 173). Diese von Elias/Scotson (ebd.: 173ff.) beschriebene Konkurrenzsituation wird im Militär besonders dann relevant, wenn es um die Konkurrenz um die wenigen Frauen an Bord oder im Einsatz geht. Wenn eine Frau gut aussehe, „da gucken die wie die Geier druff“ (Elsner, m, Mannschaften, Sanität), und die Gerüchte würden sofort beginnen. Dies gelte allerdings nicht nur für gut aussehende Frauen, sondern auch für Frauen, die dem gängigen Schönheitsideal nicht entsprächen, die „blühen [im Einsatz, C.D.] auf, so zu wunderschönen Blumen“ (Jänsch, w, Feldwebel, Sanität). Obwohl die Soldatinnen besonders den Gerüchten ausgesetzt sind, sind auch Soldaten Gegenstand und Leidtragende der Gerüchte. Soldat Sommer (Offizier, Sanität) musste während seines Einsatzes nach Hause fliegen, um seine Ehe zu retten, da die Gerüchte, dass Sommer ein Verhältnis mit einer Soldatin habe, bis ins Heimatland gedrungen waren. Soldat Elsners (Mannschaften, Sanität) bester Freund in der Bundeswehr ist eine Frau, auch er ist Opfer von Gerüchten wegen einer angeblichen Beziehung geworden. Soldatin Lorenz (Feldwebel, Sanität) betont dennoch, dass es ihrer Meinung nach vor allem die Männer sind, die die Gerüchte weiterverbreiten, obwohl sie selbst auch darunter leiden: „Das ist echt total daneben. Und ich weiß nicht, wie man so was machen kann, wenn man, ja, eigentlich genau das gleiche macht wie, ja, die sind ja wie ich auch eben halt in der Kaserne und die kennen das auch. Die reden auch mit 191

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einer Frau, da kann ich auch nicht sagen, ja, die ham jetzt was oder so. Das sind so Sachen, wo ich dann denke, da weiß ich nicht, was bei den Leuten so im Kopf vorgeht. Das is’ also für mich nicht kameradschaftlich, muss ich sagen. Das ist mehr so denjenigen noch ein bisschen fertig machen.“

Für sie stellen Gerüchte eine Form der Diskriminierung, des Mobbings dar, woran sie sich nicht beteiligen möchte und kann. Durch die Ablehnung von Gerüchten schließt sie sich wiederum selbst aus der sich durch Gerüchte bildenden Gemeinschaft aus, übernimmt damit also nicht die dominante männliche Bewertungsstruktur wie Soldatin Gabriel oder Soldatin Neumann. Die Soldaten verurteilen die Gerüchteverbreitung selbst, tragen aber auch in ihren eigenen Erzählungen zu ihrer Weiterverbreitung bei. Soldat Simbeck (Mannschaften, Sanität) beschreibt in dem folgenden recht typischen Zitat, wie er selbst Gerüchte weiterverbreitet, um sich nur einen Satz später davon zu distanzieren und dieses Vorgehen zu verurteilen: „Frau Stabsunteroffizier mit Herrn Oberfeldwebel, die sieht man dann halt abends zusammen viel. Ich meine, die würden’s dann nie zugeben, aber man reimt sich seinen Teil dann zusammen. Also eins und eins passt immer zusam– men, das sind immer zwei. Ja, und dann, da wo es Sexualität gibt, gibt es auch viele Gerüchte, das ist halt das Schlimme daran. Dann wird da was unterstellt, dann hier, hast du das und das gehört, und ich komm mir vor wie in der Schule. Das finde ich persönlich ziemlich schlimm, weil ich sag’ mir, es sind alle erwachsen, es müssen alle selber wissen, was sie tun.“

So sind es vor allem die Männer, die laut einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr (Kümmel/Werkner 2003: 59ff.) eine Zunahme an Problemen mit Sexualität durch die Integration von Frauen befürchten. Über Gerüchte kann Sexualität instrumentalisiert werden und dient der Exklusion derjenigen Subjekte, die die informellen Genderordnungen und Hierarchiegrenzen überschreiten. Dies gilt sowohl für die Aufnahme sexueller Beziehungen zwischen Männern und Frauen, besonders, wenn diese nicht langfristig angelegt sind – was zu Beginn einer Beziehung noch nicht deutlich ist, weshalb Gerüchte immer aktiviert werden –, als auch für den „normalen“ außerdienstlichen Kontakt zwischen Männern und Frauen. Kümmel (2005c: 72) weist darauf hin, dass in konkreten militärischen Operationen Soldatinnen kaum über Gerüchte exkludiert werden, da sie hier einer für sie sinnvollen Tätigkeit nachgehen können. In der vorliegenden Interviewanalyse konnte jedoch gezeigt werden, dass im Einsatz durch Langeweile und die räumliche Nähe Gerüchte noch geschürt werden und auch Männer, die die Grenzen überschreiten, 192

SEXUALITÄT

indem sie eine Freundschaft mit einer Frau eingehen und damit Emotionalität zulassen und die Männergemeinschaft verraten, werden zunehmend zum Gegenstand von Gerüchten. Persönliche Beziehungen bedeuten für die Organisation Militär immer die Angst vor dem Außer-KraftSetzen des Hierarchiesystems und damit Unkalkulierbarkeit und Unsicherheit. Den Soldatinnen wird durch Gerüchte das von der Organisation erwünschte Verhalten vermittelt, sich möglichst genderneutral zu verhalten und den Kontakt mit dem anderen Geschlecht auf den professionellen Rahmen zu begrenzen. So wird versucht, die durch den Eintritt der Soldatinnen verknüpfte „Unordnung“ in der Genderordnung der Organisation zu korrigieren. Die Verantwortung für die Wiederherstellung der Ordnung wird so an die Soldatinnen übergeben.

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11 . Ve rhältnis zw isc he n Soldatinne n und Soldate n - Konflik tve rhalten

„Also, dazu muss ich sagen, wir waren ein reiner Frauenzug damals, ich hab’ die Grundausbildung in R. gemacht und das Schlimme daran war, dass wir ein reiner Frauenzug waren. Muss ich ganz ehrlich sagen, weil nach ca. drei bis vier Wochen war schon eine klare Spaltung zu sehen, das war nicht mehr ein Zug, sondern das waren nur noch zwei Hälften. Weil, ich mein’, Sie wissen ja, wie Frauen sein können. Es war schrecklich, also zum Schluss war es schrecklich“ (Billek, w, Feldwebel, Sanität). „Also wir waren dreizehn Frauen und dann eben sechs auf einer Stube, das ist, oho! Also das ist dann so ein bisschen, ja, weiß ich nicht, im Endeffekt so ein Zickenalarm“ (Lorenz, w, Feldwebel, Sanität).

Konflikte unter Soldatinnen – meist als „Zickenalarm“ bezeichnet – werden in fast allen Interviews erwähnt. Meist wird nicht der Konflikt an sich, sondern die Form des Konfliktaustrags thematisiert und die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht als alles erklärende Variable definiert. Dabei wird auch die Frage nach der (Un-)Möglichkeit von weiblicher Kameradschaft berührt. Die Ursache für die Konflikte sehen auch die beiden hier zitierten Soldatinnen in der Tatsache, dass es sich bei den beteiligten Personen um Frauen handelt. „Wie Frauen sind“, erscheint so als allgemeingültiger, sozialer Tatbestand, der keiner weiteren Begründung bedarf. Ganz selbstverständlich wird darauf aufgebaut, dass auch die Interviewerinnen wissen, wie „Frauen sind“, dass sie die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Die zusätzlichen Begründungen variieren, einmal ist es ein reiner Frauenzug in der Grundausbildung, das andere Mal, dass 195

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Frauen auf engstem Raum zusammenleben müssen. Was den „Zickenterror“ auszeichnet, wird in der Gegenüberstellung mit einem teilweise verklärenden Bild der männlichen Konfliktregulierung deutlich: „Frauen untereinander mit Kameradschaft, das ist so ein bisschen schwierig, das können die besten Freundinnen sein, und dann kommt irgendwas dazwi– schen und dann sind sie sich spinnefeind, und das sind dann Zicken. Man sagt ja immer, von Männern gibt es das so nicht. Ich würde das jetzt nicht so unterschreiben, dass es das überhaupt nicht gibt, aber im Grundsatz denke ich schon, dass Männer da ein bisschen toleranter vielleicht auch miteinander umgehen“ (Neumann, w, Offizier, Sanität). „Wenn Männer sich streiten, streiten sie sich, kloppen sich, trinken ein Bier und alles ist wieder gut. Frauen sind nachtragend. […] Wenn da jetzt noch mehr Frauen dazu kommen, ich glaube, dass es dann Krieg unter den Frauen gibt. […] Sie wissen ja bestimmt, wie Frauen gelegentlich sein können“ (Lange, w, Offizier, Marine). „Männer hauen sich auf die Schnauze, sagen, ,ey, du Arschloch‘, und dann ist das vergessen und Frauen machen das eben nicht. Das ist dieses Hinterm-Rücken-Reden und Lästerei und das kann natürlich Ärger geben und darunter versteh’ ich keine Kameradschaft“ (Billek, w, Feldwebel, Sanität).

Die „männliche“ Form des Streits ist also offen, ehrlich und authentisch. Männer stellen sich dem Konflikt sowohl körperlich als auch verbal, sie verstecken sich nicht, sie kämpfen „Mann gegen Mann“. Körperliche und verbale offene Gewalt erscheinen als Reinigung, den natürlichen Trieben seinen Lauf lassen und damit den Konflikt auflösen. Frauen hingegen agieren falsch, „von hinten“, man sieht sie nicht, sie sind feige. Sie streuen Gift, welches in kleinen Dosen zu einem langsamen „Tod“ führt. Sie agieren gezielt, bewusst, berechnend und damit letztlich grausamer und unberechenbarer für den Gegner. Die „männliche“ Form des Konfliktaustrags ist positiv besetzt, die „weibliche“ negativ und nur sie gefährdet die Kameradschaft. Soldatin Lange untermauert ihre Ausführungen zudem, indem sie die Strategie der Solidarisierung mit der Interviewerin verwendet und dabei auf ein imaginiertes gemeinsam geteiltes „weibliches“ Wissen rekurriert, in diesem Moment „weibliche“ Gemeinschaft stiftet und dadurch ihren Aussagen größeres Gewicht verleihen kann. Auch die männlichen Soldaten beschreiben die Konflikte unter den Frauen. Sie sehen sich selbst jedoch als Außenstehende, als völlig Unbeteiligte dieser weiblichen Kämpfe.

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KONFLIKTVERHALTEN

„Kameradschaft zwischen Männern, denk’ ich, ist häufig relativ einfach gestrickt, man versteht sich oder man versteht sich nicht. Wenn man sich nicht versteht, geht man sich entweder aus dem Weg oder man sucht den Konflikt, und wenn man den Konflikt sucht, ist es häufig mit, sag’ ich mal, ’ne kurze körperliche Auseinandersetzung, dann hat sich das Thema erledigt. Man ist nicht so nachtragend, sag’ ich mal. Ich will das nicht pauschalieren, das wär’ auch nicht angemessen, aber bei Frauen hab’ ich immer das Gefühl, wenn bei uns in den Frauendecks da, sag’ ich, in Anführungsstrichen ,Zickenalarm‘ ist, dann ist auch richtig Alarm und dann ist das meistens auch mit ’ner kurzen Auseinandersetzung nicht getan, sondern die schleppen das relativ lange mit sich rum und das führt schon manchmal zu Problemen, die, meiner Meinung nach, relativ einfach zu lösen wären, aber der Wille häufig nicht da ist“ (Kieser, m, Offizier, Sanität). „Bloß wenn man dann von den Mädels hört, dass die dann eben auf ihren Kammern da mehr oder weniger immer Zickenkrieg haben und dann also sich wirklich teilweise wegen nichts und wieder nichts also anfeinden, also da brechen natürlich alle Klischees wieder auf. Also das kriegt man hier wirklich hautnah dann bestätigt“ (Froschauer, m, Unteroffizier, Marine).

Die Interviewpassagen zeigen ein ähnliches Muster: Es wird auf legitimiertes gesellschaftliches Wissen darüber, wie Frauen und Männer „naturgegeben“ sind, Bezug genommen, Klischees scheinen sich zu bestätigen. Männer und Frauen konstruieren hier mit Bezug auf das Alltagswissen gemeinsame Geschlechtergegensätze: Dauerhafte Konflikte zwischen Männern erscheinen singulär, die Fähigkeit des konstruktiven, „energiesparenden“ Konfliktaustrags für das männliche Geschlecht universell; umgekehrt steht das weibliche Geschlecht für dauerhafte Konflikte, für die Unfähigkeit der Konfliktlösung und letztlich der Unfähigkeit von Kameradschaft. Kameradschaft bedeutet für die Soldatinnen und Soldaten vor allem, sich gegenseitig zu vertrauen und aufeinander verlassen zu können. Dazu gehört „als oberstes Gebot Pflicht zur Wahrheit. Wenn mir irgendwas nicht passt oder wenn mir irgendeiner nicht passt, dann sag’ ich dem das ins Gesicht. Gerade bei uns auf Kammer, Decksälteste, vom Alter, vom Dienstgrad, von allem bin ich da die Älteste und wenn da jemand Neues kommt, wenn es irgendein Problem gibt, dann wird das hier auf Kammer ausdiskutiert und nicht in der Messe und nicht hintenrum, weil das bringt es nicht, dann können wir keine sechs Monate zusammenleben. Das ist für mich im Prinzip auf jeden Fall Kameradschaft, weil sonst klappt es nicht“ (Lange, w, Offizier, Marine).

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GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Soldatin Lange definiert Kameradschaft äquivalent zur männlichen Konfliktlösungsstrategie. Die „weibliche“ Art, Konflikte zu lösen, gefährdet die Kameradschaft und dadurch die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte. Eine Konsequenz ist, dass die Soldatinnen, wie Soldatin Lange in dem o. g. Zitat, ebenso die „weibliche“ Konfliktlösungsstrategie, aber auch die anderen Soldatinnen, die diese verwenden, ablehnen. Neben der räumlichen Nähe und der Homogenität von Gruppen wird von den Soldatinnen selbst vor allem die Konkurrenz untereinander als ein Hauptgrund für die Konflikte genannt: „Das ist immer so ein bisschen so: Ah geil, ich bin als Frau in diesem Teil besser und du bist in dem Teil besser, das ist immer so ein bisschen, also finde ich persönlich so ein bisschen Konkurrenzkampf. Und auch, wie man natürlich mit den Männern dann klarkommt. Auch so ein bisschen von wegen, ,ey, ich bin beliebter‘ oder ,ey, du bist beliebter‘ und so was. Also ein bisschen is’ schon da“ (Peter, w, Offizier, Panzergrenadier). „Bei der besten Freundin ist eigentlich immer irgendwo so ein bisschen der Konkurrenzkampf oder so ein bisschen die Eifersucht mit im Spiel. Sei es beim Einkaufen, die eine hat fünf Gramm zu viel, da fängt es eigentlich schon an. Wenn ich mit einem Kerl einkaufen gehe, dann kann man ja nicht vergleichen. Das ist das beste Beispiel. Also, ich denke mal, es wird auch hier sein, weil es für mich einfach menschlich ist, es gehört wahrscheinlich zu uns Menschen dazu. Weil, wenn wir quasi von der gleichen Sorte sind, dass wir doch so ein bisschen vergleichen“ (Lange, w, Offizier, Marine).

Soldatin Peter definiert die Konkurrenz zwischen den Frauen anhand zweier Bereiche: zum einen der Fähigkeit, sich in der Bundeswehr als Soldatin zu beweisen und die erforderlichen Qualifikationen zu erreichen. Zum anderen in der Anerkennung durch die Männer, d. h. den „männlichen Blick auf den Körper der Frau“ (Meuser 2005: 281). In dem Zitat von Soldatin Peter werden konkurrierende Deutungsmuster deutlich: Die Frauen konkurrieren darum, wer von ihnen die beste Soldatin ist und beteiligen sich damit an der Inszenierung militärischer Männlichkeit. Zugleich inszenieren sie Weiblichkeit, indem sie um die Anerkennung der männlichen Soldaten bezogen auf ihre Attraktivität buhlen. Soldatin Lange sieht vor allem den äußerlichen Vergleich als zentrales Motiv für Konkurrenz an. Auch für sie spielt die Anerkennung durch den Anderen eine zentrale Rolle. Dieses Verhalten sei allerdings normal und natürlich, ihrer Meinung nach seien alle Frauen gleich und diese Gleichheit forciere die Konkurrenz. Die Konsequenz, die sie daraus

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KONFLIKTVERHALTEN

zieht, ist, sich von den Frauen zu distanzieren und vor allem mit Männern den freundschaftlichen Kontakt zu pflegen. Eine weitere Strategie der Soldatinnen, militärische Männlichkeit zu inszenieren und sich von den Konflikten zwischen den Frauen freizumachen, ist die Abwertung anderer Frauen. Die Soldatinnen setzen scharfe Grenzen innerhalb des eigenen Geschlechts, indem sie sich beständig von anderen Frauen und von anderen Weiblichkeiten abgrenzen: vom Püppchen, von der Frau, die sich durch alle Betten „poppt“ oder von der falschen und hinterlistigen Hexe: „Zwischen Männern und Frauen, das kommt drauf an, ja, es kommt wieder drauf an, was ist das für eine Frau. Ist das hier so ein Püppchen? ,Och, ich will mich hier aber nicht dreckig machen‘, entweder ist das so eine, da kommen die Männer nicht mit klar, die Männer kommen besser damit klar, wenn sie eine ehrliche Meinung haben, wenn du nicht drumrum redest. Die mögen natürlich auch nicht, so hab’ ich festgestellt, wenn jemand so aufdringlich ist, so, voll so, ,hey‘ und so, ,alles ist toll hier‘, dann sagen die auch, ,hä, was willst du denn jetzt von mir?‘. […] Also, die anderen Frauen sind so, ja, es gibt halt welche, die wissen, ,ich bin eine Frau und ich nutz’ das aus‘, und, sag’ ich jetzt mal, plump, wenn ich halt hier Lust habe, dann nehm’ ich einen, so. Das ist nicht der Sinn der Sache, dass ich mich hier durchpoppe. Damit kann ich nicht umgehen. Erst mach’ ich mit dem rum und dann ist der weg, und dann mach ich mit dem rum, weiß ich nicht, kann ich nicht. Und dann, so scheinheilig, ich finde manche Frauen sind dann so scheinheilig, so vornerum so, haha: und du bist dann so toll, und hintenrum, ist die doof oder so, weiß ich nicht, kann ich nicht mit umgehen, das funktioniert nicht“ (Meier, w, Unteroffizier, Marine).

Meier erwähnt verschiedene Frauentypen, denen sie in der Bundeswehr begegnet sei und von denen sie sich abgrenzt: Da ist erstens das „Püppchen“, das sich nicht schmutzig machen will, zweitens die Frau, die sich „einschleimt“, indem sie alles befürwortet. Drittens erwähnt sie die Frau mit schnell wechselnden Partnern und den vierten Typ, der falsch und scheinheilig sei, obwohl die Männer Offenheit wollen. Das „Püppchen“ ist besonders in der Kritik, weil das Frau-Sein von ihr zum eigenen Vorteil ausgenutzt wird: „Wenn sie ihre Tage haben oder so, da heißt es dann halt, okay, dann wird die Möglichkeit gegeben, dass sie heimfahren können, das gibt’s auch. Aber die sind bei uns dann auch gleich verpönt, hier bei uns Frauen. Diese Extras. Im Ernstfall muss man da auch klar mit kommen und früher ging’s auch. Warum denn nicht jetzt auch so, ne?“ (Jänsch, w, Feldwebel, Sanität).

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Jänsch kritisiert die anderen Frauen hier an genau dem Punkt, der sie als Frau in den Streitkräften besonders angreifbar macht und der Gegnern der Öffnung für Frauen im Militär immer wieder als Argument dient: Die Annahme, dass Frauen durch die körperlichen Bedingungen (Schwangerschaft, Menstruation) nicht für das Militär, weniger aber noch für Kampfeinheiten geeignet sind (Maninger 2008: 14ff.). Konkurrenz unter Frauen ist bisher in der wissenschaftlichen Literatur kaum thematisiert worden, vorhandene Studien beziehen sich zumeist auf ein essentialistisches und sehr stereotypes Frauenbild: Laut Duff/Cohen (1993, zitiert in Schaffer 1994: 7ff.) zeichnet sich Konkurrenzverhalten zwischen Frauen aus durch die grundsätzliche Identifikation von Frauen über die Beziehung zu anderen aus, durch das damit zusammenhängende Problem der Cliquenbildung unter Frauen, das weibliche „Sorgen“ um den anderen und weibliche Formen der Konfrontation. Erklärt werden die „verkappten Konkurrenzformen“ (ebd.: 12) vor allem mit psychoanalytischen und sozialisatorischen Erklärungsmustern, die darauf abzielen, dass die weibliche Identität auf Anpassung, nicht auf Abgrenzung ausgelegt sei. Mädchen hätten weniger Selbstbewusstsein und würden kaum in Gruppen agieren, sondern eher in Dyaden, so dass ihnen die Regeln des Wettbewerbs fremd seien. Da Frauen ihre Identität vor allem über soziale Beziehungen definierten, spielten die Beziehungen zu anderen Frauen eine wichtige Rolle, vor allem der Austausch über das Privatleben (ebd.: 8ff.). Verweigere sich eine Frau diesem Austausch, würden die fehlenden Informationen über Gerüchte ersetzt, über die die Beziehung gestiftet wird. Konkurrenzsituationen seien daher für Frauen sehr belastend, da sie dadurch komplett in ihrer Identität bedroht seien und Konkurrenz vor allem als persönliche, nicht als sachliche Auseinandersetzung gesehen werde. In Konkurrenzsituationen gehe es Frauen vor allem um die soziale Anerkennung, weniger um Status oder berufliche Optionen (ebd.: 9). Obwohl den Soldatinnen diskursiv die Unmöglichkeit von Kameradschaft untereinander unterstellt wird bzw. sie sich diese auch selbst unterstellen, erwähnen fast alle Soldatinnen sehr positive Erfahrungen mit anderen Frauen. Sie hegen den Wunsch, sich unter Frauen austauschen zu können, vor allem, wenn es um die Hilfe bei Problemen geht: „Wir ham ja ’n halbes Jahr Probezeit und da hab’ ich mir schon gedacht, gehst jetzt aus der Bundeswehr raus, also es gibt Tage, da war ich echt fix und fertig, da hab’ ich auf Stube gesessen mit meiner Kameradin und hab’ der die Ohren voll geheult. Aber sie hat dann immer gesagt komm, zieh’ das durch und so“ (Peter, w, Offizier, Panzergrenadier).

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KONFLIKTVERHALTEN

Soldatin Peter war, wie bereits in Kapitel 9.2 erwähnt, massiven Mobbingattacken von Seiten der männlichen Kameraden ausgesetzt. Ihre Kameradin, mit der sie die Stube teilte, ist in dieser Situation ihre einzige Ansprechpartnerin, die sie immer wieder aufgebaut und zum Durchhalten animiert hat. Sehr ähnliche Erfahrungen hat Soldatin Pfeifer (Mannschaften, Marine) in Situationen gesammelt, in denen es an Bord zu Konflikten kam: „Also das geht dann schon mal, man muss immer bloß jemanden haben, der mit einem redet hier an Bord. Und wenn man das nicht hat, dann würde ich sagen, also habe ich so das Gefühl, dass man doch so ein bisschen eingeht dann hier, wenn man sich immer nur von den anderen abgrenzt, dann immer nur sein Ding macht, dann nur alleine ist. Also meistens gehe ich zu meiner Freundin, die bei mir mit auf Kammer wohnt und mit der unterhalte ich mich dann und der erzähl ich auch alles“ (ebd.).

Der Austausch der Frauen untereinander ist trotz allen Problemen sehr wichtig für sie, da die sozialen Kontakte außerhalb der Bundeswehr sehr schwer zu pflegen sind und das Bedürfnis, spezifisch „weibliche“ Probleme zu thematisieren, groß ist: „Das ist natürlich klar, also von Frau zu Frau kannst du so ganz anders sprechen als wenn ich da mit einem Mann sprechen würde. Das ist ganz klar, der Frau kann ich dann auch weibliche Probleme auftragen und das machen Männer untereinander auch“ (Moser, w, Unteroffizier, Marine). Soldatin Moser beschreibt sogar explizit ihre eigenen Erfahrungen mit einem weiblichen Mentor, der sie sehr geprägt hat und drückt ihr Bedauern über die Ablehnung vieler Frauen aus, sich mit anderen Frauen zu solidarisieren. Weibliche Solidarität ist für sie zentral, um sich als Frau in der Männerbastion zu behaupten: „M: Als ich nach H. gekommen bin, hatte ich auch eine Frau Oberfeldwebel, die hat mir richtig viel beigebracht. Die war so ein bisschen wie ein Mentor für mich, und ja, die war ein sehr guter Mentor. I.: Und wie ist das so mit den Frauen untereinander? M: Ich gehe jetzt von mir persönlich aus, ich bin mit der Meinung zur Bundeswehr gekommen, dass Frauen eine Minderheit sind, und dass wir trotzdem zusammen halten sollten. Und diese Meinung haben aber nicht viele, auch nicht viele andere Frauen“.

Während die Konflikte unter Frauen verallgemeinert werden, erscheinen die positiven Erfahrungen singulär. Sie werden als individuelle Erfahrungen im Gedächtnis verankert und dem kollektiven Wissen über „Zickenalarm“ untergeordnet. Kameradschaft unter Frauen ist nach die201

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ser Argumentation kaum möglich. Zugleich wird in den vielen Beispielen deutlich, dass Frauen untereinander sehr wohl zu Kameradschaft in der Lage sind und sich sehr stark gegenseitig unterstützen, helfen und vertrauen. Die räumliche Nähe ist dabei im Gegenteil ein positiver Aspekt, da die befreundete Soldatin meist auch die Stuben- oder Kammerkameradin ist. Obwohl fast alle Soldatinnen von anderen Soldatinnen erzählen, mit denen sie sich sehr gut verstehen, beteiligen sie sich am Diskurs über den „Zickenalarm“. Der Diskurs „Zickenalarm“ reproduziert dienstgradund teilstreitkraftübergreifend die Vorstellung militärisch männlicher Kameradschaft, die auch eine spezifische Fähigkeit der Konfliktlösung beinhaltet, die wiederum die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte nicht beeinträchtigt. Weiblichkeit und vor allem weibliches Konfliktverhalten behindert Kameradschaft und entspricht damit dem Stereotyp, dass Frauen nicht für den militärischen Beruf geeignet sind, da sie die Gruppenkohäsion zerstören (Maninger 2008: 21ff.). Für die Soldatinnen bietet der Diskurs die Möglichkeit, militärische Männlichkeit zu inszenieren und sich von der ihnen zugeschriebenen Weiblichkeit zu distanzieren. Sie steigen damit in die „ernsten Spiele des Wettbewerbs“ (Bourdieu 1997: 203) zur Konstitution von Männlichkeit ein. Indem sie für sich die Möglichkeit der „besten“ Freundin in Anspruch nehmen, setzen sie dem Diskurs auch Widerstand entgegen und wehren sich damit zugleich gegen Vereinzelung. Nachdem in den vorherigen Kapiteln die einsatzunspezifische Geschlechterordnung analysiert wurde, werden im letzten empirischen Kapitel 12 der vorliegenden Arbeit nun noch einmal genauer die Geschlechtordnungen, -verhältnisse, und -identitäten im Einsatz fokussiert.

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12 . Ge nde rordnunge n im Einsatz

In den bisherigen Kapiteln wurde der Fokus auf die eher allgemeine einsatzunspezifische Genderordnung in der Bundeswehr gelegt. Erfahrungen aus dem Einsatz flossen bereits mit ein, ohne jedoch mögliche Spezifika des Einsatzes zu eruieren. Die Genderordnung des Einsatzes unterscheidet sich, so die in der Arbeit verfolgte These, in der Tendenz von der Genderordnung im Heimatland bzw. einer allgemein abstrakten Genderordnung. Im folgenden Abschnitt wird zunächst genderunspezifisch gezeigt, dass die Soldatinnen und Soldaten den Einsatz als zentrale Subjektivationsinstanz konstruieren, er aber das völlig „Andere“ ihres „normalen“ Lebens darstellt. Dadurch entsteht eine – psychoanalytisch formuliert – fast schizophrene Subjektidentität, die in „zwei Welten“ lebt. Diese Trennung in zwei Welten wird sowohl durch positive als auch durch negative Erfahrungen hervorgerufen, die bis hin zu Traumatisierungen reichen können (12.1). Für die Arbeit internationaler Organisationen in einem anderen sozialen und kulturellen Umfeld hat sich gezeigt, dass interkulturelle Kompetenz grundlegend für den Kontakt mit der lokalen Zivilbevölkerung ist. Wie die Bundeswehr über interkulturelle Kompetenz und entsprechende Verhaltensanweisungen dieser Herausforderung begegnet und welche Genderverhältnisse und Genderidentitäten dabei konstruiert werden, wird in Abschnitt 12.2 erläutert. Daran anschließend folgt die genauere thematische Analyse der Genderordnungen der drei für die interviewten Soldatinnen und Soldaten zentralen Einsätze, der Einsatz in Bosnien-Herzegowina/ Kosovo (12.3), Afghanistan (12.4) und für die Marine Dschibuti (12.5). Die Ergebnisse werden in 12.6 zusammengefaßt und in 12.7 ein Erklärungsangebot gemacht.

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GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

1 2 . 1 E i n s a t z u n d H ei m a t l a n d : „ W i e z w e i verschiedene Welten“ Der Einsatz stellt für die Soldatinnen und Soldaten ein zentrales Merkmal ihrer soldatischen Identität dar, er wird als etwas Besonderes – im Positiven wie im Negativen – empfunden. Man(n) ist kein Soldat, wenn man nicht einmal im Einsatz gewesen ist. Die Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten des Samples ist bereits mit dem Wissen und dem Wunsch in die Bundeswehr eingetreten, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen (siehe Abschnitt 8.1). Innerhalb der Bundeswehr kursieren regelrechte Einsatzmythen, die dazu dienen, eine diskursive Grenze zwischen einsatzerfahrenen und einsatzunerfahrenen Soldaten und Soldatinnen zu ziehen (auch Tomforde 2008: 174): „Das war einfach, weil ich’s mal sehen wollte. Man hat auch von älteren Kameraden schon gehört, die schon in Einsätzen waren, auch in Bundeswehrzeitschriften viel drüber gelesen und auf der einen Seite gehört’s für mich dazu als Soldat, für mich war das klar, als ich als Wehrpflichtiger schon gekommen bin ’96, dass ich irgendwann mal ins Ausland gehe, wenn ich länger mache, dass das halt dazugehört. Ja, ich wollt’s dann halt dementsprechend mal umsetzen. Ich wollte mir diesen ganzen Ablauf mal angucken und halt, gut, Lebenserfahrung sammeln, sag’ ich jetzt im Nachhinein, also man sammelt auf jeden Fall jede Menge Lebenserfahrung, wenn man so im Einsatz ist. Ich denke mal, mit der Absicht bin ich nicht runtergegangen, aber einfach mal, weil’s dazu gehört, zum Soldatenleben und, ja es hat halt irgendwie, wie soll man sagen, nicht gejuckt in den Fingern, das war irgendwo der Reiz, man wollte mal wissen, wie ist das im Einsatz, was alle erzählen davon“ (Oswald, m, Feldwebel, Panzergrenadier). „Und darum konnte ich nie in den Einsatz gehen und da wollt’ ich halt gehen. Um auch mal Erfahrung zu sammeln“ (Jänsch, w, Feldwebel, Sanität).

Das Durchhalten und Bestehen der Einsatzzeit wird als individuelle Herausforderung konstruiert und vor allem als der persönlichen Entwicklung dienlich gesehen. Marinesoldatin Moser (Unteroffizier, Marine) beschreibt, dass der Einsatz für sie zu einem persönlichen Reifungsprozess geführt hat: „Ich sag’ mal, wo ich zur Marine gegangen war, war ich auch so ein bisschen hippelig, so ein bisschen, also so ein bisschen verspielt und so, und das hat sich jetzt alles gelegt. Man wird doch so ein bisschen bedachter, man überlegt, was man sagt, also man reift einfach“. Gerade für die unteren Dienstgrade, die Soldaten auf Zeit, die während ihrer Bundeswehrzeit keine Ausbildung erhalten, stellt der Einsatz 204

GENDERORDNUNGEN IM EINSATZ

ein besonders wichtiges Kriterium und Zeugnis des Selbstbeweisens dar. Der Einsatz ist für die Soldatinnen und Soldaten eine „Initiation“ (Tomforde 2006a: 101) in den Status der einsatzerfahren Soldaten, wird aber auch als Reifungsprozess vom verspielten Kind zum nachdenklichen ruhigen Erwachsenen empfunden. Moser (w, Unteroffizier, Marine) hat sich, obwohl sie sich sehr wohl bewusst ist, dass die Zeit in der Bundeswehr für ihre weitere berufliche Karriere nicht förderlich ist, für eine Weiterverpflichtung entschieden, um in den Einsatz gehen zu können: „Hab’ aber dann nichts ehrlich gesagt, in den zehn Jahren, die ich bei der Bundeswehr gehabt hatte. Ich mein’, ich war nicht im Auslandseinsatz, deswegen hab’ ich mir gesagt, ich möchte gern noch ein bisschen länger machen“ (ebd.). Während der Zeit in der Bundeswehr nicht im Einsatz gewesen zu sein, interpretieren die Soldatinnen und Soldaten als persönliches Versagen: „Wie sieht’n das aus, wenn ich nach acht Jahren rauskomme und die mich fragen, warst du schon mal im Einsatz? Nö. Dann ist doch gleich wieder alles sonnenklar. Also für einen Soldat, der acht Jahre beim Bund war und nicht im Einsatz, wär das echt traurig. Ja, und deswegen hab’ ich gesagt, hier jetzt geh’ ich mal“ (Elsner, m, Mannschaften, Sanität).

Sie betonen unisono, wie wichtig die Erfahrungen waren, die sie im Einsatz gesammelt haben. Der Einsatz „prägt“ und „verändert“ (Kieser, m, Offizier, Sanität) die Soldatinnen und Soldaten. Der Einsatz ist nicht nur eine tief greifende persönliche Erfahrung, er bedeutet für die Soldatinnen und Soldaten auch, Anerkennung von außen zu erhalten und eine „sinnvolle“ Arbeit auszuführen. Er schafft die Möglichkeit, sich mit der Bundeswehr und ihren Aufgaben zu identifizieren und erzeugt sowohl nach außen als auch nach innen ein starkes Zusammengehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl: „Da gehör’ ich dazu, halt auch ganz besonders durch die Einsätze, was man da geschafft hat. Und so nicht unbedingt durch die Routine jetzt in Deutschland, sondern explizit auf die Einsätze bezogen“ (Simbeck, m, Mannschaften, Sanität). Auch eine gewisse Abenteuerlust und Neugier auf das „Fremde“, „der Reiz“ wird als Motivation für den Einsatz angeführt: „Und, ja, andere Leute, andere Sitten, ich mein’, welcher normale Mensch kommt nach Afghanistan? Keiner. Oder in den Kosovo. Da würde auch kein Deutscher hinfahren um Urlaub zu machen, in dem Sinne. Man lernt sehr viele Landschaften kennen. Das ist schon nicht schlecht“ (ebd.). Beschreiben diese Soldatinnen und Soldaten den Einsatz als positive Erfahrung, die zur persönlichen Entwicklung, zur Reifung, zum Erwach205

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

senwerden führte und ihrem Beruf Sinn und Anerkennung bot, stellt der Einsatz für andere Soldaten ein sehr negatives Erlebnis dar, das zu Integrationsproblemen ins „normale“ Leben oder auch Traumatisierungen führt: „Obwohl ich das damals, als ich reingegangen bin in den Einsatz, um sich das mal anzugucken. Aber nach dem Einsatz reichte das auch. Ich will nie wieder in den Auslandseinsatz. […] Also ich persönlich hatte das Gefühl, dass man sich verändert hatte, dass man tierische lange Zeit brauchte, um da wieder rauszukommen. Aus dem Auslandseinsatz. Aber ist wahrscheinlich persönlich jetzt. Es gibt welche, die kommen damit glänzend klar. Die können alle zwei Wochen dahin gehen, aber ich nicht“ (Wunder, m, Mannschaften, Sanität).

Für Wunder gestaltete sich die Rückkehr aus dem Einsatz sehr schwierig, er hat das Gefühl, nicht gut aus dem Einsatz „rauszukommen“, er hängt mit seinen Gedanken und Emotionen noch sehr an dieser Zeit. Eine besondere Belastung ist für viele der Soldatinnen und Soldaten das Gefühl, hilflos gegenüber dem Elend zu sein, mit dem sie vor Ort konfrontiert werden: „Tja, besondere Belastungen, das ist, ja, ich sage mal, die Bedingungen selber im Einsatzland. Man wird täglich mit Armut, mit Elend konfrontiert. Man weiß selber aber, dass man nicht dem Einzelnen hilft, sondern, wenn überhaupt, dass man irgendwo was für die Gesamtheit bewegt, dass es insgesamt ruhiger wird, aber man kann nicht jedem Einzelnen dort helfen, weil, dann würde man sich auch… Die Möglichkeiten ham wir auch gar nicht“ (Frank, m, Feldwebel, Sanität).

Dass Soldatinnen und Soldaten zunehmend traumatisiert aus dem Einsatz wiederkehren, wird mittlerweile auch öffentlich diskutiert (z. B. Nording 2006; Feller/Stade 2004). Feller/Stade (2004: 297ff.) zählen sieben einsatzbelastende Faktoren auf: 1. Trennung von der Familie und dem gewohnten Umfeld, 2. fehlende Privat- und Intimsphäre, 3. Einsatzdauer, 4. Sinnhaftigkeit des Einsatzes, 5. Klimatische Bedingungen/kulturelle Unterschiede, 6. Extrembelastungen (z. B. das Bergen von Leichen)1 und 7. ständige Einsatzbereitschaft unter hohem Gefährdungsrisiko. Auf die 1

Ein besonders extremes Beispiel für Traumatisierungen erlebte ich in einem Interview, das nicht in das Sample aufgenommen wurde. Auf die Frage, was im Einsatz besondere Situationen für ihn gewesen seien, antwortet der interviewte Panzergrenadier: „Sag’ ich nicht. Es gibt zwei, drei“. Nachdem das Tonband ausgeschaltet war, erzählte er mir von einer traumatisierenden Situation, in der er kurz nach Ende des Kosovokrieges Zeuge des Fundes grausam zerstückelter Leichen wurde.

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GENDERORDNUNGEN IM EINSATZ

interviewten Soldatinnen und Soldaten wirkte vor allem die ständige Minengefahr traumatisierend. Bosnien und Herzegowina sowie der Kosovo stellen laut Aussagen des Minenräumprogramms der UN einige der am stärksten verminten Gebiete der Welt dar (E-Mine 2008). Besonders problematisch ist, dass es keine Angaben darüber gibt, wo die Minen gelegt wurden, so dass jederzeit und überall mit Minen gerechnet werden muss. Die Soldatinnen und Soldaten werden in der einsatzvorbereitenden Ausbildung dafür besonders sensibilisiert und sind sich der permanenten Gefährdung bewusst: „Is’ schon ’n mulmiges Gefühl. Also ich fand’s schon ’n bisschen komisch, wenn ich da rausfahre und an jeder Ecke seh’ ich so’n blödes Schild. Hier ,Vorsicht Minen‘ oder haste nicht gesehen. Das is’ ja auch nicht immer Schilder. Manchmal sind es rote Punkte auf Steinen oder so. Also eigentlich konnte man da gar nix betreten, noch nicht mal, wenn man pullern musste, hältst du mal an der Seite an, auf’m Standstreifen. Das war da nicht“ (Elsner, m, Mannschaften, Sanität).

Der stellvertretende Regimentschef des untersuchten Lazarettregiments erzählt von einem seiner unterstellten Soldaten, der die permanente Anspannung und Bedrohung für Leib und Leben nicht verkraftet hat: „Ein Beispiel: Es wird ihnen eingebläut, abseits befestigter Straßen und Wege dürfen sie sich im Einsatzgebiet nicht bewegen. Minengefahr, ständige Minengefahr. Ich hab’ das Bild eines Hauptfeldwebels im Kopf, dessen Frau läuft mit ausgestreckten Armen nach Einsatzende auf ihn zu und sie läuft über den Rasen und sie kommt auf ihn zu über den Rasen und er schmiert ihr eine und schreit sie an: ,Bist du verrückt? Weißt du nicht, was du hier tust?‘ Der hat irgendwo sein Trauma weg“ (Scharrer, m, Offizier, Sanität).

Im Wehrbericht des Jahres 2007 wird von rund 700 Soldatinnen und Soldaten berichtet, die wegen psychotraumatischen Erkrankungen behandelt wurden, die Dunkelziffer liegt allerdings viermal höher (Robbe 2008: 37). Die (männlichen) Soldaten2 begeben sich nicht in Behandlung, um nicht als „Schwächlinge“ (Robbe 2007: 42) angesehen zu werden. Auch die Angst, Karrierenachteile durch eine psychologische Behandlung zu erleiden, ist weit verbreitet (Robbe 2008: 37). So erzählt

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Der Wehrbericht erwähnt in diesem Kapitel explizit nur Soldaten, andere Kapitel werden dagegen mit „Soldatinnen und Soldaten“ überschrieben (Robbe 2007: 42). Auch Soldatinnen leiden massiv unter psychotraumatischen Erkrankungen, vor allem durch sexuelle Übergriffe (Nording 2006). 207

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

der Leiter eines Familienbetreuungszentrums von seinen Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen in Bosnien und Kosovo: „Eigenartiger Weise [gab, C.D.] es bei SFOR und KFOR sehr viele, die psychische Probleme haben. Ich saß in der Rechnungsleitstelle vor zwei Jahren, und wir sind auch dafür zuständig, so genannte Repatriierung durchzuführen. Wenn also einer aus medizinischen Gründen krank wird, dann müssen wir dafür sorgen, dass er wieder nach Hause geflogen wird. Und von etwa, ich glaub’, 46 medizinischen Repatriierungen waren über 30 also aus psychischen Gründen. Da gibt es gibt immer Probleme, ne? Die jungen Leute sind denn häufig das erste Mal länger von zu Hause weg. Manchmal ist es nur Heimweh. Wenn jetzt so ein neunzehnjähriger Spund so das erste Mal länger von zu Hause weg ist, das können einige nicht. Hab’ auch Vorgesetzte gesehen, die im Stab da in die Mühlsteine geraten sind. Die dann mit der Belastung nicht fertig werden. Aber auch Alkoholiker, wo man es vorher nicht gemerkt hat, weiß der Teufel, es ist ja alles, was in die Psychoschiene reingeht. […] Kann natürlich manchmal für denjenigen welchen, kann das auch gefährlich werden. Wer das erst mal in den Papieren hat. Kann das manchmal Probleme geben, wenn er noch irgendwas werden will“ (Sommer, m, Offizier, Sanität).

Den Belastungen des Einsatzes nicht standhalten zu können, bedeutet, ein schlechter Soldat und – damit unmännlich – zu sein. Hier deutet sich an, dass, obwohl das dominante Männlichkeitsparadigma männliche Verletzbarkeit zulässt und sogar inszeniert, Männlichkeit im Einsatz vor allem traditionelle Männlichkeit ist, die Härte, psychische Stärke und Unverletzbarkeit demonstriert. Als Folge des Widerspruchs von ziviler Sozialisation, der militärischen Ausbildung und den konkreten Erfahrungen vor Ort ziehen viele der Soldatinnen und Soldaten für sich zwischen dem Leben im Einsatzland und dem Leben im Heimatland eine klare Trennlinie: „Es ist nicht so, wie in einem Betrieb, man geht morgens rein, man lässt abends den Stift fallen und geht nach Hause. […] Das ist zwar bei uns, wenn wir im Hafen sind, auch so, ja, das merkt man. Dann schluren die Leute hier nach Dienstschluss nach Hause, und dann will auch keiner mehr was vom anderen sehen oder hören. Aber wenn man auf See ist oder halt eben irgendwo im Auslandseinsatz in diesen Kasernen, dann ist das anders. Dann muss man die ganze Zeit miteinander auskommen, und ich denke, das ist schon irgendwie ’ne Besonderheit. Und ich denke, dass das halt eben auch manchmal ein Problem ist, denn das sind schon zwei verschiedene Welten, dann so. Dann verbring ich die ganze Zeit, dann verbring ich auch meine Freizeit dort […]. Ja, es ist schon so, dass man ein bisschen in einer anderen Welt lebt, wenn man hier, gerade hier an Bord ist und dann weg ist, und man erlebt ja auch einiges in dieser Zeit, und auf der einen Seite möchte man ganz gern, dass die 208

GENDERORDNUNGEN IM EINSATZ

Familie zu Hause darüber Bescheid weiß und daran teilhat, aber man merkt irgendwann, dass das nicht funktioniert. Also man kann viele Dinge nicht vermitteln, man kann es erzählen, aber der Funke springt einfach nicht über, und die Familie reagiert natürlich mit etwas Unverständnis. Auf der anderen Seite hat die Familie in der Zwischenzeit etwas erlebt, berichtet das, aber man stellt fest, es hat für einen selbst keine Relevanz. Und, also, da klafft schon ein Lücke und das ist schon schwierig manchmal. Man muss dann, aber das ist ein Lernprozess, den, denk’ ich, den muss auch jeder durchlaufen und den löst jeder für sich anders. Also ich für mich selbst habe jetzt entschieden, okay, es gibt ein Leben für mich hier an Bord, und es gibt ein Leben zu Hause. Ich erzähle jeweils voneinander, aber ich muss nicht mehr alles zu Hause erzählen, und ich muss auch hier nicht alles von zu Hause erzählen. Und damit funktioniert das dann auch“ (Neumann, w, Offizier, Sanität).

Diese Aussage von Neumann steht exemplarisch für das, was die Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten empfindet, wenn sie im Einsatz waren. Es entstehen „zwei Welten“, die subjektiv nur über ihre absolute Trennung miteinander in Einklang gebracht werden können. Von den Soldatinnen und Soldaten werden zudem Hierarchisierungen der Einsätze vorgenommen und diese gegeneinander abgegrenzt. Als zentrales Abgrenzungskriterium dient den Soldatinnen und Soldaten die wahrgenommene oder tatsächliche Gefährlichkeit des Einsatzes: Der Bosnieneinsatz SFOR wird als „Urlaub“ und „Kur“ bezeichnet. Er bietet im Vergleich die größte Freiheit, was die Möglichkeiten der Bewegung außerhalb des Lagers und im Kontakt mit der Zivilbevölkerung angeht. KFOR, der Einsatz im Kosovo, wird als gefährlicher wahrgenommen, die Soldatinnen und Soldaten berichten von einer ständigen Anspannung, unter der sie, sofern sie sich außerhalb des Lagers aufhielten, litten. Der Referenzpunkt für alle Erzählungen unabhängig davon, ob die jeweiligen Soldatinnen und Soldaten bereits Einsatzerfahrung hatten, ist der Afghanistaneinsatz, der als „richtig verschärfter Einsatz“ (Jänsch, w, Feldwebel, Sanität) beschrieben wird. Der Einsatz in Afghanistan dient vor allem den Soldatinnen und Soldaten, die noch nicht in einem Afghanistaneinsatz waren als Folie, vor der sie ihre Erfahrungen in den Einsätzen und ihr Verhalten gegenüber der Zivilbevölkerung bewerten: „Und wenn man sagt, KFOR ist Vorbereitung Einsatz. Ja, toll, sag’ ich, aber da habt ihr nicht viel Einsatzerfahrung. Ihr seid zwar von zuhause weg, aber so’n richtig verschärften Einsatz, wo man mit Sachen konfrontiert ist, was man hier nie erlebt, zum Beispiel mit Minenopfern, ja, oder mit so ’nem Attentat, was letztes Jahr im Mai war, hat man im Moment in Afghanistan. Ja, wenn 209

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

man da den Einsatz gefahren hat, dann hat man sicher ’nen Einsatz gefahren“ (Jänsch, w, Feldwebel, Sanität).

Aus Sicht dieser Soldatin ist nur die Teilnahme am Einsatz in Afghanistan ein richtiger Einsatz. Nur in diesem Einsatz sammelt man Erfahrungen, die einen an die eigenen Grenzen bringen und auch mit der eigenen Sterblichkeit konfrontieren. Afghanistan sei „natürlich gefährlich“ (Froschauer, m, Unteroffizier, Marine) und „da sollte man doch schon etliche taktische Sachen beherrschen“ (Frank, m, Feldwebel, Sanität). Militärische Fähigkeiten werden für den Afghanistaneinsatz als sehr viel wichtiger erachtet als für Bosnien-Herzegowina oder den Kosovo. Der Kontakt mit der Zivilbevölkerung außerhalb des Lagers ist aufgrund der als stabil eingeschätzten Lage in Bosnien am ehesten möglich, im Kosovo sind die Möglichkeiten, sich außerhalb des Lagers aufzuhalten, sehr viel beschränkter, in Afghanistan ist dies in der Freizeit nicht möglich und im Rahmen der Auftragserfüllung nur für einen kleinen Teil der Soldatinnen und Soldaten vorgesehen. Da in allen Feldlagern lokales Personal eingesetzt ist (vor allem zum Putzen, Waschen, Dolmetschen und als Bedienung in den Betreuungseinrichtungen), haben so gut wie alle Soldatinnen und Soldaten in den Lagern Kontakt mit der lokalen Bevölkerung. Auf den Schiffen gestaltet sich die Situation anders, hier ist die Möglichkeit des Kontakts zur jeweiligen lokalen Bevölkerung sehr viel stärker beschränkt auf die Freizeit und die Patrouillengänge im Hafen. Externes Personal wird auf den Schiffen nicht für den Ablauf benötigt. Die Entstehung einer eigenen selbständigen Einsatzwelt3, die zentrale Bedeutung für die soldatische Selbstidentifikation hat und eine zunehmend wichtiger werdende Sozialisationsinstanz für die Soldaten darstellt, stellen auch Kernic (2000: 158) und Tomforde (2005b, 2006) fest. Tomforde (2005b: 2ff.) diagnostiziert eine eigene bundeswehrinterne Subkultur. Diese Subkultur grenzt sich sowohl von der Truppe im Heimatland als auch von der Gesellschaft des Gastlandes durch eine eigene Identität und soziokulturelle Handlungs- und Denkmuster ab. Die Soldatinnen und Soldaten durchlaufen im Einsatz eine zweite Sozialisation, die in die neue Identität des „multinationalen, militärischen Einsatzprofis“ (Tomforde 2008: 146) mündet.

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Diese eigenständige Einsatzwelt wurde sogar offiziell festgeschrieben. So nannte man die heutigen Nachbereitungsseminare früher „Reintegrationsseminare“, was darauf hindeutet, dass der Einsatz etwas außerhalb des Alltags, der Gesellschaft darstellt und dass die Teilnehmer sich nach dem Aufenthalt dort wieder in ihr altes Leben reintegrieren müssen.

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GENDERORDNUNGEN IM EINSATZ

Durch die Sicherheitsvorschrift, immer Uniform tragen zu müssen, die langen Dienstzeiten und die beengten und begrenzten räumlichen und sozialen Möglichkeiten verschwimmen die Grenzen von Arbeit und Freizeit, Freiräume sind kaum möglich. Individuelle Abgrenzungsprozesse vollziehen die Soldatinnen und Soldaten über die Schaffung von Freiräumen, den „Relaxzonen“ (ebd.: 151ff.). Die provisorische Abtrennung des Raumes mit Tarnnetzen oder die Einrichtung von kleinen Swimmingpools auf den Dächern der Container ermöglichen individuelle Privatsphäre (ebd.: 152). Die Feldlager werden individuell national gestaltet, z. B. über die Verwendung deutscher Straßennamen, es gibt besondere Uniformabzeichen, Traditionen werden erfunden. So wird das Eigene in der Fremde bis hin zur völligen Ignoranz der Außenwelt rekonstruiert (Kernic 2000: 159ff.). Da die Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten nur sehr eingeschränkten Kontakt zur Zivilbevölkerung hat, wird die Außenwelt meist als bedrohlich wahrgenommen und einer geordneten Innenwelt gegenübergestellt (ebd.: 159). Das heißt, der meiste Kontakt findet zwischen den Soldaten der eigenen Armee und anderer nationaler Armeen statt. Fremdheitserfahrungen reduzieren sich auf das Lagerleben, die Soldatinnen und Soldaten leben in einer „plastic bubble“ (Galtung/Hveem 1975: 6). Galtung/Hveem (ebd.: 15) beschreiben diese „Blase“ weiter als „well developed, positive and differentiated and rich images inside the bubble, much more bland and stereotyped images outside“. Das Innenleben dieser „Blase“ ist differenziert und heterogen, die Wahrnehmung des Außen allerdings sehr stereotyp und vereinfachend. Dennoch existieren reichhaltige Geschichten und Mythen darüber, wie sich der Kontakt mit der Zivilbevölkerung gestaltet (siehe dazu die Ausführungen zu den einzelnen Einsätzen in den Abschnitten 12.3-12.5). Der Konflikt und die Situation vor Ort spielen für die Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten real kaum eine Rolle.4 Die Erfahrungen von Hilflosigkeit und Autonomieverlust verweisen das Subjekt in eine Opferposition, die die „Verletzungsoffenheit“ (Popitz 1992, zitiert in Bereswill 2007: 103) aller Subjektbildungsprozesse thematisiert. Diese Verletzungsoffenheit muss abgewehrt und umgedeutet werden, um sich aus der weiblich konnotierten Opferrolle zu befreien. Geschlecht wird im Rahmen des „institutionell forcierten Autonomieverlusts“ (Bereswill 2007: 108) zu einer „Ressource der Selbstverteidigung, und schematische Versionen von Hypermaskulinität dominie4

Die Frage nach dem Konfliktgeschehen wurde nicht explizit gestellt, um die Soldatinnen und Soldaten selbst entscheiden zu lassen, inwieweit sie den Konflikt als relevant für ihre Erfahrungen im Einsatz definieren (siehe Leitfaden im Anhang). 211

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

ren das Feld“ (ebd.: 108). Im Einsatz entwickelt sich eine von der restlichen Gesellschaft abgekoppelte militärische Sinn- und Lebenswelt, die als Gegenreaktion auf das „durch Internationalisierung und Multinationalisierung destabilisierte soldatische Selbstverständnis“ (Seiffert 2005: 237) zu einer Reaktivierung traditioneller militärischer Werte und Normen führt (ebd.: 238). Obwohl die Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten wenig Kontakt mit der lokalen Bevölkerung hat, kursiert organisationales Wissen darüber, wie sich die Situation vor Ort konkret gestaltet und welche Verhaltensmaßnahmen vor allem für das Verhalten von und gegenüber lokalen Frauen notwendig sind. Wie dieses Wissen über die „anderen Kulturen“ entsteht und welche Genderverhältnisse damit konnotiert werden, wird in den folgenden Abschnitten thematisiert.

1 2 . 2 D e r K o n t a k t m i t d e r Z i v i l b e vö l k e r u n g : Interkulturelle Kompetenz und Gender Die Soldatinnen und Soldaten finden sich im Auslandseinsatz je nach Mandat immer auch „anderen“ Kulturen gegenüber, die ihnen mehr oder weniger vertraut sind. Dies gilt sowohl für den Kontakt mit Soldatinnen und Soldaten anderer Armeen in den multinationalen Lagern, aber auch für den Kontakt mit der lokalen Bevölkerung vor Ort. „Today’s missions are multiculturally composed and transnationally executed across a diversity of cultural contexts“ (Duffey 2000: 143). Die Bedeutung von „interkultureller Kompetenz“ für die Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz wird auch auf den offiziellen Seiten der Internetpräsenz der Bundeswehr betont: „Respekt und Toleranz für Andersgläubige, das ist die Botschaft, die die Deutschen aussenden“, so heißt es in einem Film über den ISAF-Einsatz mit dem Titel „Unsere Bundeswehr in Afghanistan“ (Bundesministerium der Verteidigung 2007). Der Film endet: „Deutsche ISAF-Soldaten sind mehr als nur eine Schutztruppe. Aufbauhilfe gelingt nur, wenn die Tradition und das Brauchtum der afghanischen Bevölkerung beachtet werden. Die Deutschen wissen das“ (ebd.). Die Akzeptanz und das Verständnis für den lokalen kulturellen Kontext sind Voraussetzungen für das Gelingen eines PeacebuildingProzesses (Hansen et al. 2004: 13). Vor allem das Eskalieren des Einsat-

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GENDERORDNUNGEN IM EINSATZ

zes kanadischer Truppen in Somalia5 hat gezeigt, wie durch das Unwissen über die lokalen Kulturen, wie z. B. ein anderes Zeitverständnis, andere politische Organisationsformen oder Konfliktbearbeitungskulturen oder die Ausblendung von Genderverhältnissen, vorhandene Konflikte nicht bearbeitet oder transformiert werden, sondern wieder eskalieren können (Duffey 2000: 156ff.; Whitworth 2004: 101ff.). Zunehmend werden theoretische Ansätze der Konfliktbearbeitung auch für militärische Peacekeeping-Einsätze fruchtbar gemacht (vgl. Duffey 2000; Fetherston 2000; Hansen et al. 2004; Woodhouse 2000; Ryan 2000). Die Mehrzahl der Konfliktbearbeitungsansätze ordnet Peacekeepingeinsätze in den Bereich des „conflict managements“ (Fetherston 2000: 2; Hansen et al. 2004: 2) ein. Konfliktmanagement basiert auf auf der Annahme, dass eine Konfliktlösung letztlich unrealistisch ist. Der Einsatz militärischer Mittel kann die Einführung demokratischer Regeln begleiten und den gewaltfreien Konfliktaustrag ermöglichen (Miall 2004: 3). Da es weniger um die Bearbeitung der Ursache des Konflikts geht, besteht allerdings die Gefahr, dass „the presence of a peacekeeping force may tend to freeze the status quo and reduce the incentives of the interested parties to work out a viable settlement“ (Heiberg/Holst 1986: 401). Maßnahmen im Rahmen von militärischen Konfliktbearbeitungsprozessen können die Schaffung staatlicher Übergangs- und Infrastruktur, die Überwachung von Waffenstillstandsabkommen, die Gewährleistung der Inneren Sicherheit und der Schutz der Zivilbevölkerung sein. Diese Managementaufgaben werden zunehmend komplexer und umfassen im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit mittlerweile auch humanitäre eigentlich entwicklungspolitische Aufgaben wie die Ausbildung der lokalen Bevölkerung (Braunstein/Meyer 2001: 41ff.). Dadurch erlangt die Fähigkeit, interkulturell kompetent zu handeln, d. h. die eigenen habitualisierten Handlungsmuster, aber auch die der „anderen“ Kultur zu reflektieren, besondere Bedeutung (Rubinstein 2005: 535). Auch Mediation und Verhandlungsfähigkeit werden wichtiger (Hansen et al. 2004: 9).

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Der UN-Einsatz in Somalia gilt neben der Friedensmission in Ruanda als größtes Debakel internationaler Friedensmissionen. Im März 1993 töteten Soldaten eines kanadischen Airborne Regiments zwei somalische Männer und folterten einen somalischen Jugendlichen, der anschließend seinen Verletzungen erlag. Diese Folterungen wurden dokumentiert, die Fotos galten als Trophäen. Sanktioniert wurden diese Handlungen von der militärischen Führung allerdings erst, als weitere Videos auftauchten, die Misshandlungen von kanadischen Soldaten bei Initiationsriten zeigten (Whitworth 1998: 186). 213

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Dass Genderaspekte in der Konfliktbearbeitung eine zentrale Rolle spielen, ist bereits in Kapitel 3 ausführlich erläutert worden. Da die Eigenschaften, die von den Soldatinnen und Soldaten in den neuen Einsätzen erwartet werden, wie Verhandlungsgeschick, Deeskalation, Mediation usw., im westlichen Kontext weiblich konnotiert sind, öffnet die stärkere Integration sog. „soft skills“ in den Konfliktbearbeitungsszenarien auch den Raum, einen höheren Frauenanteil in den Missionen zu fordern, wie dies auf der internationalen Ebene durch die UNResolution 1325, die Resolutionen des Europäischen Parlaments und von Seiten der Nichtregierungsorganisationen erfolgte (siehe Abschnitt 3.1). Auch in multinationalen Peacekeeping-Einsätzen und der militärischen Konfliktbearbeitung hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Integration einer Genderperspektive und die Erhöhung des Frauenanteils eng mit interkultureller Kompetenz verwoben sind und daher eine zentrale Rolle in der erfolgreichen Durchführung von Friedensmissionen spielen (United Nations General Assembly 2004: 24ff.). In der relevanten Literatur werden als Vorteile des Einsatzes von Soldatinnen in der militärischen Konfliktbearbeitung genannt: 1. Frauen in wichtigen Positionen vermittelten ein positives Zeichen in Bezug auf Gleichberechtigung und Demokratie (Hudson 2000: 20f; Seifert 2003c: 53; Ospina 2006: 10). 2. Die Anwesenheit von Frauen der gleichen Kultur thematisiere sexuelles Fehlverhalten von männlichen Soldaten und verringere damit das Risiko sexueller Übergriffe auf die Zivilbevölkerung (Hudson 2000: 20f; Department of Peacekeeping Operations 2004: 64). 3. Frauen würden als empathischer gesehen und seien daher eher für Vermittlungspositionen geeignet (DeGroot 2002; Hudson 2000: 20f.). 4. Frauen hätten einen besseren Zugang zu Frauen in der lokalen Bevölkerung (Hudson 2000: 20f.). Die Bundeswehr hat sich gerade in den letzten Jahren verstärkt dem Thema „Interkulturelle Kompetenz“ zugewandt (Berns/Wöhrle-Chon 2004: 329). Es existieren mittlerweile umfangreiche Informationsmaterialien in Form von Büchern, Leitfäden, Spielen und CD-Roms, die den Vorgesetzten während der einsatzvorbereitenden Ausbildung vom Zentrum für Innere Führung vorgestellt und verteilt werden.6

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Im Rahmen des Projekts war es uns möglich, an einem dieser einwöchigen Vorbereitungskurse für das KFOR-Kontingent am Zentrum Innere Führung in Koblenz teilzunehmen.

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GENDERORDNUNGEN IM EINSATZ

„Die Bundeswehr bereitet ihre Soldaten intensiv auf einen Einsatz im Ausland vor. Dazu gehören Informationen über die Bevölkerung, Geschichte und Kultur des jeweiligen Einsatzlandes ebenso wie das Üben richtigen Verhaltens in Krisensituationen“ (Einsatzführungskommando 2008). Formell findet diese Ausbildung in drei Schritten statt: Als Erstes erfolgt eine einwöchige Grundlagenausbildung, in der Verhaltensrichtlinien und vor allem militärisches Handwerk wie Sanitätsausbildung, ABC-Ausbildung, Waffen- und Minenausbildung usw. gelehrt werden. Zweitens werden in einer zweiwöchigen „einsatzspezifischen Grundlagenausbildung“ die bereits gelehrten Aspekte auf den jeweiligen Einsatz angepasst; auch hier dominiert militärspezifisches Wissen. Der dritte Ausbildungsabschnitt stellt eine praxisbezogene Übung dar, in der konkrete Szenarien bestimmter Situationen im Einsatz geübt werden wie das „Verhalten gegenüber einer aufgebrachten Menschenmenge“ (ebd.), Anwendung der Rules of Engagement oder das Verhalten unter Stress und bei Geiselhaft (dazu auch Kaufholz 2003). Die Praxis gestaltet sich häufig so, dass die Soldatinnen und Soldaten diese einsatzvorbereitenden Schulungen nur alle zwei Jahre besuchen müssen, d. h., dass sie möglicherweise in den Einsatz gehen, ohne eine aktuelle Schulung erhalten zu haben. Durch die flexible Personalplanung kommt es auch dazu, dass die Soldatinnen und Soldaten zwar an einer einsatzbezogenen Ausbildung teilnehmen, dann allerdings spontan umgeplant werden. Eine der befragten Soldatinnen durchlief die Ausbildung für den Bosnieneinsatz, nahm dann aber an einem der ersten Kontingente für den Einsatz in Kundus teil (siehe dazu auch Robbe 2007: 16). Das Einsatzführungskommando (2008) weist darauf hin, dass im Einsatz weitere Ausbildungen (Schießausbildungen, Mine Awareness Trainings) folgen. Dazu können auch genderspezifische multinational durchgeführte Ausbildungen gezählt werden, wie sie das Department of Peacekeeping Operations im Rahmen von UN-Missionen anbietet (Mackay 2005), allerdings hat keiner der interviewten Soldatinnen und Soldaten einer derartige genderspezifische Schulung erhalten.7 7

Erste Versuche, eine Genderperspektive in eine nationenübergreifende Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten zu integrieren, zeigen gemischte Erfolge (Mackay 2005: 268ff.): So stellen die großen Unterschiede in Qualität, Ausstattung, Vorbereitung und Erziehung zwischen den Berufsarmeen und den Freiwilligenarmeen, zwischen vermögenden und weniger vermögenden Nationen ein großes Problem dar. Die Soldatinnen und Soldaten der unterschiedlichen nationalen Streitkräfte besitzen zudem ein sehr unterschiedliches Vorwissen über Genderverhältnisse. Falls Wissen vorhanden ist, beschränkt sich dieses auf das Problem der sexuellen Belästi215

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Auf der Ebene der Entscheidungsträger innerhalb der Bundeswehr hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich ein erhöhter Anteil an Frauen im Kontakt mit der Zivilbevölkerung positiv auf die Erfüllung des Auftrags auswirken kann: Frauen seien vor allem bei Hausdurchsuchungen einzusetzen, „weil man festgestellt hat, wenn Soldaten im Rahmen einer Durchsuchung im Islam ein Haus durchsuchen, mit Frauen, ist ja das, wenn es Männer tun, im Prinzip ein Haus, das entehrt ist“ (Barsch/Meister, Offiziere, verantwortlich für Innere Führung im BMVG), um sich „um Flüchtlinge zu kümmern“ (Mark, Zivilistin, Referentin für Gleichstellungsfragen im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), da die Mehrzahl der Opfer in der Zivilbevölkerung Frauen und Kinder seien, und zur Deeskalation „in dem speziellen Kulturraum Islam“ (Rampe, Truppenpsychologe im Einsatzführungskommando). Auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den lokalen Frauen durch die Soldatinnen zur Informationsgewinnung wird hervorgehoben (Berghahn, Offizier, Referentin für Frauenfragen im Führungsstab der Streitkräfte, Abteilung Innere Führung im BMVG). Allerdings spiegelt diese konstatierte Notwendigkeit des verstärkten Einsatzes von Frauen sich bisher weder quantitativ im Frauenanteil in den Einsätzen noch in besonderen Gleichstellungsbemühungen für den gung und der generellen Wahrnehmung von Frauen als Opfer und ist zumeist auf die nationale Streitkraft beschränkt. Dass Genderaspekte auch im Kontakt mit der Zivilbevölkerung eine zentrale Rolle spielen, wird nicht realisiert. Problematisch ist, dass die Sensibilisierung für Gender anderer Unterrichtsformen bedarf, als dies für militärische, meist sehr formale Ausbildungen vorgesehen ist. Es kann mitunter schwierig sein, die verschiedenen Dienstgrade miteinander in nicht-hierarchischen Formationen oder Gruppenarbeiten zu unterrichten (ebd.: 272). Eine Unterscheidung nach den jeweiligen Funktionen – so unterscheidet sich der Umgang mit der Zivilbevölkerung während einer Patrouille, einer Hausdurchsuchung oder aber mit lokalem Personal in den Lagern – bleibt in den Trainings außen vor (ebd.: 273). Bei den 4-6-monatigen Einsatzrhythmen wird die durchgängige Schulung bei der schlechten Ausstattung der verantwortlichen Gleichstellungsbeauftragten, die diese Ausbildungen durchführen sollen, unmöglich, besonders, wenn schnell Personal zu Verfügung gestellt werden muss und generell kaum Zeit für Ausbildung bleibt (Martin 2005: 12). Die Schulung allein ist zudem wenig sinnvoll, wenn die Schulungsprogramme nicht an die Geschlechterkulturen der nationalen Truppensteller und an die jeweiligen Geschlechterkulturen der Einsatzländer zurückgebunden werden. Hier wird immer wieder die Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen sowohl im Heimatland als auch im Einsatz eingefordert (ebd.: 19; Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2000). Selbst wenn die Soldatinnen und Soldaten bereits eine Schulung erhalten haben, ist es kaum möglich, dieses Wissen und diese Erkenntnisse eins zu eins auf die nächste Mission zu übertragen (Barnett/Finnemore 1999: 726). 216

GENDERORDNUNGEN IM EINSATZ

Einsatz wider (Dittmer/Mangold 2007: 86). Obwohl die Expertinnen und Experten besonders für Einsätze in den islamischen Regionen – hier beziehen sie sich in der Mehrzahl auf Afghanistan – einen erhöhten Frauenanteil als sinnvoll annehmen, ist die Anzahl von Frauen in Afghanistan mit knapp fünf Prozent (April 2008) am niedrigsten von allen Einsätzen (Bundeswehr 2008).8 Begründet wird diese geringe Anzahl von den interviewten Expertinnen und Experten damit, dass bestimmte Aufgaben wie Durchsuchungen an bestimmte Dienstgradgruppen gebunden seien, die Frauen sich aber alle noch in der Ausbildung befänden und sich daher der Anteil von Frauen im Lauf der Zeit automatisch erhöhe. Nach Aussagen aller Experten und Soldatinnen und Soldaten gibt es keine offiziellen grundsätzlichen Regelungen, wie eine Genderperspektive, was aus Sicht des untersuchten Feldes heißt, wie sich Frauen im islamischen Kontext verhalten sollten, integriert werden kann. Auch im Gleichstellungsgesetz sind keinerlei Angaben zum Umgang mit der Zivilbevölkerung im Einsatz zu finden. So wird letztlich von jedem Kontingent neu ausgehandelt, wie diese Verhaltensvorschläge sich konkret ausgestalten. Über die interkulturellen Ausbildungen und Schulungen im Vorfeld wird ein bestimmtes Bild transportiert, wie sich die Soldatinnen und Soldaten zu verhalten haben. Im Zeitraum der Erhebung der Interviews 2003 bis 2004 wurden im Rahmen der interkulturellen Bildung allerdings nur länderspezifische Leitfäden verteilt9, weshalb im Folgenden nur diese in die Analyse der vermittelten Genderverhältnisse einbezogen werden. Die Marine erhält bis heute keine systematische Ausbildung in interkultureller Bildung, falls diese nicht die einzelnen Vorgesetzten in 8 9

Zumal mit den Angaben immer auch die Soldatinnen einbezogen werden, die sich nicht in Afghanistan, sondern in Termez in Usbekistan befinden. Ein Reservist, der in verschiedenen Einsätzen der Bundeswehr war und ein „Kriegstagebuch“ (Lampe 2007) geschrieben hat, weist darauf hin, dass diese Leitfäden nur auf Nachfrage erhältlich seien. In einem Interview kommentiert er dies: „Der landeskundliche Teil – den ich ja dreimal erlebt habe – wurde in der Regel von jemanden vorgetragen, der vorher im Einsatz war. Das war Standardwissen über die geographischen und ethnischen Verhältnisse, sowie über kulturelle Dinge. Aber – wenn man so will – in ein paar Sätzen und in der Regel als Frontalunterricht. Mit der Maßgabe, dass man dann noch fünf oder zehn Minuten Zeit hatte, um Fragen zu stellen. Nur diejenigen, die sich dafür stärker interessieren, haben die Möglichkeit genutzt und auf den jeweilige Leitfaden für das Einsatzgebiet zurückgegriffen, den das Zentrum für Nachrichtenwesen bei der Bundeswehr herausgibt. Der wird alle paar Jahre aktualisiert und enthält detailliertere Informationen zum Einsatzgebiet. Er wird aber nicht jedem Soldaten angeboten, sondern nur auf Nachfrage“ (Mühlbauer 2007). 217

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

Eigenregie durchführen. Als Begründung wird angeführt, dass der Kontakt mit der Zivilbevölkerung – wenn überhaupt – nur während der Freizeit der Soldatinnen und Soldaten stattfindet. Die länderspezifischen Leitfäden werden vom Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr für die jeweiligen Einsatzkontingente erstellt. Es werden sowohl historische und politische Hintergründe der Konflikte als auch militärisches Spezialwissen dargestellt. In den Leitfäden erscheint der Kontakt mit der Zivilbevölkerung in verschiedenen Kapiteln wie „Die Sitten und Gebräuche der albanischen Volksgruppe“ (Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr 2002a: 43), „Land, Leute und Geschichte“ (Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr 2000: 15) oder „Besonderheiten und Verhalten im Einsatzgebiet“ (Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr 2002a: 8). Je nach Qualität des jeweiligen Leitfadens unterscheidet sich die Ausführlichkeit, mit der Verhaltensregeln beschrieben werden. Generell lässt sich sagen, dass der Leitfaden für Afghanistan sicherlich die ausführlichste Darstellung bietet, der Leitfaden zum Kosovo dagegen nur sehr spärliche Informationen. Das Geschlechterverhältnis spielt in allen drei analysierten Texten eine Rolle. Zunächst werden die jeweiligen nationalen Leitfäden auf ihre impliziten Gender-vorstellungen hin untersucht. In einem zweiten Schritt werden die Erzählungen der Soldatinnen und Soldaten zu den Einsätzen vorgestellt. Für den Einsatz in Bosnien und Herzegowina und im Kosovo ließen sich auf der Ebene der Soldatinnen und Soldaten zwei zentrale Themenbereiche herauskristallisieren: Erstens die Konstruktion des Einsatzes als zivilisatorische Mission und zweitens der Einfluss des Einsatzes auf die Genderverhältnisses in der Zivilbevölkerung durch die ökonomische Überlegenheit der westlichen Einsatzkräfte. Die Einsätze in Afghanistan und in Dschibuti werden vor allem anhand des Verhaltens der Soldatinnen im Kontakt mit der muslimischen männlichen Bevölkerung diskutiert.

12.3 Der „Balkaneinsatz“: Bosnien und H e r z e g ow i n a , K o s o vo Die Soldatinnen und Soldaten subsumieren die Einsätze in Bosnien und Herzegowina und im Kosovo unter dem Balkaneinsatz: „Im Kosovo ist genau das gleiche. Ist ja Balkan, ist ja alles dasselbe“ (Elsner, m, Mannschaften, Sanität). Da sich in der vorliegenden Arbeit an den von den interviewten Akteuren genannten Kategorisierungen orientiert wird, wird diese Einteilung im Folgenden übernommen, wohl wissend, dass 218

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diese Subsumierung höchst heterogener Gesellschaften dazu dient(e), das Bild eines zivilisierten Europas zu konstruieren, indem der „Balkan“ die Funktion des „Alter Ego, die dunkle Seite im Inneren“, einnimmt, den Ort, „wo der Krieg nie aufhört“ (Todorova 2003: 235). Interkulturelle Kompetenz wird im Leitfaden für den Einsatz in Bosnien-Herzegowina vor allem als Höflichkeit, Zurückhaltung und Unparteilichkeit verstanden: Besonders das zur Schau stellen religiöser Symbole und besonderer Handzeichen sollten vermieden werden, auch das Prahlen mit Geld sei unsensibel und stillos (Amt für Nachrichtenwesen 2000: 15f.). Eine besondere Gefährdung für das eigene gesundheitliche Wohl wird in sexuellen Beziehungen gesehen: „Auch Kondome schützen nicht sicher“ (ebd.: 10). Obwohl dies nicht weiter expliziert wird, ist zu vermuten, dass es hier um den Kontakt männlicher Soldaten mit der weiblichen Zivilbevölkerung geht, da zum Zeitpunkt der Erstellung des Leitfadens der Frauenanteil in den Streitkräften noch sehr gering war und die Soldatinnen und Soldaten im Allgemeinen umfangreiche gesundheitliche Untersuchungen durchlaufen und daher gesund sein müßten. Generell wird von Beziehungen zum anderen Geschlecht, d. h. mit Frauen aus der Zivilbevölkerung, abgeraten, da dies zu „ernsten Schwierigkeiten“ führen könnte. Begründet wird dies mit starken Familienbindungen: „Das Verletzen der Ehre kann Racheaktionen zur Folge haben. (Noch zu Beginn der 90er Jahre wurde ein Nordamerikaner in Tirana ermordet, da er ein einheimisches Mädchen entehrt hatte)“ (ebd.: 16). Man sollte den Blickkontakt mit „traditionell gekleideten muslimischen Frauen“ (ebd.: 15) vermeiden, v.a. jener, „die sich in Begleitung eines Mannes befinden. Dies könnte bei den begleitenden Männern zu Abwehrreaktionen (Schutzhaltung) führen“ (ebd.: 16). Den Soldatinnen wird der Hinweis gegeben, bei dem Betreten einer Moschee das „Haupthaar und Blößen (z. B. nackte Arme!)“ (ebd.) zu bedecken. Der Leitfaden für Kosovo und Mazedonien (Zentrum für Nachrichtenwesen 2002a) thematisiert zunächst die Geschichte Deutschlands in dem stationierten Gebiet während des Zweiten Weltkriegs (ebd.: 8): Man müsse damit rechnen, auf die Geschichte von Seiten der albanischen Bevölkerung angesprochen zu werden, auch mit dem Versuch, eine anti-serbische Gemeinsamkeit herzustellen. Zugleich könne es zur Ablehnung der deutschen Soldaten von Seiten der Serben kommen. Daran anschließend werden „Sitten und Gebräuche der albanischen Volksgruppe“ (ebd.: 43) thematisiert, hier steht das albanische Gewohnheitsrecht mit seinen Aspekten der Blutrache und der Gastfreundschaft im Mittelpunkt.

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Im Verhalten gegenüber der Zivilbevölkerung gelte es zu beachten, dass die Religion in der islamischen Gesellschaft eine besondere Rolle spiele, allerdings werde der Islam im Kosovo nicht so streng wie in anderen saudischen Varianten ausgelegt. Auch für den Kosovo wird das Fotografierverbot „insbesondere gegenüber Frauen“ (ebd.: 46) thematisiert. In dem Abschnitt „Zeichen und Gesten“ wird auf das Verhältnis von Männern untereinander Bezug genommen: „In Albanien sieht man oft, dass Männer miteinander spazieren gehen, indem der eine seinen Arm auf die Schultern des anderen legt, oder dass sich Männer bei der Begrüßung auf die Wangen küssen. Auch ist es durchaus gang und gäbe, dass Albaner im Eifer des Gesprächs ihren Gegenüber mit der Hand berühren, beim Sitzen am Oberschenkel, im Stehen an der Schulter. Derartige Gesten sollte man nicht als sexuelle Kontaktaufnahme missdeuten“ (ebd.: 48).

Weitere Informationen über die Lebensgewohnheiten der serbischen Bevölkerung, über den Islam o. Ä. finden sich nicht. In den Interviews der Soldatinnen und Soldaten ist zunächst auffällig, dass sie „den Balkan“ im Sinne des von Todorova diagnostizierten „Balkanismus“ (Todorova 2003) als unzivilisiert und barbarisch konstruieren. Die Anwesenheit der deutschen Streitkräfte auf dem Balkan wird als unabdingbar und Normalität angesehen, da sonst der Krieg sofort wieder ausbrechen würde: „Aber wenn wir da auch wieder nicht wären, wir hatten da mal mit so ’nem Oberstleutnant, der wohnt da zum Beispiel in Bosnien. Der is’ da hingezogen und der wohnt da echt schon Ewigkeiten und der hat dann so’n ganzen Unterricht mal, über drei Stunden, hat er gemacht. Über den ganzen Krieg, über die ganzen Leute und alles. Und da kam dann zum Schluss die Frage, ,so Jungs, jetzt fragt euch mal, was meint ihr, wie lange würd’ das dauern, wenn wir raus sind hier, bis die sich wieder bekriegen?‘ Einige sagten, ,ah, ’n Tag‘. Da is’ er fasst in eins umgekippt vor lachen. Er sagt, ,das würde noch nicht mal ’ne Minute dauern. Dann würden sich da alle wieder so bekriegen‘. Das is’ echt der Hammer“ (Elsner, m, Mannschaften, Sanität).

Die lokale Bevölkerung erscheint wild und unzivilisiert. Ohne externe Intervention könne die Bevölkerung nicht unter Kontrolle gehalten werden. Der zivilisierende Westen wird dem unzivilisierten Balkan gegenübergestellt. Diese Argumentation schreibt dem Einsatz einen Sinn zu, die die Politik den Soldatinnen und Soldaten nicht bietet: Bereits die Präsenz der Soldatinnen und Soldaten allein würde das erneute Ausbre-

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chen des Konflikts verhindern, der Einsatz dämme damit tatsächlich Gewalt ein. Dass es sich hier um eine zentrale Legitimationsnarration für die Einsätze handelt, mit denen zugleich die eigene zivilisierte Identität und Notwendigkeit zu zivilisieren begründet wird, sieht man auch darin, dass sich die gleiche Narration auch für den Kosovo findet. So erzählt eine Soldatin: „Z. B. jetzt in Prizrin ist es so, da ist jetzt jemand wiedergekommen und der behauptet, sobald die Soldaten da rausgehen würden, das würde keine fünf Minuten dauern, dann wär’ da wieder der gleiche Zustand, wie vor zehn Jahren, dann würde wieder die Bombe platzen“ (Billek, w, Feldwebel, Sanität).

Da die Konfliktursachen auf der emotionalen Ebene und in traditionellen Systemen wie der „Blutrache“ verortet werden, räumen die Soldatinnen und Soldaten der Situation kurzfristig kaum eine Chance auf Besserung ein. „Es gibt noch so viele, ja, Rachegedanken, Gelüste, und das wird noch Generationen dauern, bis das raus ist. Ne, also wir werden da nicht völlig verschwinden können“ (Sommer, m, Offizier, Sanität). Die Soldatinnen und Soldaten gehen davon aus, dass Deutschland auf dem „Balkan“ noch lange präsent sein muss, bis diese „archaischen“ Strukturen verändert sind. Ein zweiter Themenbereich, der im Zusammenhang mit dem Balkaneinsatz in den Interviews behandelt wird, ist die privilegierte ökonomische Position, die die deutschen Soldatinnen und Soldaten in den Einsatzländern haben. Diese wird bereits in den Ausbildungsmaterialien thematisiert, indem darauf hingewiesen wird, dass man eine mögliche finanzielle Überlegenheit nicht nach außen zur Schau tragen sollte, um Neid und daraus resultierende Diebstähle zu vermeiden (Amt für Nachrichtengewinnung 2000: 15). Carnahan et al. (2007: 384ff.) betonen die positiven Auswirkungen, die die Beschäftigung lokalen Personals für die Akzeptanz internationale Friedensmissionen haben könne, vor allem durch die konkrete finanzielle Unterstützung. Da versucht werde, sich an den lokalen Verdienstmöglichkeiten zu orientieren, bliebe jedoch eine große Diskrepanz zwischen den finanziellen Möglichkeiten des lokalen Personals im Vergleich mit den internationalen Mitarbeitern. Ein Soldat beschreibt, wie diese ökonomische Diskrepanz sich auf das Genderverhältnis in der lokalen Bevölkerung auswirkt. „Wenn jetzt, ein deutscher Soldat oder Soldat, wo auch immer, hat richtig Geld. Gesicherte Position, der kriegt 90 Euro am Tag, steuerfrei noch, der 221

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kann ja den kleinen King spielen. Während der männliche Jugendliche da unten vielleicht mit 5 Euro im Monat auskommen muss. Ich will’s nicht… Aber ich könnte mir einfach, weil das… , weil ich mir das vorstellen kann. Dass das schnell Probleme geben kann. Bis jetzt sind uns keine zu Ohren gekommen. Aber, von der Konstellation her, und das ist ja eben auch schon ein Problem, wo ich eben auch meine Soldaten immer warne, nichts dagegen, dass sie sich vielleicht auch in eine Einheimische verlieben oder was auch immer. Kommt immer wieder vor, wäre nicht das erste Mal. Aber da ist es eigentlich immer so, wenn sie dort eine Einheimische heiraten, dann heiraten sie nicht nur die Frau. Sie heiraten die Familie. Und das sind immer noch Großfamilien. Und dann haben sie ein Problem, und das ist so, die haben ja eine Art Sozialismus in Reinkultur, da kann man nicht mehr sagen, das ist mein Geld. Tja, das ist in der Familie, das ist unser Geld. Und dann kann das sehr schnell problematisch werden“ (Sommer, m, Offizier, Sanität).

In diesem Zitat wird betont, dass der deutsche Soldat durch die Auslandsverwendungszuschläge im Einsatz große finanzielle Ressourcen zur Verfügung hat. Er kann diese ökonomische Macht nutzen, um sich vor der weiblichen Bevölkerung als besonders männlich, als „King“ zu inszenieren und zwar in Abgrenzung zur lokalen männlichen Bevölkerung, die keine derartigen ökonomischen Möglichkeiten hat. Männlichkeiten werden in diesem Fall über die Verfügbarkeit ökonomischer Ressourcen bezogen auf den Umgang mit den lokalen Frauen ausgehandelt. Militärische Männlichkeit im Einsatz ist damit auch mit dem Zugang zu ökonomischen Ressourcen verwoben. Eigentlich geht es dem Soldaten in dem hier erwähnten Zitat jedoch darum, vor dem engeren Kontakt mit den lokalen Frauen zu warnen, da die Gefahr bestehe, dieses Geld an die Familie der Frau wieder zu verlieren. Dies sei allerdings besonders problematisch, „die jungen Frauen sehen fast ausnahmslos sehr hübsch aus“ (Sommer, m, Offizier, Sanität) fährt Sommer fort.10 Der zweite Teil o. g. Zitats orientiert sich an den bereits erwähnten Ausführungen des Leitfadens für Bosnien und Herzegowina für die Bundeswehrkontingente. Der Soldat gibt zu, dass es bisher noch keine derartigen Fälle gegeben hätte, konstruiert hier jedoch ein derartiges Bedrohungsszenario, welches sich von Seiten der weiblichen Zivilbevölkerung für die männlichen Soldaten ergebe. Interessanterweise wird durch dieses Zitat der traditionelle Dualismus – der aktive 10 Eine sehr ähnliche Beschreibung findet sich in dem emphatischen Bericht eines Journalisten, der einige Soldaten in diverse Auslandseinsätze begleitet hat. So schreibt er über die Vorausbildung „Und noch etwas haben die Soldaten gelernt: Nie Zivilisten zu nahe an sich heranzulassen. Auch die feurigen Kroatinnen nicht. Selbst wenn es nach einigen Wochen im Männer-Camp noch so schwer fällt“ (Kaufholz 2003: 66). 222

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Mann steht der passiven Frau gegenüber – durch die Warnung vor möglichen Problemen bei Beziehungen mit lokalen Frauen durchbrochen. Auf einmal erscheint die Frau im Rahmen ihrer Familie als der aktive Part, vor dem sich die deutschen Soldaten in Acht nehmen müssen, um nicht in eine Opferrolle zu fallen. Die Umkehr der traditionellen Genderverhältnisse mit dem Ziel der Inszenierung von soldatischer Männlichkeit als vulnerabel und von Soldaten als Opfer der weiblichen Zivilbevölkerung weist auch Higate (2007: 107) für die Selbstdefinition von UN-Peacekeepern in Bezug auf Prostitution für den Kongo und Sierra Leone nach. Diese Umkehr stellt, wie bereits in den vorherigen Kapiteln erarbeitet, eine der wichtigsten gegenwärtigen militärischen Männlichkeitsdiskurse dar. Den lokalen Frauen wird dabei Handlungsmächtigkeit zugeschrieben, die sie möglicherweise so nicht besitzen, da sie aufgrund einer schwierigen wirtschaftlichen Lage die Beziehung mit einem Soldaten gegen Geld als einzige Möglichkeit sehen, die Familie zu ernähren. Zugleich werden die Soldaten von ihrer eigenen Verantwortung für ihr Vorgehen entlastet: „The framing of a virulent masculinity in pursuit of a passive femininity is reconfigured. In this way, masculinity was presented as vulnerable to the predatory approaches of women and girls noted to be instrumental in exploiting the biological needs of their clients“ (ebd.: 107). Indem die Soldaten sich eigener Verantwortlichkeit entziehen, braucht das Ansehen der Bundeswehr im Einsatzland nicht gefährdet zu werden. Außerdem kann so der Angst entgegengewirkt werden, dass die Frauen und Familien zu Hause diese Beziehungen mitbekommen könnten und dadurch Druck auf die Soldaten ausüben, was als die Einsatzbereitschaft gefährdend angesehen wird.11

1 2 . 4 D e r E i n s a t z i n Af g h a n i s t a n Der Leitfaden zu Afghanistan widmet sich ausführlicher den „Umgangsformen in einer islamischen Gesellschaft“, vor allem im Umgang mit Frauen. Es wird thematisiert, ob das „in unseren Augen überkommene Bild der Frau“ (Zentrum für Nachrichtenwesen 2002b: 41) nicht dazu ermutigen sollte, „Frauen offen und unvoreingenommen gegenüberzutreten, um bewusst ein Zeichen zu setzen, dass man ihre Unterdrückung nicht gutheißt“ (ebd.). Diese Option wird jedoch ausgeschlossen und auf die Prinzipien der UN hingewiesen. Man habe die islamischen Traditio-

11 Diese Argumentationslinie wird auch für den Umgang mit Prostitution im Einsatz verfolgt (Kempe 2004). 223

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nen zu respektieren und „unsere Wertvorstellungen von Recht und Freiheit auf afghanische Verhältnisse übertragen zu wollen, […] zu unterlassen, um Spannungen und Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung zu vermeiden“ (ebd.: 42). Man tue der afghanischen Frau keinen Gefallen, wenn man sie wie eine Europäerin behandele, sondern bringe sie in Schwierigkeiten: „Den gesellschaftlichen Wandel in Afghanistan zu beschleunigen ist nicht Aufgabe von ISAF“ (ebd.). Für den Kontakt mit der Zivilbevölkerung werden ähnliche Verhaltensregeln wie für Bosnien und Herzegowina erwähnt: Die Beziehung zu einer afghanischen Frau könne nur in einer Ehe enden (ebd.: 43), über eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch potenzielle sexuelle Kontakte ist allerdings nichts zu lesen. Das Geschlechterverhältnis der lokalen Bevölkerung wird weiter im Abschnitt über den Islam thematisiert: Der Islam werde in Afghanistan sehr streng ausgelegt, das Land habe jahrzehntelang kaum Kontakt zur westlichen Kultur gehabt, daher sei der Respekt vor der Religion unabdingbar. Frauen litten besonders unter den Taliban und würden daher auch heute noch „zurückhaltend auf die neuen Freiheiten“ (ebd.: 125) reagieren. Die Gesellschaft wird als vom Mann sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Bereich dominiert verstanden, dies werde sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern, da der Islam der Frau eine untergeordnete Rolle zuweise (ebd.: 126). Der Abschnitt endet mit Anweisungen, in welcher Reihenfolge die Afghanen zu begrüßen seien, und mit dem Hinweis, dass das Alter neben dem Geschlecht das wichtigste soziale Strukturmuster darstelle. Es folgen recht ausführliche Darstellungen der verschiedenen ethnischen Gruppen, der Konfliktlage, eine umfangreiche Einführung in den Islam, in dem das Geschlechterverhältnis verschiedentlich thematisiert wird, so in der Frage der (Familien-)Ehre, in der Bedeutung der Reproduktion für die Wertschätzung der afghanischen Frau und in der Frage nach dem Schleier. Der Abschnitt über den Schleier ist verhältnismäßig progressiv geschrieben: So wird darauf verwiesen, dass der Schleier nicht immer ein Zeichen der Unterdrückung sei, diese Annahme sei ein „Fehler westlicher Feministinnen“, die „jede verschleierte Frau als armes unterdrücktes Geschöpf“ (ebd.: 70) sehen würden, sondern dass es durchaus auch ein Symbol des Widerstands gegen die patriarchale Gesellschaft sein könnte. Das Tragen des Schleiers sei ein Problem für die westliche Welt, spiele aber für die Menschen vor Ort keine Rolle. In einem Abschnitt über Soldatinnen wird die Rolle „starker Frauen“ (ebd.: 71) im Islam verdeutlicht und auf weibliche Fallschirmjäger hingewiesen. Es wird betont, dass „die Frau als Soldatin akzeptiert [wird, 224

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C.D.] – gleich ob afghanischer oder erst recht ausländischer Herkunft“ und „nur ein paar extreme afghanische Machos meinen, dass Soldatinnen einer anderen Funktion als nur der militärischen zuzuordnen sind“ (ebd.). In dem Leitfaden für Afghanistan wird die Stereotypisierung „der afghanischen Frau“ festgeschrieben, die sich nicht mit einer Europäerin vergleichen lasse. Es wird davon ausgegangen, dass „die afghanische Frau“ pauschal unterdrückt wird, zurückhaltend ist und dass die westlichen Lebensgewohnheiten ihr fremd seien.12 Die afghanische Frau wird mit der Europäerin kontrastiert, um ihre Andersartigkeit zu unterstreichen. Diese rhetorische Strategie kennzeichnet den neoorientalistischen Wissensdiskurs, der das „Andere“ mit dem Ziel abwertet, externe Interventionen zum Ziel der Veränderung dieser Verhältnisse zu legitimieren (Brunner 2006: 179). Die „orientalische“ Frau diente bereits während der Kolonialzeit als Gegenbild zu Europa (Kreile 2007: 3; Loomba 2003: 152ff.). Dass die Soldatinnen und Soldaten der ISAF-Truppe diese Veränderungen keinesfalls initiieren sollen, darauf weist der Leitfaden zwar hin, zugleich ist jedoch in die Struktur des Einsatzes bereits von Beginn eine Paradoxie eingeschrieben worden: So ist in den für den Einsatz relevanten UN-Resolutionen 1386 (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2001a) und 1383 (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2001b) von einer „gleichberechtigungsorientierten […] Regierung“ (ebd.), die Re12 In der gesamten Geschichte Afghanistan stellte die Frage nach den Genderverhältnissen eine Ressource in den politischen Auseinandersetzungen zwischen staatlichen und familiären, tribalen Gemeinschaften dar (Kreile 2002, 2007). Kreile (2002) weist darauf hin, dass die „Geschlechtertrennung und der weitgehende Ausschluss der Frauen aus dem öffentlichen Raum […] bis in die jüngste Zeit ein zentrales Strukturprinzip der afghanischen Gesellschaft dar[stellte, C.D.]“ (ebd.: 41). Allerdings sind die Stadt-Land-Differenz, Klassenunterschiede und die subjektiven Bewertungen Variablen, die ein einheitliches Bild der „unterdrückten Frau“ nicht zeichnen lassen. So empfinden viele Frauen die räumliche Trennung von den Männern im Alltagsleben nicht als Einschränkung, sondern eher als Freiheit von den als minderwertig angesehenen Männern (Moos 1998: 134). Die Frauen sind hoch anerkannt und ihre Funktionen für die Gemeinschaft ebenso wichtig wie die der Männer. Da die Frauen ein Symbol für die Ehre der Männer darstellen und dadurch die Ehre und die Identität der Männer definieren, besitzen sie dementsprechend großen Einfluss auf die Gestaltung der Sozialordnung (Schetter 2003: 27). Selbst zur Zeit der Taliban, während der die Unterdrückung, oder der Schutz der Frauen durch die Männer besonders extrem durchgesetzt wurde, konnte die Geschlechtertrennung gerade in den ländlichen Bereichen nicht vollkommen durchgesetzt werden, da auf die Arbeitskraft der Frauen in der Landwirtschaft nicht verzichtet werden konnte (Kreile 2002: 44). 225

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de. Auch die afghanischen Truppen seien verpflichtet, die Menschenrechte „einschließlich der Achtung der Rechte der Frauen“ (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2001a) einzuhalten. Das westliche Prinzip der Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird als eine zentrale Prämisse des Aufbaus neuer staatlicher Strukturen festgelegt, auch die UN-Resolution 1325 (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2000) fordert dies nachhaltig. Dieses Paradox wird formal in den „Vereinbarungen zum Status der International Security Assistance Force“ (Zentrum für Nachrichtenwesen 2002b: 157ff.) aufgelöst, wenn die Achtung der afghanischen Gesetze insoweit eingeschränkt wird, als sie mit der UN-Resolution 1386 vereinbar sein müssen. Dies bedeutet, dass die Sanktionierung der Verletzung der Rechte von Frauen im Prinzip möglich wäre. Wie allerdings in dem Leitfaden deutlich wird, betonen die deutschen Streitkräfte, dass die Norm des unparteiischen Peacekeepers und die Akzeptanz der lokalen Traditionen über der Durchsetzung der Norm der Frauenrechte zu stehen haben. Dieser kulturrelativistische Ansatz, der die Unparteilichkeit über die Menschenrechtsfrage stellt, wird mit einem rhetorischen Kunstgriff unterstrichen, indem sich explizit von den „westlichen Feministinnen“ abgegrenzt wird, denen ein falsches Frauenbild unterstellt wird. Die Bundeswehr suggeriert damit, dass die deutsche militärische Friedensmission ein besseres Verständnis für die Situation der Frauen vor Ort mitbringt, als die – eigentlich dafür zuständige – Frauenbewegung. Zugleich wird sich hier der Argumentationsstruktur poststrukturalistischer oder postkolonialer feministischer Ansätze bedient, die darauf hinweisen, dass die Frau nicht per se unterdrückt sei, sondern dass der Schleier auch ein Zeichen des Widerstands sein kann (Fanon 1980: 35ff.). Damit wird potenzieller Kritik von Seiten der feministischen Bewegung der Wind aus den Segeln genommen, zugleich aber auch das im Vorfeld gezeichnete Bild der unterdrückten afghanischen Frau widerlegt. Damit inszeniert sich die Bundeswehr als reflektierte Organisation, die in der Lage ist, mit den widersprüchlichen Realitäten der Genderverhältnisse angemessener und besser als andere umzugehen. Das Verhältnis zwischen den Männern der lokalen Gesellschaften wird in den Leitfäden lediglich einmal, für Albanien, thematisiert (siehe Abschnitt 12.3; Zentrum für Nachrichtenwesen 2002a: 48). Hier wird betont, dass die Männer miteinander sehr herzlich umgehen, dass dies aber keineswegs sexuell konnotiert sei. In einem Interview mit dem Truppenpsychologen des Einsatzführungskommandos, der Einsatzerfahrung in Afghanistan besaß, tauchte eine ganz ähnliche Narration auf:

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„Soldaten kommen zu mir und sagen: ,Die sind ja alle schwul.‘ Da sag’ ich: ,Warum?‘ ,Ja, die laufen Händchen haltend über die Straße, für die kämpf’ ich nicht.‘ Dann hab’ ich denen erst mal erklärt, dass es in Asien zwar vollkommen unmöglich ist, auf der Straße für Mann und Frau sich Händchen zu geben, da ist man sofort im Gefängnis, in einigen Ländern, Kabul bestimmt, ja. In Indien war das auch noch so, bis vor, na ja, vor zehn, fuffzehn Jahren, ich weiß nicht, wie’s heute ist, vielleicht auf dem Lande immer noch so. Aber als Mann ist das ganz toll, Sie müssen ja auch mal jemand anfassen, immer noch mal die Wärme einer Hand spüren, ja?13 Es ist ganz normal, dass ein Mann hockt, ein anderer hockt ihm auf dem Schoß! Deshalb ist er noch lange, wahrscheinlich nicht schwul, es gibt auch Schwule da, aber, das heißt das überhaupt nicht, ja? Also die Soldaten und auch die Soldatinnen finden da vieles blöd, bis dahin, dass sie gesagt haben: ,Wozu sind wir eigentlich hier? Für solche blöden Deppen und so machen wir das nicht!‘ also, schwul, sonst was, ja?“ (Rampe, m, Truppenpsychologie im Einsatzführungskommando).

In diesem Zitat14 wird suggeriert, dass die Soldatinnen und Soldaten einen Einsatz für „Schwule“ ablehnen. Die Macht der heterosexuellen Matrix in Kombination mit der ihr inhärenten Homophobie, die die militärische Männlichkeit auszeichnet, wird in diesem Zitat besonders deutlich. Die explizite Abgrenzung und Abwertung von homosexueller Männlichkeit gehört zum Konstruktionsprozess der hegemonialen Männlichkeit und ist eine der zentralen oppositionalen und untergeordneten Männlichkeiten (Connell 1999: 99f.). Homosexuelle Männer werden mit Weiblichkeit gleichgesetzt (ebd.: 99), erst über den Ausschluss von Homosexualität kann Heterosexualität realisiert werden (Butler 1991, siehe Kapitel 5). Im Militär ist Homosexualität besonders problematisch, da die militärische Männlichkeit vor der Öffnung für Frauen auf dem Ausschluss von allem weiblich Konnotierten basierte und zugleich das enge Zusammenleben von Männern reguliert und desexualisiert werden musste.

13 Der Truppenpsychologe hatte zuvor sehr ausführlich dargelegt, dass dieses Verhalten der Männer untereinander absolut verständlich sei: „Ich bin immer nur mit Männern umgeben, die Frauen habe ich entweder ganz verhüllt oder nur zu Hause in der Familie, da ist sowieso alles anders – ja, dann ist es doch eigentlich egal! Also, ne? Auf was soll ich Rücksicht nehmen“ (Rampe m, Truppenpsychologe im Einsatzführungskommando). 14 Ob diese Narration so tatsächlich erlebt wurde, kann hier nicht beantwortet werden. Da der Truppenpsychologe jedoch in der Betreuung der Soldatinnen und Soldaten und der im Einsatz vertretenen Truppenpsychologen und -psychologinnen eine wichtige Rolle spielt und damit über Definitionsmacht verfügt, hat er im Diskurs eine machtvolle Definitionsposition. 227

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In der Bundeswehr ist es offiziell erst seit dem Jahr 2002 mit der Veröffentlichung des Sexualitätserlasses (Anlage B 173 zu ZDv 14/3; siehe Kapitel 10), der Sexualität zur Privatsache erklärt, für Homosexuelle möglich, sich für eine Laufbahn als Berufssoldat zu bewerben. Dass dies parallel zum Umgang von Soldatinnen und Soldaten geregelt wurde, weist noch einmal darauf hin, wie in den militärischen Diskursen Homosexualität mit Weiblichkeit verknüpft wird. In diesem Kontext bekommt der Diskurs um Homosexualität allerdings noch einmal besondere Bedeutung, da die Homosexualisierung und Feminisierung des „orientalischen Mannes“ ein Kennzeichen westlicher postkolonialer Diskurse darstellt (Loomba 1998: 152f.). Dass sich die Soldatinnen und Soldaten in der Narration weigern, diese derart konstruierten Afghanen zu verteidigen, zeigt, dass der traditionell militarisierte Männlichkeitsdiskurs – der Soldat als Verteidiger des Heimatlandes, der Frauen und Kinder zu beschützen hat – reaktiviert wird. In dieser Metapher ist die Verteidigung homosexueller Männer „fremder“ Kulturen nicht enthalten, stellen diese doch das dar, gegen das sich im Rahmen der Selbstdefinition abgegrenzt werden muss. Dieses Soldatenbild widerspricht damit dem eigentlich propagierten Bild des Vermittlers, Schlichters, Helfers. Als besonders problematisch für den Einsatz wird das Verhalten weiblicher Soldaten in Afghanistan thematisiert. Für Soldatinnen müssten im Einsatz, nach Meinung vieler Soldaten, besondere Regeln gelten: Gerade in islamischen Ländern hätten sich Soldatinnen besonders rücksichtsvoll zu verhalten, wie z. B. nicht mit offenen blonden Haaren und Shorts durch die Straßen zu laufen. Die afghanischen Männer seien den Anblick nackter Arme nicht gewöhnt und würden daher die Soldatinnen besonders intensiv anschauen. Es werden in den Interviews meist verschiedene Situationen von Interaktionen weiblicher Soldaten mit der Zivilbevölkerung erzählt, in denen „Schlimmeres“ gerade noch verhindert werden konnte, wobei sich das „Schlimmere“ in Andeutungen verliert. So erzählt ein Hauptfeldwebel des Sanitätsdienstes folgende Begebenheit: „I.: Was würden Sie einer Soldatin für Ratschläge mit auf den Weg geben? F: Ich würde ihm wahrscheinlich, oder ich würde dem weiblichen Soldaten genau das Gleiche sagen wie dem männlichen Soldaten auch: Dass Zurückhaltung gerade für die Frauen, wenn es um den Einsatz in einem islamischen Land geht, da kann ich nicht so selbstbewusst auftreten, wie in einer, ich sag’ mal, in einer westlichen Welt. Das heißt, das Haar muss dann auch hinten zu einem Zopf verbunden sein oder ganz unter die Kopfbedeckung, die Ärmel sollten schon runtergekrempelt sein und man sollte sich − obwohl als weib-

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licher Soldat kann man sich in der Uniform nicht aufreizend bekleiden –, aber man sollte schon eine weite Jacke. Also, Sie verstehen, was ich meine. I: Ja, Ja, Ja, klar. F: Das ist für die, also, ich hab’s erlebt, da bin ich auf Unverständnis gestoßen: Wir haben einen weiblichen Soldaten mitgehabt, Stabsunteroffizier, von der Sanitätstruppe und wir sind auf die eine Schießbahn gefahren in Afghanistan und die war dann ruck, zuck umringt von vierzehn-, fünfzehnjährigen Jungs. Die konnten das nicht begreifen, das hat man zumindest vom Gesicht her gesehen, warum sie ihre Ärmel hochgekrempelt hatte oder weil da mal eine Haarlocke runter… Ist für die nicht nachvollziehbar. Die haben mich auch immer gefragt, ist das deine Frau? Ist das deine Frau? Sie kennen es nicht anders. I: Für die Soldatin war das eine ungewohnte oder eine unerwartete Situation? F: Ja, Ja. Wobei ich mir gewünscht hätte, sie wäre mehr auf Distanz gegangen. Also sie hat zwar versucht, das Eis zu brechen, aber da war sie schon zu einnehmend und dann kann auch was anderes daraus gefolgert werden. Also nicht barsch oder so, aber halt auf Distanz. Wie sie sich insgesamt halt auf Distanz halten sollte“ (Frank, m, Feldwebel, Sanität).

Der Soldat beginnt seine Narration damit, dass er im Prinzip nicht zwischen Soldatinnen und Soldaten unterscheidet, revidiert dies im nächsten Satz allerdings sofort wieder. Für ihn gehören selbstbewusste Frauen mit offenem lockigem Haar in die „westliche Welt“. Das Haar habe frau zu bedecken, sie habe die Ärmel herunterzukrempeln und sich nicht aufreizend anzuziehen. „Man geht eben nicht mit offenen, blonden Haaren in Afghanistan durch die Straßen“, so auch Soldatin Berghahn, Referentin für Frauenfragen im BMVG.15 In den Leitfäden werden das Bedecken der (weiblichen) Haare und der Arme nur für den eher unwahrscheinlichen Besuch einer Moschee angeraten, nicht jedoch für das Verhalten in der Öffentlichkeit im Allgemeinen. Das heißt, in der sozialen Praxis wird aus dem eher unwahrscheinlichen Fall eine generelle Verhaltensvorschrift für Frauen für alle Situationen im Kontakt mit der Zivilbevölkerung. Die „Gefahr“, die nach Meinung des Soldaten Frank, von den lokalen Männern ausgeht, ist das „Anschauen“. Dieses Anschauen wird bereits als Angriff auf die Frauen gewertet, die es – daran anschließend – zu „verteidigen“ gilt. Hier wird die gleiche Narration verwendet, die in den bereits zitierten Leitfäden für den Umgang mit der muslimischen Bevölkerung zu finden 15 Ein ganz ähnliches Zitat findet man in Petersen (2005), die Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan befragt hat: „Nur wenn man zu Einsätzen rausfahre, müsse man schon aufpassen, wo man Frauen mit hinnehme. An Checkpoints und bei Unruhen tut man denen keinen Gefallen in dieser Gesellschaft‘“ (Petersen 2005: 40). 229

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ist: „Kein Blickkontakt mit Frauen, die sich in Begleitung eines Mannes befinden. Dies könnte bei den begleitenden Männern zu Abwehrreaktionen (Schutzhaltung) führen“ (Amt für Nachrichtenwesen 2000: 16). Die traditionelle westliche Genderdichotomie des die Frau vor anderen Männern beschützenden Mannes wird offensichtlich. Diese Narration wird durchkreuzt bzw. relativiert, indem die Sexualisierung des „Anderen“ – hier sowohl des Weiblichen als auch des „orientalischen“ Mannes – hinzugefügt wird. Dies wird besonders in dem folgenden Zitat des Truppenpsychologen Rampe deutlich: „R: Und es ist offenbar so, das haben mir auch Dolmetscher erzählt, wenn eine Frau mit offenen Haaren, lange Haare, möglicherweise noch blond, und laufen da rum und haben das Gesicht nicht verschleiert, ja, haben möglicherweise sogar im Sommer die Ärmel hochgewickelt, ja, das ist ja schon, als wenn man bei uns die Pobacken zeigt, ich will das jetzt mal, also, ich bitt’ Sie, das jetzt nicht so ernst, aber ich meine, man muss versuchen, unsere Wahrnehmung in die Relation zu setzen, ja? Die machen das auch nicht, diese afghanischen Männer, weil sie die nun ärgern wollen, sondern die haben ja sonst kaum die Gelegenheit. Ich könnt’ sie jetzt mal angucken, ich mein’, wenn die da rumläuft, so, die wird schon wissen, warum. Wie gesagt, noch mal das Verhältnis: Bei uns, ja, ’ne Prostituierte, würde keiner denken, dass man die anguckt, weil, dafür steht die ja da, ja? Und wenn ’ne Frau wahrscheinlich so da steht, das haben mir Afghanen so erzählt, wenn ’ne Frau so da steht, tja, wenn sie sich nicht selber schützt, wenn sie was überhängt, dann hat sie kein Interesse. Aber wenn sie sich so hinstellt, dann hat sie bestimmt auch nichts dagegen, sonst würd’ sie ja nicht so rumlaufen, wenn die das stören würde… I: Hm, obwohl sie eben in Uniform dann natürlich da rumläuft? Oder? R: Ja, das spielt ja keine Rolle“ (Rampe, m, Truppenpsychologe, Einsatzführungskommando).

In diesem Interviewausschnitt wird zum einen noch einmal das Bild der offenen, blonden, langen Haare beschworen, die als das Symbol erotischer Weiblichkeit erscheinen. Zum anderen wird die Soldatin diskursiv mit einer Prostituierten gleichgesetzt. Besondere Legitimation erhält diese Narration für Rampe darüber, dass sie sowohl von dem Dolmetscher als auch von den Afghanen selbst erzählt wurde, damit also authentisch die Meinung der lokalen Zivilbevölkerung widerspiegele und keinen Widerspruch dulde. Zwar weist er selbst darauf hin, dass die Ineinssetzung der „entblößten“ Soldatin mit einer Prostituierten nicht allzu ernst zu nehmen ist, dennoch ist die Gleichsetzung von Soldatinnen mit Prostituierten eine zentrale militärische Narration, die sich auch historisch nachweisen lässt (Hacker 1998: 177). In dem Zitat von Soldat Frank wird der Generalverdacht ausgesprochen, dass die lokalen Männer ein 230

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zu „einnehmendes“ Verhalten der weiblichen Soldaten als „Anmache“ verstehen könnten. Der „afghanische“ Mann wird sexualisiert und in der Tradition der abendländischen Feindkonstruktion als potenzieller Vergewaltiger konstruiert (Wenk 2005: 83). Teilweise wird dies den Soldatinnen selbst auch bereits in der Einsatzausbildung unter dem Aspekt der interkulturellen Rücksichtnahme antrainiert: „Man guckt keinem Mann direkt in die Augen […], ich weiß, dass ich in manchen Situationen einen männlichen Begleiter brauche, weil ich als Frau als Ansprechpartner nicht ohne Weiteres akzeptiert werde, dann nehme ich mir einen männlichen Ansprechpartner mit […]. Aber dann weiß ich, so läuft das mit den Verhandlungen und ich bin gerüstet“ (Berghahn, Offizier, Referentin für Frauenfragen im BMVG).16

Diese Soldatin sieht sich zuerst als Frau in einem männlich dominierten Umfeld, auf das sie Rücksicht zu nehmen hat. Dazu gehört, Männern nicht in die Augen zu schauen und immer einen männlichen Begleiter an der Seite zu haben. Diese Verhaltensregeln geben ihr Sicherheit in der Erfüllung des militärischen Auftrags und werden von ihr akzeptiert. Eine Folge dieser Verhaltensregeln ist, dass die Soldatinnen besonders geschützt werden müssen: „Wir haben es dann irgendwann so gemacht, dass wir gesagt haben, wir stellen lieber mindestens einen Soldaten daneben. Das ist in islamischen Ländern so. Normalerweise wären das dann der Bruder oder der Onkel oder der Cousin, ja, hier hat der zumindest die gleiche Uniform an, ja, oder so ’ne Wumme in der Hand, das wirkt doch auch irgendwie“ (Rampe, Truppenpsychologe im Einsatzführungskommando).

Der männliche Soldat wird in dieser Narration als Familienmitglied definiert, welches in der patriarchalen Gesellschaft den Schutz der weiblichen Mitglieder übernimmt. Dieses Äquivalent zur familiären Gemeinschaft wird nach außen über die Uniform hergestellt, sollte diese Strategie allerdings nicht ausreichen, dann sei die Waffe als Druckmittel gegen potenzielle Belästigung anzubringen. Interessant ist an allen diesen Narrationen, dass die Soldatin im Kontakt mit der Zivilbevölkerung zuerst als Frau gesehen und konstruiert wird, weist doch der Leitfaden für Afghanistan andererseits darauf hin, 16 Soldatin Vogt, die in Mazar-I-Sharif eingesetzt war, hat derartige Verhaltenshinweise für Frauen nicht bekommen. Allerdings hat sie auch an der Einsatzvorbereitung für Bosnien teilgenommen, wie sie betont. 231

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dass Soldatinnen von der Zivilbevölkerung primär in ihrer militärischen Funktion gesehen werden und nur ein „paar extreme afghanische Machos“ (Zentrum für Nachrichtenwesen 2002b: 71) die Soldatinnen nicht als solche anerkennen. Batt/Valenius (2006), die in ihrer Untersuchung der Umsetzung von Gender Mainstreaming in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ähnliche Erkenntnisse gesammelt haben, resümieren: „The fear that female soldiers might encounter resistance from the men in Muslim societies is not justified. In fact, many states that have Muslim majo– rities or that define themselves as Muslim states, such as Iran, Syria, Indonesia, Libya and Pakistan, have women in the military and sometimes women even serve in combat units. In those societies men react to the uniform, not to the sex of the soldier“ (ebd.: 9).

Dass Frauen nicht ohne männliche Begleitung in Kontakt mit der Zivilbevölkerung treten dürfen, wird besonders in der Marine für den Aufenthalt in Dschibuti diskutiert.

1 2 . 5 D e r E i n s a t z a u f d e m S c h i f f : D sc h i b u t i Das, was für die Soldatinnen und Soldaten in Heer und Sanität Afghanistan symbolisiert – das gefährliche, islamische „Andere“ –, ist für die Soldatinnen und Soldaten der Marine der Auslandshafen Dschibuti. „Dschibuti ist ein heißes Pflaster“, so resümiert Soldatin Meier (Unteroffizier, Marine) ihre Erfahrungen an Land. Auch für Soldat Froschauer (Unteroffizier, Marine) stellt Dschibuti den gefährlichen Auslandshafen schlechthin dar: „Also, ich sag’ mal, als wir das erste Mal nach Dschibuti gefahren sind, und das eben, sag’ ich mal, na mehr oder weniger ein labil, stabiler Staat ist, ja, da wurde eben gesagt, also geht nicht in diese Gebiete, da fahren selbst die Fremdenlegionäre nicht rein“. Wie gefährlich dieser Auslandshafen ist, verdeutlicht er damit, dass selbst die Fremdenlegionäre nicht in bestimmte Gebiete gehen würden. Die Soldatinnen und Soldaten, die Wachgänge an Land zu absolvieren haben, fühlen sich bedroht und thematisieren dieses Gefühl vor allem, wenn sie nach dem Umgang mit Waffen gefragt werden: „Das waren die einzigen Male, wo wir dann halt Waffen in Gebrauch haben. Ist eben in der Wache, wenn wir im Hafen liegen. Na ja, okay, in Dschibuti dann halt unten die Posten mit ’nem Gewehr“. Dschibuti ist ebenso wie Afghanistan mit der Gefährdung für Leib und Leben verknüpft.

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Auch in den Narrationen zu Dschibuti ist – ebenso wie in den Narrationen zu Afghanistan – der Umgang mit den Soldatinnen der zentrale Dreh- und Angelpunkt: „Wir mussten ja als Frauen in Begleitung von Männern, im Oman und in Dschibuti durften wir nicht alleine von Bord, pro Frau mindestens ein Mann. […] Deswegen, bei der ersten Musterung wurde groooß ausgeholt, dass irgendwie die Frauen nicht alleine an Land gehen dürfen, weil es ist nunmal ein muslimisches Land, dass man schon darauf achten sollte, wohin man geht“ (Lange, w, Offizier, Marine).

Für Dschibuti wird genau wie für Afghanistan ein Bedrohungsszenario, ein bedrohliches Umfeld für den Landgang der Soldatinnen und Soldaten, definiert. Begründet wird dies in diesem Fall mit der islamischen Religion, die von den Frauen besondere Verhaltensregeln erforderte. Zwar ist es in allen Einsätzen so, dass die Soldatinnen und Soldaten sich in keinem Fall allein außerhalb des Lagers oder des Schiffes bewegen dürfen, jedoch wird im Fall der Marine die Einschränkung vorgenommen, dass Frauen nur in Begleitung eines Mannes den Hafen besichtigen dürfen. Die Soldatinnen selbst werden damit in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt und müssen sich damit arrangieren: „Da habe ich mich irgendwann an die Stelle hingestellt und gewartet, bis da jemand kommt. Und habe mich dreisterweise einfach einmal angeschlossen. Ich meine, was anderes bleibt ja nicht übrig“ (ebd.). Soldatin Lange bezeichnet ihr Verhalten als dreist, obwohl sie zugleich betont, dass ihr das sehr unangenehm und es für sie anstrengend ist. Es käme zu „ganz komischen Konstellationen“, wer mit wem unterwegs ist. Dies kann insofern problematisch sein, als an Bord eine strenge soziale Gruppeneinteilung herrscht und die Soldatin riskiert, persönlich zurückgewiesen zu werden. Die Einschränkungen beziehen sich jedoch nicht allein auf den Landgang an sich, sondern auf alle Bereiche des Umgangs mit der Zivilbevölkerung: „Quasi in Geschäften gucken, kann ich als Frau da überhaupt einkaufen oder nicht bzw. passen wir uns den Gegebenheiten dann an, und ich sage, was ich haben möchte und der Kerl, der kauft. Das hatten wir also teilweise auch. Vor allem in Lokalitäten, ich hab’ immer, ich hab’ nicht bestellt, für mich wurde bestellt, vor allen Dingen, ich wurde auch gar nicht so richtig beachtet. Andere Länder, andere Sitten“(ebd.).

Interkulturelle Kompetenz bedeutet demnach im Fall dieser Soldatin, dass sie sich ihren männlichen Kameraden in der Öffentlichkeit vor Ort unter Verweis auf die lokalen Genderordnungen „andere Länder – ande233

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re Sitten“ unterordnet. Dadurch, dass sie selbst das Gefühl hat, nicht richtig „beachtet“ zu werden, ist dieses Verhalten auch aus ihrer Sicht die einzige Möglichkeit überhaupt, ihre Bedürfnisse zu erfüllen.

12.6 Genderkonstruktionen im Einsatz Die länderspezifischen Leitfäden sind primär an männliche Soldaten gerichtet, denen ein sehr zurückhaltender Umgang mit der weiblichen muslimischen Bevölkerung angeraten wird. Weder im Leitfaden für Bosnien und Herzegowina noch im Leitfaden für den Kosovo werden die Massenvergewaltigungen an Frauen thematisiert. Dies ist insofern erstaunlich, als erst durch die Berichterstattung über Vergewaltigungen an bosnischen-muslimischen Frauen der Krieg in Bosnien an die Öffentlichkeit gelangte, folgt man der These von Klaus/Kassel (2003: 23ff.). Der Kontakt mit Vergewaltigungsopfern in Bosnien und Herzegowina, aber auch im Kosovo ist daher für die Soldatinnen und Soldaten durchaus wahrscheinlich. Interkulturelle Kompetenz beschränkt sich in der Bundeswehr scheinbar nur auf den Kontakt zwischen den Religionen, zum Umgang mit Gewaltopfern werden keine Angaben gemacht. In den Erzählungen über Afghanistan und Dschibuti wird die Stereotypisierung „der afghanischen Frau“ festgeschrieben und es werden spezifische Verhaltensregeln für Soldatinnen eingefordert. Von ihnen wird eine besondere Zurückhaltung sowohl im Handeln als auch in ihrer äußeren Erscheinung verlangt. Die Soldatinnen übernehmen diese Diskurse und reproduzieren damit die traditionelle militärische Genderordnung. Die jeweils dargestellten Genderverhältnisse ähneln sich: Auf der Expertenebene werden die besonderen Eigenschaften von Soldatinnen als Frauen herausgestellt. Vor allem für einen islamischen Kontext werden die für die Erfüllung des militärischen Auftrags wichtigen Funktionen, die Frauen ausüben können, betont. Die Soldatin kann damit in den Augen der bundeswehrinternen Experten zur Rettung der Ehre eingesetzt werden, steht damit also quasi als Symbol für die Ehre der lokalen Bevölkerung und damit auch für die Ehre der Bundeswehr. Dass eine Hausdurchsuchung unter der Anwesenheit von Frauen als weniger entehrend empfunden wird, mag durchaus sein, dennoch stellt sich hier die Frage, ob eine Hausdurchsuchung durch westliche Streitkräfte generell nicht einen massiven Eingriff in die Privatsphäre darstellt, so dass der Versuch, diese Verletzung von Menschenrechten über den Einsatz von Frauen auszugleichen, vor allem als legitimatorische Strategie gesehen werden kann.

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Die in diesen Szenarien eingesetzte Soldatin hat, so lassen sich die Aussagen der Experten und Expertinnen weiter interpretieren, dem westlichen Weiblichkeitsideal zu entsprechen: Sie kümmert sich um die Flüchtlinge, sie deeskaliert und solidarisiert sich mit den lokalen Frauen. Es wird davon ausgegangen, dass die Soldatinnen sich als Frauen mit bestimmten weiblichen Eigenschaften definieren, die wiederum zur Erfüllung des Auftrags eingesetzt werden können. Damit wird von oberster Stelle die Vorgabe diktiert, dass die Soldatinnen weiblich zu bleiben haben, um diese Weiblichkeit gezielt einsetzen zu können. In den Erzählungen der Soldatinnen und Soldaten wird besonders Männlichkeit fokussiert, d. h. der Umgang der männlichen Soldaten mit der weiblichen Zivilbevölkerung. Es werden orientalistische Diskurse reaktiviert, die die westliche zivilisierte Welt, die die Soldaten repräsentieren, der nicht-westlichen unzivilisierten Welt gegenüberstellen. Das Außen wird nur stereotyp wahrgenommen, es erscheint bedrohlich und wird verweiblicht. Im Fall der Frauen auf dem Balkan sind die Frauen durch ihre Sexualität und Anziehungskraft für die männlichen Soldaten bedrohlich, im Fall von Afghanistan die islamischen Männer, die zum Teil auch als verweiblicht konstruiert werden. In den vorliegenden Erzählungen zum Einsatz geht es daher vor allem um die Aushandlung von Männlichkeit im Kontakt mit der männlichen Zivilbevölkerung, in deren Rahmen die Soldatinnen als „Verhandlungsmasse“ dienen. Beziehen sich die Aushandlungsprozesse auf die Zivilbevölkerung, werden die Soldatinnen als Teil der militärischen Gemeinschaft definiert. Sie sind besonders gefährdet und müssen daher gesondert geschützt werden. Bezogen auf militärinterne Verhandlungen werden die Soldatinnen allerdings immer wieder vom militärischmännlichen Soldatenbild ausgeschlossen. Die Soldatinnen selbst ordnen sich diesen Verhandlungsprozessen unter und bestätigen damit die untergeordnete weibliche Rolle, die ihnen im Einsatz zugewiesen wird. Diese Verschiebung und Neuorientierung der Subjektivationsprozesse kann durch die spezifische Situation des Auslandseinsatzes erklärt werden, in der der Druck von außen auf die Subjektidentitäten noch einmal besonders stark ist und die wenig Verhandlungsspielraum lässt. Daher bietet es sich an, den Einsatz in Anlehnung an Goffman als „total gegenderte Institution“ zu fassen, wie im folgenden abschließenden Abschnitt angedeutet.

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1 2 . 7 D i e B u n d e sw e hr i m E i n s a t z a l s „total gegenderte Institution?“ – E i n D e u t u n g s ve r s u c h Bereits Goffman thematisiert das Militär, vor allem das Kasernenleben unter dem Aspekt des von ihm entwickelten Konzepts. Studien zur militärischen Sozialisation griffen später auf Goffman zurück (vgl. zum Überblick Apelt 2004). Eine Verknüpfung mit der Genderforschung stellt u. a. Bereswill für die Situation jugendlicher Migranten im Strafvollzug her (Bereswill 2007). Das Konzept der totalen Institution entwickelt Goffman anhand einer umfangreichen Studie über eine psychiatrische Anstalt Mitte der 1950er Jahre. „Eine totale Institution lässt sich als Wohn- und Arbeitsstätte einer Vielzahl ähnlich gestellter Individuen definieren, die für längere Zeit von der übrigen Gesellschaft abgeschnitten sind und miteinander ein abgeschlossenes, formal reglementiertes Leben führen“ (Goffman 1973: 11). Er unterscheidet verschiedene Formen von totalen Institutionen: fürsorgliche (hier unterteilt er noch einmal in für die Gesellschaft „harmlose“ wie Altenheime, Waisenhäuser und „gefährliche“ wie psychiatrische Anstalten), Institutionen zum Schutz der Gemeinschaft vor Gefahren (Gefängnisse, Kriegsgefangenenlager, Konzentrationslager), Institutionen, in denen „arbeit-ähnliche“ (ebd.: 16) Aufgaben durchgeführt werden und die sich durch diese rechtfertigen wie Kasernen, Schiffe, Internate, Arbeitslager und religiöse Institutionen wie Klöster. In totalen Institutionen sind die Schranken von Arbeit, Schlafen und Freizeit aufgehoben und alle diesbezüglichen Tätigkeiten finden an ein und derselben Stelle unter derselben Autorität „in einer großen Gruppe von Schicksalsgenossen“ (ebd.: 17) statt. Der Tagesrhythmus ist genau vorherbestimmt und dient dazu, die offiziellen Ziele der Institution zu erreichen. Die Mitglieder sind im Großen und Ganzen von ihrer sozialen Umwelt abgeschottet und werden sowohl von dem Personal als auch von den Schicksalsgenossen bis in die intimsten persönlichen Bereiche überwacht. Den Subjekten wird bei Eintritt in die Institution das genommen, was ihre „Identitäts-Ausrüstung“ (ebd.: 29) ausmacht wie die Kleidung, Name oder Frisur, die Subjekte werden vereinheitlicht und der „Subjektcharakter“ (Apelt 2004: 31) der Individuen wird in Frage gestellt. Das Subjekt erleidet damit einen „bürgerlichen Tod“ (Goffman 1973: 26), es verändert sich und wird auch mit dem Verlassen der Institution bestim– mte Funktionen nicht mehr ausüben können. Es kommt damit zu einer massiven Unterbindung und Entwertung von Selbstbestimmung, Auto236

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nomie und Handlungsfreiheit der Subjekte und damit auch zum Verlust derjenigen Eigenschaften, die in der bürgerlichen Gesellschaft das männliche Subjekt kennzeichnete (siehe Kapitel 3). Allerdings sind die Mitglieder totaler Institutionen keineswegs nur hilflose Objekte, sondern entwickeln ausgeklügelte Widerstandsstrategien gegen die Institution: Diese Strategien, von Goffman als „sekundäre Anpassung“ (ebd.: 185) bezeichnet, sind der Versuch, die Vorstellungen der Institution, die diese von den ihr innewohnenden Subjekten hat, über soziale Praktiken zu unterlaufen und damit dieses offizielle Selbst abzulehnen. Das „Unterleben“ (ebd.: 169) totaler Institutionen ist ein zentraler Bestandteil des Funktionierens und der Stabilität der Institution. Die Institutionen wiederum reagieren auf dieses Unterleben mit dem Versuch, diese zu normalisieren und offiziell zu machen. So kommt es zum Einen zu einer Spannung zwischen der heimischen Lebenswelt der Individuen und der Lebenswelt in der Institution. Zum Anderen gibt es eine weitere Spannung zwischen dem offiziellen Ziel der Institution und der Handlungsrealität der Subjekte, da die Hauptaufgabe des Personals nicht primär in der Erfüllung des offiziellen Ziels liegt, sondern in der „Arbeit mit Menschen“ (ebd.: 78). Es geht dabei nicht um Dienstleistungen, sondern um die Verantwortung, die die Institution für den Insassen trägt. Inwieweit sich das Konzept der totalen Institution auch heute noch auf die Bundeswehr übertragen lässt, ist umstritten: So ist die Abschottung der Institution selbst kaum noch so stark wie früher, vor allem durch die modernen Kommunikationsformen, die hohe Fluktuation an Personal durch die Wehrpflicht und den großen Anteil an Zeitsoldaten. Auch spielt die Disziplinierung bis auf die ersten drei Monate der Grundausbildung kaum noch eine Rolle in der militärischen Lebenswelt und lässt sich nur schwer mit dem Staatsbürger in Uniform und der Inneren Führung vereinbaren. Der Totalitätsanspruch ist weitaus geringer als z. B. zur Zeit der preußischen Armeen (Apelt 2004: 32). Ein weiterer Aspekt ist, dass die Mitgliedschaft in der Bundeswehr an sich frei gewählt ist und nicht, wie in Goffmans psychiatrischer Anstalt aus Zwang heraus vollzogen wird. Daher ist es auch möglich, diese jederzeit wieder zu verlassen. Auch lassen sich die Soldatinnen und Soldaten nur schwer eindeutig in „Personal“ und „Insassen“ trennen, da letztlich fast alle Soldatinnen und Soldaten die Möglichkeit haben, über die militärische Befehlskette Macht über andere, ihnen Untergebene auszuüben. Dennoch sprechen einige Argumente dafür, Teilbereiche der Bundeswehr in Anlehnung an Goffmans Konzept als totale Institution zu beschreiben: Dies gilt vor allem für die dreimonatige Grundausbildung 237

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(ebd.) und für die Situation an Bord eines Schiffes und im Feldlager, da in den Erzählungen der Soldatinnen und Soldaten die Merkmale totaler Institutionen als zentrale Topoi auftauchen, wenn auch in abgeschwächter Form (auch Tomforde 2008: 14). Dazu gehören vor allem die spezifische Zeit-Raum-Struktur, die Trennung vom gewohnten sozialen Umfeld und die sozialen Beziehungen der Soldatinnen und Soldaten untereinander sowie der Verlust von Autonomie. So ist die Teilnahme an einem Einsatz insbesondere bei Berufssoldaten nicht freiwillig, sondern Befehl und Verpflichtung. Die Möglichkeiten, sich davon befreien zu lassen, sind zwar in besonderen sozialen Härtefällen gegeben, aber von den jeweiligen Vorgesetzten abhängig. In der Bundeswehr entstehen im Vergleich von Heimat und Einsatz zwei voneinander getrennte kontextspezifische Subjektidentitäten, von denen die einsatzunspezifische verhandelbar und variabel ist, wohingegen die einsatzspezifische Subjektivität sich auf traditionelle Normen bezieht und vor allem für die Soldatinnen nur wenig Verhandlungsspielraum lässt. Für die Erklärung von Bedeutungsverschiebungen von einer einsatzunspezifischen, verhandelbareren Genderordnung und den damit einhergehenden Subjektivationsprozessen zu einer einsatzspezifischen weniger verhandelbaren traditionelleren Genderordnung bietet sich Goffmans Ansatz besonders an, da er Raum und Zeitaspekte in die Analyse von Identitätskonstruktionen integriert. Es lassen sich 4 Bereiche herausarbeiten, mit denen der Einsatz als totale Institution beschrieben werden kann: 1. Besondere Raum- und Zeitstruktur Der Einsatz im Ausland ist sehr stark formalisiert. Sowohl die Einsatzvorbereitung als auch der – zum Zeitpunkt der Untersuchung noch sechsmonatige – Einsatz sind streng und sehr eng zeitlich strukturiert. Zwar gibt es die Möglichkeit, in dieser Zeit Urlaub zu nehmen und in die Heimat zu fliegen, dies wird von vielen Soldatinnen und Soldaten jedoch als zu großer Bruch empfunden, so dass sie diese Möglichkeiten kaum in Anspruch nehmen. Kontakte in die Heimat sind über Telefon, Internet oder postalisch möglich, wirklich intime Gespräche finden aufgrund der räumlichen Enge kaum statt. Die Situation im Feldlager wird beschrieben als „Eingepfercht-Sein da im großen Gefängnis“ (Ludwig, m, Offizier, Panzergrenadier). Die Soldatinnen und Soldaten haben wenige Möglichkeiten, sich individuelle Freiräume zu schaffen. Sie sind der ständigen Beobachtung durch die Gruppe unterworfen, insbesondere wenn es um den Kontakt mit dem anderen Geschlecht und mögliche Intimbeziehungen geht. Sie leben mit dem ständigen Gefühl der Bedrohung für das eigene Leben, sei es durch die ständige Minengefahr oder 238

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die kriegsähnliche Situation im Lager in Afghanistan. Die Abwesenheit von zu Hause, die Unsicherheit, ob die Familie und Freunde die Situation über eine derart lange Zeit mittragen (können), die räumliche Enge und die permanente Anspannung führen zu einer starken Verunsicherung der Soldatinnen und Soldaten. Sie sind verunsichert darüber, wie sie ihre individuellen Bedürfnisse nach Ruhe oder Intimität ausleben können oder auch welche Verhaltensweisen untereinander, aber auch im Kontakt mit der lokalen Bevölkerung die Richtigen sind. 2. Vorgabe von Interpretationsschemata Diese Verunsicherung wird von der Organisation z.T. aufgefangen, indem den Subjekten Interpretationsschemata vorgegeben werden (Goffman 1973: 92). Im Fall der Bundeswehr geschieht dies v.a. in Form von länderspezifischen Leitfäden und Verhaltensanweisungen für die Soldatinnen und Soldaten, die pauschale Verallgemeinerungen der menschlichen Natur beinhalten und die die Subjekte inkorporieren müssen. Diese Leitfäden beschreiben die Umwelt der Organisation als bedrohlich und konstruieren eine „heile“ innere Bundeswehrwelt. Zudem vermitteln sie sowohl für die lokale Bevölkerung als auch für die Einsatzkräfte eine Vorstellung einer Geschlechterordnung. Die Geschlechterordnung der lokalen Bevölkerung wird für alle Einsatzländer als traditionell beschrieben, die Frauen gelten meist als unterdrückt, die Familienstrukturen als patriarchal. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr werden als gleichberechtigt dargestellt. 3. Autonomieverlust Die besonderen Raum- und Zeitstrukturen, die Verunsicherung sowie die strengen formalen Verhaltensregeln führen für die Soldatinnen und Soldaten zu einem Autonomieverlust (Goffman 1973: 33) (siehe Kapitel 12). Bereswill (2007: 103) beschreibt dies in Anlehnung an Popitz als das Sichtbarwerden der „grundsätzliche Verletzungsoffenheit“ des Subjekts. Diese muss, damit das Subjekt nicht als schwach erscheint, abgewehrt und umgedeutet werden, was durch ein „übermächtiges Ideal von ehrenhafter Männlichkeit“, „ein so überzogenes, grandioses Autonomieideal“ (Bereswill 2007: 108) geschieht. Das bedeutet für die Soldatinnen und Soldaten in der konkreten Einsatzsituation die Inszenierung einer ebenso traditionell patriarchalen Geschlechterordnung wie sie in der lokalen Bevölkerung vermutet werden. Das heißt unter anderem die Frau unter besonderen Schutz des Mannes zu stellen.

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4. Widerstandsstrategien Mitglieder totaler Institution widersetzen sich jedoch auch dem starken Druck, den die Institution auf sie ausübt. Im Einsatz sind v.a. die Existenz und Wichtigkeit von Intimbeziehungen als solche Widerstandsstrategien zu verstehen, aber auch die Entstehung einer Subkultur über Gerüchte (siehe Kapitel 10). Ebenso wie die Entwicklung einer traditionellen Geschlechterordnung, die den offiziellen Vorgaben einer Geschlechtergleichheit widerläuft, sind Intimbeziehungen und Gerüchte Formen des Widerstands und dienen der Wiedererlangung autonomer Handlungsfähigkeit. Die Soldatinnen üben noch einmal besonders Widerstand aus, da sie sich den Zuschreibungen traditioneller Weiblichkeit immer wieder entziehen und sowohl Männlichkeit als auch Weiblichkeit inszenieren. Die Bundeswehr im Einsatz könnte daraus folgernd als „total gegenderte Institution“ bezeichnet werden könnte.

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13 . Faz it und Aus blick

In der vorliegenden Arbeit wurden anhand von Experten- und Expertinneninterviews, problemzentrierten Interviews mit Soldatinnen und Soldaten sowie bundeswehrinternen Ausbildungsmaterialien die Verhandlungen um Gender in den Streitkräften allgemein und für den Fall des Einsatzes betrachtet. Es wurde gefragt, welche Männlichkeits- und Weiblichkeitskonstruktionen in der Bundeswehr dominant sind und welchen Einfluss der Einsatz auf die soldatischen Subjektivationsprozesse hat. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf die Konstruktion der lokalen Genderordnungen in den Einsatzländern gelegt. Mit Hilfe des Subjekt- und Genderkonzepts Judith Butlers und dem Ansatz der totalen Institution von Erving Goffman konnte gezeigt werden, wie Männlichkeit und Weiblichkeit auf verschiedenen Ebenen mit jeweils unterschiedlichen sozialen Bezugssystemen und in verschiedenen sozialen Praktiken ausgehandelt werden: Erstens auf der Ebene der formalen organisationalen Vorgaben, zweitens in ihrer Auslegung durch Experten und Expertinnen der Bundeswehr und drittens in der konkreten Interaktion zwischen Soldatinnen und Soldaten. Männlichkeit und Weiblichkeit sind dabei als normative Ressourcen zu verstehen, um die permanent gerungen wird und die sich je nach Kontext (z. B. Umgang mit Waffen, sportliche Leistungsfähigkeit, Sexualität oder Verhalten im Einsatzland) unterschiedlich ausgestalten. Der männliche und der weibliche Körper werden jeweils mitverhandelt und unterschiedlich mit Männlichkeits- und Weiblichkeitsattributen versehen. Die von den Soldatinnen und Soldaten abgeforderten Subjektivationsprozesse und Identitätsstrategien werden, so lässt sich feststellen, zunehmend anspruchsvoller: „Je nach Ort und Situation wird der eine oder andere Bezugspunkt stärker hervorgehoben“ (Tomforde 2008: 241

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149). Entsprechend komplex gestalten sich auch die Aushandlungen der Genderidentitäten und -verhältnisse und spielen mal mehr und mal weniger eine Rolle: „Geschlecht ist also relevant in Organisationen, aber nicht immer, nicht überall und nicht immer gleich, und der Bezug auf Geschlecht ist situationsabhängig, er ist kontextabhängig, und er ist variabel“ (Wilz 2005: 170). Das dominante Männlichkeitsideal – oder mit Connell gesprochen „die hegemoniale Männlichkeit“ – in der Bundeswehr zeichnet sich, wie gezeigt wurde, durch die Verknüpfung von körperlicher Leistungsfähigkeit, naturgegebener Sexualität und Härte aus, fast kontradiktionär dazu spielen Offenheit, Verletzlichkeit, Deeskalation und Opfertum eine große Rolle. Zur Herstellung dieser militärischen Männlichkeit bedarf es verschiedener Weiblichkeiten: Erstens die Soldatin, die sich in den Streitkräften ebenso wie die Männer beweisen kann und mit der es keine Probleme gibt. Männlichkeit kann hier als Kameradschaftlichkeit und Toleranz inszeniert werden und es wird ein dienstlich-professionelles Verhältnis eingenommen. Diese Weiblichkeit taucht in den Interviews allerdings nur implizit auf. Diese Neutralität wird aufgehoben, sobald Körperlichkeit, Sexualität oder Emotionalität relevant werden und der Geschlechterdualismus wieder zum Tragen kommt (siehe Kapitel 9 und Kapitel 10). Es braucht zweitens die sexuell attraktive Frau, die eine heterosexuelle Männlichkeitsinszenierung erlaubt und die männliche Verletzbarkeit offen legt (siehe Kapitel 10 und Kapitel 12). Eine dritte Weiblichkeit, die konstruiert wird, ist diejenige, die – vor dem unzivilisierten „Anderen“ – beschützt werden muss (siehe Kapitel 12). Das können sowohl die eigenen Soldatinnen als auch die lokalen Frauen im Einsatzland sein. Im Kontakt mit der Zivilbevölkerung positionieren sich die männlichen Soldaten als männliche Beschützer unterlegener Weiblichkeit (siehe Kapitel 12). Lokale Männlichkeiten werden zugleich verweiblicht und sexualisiert und Gender gegen Kultur ausgespielt. Dieser Aushandlungsprozess ist für die Soldatinnen umkämpfter als für ihre männlichen Kameraden. Frauen sind im Militär per se widerständig, da sie weder dem Bild militärischer Weiblichkeit noch Männlichkeit entsprechen. Die Soldatinnen versuchen das Bild militärischer Männlichkeit – den Soldaten als Kämpfer – zu erfüllen, welches für die Männer längst schon keine Gültigkeit mehr hat, betonen diese doch Verletzlichkeit und Sensibilität. Die eigentlich für die Soldatinnen relevante Positionierung als professionelle Soldatin und Kämpferin steht kaum zur Verfügung. Da Verletzlichkeit und Sensibilität dem traditionellen Weiblichkeitsideal entsprechen, können die Soldatinnen diese Eigenschaften nicht übernehmen, ohne wiederum dem traditionellen Weiblichkeitsideal zu entsprechen, was sie als Soldatinnen disqualifiziert (siehe vor allem 242

FAZIT UND AUSBLICK

Kapitel 8 und Kapitel 9). Sie scheitern damit letztlich an der Inszenierung militärischer Männlichkeit in ihrem Versuch, sich ebenso wie die Männer als Machthabende im militärischen Feld zu positionieren. Bereits die Entscheidung für oder gegen den Soldatenberuf stellt eine vergeschlechtlichte Entscheidung dar: Müssen sich Männer nur für oder gegen den Wehrdienst entscheiden, stehen Frauen vor der Frage, ob sie sich in einem von Männern und Männlichkeitsnormen dominierten Umfeld beweisen wollen. Der Wehrdienst wie auch die Personalrekrutierungspolitik über Empfehlungen von Vorgesetzten gestatteten es den Männern des Samples, ohne größere Schwierigkeiten eine Karriere in der Bundeswehr anzustreben. Die Frauen des Samples betonen hingegen, dass sie den Soldatenberuf, den sie als männlichen Beruf sehen, als Herausforderung empfinden. Für viele der Soldatinnen stellte die Verpflichtung in der Bundeswehr außerdem die einzige Möglichkeit dar, in ihrem Traumberuf bzw. einem nicht als weiblich attribuierten Beruf, zu arbeiten (siehe Kapitel 8). Im Umgang mit Waffen, Kämpfen und Töten zeigt sich, dass die Bundeswehr auch nach Ende des Kalten Kriegs an ihrem defensiven Umgang mit Waffeneinsatz festhält, zugleich aber die militärische Disziplinierung eine wichtige Ausbildungseinheit ist, die vor allem im Einsatz abgefordert wird. Die Soldatinnen und Soldaten sind dadurch in ihren Subjektivierungsprozessen konfligierenden Normen ausgesetzt, denen des Kämpfers und des Friedensstifters. Diesen Konflikt lösen sie durch die jeweilige Bezugnahme auf die Truppengattung und die Distanzierung von der Norm des Kämpfers. Die Soldatinnen nutzen die männliche Konnotierung des Waffengebrauchs für sich positiv, um sich als besonders gute Soldatinnen zu positionieren, die sogar besser als die Männer mit Waffengewalt umzugehen wissen. Anhand der Diskussion um die angemessene Länge der Haare, um das Tragen von Schmuck und um sportliche Leistungsfähigkeit wird jedoch deutlich, dass Soldatinnen in der Bundeswehr weiblich zu sein haben und auch selbst weiblich sein möchten, was sie wiederum an der Ausübung ihres Berufs hindert. Körperliche Fitness stellt für die Soldatinnen im Prinzip kein Problem dar, in der sozialen Praxis müssen sie sich aber mit der Annahme auseinandersetzen, dass Frauen körperlich weniger leistungsfähig sind als Männer (siehe Kapitel 9). Die Inszenierung von Männlichkeit durch die Soldatinnen gelingt bezogen auf körperliche Aspekte daher kaum noch, da der Körper zu sehr mit Alltagswissen um stereotype Genderkonstruktionen verwoben ist. Dieser Konflikt bleibt für die Soldatinnen ungelöst, sie schwanken zwischen den verschiedenen Subjektangeboten und zwischen Egalität und Differenz hin und her. 243

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Eine besonders drastische Form der Herstellung von Gender ist sexuelle Belästigung. Es konnten 7 verschiedene Strategien (1. Direkte Konfrontation, 2. Akzeptanz als Teil der Alltagskultur, 3. Mit den gleichen Waffen zurück schlagen, 4. Entschuldigung finden, 5. Das „buddySystem“. Unterstützung durch männliche Kameraden, 6. Beschwerde und 7. Austritt aus der Bundeswehr) herausgearbeitet werden, wie Soldatinnen mit sexueller Belästigung umgehen (siehe Kapitel 9). Erlebt hat nach eigenen Aussagen noch keine der Soldatinnen sexuelle Belästigung, zudem nehmen sie für sich in Anspruch, sich gegen eventuelle Vorfälle zur Wehr setzen zu können. Sie lehnen die Rolle als potentielles Opfer von sexueller Belästigung vehement ab und distanzieren sich damit von der zugeschriebenen Weiblichkeitsnorm. Die Soldaten arbeiten sich wiederum an der Rolle als potenzieller Täter ab und definieren sich zu diesem Zweck als Opfer möglicher ungerechtfertigter Anschuldigungen. Sie betonen auch hier ihre eigene Verletzlichkeit. Diskriminierungserfahrungen in der Bundeswehr sind folglich immer auch verbunden mit Einschreibungsprozessen von Gender in die Körper der Subjekte (siehe Kapitel 9) oder anders formuliert: (Weibliche) Körper werden im Militär über Diskriminierung bzw. Ungleichbehandlung hervorgebracht und bestätigt. Ein weiterer Themenkomplex, anhand dessen sich die Verhandlungen um Gender zeigen lassen, ist der Bereich der sexuellen und kameradschaftlichen Beziehungen der Soldatinnen und Soldaten untereinander. Organisationen sind traditionell bestrebt, Sexualität und Emotionalität aus Funktionalitätsaspekten aus der Organisation auszugrenzen. Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Veränderungen und der Zunahme an Auslandseinsätzen ist die Bundeswehr gezwungen, kontrolliert und begrenzt Emotionalität in Form der Ermöglichung von Beziehungen von Soldatinnen und Soldaten zuzulassen, insofern diese auf Dauer angelegt sind. Männliche Sexualität wird von Seiten der Bundeswehrführung vor allem für den Einsatz als „natürliches“ und für die Armee konstitutives Element empfunden, deren Einschränkung die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zu gefährden droht. Der Übertritt der gesetzten Grenzen durch freundschaftliche oder Liebesbeziehungen führt sofort zu einer informellen Sanktionierung durch Gerüchte und dadurch bedingte Inklusions- und Exklusionsprozesse, unter denen sowohl die Soldaten als auch die Soldatinnen leiden. Dennoch scheinen vor allem die Soldatinnen von den Gerüchten betroffen zu sein. Über die Gerüchte korrigiert die Organisation damit informell Grenzüberschreitungen und stellt die verletzte Genderordnung wieder her (siehe Kapitel 10). Durch die Subjektivationen weiblicher Soldaten über die männliche Norm kommt es auch zur Übernahme des als unterlegen definierten 244

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Weiblichen, d. h. zu der massiven Abgrenzung von anderen Frauen. Besonders in Konflikten untereinander grenzen sich die Frauen von anderen Frauen ab und konstruieren ein negatives weibliches Konfliktverhalten, welches dem „authentischen, wahren,“ männlichen Konfliktverhalten gegenübergestellt wird. Kameradschaft unter Frauen ist, so die Meinung der Mehrzahl der interviewten Soldatinnen und Soldaten, nur in Ausnahmefällen möglich (siehe Kapitel 11). Positionieren sich die Soldatinnen in den allgemeinen Diskursen um Männlichkeit und Weiblichkeit im Militär je nach Kontext auf der einen oder der anderen Seite und inszenieren in der Mehrzahl der Fälle militärische Männlichkeit, gestalten sich diese Positionierungsprozesse im Einsatz anders. In der Konfrontation mit den Genderverhältnissen der lokalen Kultur und entsprechenden Ausbildungseinheiten und Verhaltensvorschriften kommt es zu einer tendenziellen Retraditionalisierung der Genderordnung, die von den Soldaten forciert und von den Soldatinnen unterstützt wird. Es kommt zu einer Polarisierung des Geschlechterdualismus, der sich bereits in der Genderordnung im Allgemeinen zeigt (dazu auch Kümmel 2008: 107), im Einsatz allerdings noch einmal besonders relevant wird. Soldatinnen werden im Einsatz im Kontakt mit der Zivilbevölkerung als zusätzliches Sicherheitsrisiko konstruiert und müssen daher zusätzlich geschützt werden. Die Soldatin schwebt als „schwache Frau“ immer in der potenziellen Gefahr der Vergewaltigung durch islamische (!) Männer. Sie muss daher vor den „anderen“, den afghanischen/islamischen, Männern abgesichert werden. Anspruch auf diesen Schutz hat sie allerdings nur, wenn sie ihre Weiblichkeit und vor allem ihre potenzielle erotische Anziehungskraft versteckt und sich der Männlichkeitsnorm unterwirft (siehe Kapitel 12). Wenn die Soldatin im Kontakt mit der Zivilbevölkerung als Frau sichtbar ist, verliert sie in dem hochgradig geschlechtlich aufgeladenen Feld „Afghanistan“ ihre Neutralität und Unparteilichkeit und widerspricht damit der Vorstellung, wie man sich als ISAF-Soldat zu verhalten habe. Bemüht man zudem die Allegorie des weiblichen Körpers als Nation, so ließe sich für die Positionierung der Soldatinnen schlussfolgern, dass nur diejenige Soldatin beschützt wird, die der Norm der Nation oder der jeweiligen zentralen Institution entspricht. Soldatinnen, die die Grenzen der Nation überschreiten und sich mit dem „Feind“, mit dem „Anderen“ einlassen, können nicht akzeptiert werden (siehe Kapitel 12). Hier wird über das Verhalten von Soldatinnen in der Auseinandersetzung mit der lokalen Männlichkeit militärische Männlichkeit ausgehandelt. Diese von den Soldaten konstruierte Männlichkeit zeichnet sich durch Offenheit, Toleranz und Gleichheit aus: Sie zwingen ihre Frauen 245

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im Gegensatz zu den islamischen Männern nicht dazu, sich zu verschleiern, und verbieten ihnen nicht, mit den Männern zu reden. Zugleich fordern sie von den Soldatinnen, dass sie sich so verhalten, wie sie meinen, dass es die Rücksichtnahme auf die andere Kultur gebietet. Geschlechtergleichheit wird der interkulturellen Rücksichtnahme untergeordnet. Die Verhandlungen um Gender im Einsatz haben, so lässt sich schlussfolgern, nur wenig mit „interkultureller Kompetenz“ zu tun, sondern dienen vielmehr der Aushandlung von Gender innerhalb des Militärs. Die Frauen in der Zivilbevölkerung werden entweder als unterdrückt oder als verführerisch konstruiert. Die Soldaten scheinen diesen Verführungen nichts entgegen setzen zu können. Männlichkeit wird im Kontakt mit lokaler Männlichkeit über die potenzielle sexuelle Attraktion der lokalen Frauen verhandelt, so der Subtext. Für die Soldatinnen werden diese Konstruktionen zu einer doppelten Falle: Sie selbst unterwerfen sich diesen männlichen Normen und fühlen sich dabei auch subjektiv sicherer. Sie sehen sich in ihren Selbstbeschreibungen bezogen auf den Einsatz immer zuerst in ihrer Rolle als Frau, nicht als ausgebildete und handlungsfähige Soldatin, die sich bei möglichen Angriffen ebenso zur Wehr setzen kann wie die männlichen Soldaten. Sie stärken so die Konstruktion des männlichen Militärs und werden als Frauen wehrlos und als Symbol für die Zivilbevölkerung stilisiert, was sie innerhalb des Militärs wiederum als Soldatinnen disqualifiziert, da sie für die „harten“ militärischen Aufgaben als zu schwach erscheinen. Für die militärische Konfliktbearbeitung und den Einsatz von Militär in Nachkriegsgesellschaften lässt sich aus der vorliegenden Arbeit folgender weiterer Forschungsbedarf identifizieren: Trotz der verschiedenen internationalen Vorschriften und Resolutionen zur Umsetzung einer Genderperspektive in die Konfliktbearbeitung wird diese von den internationalen Organisationen in der Praxis nur selten umgesetzt. Das ist insofern bedeutsam als internationale Organisationen und militärische Einheiten im Besonderen in vulnerablen Nachkriegsgesellschaften besondere Deutungsmacht haben und ihre eigenen traditionellen Genderstrukturen und -kulturen als Subjektpositionen anbieten (Cockburn/Hubic 2002: 103). „The post-conflict environment, like conflict, is vividly about male power systems, struggles and identity formation“, so Handrahan (2004: 433). Durch die Retraditionalisierung von Genderordnungen, die für die Bundeswehr gezeigt wurde, und den dadurch forcierten weiblichen Opferdiskurs besteht die Gefahr, patriarchale Systeme in den Nachkriegsgesellschaften zu etablieren (dazu auch Rogova 2007). Gender „guarantees the structural as well as the symbolic domination of the 246

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West; on the other, it is a legitimizing vehicle for local patriarchies to seek political power“ (Krasniqi 2007: 2). Inwieweit die Genderordnungen internationaler Organisationen im Rahmen von Konfliktbearbeitungsprozessen die lokalen Genderordnungen beeinflussen und welche Einflussfaktoren dabei wirklich relevant sind, ist allerdings bisher weitgehend unerforscht und bedarf daher weiterer umfangreicher Forschungsbemühungen. Im Rahmen militärischer Ausbildung wird den sozialen und kulturellen Aspekten des Einsatzlandes nur wenig Zeit eingeräumt, zudem sind diese vor allem den oberen Dienstgraden vorbehalten und reproduzieren zum Teil traditionelle Geschlechterstereotype, die mit der komplexen Wirklichkeit bestehender Genderverhältnisse nur wenig zu tun haben. Ob und wie diese ausgebildeten Vorgesetzten die erlernten Inhalte an die Truppe weitergeben, ist fraglich, die Marine bildet in diesem Bereich bisher gar nicht aus. Auch hier bedarf es weiterer ausführlicher Studien, wie interkulturelle Kompetenz und der Umgang mit der lokalen Bevölkerung vor allem bezogen auf Genderaspekte in der Bundeswehr umgesetzt werden. Dies gilt für Kampfeinsätze ebenso wie für Einsätze im Rahmen der Provincial Reconstruction Teams oder zivil-militärischer Zusammenarbeit, aber auch für den Umgang der unteren Dienstgrade mit dem lokalen Personal in den Feldlagern. Schließlich ist noch einmal auf den Umgang mit Soldatinnen einzugehen: Ob diese wirklich besser für bestimmte Aufgaben im Einsatz eingesetzt werden können als Männer, mag bezweifelt werden, betrachtet man die Bestrebungen der interviewten Soldatinnen, sich männlicher als die Männer zu inszenieren. Besonders in Extremsituationen kann dies gefährlich werden, wenn die Soldatinnen die Chance sehen, als besonders männlich zu erscheinen und damit besonders „gute“ Soldaten zu sein. Nicht erst die Folterungen in dem irakischen Gefängnis Abu Ghuraib durch männliche und weibliche US-Soldaten hat gezeigt, dass auch Frauen zu extremen Gräueltaten fähig sind (Kaufman-Osborne 2007). Ob Soldatinnen daher wirklich einen Vorfall wie den „Totenschädelskandal“ verhindert hätten, ist fraglich. Auf der anderen Seite lässt sich die Darstellung der Soldatin als friedfertig auch für militärische Zwecke instrumentalisieren. Dabei mag der Einsatz von Soldatinnen für die betroffene Bevölkerung vielleicht weniger martialisch erscheinen, er bleibt dennoch eine externe Intervention mit zumeist unklaren politischen Zielen. Wenn sich auch die Bundeswehr gegenüber gendersensiblen sozialwissenschaftlichen Studien in den letzten Jahren nur noch wenig offen gezeigt hat, so lässt sich hoffen, dass sie diese Politik ändert, um möglichen Negativentwicklungen sowohl für die Soldatinnen als auch die 247

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Soldaten entgegenzuwirken. Forschungsdefizite liegen des Weiteren in der Analyse verschiedener Männlichkeits- und Weiblichkeitskonstruktionen innerhalb der unterschiedlichen Teilstreitkräfte und militärischen Organisationsbereiche sowie Hierarchieebenen, die in der vorgelegten Arbeit nur insofern eine Rolle spielten, als sie von Seiten des Feldes als relevant empfunden wurden. Vor allem die Tendenz, die Bundeswehr zunehmend offener auf Kampfeinsätze auszurichten, muss dabei immer wieder politisch und öffentlich diskutiert werden. Die vorliegende Arbeit hat einige für diese Diskussion relevante Aspekte detaillierter untersucht, die zu einem erweiterten Verständnis soldatischer (Selbst-)Inszenierungen beitragen. Weitere Forschungen zu diesen Themenkomplexen scheinen auch vor dem Hintergrund des eingangs erwähnten Beispiels des „Totenschädelskandals“ geboten.

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Da nk sa gung

Das Schreiben und Fertigstellen einer Dissertation bringt die Wissenschaftlerin oder den Wissenschaftler zumindest in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern in vielen Fällen an die Grenzen dessen, was sie zu leisten in der Lage sind. Die Dissertation ist daher letztlich immer auch die Begegnung mit sich selbst. Viele Menschen kreuzen den Weg, den man vom Beginn der Arbeit bis zu ihrem Ende beschreitet, Arbeitszusammenhänge werden geschaffen und lösen sich auf, man findet sich zusammen oder lebt sich auseinander. Allen denen, die mir auf diesem Weg begegnet sind, möchte ich hiermit meinen Dank für die Unterstützung, die Geduld und das Führen an Grenzen aussprechen. Einigen Personen gilt dabei besonderer Dank: Ich danke PD Dr. Maja Apelt und Prof. em. Dr. Jens-Rainer Ahrens dafür, dass sie mich in das Forschungsprojekt, auf welchem diese Dissertation basiert, aufgenommen und mich in allem produktiv unterstützt haben, so dass ich den Weg als Wissenschaftlerin mich traute einzuschlagen. Dr. Anne Mangold danke ich für die bereichernden Jahre als Arbeitskollegin und Mitstreiterin in der Auseinandersetzung mit dem Forschungsfeld Bundeswehr. Die Möglichkeit, die Arbeit zu beenden, wurde mir durch ein Promotionsstipendium der Deutschen Stiftung Friedensforschung gegeben, hier danke ich insbesondere Prof. Dr. Mathias Bös und Prof. Dr. Thorsten Bonacker vom Zentrum für Konfliktforschung der PhilippsUniversität Marburg und Prof. Dr. Berthold Meyer von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, die die Arbeit ohne Vorbehalte annahmen und kritisch begleiteten. Dr. Friederike Fuhlrott danke ich für die Unterstützung in emotional kritischen Phasen, André Bank für die vielen inspirierenden, spannenden und unterhaltsamen Momente im Büro und am Küchentisch. 279

DANKSAGUNG

Mein Dank geht auch an den Mittelbau des Zentrums für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg, vor allem an Dr. Kerstin Zimmer, Sina Schüssler, Carla Schraml und Lars Schmidt, die jede(r) auf seine indirekte Weise zum Gelingen des Projekts beigetragen haben. Ebensolcher Dank geht an Tina Spies, deren Anregungen ich sehr zu schätzen gelernt habe und Sarah Ross, die mir immer eine gute Freundin ist. Erinnern möchte ich an dieser Stelle an zwei Menschen, die nur einen Teil des Weges mit mir gegangen sind und die sein Ende leider nicht mehr erleben durften: Jan Bernhardt und Sabine Pölderl. Letztlich wäre alles nicht möglich gewesen, ohne die emotionale Unterstützung meiner Familie, meiner Eltern, Oma und Geschwister. Ich danke meiner Tochter Amelie, dass sie es mir ermöglicht hat, die Arbeit fertig zu stellen und meinem Mann Dr. Martin Voss, der mich ertragen, mir den Rücken frei gehalten und mich über die Jahre hinweg immer wieder zum Durchhalten animiert hat. Der Dank für diese Unterstützung ist unkommunizierbar.

280

Ab k ürz ungs ve rz eic hnis

AIDS AKUF ARD BAT BMFSFJ BMVG BMZ bzw. CIMIC CWINF d. h. DFG ebd. EU EUFOR f. ff. HIV i. O. IFOR ISAF KFOR m

Acquired Immune Deficiency Syndrome Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland Beweglicher Arzt Trupp Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bundesministerium der Verteidigung Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beziehungsweise Civil-Military Cooperation, Zivil-militärische Zusammenarbeit Committee on Women in the NATO Forces das heißt Deutsche Forschungsgemeinschaft ebenda Europäische Union European Union Force folgende Seite folgende Seiten Human Immunodeficiency Virus im Original Peace Implementation Force International Security Assistance Force Kosovo Force männlich 281

GENDER TROUBLE IN DER BUNDESWEHR

NATO o. Ä. o. g. OEF OSZE resp. SDGleiG SFOR sog. u. a. u. U. UN UNPROFOR UNRISD usw. UZwGBw

vgl. w z. B. z. T. ZDF ZDv ZIF

282

North Atlantic Treaty Organization oder Ähnliche(s) oben genannt Operation Enduring Freedom Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa respektive Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetz Stabilisation Force sogenannt und andere(s) unter Umständen United Nations, Vereinte Nationen United Nations Protection Force United Nations Research Institut for Social Development und so weiter Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen vergleich(e) weiblich zum Beispiel zum Teil Zweites Deutsches Fernsehen Zentrale Dienstvorschrift Zentrum für Internationale Friedenseinsätze

Gender Studies Rita Casale, Barbara Rendtorff (Hg.) Was kommt nach der Genderforschung? Zur Zukunft der feministischen Theoriebildung 2008, 266 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-748-6

Ute Luise Fischer Anerkennung, Integration und Geschlecht Zur Sinnstiftung des modernen Subjekts Juni 2009, 340 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1207-3

Sabine Flick, Annabelle Hornung (Hg.) Emotionen in Geschlechterverhältnissen Affektregulierung und Gefühlsinszenierung im historischen Wandel Oktober 2009, 182 Seiten, kart., ca. 19,80 €, ISBN 978-3-8376-1210-3

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

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3) ANZ1298.p 218670083686

Gender Studies Dorett Funcke, Petra Thorn (Hg.) Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern Interdisziplinäre Beiträge zu einer neuen Lebensform Juni 2010, ca. 350 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1073-4

Lutz Hieber, Paula-Irene Villa Images von Gewicht Soziale Bewegungen, Queer Theory und Kunst in den USA 2007, 262 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-504-8

Doris Leibetseder Queere Tracks Subversive Strategien in der Rock- und Popmusik Oktober 2009, 342 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1193-9

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Gender Studies Isolde Albrecht Sprache, Arbeit und geschlechtliche Identität Wie moderne Arbeitsbegriffe alte Geschlechtslogiken transportieren. Eine sprachgeschichtliche und psychologische Studie

Ingrid Hotz-Davies, Schamma Schahadat (Hg.) Ins Wort gesetzt, ins Bild gesetzt Gender in Wissenschaft, Kunst und Literatur

2008, 390 Seiten, kart., 26,00 €, ISBN 978-3-89942-941-1

Carmen Leicht-Scholten (Hg.) »Gender and Science« Perspektiven in den Natur- und Ingenieurwissenschaften

Marie-Luise Angerer, Christiane König (Hg.) Gender goes Life Die Lebenswissenschaften als Herausforderung für die Gender Studies 2008, 264 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-832-2

Cordula Bachmann Kleidung und Geschlecht Ethnographische Erkundungen einer Alltagspraxis 2008, 156 Seiten, kart., zahlr. Abb., 17,80 €, ISBN 978-3-89942-920-6

Ingrid Biermann Von Differenz zu Gleichheit Frauenbewegung und Inklusionspolitiken im 19. und 20. Jahrhundert Mai 2009, 208 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1224-0

Uta Fenske Mannsbilder Eine geschlechterhistorische Betrachtung von Hollywoodfilmen 1946-1960

2007, 310 Seiten, kart., 30,80 €, ISBN 978-3-89942-595-6

2007, 188 Seiten, kart., 21,80 €, ISBN 978-3-89942-674-8

Margarete Menz Biographische Wechselwirkungen Genderkonstruktionen und »kulturelle Differenz« in den Lebensentwürfen binationaler Paare 2008, 310 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-767-7

Ursula Mıhçıyazgan Der Irrtum im Geschlecht Eine Studie zu Subjektpositionen im westlichen und im muslimischen Diskurs 2008, 290 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-815-5

Rebecca Pates, Daniel Schmidt Die Verwaltung der Prostitution Eine vergleichende Studie am Beispiel deutscher, polnischer und tschechischer Kommunen Februar 2009, 234 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1117-5

2008, 350 Seiten, kart., 30,80 €, ISBN 978-3-89942-849-0

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