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German Pages 140 [142] Year 2022
Michael Blank, Ute Budliger Hrsg.
Gemeinsam Natur erleben So gelingt Gartentherapie im Pflegealltag
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Michael Blank, Ute Budliger Hrsg.
Gemeinsam Natur erleben So gelingt Gartentherapie im Pflegealltag
Inhaltsverzeichnis Vorwort7
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Natur, Gartentherapie und Umwelt – netter Zusatz oder natürliche Verpflichtung? Julia von Berlepsch10 Warum brauchen wir die Natur in Pflegeheimen? Michael Blank14 ie kann Gartentherapie in Pflegeeinrichtungen gelingen? W Interview mit Marta Glowiak24 ie Bedeutung der Gartentherapie für Menschen in Pflegeheimen – D wissenschaftliche Grundlagen Ute Budliger33 artentherapie und die Betreuung von Demenzkranken G Michael Walsleben44 Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles! Ute Budliger50 Quiz: Wissenstransfer
Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
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Die Entstehung der Außenanlagen im Johanneshaus Christoph Göbel74 Was bedeutet ein Therapiegarten aus anthroposophischer Sicht? Stefan Kreuzer82
Planung von Modulen zur Gartentherapie im Johanneshaus Manfred Hanf 87 Garten und Gartentherapie aus Sicht der BewohnerInnen Hildegard Kittel und Erika Kniss99
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Aus der Anthroposophie – Die zwölf Sinne des Menschen und ihre Belebung durch die Natur in Pflegeheimen Laura Liska103
Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten Gartentherapieprogramme in Innen- und Außenbereich für jede Jahreszeit
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Gartentherapie im Sommer – Pflanzen abtasten, drücken und berühren Ute Budliger119 Gartentherapie im Sommer – Erdbeeren umpflanzen Evelyn Schuh121
Gruppenarbeit: Gartentherapie im Sommer – Liegewiese Evelyn Schuh122 Gartentherapie im Herbst – Die Gartenbox Irene Kuhn123 Gartentherapie im Herbst – Sauerkraut herstellen Evelyn Schuh124 Gartentherapie Winter – Adventskränze und Türschmuck fertigen Bettina Stehle126 Arbeitsgruppe: Fehler vermeiden und Fehler beheben
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Anregungen für einen Gartentherapie-Jahreskalender
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Gartentherapie und Corona
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Inhalt
Herausgeber/Herausgeberin138
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Vorwort
Vorwort
Die Pflege alter Menschen stellt Einrichtungen und Personal vor vielseitige Herausforderungen. Dabei geht es vor allem darum, Ansätze für den alltäglichen Ablauf der Altenpflege zu entwickeln, die sich gut in vorhandene Strukturen einfügen und dem Leben der Pflegebedürftigen nützliche Impulse geben. Einer dieser Ansätze ist die Gartentherapie, die vielfältige Möglichkeiten bietet, um Abwechslung in den Pflegealltag zu bringen und den betreuten Menschen gleichzeitig Erlebnisse zu verschaffen, die kognitiv anregend und emotional tiefgehend sind. In diesem Buch werden die Grundlagen der Gartentherapie und ihr Verhältnis zur Pflege von SeniorInnen und insbesondere von Demenzkranken dargestellt. In den verschiedenen Beiträgen wird erläutert, wieso es wichtig ist, Natur in Pflegeeinrichtungen zu bringen, und welche Vorzüge die Gartentherapie in der Altenpflege bietet. Im Zentrum steht dabei das Johanneshaus, das seit seiner Gründung auf anthroposophischen Prinzipien basiert.
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Natur, Gartentherapie und Umwelt – netter Zusatz oder natürliche Verpflichtung? Julia von Berlepsch Julia von Berlepsch ist Gartentherapeutin, Gartengestalterin und Heilpädagogin. Sie hat in Deutschland Lehramt studiert und wirkt seit rund zehn Jahren heilpädagogisch in der Schweiz. Im Zuge dessen sammelte sie bereits erste Erfahrungen mit Garten und Therapie, unter anderem bei der Anlage und Bewirtschaftung eines Rebberges mit Jugendlichen.
„Wenn der Garten so etwas wie der natürliche Lebensraum des Menschen ist, dann gehört das Gärtnern unzweifelhaft zur artgerechten Haltung von uns allen.“ (Niepel, 2016)
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Mit diesen Worten beschreibt Andreas Niepel, Präsident der Internationalen Gesellschaft Gartentherapie, die Notwendigkeit von Garten und Natur im Leben des Menschen sehr treffend. Es liegt auf der Hand, dass es sich bei der Planung oder Umstrukturierung einer Pflegeeinrichtung um eine dringliche Verpflichtung handelt, der Natur und dem Garten möglichst viel Raum zu geben. Nichts anderes würde der nachhaltig denkenden und verantwortungsbewussten Gesellschaft entsprechen. Außerdem sollte die Pflegeeinrichtung als Ort eine Bezugsgröße für alle Menschen sein, die dort betreut und beschäftigt werden. Dr. Fritz Neuhauser, Arzt und Mitbegründer des Curriculums für Gartentherapie in Wien, beschreibt diesen Anspruch an die Örtlichkeit besonders treffend. Denn eine Einrichtung, die sich der Pflege und Betreuung von Hilfsbedürftigen widmet – seien es akut Erkrankte, psychisch oder körperlich Behinderte oder Alternde mit all den damit einhergehenden Problematiken – sollte vor allem ein Ort sein, „um Ruhe zu finden und Anregung, Beschäftigung im besten Fall und Begegnung auf Augenhöhe. Das führt zu Vertrauen, Zugehörigkeit und Integration. Ort – das Wort kommt ja aus dem Lateinischen „hortus“ – Garten. Ein Ort, der keinen Garten hat, ist demnach auch kein Ort im eigentlichen Sinne. Eine Lokalität vielleicht, eine Dystopie jedenfalls.“ (Neuhauser, 2019)
Es herrschen immer noch viele versiegelte Flächen vor und der Natur wird nach wie vor wenig Platz eingeräumt. Aus Mangel an Flächenressourcen, vor allem im städtischen Raum, wird auf Gärten und Freiflächen verzichtet. Doch auch Dächer und Innenhöfe können mit geschickten Maßnahmen zu grünen Lungen aus- oder umgestaltet werden und so den Einbezug von Grün und Natur in den architektonischen Lebensraum gewährleisten. Auch diese Flächen können als produktive Therapiegärten genutzt werden oder man integriert mobile Hochbeete in den Betreuungsalltag. Diese bringen die Natur besonders flexibel und unkompliziert in den Innenraum. Der Bereich der „Heilenden Architektur“ hat sich diesem Thema angenommen und stellte fest, dass PatientInnen, die den Ausblick auf Grün – einen Park oder sei es nur ein pflanzliches Element im Innenhof – genießen durften, deutlich weniger Schmerzmittel benötigten, weniger depressiv waren und im Schnitt einen Tag früher entlassen werden konnten als Patienten der Vergleichsgruppe. (Brichetti, 2019) Nutzt man einen Innenhof als Garten, ist es natürlich grundlegend wichtig, diesen in ansprechenden Farben und mit blühenden und duftenden Pflanzen zu gestalten, um den Eindruck eines Gefängnishofs zu vermeiden. Hierauf wird im Laufe dieses Buches noch intensiv eingegangen und es wird exemplarisch erläutert, wie eine solche Umgestaltung möglich ist. Um in diesem Bereich nachhaltig und ganzheitlich zu denken, ist es naheliegend, „zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen“, um einerseits einen wichtigen Beitrag zu Artenvielfalt und Naturschutz zu leisten und andererseits Anregung und Beobachtungsmöglichkeiten für BewohnerInnen und MitarbeiterInnen zu schaffen. Wählt man die Bepflanzung nach ökologischen Kriterien, ist es möglich, Tiere anzulocken und ihnen Nahrung und Unterschlupf zu bieten. Wird die Vegetation geschickt ausgewählt und angepflanzt, finden so das ganze Jahr hindurch Vögel, Schmetterlinge und ihre Raupen sowie andere Fluginsekten einen Lebensraum, sodass immer etwas kreucht und fleucht. Der Garten bleibt auf diese Weise stets spannend und einladend für Mensch und Getier. Hierzu eignen sich beispielsweise verschiedene Rosenarten, deren Blüten teilweise den gesamten Sommer über erfreuen, duften und Fluginsekten als Nahrungsquelle dienen und den Winter über in Form von Hagebutten immer noch Nahrung für Vögel bieten. Für die Auswahl an Gehölzen liegt es nahe, darauf zu achten, möglichst Vogelnähr- und Nistgehölze zu wählen, zum Beispiel Feld- oder Kugelahorn, Kornelkirsche oder verschiedene Arten von Weiden, Flieder oder Linden. Gut zugänglich, beispielsweise entlang der Wege, sollten Blumen angesiedelt werden, welche Schmetterlinge anlocken. Diese sollten sowohl zur Eiablage als auch als Futterquelle für Raupen und als Nektarlieferant für die Schmetterlinge dienen. So zum Beispiel ver-
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
Und wie ist es um die aktuelle Pflegeeinrichtungslandschaft bestellt?
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schiedene Nelken, Veilchen oder Lavendelsorten, aber auch Küchenkräuter- und Gemüsearten wie Bergminze, Arten von Thymian, Salbei, auch Lauch und Fenchel eignen sich. Diese dienen auch als Sinnespflanzen durch ihren spezifischen Duft und ihre besondere Haptik und zur Weiterverarbeitung in der Gartenaktivierung und Küche. Darüber hinaus ist es lohnenswert, neben der reinen Beschäftigung mit den Pflanzen und der Beobachtung der sich regenden Natur, auch der Heilwirkung von Pflanzen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das Wissen darüber fehlt heute oft. Früher wurden die Heilkräfte der Natur viel stärker genutzt. Dieses Wissen sollte den Menschen wieder bewusst gemacht werden. Plötzlich ist ein Garten ein Ort der tausend Möglichkeiten. Er ist Lebensraum und ökologische Nische, Anschauungsobjekt, Ort der Entspannung dient aber auch der Aktivierung, als Vorratskammer für die Küche und als Medizinschrank. Ein Mehr an Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit ist kaum möglich. Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
Nicht zuletzt: Haben wir nicht auch eine Verantwortung gegenüber der Natur, der Umwelt und den Generationen nach uns? Schließlich brauchen wir die Natur zum Überleben und hungern nach ihr wie nach Nahrung und Wasser. Wir sind Teil von ihr. Die Biophilie nach Wilson beschreibt dies besonders treffend: Biophilie ist die angeborene, im Erbgut des Menschen verankerte Zuneigung zum Leben in seinen vielfältigen Formen (nach Wilson, 1993). Also zögern wir nicht, diesem großen Ganzen, dem wir doch angehören, etwas zurückzugeben! Geben wir acht, uns unseren eigenen Lebensraum weiterhin lebenswert zu gestalten! Vielleicht kehrt langsam das Bewusstsein dafür zurück, welchen Wert die Welt der Pflanzen besitzt und was sie uns geben kann. Es wäre eine so wichtige Erkenntnis in einer Zeit, die den vielen Umweltbelastungen und dem immer schneller fortschreitenden Klimawandel zu begegnen versucht. Das sollte unsere Hoffnung sein.
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ärten und Grünflächen können und müssen eine Antwort G auf den Klimawandel sein Problemen wie immer heftiger werdenden Wetterphänomenen, seien es Starkregen oder Dürreperioden, starke Wärmeemissionen im urbanen Raum oder verminderte Windgeschwindigkeit und damit einhergehende Luftbelastung, kann mit gut geplanten Gärten und Grünanlagen begegnet werden. Mehr Grün bedeutet mehr Abkühlung. Bäume kühlen durch Wasserverdunstung und Schattenspende und filtern die Luft. Grünflächen bieten mehr Versickerungsfläche bei Starkregenereignissen und speichern Wasser für Trockenperioden.
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Literatur: Brichetti, K. ; Mechsner, F. (2019). Heilsame Architekur. Raumqualitäten erleben, verstehen und entwerfen. Transcript Neuhauser, F. (2019). Grüße aus dem Anstaltsgarten. Green Care. Die Fachzeitschrift für natürgestützte Interaktion, 2019, 4, 26–27. Niepel, A. (2016). Eine vielschichtige Verbindung. Neue Reihe der Ergotherapie, Reihe 9: Fachbereich Allgemeine Themen, Band 5, 26–31.
Natur, Gartentherapie und Umwelt – netter Zusatz oder natürliche Verpflichtung?
Der Klimawandel fordert ein Umdenken in der Planung wie auch in der Gestaltung unserer Gärten und Grünflächen. Diese wiederum bieten uns eine Chance, ihm zu begegnen. Durch eine vorausschauende Pflanzenwahl bei Bäumen, Sträuchern, Staudenbeeten oder Dach- und Fassadenbegrünungen pflanzen wir unsere „biologische Klimaanlage“. Auch wenn die Dringlichkeit, tätig zu werden, immer größer wird, ist der Aufruf dazu allerdings keine tagesaktuelle Neuigkeit. Humboldt mahnte und plädierte schon vor 200 Jahren für mehr ökologisches Denken und Handeln. Der Naturforscher, Humanist und Visionär warnte eindringlich vor der Abholzung unserer Wälder und der Ausbeutung unseres Planeten. Seine Schriften zeugen von erschreckend viel Aktualität. Doch weist er ebenfalls darauf hin, dass Natur dem Menschen nahegebracht werden muss, damit er sich ihr zugehörig fühlt und sie schützen und bewahren will. Was man kennt und einem Freude bereitet, versucht man auch zu schützen. Also muss der Mensch sein eigenes „Natur-Sein“ erleben und begreifen. Das wiederum ist das Kernanliegen der naturtherapeutischen und Green–Care–Aktivitäten im „Humboldtschen Geiste“. Sie sehen den engagierten Einsatz für die Natur auch als die eigene Rettung, denn die Zerstörung der Natur bedeutet Selbstzerstörung. Die Sorge um den Menschen ist unweigerlich verknüpft mit der Sorge um die Natur, denn alles greift ineinander. Nichts kann separat betrachtet werden. Alles befindet sich in einem sehr labilen Gleichgewicht. Natur und Gärten gehören also unweigerlich in Pflegeeinrichtungen. Ein Leitsatz für deren Planung oder Umgestaltung sollte sein: Global denken und lokal handeln! Das Johanneshaus in Öschelbronn ist ein sehr gutes Vorbild dafür, wie Natur und Pflegeheim verbunden werden können. Es demonstriert überzeugend, dass es mit den vorhandenen Ressourcen – seien sie zeitlich, finanziell, infrastrukturell oder personell – sehr gut möglich ist, die BewohnerInnen, die MitarbeiterInnen und die Natur in Einklang zu bringen. Hier können BewohnerInnen und MitarbeiterInnen erleben und begreifen, welche heilende Energie freigesetzt wird, wenn mit der Natur im Einklang gelebt und gearbeitet wird.
Wilson, E.O. Biophilia, in Kellert, S.R.; Wilson, E.O. (eds.), The Biophilia Hypothesis. Island Press, Washington D.C./Covelo, California 1993, p. 31.
Warum brauchen wir die Natur in Pflegeheimen? Michael Blank Michael Blank ist Geschäftsführer des Johanneshauses in Öschelbronn und verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Leitung von Pflegeeinrichtungen.
Die Seele wird vom Pflastertreten krumm. Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden und tauscht bei ihnen seine Seele um. (Erich Kästner)
Die Menschen und die Natur
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Welch wohltuende Wirkung die Natur auf den Menschen hat, ist hinreichend bekannt, und das Zitat von Erich Kästner drückt dies mit wohlgewählten Worten und auf anschauliche Weise aus. Natur gibt uns Menschen Ruhe und Rückzugsbereiche, sie verschafft unseren Gedanken Raum und Zeit. Sie mag manchem stumm erscheinen, doch wer in sie hineinhört, empfängt Frieden in turbulenten Zeiten und Trost in schwierigen Momenten. Natur gibt dem Menschen Entspannung, sie beruhigt Geist und Körper. Frische Luft lädt ein zum Durchatmen, zum Ablegen einer drückenden Last. Sonnenlicht wärmt nicht nur den Körper, sondern verschafft der Seele Befreiung und öffnet uns für die Dinge um uns herum. Die Wirkung, die die Natur auf uns hat, wird sicherlich jeder von uns ein wenig anders beschreiben. Denn jeder Mensch hat seinen eigenen Weg zu ihr. Für den einen ist es ein Spaziergang im heimischen Wald, für den anderen ein Blick auf die heranfließenden Wellen am Meer. Für wieder einen anderen ist es die Arbeit im heimischen Garten oder die Pflege einer Zimmerpflanze, die nach langer Krankheit wieder zu früherer Kraft gekommen ist. Es gibt so viele Wege zur Natur, wie es Menschen gibt, und keiner ist besser oder schlechter. Wichtig ist nur, dass man ihn geht und so das Wirken der Natur spürt und ihre Wohltaten empfängt. Leider machen wir es aber der Natur, uns selbst und der Gesellschaft, in der wir leben, nicht einfach. Weite Bereiche unseres Lebens sind geprägt vom Grau des Betons. Wir verbringen unser Leben in Städten fern der Natur, wohnen in Häusern mit ein wenig Grün und schenken den wirklichen Grundlagen unserer Existenz nur wenig Beachtung. Dies kann nicht guttun und viele Menschen spüren, dass ihnen etwas fehlt, können aber nicht sagen, was es ist. Doch dies zu beantworten ist einfach: Es ist die Natur, die uns unter anderem Ruhe und Trost spendet.
Gerade für all diejenigen, die sich in schwierigen Lebensumständen befinden, für kranke und vor allem für ältere Menschen ist Natur ein Lebenselixier, das ihnen hilft, ihr Leben zu meistern. In besonderer Weise gilt dies für Menschen, die das langsame Verschwinden ihrer früheren Kräfte verspüren und deren Selbstwertgefühl darunter leidet. Auch wenn man sich als älterer Mensch noch großer Energie erfreut, so ist doch klar, dass dies nicht auf Dauer so bleiben wird. Diese Erkenntnis zehrt an der noch vorhandenen Kraft und trübt den Blick auf das Jetzt. Menschen in Altenheimen und in der Altenpflege brauchen viel Kraft zur Bewältigung der Herausforderungen, die sich ihnen stellen. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die nicht nur unter leichten Gebrechen leiden, sondern die von einer oder mehreren schweren Erkrankungen geplagt sind. Auch trifft dies auf Menschen zu, die unter Demenz leiden und deren Leben sich damit grundlegend verändert hat.
Das Johanneshaus und die Natur Bedenkt man den Effekt, den die Natur auf Menschen hat, erscheint es verwerflich, diese Wirkung gerade jenen vorzuenthalten, die davon am meisten profitieren könnten. Denn gerade in Pflegeeinrichtungen und Altenheimen und um sie herum gibt es oft weniger Natur als in ohnehin naturfernen Umgebungen. Das Johanneshaus befindet sich in einer glücklichen Lage, da es am Rande des Ortes Öschelbronn in einer wunderschönen Umgebung liegt und so von der Nähe zur Natur profitiert. Es genügt, aus dem Fenster zu blicken oder vor die Tür zu treten, um im Grünen zu sein, frische Luft zu atmen und die Weite der Landschaft zu genießen. Doch auch im Johanneshaus leben viele Menschen, die nicht mehr die Kraft zum eigenständigen Gang in die Natur haben. Hier gilt es, die Voraussetzungen zu schaffen, dass jede/jeder BewohnerIn genau den Weg zur Natur gehen kann, der seinen oder ihren Interessen, aber insbesondere den eigenen Kräften und Möglichkeiten entspricht. Dies gilt auch für die an Demenz erkrankten BewohnerInnen im Ernst-Zimmer-Haus, die aufgrund ihrer speziellen Situation eine intensive Betreuung benötigen. Es stellt sich die Aufgabe, diesen Menschen einen Weg zu eröffnen, der es ihnen erlaubt, Natur auf ihre Weise zu erleben und zu genießen. Wie in anderen Altenheimen auch steht die Pflege im Mittelpunkt der Tätigkeit der MitarbeiterInnen im Johanneshaus, denn es gilt, allen BewohnerInnen entsprechend ihres Gesundheitszustands eine optimale Versorgung zu bieten. Hier hat sich erwiesen, dass gerade die Beschäftigung mit Natur, der Aufenthalt im Garten und der Gang durch den Park für viele BewohnerInnen ein wesentlicher Grund ist, weshalb sie sich im Johanneshaus wohlfühlen.
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
Das Alter und die Natur
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Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Die Gartentherapie und das Johanneshaus Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie Natur den Menschen im Johanneshaus und vor allem all jenen, die nicht mehr aus eigener Kraft in den Garten oder in den Park gehen können, nahegebracht werden kann. In der Literatur findet sich hierfür der Begriff Gartentherapie, die alle Methoden umfasst, Menschen das Erleben von Natur nahezubringen. Dabei geht es darum, ALLEN BewohnerInnen die Chance zu geben, z. B. das Werden und Vergehen von Natur direkt und unmittelbar erleben zu können. Es geht darum, dabei zu sein, wenn z. B. Samen ausgesät werden und man sehen kann, wie sich die Pflanzen entwickeln. Zum direkten Erlebnis von Natur gehört es aber auch, dabei zu sein, wenn die Früchte gärtnerischer Arbeit geerntet und auf verschiedenste Weise weiterverarbeitet werden. Zu denken ist hier an Blumengestecke, an deren Anblick sich viele und vor allem auch jene erfreuen, die selbst mit fremder Hilfe nicht mehr in den Garten gehen können, oder an die Herstellung von Sauerkraut. Bei der Beschäftigung mit der Natur und deren Einbeziehung in das Leben der BewohnerInnen und den Alltag der Pflege geht es vor allem darum, Menschen die Schönheit der Natur in all ihrer Vielfalt nahezubringen. Der zentrale Impuls ist die Schaffung einer engen Verbindung zwischen den Menschen und der Natur, um ihre Schönheit zu bewundern und ihre wohltuende Wirkung auf Körper und Geist aktiv zu erleben. Welche Tätigkeiten für die jeweiligen BewohnerInnen geeignet sind, hängt davon ab, welche Körperhaltungen sie einnehmen können.
Einführung der Gartentherapie Die Betreuung der BewohnerInnen ist zwangsläufig mit Mühen und gewissen Anstrengungen verbunden. Die Pflegekräfte klagen darüber, dass ihnen zu wenig Zeit zur Verfügung steht. Hinzu kommen steigende Anforderungen in der Pflege, die sich aus vielfältigen Entwicklungen wie etwa auch der Coronakrise ergeben. Der Gedanke, den Pflegekräften nun noch ein weiteres Aufgabenfeld zu übertragen, mag deshalb bei manchen Beschäftigten zunächst auf wenig Verständnis oder Gegenliebe stoßen. Stattdessen werden sie auf die bereits bestehende Überlastung des Personals und
Warum brauchen wir die Natur in Pflegeheimen?
Zum Beispiel: • Eintopfen – im Sitzen • Blumen pflanzen – in der Hocke • Pflege am Hochbeet – beim Beugen • Unkraut zupfen – beim Knien • Im Gewächshaus Ordnung machen – im Stehen • Giessen mit dem Schlauch – beim Gehen • Der Umgang mit Arbeitsgeräten bietet Fördermöglichkeiten der praktischen Fähigkeiten: – Gegenstände anheben, tragen und bewegen, – feinmotorischer Handgebrauch, – aufnehmen, ergreifen, handhaben und loslassen.
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Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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die begrenzten zur Verfügung stehenden Mittel verweisen. All dem ist zunächst schwer zu widersprechen, dennoch werden sie nach der Implementierung der Gartentherapie in ihren Einrichtungen sehr schnell feststellen, dass der Nutzen für BewohnerInnen und MitarbeiterInnen die Kosten mehr als rechtfertigt und sich das Arbeitsklima signifikant verbessert. Dies äußert sich zum Beispiel im Rückgang von Krankmeldungen oder einer einfach besseren Mitarbeiterzufriedenheit. Die Erfahrungen am Johanneshaus zeigen sehr deutlich, welche Vorzüge eine enge Einbindung der Natur in das Leben der BewohnerInnen und in den Alltag der Pflege bringt. Deutlich erkennbar ist dabei die verbesserte Ausgeglichenheit, die sich in der Zufriedenheit der BewohnerInnen widerspiegelt. Die Angebote, die in den vergangenen Monaten entwickelt wurden, haben deutlich gezeigt, dass damit zusätzliche Betreuungsansätze für die Pflege geschaffen werden konnten. Dazu gehört der gemeinsame Spaziergang im Park und auch der Aufenthalt von Patienten im Garten. Körperliche Aktivitäten, ob zu Fuß, mit dem Rollator oder im Rollstuhl, sind gerade für kranke Menschen wichtig, denn sie stärken den Körper und aktivieren den Stoffwechsel. Viele BewohnerInnen verbringen, wenn das Wetter dies erlaubt, viele Stunden in Garten und Park, nutzen die zahlreichen Sitzgelegenheiten und erfreuen sich an den zahlreichen Pflanzen und Tieren, die dort zu beobachten sind. Hieraus entwickelten sich unzählige Gespräche über Natur und über die eigenen Erlebnisse mit der Natur, beispielsweise in Form des Gartens, den man früher sein Eigen nannte.
Perspektiven von MitarbeiterInnen in der Gartentherapie Pflege- und Betreuungspersonen begleiten sämtliche Gartenaktivitäten und fördern das Interesse, Sozialverhalten und die Erlebnisfähigkeit der BewohnerInnen. Neue und wiedererkennbare Dinge stimulieren die Aufmerksamkeit der Beteiligten – insbesondere auch bei demenziell veränderten Menschen. Bei vielen BewohnerInnen weckte dies Erinnerungen an frühere Zeiten und so mancher kann sich aufgrund dieser Erfahrungen auch an der Pflege des Gartens beteiligen. Es zeigte sich, dass viele Menschen, die heute im Johanneshaus wohnen, früher einen eigenen Garten hatten und über beträchtliche Kenntnisse zu allen damit verbundenen Fragen verfügen. Themen wie die Saisonalität der Natur, das Wissen über die Eigenschaften und Eigenheiten einzelner Pflanzen sowie deren Verwendung gehören hierzu und es ist beeindruckend zu sehen, welcher Schatz an Erfahrungen hier oft im Verborgenen liegt. Dies stimuliert nicht nur die Beschäftigung mit der Natur, sondern wirkt geistig inspirierend und aktivierend. Es zeigte sich, dass sich dies förderlich auf die Zufriedenheit und die Aktivitäten vieler BewohnerInnen auswirkte. Es ist immer wieder erfreulich, dies mit
Die Umsetzung der Gartentherapie Trotz all dieser Vorzüge, die die Beschäftigung mit der Natur und deren Einbeziehung in den Pflegealltag und das Leben der BewohnerInnen des Johanneshauses mit sich bringt, darf nicht übersehen werden, dass sich all dies nicht reibungslos umsetzen lässt. Hier ist jeder Einzelne, an erster Stelle aber das Management der Pflegeeinrichtung und die Leitungsebenen, gefordert. Basierend auf den Erfahrungen am Johanneshaus sollen an dieser Stelle eine Reihe wichtiger Schlussfolgerungen und Empfehlungen gegeben werden, um sie all jenen Pflegeeinrichtungen an die Hand zu geben, die ebenfalls von einer stärkeren Einbeziehung der Natur mittels der Gartentherapie in das Leben ihrer Einrichtung profitieren wollen. An erster Stelle steht die Projektplanung unter Einbezug aller Beteiligten. Insbesondere gilt es, Pflegeleitung und Pflegekräfte in den Prozess der Planung einzubeziehen und die Vorzüge des Vorgehens, insbesondere aus Sicht der Pflege, deutlich zu machen. Gartentherapie setzt auf Freiwilligkeit und das Interesse aller Beteiligten und ohne die Einsicht in deren vielfältige Vorteile wird es nicht möglich sein, genügend Rückhalt für eine praxisorientierte und engagierte Umsetzung zu schaffen. Wichtig ist es, die Bereitschaft des Pflegepersonals zu aktivieren, sie zu interessieren und im Projekt mitzunehmen, für das es keine gesetzlichen Vorgaben gibt. Ressourcen müssen geschaffen werden und die Bereitschaft bestehen, Veränderungen in Kauf zu nehmen. Aus den im Johanneshaus gemachten praktischen Erfahrungen heraus lassen sich drei aufeinanderfolgende Schritte erkennen, wie man die Pflegekräfte am besten in die Planung, Konzeption und Umsetzung der Gartentherapie einbeziehen kann:
Warum brauchen wir die Natur in Pflegeheimen?
eigenen Augen zu erleben, insbesondere bei BewohnerInnen, die vor ihrem Einzug ins Johanneshaus keinen eigenen Garten oder nur wenig Kontakt zur Natur hatten. Die Einbeziehung von Natur sorgt auch für mehr Abwechslung im Alltag der Pflegekräfte, die den von ihnen Betreuten nicht nur neue Beschäftigungsangebote machen konnten, sondern vielfach auch selbst dazulernen und neue Erfahrungen sammeln. Für viele Pflegekräfte, die stark durch die alltäglichen Abläufe der Arbeit im Johanneshaus geprägt sind, erweist sich dies als wohltuend und sie geben durchweg positive Rückmeldungen. Es ergeben sich bei den Pflegekräften neue Perspektiven und für so manchen ist dies Anlass, sich in der Freizeit mit diesen Themen zu beschäftigten. Ein – wenn auch nur kurzer – Spaziergang durch Garten oder Park bedeutet für viele Pflegekräfte, die der Natur in der Umgebung des Johanneshauses bis dahin noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatten, eine liebgewordene Angewohnheit, der nach Möglichkeit täglich im wahrsten Sinne des Wortes „nachgegangen“ wird. Dies hilft dabei, die Belastungen des Pflegealltags zu bewältigen und neue Kraft für die Arbeit mit den BewohnerInnen zu schöpfen.
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1. Erstens gilt es, das vorhandene Potenzial im Hinblick auf Räumlichkeiten und Ressourcen vollständig zu erfassen. 2. Zweitens müssen MitarbeiterInnen gewonnen werden, die bei der Gartentherapie federführend sind. 3. Drittens muss die praktische Umsetzung der geplanten Maßnahmen zielgerichtet und in Absprache mit allen Beteiligten angegangen werden.
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Zum ersten Schritt, der Erfassung des vorhandenen Potenzials: Hier gilt es zu fragen, welche Ressourcen im Haus bereits vorhanden sind. Gibt es einen Garten oder einen Park? In welchem Zustand befindet sich dieser und welche Möglichkeiten bietet er, den BewohnerInnen attraktive Nutzungsangebote zu machen? Welche natürlichen Elemente gibt es in den Gebäuden? Gibt es Balkone beziehungsweise Terrassen? Wie gestalten sich die Zimmer der BewohnerInnen? Gibt es dort Raum für Pflanzen? Bei der Sichtung der verfügbaren Ressourcen wird es sich in vielen Fällen erweisen, dass zumindest für kleinere Projekte ausreichend Platz und Mittel vorhanden sind beziehungsweise mit geringem Kostenaufwand beschafft werden können. Die Erfahrung zeigt, dass es meist nicht an den Ressourcen, sondern an der Zeit und dem Willen mangelt, ein Vorhaben zu beginnen und umzusetzen. In einem zweiten Schritt geht es darum, die verfügbaren personellen Ressourcen zu ermitteln. Wer von den MitarbeiterInnen und insbesondere von den Pflegekräften hat einen Bezug zur Natur? Wer steht den damit in Zusammenhang stehenden Fragen besonders offen gegenüber und kann mit entsprechenden Aktivitäten betraut werden? Gesucht sind nicht nur MitarbeiterInnen mit dem sprichwörtlichen grünen Daumen, sondern alle, welche hier einen Beitrag leisten möchten. Es geht keinesfalls darum, mangels personeller Alternativen einzelne MitarbeiterInnen „abzukommandieren“, ohne dass sich die Betreffenden aus eigenem Antrieb mit Gartentherapie und den damit in Verbindung stehenden Tätigkeiten identifizieren. Gartentherapie setzt auf Freiwilligkeit, sowohl bei denjenigen, die sie in betreuender Funktion übernehmen, als auch bei den BewohnerInnen und PatientInnen von Pflegeeinrichtungen. Nur auf dem Weg der Freiwilligkeit kann die Atmosphäre geschaffen werden, die für eine erfolgreiche Umsetzung gartentherapeutischer Aktivitäten erforderlich ist. Der dritte Schritt ist die praktische Umsetzung. Sind die Planungen abgeschlossen und wurde eine schlüssige Konzeption für die Gartentherapie entwickelt, gilt es, die geplanten Maßnah-
Warum brauchen wir die Natur in Pflegeheimen?
men in die Praxis umzusetzen. Es geht darum, ins Tun zu kommen, um möglichst schnell erste Erfolgserlebnisse sowohl bei den MitarbeiterInnen und Pflegekräften als auch bei den BewohnerInnen zu schaffen. Wenn man sich bei der Umsetzung auf die ohnehin bereits vorhandenen Ressourcen stützt, sollte der Anfang nicht schwierig sein. Es gilt Verbindlichkeiten zu schaffen, denn nur dann ist ein kontinuierlicher Fortgang der geplanten Vorhaben sichergestellt. Hierzu ist es wichtig, am Anfang nur leicht erreichbare, kleine Ziele zu setzen. Keinesfalls sollten zu große Ziele gewählt werden, denn Pflanzen sind der Gegenstand der Aktivitäten und angesichts der Unwägbarkeiten von Natur und Wetter wäre es schade, wenn man ein großes Ziel aufgrund dieser Faktoren nicht erreichen kann und damit Frustration auslöst. Es gilt, mit kleinen Anfängen die BewohnerInnen und Beschäftigten an die Beschäftigung mit Pflanzen heranzuführen. Entscheidend sind der Impuls und die Umsetzung der geplanten Aktivitäten, die erzielten Ergebnisse werden aufsehenerregend sein und Lust auf weitere Aktivitäten auslösen. Dabei reicht es vollkommen aus, sich zunächst auf die vorhandenen Ressourcen zu stützen und nicht Gelder in ein größeres Objekt zu stecken. Ein kleines Ziel ist beispielsweise die Bepflanzung von Blumenkästen mit Erdbeeren. Dies könnte man als grüne Insel im Kleinen ansehen und damit die Natur auf die Balkone von Menschen holen, die ihre unmittelbare Umgebung nicht mehr verlassen können.
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Neben der Partizipation der MitarbeiterInnen ist es ebenso wichtig, die BewohnerInnen von Anfang an über das Projekt zu informieren, damit sie sich von Beginn an mit dem Projekt identifizieren können. Außerdem sorgt man auf diese Weise dafür, dass es im Haus bekannt wird und darüber gesprochen wird. Dies schafft Akzeptanz und verbessert die Beteiligung der BewohnerInnen. Der Gartentherapie kommt eine sehr wichtige Rolle zu, da sie dabei hilft, den Verlust des eigenen Gartens, des Balkons der BewohnerInnen zu verarbeiten. Gleichzeitig eröffnet sie ein neues Tätigkeitsfeld, das den verlorenen Garten/Balkon zwar nicht ersetzen, aber dazu beitragen kann, durch einen neuerlichen engen Kontakt mit Pflanzen die Beziehung zur Natur zu erhalten. Ein finaler Aspekt: Die weltanschaulichen Grundlagen des Johanneshauses liegen in der Anthroposophie und rund die Hälfte der BewohnerInnen fühlen sich ihr zugehörig. Für die Anlage und die Pflege sowie die Bedeutung von Garten, Park und Natur hat dies wichtige Konsequenzen: Die Anthroposophie lehrt, dass der Mensch ein Naturwesen ist. Leben mit den Jahresläufen und eine große Nähe zur Natur gehören zu den zentralen Ideen der Anthroposophie. Aus dieser Sicht ist Natur gerade für betagte Menschen besonders wichtig, da sie Körper, Geist und Seele heilt. Alle Aktivitäten am Johanneshaus, die auf eine enge Einbeziehung der Natur in das Leben der BewohnerInnen und MitarbeiterInnen abzielen, entsprechen damit gleichzeitig den Grundlagen der Anthroposophie. Deshalb gilt es, alle Ansätze, die diesen Zielen dienen, weiterzuverfolgen und zu stärken. Den Leitungen anderer Pflegeeinrichtungen, ob anthroposophisch orientiert oder nicht, kann nur empfohlen werden, die Natur in Form der Gartentherapie in das Leben der BewohnerInnen, PatientInnen und MitarbeiterInnen einzubeziehen. Die positiven Resultate des Johanneshaus in Kurzform: • Aufenthalt im Pflegeheim wird gesünder für BewohnerInnen und MitarbeiterInnen. • Gartentherapie ist mit wenig Aufwand in die vorhandenen Strukturen integrierbar. • BewohnerInnen kann die Beschäftigung mit Pflanzen neuen Lebenssinn vermitteln. • Innovative Methode, um Einrichtungen und Berufe in der Gesundheitsvorsorge attraktiver und effektiver zu gestalten. • Sechs wichtige Handlungshinweise für die Leitungen von Pflegeeinrichtungen, gewonnen in der Gartentherapie im Johanneshaus: 1. Alle Projekte sollten sorgfältig geplant und mit allen Beteiligten frühzeitig besprochen werden – insbesondere Pflegedienstleitung und Pflegekräfte mit einbeziehen.
Warum brauchen wir die Natur in Pflegeheimen?
2. Die Vorzüge der Gartentherapie für alle Beteiligten sowie die BewohnerInnen und PatientInnen schon vor Beginn eines Projekts anschaulich darstellen. 3. Gartentherapie mit kleinen Projekten beginnen, damit die gesetzten Ziele leicht erreicht werden können. Große Projekte benötigen vielfältige Erfahrungen, umfangreiche Ressourcen und sind mit Risiken, insbesondere im Hinblick auf das Wetter, verbunden. 4. Am Anfang jedes Projekts gilt es, sich einen Überblick über die vorhandenen Räumlichkeiten und Ressourcen zu verschaffen. Gerade für kleine Projekte ist vieles, wenn nicht gar schon alles Notwendige vorhanden, sodass keine oder nur geringe Kosten für gartentherapeutische Maßnahmen anfallen. 5. Es gilt, MitarbeiterInnen für die Gartentherapie zu gewinnen, die sich gerne und freiwillig an ihr beteiligen. Gesucht sind MitarbeiterInnen mit dem sprichwörtlichen grünen Daumen, die Freude an der Arbeit mit Natur und Pflanzen haben. 6. Die Umsetzung sollte nicht nur gut geplant, sondern von der Leitung laufend begleitet werden, damit die Gartentherapie nicht im Pflegealltag untergeht.
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ie kann Gartentherapie in PflegeW einrichtungen gelingen? Interview mit Marta Glowiak Marta Glowiak ist ausgebildete Sozialpädagogin (BA) mit zusätzlicher Qualifikation als Gerontopedagogin und aktuell in Ausbildung zur Gartentherapeutin sowie Master in Pädagogik. Sie arbeitet seit vielen Jahren im Pflegebereich und leitet das Betreuungsteam in Johanneshaus, wodurch sie in die komplexe Therapieform, kombiniert aus gärtnerischen und medizinischen Wissen und einer Reihe verschiedener Therapien, wie Sozio- und Ergotherapie, einführt. So trägt sie aktiv zur Verbesserung der physischen und psychischen Gesundheit der Bewohner bei, die auf der Stimulation aller Sinne basiert.
Was braucht man dafür?
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Kurz gesagt, es muss jemanden geben, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, das Projekt in der Umsetzung zu leiten, um Ideen zu entwickeln und zu begleiten, damit man das Projekt zum Leben erwecken kann. Ich bin erst seit einem Monat in Johanneshaus und ich war von Anfang an beeindruckt, wie im Johanneshaus versucht wird, auf die natürlichen Bedürfnisse der BewohnerInnen einzugehen. Insbesondere auf das Bedürfnis an der Teilhabe der Natur. Das Johanneshaus mit seiner großen Gartenlandschaft ist schon sehr bemerkenswert. Um den Garten und die Teilhabe an der Natur den BewohnerInnen noch näher zu bringen, wurde das Projekt der Gartentherapie eingeführt. Um dieses umzusetzen, ist großes Engagement der MitarbeiterInnen erforderlich. Bei den TeilnehmerInnen der Gartentherapie handelt es sich um TherapeutInnen, Betreuungskräfte, Pflegepersonal, Gärtner und sogar Köche. Am schwierigsten ist es, die MitarbeiterInnen zu überzeugen und teilweise die Denkweise in ihrem Arbeitsalltag zu ändern. Sobald dies aber gelingt, haben wir eine Chance, dass die Gartentherapie eine Bereicherung des Lebensalltages der BewohnerInnen und MitarbeiterInnen wird und nicht nur irgendein "therapeutisches Projekt". Es ist oft schwierig, Menschen zu finden, die neue Dinge angehen. Ich absolvierte im Alter von 40 Jahren Hochschulpädagogik mit Elementen der Sozialtherapie und zusätzlichem Spezialisierungscoaching. Herr Blank hat mein Potenzial gesehen, ich sehe das Potenzial meines Teams. Gemeinsam können wir das Unmögliche erreichen.
Vom ersten Treffen mit Michael Blank an fanden wir Ähnlichkeiten in der Wahrnehmung der Welt der Menschen, die an Demenz leiden. Das unglaubliche Arbeitstempo, Ideen, die nicht nur in die Welt der Träume eingeführt, sondern auch umgesetzt wurden, zeigen, dass es sich lohnt, riskante Entscheidungen zu treffen. Eine von diesen ist die Gartentherapie. Eine Therapie, die zu 100 % vom Engagement des Personals abhängt und nicht durch die Pflegekassen refinanziert wird.
Demenzkranke Menschen in jedem Heim verbringen 70 % ihrer Zeit, ohne den Raum zu verlassen. Besonders im Sommer werden alle Aktivitäten im Garten durchgeführt, von morgendlicher Gymnastik über Spiele bis hin zum Lesen von Büchern. Durch den bewussten Kontakt mit der Natur versuchen wir, den BewohnerInnen das Bedürfnis zu vermitteln, auch alleine in den Garten zu gehen – ohne Betreuung und Pflege. Obwohl ich die Betreuungs- und Therapieteams erst seit einem Monat leite, muss ich zugeben, dass ich gute Gründe habe, sehr froh über das Team und dessen Arbeit zu sein. Jedoch war die Gartentherapie in der Vergangenheit nicht immer auf Verständnis der MitarbeiterInnen gestoßen. Seitdem ich das gesamte Team leite, haben wir versucht, alle MitarbeiterInnen der Betreuung mit einzubeziehen. Und so wurde das Projekt für uns nochmal spannend, als es darum ging, alle MitarbeiterInnen der Betreuung auf den gleichen Stand zu bringen und zu integrieren. Der therapeutische Ansatz hat sich geändert, jede Aktivität zur Gartentherapie ist auch für uns eine Art Belohnung. Ich versuche zu vermitteln, dass es nichts Schöneres gibt, als mit den BewohnerInnen Zeit im Garten zu verbringen. Das Lächeln, die Freude, die damit einhergehen, sind der beste Dank für unser Engagement. Um dies umzusetzen, erforderte es eine Änderung des täglichen Zeitplans für andere geplante therapeutische Aktivitäten, um diesen auch gerecht zu werden. Dies erfordert ein Umdenken. Im Ergebnis näherten sich mittlerweile die TherapeutInnen und Betreuungskräfte erneut mit Begeisterung dem Projekt, sodass die Änderungen reibungslos durchgeführt wurden und auch ein gutes Gefühl für das Therapeutenteam entstanden ist.
Worauf kommt es bei der Vorbereitung an? Ich habe den Text von Herrn Blank aufmerksam gelesen. Herr Blank, der dieses Projekt bekannt machen möchte, fragte, wer daran teilnehmen möchte. Aufgrund der Erfahrung von Herr Blank bin ich in das Projekt eingestiegen und habe mein Team gefragt, was wir tun können, um dieses Projekt und das bisher Erreichte für unsere BewohnerInnen noch besser machen zu können. Deren Ideen einzubeziehen ist sehr wichtig.
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
Wie sind Sie dabei vorgegangen?
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Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Was kommt nach der Planungsphase? Wir haben einen Test durchgeführt. Wir haben uns der Herausforderung gestellt, unsere BewohnerInnen zum Gewächshaus zu bringen, dort Zeit zu verbringen und den Rückweg zu schaffen. Organisatorisch haben wir Schwachstellen gesehen. Vor allem in der Planung und in Absprachen untereinander. Kommunikation ist das A und O und an der scheiterte es bei uns neben der Auswahl von BewohnerInnen für die Aktivität. Für einige war der Weg zum Gewächshaus zu lang oder ein Bewohner hat eine Hinlauftendenz. Dies bedeutete zusätzlichen Aufwand. Das Ziel soll ja sein, die Gartentherapie mit in den Tagesablauf zu integrieren. Dies haben wir ausgewertet und versuchen, daraus zu lernen. Nur so können wir das Projekt noch besser machen. Später haben wir ein FSJ-Projekt durchgeführt, da hat es dann hervorragend funktioniert. Wir wurden eingeladen, gemeinsam ein Insektenhotel zu bauen. Unsere Senioren haben ihr Bestes gegeben. Wir haben Gründe, stolz zu sein. Schön ist die Tatsache, dass die Menschen, von denen wir dachten, dass sie am müdesten sein werden und einen Mittagsschlaf brauchen, anschließend am fittesten waren. Sie waren durch den Spaziergang und Bau des Insektenhotels angeregt worden.
Gartentherapie ist die Zusammenarbeit von Betreuung, Therapie und Pflege, dem Gärtner und allen MitarbeiterInnen, die für die ausgewählte Aktivität erforderlich sind. Kooperation und Kommunikation sind zwei Faktoren, die Erfolg, wenn richtig eingesetzt, garantieren können. Wir im Johanneshaus haben das Glück, dass unsere Geschäftsführung dieses Projekt in einer Art und Weise mit Leidenschaft betrachtet, dass es für unsere BewohnerInnen sein soll und es nicht nur nüchtern als Projekt sieht. Zum Beispiel: Für die BewohnerInnen, welche nicht die Möglichkeit haben, ins Gewächshaus zu gehen, werden Lösungen gefunden. Es gab auch Meinungen, dass das Rollstuhlschieben zu viel Kraft erfordert und aufgrund des teilweise älteren Personals problematisch ist. Jedoch findet sich immer Unterstützung von MitarbeiterInnen aus anderen Bereichen. Gerne hilft dann auch ein/eine MitarbeiterIn der Verwaltung beim Transport. BewohnerInnen, die den längeren Weg zum Gewächshaus zurücklegen können, sind ein- oder zweimal im Monat zusammen mit BetreuerInnen dort. Unser Gärtner bietet uns ferner Aktivitäten an, an denen wir aktiv teilnehmen. Für unsere BewohnerInnen arbeiten wir auch oft mit Hochbeeten. Terrassen gibt es genug und die BewohnerInnen sind auch gerne dort. Zusammen mit den MitarbeiterInnen der Betreuung, Pflege und Gärtnerei wird dort gemeinsam gepflanzt, versorgt, geerntet und verarbeitet oder dekoriert. Das Pflegepersonal wird nicht nur z. B. die Bedürfnisse des Toilettengangs abdecken, sondern auch an einem einzigartigen Projekt teilnehmen.
Wie kann Gartentherapie in Pflege-einrichtungen gelingen?
Wie werden die Aufgaben verteilt?
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Wo gibt’s Hürden?
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Ich glaube, wenn Herr Blank mich und meine Vorgängerin nicht mit seiner Begeisterung für das Gartenprojekt infiziert hätte, würden wir heute nicht über diesen Erfolg sprechen. Es ist äußerst wichtig, dass solche Projekte von höchster Seite unterstützt werden. Seien wir ehrlich, jedes Projekt erfordert eine Finanzierung. Jeder hat Ideen, aber wenn der Chef an die Möglichkeiten seines Teams glaubt, wird jedes Projekt zum Vergnügen. Und nur dann kann es nachhaltig gelingen. Herr Blank ist offen für Vorschläge, neue Ideen und ich bin überzeugt, dass jeder, der es liebt, in der Natur zu sein, das Potenzial für sein Pflegeheim erkennen wird. Das Johanneshaus hat hier eine Pionierrolle bei der Einführung von Gartentherapie und es gibt keine bessere Schule, als von den Besten zu lernen. Meine Hoffnung und die Hoffnung des Leiters des Ernst-Zimmer-Hauses, des speziellen Baus für Demenzerkrankte im Johanneshaus, ist es auch, die Denkweise vom Pflegepersonal und der Betreuung zu ändern. Pflege wird oft mit Grundpflege, Waschen, Servieren von Lebensmitteln, Verabreichen von Medikamenten und Toilettengang in Verbindung gebracht. Der Pflegeberuf wird darin unterschätzt bzw. wertet sich selbst darin ab. Wenn er sagt „Pflege ist nicht nur Pflege und Betreuung nicht nur Betreuung“, hat er recht. Beides gehört auch zusammen. In gemeinsamen Besprechungen und der Umsetzung konnten wir dieses Anliegen thematisieren. Ebenso das gemeinsame Anliegen, auch für demenziell erkrankte Menschen und MitarbeiterInnen eine angenehme Oase zu schaffen. Das Pflegepersonal wurde zur Teilnahme am Gartentherapieprojekt eingeladen. Es gibt MitarbeiterInnen, die mit Herzblut dabei sind. Seine und auch meine Vorstellung sowie meine eigenen Erfahrungen als Pflegerin bestätigen, dass Pflege nicht nur aus dem oben Genannten besteht, sondern aus mehr. Wir versuchen, alle BewohnerInnen mit in die „Gartenarbeit“ zu integrieren. „Der Wohnbereich leert sich, das Pflegepersonal wundert sich und schaut sich aus Neugier um, was wir treiben, was wir tun. Aber nach einer Weile können sie feststellen, dass sie selbstverständlich auch an der Gartentherapie teilnehmen können und dies auch eine Bereicherung für ihre Arbeit ist.“
Was ist der Schlüssel zum Erfolg? Der Schlüssel zum Erfolg ist die Zusammenarbeit von Betreuung und Pflegepersonal, und ich muss sagen, dass das hier mittlerweile großartig funktioniert, weil der Mann, der das Team leitet, eine Vision hat, wie man erfolgreich zusammenarbeitet, auch zum Wohl der BewohnerInnen. Wenn wir unsere eigenen Erfahrungen ehrlich betrachten, lassen wir uns
Wie kann Gartentherapie in Pflege-einrichtungen gelingen?
oft von stereotypem Denken leiten – was muss gemacht werden, was nicht? Er ist in der Lage, diese Denkweise mit Geduld aufzubrechen und Veränderungen, die vom gesamten Team getragen werden, umzusetzen. Die langjährige Erfahrung in der Pflege hat ihn nicht die Fähigkeit verlieren lassen, den Beruf gerne auszuüben und immer wieder die Arbeitsatmosphäre verbessern zu wollen, aber ebenso die Lebenswelt seiner BewohnerInnen. Er hat Erfolg, auch weil er die Freude bei den BewohnerInnen sieht. Nur wenige können die natürlichen Bedürfnisse von Demenzkranken aus Sicht des Patienten selbst erkennen oder sind bereit, sich hineinzuversetzen. Er kann das, deshalb ist es eine Freude, mit ihm zu arbeiten. Ich selbst bin Sozialpädagogin, meine Spezialisierung ist Soziotherapie und Coaching. Ich muss zugeben, dass meine Rolle als Coach auch hier automatisch zum Tragen kommt. Bei Menschen mit Demenzerkrankung liegt der Fokus auf den Stärken der BewohnerInnen. Das Schwierigste ist, sie zu entdecken. Erfahrung und Wahrnehmung sind jedoch der Schlüssel zum Erfolg. Ich versuche auch oft die Trial-and-Error-Methode. Ich versuche für eine kleine Überraschung zu sorgen. Wenn sie sich z. B. an mit Materialien bedeckten Tischen setzen – z. B. Blumen, Blumentöpfe, Samen – muss ich nichts sagen. Einige unserer BewohnerInnen verhalten sich so, als ob sie in einem Garten geboren wären, sie wissen sofort, was zu tun ist, erklären und unterweisen andere. Ich bin immer voller Erstaunen darüber, wie sich Menschen mit Demenz dem Schoß der Natur öffnen. Sie können vergessen, wie man das Brot verteilt: ob die Butter benötigt wird oder nur die Marmelade ausreicht. Aber sie werden nie vergessen, wie Lavendel, Rosmarin oder Thymian riechen. Sie können mir sagen, ob der Pfeffer reif ist, ob wir eine grüne Tomate essen können oder ob Basilikum ein Kraut oder eine Blume ist.
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Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Ich versuche, alle MitarbeiterInnen dazu zu bringen, gut miteinander zu kommunizieren. Vor jeder geplanten Gartentherapie haben wir ein 10-minütiges Meeting. Wir teilen die Verantwortung. Vor jeder nächsten Gartentherapie sammeln wir Ideen und wählen die besten aus. Der Koch arbeitet mit uns zusammen, wir planen thematische Wochen. Beispiel: Wir haben viel Basilikum im Garten. Wir sorgen dafür, dass jede Aktivität der Woche mit Basilikum in Verbindung gebracht wird. Der Koch liefert uns eine Zutat, um zusammen mit den BewohnerInnen einen köstlichen Salat zu zaubern. Wir backen Kräuterstücke mit unserem Schützling. Zum Abendessen gibt es eine Pizza, in der wir unser frisches Basilikum verwenden können. Beim Gedächtnistraining versuchen wir, mögliche Anwendungen von Kräutern zu finden etc. Dies sind alles Möglichkeiten, die wir aus unseren Gärten ziehen. Ich glaube, eine großartige Möglichkeit sind die mobilen und rollstuhlunterfahrbaren Hochbeete, von denen wir mehrere im Johanneshaus haben. Viele BewohnerInnen mit körperlichen Einschränkungen können in unser Projekt integriert zu werden. Darüber
hinaus haben sie die Möglichkeit, im Winter immer frische Kräuter im Hause zu haben. Derzeit nehmen fast alle BewohnerInnen am Gartentherapie-Projekt teil.
Es ist wichtig für uns, dass sich unsere BewohnerInnen wahrgenommen fühlen. Niemand wird ausgelassen. Wenn jemand nicht spricht, bedeutet es nicht, dass er kein Vergnügen empfindet. Deshalb ist es so bedeutsam, dass jedes Projekt die Stärken unserer BewohnerInnen hervorhebt. Solange wir Ressourcen pflegen und die BewohnerInnen unterstützen, wird der Pflegeberuf was Besonderes sein. Eine gute Betreuung bedeutet, dass Pflege weniger Arbeit hat und umgekehrt, die BewohnerInnen und MitarbeiterInnen mehr Spaß am Zusammensein haben. Deshalb ist die Zusammenarbeit so wichtig. Ein gutes Pflegeheim wird oft gesehen als ein Haus mit einem Speisesaal, Wohnbereich und Aufenthaltsraum, in denen es kaum Veränderungen gibt, immer sehr ordentlich, nahezu steril. Es gibt wenig BewohnerInnen, die nach Möglichkeit kultiviert am Tisch sitzen. Ich denke aber, sie sind lieber auf der Terrasse und haben Spaß am Morgen, manche essen draußen, machen z. B. Blumensträuße für Tische aus wilden Blumen und dekorieren damit die Station. Das „ordentliche Pflegeheim“ ist eines, in dem der Speisesaal makellos ist, aber es gibt auch BewohnerInnen dort, die dort leben. Das „ordentliche Pflegeheim“ ist eins, in dem die BewohnerInnen immer makellos aussehen. Nach der Mahlzeit auf die nächste Mahlzeit warten und immer „bequem“ sind und „wenig Arbeit“ machen. Jedoch möchten wir diesen Menschen Teilhabe geben. Wir konzentrieren uns oft darauf, wenn Angehörige im Wohnbereich vermeintlich „Chaos“ sehen, und wir fragen uns, ob ein aufgeräumter Speisesaal Mutter und Großmutter glücklicher macht. Ich kann Ihnen aus Erfahrung berichten, dass die meisten, die ihre lächelnde Mutter sehen, die den Raum schon lange nicht mehr verlassen hat, nicht einmal darüber nachdenken werden, warum nach dem Frühstück leere Tassen noch auf den Tischen stehen. Das Einzige, das derjenige bemerkt und woran er sich erinnert, ist, dass seine Mutter wieder lächelt. Deshalb ist es so wichtig, Stereotypen zu brechen. Standpunkte zu ändern. Wenn ich höre: „Sie ist krank – und wird nicht antworten, kann nicht teilnehmen, wir haben keine Zeit …“, stelle ich immer wieder fest, dass die BewohnerInnen doch antworten werden, teilnehmen können und Teilhabe erfahren. Bitte glauben Sie mir, manchmal antworten sie mit einem Wort, manchmal mit einer Geste, manchmal mit einem Gesichtsausdruck.
Wie kann Gartentherapie in Pflege-einrichtungen gelingen?
Möchten Sie noch etwas hinzufügen?
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Gartentherapie ist eigentlich nichts anderes, als dass sich die Menschen im Pflegeheim wie zu Hause fühlen können. Jeder, der sich entscheidet, mit Menschen zu arbeiten, setzt sein Herz für die Arbeit ein. Gartentherapie lässt uns sehen, wie dieses Herz blüht, und das Lächeln und die Freude, die wir bringen und zurückerhalten, sind das beste Kompliment.
Beispiel Wochenplan: Die Gartentherapie muss fester Bestandteil des Ablaufs sein. Beispiel Wochenplan Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Samstag/ Sonntag
9:00 – 13:00 Gruppentherapie Spielzeit
9:00 – 13:00 Gruppentherapie Gartenaktivierung
9:00 – 13:00 Gruppentherapie Gartenaktivierung Blumen schneiden
9:00 – 13:00 Gruppentherapie Kochen/ Backen
9:00 – 13:00 Gruppentherapie
13:30 – 16:00 Gruppentherapie Gedächtnistraining
13:30 – 16:00 Einzeltherapie Rollstuhlgang
13:30 – 16:00 Gruppentherapie Gedächtnistraining
13:30 – 16:00 Gruppentherapie Kochen/ Backen
13:30 – 16:00 Gruppentherapie
Frühschicht
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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9:00 – 13:00 Gruppentherapie Gymnastik
Spätschicht 13:00 – 16:00 Gruppentherapie Gedächtnistraining, Biografiearbeit
ie Bedeutung der Gartentherapie für Menschen D in Pflegeheimen – wissenschaftliche Grundlagen
Ute Budliger
Dr. Ute Budliger ist ausgebildete Gärtnerin und Gartenbauingenieurin. Sie promovierte am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und ist seit vielen Jahren, u. a. als Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft, in der Gartentherapie aktiv.
Gartentherapie beruht auf der Erkenntnis, dass von der Beschäftigung mit der Natur und insbesondere mit Pflanzen ein Effekt ausgeht, der sich förderlich auf das Wohlbefinden sowohl gesunder als auch kranker Menschen auswirkt. Gartentherapie lebt von der Verbindung medizinisch-therapeutischen Wissens und gärtnerische Fertigkeiten. Sie wird oft in der Pflege von alten und behinderten Menschen sowie von demenziell erkrankten Menschen eingesetzt. Gartentherapeutische Aktivitäten finden möglichst in der Natur und damit in einer besonders gesundheitsfördernden Umgebung statt. Hierzu eignen sich insbesondere Gärten, Parks und die Außenbereiche der Einrichtungen. Sie können aber auch in verschiedensten Arten von Räumlichkeiten stattfinden, solange diese ausreichend Platz bieten. Die Gartentherapie kann, wenn auch in eingeschränkter Weise, sogar am Bett eines Bewohners stattfinden. So können an der Gartentherapie auch BewohnerInnen teilnehmen, die nicht mehr aus eigener Kraft oder überhaupt nicht ins Freie kommen. Die Freude an der Natur ermöglichen, ein menschliches Grundbedürfnis befriedigen, Ängste lösen und die Kommunikation fördern: Dies sind nur einige Gründe, warum Pflanzen und Gärten in vielen Pflegeheimen und Hospizen mittlerweile wieder eine große Beliebtheit genießen. Gartentherapie hat streng genommen zwei unterschiedliche Bedeutungen. Es ist einmal die Gartentherapie als medizinisch-therapeutische Methode und die Gartentherapie im Sinne von sozialem und therapeutischem Gärtnern (Sempik et al. 2003). Der Begriff Gartentherapie wird in Pflegeheimen allerdings selten gebraucht, sondern Begriffe wie Gartengruppe, Erlebnisgarten, Gartenagogik, Naturgestützte Pflege, oder – wie im Johanneshaus – Gartenaktivierung, werden undifferenziert verwendet.
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
Was ist Gartentherapie?
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Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Zur Wirksamkeit von Gartentherapie in Pflegeheimen In Pflegeheimen verstehen wir die Gartentherapie als soziales und therapeutisches Gärtnern, bei dem Individuen durch den Kontakt mit Pflanzen und/oder Gartenarbeit erhöhtes Wohlbefinden erlangen. Dies kann sowohl aktiv als auch passiv stattfinden und hat einen sofortigen positiven Einfluss auf die Gesundheit der BewohnerInnen. Die Gartentherapie in Pflegeheimen ist also keine Therapie im eigentlichen Sinne. Trotzdem sind die Ergebnisse deutlich erkennbar. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen den gesundheitsfördernden Effekt von der Begegnung mit der Natur besonders auch für Menschen mit Demenz (Zusammenfassungen: Gillard und Marshall 2012, Gonzalez und Kirkevold 2013, Detweiler et al. 2012, Porchey, 2007). So verglichen z. B. Jarrott et al. 2010 das Verhalten von demenziell erkrankten Menschen bei der Gartentherapie und bei herkömmlichen Aktivitäten und fanden heraus, dass die Gartentherapiegruppe ein höheres Maß an adaptivem Verhalten, wie aktives und passives Engagement, und ein niedrigeres Maß an maladaptivem Verhalten, wie Selbstengagement, als die Vergleichsgruppe zeigte. Ferner wurde Gartenarbeit in Innenräumen mit einer signifikanten Verbesserung des Schlafverhaltens, Agitation und Kognition bei Demenz in Verbindung gebracht (Lee & Kim, 2008). Und sogar durch Elemente, wie Fotos und Geräusche, können die Agitiertheit und aggressives Verhalten bei demenziell erkrankten Menschen gelindert werden (Whall et al. 1997). Bereits 1984 konnte Roger Ulrich in einer Studie nachweisen, dass sich Patien-
Die Bedeutung der Gartentherapie für Menschen in Pflegeheimen
ten nach Gallensteinoperationen schneller erholten und weniger Schmerzmittel benötigten, wenn sie von ihrem Krankenzimmer aus auf Bäume blicken konnten. Diese Ergebnisse wurden später durch Untersuchungen mit Zimmerpflanzen von Wissenschaftlern wie etwa Diette et al. im Jahr 2003 beziehungsweise Park und Mattson (2008) bestätigt. Hinzu kam, dass die Patienten in geringerem Masse von Angstzuständen heimgesucht wurden und zufriedener als diejenigen waren, die in Zimmern ohne Naturelemente waren. Dies entspricht auch den Forschungen von Bowler et al., die 2010 nachweisen konnten, dass gartentherapeutische Aktivitäten einen Abbau von Angstzuständen bewirken. In der Altenpflege wird oft dokumentiert, dass BewohnerInnen sich flüssiger artikulieren können und auch den Drang haben, sich mitzuteilen (Gillard und Marshall 2012; Chalfont 2006). Es wird berichtet, dass ihr Selbstwertgefühl und ihre Stimmung sich durch einen Aufenthalt von nur 5 Minuten in der Natur verbessern können (Barton und Pretty 2010). Andere Studien belegen, dass schon 3 Minuten ausreichend sind, um einen positiven Effekt auf die Gesundheit zu erzielen (Park et al. 2017, Choi et al. 2016). 1986 formulierte der US-Biologe Edward O. Wilson seine Biophilia-Hypothese, laut der uns eine emotionale Verbindung mit der Natur angeboren ist. Kontakt mit blühenden Gärten, Bäumen, schönen Landschaften wirkt beruhigend und stressabbauend (Wilson 1986). BewohnerInnen von Pflegeheimen und Hospizen halten sich hauptsächlich in Innenräumen auf und haben dort, oft aufgrund von praktischen Gesichtspunkten (z. B. fehlende Fensterbänke in den Zimmern), wenig Kontakt zur Natur. Einige trauen sich nicht mehr nach draußen zu gehen, einige können es nicht, oder ihnen fehlt die nötige Motivation. Mit Pflanzen werden alle Sinne angesprochen. Pflanzen werden an der Form, Farbe, dem Geruch oder Geschmack erkannt – dies schafft Vertrauen und kann den Austausch mit anderen Menschen ermöglichen. Gerade in der Altenpflege und Hospizen ist dies eine schöne Möglichkeit, die Kommunikation zwischen den BewohnerInnen, Angehörigen oder MitarbeiterInnen zu ermöglichen. Je mehr die kognitiven Fähigkeiten nachlassen, desto stärker sind Betroffene auf ihre Sinne angewiesen, um sich in der Welt zurechtfinden. Eine an den Sinnen orientierte Pflege ist identitätserhaltend und ermöglicht Lebensqualität – so lautet auch eine wichtige Botschaft des 4. St. Galler Demenz-Kongresses (2016). Bitte sehen Sie hierzu auch im Beitrag von Laura Liska über die 12 Sinne. Ein Grund, weshalb gartentherapeutische Ansätze in Deutschland bisher wenig implementiert sind, liegt zweifellos darin, dass in vielen Fällen die positiven Effekte der Gartentherapie nicht ausreichend nachgewiesen werden, ihre Folgen als unspektakulär angesehen werden oder ihre Wirkung als weit geringer als diejenige konventioneller Therapien vermutet wird. Die Fachliteratur erscheint fast ausschließlich in englischer Sprache. Nach Durchsicht zahlloser Artikel zum Thema Gartentherapie, wird deutlich, dass viele Studien nicht nach strengen, wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt werden und die Versuchsgruppen oft sehr klein und sehr heterogen sind. Dies ist verbunden mit den je-
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Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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weils verfügbaren Ressourcen. Konsequenterweise sind die Studien oft auch subjektiv und nur schwach evidenzbasiert (Yeo et al., 2019). Jedoch finden auch „höherwertige“ Studien heraus, dass die Gartentherapie im Innen- sowie Außenbereich effektiv für Kognition, psychologisches Wohlbefinden, soziale Ergebnisse und Lebenszufriedenheit sind (siehe oben). Effekte, wie ein höheres Wohlbefinden der Patienten, ein besserer Nachtschlaf oder eine engere Einbindung in soziale Zusammenhänge und intensivere Kontakte zu Mitmenschen, spielen für den Betroffenen zweifellos eine große Rolle und verbessern auch für die MitarbeiterInnen in den jeweiligen Einrichtungen den Umgang mit den BewohnerInnen. Sie erleichtern den Tagesablauf, bringen Abwechslung in das Leben von demenziell erkrankten Menschen und tragen zu einer beschleunigten Heilung verschiedenster Erkrankungen bei (Adam, 2020). Gleichzeitig ist daran zu denken, dass Gartentherapie auch auf gesunde Menschen eine wohltuende Wirkung ausübt, was für die MitarbeiterInnen in Pflegeheimen eine wichtige Rolle spielen dürfte. So zeigte eine von White et al. im Jahr 2019 veröffentlichte Studie, an der fast 20.000 sowohl gesunde als auch kranke Probanden teilnahmen, dass ein Aufenthalt in der Natur von 120 Minuten und mehr pro Woche das Wohlbefinden erheblich verbesserte. In ähnlicher Weise belegen die 2018 von Najjar et al. veröffentlichten Ergebnisse, dass der Aufenthalt in der Natur und insbesondere die Teilnahme an gartentherapeutischen Aktivitäten eine Abschwächung depressiver Erscheinungen bewirkt. Ein eindeutiger Nachweis der Effekte von Gartentherapie auf Basis der Methoden der herkömmlichen Medizin ist aufwendig, weshalb sie leicht durch konventionelle Raster fällt und damit auch nicht finanziert wird. Generell gibt es keine einheitlichen und allgemeingültigen Berechnungsmethoden für den Nutzen und die Wirksamkeit von Therapiemethoden, die Gartentherapie bildet hierbei keine Ausnahme. Dies erschwert es, einen allseits anerkannten Nachweis für die Wirkung der Gartentherapie zu entwickeln. Zumal sich viele Aspekte, die für die Bewertung der Wirkung der Gartentherapie grundlegend sind, wie etwa ein gestiegenes Wohlbefinden der Patienten und das bei der Arbeit mit Pflanzen empfundene Gefühl von Glück und Befriedigung, nur schwer in konventionelle Raster einfügen. Derzeit ist es allerdings leider oft so, dass der Aufenthalt in Pflegeeinrichtungen die Immobilität und soziale Desintegration fördert. Reizarme Innenräume und Routine setzen Menschen (auch MitarbeiterInnen) psychischer Belastung aus. Die hohen Anforderungen an Kommunikation und zwischenmenschlichem Umgang können oft aufgrund mangelnder Ressourcen nicht erfüllt werden. Zusätzlich ist der Mangel an sozialen Angeboten und Aufenthalt im Außenbereich hierfür oft ausschlaggebend. Sind Gärten vorhanden, so bleiben diese oft unerreichbar. Die Planung und Konzeption gartentherapeutischer Maßnahmen braucht das Verständnis und die Offenheit der Leitungen der betreffenden Einrichtungen, damit derartige Ansätze zur Behandlung kranker und alter Menschen zum Einsatz kommen können.
Gartentherapie hat eine lange Geschichte. Bereits Hofärzte im Ägypten der Pharaonen verordneten Mitgliedern der Herrscherfamilien, die unter geistiger Umnachtung litten, Spaziergänge in den Gärten. Die Klostergärten des mittelalterlichen Europas wurden nicht nur zur Kultivierung von Pflanzen, sondern auch zur Erholung und als Ort der Kontemplation genutzt, da die wohltuenden Effekte, die Natur und Gärten auf Menschen haben, bereits hinlänglich bekannt waren. Dies wird auch an den Gärten deutlich, die vom 18. Jahrhundert an in vielen sogenannten Irrenanstalten eingerichtet wurden, damit Patienten dort spazieren gehen und sich erholen konnten. Benjamin Rush, der zu den Unterzeichnern der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung gehört und als „Vater der amerikanischen Psychiatrie“ gilt, hat im 19. Jahrhundert wiederholt über die positive Wirkung von Gartenarbeit auf Menschen mit psychischen Erkrankungen berichtet. Die eigentliche Geburtsstunde der Gartentherapie liegt im Jahr 1918, als sie in einer psychiatrischen Einrichtung in Kansas, USA, systematisch eingeführt wurde. Einen Aufschwung erlebte sie in den USA nach Ende des Zweiten Weltkriegs, wo sie bei der Pflege von Veteranen eingesetzt wurde. War sie in der davor liegenden Zeit in erster Linie bei psychischen Erkrankungen verwendet worden, so fand sie zunehmend bei einer Vielzahl weiterer Krankheitsbilder Anwendung. In der Folge führte dies von den 1950er-Jahren an zu einer raschen Verbreitung gartentherapeutischer Methoden in den USA. In Europa und insbesondere in Deutschland ist sie dagegen weit weniger bekannt, was sowohl am mangelnden öffentlichen Bewusstsein als auch an unzureichenden Finanzierungsmöglichkeiten lag und liegt. Zudem scheint gerade in Deutschland ein hoher Anspruch an die Nachweismöglichkeiten zur Wirkung alternativer Therapieansätzen wie etwa der Gartentherapie zu existieren, dem Letztere bisher noch nicht in ausreichendem Maße gerecht werden konnte. Ein deutliches Indiz für die nachrangige Bedeutung der Gartentherapie in Deutschland kann darin gesehen werden, dass sie in breiten Bevölkerungsschichten weitgehend unbekannt ist. Im Gesundheits- und Pflegewesen ist diese allerdings akzeptiert und die Implementierung scheitert oft nur aufgrund von mangelnden Ressourcen. Derzeit beobachtet man jedoch eine zunehmende Einführung in Gerontologie/Geriatrie, Rehabilitation, Psychiatrie, Institutionen für Behinderte, Strafvollzug und Spitälern. Es ist allgemein anerkannt, dass Menschen generell schwierige Situationen besser meistern können, wenn sie auf Pflanzen schauen. Dies ist gerade in der heutigen Situation, mit den vielen Einschränkungen, welche mit dem Schutz vor dem Coronavirus verbunden sind, wichtig. Es gilt auch jetzt, die größtmögliche Lebensqualität und Selbstständigkeit trotz Alter und Krankheit zu ermöglichen. Hierbei sollte erwähnt werden, dass die Gartentherapie kein Ersatz für bestehende medizinisch-therapeutische Maßnahmen ist, sondern sich als
Die Bedeutung der Gartentherapie für Menschen in Pflegeheimen
Zur Geschichte der Gartentherapie
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komplementäre Methode versteht. Die Tabelle auf Seite 41 zeigt eine Übersicht der häufigsten mit der Gartentherapie assoziierten Indikationen und den aktuellen Forschungsstand. Es wird deutlich, dass der Nutzen für die BewohnerInnen sehr vielseitig sein kann.
Ziele und Betreuungsansätze der Gartentherapie in Pflegeheimen
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Hinsichtlich der generellen Ziele der Gartentherapie lassen sich fünf Aspekte voneinander unterscheiden: Förderung der (1) Sinneswahrnehmungen und der (2) kognitiven Fähigkeiten, des (3) psychisch-emotionalen Zustands sowie der (4) sozialen und (5) physiologischen Befähigung. Im Einzelnen lassen sich dabei folgende Perspektiven und Faktoren erkennen: Im Hinblick auf die Sinneswahrnehmungen trägt Gartentherapie dazu bei, die Sinne anzusprechen und deren Funktionen zu stärken beziehungsweise zu reaktivieren. Auf diese Weise erhalten die BewohnerInnen wichtige Impulse aus der Welt um sie herum, die sie dazu in die Lage versetzen, eine engere Beziehung zu ihrer Umgebung, zu anderen BewohnerInnen, Pflegekräften und BesucherInnen zu entwickeln. Gartentherapeutische Aktivitäten stimulieren zusätzlich die kognitiven Fähigkeiten, sie steigern die Konzentrationsfähigkeit und begünstigen das Erlernen neuer Fertigkeiten. Dies konnte auch bei demenziell erkrankten Menschen im Johanneshaus beobachtet werden, die bei der Ernte und Zubereitung von Salat erstaunliche Fertigkeiten zeigten. Gartentherapie verbessert die psychisch-emotionale Situation der BewohnerInnen, indem sie das Selbstvertrauen stärkt, das Wohlbefinden steigert und die Zufriedenheit er-
Die Bedeutung der Gartentherapie für Menschen in Pflegeheimen
höht. Außerdem fördert sie die Wahrnehmung des eigenen Tuns und bewirkt, dass sich die BewohnerInnen ihrer eigenen Fähigkeiten und ihrer Wichtigkeit für die Welt bewusst werden. In sozialer Hinsicht erleichtern gartentherapeutische Aktivitäten die Anbahnung oder Intensivierung der Kontakte mit anderen Menschen, den MitbewohnerInnen, den Pflegekräften und BesucherInnen. Für viele Patienten ist es wohltuend, nicht immer selbst nur der Empfänger zu sein, sondern mit der Pflege von Pflanzen selbst eine Aufgabe zu übernehmen und etwas Sinnvolles zu tun. Ferner verzeichnen viele Altenheime und Pflegeeinrichtungen einen steigenden Anteil ausländischer BewohnerInnen. Die Gartentherapie bietet hier eine gute Möglichkeit, trotz eventuell bestehender Sprachbarrieren oder Verständigungsschwierigkeiten eine Beziehung untereinander und zu den Menschen in der Pflege aufzubauen. Gartentherapie bewirkt aber auch wichtige physiologische Effekte: Sie fördert motorische und insbesondere feinmotorische beziehungsweise koordinative Fähigkeiten, trägt zur Verbesserung des Gleichgewichtssinns, der Ausdauer und der Mobilität bei. Außerdem begünstigt sie eine Erweiterung des Bewegungsumfangs, stärkt die Muskulatur und erhöht die körperliche Belastbarkeit. Noch einen weiteren Aspekt gilt es zu beachten: Der Umzug in ein Altenheim ist oft mit der Angst vor einem Verlust der Privatsphäre und dem Gefühl des Ausgeliefertseins verbunden. Auch ist der Heimalltag zumeist davon geprägt, dass man sich nur im Innern aufhält. Der Gang in den Garten ist hier ein wichtiger Ausweg, denn er bietet die Möglichkeit, sich einen Freiraum zu verschaffen, in dem man nicht den Zwängen und dem Rhythmus des Gebäudeinnern ausgeliefert ist. Vielmehr kann man im Garten so lange bleiben, wie man will, und sich dort aufhalten, wo es am angenehmsten ist. Ein Spaziergang im Garten oder Park ist damit weit mehr als nur die Befriedigung des Bewegungsdrangs, vielmehr schafft er Autonomie und Entscheidungsspielräume. Gleichzeitig muss man im Garten nicht allein sein, vielmehr stellt er einen Raum dar, in dem man andere BewohnerInnen, BesucherInnen und MitarbeiterInnen des Hauses in einer angenehmen Umgebung kennenlernen und das eigene soziale Umfeld auf diese Weise erweitern kann. Eine mögliche Gartentherapie ist deshalb der begleitete Gang durch die Außenanlagen, das gemeinsame Genießen der Natur und der persönliche Austausch über das Erlebte. Raum für die Mitgestaltung seitens der BewohnerInnen bietet nicht nur die Aussaat, Anzucht und Pflege von Pflanzen, insbesondere wenn diese in ihrem unmittelbaren Lebensraum, wie dem eigenen Zimmer, Balkon, der Terrasse, den Fluren oder Gemeinschaftsräumen, stehen. Vielmehr bringen gerade die Ernte und Weiterverarbeitung von Pflanzen und ihren Früchten vielfältige Möglichkeiten für die Aktivitäten der BewohnerInnen mit sich.
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Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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So können aus abgeschnittenen Blumen Sträuße gebunden werden, die entweder in Zimmern oder in öffentlichen Bereichen des Pflegeheims in Vasen gestellt werden, wo sie sich zumeist großer Aufmerksamkeit erfreuen. Pflanzen können aber auch getrocknet und in dieser Form weiterverarbeitet werden, beispielsweise als Gestecke für die Herbst- und Winterzeit. Neben der Zubereitung von Speisen und Getränken auf Basis von geerntetem Obst beziehungsweise von Gemüse können aber auch Kräuter und Gewürze innerhalb oder außerhalb des Hauses geerntet und einer ansprechenden Verwendung zugeführt werden. Die Beteiligung der BewohnerInnen muss aber nicht zwangsläufig mit eigenen Aktivitäten verbunden sein. Viele Pflegebedürftige und gerade kranke Menschen sind aus physischen oder mentalen Gründen hierzu in der Lage, freuen sich aber auch, nur dabeizusitzen und zuzusehen. Die Arbeit mit den Früchten der Natur lässt bei vielen und vor allem auch jenen, die selbst einen Garten gehabt hatten, Erinnerungen an früher aufkommen. Die Gartentherapie bezieht sich nicht nur auf Pflanzen. Viele Tiere leben in Garten und Park, so ist es im Rahmen der Gartentherapie naheliegend, sich auch mit diesen zu beschäftigen. Dies kann beispielsweise in den Bau eines Insektenhotels, von Vogelhäusern oder anderen Vorrichtungen münden, mit denen der Lebensraum der Tiere in der unmittelbaren Umgebung der Einrichtung verbessert wird und damit noch mehr Tiere angezogen werden können. Gleichzeitig gehen hiervon vielfältige Impulse auf die Menschen aus, die diese Tiere beobachten und sich an ihnen erfreuen. Die diesbezüglichen Möglichkeiten hängen stark von den lokalen Gegebenheiten ab, grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass mit jedem Quadratmeter zusätzlichen Raumes, den man der Natur verschafft, auch die Chance zunimmt, dass sich neue Pflanzen und
Tiere dort ansiedeln. Schließlich kann noch in kleinsten Bereichen ein Raum geschaffen werden, in dem Natur wächst und gedeiht. Diese Möglichkeiten gilt es zu nutzen. Indikationen
Forschungsstand
Beeinträchtigte Mobilität, funktionelle Einschränkungen
Beschäftigung im Garten verbessert körperliche Mobilität, weil natürliche Bewegungsabläufe ausgeführt werden können und die Arbeit mit Pflanzen motiviert. Bewegungsabläufe werden spontan ausgeführt.
Depression, Angst
Faszination, ohne Verbrauch von Energie (Naturfaszination) „Die Natur ist die beste Umwelt, in der durch Faszination die gerichtete Aufmerksamkeit eines Menschen wiederhergestellt werden und die Folgen der Ermüdung behoben werden können. Der Anblick von Blumen wirkt bei Männern angstlösend. Stärkung der psychischen Belastbarkeit.
Stress
Abbau Cortisol, blutdrucksenkend, Reduktion Herzfrequenz; Ausschüttung Serotonin begünstigt. Die Inhalation von Zedernöl senkt den Blutdruck und beruhigt den Pulsschlag (auch Aromatherapie).
Kognitive Einschränkungen
Sinnesanregung, erweckt oft Erinnerungen im Langzeitgedächtnis, dies kann dazu beitragen, dass Personen sich generell besser erinnern. Biodiversitätsreiche Umgebung bietet die Möglichkeit, für viele Sinneswahrnehmungen und regt das Gedächtnis an.
Schmerzbewältigung
Aufmerksamkeitsfokus wird weg vom Schmerz hin zur Pflanze verlagert, dadurch werden Schmerzen in den Hintergrund gedrängt (vom ZNS ausgehende Reize haben hemmende Funktion auf eingehende periphere Schmerzreize).
Soziale Fähigkeiten
Beim Setzen, Pflegen und Ernten wird erlebt, dass man noch etwas bewirken kann, dass etwas gelingt und dass Kontrolle über eine sinnstiftende Arbeit besteht. Gruppenarbeit.
Rehabilitation, z. B. Schlaganfall
Ältere Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung, Demenz, Post-Schlaganfall-Defiziten oder chronischen Schmerzen können eine Executive Control Function (ECF) haben, die auf zerebrale und subkortikale Veränderungen zurückzuführen ist. Eine verminderte ECF wird oft durch Aufmerksamkeitsdefizite begünstigt. In solchen Fällen kann die Erhaltung der freiwilligen Aufmerksamkeit in Gartensituationen während der Aktivitäts- oder Rehabilitationssitzungen vorteilhaft sein und die Behandlungszeiten im Vergleich zu den Ergebnissen der traditionellen nicht-grünen stationären Rehabilitation verkürzen. Synergien.
Onkologie
Terpene der Bäume reagieren mit unserem Immunsystem; ihnen werden anti-kanzerogene und immunsystemstärkende Wirkungen zugeschrieben. Waldluft erhöht die Anzahl der natürlichen Killerzellen. Höhere Aktivität bedeutet, dass jede Killerzelle effizienter als sonst Viren, Bakterien und potenzielle Krebszellen aufspürt und eliminiert.
Die Bedeutung der Gartentherapie für Menschen in Pflegeheimen
Gartentherapie verbessert nachweislich diverse Indikationen
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Gartentherapie verbessert nachweislich diverse Indikationen Indikationen
Forschungsstand
Diabetes mellitus Typ 2
Aufenthalt oder Bewegung im Wald senken den Blutzuckerspiegel.
Schlafstörungen
Tages- und Jahresablauf im Garten zu verfolgen, verleiht eine natürliche zirkadiane Struktur.
Literatur
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Die Bedeutung der Gartentherapie für Menschen in Pflegeheimen
thode für die Multimodale Schmerztherapie. Masterarbeit: Kalaidos Fachhochschule Zürich.
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artentherapie und die Betreuung von G Demenzkranken
Michael Walsleben
Michael Walsleben hat eine Ausbildung als staatlich anerkannter Altenpfleger. Er leitet das Ernst-Zimmer-Haus, eine Pflegeeinrichtung für demenzkranke Personen im Johanneshaus. Er hat langjährige Erfahrung im Umgang mit demenziell erkrankten BewohnerInnen und in der Teamarbeit und Teamentwicklung und sucht immer neue Wege, eine Brücke zu der Welt des demenziell Erkrankten aufzubauen, ihm ein angenehmes, förderndes Lebensumfeld zu gestalten und das Team mitzunehmen.
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Demenz ist eine der häufigsten Erkrankungen im Alter, unter der in Deutschland momentan rund 1,6 Millionen Menschen leiden. Es gibt kein Heilmittel für Demenz und ihr degenerativer Verlauf führt dazu, dass sich die geistige Leistungskraft und insbesondere das Erinnerungsvermögen der Erkrankten immer weiter verschlechtern. Mit dem fortschreitenden Krankheitsverlauf steigen die Anforderungen an die Betreuung der Patienten, die ab einem gewissen Grad der Erkrankung davon abhängig sind, während des gesamten Tages sowie in der Nacht durchweg betreut zu werden. Im Verlauf einer Demenzerkrankung treten eine Reihe typischer Symptome auf, die den Betroffenen anfangs noch selbst auffallen. Anfangs werden diese vom Betroffenen noch überspielt, aber in späteren Erkrankungsphasen aufgrund des immer weiter fortschreitenden Verlustes der geistigen Fähigkeiten aber nicht mehr bewusst erlebt werden. Typische Symptome der Demenzerkrankung sind Störung der Zeitbindung, Vergesslichkeit, der Verlust des Orientierungssinns sowie Konzentrations- und Erinnerungsschwierigkeiten. In fortgeschrittenen Erkrankungsstufen reduziert sich oft der Wortschatz der Patienten. Sie können folglich ihre Bedürfnisse verbal nur noch selten kommunizieren. Sie leiden unter Antriebslosigkeit oder Rastlosigkeit, Essen und Trinken werden vergessen. Sie entwickeln somit oftmals ein herausforderndes Verhalten, das von ihrem Umfeld nicht mehr aufgefangen werden kann. Die Liste der Symptome kann weitergeführt werden, prägend ist aber der kognitive Abbau. Menschen mit Demenz verlieren zunehmend ihre intellektuellen, nicht aber ihre emotionalen Fähigkeiten. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass Emotionen ein Weg sind, den demenziell Erkrankten zu erreichen. Die Häufigkeit und das Auftreten dieser Symptome bewirkt, dass viele demenziell erkrankte Menschen ab einer gewissen Schwere der Erkrankung nicht mehr
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
zu Hause wohnen und dort betreut werden können, sondern in hierauf spezialisierten Betreuungseinrichtungen betreut werden müssen. Dabei stellt die Betreuung von demenziell Erkrankten das Pflegepersonal vor beträchtliche Herausforderungen: Sie ist zeitintensiv, benötigt beträchtliche Ressourcen und verlangt von Beschäftigten ein besonders weitreichendes Engagement, das in nicht wenigen Situationen auch eine beachtliche persönliche Belastung darstellt. Angesichts dessen werden gerade von den für die Pflege von Demenzkranken Verantwortlichen alle Initiativen begrüßt, die eine Erleichterung der Arbeit und eine abwechslungsreichere Gestaltung des Alltags von Pflegepersonal und Patienten bewirken. Dabei ist aber auch an eine wichtige Einschränkung zu denken: Der Nutzen gartentherapeutischer Maßnahmen als emotionaler Zugang wird beim Pflegepersonal deutlich erkannt, aufgrund des vorliegenden Zeitdrucks bleibt aber wenig Zeit hierfür. Deshalb stoßen bei manchen Pflegekräften Vorschläge für Aktivitäten, die einen zusätzlichen Zeitaufwand nach sich ziehen, häufig auf Ablehnung. Ob derartige Bedenken von den Pflegekräften offen ausgesprochen oder initiierte Maßnahmen stillschweigend unterlaufen werden, hängt dabei von den spezifischen Umständen der betreffenden Einrichtung ab. Bei der Planung gartentherapeutischer Maßnahmen für demenziell Erkrankte gilt es, diesem Faktum aber gerecht zu werden, denn ohne einen soliden Rückhalt seitens Pflegeleitung und Pflegepersonal kann Gartentherapie keinen wirklichen Erfolg haben. Die bisher im Ernst-Zimmer-Haus durchgeführten gartentherapeutischen Maßnahmen zeigten, dass es eine Reihe von Faktoren gibt, die beim Einsatz der Gartentherapie in der Pflege von demenziell Erkrankten beachtet werden sollten. Hierzu gehört an erster Stelle die Einsicht, dass sie nicht ohne Rückhalt und Verständnis seitens des Pflegepersonals umgesetzt werden kann. Alle Maßnahmen sollten deshalb zunächst mit den Pflegebeschäftigten besprochen werden, um deren Engagement sicherzustellen. Hier gilt es vor allem die Beschäftigten zu finden, die ein enges Verhältnis zu Natur und Garten haben, was sich positiv auf deren Haltung gegenüber der Gartentherapie und insbesondere auf die Umsetzung praktischer Maßnahmen auswirkt. Notwendig ist eine klare Verteilung der Verantwortlichkeiten und vor allem eine deutliche Benennung der Personen, die für die Durchführung ausgewählter therapeutischer Aktivitäten zuständig sind. Auch sollten sie durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen auf diese Tätigkeit vorbereitet werden, um so dieser neuen Herausforderung gerecht zu werden. Notwendig sind außerdem die für Gartentherapie notwendigen Ressourcen, wie etwa mobile Pflanzbeete, einfache Utensilien für die Arbeit mit Pflanzen, sowie Samen, Stecklinge und weiteres Pflanzenmaterial. Gerade demenziell Erkrankte sind sehr empfindlich gegenüber einer Überflutung von Reizen; sie löst Unruhe bei ihnen aus und überfordert sie. Gleichzeitig sind sie aber auch sehr empfindsam für gut dosierte und den persönlichen Lebenserfahrungen entstammen-
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Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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de Reize. Sie können lieb gewordene Erinnerungen wecken, Abwechslung in den Alltag des Patienten bringen und den Fortgang des Krankheitsverlaufs etwas bremsen. Welche Reize diesen Effekt haben, hängt von den persönlichen Lebensumständen und den Erfahrungen des betreffenden Patienten ab. Oft zeigt sich, dass es gerade Blumen und andere Pflanzen sind, die sich sehr gut eignen, um Erinnerungen an vergangene Zeiten zu wecken und den Patienten zu animieren. Die im Ernst-Zimmer-Haus gemachten Erfahrungen zeigen sehr deutlich, dass gartentherapeutische Aktivitäten von demenziell Erkrankten sehr gut aufgenommen werden. Sie beteiligen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr engagiert hieran und die damit verbundenen positiven Effekte, wie Erinnerung, Gespräche oder einfache Verarbeitung der Gartenerzeugnisse, sind deutlich erkennbar. Dies gilt vor allem für PatientInnen, die selbst einen Garten hatten. Ähnliches gilt aber auch für PatientInnen, die erst nach ihrem Umzug ins Johanneshaus in Kontakt mit Gartenarbeit und Natur gekommen sind, diese Tätigkeiten lieb gewonnen haben und sich hieran auch trotz ihrer Demenzerkrankung erinnern. Hervorzuheben ist dabei vor allem die beruhigende Wirkung, die von der Arbeit mit Natur und Garten, gerade bei demenziell Erkrankten ausgeht. Das Fortschreiten der Demenz ist, wie vorstehend betont, mit einem schrittweisen Verlust der Erinnerungs- und Kommunikationsfähigkeiten verbunden. Sowohl für die von der Krankheit selbst Betroffenen als auch ihre Umgebung ist dies ein schmerzliches Erlebnis. Von der Arbeit mit Pflanzen kann hier ein nützlicher Impuls ausgehen: PatientIn-
Gartentherapie und die Betreuung von Demenzkranken
nen können sich beim Anblick oder der Berührung einer Pflanze an ihre eigenen Erfahrungen mit dieser erinnern und gleichzeitig kann sich die Beschäftigung damit als Instrument erweisen, das auch die Kommunikation des Kranken mit dem Pflegepersonal und BesucherInnen stimulierend wirkt. Ein Vorgehen, das sich hierbei besonders empfiehlt, ist den BewohnerInnen, die hierzu in der Lage sind, Aufgaben bei der Pflege von Pflanzen zu übertragen. Naheliegend ist dabei, dass das Gießen der Pflanzen, aber auch das Entfernen vertrockneter Blätter oder einfache Erntetätigkeiten. Das Abschneiden von Kräutern oder das Pflücken von Früchten kann abhängig vom Fortschritt der Erkrankung auch von demenziell Erkrankten ausgeführt werden. Am erfolgreichsten ist dieses Vorgehen, wenn die PatientInnen diese Tätigkeiten bereits aufgrund eigener Lebenserfahrungen kennen. Bei der gartentherapeutischen Arbeit im Ernst-Zimmer-Haus hat sich deutlich gezeigt, dass viele BewohnerInnen derartige Aufgaben gerne übernehmen, die damit verbundene Verantwortung spüren und die Tätigkeiten bewusst ausführen. Dies schafft bei den zu Betreuenden Zufriedenheit und animiert zur Kommunikation mit anderen BewohnerInnen und dem Personal, das zumeist gerne über den Fortschritt der Gartenarbeiten informiert wird. Hieraus entstehen oft anregende Gespräche und manchen Demenzkranken gelingt es so, sich wieder an ihre Vergangenheit zu erinnern, hierüber zu sprechen und ein tiefes Gefühl von Stolz angesichts der ausgeführten Arbeiten zu entwickeln, oder es ergibt sich einfach eine aktivere Teilnahme am Alltag, auch wenn nur die Freude an den Früchten der Gartenarbeit besteht und der Wunsch, diese zu verarbeiten. Die Art der übertragenen beziehungsweise miteinander ausgeführten Arbeiten ist abhängig vom Grad der Erkrankung und es obliegt dem Gespür des Pflegepersonals, jedem Patienten und jeder Patientin die Tätigkeiten anzubieten, die er bzw. sie unter Anleitung oder allein ausführen kann. Eine Überforderung der Demenzkranken ist unbedingt zu vermeiden, da Gartentherapie damit einen kontraproduktiven Effekt haben würde. Das Spektrum möglicher Tätigkeiten reicht vom Säen der Pflanzen über deren Pflege bis hin zur Ernte und Weiterverarbeitung. Letzteres kann sich auf den Verzehr von Obst und Gemüse beschränken, aber auch die Anfertigung von Gestecken oder das Binden von Blumensträußen können manche BewohnerInnen übernehmen. Die Verarbeitung von Kräutern gehört für mich mit zu den Höhepunkten der Gartentherapie. Nicht alle der demenziell Erkrankten im Ernst-Zimmer-Haus können das Gebäude eigenständig verlassen. Es besteht die akute Gefahr, dass sie nicht mehr dorthin zurückfinden oder sich und andere gefährden. Der selbstständige Gang in den Garten, das Einatmen der frischen Luft und der Blick auf das Grün der Pflanzen und den blauen Himmel ist für diese PatientInnen ein Angebot von unschätzbarem Wert. Trotz ihrer Erkrankung gehen viele Patienten jeden Tag in den Garten beziehungsweise in die Innenhöfe und eröffnen sich so einen zusätzlichen Raum für Bewegung und Ruhe. Gerade der Garten ist
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Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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in dieser Hinsicht ein wichtiger Bereich, da er dem Eindruck eines Pflegeheims als abgeschlossenem Raum entgegenwirkt. Für viele PatientInnen wurde so der Gang in den Garten, vor allem wenn er aus eigenem Antrieb erfolgt, zu einem wichtigen Bestandteil des Tages. Aufgrund der Einhegung des Gartens und den begrünten Innenhöfen können den PatientInnen dabei auch genug Freiräume gelassen werden. Hierzu gehört sowohl das Sitzen auf Stühlen und Gartenbänken, von denen man das Grün beobachten kann, als auch das eigenständige Berühren der Pflanzen oder der Erde. Wie die Erfahrung im Ernst-Zimmer-Haus bestätigt, wirken gerade die verschiedenen Farben und Formen, die die PatientInnen dabei sehen, sowohl beruhigend als auch anregend. Dabei darf nicht übersehen werden, dass es im Garten nicht nur Pflanzen gibt. Vielmehr bietet er auch die Gelegenheit, Tiere wie Insekten und Vögel zu beobachten. Gerade bei demenziell Erkrankten hat sich gezeigt, dass hiervon eine sehr positive beruhigende Wirkung ausgeht und viele Patienten regelmäßig selbstständig längere Zeit im Garten oder den Innenhöfen des Ernst-Zimmer-Hauses verbringen, um die Natur zu genießen. Dies bewirkt für die Patienten eine bedeutende Verbesserung der Lebensqualität, es macht sie zufriedener, ruhiger und offener auch für andere Angebote, die das Personal ihnen macht. Gartentherapie eröffnet in dieser Hinsicht die Perspektive, die demenziell Erkrankten mit Bekanntem zu konfrontieren, die Bindung zur Natur wiederherzustellen beziehungsweise zu identifizieren und den BewohnerInnen gartentherapeutische Angebote zu machen, die sich mit deren Erfahrungen decken. Wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung gartentherapeutischer Maßnahmen aus Sicht von Pflege und Betreuung: 1. Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung gartentherapeutischer Maßnahmen liegt darin, dass sowohl das Pflegepersonal als auch das Betreuungspersonal deren Vorzüge erkennt und genügend Raum für die Durchführung hat, was zugegebenermaßen angesichts des oft vorhandenen Zeitdrucks nicht leicht umzusetzen ist. Trotzdem kann Gartentherapie nur gelingen, wenn zumindest einige Pflege- und Betreuungskräfte die damit verbundenen Arbeiten gerne übernehmen und mit Engagement ausführen. 2. Auch wenn sich die vorliegende Darstellung größtenteils auf das Pflegepersonal bezieht, ist es wichtig zu betonen, dass sowohl das Betreuungs- als auch das Pflegeteam gemeinsam das Gartenprojekt umsetzt. Ebenso notwendig ist es, alle anderen Gruppen, die mit den BewohnerInnen den Tag gemeinsam verbringen, in gartentherapeutische Aktivitäten einzubeziehen, um dem Aufkommen von Frustration vorzubeugen. Fehlende Kooperation zwischen den einzelnen Berufsgruppen, auch wenn Pflege und Betreuung im Allgemeinen stattfindet, führt auf Dauer zu einer inadäquaten Versorgung der BewohnerInnen, und das nicht nur im Bereich der Gartentherapie. Vielmehr
Gartentherapie und die Betreuung von Demenzkranken
führt sie zu Unzufriedenheit im Alltag aller und nicht nur der BewohnerInnen. Das Stressempfinden steigt ebenso wie das Gefühl, nur Zuarbeiter für andere zu sein, was das Gefühl der Unzufriedenheit im Arbeitsalltag verstärkt. 3. Ein wichtiger Grundsatz liegt darin, dass nur in einer kooperativen Zusammenarbeit eine erfolgreiche Umsetzung von Pflege und Betreuung der BewohnerInnen erreicht werden kann. In den Einrichtungen soll nicht die Haltung dominieren, Pflege pflegt, Betreuung betreut. Vielmehr sollte die Pflege auch den Aspekten der sozialen Betreuung gegenüber offen sein und Betreuung auch die soziale Pflege der BewohnerInnen berücksichtigen. Kommunikation zwischen den Berufsgruppen ist wichtig, aber Übergaben, Dienstbesprechungen, gelegentliche Feste und Smalltalk reichen nicht aus, um einen ausreichenden Austausch sicherzustellen. Gartentherapie eignet sich vor diesem Hintergrund als regelmäßiges und gemeinsames Angebot, bei dem man zusammen etwas umsetzt und so über den Tellerrand der eigenen Profession schaut. Gerade durch derartige Projekte kann sich inneres Bewusstwerden für die Arbeit des anderen, nicht nur kognitiv, entwickeln. Dies fördert dauerhaft eine positive Arbeitsatmosphäre und trägt zur Schaffung eines einheitlichen Teams bei, das für die BewohnerInnen da ist.
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Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles!
Ute Budliger
Dr. Ute Budliger ist ausgebildete Gärtnerin und Gartenbauingenieurin. Sie promovierte am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und ist seit vielen Jahren, u. a. als Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft, in der Gartentherapie aktiv. Wie kann es gelingen, dass ein Projekt innerhalb kürzester Zeit erfolgreich umgesetzt werden kann? Erste Ideen für das Projekt „Gemeinsam Natur erleben“ entstanden im März 2018 während der Altenpflegemesse in Hannover. Hier wurde Michael Blank auf Ute Budliger aufmerksam, die das Mobile Beet SANA im Rahmen eines Innovationswettbewerbes dort vorstellte. Das Mobile Beet SANA ermöglicht Menschen mit Einschränkungen die Freude an der Natur und wurde speziell für Innenbereiche entwickelt. Fünf dieser Beete stehen mittlerweile im Johanneshaus und erfreuen sich großer Beliebtheit. Im Folgenden wird die Vorgehensweise der erfolgreichen Implementierung des Projektes beschrieben. Wir unterscheiden hier 3 Schritte: 1. Die Planung (Konzept) 2. Einführung 3. Erhaltung
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Die Planung Vorstudie Die Vorstudie wurde nach Rücksprache und auf Basis der Informationen der MitarbeiterInnen im Johanneshaus im Rahmen einer SWOT-Analyse erstellt (Tabelle) und bei einer Besprechung im Johanneshaus vorgestellt und diskutiert. Die SWOT-Analyse (engl. Akronym für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken) ist ein Instrument der strategischen Planung. Im Anschluss wurde der Projektauftrag erteilt (siehe Seite 52).
Interne Analyse
Externe Analyse
Stärken
Möglichkeiten
1. Infrastruktur 2. Unterstützung Geschäftsleitung 3. Fachwissen 4. Bewusstsein für den Nutzen der Gartentherapie 5. Interesse der MitarbeiterInnen 6. Beschäftigungen mit der Natur wird schon durchgeführt, Ausgangssituation ist ideal 7. GartentherapeutIn ist eine Zusatzqualifikation, die in Zukunft immer häufiger nachgefragt wird. 8. Die Schulungen und die Praxisstunden werden von der iggt* anerkannt und können zu einer späteren Registrierung als GartentherapeutIn genutzt werden. 9. Gartentherapie ist erwiesenermaßen gesundheitsfördernd. Dies gilt für alle Beteiligten (auch die MitarbeiterInnen). 10. Die BewohnerInnen werden glücklicher und „einfacher“ im Umgang (Nachtschlaf, Agitiertheit, Schmerz wird abnehmen).
1. Johanneshaus Öschelbronn mit seiner einzigartigen Infrastruktur wird eine Pionierrolle einnehmen im Angebot für die Bewohner. 2. Möglicherweise weitere Einnahmen durch den Förderverein. 3. Ferner wird durch das mittelfristig ausgebaute integrierte Angebot für BewohnerInnen aus unterschiedlichen Häusern, zusammen mit Familienmitgliedern und Freunden, die sinnvolle Beschäftigung mit der Natur auch über das Johanneshaus hinaus einen positiven Effekt haben. 4. Ressourcen für Gewächshaus und Außenanlagen werden bereitgestellt / gesichert.
Schwächen
Risiken (Gefahren)
1. Strukturen zum Teil schwer erreichbar 2. Lärmbelästigung durch Bauvorhaben 3. Das Gartentherapieprogramm muss regelmäßig durchgeführt werden, sonst können keine positiven Effekte erzielt werden. 4. Andere Aufgaben im Rahmen der Betreuungsarbeit müssen reduziert werden. 5. Widerstand gegen Veränderung.
1. Neuausrichtung des Fördervereins 2. Nur Anschubfinanzierung
* iggt: Internationale Gesellschaft für Gartentherapie
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
SWOT Analyse zur Vorstudie
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Projektauftrag Gemeinsam Natur erleben für mehr Freude und Wohlbefinden bei BewohnerInnen, Personal und Angehörigen im Johanneshaus Öschelbronn. Begriff Gartentherapie In Altenhilfeeinrichtungen wird die Gartentherapie meistens als Begleitung von BewohnerInnen verstanden, um die Gesundheit sowie das Wohlbefinden und die Lebensqualität zu erhalten und zu fördern. Der Schwerpunkt liegt auf dem Initiieren und Begleiten von kognitiven, emotionalen, körperlichen und sozialen Fähigkeiten. Dies kann sowohl mit Einzelpersonen als auch im Gruppensetting stattfinden. Gartentherapie kann aktiv und passiv sein.
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
Projektleitung: Dr. Ute Budliger Schnittstellen/Kernteam: A. Decker-Weimer (Heimleitung), S. Kreuzer (Gärtnermeister), G. Zugstein (Leitung Betreuungsteam) Sponsor: M. Blank (Geschäftsleitung) Projektdauer: 01.01.2019–31.12.2022 (4 Jahre, da die Außenanlagen nach Beendigung der Bauvorhaben neu gestaltet werden) Phase 1: Ernst-Zimmer-Haus: Einführung Gartentherapie in Innenbereichen und z. T. Außenbereichen, Schulungen von MitarbeiterInnen (2019) Phase 2: Johanneshaus: Innenbereiche und z. T. Außenbereiche, Schulung von MitarbeiterInnen und ggf. ambulante BewohnerInnen und Angehörigen (2020) Phase 3: Außenanlagen inkl. Tiere und Gärtnerei (2021–2022)
Projektziele 52
1. Verständnis für den Nutzen der Gartentherapie fördern. Gartentherapie wird integraler Bestandteil der Betreuung und Pflege im Johanneshaus Öschelbronn. 2. Die Natur wird im täglichen Leben im Innen- sowie Außenbereich erlebt. Die BewohnerInnen werden möglichst aktiv eingebunden. Gartentherapie kann aber auch passiv stattfinden. 3. Eigenverantwortung für die Strukturen (z. B. Pflege von Beeten) fördern. Das Betreuungsteam und die Pflege werden durch Schulungen und den aktiven Austausch mit KollegInnen gezielt und nachhaltig gartentherapeutisch ausgebildet. 4. Erhöhtes Wohlbefinden und Lebensqualität für BewohnerInnen und Personal und damit weniger Krankheitstage und Stress. Die vorhandenen Ressourcen werden besser genutzt und erhalten.
Phase* Ausgangssituation
Lösungsskizzen
1
Viele MitarbeiterInnen (bes. Betreuungsteam) und BewohnerInnen haben ein Interesse an der Gartentherapie.
Förderung des Verständnisses für den Nutzen der Gartentherapie und damit die Begeisterung, auch Verantwortung für die Strukturen (z. B. Pflege von Beeten) zu übernehmen. Erfolgsfaktor ist ein ganzheitlicher Ansatz.
1
Das Know-how für die Gartentherapie und zusätzliche Ansätze/ Ideen fehlen.
Schulungen und Workshops sowie der Austausch mit KollegInnen (evtl. Besichtigung).
1
Die großzügigen Außenanlagen, Demenzgärten, Innenhöfen und Terrassen bieten großartige Strukturen, um die Natur zu genießen. Die Überalterung der BewohnerInnen bringt allerdings zunehmend Einschränkungen mit sich und das Angebot wird weniger genutzt.
Einführung von Gartentherapie in Innenbereichen und Privatzimmern (besonders bei Bettlägerigkeit) und eine angepasste Gestaltung in den angrenzenden Außenbereichen (Stichwort: 10-Minuten-Aktivierung).
1
Durch die Bauvorhaben ist über mehre- Mobile und bepflanzbare Lärmschutzwände, re Jahre mit Baulärm zu rechnen. könnten hier den Aufenthalt im Außenbereich verbessern und gleichzeitig für gartentherapeutische Interventionen genutzt werden. Die Lärmschutzwände könnten somit auch nach Beendigung der Bauvorhaben weiter genutzt und in die Anlage oder Innenräume integriert werden.
2
Das Johanneshaus wird saniert und auch hier soll die Natur in Innenbereichen stärker integriert werden.
Das Projekt wird vom Erich-Zimmer-Haus (Demenzbereich) auf das Johanneshaus erweitert. Rollstuhlunterfahrbare Beete und eine Bepflanzung im Speisesaal können hier Abwechslung bieten.
3
Der Unterhalt eines Gewächshauses kann durch den angrenzenden Park nicht ausreichend gerechtfertigt werden.
Das Gewächshaus kann zusätzlich für gartentherapeutische Interventionen, Anzucht von Zierpflanzen und Kräutern für den Innenbereich und Aufenthaltsraum genutzt werden. Falls möglich, sollten hier die ambulanten BewohnerInnen oder Angehörige mithelfen.
3
Die Bauvorhaben werden einen Einfluss auf die Parkanlage sowie andere angrenzende Außenbereiche haben.
Es werden gestalterische und gärtnerische Arbeiten notwendig. Dies bietet Möglichkeiten, angepasste Strukturen und Elemente zu implementieren (z. B. Blumen und Sträucher auf Augenhöhe der BewohnerInnen, rollstuhlgängige Beläge auf den Wegen).
3
Die Schafe werden derzeit schon in das Leben der BewohnerInnen integriert.
Es wird überlegt, welche zusätzlichen Angebote in Zukunft möglich sind.
Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles!
Ausgangssituation / Problembeschreibung
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5. Die vorhandene grüne Infrastruktur besser nutzen. Gestaltung der Innen- und Außenbereiche für die überalternden BewohnerInnen. 6. Innovativer Nutzen für das Gewächshaus und die Gärtnerei. Nicht-Ziele / Nicht-Inhalte MitarbeiterInnen der Dr. Budliger GmbH werden nicht direkt mit den BewohnerInnen arbeiten. Es gilt das Personal zu schulen.
Projektressourcen
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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• S. Kreuzer (Gärtnermeister) • Betreuungsteam: 12 Personen jeweils an 2 Tagen 2 Stunden (insgesamt 48 Stunden/ Woche) • Außen- und Innenanlagen, 1 rollstuhlunterfahrbares Hochbeet • Gärtnerei mit Substraten und Pflanzmaterial Beispiel für eine Kostenübersicht für die Einführung von Gartentherapie Posten
Betrag
Vorstudie
EUR 500.00
Projektplanung
EUR 3.000.00
3 Mobile Beete SANA
EUR 2.200.00
3 ganztägige Schulungen (2 Personen)
EUR 4.400.00
Spesen Schulung 3 (Fahrtkosten; Übernachtung)
EUR 1.000.00
Schlussbericht
EUR 1.050.00
Marketing
EUR 890.00
Pflanzmaterialien wurden von der Gärtnerei gestellt
EUR 0.00
Gesamt
EUR 13.040.00
Projektbudget Welche Kosten waren mit dem Projekt in 2019 verbunden? Die Tabelle zeigt an unserem Beispiel, welche Kosten mit der Einführung von Gartentherapie verbunden sein können. Um ein Projekt erfolgreich durchzuführen, kommt dem Projektmanagement, d. h. der Planung (Konzept), der Realisierung, der Einführung und der Erhaltung, eine entscheidende Rolle zu. Aus diesem Grund muss hier ein Budget eingeplant werden. Wird das Projektmanagement intern vergeben, können die Kosten für das Projekt signifikant gesenkt werden.
• Einer der wesentlichen Vorteile der Gartentherapie liegt darin, dass der damit verbundene Aufwand gering ist. Pflanzen gibt es nahezu überall und das Spektrum an Pflanzen, dass sich für gartentherapeutische Arbeiten eignet, ist nahezu unbegrenzt. Deshalb kann Gartentherapie im Vergleich zu vielen anderen Therapieformen mit geringen Kosten und wenigen Ressourcen betrieben werden. • Gartentherapie empfiehlt sich auch, weil sie sich einfach in den Tagesablauf der BewohnerInnen von Altenheimen beziehungsweise der BewohnerInnen von Pflegeeinrichtungen integrieren lässt. So lassen sich Tätigkeiten wie das Gießen oder das Zurückschneiden von Pflanzen mit geringem Aufwand und in wenigen Minuten ausführen. Natürlich hängt die spezifische Art der Beschäftigung stark von der individuellen körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit der betreuten Menschen ab. Aber auch hinsichtlich dieser Perspektive bietet die Gartentherapie viele Vorzüge, da eine nahezu unbegrenzte Zahl verschiedenster Aktivitäten zur Verfügung steht, aus der diejenigen ausgewählt werden können, die den spezifischen Bedürfnissen der betreffenden BewohnerInnen am besten entsprechen. • Das Zusammenleben mit kranken Menschen zehrt oft an den Kräften der Angehörigen. Gartentherapeutische Angebote können auch diese mit einbeziehen und somit auch einen wichtigen Beitrag für die Angehörigen leisten. • Wettbewerbsvorteil und zusätzliche Attraktivität für das Johanneshaus durch ein innovatives Angebot.
Projektrisiken und -unsicherheiten • Die Planung für die Bauvorhaben im Außenbereich und für die Sanierung des Johanneshauses ist noch nicht abgeschlossen. Gartentherapeutische Elemente können in den Außenbereichen deshalb nur bedingt geplant werden. • Die Erhaltung des Gewächshauses ist noch nicht abschließend geklärt. Ein Rückbau der Gärtnerei würde signifikante Auswirkungen auf das Projekt haben, da Know-
Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles!
Wirtschaftlicher oder sonstiger Nutzen • Erhöhtes Wohlbefinden und Lebensqualität für BewohnerInnen und Personal und damit weniger Krankheitstage und Stress. Die Arbeit mit Pflanzen hat nicht nur positive Effekte auf BewohnerInnen, sondern auch auf gesunde Menschen. Dies gilt sowohl für Pflegekräfte als auch für MitarbeiterInnen aus anderen Bereichen der Einrichtung, die sich mit gärtnerischen Tätigkeiten Befriedigung und Wertschätzung verschaffen können. Die Beobachtung der Entwicklung einer Pflanze ist für viele Menschen ein faszinierender Vorgang, nicht zuletzt auch für diejenigen, die selbst nie einen Garten hatten. Für so manchen ist dies auch ein willkommener Anlass, über das eigene Leben und die aktuelle Situation nachzudenken.
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how sowie Materialien wie Pflanzen und Substrate weniger gut verfügbar wären. Ferner ist gerade die Anzucht von Pflanzen eine zentrale gartentherapeutische Maßnahme in der Altenhilfe.
Projektentscheidung Freigabe (Unterschrift der Projektverantwortlichen)
Projektplan Im Projektplan sind weitere Details über das Projekt einsehbar. Die Gliederung unten kann hierbei als Beispiel dienen.
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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• • • • •
Zeitplan Organigramm Schulungen Außenanlagen Marketingmaßnahmen
Informationen erheben für die Projektplanung Um den Anforderungen und Wünschen der BewohnerInnen und MitarbeiterInnen gerecht zu werden, wurden folgende Fragen von der Arbeitsgruppe beantwortet: • Wie werden die vorhandenen Strukturen (Gärten, Innenhöfe, Terrassen) derzeit genutzt? • Wie kann man die vorhandenen Strukturen (Gärten, Innenhöfe, Terrassen) besser in den Alltag integrieren? Zum Beispiel Betten in die Innenhöfe schieben?, Mittagessen im Innenhof, Demenzgarten, Aktivierung (Singen, Spielen etc.) in den Innenbereich verlegen?, Angehörige anregen, sich im Außenbereich aufzuhalten etc. • Ziele des Projektes: Welche Erwartungen (Wünsche) haben die MitarbeiterInnen in Öschelbronn an das Projekt und an die Schulungen? Zeitplan Zu Beginn des Projektes wurden ein klarer Zeitplan mit den Meilensteinen verabschiedet und Termine festgelegt. Organigramm Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, ist es wichtig, zu Beginn des Projektes zusammen mit der Gartentherapiegruppe und der Geschäftsleitung ein Organigramm
Zeitplan (Erreichung der Meilensteine) Meilensteine
Dez Jan
Feb Mär Apr Mai Jun Jul
Aug Sep Okt Nov Dez
Informationen erheben für die Projektplanung Projektplan Impulsworkshop Erste Schulung Zweite Schulung Dritte Schulung Umsetzung Marketing Schlussbericht
zu zeichnen, damit die Erwartungen und die Zuständigkeiten geklärt sind und ggf. Fragen diskutiert werden können. Auf der folgenden Seite steht das Beispiel aus dem Johanneshaus. Schulungen Es wurden insgesamt 6 Schulungstage (je 4 Std) durchgeführt. An den Schulungen haben jeweils 5 – 8 TeilnehmerInnen aus Betreuung, Pflege und Garten aktiv teilgenommen. Teilnahmezertifikate wurden ausgestellt (Schulungsübersicht insgesamt, Seite 59). Referentinnen waren Uta Titze (Physiotherapeutin in der Heliosklinik Stralsund und Gartentherapeutin nach iggt), Laura Liska (Anthroposophin und ehem. wissenschaftliche Mitarbeiterin Goetheanum) und Ute Budliger (Gartentherapeutin und Geschäftsleiterin Dr. Budliger Institut für Gartentherapie). Räumlichkeiten: Raum für Präsentationen (Beamer, Bestuhlung, Tisch) und Raum für das praktische Arbeiten (Aussaat und Stecklinge) und ggf. Bepflanzung Mobiles Beet. Dies können 2 verschiedene Räume sein. Materialien für Schulungen: Das Material wurde z. T. von Frau Budliger und z. T. intern von Herrn Kreuzer bereitgestellt. Dies hat tadellos geklappt. TeilnehmerInnen: Es waren 5 – 8 TeilnehmerInnen in den Schulungen anwesend.
Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles!
Vorstudie und Projektauftrag
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Geschäftsführung Verwaltung Institut für Gartentherapie
Leitung Betreuung und Therapie
Landschaftsplanung Leitung Garten
Gruppe Betreuung und Therapie
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Schulung
Leitung Pflege
Gruppe Pflege
Gruppe Gartentherapie intern extern
Organigramm
Kursevaluationen: Die Kursevaluationen waren gut bis sehr gut. Der Kurs war generell sehr heterogen. Es wurden wenig Kommentare zu Verbesserungen und/oder Wünschen von den TeilnehmerInnen abgegeben. Feedback wurde z. T. im Anschluss persönlich erfragt, damit die Schulung für 2020 optimiert werden kann. Der Wunsch nach einer Vertiefung der Themen wurde geäußert. Wissenstransfer (Quiz): Die TeilnehmerInnen konnten das Quiz gut ausfüllen. Die aktive Teilnahme und das Interesse waren jederzeit gegeben. Sehen Sie hierzu auch Seite 70. Außenanlagen Eine gute Möglichkeit, der Gartentherapie einen festen Ort zu geben, ist die Anlage eines sogenannten Therapiegartens (Demenzgarten). Dessen Gestaltung und insbesondere die Auswahl der Pflanzen sollten sich nach den spezifischen Bedürfnissen der Personen richten, die den Garten nutzen. Es wird angeraten, speziell dafür ausgebildete Gartenplaner mit einzubeziehen. Ein Therapiegarten eignet sich besonders zur Kultivierung von Pflanzen, die für gartentherapeutische Aktivitäten von besonderem Interesse sind. Außerdem kann er Raum für sinnesaktivierende Angebote, wie etwa einen Barfußweg, Tastspiele oder Fühlkästen, bieten.
Schulung 1 (20.-21.02.2019)
Schulung 2 (13.-14.05.2019)
Schulung 3 (10.-11.10.2019)
Einführung in das Schulungsprogramm, Gärtnerische Grundlagen (Erden, Substrate und Zuschlagstoffe) und Gärtnerische Tätigkeiten (Aussaat, Stecklinge und Anzucht), Einführung in die Gartentherapie (Gartentherapie)
Pflanzenbox, 10-Min-Aktivierung, Blattduftende Pflanzen mit den Sinnen wahrnehmen. Selbsterfahrung und Stecklinge, Gartentherapie im Jahresverlauf -– Ideen, Praktische Anwendungen Innenhof
Befindlichkeitsrunde/ Willkommen/ Vorstellung der neuen Mitglieder Naturerleben bettlägeriger Personen Praxisbeispiele Bedürfnisse der demenziell veränderten Menschen, Aktivitäten Oktober – Dezember, Gerstensaat (Hordeum vulgare), Buchprojekt
Gartentherapie mit Hochbetagten und Menschen mit Demenz (Teil 1), Mobiles Beet SANA (Verwendungsmöglichkeiten und Programme), Garten als Raum, Vögel anlocken und beobachten, Quiz und Aufgabe für Mai
Einsatz von Aromen in der Aktivierung, Zitronendüfte als Stimmungsaufheller, Therapieraps, Innenhof bepflanzen, Naturkarten: Rollenspiel BewohnerIn und MitarbeiterIn, Abschluss (Quiz und Feedbackform)
GarThePedia Gartentherapieprogramme definieren Anthroposophie in der Gartentherapie Das Flowform-Phänomen, Zimmerbrunnen gestalten Feedback, Ausblick 2020, Kursevaluation, Quiz
Generell besteht ein derartiger Therapiegarten aus Bereichen, die dauerhaft angelegt beziehungsweise bepflanzt sind, und solchen, in denen nur für begrenzte Zeit bestimmte Pflanzen kultiviert werden. Auf diese Weise kann der Pflegeaufwand für den Garten gesteuert werden und gleichzeitig Raum für Aktivitäten geschaffen werden, die den aktuellen Erfordernissen entsprechen. Letztere hängen grundsätzlich von den Bedürfnissen der Nutzer des Gartens ab: In einigen Fällen mag der Schwerpunkt auf der Anzucht von Kräutern, in anderen wieder auf der von Beeren oder Gemüse liegen. In wieder anderen mag es vornehmlich darum gehen, farbintensive Blumen oder dekorative Pflanzen betrachten und berühren zu können. Bei der Konzeption eines Therapiegartens sollte einer Reihe von Aspekten besondere Beachtung geschenkt werden (siehe hierzu auch Beitrag von Manfred Hanf). Er sollte pflegeleicht angelegt und in verschiedene Bereiche untergliedert sein, von denen jeder spezifischen Bedürfnissen gerecht wird. Deshalb soll es in diesem Garten sonnige und im Schatten liegende Sitzmöglichkeiten geben, er sollte Platz für gesellige Runden, aber auch ausreichend Raum für Privatheit und Ruhe bieten. Die Auswahl der Pflanzen sollte möglichst über den gesamten Jahresverlauf hin sämtliche Sinne anregen. Nützlich ist es, wenn der Garten auch Tieren eine Heimat bietet, was unter anderem durch die Aufstellung von Vogelhäuschen oder Insektenhotels bewerkstelligt werden kann. Die Pflege des Therapiegartens ist ein integraler Bestandteil der Gartentherapie, wobei es hierbei sehr wichtig ist, dass die Verantwortlichkeiten im Voraus festgelegt werden.
Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles!
Schulungsübersicht insgesamt
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Ein wesentlicher Vorteil eines Therapiegartens liegt nicht nur darin, dass sich BewohnerInnen, PatientInnen, MitarbeiterInnen und BesucherInnen darin aufhalten können. Vielmehr bietet der mit dem Garten verbundene Pflegeaufwand auch vielfältige Gelegenheiten, Menschen in die gärtnerische Arbeit einzubeziehen und damit gartentherapeutische Aktivitäten in den Tages- und Wochenablauf zu integrieren. Wie vorstehend notiert wird dies von vielen PatientInnen nicht als Therapie im eigentlichen Sinne empfunden, sondern die Verantwortung für bestimmte gärtnerische Tätigkeiten und deren Ausführung erscheint vielmehr als willkommene Abwechslung.
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Artikel in der Mühlacker Rundschau
Marketingmaßnahmen Die Präsentation des Projektes und des Zwischenberichtes wurde im Rahmen eines Pressetages im August 2019 durchgeführt. Hier konnte die Arbeitsgruppe MitarbeiterInnen sowie den Förderverein begeistern und von dem Projekt überzeugen. Die Rückmeldungen und die Begeisterung über das Projekt gingen über die Erwartungen hinaus. Es wurden sehr gute Vorträge gehalten und eigene Erfahrungen mitgeteilt. Ferner wurden folgende Maßnahmen getroffen, um über das Projekt zu informieren und die positiven Ergebnisse zu präsentieren: • Drei Artikel in der Hauszeitschrift (Rundschau) • Artikel in der Mühlacker Rundschau und im Mühlacker Tagblatt (siehe Artikel) • Präsentation in Pforzheim.
Einführung Voraussetzung für den Erfolg eines Projektes ist es, die nötige Transparenz zu schaffen. Aus diesem Grund wurde zu Beginn sowohl das Projekt als auch die Arbeitsgruppe vorgestellt und Fragen und Anregungen von BewohnerInnen und MitarbeiterInnen wurden aufgenommen.
Impulsworkshop für BewohnerInnen und MitarbeiterInnen • • • • •
Was ist Gartentherapie? Die Situation heute Nutzen der Gartentherapie für BewohnerInnen und MitarbeiterInnen Gartentherapie in Pflegeheimen Projekt: Gemeinsam Natur Erleben
Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles!
Wie die Gartentherapie insgesamt ist auch die Anlage eines Therapiegartens nicht zwangsläufig mit hohen Kosten verbunden. Dies ist abhängig von der Größe und der Beschaffenheit des Gartens. Angesichts dieser im Vergleich zu anderen Baumaßnahmen niedrigen Kosten ist noch ein anderer Aspekt zu berücksichtigen: Ein Therapiegarten eignet sich nicht nur für gartentherapeutische Aktivitäten, sondern auch für ein Vielzahl weiterer Verwendungszwecke. So können darin beispielsweise Entspannungs- oder Bewegungsübungen durchgeführt oder er kann für Schulungszwecke eingesetzt werden. Der wohl häufigste Verwendungszweck ist zugleich der einfachste: BesucherInnen, BewohnerInnen und MitarbeiterInnen können sich im Garten allein oder mit anderen zusammen aufhalten und die Ruhe, den Sonnenschein und die frische Luft genießen.
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Eine Präsentation von 30 Minuten wurde zu Beginn des Projektes durchgeführt, um: • das Projekt in Öschelbronn vorzustellen, • Begeisterung für die Gartentherapie zu entwickeln, • Interesse daran zu wecken, die Außenbereiche besser zu nutzen.
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Das Projekt, welches sich zunächst an die pflegebedürftigen BewohnerInnen richtete, startete dann erfolgreich im Februar 2019 mit einer Schulung für die Arbeitsgruppe von insgesamt 13 MitarbeiterInnen aus Betreuung, Pflege und Garten. Sie erlebten jeweils mehrere Stunden in der Woche zusammen mit den BewohnerInnen die positive Wirkung der Natur in Innen- und Außenbereichen. Ziel des Projektes ist es, die Lebensgestaltung im Alter natürlicher, bunter und aktiver zu machen. Die vorhandenen, sehr schönen Außenbereiche des Johanneshauses werden in Zukunft stärker genutzt und gleichzeitig wird die Natur sehr viel intensiver in den Innenbereichen erlebbar. Dies hat einen sofortigen Einfluss auf die Vitalität und Gesundheit der BewohnerInnen und MitarbeiterInnen, die auch gemeinsam mit bettlägerigen BewohnerInnen die Außenbereiche stärker nutzen. Am Ende des ersten Jahres wurden die folgenden Ziele bereits übertroffen: In den drei Schulungen wurden Aktivitäten für die kommenden Monate definiert und von der Arbeitsgruppe mithilfe der gärtnerischen Kompetenz im Johanneshaus durchgeführt. Ferner wurde das Projekt über die gesamte Zeit extern von einer Gartentherapeutin begleitet. Ein regelmäßiger Austausch via E-Mail oder WhatsApp war hierbei hilfreich.
Durchführung der Gartentherapie Gartentherapie ist ein Prozess, der auf Basis der Bedürfnisse der BewohnerInnen durchgeführt werden sollte. Außerdem gilt es, Verlauf und Ergebnisse der unternommenen Aktivitäten zu protokollieren und deren Ergebnisse zu evaluieren. Dies erfordert zwar zusätzlich Zeit, ist aber sinnvoll, um den Verlauf und Nutzen verfolgen und festhalten zu können. Der für gartentherapeutische Tätigkeiten notwendige Zeitaufwand ist höchst unterschiedlich und bietet damit weitreichende Flexibilität: Es können einmalig oder wiederholt, auch täglich, gewisse Aktivitäten durchgeführt werden, wie etwa das Gießen von Pflanzen. Dabei zeigt sich in vielen Fällen, dass die Patienten, die diese Arbeit übernehmen, aus dieser Tätigkeit ein überraschend hohes Maß an Befriedigung ziehen. Gartentherapeutische Aktivitäten können aber auch auf mehrere Stunden ausgeweitet werden, wenn die Kräfte der TeilnehmerInnen dies zulassen. Neben der wiederholten Ausführung immer gleicher Tätigkeiten besteht auch die Möglichkeit, sie auf Wochen oder Monate zu verteilen. So können beispielsweise Blu-
• • • • • • •
intensive Nutzung der Hochbeete (z. B. Gemüse, Kräuter, Blumen), weitere Bepflanzungen wurden vorgenommen (z. B. Beerensträucher), Aufstellen von Kisten für Geräte und Materialien in den Innenhöfen, Schläuche wurden an den Wasseranschlüssen angebracht, zusätzlich wurden 2 Zimmerbrunnen gekauft, bepflanzt und aufgestellt, Nistkästen wurden gebaut und angebracht, Enten und Vögel wurden angelockt.
Erhaltung Nutzen der Gartentherapie Das Interesse an der Gartentherapiegruppe ist sehr groß. Es wurden in der Vergangenheit auch schon Aktivitäten mit der Natur unterstützt und durchgeführt. Frau Augenstein und Frau Hollstein könnten mit weiteren Schulungen zu Gartentherapeutinnen ausgebildet werden und den nachhaltigen internen Wissenstransfer im Johanneshaus garantieren. Hierfür empfehle ich auch die Bildungsstätte Gartenbau Grünberg https://www.bildungsstaette-gartenbau.de, Kurs Gartenagogik.
Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles!
men geerntet und ihre Blüten gepresst und aufbewahrt werden, um sie dann im Winter zu Fensterbildern zu verarbeiten. Auch die Ernte und das Trocknen von Kräutern, beziehungsweise das Sammeln und Trocknen von Duftpflanzen und Blüten sowie deren anschließende Verwertung in Duftkissen kann eine Tätigkeit sein, die sich über mehrere Wochen hinziehen kann. Viele BewohnerInnen können nicht mehr aktiv an den Gartentherapiemaßnahmen teilnehmen, sind allerdings sehr gerne dabei und passiv beteiligt. Das bedeutet, dass viel „Arbeit“ letztendlich bei der Gruppe liegt. Aus diesem Grund waren Aussaaten und das Pikieren von Jungpflanzen z. T. nicht möglich und wurden folglich im kommenden Jahr nicht mehr angeboten. Zimmerpflanzen konnten nicht, wie anfangs vereinbart, in allen Zimmern aufgestellt werden. Ansonsten konnten fast alle Aktivitäten erfolgreich durchgeführt werden. Die Tabelle unten zeigt einige der Hauptaktivitäten, welche im Rahmen der Schulungen vereinbart wurden. Viele weitere Gartentherapieprogramme wurden von der Gruppe erstellt und durchgeführt. Zusätzlich hatte die Gruppe sich intensiv mit den Außenbereichen beschäftigt und Vorschläge für eine Optimierung der Bereiche, insbesondere für die Gartentherapie, gemacht. Einige Vorschläge konnten aufgrund von baulichen Einschränkungen (z. B. Sonnensegel) nicht durchgeführt werden. Einige Änderungsvorschläge wurden verwirklicht:
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Übersicht der vereinbarten Aktivitäten 2019
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
No.
Ideen
Details
Zuständigkeit (Gruppe)
1
Vögel
Vogelhaus bauen (wird mitgebracht Frau Schulte, Nistkasten (2), regelmäßiges Anfüttern, Innenhof (Hölderlin)
Betreuung und Therapie
2
Schnittblumen
Ist es möglich, Schnittblumen auszusäen?
Garten
3
Zimmerpflanzen pro Person (Johanneshaus und EZH)
Neue Pflanzen werden vom Team Betreuung getopft und von der „Pflege“ gepflegt.
Pflege
4
Mobilisieren in die Außenbereiche: siehe auch Gartentherapieprogramm für die Liegewiese
5
Hochbeete inkl. Anzucht und Pflege, Pflanzen in die Außenbereiche
6
Blumenampeln Innenbereiche
7
Vorschläge Verbesserung Außenbereiche
Pflanzen und Elemente (z. B. Stühle, Balkonmöbel
alle
8
Kresse säen
Fotos in WhatsApp-Gruppe hochladen
alle
9
Sonnenblumen
10
Änderungen der Außenbereiche prüfen
Die von der Gruppe erarbeite- Leitung ten Vorschläge umsetzen
11
Kurzes Feedback an Dr. Budliger
Status der Aktionen: Was war gut, was hat weniger gut funktioniert, was braucht es noch? Impressionen?
12
WhatsApp-Gruppe
alle
13
Hochbeete bepflanzen
alle
14
Mobile Beete mit Kräutern zu den BewohnerInnen bringen
alle
15
Erfahrungsberichte schreiben (je 1 pro Gruppe)
alle
16
Am Shop Tisch mit Pflanzen „zum Mitnehmen“ aufstellen
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Betreuung und Therapie mit Pflege
Paprika, Tomaten
Betreuung und Therapie mit Pflege Dr. Budliger
Pflege
Gartentherapiegruppe wird dadurch sichtbar und BewohnerInnen aus anderen Bereichen freuen sich
alle
alle
Übersicht der vereinbarten Aktivitäten 2019 Biografiebögen für Pflege verfügbar machen
Leitung
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Pflanzen dürfen für die Gartentherapie in den Außenbereichen des EZH abgeschnitten werden
Dies ist Grundlage für eine erfolgreiche Gartentherapie und von der Geschäftsleitung gestattet
alle
19
Düfte und Aromen zerstäuben – ausprobieren
Gerät ist in Novalis verfügbar
Betreuung und Therapie mit Aromatherapeutin
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Kurze Schläuche an die Wasserhähne im Außenbereich, damit Gießkannen einfacher gefüllt werden können.
Leitung
21
Eine Bank mit Armlehnen an der Liegewiese, damit der Aufenthalt hier erleichtert wird
Leitung
22
Gartentherapie wird in der Pflege/Nachtwache dokumentiert Schlaf/Schmerz Vorlage für die Nachtwache angegeben nach Gartentherapie
Betreuung und Therapie mit Pflege
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Vorbereitung Pressetag im August
Dr. Budliger und alle
24
Dokumentation der Gartentherapie intensivieren
Einfluss auf Nachtschlaf und Einfluss der Zimmerbrunnen dokumentieren. Notizbuch ggf. am Zimmerbrunnen platzieren
Betreuung und Therapie
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Bei BewohnerInnen mit starken Schmerzen (10) vermehrt Zimmerpflanzen aufstellen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Schmerzen dann abnehmen
Beobachten, ob diese Veränderungen einen Einfluss auf die Schmerzempfindung der BewohnerInnen haben. Das Einfachste ist eine Schmerzskala 1-10 zu verwenden
Betreuung und Therapie
26
Mögliche Zusammenarbeit mit Frau Krieger (Kunsttherapie)
Vorzeichnen von Blumen für die Gartentherapie
Betreuung und Therapie
27
Sauerkraut herstellen
Interdisziplinäres Team-Event mit den BewohnerInnen
Garten
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Zweiten Zimmerbrunnen dekorieren und aufstellen
Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles!
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Leitung
Eine WhatsApp-Gruppe als freiwilliges und internes Instrument, um den Austausch über die Gartentherapie in der Gruppe zu fördern, hat sehr gut funktioniert. Die tollen Fotos machen Mut und auch vielen BewohnerInnen Freude. Interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe und die Unterstützung von MitarbeiterInnen außerhalb der Gruppe hat gut geklappt. Es wird erkannt, dass das Projekt einen großen Mehrwert für die BewohnerInnen darstellt. Klares Ziel für 2020 ist eine intensivere Dokumentation des Nutzens für die BewohnerInnen. Dies wurde mit der Gartentherapiegruppe bereits vereinbart und wird kommendes Jahr auf der Tagesordnung stehen. Angebote für die MitarbeiterInnen in den Außenbereich zu verlegen (z. B. Yoga) ist bisher noch nicht erfolgt.
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Risikomanagement • Einige Vorsichtsmaßnahmen sind bei der Gartentherapie zu treffen: So sollten sich PatientInnen nicht unbeaufsichtigt im Garten aufhalten, um sicherzustellen, dass sie sich nicht über ihre Kräfte hinaus anstrengen oder sich etwa überheben. Die BewohnerInnen dürfen sich nicht überfordern und nur solche Tätigkeiten ausführen, die ihren Fähigkeiten entsprechen. • Auf giftige Pflanzen sowie solche, die Allergien auslösen, muss besonders geachtet werden. Da gerade Letzteres für viele Pflanzen gilt, sollte man bei der Auswahl einzelner Exemplare für gartentherapeutische Arbeiten auf allergene Aspekte achten und sich vorher mit den PatientInnen besprechen (Phytobiografie). • Abhängig von den gewählten Aktivitäten erfordert Gartentherapie ein – wenngleich begrenztes – Maß gärtnerischer Kenntnisse. Zumindest ein Grundwissen über die Ansprüche der Pflanzen an Standort und Pflege sollte gegeben sein. Zum anderen ist es notwendig, dass der Pfleger oder die Pflegerin über ausreichendes Wissen im Hinblick auf die Auswahl der Pflanzen verfügt. Hierzu ist es notwendig, die Verwendungsmöglichkeiten einzelner Pflanzenarten für therapeutische Zwecke zu kennen und zu wissen, welche Pflanze sich für welche Art von PatientInnen sowie Therapieart besonders empfiehlt. Daneben sollte ein gewisses Grundwissen zu den Eigenschaften verschiedener Erden und Substraten sowie zu den häufigsten Schädlingen und Erkrankungen vorhanden sein. • Praktische Kenntnisse müssen zu den wichtigsten gärtnerischen Tätigkeiten vorliegen. Hierzu gehört beispielsweise die Vermehrung von Pflanzen durch Samen, deren Aufzucht, das Pikieren, das Umtopfen sowie die Pflege, wie etwa der pflegerische Schnitt oder das Entfernen toten Pflanzenmaterials. Auch mit den wichtigsten Werkzeugen der Gartenarbeit sollte der Therapeut gut vertraut sein.
• Es wird wiederholt über Freizeit und Überstunden gesprochen, die für die Gartentherapie notwendig sind, dies ist für das Momentum nicht ideal. Die Gartentherapie sollte im Pflegealltag integriert werden/sein. • Eine zuständige Person (20 %) (GartentherapeutIn) vor Ort ist sehr zu empfehlen, gerade wenn das Projekt im ganzen Johanneshaus umgesetzt werden soll. Diese Person kann für eine bestimmte Zeit intern (z. B. 20 %) von der Betreuungsgruppe freigestellt werden oder extern einen Beitrag leisten. • Den oberen Bereich mit dem Gewächshaus zu erreichen ist eine Herausforderung für die BewohnerInnen und die MitarbeiterInnen. Zu überlegen ist, einen besseren Bodenbelag für den Weg zum Gewächshaus zu verlegen. Ferner gibt es Rollstühle, die durch ein Zusatzelement elektrisch angeschoben werden können. Diese sind nicht teuer und könnten den Aufwand für die MitarbeiterInnen erheblich erleichtern. • Sollten überzählige Pflanzen von den BewohnerInnen herangezogen werden, können diese ab 2020 im Shop für weitere BewohnerInnen oder BesucherInnen angeboten werden.
Ausblick 2020 • Verstetigung: Weiterführung und nachhaltige Implementierung der Gartentherapie im Ernst-Zimmer-Haus • Einführung der Gartentherapie im Johanneshaus, zusätzliche MitarbeiterInnen (SchülerInnen, PflegerInnen) • Kräutergarten (für Gartentherapie und Küche) im Speisesaal Johanneshaus • Begrünung des Aufenthaltsraumes auf 3.1 für Gartentherapie und Aufenthalt • Schulungen für neue Mitglieder der Gartentherapiegruppe (z. T. durch MitarbeiterInnen des Johanneshauses > interner Wissenstransfer) und weitere Vertiefung, z. B. Anthroposophie in der Gartentherapie für alle Interessenten • Stärkere Dokumentation der Auswirkungen von Gartentherapie auf das Befinden der BewohnerInnen (Wohlbefinden, Schlaf, Schmerz) • Sommerfest der Gartentherapiegruppe • Buch: Gemeinsam Natur Erleben
Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles!
• Die starke Fluktuation innerhalb der Gartentherapiegruppe, die Heterogenität und die z. T. sporadische Teilnahme sind für eine gute Schulung eine Herausforderung. Das Quiz zur Abfrage der Themen am Ende jedes Schulungstages zeigt, dass TeilnehmerInnen nicht bei allen Themen anwesend waren. Bei Anwesenheit werden die Fragen allerdings sehr gut beantwortet.
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• Sonstiges: Umgestaltung Liegewiese, Sand in den Innenhöfen, Hochbeete Betti und Innenhof Hölderlin, Jahreskalender Aktivitäten, Gewächshausheizung, Barfußpfad, Töpfe und Kästen für Fensterbänke bepflanzen, Spaziergänge im Garten, Mobiles Beet mit Kräutern, Sonnenblumen, mehr Zeit. Um den Nutzen der Natur nachhaltig zu erleben, benötigt es ein interdisziplinäres und regelmäßiges Angebot für alle BewohnerInnen: • • • • • Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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Betreuung, Pflege, Ehrenamt, Angehörige, Außen- und Innenbereich, Teil der Tagesstruktur, Aktivieren von möglichst vielen BewohnerInnen (auch bei Bettlägerigkeit), Ergänzung zum bestehenden Gartenprogramm.
Fazit • Aufenthalt im Pflegeheim wird gesünder für BewohnerInnen und MitarbeiterInnen. • Gartenaktivierung ist mit wenig Aufwand in die vorhandenen Strukturen integrierbar. • BewohnerInnen kann die Beschäftigung mit Pflanzen neuen Lebenssinn vermitteln. • Innovative Methode, um Einrichtungen und Berufe in der Gesundheitsvorsorge attraktiver und effektiver zu gestalten.
Beispiel: Kursevaluation Kursevaluation Datum
ReferentIn
Kriterien
A
1
Der Kurs war gut organisiert
2
Die Themen haben meine Erwartungen erfüllt
3
Der Moderator hat verständlich und ausführlich erklärt
4
Die Kursunterlagen sind verständlich und hilfreich für die Zukunft
5
Eine gute Balance zwischen Theorie und Praxis
6
Das Level des Kurses hat meine Erwartungen erfüllt
7
Die Atmosphäre im Kurs war gut
8
Grundsätzlich habe ich viel gelernt
Antworten: A = Sehr gut
B = Gut
C = Mittel
D = Nicht gut
Die Durchführung des Kurses: Zu schnell Genau richtig Zu langsam Rollenbeschreibung: Würden Sie den Kurs weiterempfehlen? Falls nicht, warum nicht?
B
C
D
Das Projekt Gemeinsam Natur erleben im Johanneshaus – Planung ist alles!
Kurs
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Weitere Kommentare oder Vorschläge zum Kurs:
Quiz: Wissenstransfer Fragebogen Schulung
Gartentherapie: Bedeutung und Umsetzung
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1. Beschreiben Sie in eigenen Worten die Ziele des Projektes „Gemeinsam Natur erleben“. 2. Was versteht man unter iggt? 3. Welchen Nutzen hat die Gartenaktivierung? Nennen Sie 3 Beispiele. 4. Welche Anforderungen werden an eine Erde bzw. an ein Substrat gestellt? 5. Worin unterscheiden sich Vermehrungssubstrate von der „normalen Blumenerde“? 6. Nennen Sie jeweils eine Erde, ein Substrat und einen Zuschlagstoff. 7. Was versteht man unter generativer Vermehrung und welche Vorteile bietet sie? 8. Was besagt in der Regel die Bezeichnung Licht-/Dunkelkeimer? 9. Was ist der Unterschied zwischen einem Kopfsteckling und einem Teilsteckling? 10. Warum schneidet man Stecklinge in der Regel dicht unterhalb eines Blattknotens? 11. Nennen Sie 2 Ziele der 10-Minuten-Aktivierung. 12. Was versteht man unter Zeigerpflanzen? 13. Nennen Sie 3 Gartentherapiebeispiele März–August. 14. Welche Vorteile haben Saatbänder gegenüber losem Saatgut? 15. Wann können Erdbeeren geerntet werden? 16. Welche Pflanzen riechen nach Zitrone? 17. Nennen Sie mindestens einen „anregenden“ Duft und einen „beruhigenden“ Duft. 18. Was ist der Unterschied zwischen einem Duft und einem Aroma? 19. Nennen Sie 3 gartentherapeutische Aktivitäten für bettlägerige Personen. 20. Welche besonderen Bedürfnisse haben demenziell erkrankte Menschen? 21. Nennen Sie 3 gartentherapeutische Beispiele Oktober – Dezember. 22. Welche gesundheitlichen Vorzüge hat Gerstengras? 23. Was versteht man unter GarThePedia? 24. Nennen Sie die 4 Prinzipien der Viergliederung. 25. Welche Besonderheit haben Flowforms? 26. Wie werden Sie die Zimmerbrunnen in Ihre Gartentherapie integrieren? 27. Was möchten Sie im Rahmen der Gartentherapie gerne umsetzen?
Die Entstehung der Außenanlagen im Johanneshaus
Christoph Göbel
Christoph Göbel ist ausgebildeter Gartenbaumeister und war zusammen mit seiner Frau für die Konzeption und den Aufbau der Außenanlagen des Johanneshauses verantwortlich.
Das Höchste Suchst du das Höchste, das Grösste? Die Pflanze will es dich lehren. Was sie willenlos ist, sei du es wollend – Das ist’s! (Friedrich Schiller)
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Das Johanneshaus ist eingebettet in eine reizvolle, hügelige Landschaft, die dem Haus eine besondere Attraktivität verschafft. Weit weniger reizvoll war dagegen der Bauplatz des Johanneshauses und seine unmittelbare Umgebung, als im Jahr 1973 die ersten Erdarbeiten und im Frühjahr 1975 die Bauarbeiten an den Gebäuden begannen. Letztere liegen an einem Nordhang, der sehr flachgründig ist und einen hohen Muschelkalkanteil aufweist. Für die Schaffung der Außenanlagen erwiesen sich diese drei Faktoren als problematisch, da dies die Bepflanzung stark verkomplizierte. Letztlich handelte es sich um nicht viel mehr als eine 8,5 Hektar große Schotterwüste, denn der vorhandene Mutterboden hatte eine Dicke von lediglich zehn Zentimetern und eignete sich nur für völlig anspruchslose Pflanzen. Mit dem Aufbau der Außenanlagen wurden Christoph Göbel und seine Frau Emmie beauftragt. Beide hatten langjährige Erfahrung im Gartenbau: Christoph Göbel war ausgebildeter Gartenbaumeister und seine Frau hatte in den Niederlanden eine Land- und Gartenbauschule besucht. Am Goetheanum im Schweizer Kanton Solothurn hatten sie gemeinsam über Jahre hin die Außenanlagen erweitert und gepflegt. Dr. Schachenmann, der aus der Schweiz kommende Gründer des Johanneshauses, lud das Ehepaar Göbel dazu ein, nach Öschelbronn zu kommen und dort den Aufbau der Außenanlagen auf Basis anthroposophischer Prinzipien zu übernehmen. Seinen ersten Besuch auf der Baustelle des Johanneshauses beschrieb Christoph Göbel mit folgenden Worten:
Ausschlaggebend für die so vorgefundene Situation waren sowohl die Beschaffenheit der obersten Bodenschichten als auch die Folgen, die die Bautätigkeiten hinterlassen haben. Den dabei angefallenen Aushub hatte man über das gesamte Gelände verteilt und an manchen Stellen wies dieser eine Dicke von drei Metern auf. Hierzu nochmals Christoph Göbel, der seinen zweiten Besuch in Öschelbronn, diesmal zusammen mit seiner Frau, folgendermaßen beschreibt: „Der ausgebreitete Unterboden, mehr Muschelkalk als Lehm, ließ uns über Schotterhalden laufen. Die schonungslose Misshandlung der Natur, die sich hier deutlich offenbarte, ließ einem das Gärtnerherz zusammenkrampfen. Obwohl die Verwüstung vermutlich schon mindestens zwei Jahre so da lag, wuchs auf großen Flächen kein Kraut. Nur wenige Einzelgänger, Pioniere, konnten wir finden. Zum Glück hat uns die Trostlosigkeit nicht übermannt. Wir nahmen diese Aufgabe als Herausforderung an. Was nötig war, war ja deutlich zu erleben und leicht zu verstehen: Das Land trauerte und hungerte.“ (Chronik des Gartens, in: Johanneshaus-Rundschau, 1997, Heft 1, S. 5) Die drängendste Aufgabe der am 1. April 1975 begonnenen Arbeiten lag zunächst darin, den Mutterboden so zu verbessern und aufzubauen, dass man dort überhaupt etwas anderes als Pionierpflanzen einsetzen konnte. Wie sich herausstellte, war dies kein einfaches Unterfangen, denn die kleine Erdschicht konnte nicht ohne beträchtlichen Aufwand vergrößert werden. Hierzu wurde zunächst ein großer Kompostplatz angelegt und über Spenden konnte ein Traktor angeschafft werden, der für die anstehenden Arbeiten dringend benötigt wurde. Mit diesem Traktor holte Christoph Göbel von einer Reitanstalt in Pforzheim beträchtliche Mengen an Pferdemist sowie organische Abfälle vom dortigen Schlachthof, um sie in Öschelbronn zu kompostieren. Der so entstandene Komposthaufen hatte mit einer Länge von 20 Metern, einer Breite von fünf Metern und einer Höhe von knapp zwei Metern beachtliche Ausmaße. Die ersten Pflanzen für die Außenanlagen des Johanneshauses wurden auf diesem Komposthaufen gezogen, insbesondere in Frühbeetkästen, in denen junge Pflanzen besonders gut gedeihen.
Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
„Alles wirkte grau. Der triste Rasterbau ohne Farben mit Flachdach, das durch die enormen Baumaßnahmen ruinierte Gelände fast ohne Pflanzen. Das Gelände war ohne Gummistiefel unbetretbar. Regen und Baumaschinen hatten es so bearbeitet, dass Matsch und Nässe dominierten. Da keine Stiefel zur Hand waren, ließ ich mich zum siebten Stock führen, um von dort aus das Land zu überblicken. Die Grenzen waren bald auszumachen: soweit die Verwüstung reichte, gehörte das Land zum Johanneshaus.“ (Chronik des Gartens, in: Johanneshaus-Rundschau, 1997, Heft 1, S. 5)
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Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
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Zur gleichen Zeit wurde eine kleine Baumschule angelegt, die der Heranzüchtung der Bäume und Sträucher aus einjährigen Sämlingen diente, die später im Park und in den Gärten des Johanneshauses angebaut werden sollten. Allerdings war auch dies nicht einfach, denn das Gelände des Johanneshauses eignete sich nicht für die Anlage einer Baumschule. Christoph Göbel fand ein geeignetes Areal in rund einem Kilometer Entfernung, das aber nur gepachtet, nicht gekauft werden konnte. Nachdem die ersten Bäume in der Baumschule standen, kam es zu Auseinandersetzungen innerhalb der Familie des Grundstückseigentümers und nur aufgrund intensiver Bemühungen konnte deren Schließung vermieden werden. In der Folgezeit wurde die Baumschule erweitert, womit dort alle Bäume und Sträucher gezüchtet werden konnten, die für die Außenanlagen des Johanneshauses benötigt wurden. Christoph und Emmie Göbel standen gleichzeitig vor der komplizierten Aufgabe, neben dem Aufbau des Mutterbodens die grundlegende Anlage des Gartens zu konzipieren. Dieser sollte, wie bereits betont, auf anthroposophischen Prinzipien beruhen und die Voraussetzungen schaffen, dass den BewohnerInnen des Johanneshauses Garten- und Parkanlagen zur Verfügung standen, in denen sie sich gerne aufhielten und möglichst viel Zeit verbrachten. Um dies zu bewerkstelligen, folgte das Ehepaar Göbel einem Ansatz, der stark praktischen Erwägungen folgte. Deshalb setzte man sich nicht ans Reißbrett und entwickelte einen Plan. Vielmehr wurde versucht, die vorgefundenen Verhältnisse und insbesondere die Hanglage so zu nutzen, dass trotz der schwierigen Startbedingungen ein naturnahes und attraktives Lebensumfeld für die BewohnerInnen des Johanneshauses geschaffen werden konnte. Die Gedanken, die ihn bei der Entwicklung des Konzeptes für Park und Garten leiteten, beschrieb Christoph Göbel in folgender Weise: „Üppiges, gedeihendes Wachstum musste her – in großer Vielfalt, denn das individuelle Leben der vielen Menschen, die aus vielen Gegenden hierher strömen würden, will sich ja in der umgebenden Pflanzenwelt widerspiegeln, sich wieder finden. Die starken Eindrücke der ersten Besuche hatten ihre Folgen, wirkten weiter: Ein inneres Zukunftsbild, eine Vision begann sich zu entwickeln. Wenn dieses Bild auch bald konkrete Formen annahm, so steht es doch immer vor uns, verlangt ständig nach neuen Anregungen, will weiter gestaltet werden, damit die Entwicklung des (nie fertigen) Gartens auch in die Zukunft weiter gelenkt werden kann.“ (Chronik des Gartens, in: Johanneshaus-Rundschau, 1997, Heft 1, S. 5) In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass das Johanneshaus bereits ein halbes Jahr nach der Einweihung vollständig belegt war. Dies war für die Initiatoren des Projekts eine große Überraschung, bedeutete aber gleichzeitig, dass die Umwandlung der Schotterwüste in Garten- und Parkanlage von den beobachtenden und erwartungsvollen
Die Entstehung der Außenanlagen im Johanneshaus
Augen der BewohnerInnen begleitet wurde. Angesichts der vorgefundenen Verhältnisse erforderte der Aufbau der Anlagen ein gehöriges Maß an Geduld und war begleitet von beträchtlichen Anstrengungen. In der Folge führte dies dazu, dass sieben Jahre für den Aufbau des Parks sowie der Gärten benötigt wurden. Neben der Kompostierung und der Heranzüchtung von Bäumen in der Baumschule galt es zunächst den Boden aufzulockern. Dieser war im Gefolge der Bauarbeiten und die damit verbundenen unzähligen Transporte so stark verdichtet, dass er nicht einmal mit einer, mit mehreren Reißhaken ausgerüsteten Raupe ausreichend aufgelockert werden konnte. Zudem musste eine große Zahl von Steinen aus dem Areal entfernt werden. Dies war eine wichtige, aber gleichzeitig anstrengende und kräftezehrende Aufgabe, die von Studenten aus verschiedensten Ländern übernommen wurde. Letztere gruben über drei Jahre hinweg die Steine aus dem Boden und transportierten sie weg. Sie schufen auf diese Weise die Voraussetzungen, um einen fruchtbaren Mutterboden gewinnen zu können, wobei das aus der Kompostierung gewonnene Material hierbei die wohl wichtigste Voraussetzung darstellte. Nachdem ein ausreichender Mutterboden in der unmittelbaren Nähe der Gebäude geschaffen worden war, konnte die erste Aussaat vorgenommen werden. Verwendet wurden dabei Gräser, verschiedenen Kleearten und Wiesenkräuter, die auch unter den kargen Bedingungen des stark kalkhaltigen Bodens wachsen konnten. In einer zweiten Phase wurden Sonnenblumen gepflanzt, die die ersten, von vielen BewohnerInnen lang ersehnten Farbtupfer in das bis dahin öde Areal brachten. Hiervon ausgehend wurden dann weitere Bereiche des Grundstücks, auf dem das Johanneshaus liegt, in die Bepflanzung einbezogen, da es im Laufe der Zeit gelungen war, durch das Einbringen des selbst erzeugten Komposts immer mehr und fruchtbareren Mutterboden zu schaffen. Bereits im Herbst 1975 konnten die ersten Bäume aus der Baumschule im Bereich des Parks gepflanzt werden. Angepflanzt wurden dabei ausschließlich Arten, die nur eine Wuchsperiode in der Baumschule gewesen waren und sich besonders schnell entwickelten, wie Feldahorn, Ebereschen und Zitterpappel. Das Setzen der ersten Bäume war ein erfreulicher Meilenstein auf dem Weg zur Gestaltung des Parks in der Form, wie ihn BewohnerInnen und BesucherInnen des Johanneshauses heute kennen und schätzen. In der Baumschule entwickelten sich die Bäume so gut, dass der erste Baumbestand in Park und Garten rasch erweitert werden konnte. Außerdem wurden in der Baumschule Obstbäume und Sträucher gezüchtet, die ebenfalls in den Anlagen rund um das Johanneshaus gepflanzt wurden. Hierzu gehörten unter anderem Äpfel, Pflaumen und Kirschen, die veredelt wurden, sowie verschiedenste Arten von Beerenobst. Daneben wurden in der Baumschule Wildrosen gezüchtet und veredelt, die dann unter anderem zur Bepflanzung mehrerer Böschungen in Form von Wildrosenhecken verwendet wurden.
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Neben den Bäumen wurden vor allem Sträucher für die räumliche Gliederung des Geländes eingesetzt. Dabei galt es, verschieden große Bereiche zu schaffen, die sich im Hinblick auf ihr Mikroklima unterschieden, womit die Voraussetzung für den Aufbau von Pflanzräumen unterschiedlichster Charaktere gegeben war. Kombiniert wurden diese Pflanzräume durch einzelne beziehungsweise gruppierte Blütensträucher und Bäume sowie Baumpflanzungen entlang der Wege in Park und Garten. Wie vorstehend erwähnt, basierte dies nicht auf einem im Voraus entwickelten Plan. Vielmehr ergab sich die Positionierung der Pflanzen sowie die Wahl der zu verpflanzenden Exemplare aus der fortlaufenden Entwicklung der Außenanlagen und den Bedürfnissen der BewohnerInnen, die diese gerne frequentierten und damit ihrerseits zu deren Gestaltung beitrugen. Generell lässt sich feststellen, dass die Anteilnahme der BewohnerInnen an der Gestaltung der Gärten und des Parks sehr groß war. Viele engagierten sich, soweit es ihre körperlichen Kräfte erlaubten, und beteiligten sich mit großem Elan an den Arbeiten in den Außenanlagen. Hierdurch entstand eine einmalige Atmosphäre, die sich durch den Pioniergeist der BewohnerInnen auszeichnete. Gerade weil die Gebäude von manchen als nicht ansprechend empfunden wurden und es allgemein an Grün sowohl innerhalb als auch außerhalb der Häuser mangelte, schenkten viele BewohnerInnen der Gestaltung der unmittelbaren Umgebung besondere Beachtung. Eine wichtige Inspiration war dabei die Pflanzenwelt in der näheren Umgebung des Johanneshauses. Das Ehepaar Göbel unternahm unzählige Beobachtungsgänge, um herauszufinden, welche Pflanzen und Pflanzengemeinschaften in nicht bewirtschafteten Bereichen, wie Wald- und Wiesenrändern, Böschungen oder Ödlandstreifen, existierten. Auf diese Weise ließ sich herausfinden, welche Pflanzen ohne Zutun des Menschen in dieser Region wuchsen und welche Gemeinschaften sie bildeten. Die so gewonnenen Erkenntnisse konnte man dann auf die Wahl der Pflanzen und deren Integration in die Gärten und den Park des Johanneshauses anwenden, um so eine naturnahe Bepflanzung zu schaffen, die dem spezifischen Charakter der Region entsprach. Ein besonders wichtiges Pflanzprojekt war die Umpflanzung der Parkplätze und vor allem die Schaffung einer Windschutzbepflanzung an der Westgrenze des Geländes, da der sich dahinter befindliche Hügelrücken die Westwinde direkt auf das Johanneshaus lenkte. Durch kam es zu einer starken Sturmentwicklung um die Gebäude herum, die es abzumildern galt. Hierzu wurden in einem Streifen mit einer Tiefe von zehn bis 15 Metern einheimische Bäume und Sträucher angebaut, die sich im Laufe der Jahre zu einem weitgehend geschlossenen Pflanzenbestand entwickelten. Es erwies sich, dass dieser die starken aus dem Westen kommenden Winde wirkungsvoll abhielt, wodurch in unmittelbarer Nähe des Johanneshauses keine Stürme mehr auftraten. Im Laufe der Jahre hat der Bestand in diesem Bereich eine Größe erreicht, die das Fällen einzelner Bäume notwen-
Die Entstehung der Außenanlagen im Johanneshaus
dig machte, was in Verbindung mit dem Pflanzen neuer Bäume eine nützliche Verjüngung dieses Gehölzstreifens erlaubte. Ein zentraler Bestandteil der Außenanlagen des Johanneshauses ist das Wasser, das in Form eines kleinen Bachs durch sie fließt, wobei sich die Hanglage des Geländes hierfür als besonders nützlich erwies. Zu diesem Zeitpunkt war der Auf- und Ausbau der Außenanlagen nach sieben Jahren intensiver Arbeit weitgehend abgeschlossen. Die Pflanzungen hatten einen guten Entwicklungsstand erreicht, wenngleich aufgrund des insgesamt kargen Bodens nur ein langsames Pflanzenwachstum erzielt werden konnte. Die Arbeiten für den Wasserlauf begannen 1981/82, als die Idee aufkam, dass dem Garten noch das Element Wasser fehlte. Unmittelbarer Auslöser war eine große Pfütze, die sich aufgrund starker Regenfälle und angesichts des stark verdichteten Bodens oberhalb eines Rosenhügels gebildet hatte. Das Ehepaar Göbel ließ sich bei der Planung des Wasserlaufs vom Gedanken leiten, dass Wasser die Quelle allen Lebens ist und dessen Verlauf im Gelände so gestaltet werden sollte, dass es den Lauf des Lebens symbolisierte. Hierzu wurden ein kleiner und ein großer Teich angelegt, die über einen kleinen Wasserlauf verbunden sind. Der Wasserlauf endet im Vorhof des Johannishauses, wo ein Brunnen angelegt wurde, der diesem Bereich eine besondere Attraktivität verleiht. Gespeichert wird das Wasser in einer unterirdischen Zisterne, in die das Regenwasser der Gebäude geleitet wird. Von dort wird es zu einer Quellschale geleitet, wo es seinen Weg durch den Garten beginnt, der dann im Brunnen endet. Damit wurde ein Kreislauf geschaffen, der auf anschauliche Weise nicht nur den Lauf des Lebens und die Bedeutung von Wasser, sondern auch den sparsamen Umgang mit dieser wichtigen Ressource symbolisiert. Ein wichtiges Element des Wasserlaufs sind die sogenannten Strömungsschalen, die auch als Flowforms oder Fließformen bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um gegossene Betonschalen, die an verschiedenen Stellen in den Wasserlauf integriert sind und in denen sich das Wasser sammelt, bevor es weiterfließt. Die Gestaltung der Strömungsschalen übernahm Christoph Göbel, der sich hierbei auf die Arbeiten des mit ihm aus Dornacher Zeiten persönlich bekannten John Wilkes stützte, der das Patent über Flowforms innehatte. Hierzu wurde eine eigene Werkstätte eingerichtet, in der er über mehrere Monate hinweg die Funktion verschieden gestalteter Strömungsschalen untersuchte, um sie den örtlichen Gegebenheiten entsprechend anzupassen. Dabei ging es in erster Linie darum, die richtigen Proportionen für die Größe der Strömungsschalen im Hinblick auf Garten und Gebäude zu finden. Diese Arbeiten beschreibt Christoph Göbel folgendermaßen: „Ich modellierte auf großen Tischen in meiner Werkstatt. Zunächst empfand ich das Ganze noch als meine Privatangelegenheit und modellierte an den Wochenenden und freien Abenden während etwa drei Monaten. Dazu gehörte ein großer Wasserbehälter, Schläuche
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und Pumpen, sodass ich die modellierten Formen immer wieder mit strömendem Wasser ausprobieren konnte. Das Wasser selbst modellierte auf diese Weise mit. Diese Versuchsreihen, Modellieren – Strömen – Korrigieren – Strömen – Neugestalten usw., waren sehr anregend und begeisternd, obwohl natürlich auch Rückschläge hinzunehmen und zu überwinden waren. Nach und nach entstand eine Form, die sich dem Ideal annäherte.“ (Chronik des Gartens, in: Johanneshaus-Rundschau, 2000, Heft 1, S. 18.)
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Nach Monaten des Probierens und der Versuche war schließlich die Form gefunden worden, die sich für die Gärten des Johanneshauses am besten eignete, woraufhin die Strömungsschalen aus Beton gegossen und in den Wasserverlauf eingefügt wurden. Wie viele andere Elemente in Gärten und Park stellen sie einen Blickfang dar, der viele BewohnerInnen und BesucherInnen zum Innehalten und Beobachten animiert. Gerade der langsame Fluss und das leise Plätschern des Wassers wirken beruhigend auf jeden, der sich Zeit für einige Minuten der Einkehr nimmt. Die Voraussetzungen hierfür sind in den Außenanlagen des Johanneshauses zweifellos gegeben und ein Spaziergang stellt für viele BewohnerInnen so etwas wie ein tägliches Ritual dar. So war es auch von Beginn an gedacht und das bestätigt das Ehepaar Göbel auf anschauliche Weise in seiner ursprünglichen Vision. Es brauchte viele Jahre mühevoller Arbeit und der Anstrengungen unzähliger Menschen, um aus der anfangs vorhandenen Schotterwüste die natürliche Umgebung zu schaffen, die man nun rund um die Gebäude, in den Gärten und im Park des Johanneshauses vorfinden kann. Von grundlegender Bedeutung ist dabei die Einsicht, dass es in der Evolution eines Gartens, so wie in der Natur generell, nie einen Endpunkt gibt. Vielmehr gilt es, dafür zu sorgen, dass, wie Christoph Göbel zutreffend betont, „die Entwicklung des (nie fertigen) Gartens auch in die Zukunft weiter gelenkt werden kann“ (Chronik des Gartens, in: Johanneshaus-Rundschau, 1997, Heft 1, S. 5.) Hinweise für die Anlage von Außenanlagen, Gärten und Parks, basierend auf den am Johanneshaus gewonnenen Erfahrungen: 1. Die Gestaltung von Außenanlagen muss sich im Hinblick auf räumliche Gliederung und Auswahl der Pflanzen an die örtlichen Gegebenheiten und die Ziele anpassen, die mit der Errichtung von Gärten und Parks erreicht werden sollen. 2. Gerade in Pflegeeinrichtungen gilt es die Anlagen entsprechend den Bedürfnissen der BewohnerInnen zu gestalten. Hierzu gehören gut begehbare Wege, die auch mit Rollstühlen befahren werden können, sowie Ruhe- und Sitzbereiche in ausgewählten Bereichen. 3. Die Integration von Wasserelementen in Form von Teichen und Bachläufen verschafft einer Außenanlage eine besondere Attraktivität.
Literatur: Chronik des Gartens, in: Johanneshaus-Rundschau, 1997, Heft 1
Die Entstehung der Außenanlagen im Johanneshaus
Chronik des Gartens, in: Johanneshaus-Rundschau, 2000, Heft 1
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Was bedeutet ein Therapiegarten aus anthroposophischer Sicht?
Stefan Kreuzer
Stefan Kreuzer ist ausgebildeter Gärtner und leitet seit vielen Jahren die Gärtnerei des Johanneshauses.
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1974 gelang Dr. Conrad Schachenmann, einem Anthroposophen aus Dornach, der große Wurf: Seine Idee einer „Lebensgestaltung im Alter“, noch heute Motto des Johanneshauses, fand in Öschelbronn ihren Standort. Er war schon länger auf der Suche nach einem Gelände, um den vielen noch aktiven Anthroposophen, welche z. B. im schweizerischen Dornach am Goetheanum mitarbeiteten, eine adäquate Lebensform im Alter zu bieten. Das erste anthroposophische Altenheim ging an den Start. Das Gelände, welches rund 10 ha umfasste, war nur im südlichen Bereich schon angelegt, der nördliche Teil hinab zum Dorf war noch Bauwüste. 1975 begann in Öschelbronn das Ehepaar Göbel zu wirken und zu arbeiten. Christoph Göbel als Gartenbauer und -gestalter und seine Frau Emmy Göbel waren zuständig für die Blumen- und Kräuterproduktion. Es begannen die langwierigen Aufbauarbeiten auf dem Gelände, welche mit großer Dankbarkeit von den neuen BewohnerInnen begleitet wurden. Dies ging bis hin zu deren tatkräftiger Unterstützung. Von Beginn an wurden auf dem Fleckchen Erde, das am besten geeignet dafür schien, Gemüse, Blumen und Kräuter angebaut. BewohnerInnen übernahmen Gießpatenschaften für neu angepflanzten Bäume. Neben den GartenmitarbeiterInnen, teilweise verstärkt durch Waldorfschulklassen, strömten die dort Wohnenden herbei, um zu helfen. Fleißige BewohnerInnen transportierten schubkarrenweise Blumen in das Johanneshaus, um dort zur Freude aller Räume und Flure im gesamten Haus mit Blumensträußen zu versehen. Unter Anleitung von Frau Göbel wurden auch von BewohnerInnen für BewohnerInnen im Johanneshaus zweimal wöchentlich Blumen verkauft. BewohnerInnen waren aber auch im ganzen Haus in allen Bereichen tätig. Irgendwo mitzumachen war schon fast Pflicht. Es wurde gemalt, gesteinmetzt, geschnitzt, natürlich Eurythmie und andere Kunst ausgeübt und zur Aufführung gebracht. Auch wurde von BewohnerInnen den stärker eingeschränkten Menschen auf den Pflegestationen das Essen gereicht. Es wurde vorgelesen, vorgespielt und vieles mehr. Alles, was heute Ehrenamtliche von außerhalb übernehmen, wurde intern von BewohnerInnen mitgetragen. Wer neu ins Haus kam, wurde sogleich von aktiven BewohnerInnen darauf angesprochen, ob man sich nicht vorstellen könnte, in einem der vielen von BewohnerInnen getragenen Bereiche, z. B. im Garten,
Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
aktiv zu werden. Es war schier nicht möglich, nicht tätig zu sein. Ein bekannter Bewohner, ehemals Direktor der Stuttgarter Straßenbahnen AG, Alfred Bockemühl, schrieb in einem seiner zahlreichen Gedichte, die er für heitere und andere Anlässe im Johanneshaus verfasste: „… und bist Du im Johanneshaus, so ist es mit der Ruhe aus.“ Das Johanneshaus speist sich noch bis heute aus diesem „Unternehmergeist“ heraus. Es war Anfang der 90er-Jahre, zu der Zeit, in der bis heute unter dem Begriff „Green Care“ vieles versammelt wurde, was mit sozialer Landwirtschaft, Tierpädagogik, Erlebnispädagogik, Gartentherapie u. v. m. zu tun hat. Das Bewusstsein für die Bedeutung unserer Umwelt hat sich anhand der Umweltproblematik geschärft. In der fortschreitenden Naturentfremdung, die unsere Alltagsstruktur ergriffen hat, wurde Natur als Pflege, ja als Heilmittel, wiederentdeckt. In den Camphilleinrichtungen und Waldorfschulen wird dieser heilende Zusammenhang schon lange als wirksames Mittel in pädagogischen, sozialen und therapeutischen Zusammenhängen genutzt, ist fester Bestandteil einer Arbeit mit und für den Menschen. So auch im Johanneshaus. 1995 kam es im Gartenpark am Eichhof zu einem Stabwechsel. Die Gründer zogen sich zurück und ein neuer Gärtner übernahm diese Rollen. Die Weichen für die Zukunft wurden gestellt. Die „Vollversorgung“ der Gartenanlage sollte mit eigenen Mitteln und aus eigenen Kräften gelingen. Eine Veränderung gesellschaftlicher Art, die auch vor dem Johanneshaus nicht halt machte, war, dass neu einziehende BewohnerInnen generell höheren Alters waren als noch in den Anfangsjahren. Zwar waren sie tatendurstig, aber die Phase des aktiven, relativ selbstständigen Mithelfens wurde doch immer kürzer. Da ich zwei Jahre in einer anthroposophischen sozialtherapeutischen Einrichtung am Bodensee mitgelebt und am sozialtherapeutischen Seminar teilgenommen habe, hatte ich einige Impulse von dort mitgebracht, und so war es mir selbstverständlich, die Menschen an unserer Arbeit, je nach Fähigkeit, so gut als möglich teilhaben zu lassen und einzubinden in das Gartenteam. Arbeit in unserem Sinne ist immer etwas Sinnstiftendes und Persönlichkeitsbildendes. Wer eine Tätigkeit vollbringt, kann dies so tun, dass er, auch nur mit der kleinsten Tätigkeit, sich als wirksamer Teil eines größeren Ganzen oder Organismus erleben kann. Gleichzeitig wurde der Gehölzbestand des Gartenparks am Eichhof sukzessive durchforstet und ausgelichtet. Bäume, die in den ersten Jahren zu Tausenden gepflanzt wurden, hatten den Gartenraum erobert. Viele ehemals kleine und niedliche Wacholder und Kiefern und Thujen forderten ihren Raum ein. Der Garten begann schattig zu werden und zu vergrünen. Bäume und Sträucher wurden gerodet, damit zum einen die zukunftsfähigen Bäume sich freier entwickeln konnten und zum anderen dadurch wieder Platz geschaffen wurde für den „Seelenraum eines Gartens“, die Staudenpflanzungen. Rudolf Steiner spricht von der Pflanzenwelt als der „sichtbar gewordenen Seelenwelt der Erde“. Die Verbindung zur Seelenwelt und somit auch die größte innere Anteil-
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nahme des Menschen zeigt sich im Bereich des Blühenden und Fruchtenden am deutlichsten. Hier fühlen wir uns alle, ob jung oder alt, besonders angerührt. Durch Erweiterung und Umwandlung haben wir so neue, naturalistische und dauerhafte Staudenlandschaften geschaffen, die sich mit den neueren Strömungen der Gestaltung mit Stauden decken, wie sie in z. B. Weinheim im Staudensichtungsgarten Hermannshof oder dem mittlerweile Altmeister einer neuen Staudenverwendung gewordenen Piet Oudolf vorgelebt wurden. Spontanaussaaten von Stauden sind willkommen und gelten als Zeichen, dass die Pflanze am Standort angekommen ist. Von hübschen „Unkräutern“, wie z. B. Johanniskraut, Nachtkerze, Königskerze, Akelei und vielen anderen mehr, lassen wir gerne auch Sämlinge stehen, nehmen sie bei Bedarf heraus, damit sie andere Bestandspflanzen nicht zu stark bedrängen. Sie geben in den Anlagen einen lebendigen und überraschenden Effekt. Auch ist z. B. die Walderdbeere in manchen Bereichen sehr verbreitet. Sie ist ein klassisches Beispiel dafür, wie wir mit den wilden oder wildernden Kräutern und Stauden umzugehen pflegen. Sie füllt neu entstandene Lücken, wenn Stauden ausfallen oder anfangen, zurückzugehen. Dann lassen wir sie mitunter den Boden bedecken, und als Lohn dafür finden sich dann immer wieder die süßen kleinen Früchte. Kundige BewohnerInnen sind ganz „scharf “ darauf. Es gibt also, nachdem Neuanlagen eingewachsen sind, kein strenges Pflegekonzept mit musealem Charakter, nach dem sich zu richten wäre, sondern es findet eine Auswahl statt in Kombination mit Impulspflanzungen, welche die Anlage in eine bestimmte Richtung – oder man kann auch sagen Stimmung – führen soll. Über die Jahre sind uns die Einschränkungen, welche die „alternde Gesellschaft“ mit sich gebracht hat, noch deutlicher geworden. Es war klar, dass wir die Aktivitäten, welche wir in der Gärtnerei und im Garten zusammen mit den vielen BewohnerInnen durchgeführt haben, nur noch durch eine stärkere Präsenz vor Ort, im Haus und nun auch für die stationären BewohnerInnen aufrecht erhalten können. Es entstand die Devise: „Der Garten kommt ins Haus.“ Ab 2006 ist das Gärtnerteam mit Unterstützung von Frau Krieger aus dem Betreuungsteam verstärkt im Johanneshaus selber tätig geworden. In sogenannten Rebelaktionen haben sich im Foyer des Johanneshauses an einer langen Tafel bis zu 20 Menschen aus dem stationären sowie ambulanten Bereich mit dem Rebeln der Kräuter für die Teebereitung beschäftigt. Kistenweise wurden so Minzen und andere wohlduftende Kräuter in geselliger Atmosphäre verarbeitet, in der Gärtnerei gelagert und dort im Winter von einer kleinen Bewohnergruppe unter Anleitung zu Teemischungen verarbeitet, verpackt und in Umlauf gebracht. Nach und nach kamen andere Aktionen hinzu, wurden die ersten Lämmer des Jahres, welche von der Schafherde stammen, die um die Gebäude herum die Weiden pflegt, auch sozusagen persönlich im Haus vorgestellt. Es wurde gefilzt oder je nach Jahreszeit mit Blumen und anderen Naturmaterialien gearbeitet.
Was bedeutet ein Therapiegarten aus anthroposophischer Sicht?
Unterdessen sind die Staudenpflanzungen näher an das Haus gerückt. Am beliebten Brunnen im Hof wurde eine große Baumgruppe entfernt, um Platz zu schaffen für bepflanzte Mauerterrassen aus Trockenmauern mit organischer Linienführung. Filigrane, schilfartige Gräser, aus denen bunte Blüten herausschauen, beleben jetzt den Ort. So kann man sich, ohne dass man sich allzu weit vom Haus entfernen muss, doch mitten im Garten fühlen. Der Johanneshausgarten ist sehr lebendig. Bäume haben Räume entstehen lassen, haben sich Räume erobert und so Veränderungen in Gang gesetzt. Sie verändern auch weiterhin durch ihr fortgesetztes Wachstum, besonders nach den ersten Jahrzehnten, tief greifend die Lebensbedingungen für alle kleineren Gewächse. Wo früher sonnenhungrige Lavendel und Sommerblümchen mit viel Liebe und noch mehr Fleiß gepflegt wurden, sind heute Schattengärten mit entsprechend dem Standort angepassten Pflanzen, entstanden. Doch das geschieht nicht von heute auf morgen. Es sind andauernde Prozesse, die begleitet und mitgestaltet werden müssen. Die Johanneshaus-BewohnerInnen können diese und andere Tätigkeiten im Garten jeden Tag das ganze Jahr hindurch „live“ mitverfolgen. Die Gärtner arbeiten mit der Natur, mit den Jahreszeiten - Pflanzen werden im Frühjahr ausgesät, Blumen im Sommer geerntet, die Heuernte für das Winterfutter der Schafe findet in der Johannizeit statt, die Obstbäume werden im Winter geschnitten und vieles mehr. Auch das ist Teil einer Gartenanlage: der Mensch, der diese pflegt. Das neu entstandene Pflegehaus sollte nicht nur mit einem neuen Raumkonzept speziell für demenziell erkrankte Menschen ausgestattet werden. Jeder Bereich bekam dort seinen eigenen Garten. Die Gärtnerei hatte viel zu tun, da wir die Gärten von der Pike auf gebaut haben. Das war nicht nur wegen der Kostenersparnis sehr wichtig, sondern auch, weil dadurch sichergestellt werden konnte, dass die gleiche Qualität, die wir in unserem Gartenpark pflegen, auch dort Einzug halten wird. Sehr viel Augenmerk ist hier auf die Pflanzungen gelegt worden, die so konzipiert sind, dass sie nach einer Entwicklungspflege mit relativ geringem Einsatz weitergepflegt werden können. Gute Anlagen können zugrunde gehen, weil die Bedingungen einer zukünftigen Erhaltungspflege der Anlage bei der Erstellung derselben nicht berücksichtigt wurden. Gut ausgewählte Pflanzen, die mit den Standortbedingungen konform sind, können sich etablieren, wandern, sich ausdehnen, zeigen, dass sie sich wohlfühlen, dass der Ort stimmig ist, dass sie hier richtig sind. Es entsteht eine Stimmigkeit, die sich auch dem Menschen mitteilt, der sich dort aufhält. Inge Jens, Frau des im Alter demenziell erkrankten Walter Jens, berichtet von ihrem Mann, dass, wenn er Zeit auf einem Hof verbrachte sie den Eindruck gewann, obwohl er sich sprachlich nicht mehr mitzuteilen verstand: „ihr Mann fühle sich, umgeben von Tieren und der Natur, wohl. Seine im Alltag gezeigten krankheitsbedingten Aggressionen verwandelten sich dabei in Zufriedenheit und Wohlbefinden, obgleich er in seinem bisherigen Leben nichts für solche Dinge übrighatte.“
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Der Wunsch nach gemeinschaftlich durchgeführten gärtnerischen Beschäftigungsformen kam auf, so wie diese auch im Johanneshaus stattgefunden haben. Allein schon durch die jeder Station zugeordneten Gärten bieten sich hier zum Glück viele Möglichkeiten für gartennahe Aktivitäten, die es nun zu ergreifen gilt. So wie die Garten- und Parkanlagen am Eichhof durch ihre Größe, die raumbildenden Bäume und Gehölze, die vielfältigen, natürlich wirkenden Staudenflächen, zu jeder Jahreszeit dem Betrachter Anregung und ein vertieftes Empfinden der jahreszeitlichen Verhältnisse nahebringen, so ist auch der Wunsch da, dass dieses bis in die Pflegestationen ausstrahlen soll. Der Garten ist nicht nur ein schönes Stück zum Ansehen, er bietet immer schon auch Bezüge zum Leben. Sich verwurzeln kann man nur im Garten. Man erlebt anschaulich an den Jahreszeiten ein Wachsen, ein Blühen, ein Reifen und auch ein Vergehen. Alles zusammen ergibt erst einen Sinn, der ohne diese Wechsel nicht zu haben wäre. Ist es im Sommerhalbjahr ein Blühen und Wachsen, so kehrt im Winterhalbjahr Ruhe in den Garten ein. In unseren Anlagen aber bleiben Staudenstängel und Gräserhorste stehen. Es sind Spuren eines sich in der Form erschöpfenden Lebens, welches sich nun zurückgezogen hat und schon bald wieder nach oben drängt. Vieles von dem, was über den Winter bei uns, für das Auge, als Strukturgeber, für die Tiere als Futter und Rückzugsorte, stehen gelassen wird, wird im Frühjahr teilweise vor Ort mit den Mähgeräten zerhäckselt und als Mulch auf den Beeten ausgebreitet liegen gelassen. Das Pflanzenmaterial dient anfänglich zur Abdeckung des Bodens, zum Schutz des dort innenwohnenden wertvollen Bodenlebens, um dann nach einer Weile selber wieder in den Kreislauf, den Organismus Garten, eingehen zu können. In früheren Jahren wollte man diese Seite nicht im Garten sehen. Ein Garten war immer ordentlich, sollte schön und schön gepflegt sein. Im Herbst musste alles weg. Abfall? – Bestenfalls Kompost – Aber Natur und auch Natürlichkeit sind uns so fern geworden, dass auch dies als Symbol für Leben gelten muss. Ein Kreislauf eben ist das Leben und Sterben im Garten und beides gehört zusammen. Und der Garten ist hier ein anschauliches Gleichnis. Für den Gartenfreund im Johanneshaus gilt aber auch der weise Satz, den man den alten Persern, die umgeben von unwirtlichen Flächen geschützte Gärten pflegten, zuschreibt: „Man muss nicht erst sterben, um ins Paradies zu gelangen, solange man einen Garten hat.“
Planung von Modulen zur Gartentherapie im Johanneshaus Manfred Hanf Manfred Hanf ist Gärtner, Landespfleger und Umweltwissenschaftler. Er hat 2016 den Zertifikatslehrgang Gartentherapie an der Uni Rostock absolviert und ist als selbstständiger Garten- und Landschaftsplaner tätig.
a) eine Außenterrasse in einem Wohnbereich Johanneshaus, b) zwei Innenhöfe im Ernst-Zimmer-Haus (Demenzbereich), c) ein Außenbereich im Ernst-Zimmer-Haus (Demenzbereich), d) eine Fläche im Randbereich der Feuerwehrzufahrt, e) ein Aufenthaltsraum in einem Wohnbereich. Von der Leitung und vom Pflegepersonal wurde der Wunsch nach Änderung und Optimierung der Bereiche angesprochen. Als Mängel wurden unter anderem eine geringe Attraktivität für die BewohnerInnen oder eingeschränktes Nutzungspotenzial für die Aktivierung der BewohnerInnen genannt. Die einzelnen Bereiche befinden sich in unterschiedlichen Gebäuden. Sie stehen unterschiedlichen Bewohnergruppen zur Verfügung und sind unterschiedlich groß. Die gemeinsamen Zielsetzungen für alle aufgeführten Bereiche sind: • Mobilisierung und Aktivierung der BewohnerInnen durch den Kontakt und die Beschäftigung mit Pflanzen, • Ausnutzung positiver Effekte von Pflanzen auf die BewohnerInnen, • Verbesserung der Attraktivität der Einzelbereiche für die BewohnerInnen , • Verbesserung des Nutzungspotenzials der einzelnen Flächen, • Anpassung der Flächen an die speziellen Bedürfnisse der BewohnerInnen, • ein Angebot gartentherapeutischer Maßnahmen mit dem Ziel, die Aktivität, die Kommunikation und die Beschäftigung der BewohnerInnen mit ihrer Biografie anzuregen, • Schaffung zusätzlicher Angebote für die BewohnerInnen.
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Für das Johanneshaus werden Veränderungen in der Ausgestaltung der Freianlagen und eines Aufenthaltsraums angestrebt. Die betroffenen Bereiche sind zunächst:
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Allgemeine Anforderungen an die Bepflanzung und die Gestaltung
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Die Gestaltung der Einzelflächen orientiert sich an den Bedürfnissen alter Menschen, die spezielle Anforderungen an ihre Umgebung stellen. Da viele der BewohnerInnen mit Einschränkungen leben, müssen alle Bereiche erreichbar und barrierefrei gestaltet sein. Diese Anforderungen werden durch die baulichen Gegebenheiten der Anlage erfüllt. Um eine Nutzbarkeit auch bei extremer Wärme zu gewährleisten, sind auf den Terrassen Sonnenschirme angebracht. Ergänzende Elemente und Einrichtungsgegenstände, wie Pflanzkästen, Tische, Sonnenschirme usw., dürfen in ihrer Beschaffenheit und Anordnung die Bewegungsmöglichkeiten der BewohnerInnen nicht nennenswert einschränken. Die vorhandene Möblierung der Außenflächen mit Tischen und Stühlen bleibt erhalten. Sie dient dazu, dass sich die BewohnerInnen alleine oder in Gruppen zusammensetzen können, und ist wichtig für die Ausübung angeleiteter Tätigkeiten. Werden die Sitzmöglichkeiten von den BewohnerInnen angenommen, dienen sie auch der Förderung der Kommunikation. Ein wichtiges Ziel der Maßnahmen liegt in der Steigerung der Attraktivität der einzelnen Flächen. Dazu können die Verwendung auffälliger Pflanzen sowie die Erleichterung der Orientierung durch gleichmäßige Gestaltung und den Einsatz von markanten wiedererkennbaren Elementen beitragen. Eine erhöhte Akzeptanz stellt eine Grundbedingung für die eigenständige Frequentierung der Aufenthaltsbereiche durch die BewohnerInnen dar. Die Bepflanzung hat dabei sowohl die Aufgabe, nutzbar für Aktivitäten zu sein, als auch Erinnerungen anzure-
Planung von Modulen zur Gartentherapie im Johanneshaus
gen. Im Johanneshaus geschieht dies durch Verwendung bekannter Pflanzen und das Ansprechen der Sinne der BewohnerInnen. So können über die Verwendung von klassischer bunter Beet- und Balkonware angenehme Erinnerungen an das frühere eigene Wohnumfeld oder z. B. die Geranien im Urlaub in Bayern geweckt werden. Eine farbenfrohe Umgebung ist geeignet, die Stimmung zu heben. Der Einsatz von duftenden Pflanzen wirkt sowohl unbewusst als auch bewusst positiv auf die Psyche eines Menschen. Der Einsatz von Kräutern und anderen essbaren Pflanzen lädt die BewohnerInnen ein zu tasten, zu pflücken und zu probieren. Ein weiteres Auswahlkriterium der Bepflanzung ist ihre Eignung für gartentherapeutische Tätigkeiten. Sie richtet sich danach, ob sie sich für Tätigkeiten wie Bastelaktionen, Nahrungsmittelgewinnung oder das Würzen von Speisen oder als Schnittblume eignet. Pflanzen, welche besondere Emotionen bei den BewohnerInnen hervorrufen können, lassen sich auch sehr gut gartentherapeutisch einsetzen. Neben Anforderungen an die Bepflanzung, die sich aus der besonderen Umgebung der Heimsituation stellen, ist natürlich auch die Standortverträglichkeit entscheidend für die Pflanzenauswahl. Sie ist notwendig für ein optimales Pflanzenwachstum und somit auch für eine möglichst gesunde und stabile Bepflanzung. Vegetation, die nicht standortgerecht ist, wächst schlechter, ist empfindlicher gegen Schädlinge, hat einen erhöhten Pflegebedarf und stirbt im Extremfall ab. Giftige Pflanzen werden für die Auswahl nicht berücksichtigt, da nicht alle BewohnerInnen giftige bzw. unverträgliche von essbaren Pflanzen und Kräutern unterscheiden können. Auf Pflanzen mit Nesseln und Stacheln wird ebenfalls verzichtet, weil Verletzungen vermieden werden sollen. Viele Kräuter besitzen Inhaltsstoffe, die Allergien hervorrufen können. Auf diesen Aspekt wird bei der Auswahl der Pflanzen nur bedingt eingegangen, weil viele positive Eigenschaften direkt mit potenziellen Allergenen zusammenhängen. Beispiele: Duftende Pflanzen können Kontaktallergien auslösen, manche Menschen reagieren allergisch auf Erdbeeren.
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Konkrete Planung und Pflanzenauswahl Die oben genannten Punkte bilden den Rahmen für die Gestaltung und Auswahl der Elemente und Pflanzen. Anhand der einzelnen Flächen werden die Gestaltungsidee und die konkrete Pflanzenauswahl erläutert. Außerdem werden Vorschläge für mögliche Aktivierungsmaßnahmen und die Anregung der Sinne von BewohnerInnen mit Unterstützung der Gärten gemacht. Die Freifläche „Hölderlin“ im Ernst-Zimmer-Haus wird strukturell nicht verändert, dort soll alleine durch Bepflanzung eines Teilbereichs die Attraktivität für die BewohnerInnen gesteigert werden. Für den Aufenthaltsraum in Station 3 werden lediglich Empfehlungen zur Bepflanzung der Gefäße abgegeben. Der Charakter eines Gartens wird
mitbestimmt durch die verwendeten Materialien, durch die Dimensionierung der ausgewählten Elemente und durch ihre Positionierung.
Außenterrasse in einem Wohnbereich
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Situation: Im Johanneshaus befindet sich eine nach Nordwesten ausgerichtete 125 m² große Dachterrasse. Die BewohnerInnen der Station sind nicht demenziell erkrankt und sie sind zum Teil mobil. Sie sind nach Aussage von PflegerInnen in der Lage, auf Ansprache oder selbstständig, auf die Terrasse zu gelangen und dort Tätigkeiten an und mit der Bepflanzung durchzuführen. Als Beispiele wurden genannt: die Geranien gießen, Blüten auspflücken etc. Im Sommer eignet sich die Terrasse auch, um sich zu treffen oder sich mit BesucherInnen zurückzuziehen. So sind Tische und Sitzgelegenheiten vorhanden und der Zugang auf die Terrasse ist behindertengerecht. Die Umgestaltung der Terrasse verfolgt das Ziel, ihre Attraktivität für die BewohnerInnen zu verbessern. Sie sollen animiert werden, die Terrasse häufiger als bisher selbstständig aufzusuchen und sich dort aufzuhalten. Außerdem sollen Tätigkeiten zur Aktivierung und gartentherapeutische Maßnahmen auf der Terrasse vereinfacht werden. Lösung: Bei der Begehung wurde beschlossen, die Anzahl der Pflanzgefäße deutlich zu erhöhen. Um ein ruhiges und harmonisches Bild zu erzeugen, werden die vorhandenen Gefäße entfernt und die gesamte Fläche mit neuen Pflanzbehältern bestückt. Die Gefäße werden am Rand der Brüstung und an Wänden entlang positioniert. Dabei wird darauf geachtet, dass die freien Flächen mit 3 m Plan der Terrasse mit Pflanzgefäßen nach den Breite ausreichend dimenUmgestaltungsmaßnahmen
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Rosmarin bleibt im Winter grün und blüht im zeitigen Frühjahr, Winterjasmin, blüht im späten Winter, Currystrauch, bleibt im Winter grün, Winter-Bohnenkraut, bleibt im Winter grün.
Die Bepflanzung soll auch geeignet sein, um als Medium für gartentherapeutische und aktivierende Maßnahmen zu dienen. Die dauerhaften Pflanzen werden so gewählt, dass sie für verschiedene Tätigkeiten geeignet sind. Daneben werden einige Behälter (4 St.) für eine jährlich wechselnde Bepflanzung vorgesehen. Eine wechselnde Bepflanzung ermöglicht den Einsatz von einjährigen Pflanzen sowie Tätigkeiten wie Einsäen, Pikieren, Pflanzen und Ernten. Darüber hinaus werden die BewohnerInnen angeregt, sich aktiv an der Bepflanzung und der Pflanzenauswahl zu beteiligen. Geeignet für eine jährliche Wechselbepflanzung sind Salatpflanzen, Tomaten, Radieschen und viele Gemüsesorten oder einjährige Kräuter, wie z. B. Basilikum. Mithilfe der Pflanzen sollen bei den BewohnerInnen über die Ansprache an die Sinne Emotionen und Erinnerungen geweckt werden. Der für die Menschen bedeutendste Sinn ist die optische Wahrnehmung. Bunte Farben werden auch von Senioren noch deutlich wahrgenommen. Daher werden in zusätzlichen Pflanzkästen Sommerblumen, wie Geranien, Petunien oder Fuchsien gepflanzt. Blumenschmuck auf der Fensterbank, dem Balkon oder in Gärten hat eine lange Tradition und spricht auch Menschen an, die
Planung von Modulen zur Gartentherapie im Johanneshaus
sioniert bleiben, um den BewohnerInnen die Bewegung mit Gehhilfen und Rollstühlen zu ermöglichen und gleichzeitig Raum für Tische und Sitzgelegenheiten zu erhalten. Die vorhandenen Sitzelemente und Tische sind so dimensioniert, dass sie in ihrer Größe variabel zu stellen sind und sowohl für einzelne Personen als auch für größere Gruppen geeignet sind. Die Höhe der Pflanzgefäße mit jeweils 52 cm ermöglicht den BewohnerInnen, die Pflanzen auch vom Rollstuhl aus zu berühren, zu pflücken und zu riechen und zu schmecken. Ergänzend dazu sollen 2 Rankgitter mit 1,5 m x 2 m angebracht werden, um 2 Wände zu begrünen. Eine begrünte Wand ist optisch attraktiv und wirkt sich positiv auf das Mikroklima auf der Terrasse aus. Der südöstliche Bereich der Terrasse wird nicht mit Gefäßen bestückt. Der hofartige Bereich bietet durch die teilweise Umbauung zeitweise Beschattung und die Fläche ist kein Durchgangsbereich. Daher eignet sie sich für Aktivitäten wie zum Beispiel Gymnastik oder für andere Betätigungen in einer größeren Gruppe. Die Bepflanzung soll für das gesamte Jahr etwas anbieten. Das bedeutet, dass neben reinen Sommerblühern auch Pflanzen gewählt werden, die im Winter grün bleiben oder die über Blütezeit oder Fruchtstand im Herbst und Winter einen besonderen optischen Reiz anbieten. Beispiele:
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Vorgeschlagene Pflanzen für die Terrasse im Johanneshaus
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Sensorik
Name
F a r b e
D G u e f s t c h m a c k
Gärtnern Küche T a s t e n
S ä e n P f l a n z e n
E r n t e n
P f l e g e n
T r o c k n e n
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Sonstiges G H B K e e e i l v s r e e t t b n t l. e s e t c t n e W k - w r i e e p n W i f t i d l e n e a r t n s e z c r e h s u c t h z m u c k
Bartnelke
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Basilikum
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Die Pflanzen auf der Dachterrasse stehen in Gefäßen. Sie haben dort mit eingeschränktem Wurzelraum und mit einer nicht optimalen Wasserversorgung zurechtzukommen. Die ausgewählten Pflanzen müssen diese Standortbedingungen tolerieren. Auf der Terrasse herrscht trotz der Ausrichtung nach Nordost eine starke direkte Sonneneinstrahlung, da sie sich im obersten Stockwerk befindet. Die Begrünung der Wandbereiche erfolgt mit Weinrebe und mit Winterjasmin. Beide Pflanzen erhalten Kletterhilfen aus Holz. In der folgenden Tabelle werden die vorgeschlagenen Pflanzen mit ihren Besonderheiten und ihrer Eignung für die Gartentherapie aufgeführt. Materialkosten: Kosten für die Umsetzung und Pflege sind in jeder Einrichtung sehr unterschiedlich. Diese können entweder in den laufenden Kosten und der Pflege von weiteren Grünanlagen verbucht werden oder müssen separat budgetiert werden.
Planung von Modulen zur Gartentherapie im Johanneshaus
in ihrem Leben keine eigenen Gärten besessen haben. Darüber hinaus werden klassische Beet- und Balkonpflanzen seit vielen Jahren regelmäßig in öffentlichen Flächen und als Grabbepflanzung eingesetzt. Die meisten älteren Menschen haben daher eine Beziehung zu Blumen, viele von ihnen erkennen die Pflanzen und verbinden Emotionen und Erinnerungen mit ihnen. Eine ebenso starke Wirkung auf die Psyche des Menschen hat der Geruch von Pflanzen. Er wirkt sowohl auf das Bewusstsein als auch auf Unbewusstes und kann Erinnerungen hervorrufen und wirkt auf menschliche Emotionen. Viele Gerüche von Gewürzen und Kräutern sind uns aus der Küche vertraut und werden in erster Linie mit Essen assoziiert. Rosenduft, Lavendel und viele anderen mehr findet man in der Parfumherstellung. Dem Lavendel wird zum Beispiel nachgesagt, dass er in erster Linie harmonisierend wirkt. Als Pflanzen, die gezielt den Geruchsinn ansprechen sollen, sind u. a. vorgesehen: Rosmarin, Lavendel, Jasmin, Schnittlauch oder Wilder Majoran.
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Innenhöfe Ernst-Zimmer-Haus (Demenzbereich) Situation: In den Innenhöfen des Ernst-Zimmer-Hauses sind die unbefestigten Flächen um das mittige Pflaster mit hellem Zierschotter befüllt. Das Material ist nach innen zu den Platten hin feiner und außen an den Fenstern grob. Auf dem feineren Material können Gefäße für eine temporäre Bepflanzung oder auch fahrbare Hochbeete standsicher positioniert werden. Einige der demenziell erkrankten BewohnerInnen versuchen über den feineren Schotter zu gehen, um die Fläche zu erkunden oder ihren Bewegungsdrang zu befriedigen. Laut Auskunft der Wohngruppenleitung gehen einige BewohnerInnen aus freien Stücken hi-
naus und gehen auch über den feineren Schotter, der wie ein Weg zwischen dem Pflaster und den Fenstern verläuft. Durch die Wahl eines neuen einheitlichen Belags soll den BewohnerInnen ermöglicht werden, sich sicher auf der gesamten nicht bepflanzten Fläche zu bewegen. Gleichzeitig soll die Gefährdung, sich bei Stürzen auf dem groben Schotter zu verletzen, gemindert werden. Es wurde der Wunsch geäußert, die bisherigen Kiesflächen durch eine ergänzende Bepflanzung attraktiver zu gestalten und in Verbindung mit der Verbesserung des Gehkomforts einen für die BewohnerInnen erschließbaren Rundweg in den Innenhöfen zu entwickeln.
Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
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Lösung: Während der Begehung wurden verschiedene alternative Bodenbeläge diskutiert. Es wurde vorgeschlagen, die Bereiche, die von den BewohnerInnen betreten werden können, mit Sand, Rindenmulch, Rasen oder feinerem Kies zu gestalten. Die potenziellen Beläge wurden miteinander verglichen, ihr jeweiliger Pflegeaufwand geprüft und für alle Varianten wurde eine Kostenschätzung durchgeführt. Die Variante, die Kiesflächen durch Rasen zu ersetzen, erfüllt die technischen und gestalterischen Anforderungen am besten, ist jedoch teuer in der Herstellung und aufwendig zu pflegen. Die Innenhöfe werden in den Plänen als Innenhof 1 und als Innenhof 2 bezeichnet. Innenhof 1 liegt im östlichen Bereich des Gebäudes, nicht weit vom Haupteingang entfernt, und Innenhof 2 befindet sich im westlichen Gebäudeteil.
Übersichtsplan der Innenhöfe im Ernst-Zimmer-Haus
Innenhof 2 vor den Umgestaltungsmaßnahmen
Die demenziell veränderten BewohnerInnen des Ernst-Zimmer-Hauses sollen motiviert werden, die Innenhöfe aus eigenem Antrieb heraus aufzusuchen. Die Bepflanzung kann so gestaltet werden, dass die Neugier der BewohnerInnen geweckt wird und sie sich in den Garten begeben, um ihre Neugier und ihren Bewegungsdrang zu stillen. Es ist zu erwarten, dass gezielte Tätigkeiten mit und in dem Garten unter Anleitung und Aufsicht der BetreuerInnen erfolgen.
Planung von Modulen zur Gartentherapie im Johanneshaus
Der zukünftige Belag der bislang geschotterten Flächen wird aus einem einheitlichen Material geplant, welches nur durch bepflanzte Beete unterbrochen wird. Wird mehr als ein Material verwendet, werden die Einzelflächen sehr klein und das Gesamtbild wird sehr unruhig. Gerade demenziell erkrankte Menschen werden durch eine unruhige und kleinteilige Umgebung schnell überfordert und fühlen sich dann verunsichert. Im Innenhof 2 werden ca. 2,5 m2 Bepflanzung entfernt. Die zusätzliche Freifläche soll genutzt werden für eine gezielte Betätigung mit den BewohnerInnen und als Fläche, auf der zusätzlich Tische, Stühle oder Liegestühle aufgestellt werden können. Die Bepflanzung wird durch zusätzliche solitär gepflanzte Einzelgehölze ergänzt. Den BewohnerInnen ist es mö̈glich, sich der Bepflanzung von verschiedenen Seiten zu nähern und ihre Umgebung aus verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen. Da die Innenhöfe beschattet werden können, sind sie als Aufenthaltsbereich im Sommer gut geeignet.
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Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
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Raum für gartentherapeutische Maßnahmen soll daher durch Pflanzgefäße geboten werden, die temporär bepflanzt und gestaltet werden. Die dauerhafte Bepflanzung kann als zusätzliche Quelle für aktivierende Maßnahmen genutzt werden, wie zum Beispiel die Verwendung von Blüten als Material für Sträuße, Gestecke und anderes. In erster Linie wird in den Innenhöfen die optische Wahrnehmung der BewohnerInnen angesprochen. Es wird angestrebt, dass markante optische Reize die BewohnerInnen ins Freie „locken“. Ergänzend zu der Grundbepflanzung sind zwei solitär gepflanzte Sträucher vorgesehen. Da der Raum eng begrenzt ist, dürfen sie nicht zu groß werden und sie sollen spezielle markante Eigenschaften aufweisen, die das Interesse der BewohnerInnen anregen. Vorgeschlagen werden: Winterblüte und Sternmagnolie. In den Innenhöfen des Ernst-Zimmer-Hauses stehen die Pflanzen im Boden. Pflanzen in Gefäßen bilden die Ausnahme und sollen die Grundbepflanzung nur ergänzen. Die Hofsituation ermöglicht einerseits Regeneintrag und schützt die Bepflanzung andererseits gegen extreme Kälte und Hitze.
Außenbereich im Ernst-Zimmer-Haus (Demenzbereich) Situation: Bei der Begehung wurde festgestellt, dass die BewohnerInnen die Terrasse kaum nutzten, denn sie ist im Frühjahr und im frühen Sommer für die BewohnerInnen nicht als Attraktion erkennbar. Wenn man vor der Terassentür steht und hinausblickt, ist nur eine kleine Ecke des Gartens zu sehen. Der sichtbare Bereich blüht nach Aussage der PflegerInnen erst im späten Sommer und bietet für die BewohnerInnen auf den ersten Blick wenig Auffälliges. PflegerInnen und BetreuerInnen wünschen sich, dass die Aufmerksamkeit der BewohnerInnen stärker auf die Außenfläche gerichtet wird und diese sie dazu animiert, den Garten stärker als bisher aus eigenem Antrieb heraus zu frequentieren. Lösung: Die mangelnde Attraktivität des Gartens für die BewohnerInnen rührt nach Einschätzung des Personals daher, dass er sich nicht auf den ersten Blick von innen heraus erschließt. Es fehlt eine auffällige Erscheinung, die die Aufmerksamkeit der BewohnerInnen auf sich zieht. Sie erblicken nur einen Teil des Gartens, wo erst im späteren Verlauf des Sommers erste Blüten vorhanden sind. Pflanzkästen mit bunten Frühlings- und Sommerblumen sollen die Blicke der BewohnerInnen auf sich ziehen und sie neugierig machen. Wird die Bepflanzung akzeptiert, erwartet das Personal, dass die BewohnerInnen häufiger aus eigenem Antrieb hinaus in den Garten gehen. Für die Bepflanzung eignen sich unter anderem Blaukissen, Rosmarin und Stiefmütterchen im März und April sowie weiße oder blaue Gänseblümchen, Geranien, Fuchsien oder Studentenblumen ab Mitte Mai. Blaukissen und Rosmarin sind ausdauernde Pflanzen, die auch über den Winter in den Gefäßen verbleiben können.
Alle vorgeschlagenen Pflanzen blühen auffällig und sind vielen Menschen bekannt. Die auffällige Färbung ist auch für SeniorInnen mit eingeschränkter Sinneswahrnehmung gut erkennbar. Sie werden als Schmuck der Wohnung oder des Gartens eingesetzt. Im besten Fall werden durch den Einsatz farbenfroher Pflanzen angenehme Gefühle geweckt und Erinnerungen an Gegebenheiten im Leben der BewohnerInnen angeregt.
Fläche im Randbereich der Feuerwehrzufahrt Situation: Die BewohnerInnen im Johanneshaus haben in ihren Wohnbereichen z. T. keine Möglichkeit, in Außenbereiche zu gelangen. Aus diesem Grund soll der Bereich direkt am Eingang, welcher an den Park reicht, auch zu Aktivitäten anregen. Fast die gesamte befestigte Fläche ist entweder Feuerwehrzufahrt oder Aufstellfläche für die Feuerwehr und muss von Hindernissen freigehalten werden. Lösung: Um den BewohnerInnen die Betätigung im Garten näherzubringen, wurde überlegt, im Eingangsbereich ein mobiles Hochbeet aufzustellen. Somit kann die Feuerwehrzufahrt schnell geräumt werden und das Hochbeet an anderer Stelle auch für gartentherapeutische Aktivitäten genutzt werden. Dieser Bereich erscheint günstig, weil er von allen BewohnerInnen und von BesucherInnen betreten wird und barrierefrei erreichbar ist. Das Hochbeet stellt ein neues Angebot für die BewohnerInnen dar. Im Haupteingangs-
Planung von Modulen zur Gartentherapie im Johanneshaus
Abbildung 2.6: Außenbereich im Ernst-Zimmer-Haus vor den Umgestaltungsmaßnahmen
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bereich liegt das Hochbeet zentral. Unter anderem weil durch die exponierte Position das Heim repräsentiert wird, fiel die Wahl auf ein hochwertiges Beet. Mit einer Größe von 2,43 m x 0,98 m kann es auch vom Rollstuhl aus gepflegt werden. Das Hochbeet stellt ein neues Angebot dar, welches von den BewohnerInnen neu zu entdecken ist. An dem Hochbeet sollen gärtnerische Aktivitäten ermöglicht werden und gleichzeitig soll es Anreize bieten, so dass die BewohnerInnen es von sich aus aufsuchen. Den Grundstock der Bepflanzung bilden dauerhafte Kräuter wie Thymian oder Schnittlauch, die etwa ein Viertel des Bestands bilden. Sie werden von den BewohnerInnen erkannt, sie duften stark und haben neben ihrer bekannten Verwendung in der Küche eine hohe Zierwirkung. Die vorgeschlagenen Kräuter behalten ihr Grün auch im Winter und stellen eine punktuelle Auflockerung dar. So wird ermöglicht, dass über das ganze Jahr dort gärtnerische Tätigkeiten, wie aussähen, pflanzen, pflegen und ernten, möglich sind.
Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
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Aufenthaltsraum in einem Wohnbereich Situation und Lösung: Der Raum wurde neu gestrichen und neu möbliert. Bei der Begehung wurde der Wunsch nach weiteren Pflanzkästen für den Raum geäußert. Im Raum befand sich ein mobiles Hochbeet und die PflegerInnen beantragten für dieses Hochbeet 6 weitere Einsatzbehälter, um variabler und vielseitiger mit den BewohnerInnen arbeiten zu können. Außerdem soll ein klappbarer Tisch auf Rollen angeschafft werden, der als Arbeitsfläche nutzbar ist und der bei alternativer Nutzung des Raumes platzsparend abgestellt werden kann. Die Bepflanzung der Austauschgefäße für das mobile Hochbeet sollte der Fantasie der BetreuerInnen und BewohnerInnen überlassen werden. Da mit den BewohnerInnen zusammen an den Pflanzen und mit den Pflanzen gearbeitet werden soll, ergeben sich die jeweiligen Bepflanzungsideen aus den Situationen und der Konstellation von Personen. Wenn das Material früh im Jahr bestellt werden muss bzw. wenn Geldmittel für Material beantragt werden müssen, kann sicherlich mit mindestens 3 Bepflanzungen pro Gefäß und Jahr gerechnet werden.
Garten und Gartentherapie aus Sicht der BewohnerInnen Hildegard Kittel und Erika Kniss
Der unmittelbare Zugang zu den Gärten und dem Park gehört aus Sicht der meisten BewohnerInnen zu den besonderen Vorzügen, die das Johanneshaus auszeichnen. Dabei zeigt sich, dass dies sowohl für BewohnerInnen gilt, die vor ihrem Einzug im Johanneshaus einen eigenen Garten hatten, als auch für jene, bei denen dies nicht der Fall war. Wichtig ist dabei nicht nur die Möglichkeit, im Park spazieren zu gehen und die vielfältige Pflanzenwelt in den Gärten zu genießen. Vielmehr wird auch die Chance, sich in Abhängigkeit von der eigenen körperlichen Leistungsfähigkeit an Gartenarbeiten zu beteiligen, von vielen BewohnerInnen sehr geschätzt. Dass die Voraussetzungen hierfür von der Leitung des Hauses, vom Pflegepersonal und von der Gärtnerei geschaffen wurden, wird als sehr wohltuend empfunden. Dabei sollte auch nicht übersehen werden, dass das Johanneshaus auf anthroposophischen Grundlagen beruht, weshalb ein Leben in Einklang mit der Natur und ein enger Kontakt mit ihr zu den wesentlichen Aspekten zählt, die das Altenwohnheim und die Pflegeeinrichtungen prägen. Nach Aussagen vieler BewohnerInnen verbringen sie so viel Zeit wie möglich in den Außenanlagen, in Gärten und Park. Sie sind lebendig, stiften gleichzeitig aber Ruhe und Frieden. Hervorzuheben ist, dass sich die Pflanzen im Garten frei entfalten und entwickeln können, darin aber von den Gärtnern und allen, die im Garten arbeiten, geleitet werden. Der Grundgedanke lautet: lenken, aber nicht wie wild drauflosgärtnern. Hier können auch Pflanzen wachsen, die dies an anderen Stellen nicht dürften. Viele BewohnerInnen genießen es, den Wandel des Gartens im Laufe der Jahreszeiten zu beobachten. Zu sehen, welche Pflanzen wann blühen, welche Tiere sich bei ihnen aufhalten und welche Früchte sie tragen. Wer sensibel für die Geschehnisse in der Natur ist und gleichzeitig über ausreichendes Wissen zu den einzelnen Arten, deren Eigenschaften und Zusammenwirken verfügt, wird in den Außenanlagen immer etwas Neues und Interessantes entdecken.
Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
Hildegard Kittel ist ausgebildete Geigerin und hatte bis zu ihrem Einzug in das Johanneshaus im Jahr 2015 einen großen Nutzgarten. Musik und Garten bezeichnet sie als ihr Lebenselixier. Erika Kniss hatte früher keinen eigenen Garten, entschied sich aber für das Johanneshaus genau wegen dessen Gärten und der Möglichkeit, dort gärtnerische Tätigkeiten zu übernehmen.
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Die Lage des Johanneshauses inmitten einer hügeligen Landschaft, die den Blick auf Wälder und Wiesen freigibt, ist zweifellos einer der Faktoren, die die Attraktivität des Hauses nachdrücklich bestimmen. Doch ohne die Gärten und den Park würde das tatsächliche Potenzial, das in der Lage des Johanneshauses sowie dem Gelände, auf dem es errichtet wurde, steckt, brachliegen. Umso wohltuender werden gerade die Außenanlagen von den BewohnerInnen empfunden und nicht wenige halten sich unabhängig von den Jahreszeiten tagtäglich dort auf, gehen spazieren oder sitzen über Stunden auf einer Bank, um Sonnenschein und blauen Himmel zu genießen. Bei schönem Wetter finden sich auch viele BewohnerInnen im Park ein, die nicht mehr aus eigener Kraft dorthin kommen können. Sie werden entweder von Pflegekräften dorthin geführt, damit sie die Natur auf einer der zahlreichen Sitzbänke genießen können, oder werden mit Rollstühlen gefahren. Dies ist eine gute Gelegenheit für viele BewohnerInnen, neue Kontakte mit anderen zu knüpfen beziehungsweise bekannte Menschen wieder zu treffen. Dabei ist eines zu bedenken: Je mehr die Gebrechen einen Menschen in seinem Bewegungsspielraum einschränken, umso größer ist seine Sehnsucht nach Freiräumen, nach frischer Luft, nach Grün und Natur. Die Gärten und der Park des Johanneshauses verschaffen in dieser Hinsicht den BewohnerInnen etwas, dessen Bedeutung für den Einzelnen nur schwer zu ermessen ist. Für viele BewohnerInnen des Johanneshauses, aber auch für nicht wenige Beschäftigte, ist deshalb der Spaziergang im Park und das Verweilen in den Gärten ein fester Bestandteil in ihrem Tagesablauf. Denn trotz allen technischen Fortschritts ist der Mensch Teil der Natur, weshalb man einen engen Bezug zu ihr haben sollte. Dies gilt es gerade im Hinblick auf die anthroposophischen Grundlagen des Johanneshauses zu beachten: Gärten und Park wurden vor diesem Hintergrund gestaltet und sollen die Voraussetzungen dafür bieten, dass BewohnerInnen und Beschäftigte die Möglichkeit haben, die das Haus umgebende Natur entsprechend ihrer eigenen Bedürfnisse und Interessen genießen zu können. Viele BewohnerInnen genießen nicht nur die Pflanzenwelt in Park und Gärten, sondern erfreuen sich auch an den zahlreichen Tieren, die dort eine Heimat gefunden haben. Hierzu gehören unzählige Insekten, Vögel und Reptilien. Gelegentlich besucht aber auch der eine oder andere Fuchs die Außenanlagen des Johanneshauses. Immer wieder ist zu hören, dass sich die beiden Teiche und der dazwischen angelegte Bach bei BewohnerInnen und BesucherInnen besonderer Beliebtheit erfreuen. Vielfach wird davon berichtet, wie anregend es ist, dem Plätschern des Wasserlaufs zuzuhören und zu beobachten, wie sich die Sonnenstrahlen im Wasser widerspiegeln. Durch die Anlage des Baches ist zweifellos etwas gelungen, was über lange Zeit Bestand haben wird und unzähligen Menschen tief empfundene Freude und Ruhe schenkt. Für viele BewohnerInnen ist der Garten nicht nur ein beliebter Treffpunkt, in dem man in den Sommermonaten viele Stunden verbringt. Vielmehr schafft er auch Anregun-
Garten und Gartentherapie aus Sicht der BewohnerInnen
gen für Gespräche und animiert zum Nachdenken. Er gibt BewohnerInnen, BesucherInnen und MitarbeiterInnen, die sich während ihrer Pause im Grünen von ihrer anstrengenden und herausfordernden Tätigkeit erholen können, den dringend benötigten Raum. Manche BewohnerInnen sind bis ins Detail mit der Pflanzen- und Tierwelt der Gärten und des Parks vertraut. Sie wissen, wo welche besondere oder ungewöhnliche Pflanze wächst, wo sich welche Tiere wann aufhalten, und entdecken schnell neue Pflanzen- und Tierarten, die in den Außenanlagen auftauchen. Eine wichtige Rolle spielen die Schafe, die auf dem Gelände gehalten werden und die viele BewohnerInnen gerne beobachten. Zweifellos einen der Höhepunkte des Jahres stellt die Geburt der Lämmer dar, an deren Pflege und Aufzucht sich auch einige BewohnerInnen beteiligen. Stefan Kreuzer, der Leiter der Gärtnerei des Johanneshauses, bringt die Lämmer in verschiedene Pflegeabteilungen und auch das Ernst-Zimmer-Haus, wo demenziell Erkrankte betreut werden. Pflegebedürftige können bei dieser Gelegenheit die Lämmer streicheln, was bei vielen PatientInnen für leuchtende Augen sorgt. Insbesondere die PatientInnen mit Demenz reagieren auf die Lämmer mit großer Freude und es ist für jeden offenkundig, welch tief greifenden Eindruck die Berührung der Lämmer bei ihnen hinterlässt. Angesichts des großen Zuspruchs, dessen sich Gärten und Park erfreuen, verwundert es nicht, dass die von Stefan Kreuzer einmal im Monat angebotenen Gartenführungen auf besonderes Interesse stoßen. Er konzentriert sich dabei immer auf einen bestimmten Bereich der Gärten, in denen beispielsweise gerade eine besondere Art von Pflanzen blüht oder etwas anderes Beobachtenswertes passiert. Die bei dieser Gelegenheit präsentierten Details und Informationen über Pflanzen, Tiere und deren Zusammenleben stoßen auf rege Aufmerksamkeit und bieten gleichzeitig vielen BewohnerInnen noch für Tage Gesprächsstoff. Mancher erinnert sich bei dieser Gelegenheit auch an den eigenen Garten, an den viele BewohnerInnen gerne, wenngleich wehmütig zurückdenken. Einige der BewohnerInnen schneiden im Garten beziehungsweise im Park Blumen ab und binden sie zu Sträußen, die dann für die Gestaltung des Eingangsbereichs verwendet werden. Diese bunten Tupfer verleihen dem Zugang zum Johanneshaus Farbe, sie widerspiegeln den Lauf der Jahreszeiten und begrüßen all jene, die das Haus betreten. Das Schneiden von Blumen in Park und Garten sowie das Binden von Sträußen und die Anfertigung von Gestecken sind Tätigkeiten, die auch Bestandteil gartentherapeutischer Maßnahmen sind. Die betreffenden Tätigkeiten umfassen auch zahlreiche andere Arbeiten, wie das Säen von Samen, die Pflege der Pflanzen, deren Ernte und Weiterverwertung. Alle diese Angebote werden von vielen BewohnerInnen entsprechend ihren körperlichen oder geistigen Fähigkeiten in Anspruch genommen. Dabei berichten sowohl BewohnerInnen und PatientInnen als auch Pflegekräfte von der wohltuenden Wirkung dieser Tätigkeiten. Rüstigere Senioren können diese Angebote in Gärten und Park wahr-
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Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
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nehmen und sich dort an der Aussaat, Pflege und dem Ernten beteiligen. Weniger agile Menschen müssen sich auf gartentherapeutische Aktivitäten innerhalb der Gebäude beschränken. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich dabei die mobilen Pflanzbehälter, da sie weitgehend flexibel entsprechend der geplanten Bepflanzung und der räumlichen Gegebenheiten verwendet werden können. Neben fest installierten Pflanzbehältern, Schalen und Töpfen erlauben es gerade die mobilen Behältnisse, Natur und Pflanzen in Aufenthaltsräumen, Gängen und Zimmern in einer Weise unterzubringen, dass auch Menschen mit Rollstuhl oder Rollator an diesen arbeiten können. Dies verschafft allen gartentherapeutischen Tätigkeiten große Flexibilität und trägt dazu bei, dass die Früchte dieser Arbeit allen Menschen im Haus vor Augen sind. Gerade die so mögliche Arbeit mit Erde wird von TeilnehmerInnen und BetreuerInnen als anregend empfunden, sie wirkt ähnlich inspirierend und gleichzeitig beruhigend wie dies etwa für die Therapie mit Ton oder Modelliermasse gilt. Wie die praktische Erfahrung zeigt, beteiligen sich nicht nur viele BewohnerInnen an der Gartentherapie, sondern sie sind auch bereit, hierbei helfend und unterstützend denjenigen beizustehen, die durch körperliche Gebrechen stark eingeschränkt sind. Dies schafft neue Kontakte und fördert den Zusammenhalt unter den BewohnerInnen. Damit entlasten sie auch das ohnehin stark beanspruchte Pflegepersonal und schaffen so Freiräume für gartentherapeutische Angebote, die ohne das Zutun der BewohnerInnen beziehungsweise ihrer Angehörigen nicht gemacht werden könnten. Menschen für Gartentherapie zu begeistern und zur Übernahme von Verantwortung zu bringen ist deshalb aus Sicht vieler BewohnerInnen eine wichtige Aufgabe für das Pflegepersonal, das damit gleichzeitig die eigene Arbeitsbelastung senken kann. BewohnerInnen, die bei der Pflege der Gartenanlagen helfen, berichten davon, dass sie immer wieder von anderen Senioren angesprochen werden, die ihnen sagen, dass sie selbst auch gerne im Garten arbeiten würden, ihre körperlichen Gebrechen sie aber daran hindern. Besonders schmerzlich ist dies für all jene, die vor ihrem Umzug ins Johanneshaus selbst einen Garten hatten und denen nun dieser unmittelbare Kontakt zur Natur fehlt. Trotzdem lässt sich sagen, dass der Garten auf alle Menschen wirkt und nicht nur auf diejenigen, die sich an Gartenarbeiten beteiligen, beziehungsweise sich aufgrund ihrer körperlichen Verfassung hieran beteiligen können. Die Außenanlagen und die Natur um das Johanneshaus wirken aber auch auf die Menschen, die sich nicht mehr dorthin bewegen können. Viele Pflegebedürftige genießen nicht nur den Blick aus dem Fenster in das Grün der Umgebung, sondern auch die Nähe von Zimmerpflanzen, weil sie spüren, wie gut ihnen Natur tut, und weil sie wissen, dass wir Menschen Teil der Natur sind.
Aus der Anthroposophie – Die zwölf Sinne des Menschen und ihre Belebung durch die Natur in Pflegeheimen Laura Liska
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit einer älteren Dame im Garten. Die Vögel zwitschern in den Bäumen und Sie genießen die warme Sonne. Dann stellen Sie Kräuter in einem Töpfchen vor die Dame und geben ihr ein Glas Wasser. Sie gießt das Wasser in den Topf und gibt Ihnen das Glas zurück. Danach pflücken Sie ein Blatt ab, riechen daran und reichen es der Dame. Sie steckt es in ihren Mund – und zieht eine Grimasse, denn das Blatt duftet zwar verführerisch gut, schmeckt aber bitter. Sie lächeln. Die alte Dame blickt Ihnen in die Augen – und scheint sich an Sie zu erinnern. Dies ist ein besonderer Moment, denn die alte Dame ist demenziell erkrankt und Sie haben die Gartentherapie als Teil ihrer Betreuung eingesetzt. Würde es Sie interessieren zu erfahren, dass diese Frau zwölf verschiedene Sinne benutzte? Sicherlich sind Ihnen die fünf uns wohlbekannten Sinne aufgefallen: Berühren, Riechen, Schmecken, Sehen und Hören. Sieben weitere sind in der anthroposophischen Sinneslehre von Rudolf Steiner enthalten: Lebenssinn, Bewegungssinn, Gleichgewichtssinn, Wärmesinn, Sprachsinn, Gedankensinn und Ichsinn. Dieser Beitrag nutzt diese anthroposophische Perspektive, um ein Verständnis und eine Wertschätzung für die therapeutische Arbeit in der Natur mit den Sinnen zu bieten – und um auf alle zwölf Sinne in der kleinen Geschichte oben aufmerksam zu werden. Wir sollten damit beginnen, zu erklären, was hier mit „den Sinnen“ gemeint ist. Jede bewusste Teilnahme an der Welt um uns herum beginnt mit Sinneswahrnehmungen. Rudolf Steiner machte eine klare und nützliche Unterscheidung: Sinneswahrnehmungen enthalten nur Empfindungen – den Inhalt der Beobachtung ohne die Einbeziehung von Grund, Wertung und Erinnerung. Gedanken, Gefühle und Handlungen kommen hinzu, um ein vollständiges Abbild unserer Wirklichkeit zu schaffen. Wenn wir aber Empfindungen auf eine Folge der Stimulation von Nerven reduzieren, so ist das eine zu starke Vereinfachung. Im Gegensatz zu der Vorstel-
Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
Laura Liska: Naturalistin, Forscherin, Lehrerin und Fotografin. Seit 2012 freie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut am Goetheanum in Dornach. Sie hat sich auf die Anwendung anthroposophischer und goetheanischer wissenschaftlicher Ansätze zur Erforschung von Licht und Farbe in der Natur spezialisiert.
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lung, dass wir nur passive Körper sind in einer Welt, die uns mit verschiedenen Schwingungen bombardiert, kann man, wenn man sich selbst beobachtet, erkennen, dass jeder Sinn eine einzigartige Beziehung zur Welt um uns herum ist. Die anthroposophische Perspektive unterscheidet deshalb zwölf solcher Beziehungen. Im Folgenden werden wir einen genaueren Blick auf dieser Gegenseitigkeit zwischen uns und der Welt, und die Synergie zwischen den Sinnen selbst werfen. So kann deutlich werden, wie sich jede einzelne Sinnesaktivität in die Gesamtheit der zwölf Sinne einfügt, und es ergibt sich ein umfassenderes, ganzheitliches Bild des Menschen, das uns helfen kann, den Wert der Gartentherapie in der Arbeit mit demenziell erkrankten Menschen zu verstehen.
Leibessinne, Seelensinne, Sozialsinne Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
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Rudolf Steiner gliederte die Sinne gelegentlich in Leibes-, Seelen- und Sozialsinne (oder auch Geistsinne), was das anthroposophische Bild des Menschen als Einheit von Leib, Seele und Geist widerspiegelt. Er gibt ausführliche und klare Beschreibungen dieser drei Aspekte des Menschen, wenngleich dies nicht Gegenstand dieses Beitrags ist. (Interessierten steht hierzu eine reichhaltige Literatur zur Verfügung.) Die drei von Steiner verwendeten Begriffe können uns jedoch helfen, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Sinnen zu sehen. Dies ist wichtig für das Verständnis der Wirksamkeit der Gartentherapie, da die Seelensinne, die am besten durch die Natur genährt werden, unter allen Sinnen eine besondere Rolle spielen.
Die Leibessinne Die Bedeutung und Schönheit der Ideen Rudolf Steiners zeigen sich allerdings erst, wenn wir die Sinne in Sequenz betrachten, beginnend mit den vier Leibessinnen: Tastsinn, Lebenssinn, Bewegungssinn und Gleichgewichtsinn. Tastsinn Schließen Sie Ihre Augen und legen Sie die Spitze Ihrer Finger leicht auf eine Oberfläche. Konzentrieren Sie sich einen Augenblick auf die Empfindung. Was spüren Sie? Normalerweise nichts! Unser Tastsinn allein gibt keine Hinweise zur Art der Oberfläche oder dem Gegenstand, den Sie gerade berühren, sondern lediglich eine Empfindung, die man mit „nicht ich“ beschreiben könnte. Um zu erkennen, ob sich die Oberfläche warm oder kalt anfühlt, ob sie rau oder glatt ist, brauchen wir neben dem Tastsinn die Mitwirkung unseres Sinnes für Wärme oder unseres Sinnes für Bewegung. Damit ließe sich sagen, dass die Berührung die Empfindung des Getrenntseins ist – eine bewusste Unterscheidung zwischen „ich“ und „nicht ich“. Sie weckt uns auf für die Existenz der physischen
Lebenssinn Denken Sie als Nächstes daran, dass unsere Körper atmen, warm bleiben, Nahrung aufnehmen, absondern, sich regenerieren, wachsen und sich vermehren, um in der Welt zu leben. Diese Lebensprozesse können wir nicht direkt innerhalb unseres Körpers beobachten, doch wir sind uns durchaus bewusst, dass wir essen oder schlafen müssen oder dass die Sonnenstrahlen, die sich früh morgens gut anfühlen, jetzt zu warm werden. Empfindungen wie Hunger, Durst, Müdigkeit oder Schmerz entstehen aufgrund von Lebensprozessen in uns und stellen unser Wohlbefinden sicher. Wir sind nicht gewohnt, diese Empfindungen als Sinn zu verstehen, doch wir haben die bemerkenswerte Fähigkeit wahrzunehmen, wie wir uns „innerlich fühlen“. Rudolf Steiner nutzte einen wundervollen Begriff dafür – er nannte dies unseren Lebenssinn. Während der Tastsinn uns die Erfahrung einer Grenze zur Welt übermittelt, erlaubt uns der Lebenssinn zu erfahren, was innerhalb dieser Grenze in Beziehung zur Welt um uns herum existiert. Bewegungssinn Stellen Sie sich nun vor, Sie schließen Ihre Augen und heben einen Arm: Wissen Sie, welchen Arm Sie gehoben haben? Und wie hoch Sie ihn gehoben haben? Natürlich wissen Sie das! Mit unserem Bewegungssinn spüren wir die Bewegungen unseres eigenen Körpers – die Position und die Bewegung eines bestimmten Körperteils im Verhältnis zu anderen Körperteilen. Dies ist insofern interessant, da wir die Bewegungen unserer inneren Organe wie etwa unserer Nieren oder unserer Herzklappen nicht spüren können. Vielmehr spüren wir vor allem Bewegungen, die wir bewusst ausführen. Eine Bewegung, die wir nicht bewusst ausführen, wie etwa das Zucken eines Auges oder das Zittern eines Fingers, ist oft ein Zeichen dafür, dass etwas im Körper nicht stimmt. Wenn wir uns bewegen, weisen wir die einzelnen Muskeln nicht bewusst an, sich zusammen zu ziehen und wieder zu entspannen. Im Allgemeinen aber steuern wir unsere Bewegungen mit unseren Absichten: Wir bewegen unseren Arm, weil wir etwas greifen wollen. Mit unserem Bewegungssinn sind wir uns bewusst, dass wir uns bewegen und dass wir uns selbst in der Welt bewegen können. Gleichgewichtssinn Versuchen Sie nun, mit geschlossenen Augen zu stehen und stellen Sie sich auf einen Fuß. Wie halten Sie sich aufrecht? Wie merken Sie, dass Sie drohen umzufallen? Wenn wir
Aus der Anthroposophie – Die zwölf Sinne des Menschen
Welt und gleichzeitig auch für unser eigenes körperliches Dasein: Selbsterfahrung beginnt mit einer Berührung. In gewisser Weise enthalten alle Sinneserfahrungen diesen Aspekt der Berührung, denn, wenn wir nicht von dem getrennt sind, was wir beobachten, können wir es nicht beobachten.
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uns mit unserem ganzen Körper auf die Welt einlassen, nimmt unser Gleichgewichtssinn wahr, wie sich die Orientierung unseres Körpers – vorne und hinten, links und rechts, oben und unten – im Verhältnis zu seiner Umwelt verändert. Wir bemerken es am meisten, wenn sich unsere aufrechte Haltung im Verhältnis zu unserer Umgebung verändert. Unser Gleichgewichtssinn hält uns kontinuierlich in einem dynamischen Gleichgewicht mit der Welt um uns herum. Durch ihn „wissen wir, wo wir stehen.” Wenn Sie nun langsam gehen, so können Sie spüren, wie sich die Füße vom Boden abheben, wie sich das Körpergewicht von einem Bein auf das andere verlagert, wie Sie sich vorwärtsbewegen, ohne hinzufallen. Spüren Sie das wunderschöne Zusammenspiel von Berührung, Wohlbefinden, Bewegung und Gleichgewicht in so einem einfachen Vorgang wie dem Gehen? Beeindruckend, nicht wahr? Dieselben vier Sinne waren beteiligt, als die ältere Frau das Wasser in den Topf goss (zusammen mit dem Seh- und Begriffssinn, zu dem wir kommen werden). Mit den vier Leibessinnen erwachen wir zum „Ich“ und „der Welt“, werden uns unserer getrennten inneren Existenz bewusst. Wir greifen nach Dingen, die wir brauchen, wir ändern unsere Richtung und halten uns gleichzeitig aufrecht. Wir stehen und blicken auf die Welt um uns herum: getrennte Individuen und doch verbunden mit allem, was existiert.
Die Seelensinne Mit den Seelensinnen stehen wir in einer anderen Beziehung zur Welt. Wenn man die Sinne aus anthroposophischer Sicht betrachtet, bezieht sich der Begriff „Seele“ auf den Aspekt unserer selbst, in dem wir Begehren, Emotionen und Gefühle empfinden. Während die Leibessinne unseren physischen Körper mit der physischen Welt in Beziehung setzen, setzen die Seelensinne – Riechen, Schmecken, Sehen und Wärme – unser Gefühlsleben in Beziehung zu den Qualitäten, denen wir in der Welt begegnen. Geruchssinn Ein Hund, der herumläuft und seine Schnauze in alles Mögliche steckt, ist rundum glücklich, denn er lebt in einer Welt der Gerüche. Er erkennt seine Welt durch seine Nase: „knows with his nose“. Anders der Mensch. Im Vergleich zu Hunden erscheint unser Geruchssinn rudimentär. Aber stellen Sie sich vor, wir könnten überhaupt nicht riechen – frisch geschnittenes Gras, Regen an einem warmen Tag, verfaulter Fisch – etwas Wesentliches würde in der Welt fehlen! Wenn wir etwas riechen, nehmen wir die Welt in uns auf, natürlich nicht die Dinge als solche, sondern einen Aspekt, der so fein ist, dass er unsichtbar ist. Plötzlich werden die Dinge für uns mehr als nur ihre Erscheinung. Versuchen Sie sich an eine Blume zu erinnern, an der Sie im Garten gerochen haben. Sie können sich die Blume wahrscheinlich vorstellen, aber können Sie sich Ihren Geruch vorstellen? Wahr-
Geschmackssinn Mit unserem Geschmackssinn werden wir intimer: Wir bringen die Welt direkt in unseren Mund und zerlegen sie physisch und chemisch, mit Zähnen und Speichel. Wie beim Geruch lernen wir einen bestimmten Aspekt der Dinge kennen: ihre chemische Qualität. Wir haben Begriffe für Geschmäcker – süß, sauer, bitter, salzig – doch normalerweise probieren wir etwas nicht, um dessen Geschmack festzustellen, außer man versucht, etwa zu unterscheiden, ob es sich bei den weißen Kristallen in einem Glas um Zucker oder Salz handelt. Tiere schmecken, ob etwas essbar ist oder nicht: Sie spüren dessen Effekt auf ihren Körpern. Wahrscheinlich haben Menschen dies früher auch gekonnt. So berücksichtigt beispielsweise die Traditionelle Chinesische Medizin den Effekt bitterer Nahrungsmittel auf die Leber. Trotzdem schmecken wir selten etwas, um seine Wirkung festzustellen. Es scheint vielmehr, dass unser Geschmackssinn Beziehungen erkennt: Wir spüren Harmonie oder Disharmonie – ein komplizierterer Ausdruck von „mögen“ oder „nicht mögen“. Wenn wir sagen, dass jemand einen guten Geschmack für Kleidung oder einen schlechten Geschmack bei Dekor hat, meinen wir damit nicht, ob die betreffende Person Kleidung oder Möbel mag oder nicht mag. Vielmehr wird damit im übertragenen Sinne ausgedrückt, wie passend jemand Dinge auswählt, sodass sie zusammenpassen oder nicht. Eine warme Suppe „schmeckt“ köstlich und beruhigend – Ausdruck der Gefühlsseele – wenn die Zutaten genau im richtigen Verhältnis kombiniert sind. Selbst das Schmecken, ob etwas nahrhaft oder schädlich ist, ist ein Gefühl dafür, ob eine gesunde innere Beziehung entsteht. Also schmecken wir die chemischen Verhältnisse der Welt und im Gegenzug beschenkt der Geschmack unsere Seele mit Erfahrungen harmonischer Interaktionen. Sehsinn Wenn Sie sich umschauen, was sehen Sie? Wahrscheinlich eine Anzahl von „Dingen“ – Objekte, von denen man sich ein mentales Bild machen und denen man einen Namen geben kann. Aber was sehen Sie wirklich? Unser Sehsinn empfängt nicht Bilder, sondern
Aus der Anthroposophie – Die zwölf Sinne des Menschen
scheinlich nicht. Aber wenn Sie diese bestimmte Blume wieder riechen, dann erinnern Sie sich an ihren Duft, und wenn Sie diesen bestimmten Duft wieder riechen, dann erinnern Sie sich an die Blume. Bei manchen Gerüchen ist diese Assoziation so stark, dass sie intensive Erinnerungen und Emotionen hervorrufen. Allerdings haben wir keine Bezeichnungen für Gerüche, sondern beziehen uns nur auf die Assoziation: etwas „riecht wie“ etwas. Wir beschreiben Gerüche danach, wie wir sie erleben: erfrischend, tröstlich, verlockend, abstoßend – im Grunde genommen „mögen“ oder „nichtmögen“. Unser Geruchssinn nimmt die Welt um uns herum in einem feinen Austausch wahr: Wir nehmen ihre „chemischen Botschaften“ auf und im Gegenzug dazu erleben wir grundlegende Bewegungen der fühlenden Seele: Wir wollen uns nähern oder wir wollen uns zurückziehen.
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Sinneseindrücke von Helligkeit, Dunkelheit und Farben. (Etwas zu benennen bedeutet aber, zusätzlich zur Wahrnehmung auch zu denken.) Welche Farbe etwas hat, ob es durchsichtig, undurchsichtig oder spiegelnd ist, ob es leuchtend oder schattig erscheint, alles hängt von dessen Beziehung zum Licht ab. Denken Sie an glitzernde rote Rubine oder goldene Blätter oder an tiefblaues Wasser. Licht offenbart deren Struktur und Prozesse, die sich widerspiegelt als Farbe auf der Oberfläche, so wie eine Röte auf den Wangen die Gefühle einer Person zu zeigen vermag. Mit dem Sehen erspüren wir die innere Natur von Dingen. Im Gegenzug bewegen uns Farben innerlich tiefer, als es durch den Geschmacksoder Geruchssinn möglich wäre: Die Stimmung von Blau im Vergleich zu Rot oder von einer schönen Herbstlandschaft oder von einem farbenreichen Gemälde – sie scheinen unser ganzes Inneres zu bewegen.
Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
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Wärmesinn Was wir mit unserem Wärmesinn spüren, geht noch tiefer: Wenn man im Schnee spielt und dann die Hände unter den Wasserhahn hält, hat man das Gefühl, das Wasser würde einen verbrennen. Jemand anderes, der klug genug war, Handschuhe zu tragen, würde das gleiche Wasser als angenehm warm empfinden. Unser Wärmesinn nimmt nicht wahr, ob etwas heiß oder kalt an sich ist, sondern vielmehr, ob es heiß oder kalt im Vergleich zu uns ist! Wir spüren nicht Temperatureinheiten, vielmehr nehmen wir den Austausch von Wärme zwischen uns selbst und der Welt wahr. Wenn sich etwas kalt anfühlt, fließt Wärme von uns weg, wenn es sich warm anfühlt, fließt Wärme zu uns hin. Wenn zu viel Wärme in die eine oder andere Richtung fließt, wird uns unser Lebenssinn auf eine mögliche Gefahr hinweisen. Ansonsten passen wir uns an. Mit diesem Gleichgewicht versetzt uns unser Wärmesinn in die intimste Beziehung mit der Welt: Wir erkennen den wahren Kern, das Innere der Dinge jenseits dessen, was an der Oberfläche zu sehen ist. Was könnte wesentlicher sein als Wärme? Sie durchdringt alles: die Feststoffe, die Flüssigkeiten, die Gase. Unsere gesamte Existenz beruht auf Wärme! Im Gegenzug dazu erleben wir Wärme zutiefst, nicht nur in körperlicher, sondern auch in seelischer Hinsicht. Wir sprechen von Wärme, wenn wir uns angeregt, begeistert, großzügig und geliebt fühlen. Dagegen nutzen wir den Begriff Kälte, wenn wir uns abgelehnt, depressiv oder distanziert fühlen. Wärme durchdringt sogar unsere Sinne. So wie alle Sinne Aspekte von Berührung und damit Trennung und das Bewusstsein von sich selbst haben, haben alle Sinne auch Aspekte der Wärme: das Geben und das Empfangen, das das Bewusstsein des anderen und damit auch die erneute Verbindung ermöglicht. In der kleinen Gartengeschichte erlebte die ältere Frau die Wärme der Sonne mit ihrem Wärmesinn und genoss sie mit ihrem Lebenssinn. Während sie gemeinsam die Kräuter pflegten, konnte sie durch die Sozialsinne auch die „höhere“ Wärme der Gesellschaft fühlen.
Mit unseren Seelensinnen gelangen wir immer tiefer in die Welt um uns herum hinein: von deren chemischen „Botschaften“ zu deren innerer Natur. Unsere Beziehung zur Welt wird immer nuancierter und persönlicher: angefangen von grundlegenden Empfindungen, wie Anziehung und Ablehnung, hin zu vielfältigen und komplexen Gemütslagen. Unser Gefühl resoniert mit den Qualitäten der Welt um uns herum. So machen wir uns die Welt zu eigen, so gewinnen Dinge ihren Sinn für uns.
Dies versetzt uns in die Lage, einen weiteren Typ von Beziehung einzugehen, den der Sozial- oder Geistsinne: Hören, Sprache, Begrifflichkeiten und Individualität. Hörsinn Wenn wir nicht sagen können, ob etwas aus Plastik oder Glas ist, klopfen wir darauf, um den Unterschied zu „hören“. Wenn etwas angestoßen oder auf irgendeine andere Weise in Bewegung gesetzt wird, vibriert dessen innere Struktur auf eine einzigartige Art. Winzige Membranen tief innerhalb unseres Schädels erzeugen passende Schwingungen und wir unterscheiden das Plingen, Knallen, Klirren, Knacken von vibrierenden Materialien und auch das Pfeifen, Zirpen, Quaken, Bellen, Geheul und die Stimmen beseelter Wesen, die sich ausdrücken. Mit unserem Hörsinn nehmen wir das Innere von Dingen wahr: die Struktur von Materialien, den seelischen Zustand von Lebewesen. Wir bewerkstelligen dies durch unsere eigenen inneren Bewegungen von Körper und Seele. Die tief greifenden Wirkungen, die Musik auf uns haben kann, zeigen deutlich, wie tief unser gesamtes Sein mit Klängen verbunden ist. Um zu hören, benötigt man allerdings Aufmerksamkeit. Wenn Sie nach draußen gehen und sich nur darauf konzentrieren zu hören, werden Sie sich über die Vielzahl an Geräuschen wundern, die tatsächlich zu hören sind. Merken Sie, dass Sie nicht allen gleichzeitig zuhören, sondern sich eines nach dem anderen anhören? Im Unterschied zu Händen oder Augen bewegen wir unsere Ohren nicht in die Richtung dessen, was wir hören wollen. Vielmehr verändern wir unsere innere Ausrichtung: unsere Aufmerksamkeit. Dies erfordert Mühe. Fragen Sie jemanden mit einer neuen Hörhilfe und er wird Ihnen bestätigen, dass damit zunächst jedes Geräusch gleichbehandelt wird, was ein überwältigendes Erlebnis darstellt. Es braucht Zeit, um den Hörsinn zu schulen, um einzelne Geräusche zu isolieren und gezielt auf diese zu hören. Um also zu hören, müssen wir Intentionalität haben und auch leise sein. Wir müssen uns auf die Welt konzentrieren und uns selbst zurücknehmen, um etwas von ihr zu empfangen. Dies sind die zwei grundlegenden Gesten, die all die Sozialsinne charakterisieren.
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Die Sozialsinne
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Sprachsinn Ist es nicht interessant, dass, wenn jemandem eine unbekannte Sprache spricht, Sie dennoch wissen, dass es eine Sprache ist und nicht zufällige Laute, die er von sich gibt? Natürlich nehmen wir Klänge wahr, weil Vibrationen durch die Bewegung des Mundes und die an den Stimmbändern vorbeistreichende Luft entstehen. Dafür brauchen wir nur unseren Gehörsinn. Aber wir nehmen noch eine höhere Ordnung wahr. Stellen Sie sich vor, Sie verlassen eine Party mit einem Freund, der zu Ihnen sagt: „Wow, das war lustig.“ Anhand des Rhythmus, der Betonung, der Satzmelodie der gesprochenen Wörter können Sie sagen, ob sie begeistert oder sarkastisch gemeint sind, und damit auch, ob er sich amüsiert hat oder nicht. Mit unserem Sprachsinn nehmen wir das Formen von Wörtern wahr: Wir nehmen Sprache wahr. (Wenn wir lesen, tun wir dasselbe nach innen gerichtet, weil wir im Geist „hören“, was wir lesen.) Wir nehmen den Fluss der Worte wahr, aber nicht deren Bedeutung. Der Sprachsinn liefert jedoch nicht die Analyse und Interpretation des gesprochenen Worts. Er ist immer noch ein Sinn, und wie Rudolf Steiner so sorgfältig beschrieben hat, ergeben die Sinne nur die Empfindung. Wir spüren etwas, was mit dem „Innern“ des Redners zu tun hat: dessen Absichten, weshalb er die Wörter geformt hat. Gleiches gilt für Gesten und Gesichtsausdrücke, die wir gemeinhin als Körpersprache bezeichnen, wie das Lächeln, das Sie der älteren Frau in der kleinen Gartengeschichte gegeben haben. Gedankensinn Unser Hörsinn erkennt Geräusche, unser Sprachsinn lässt uns wissen, dass es sich um Sprache handelt, aber unser Gedankensinn zeigt uns, ob sie eine Bedeutung hat oder nicht. Er gibt uns nicht die Bedeutung – hierfür ist Denken notwendig –, aber er lässt uns die Gedanken und Ideen eines anderen wahrnehmen. Hier geht es nicht um Gedankenlesen. Wir erkennen eine Begrifflichkeit oder eine Idee, weil sie uns als eine Sinnesempfindung zukommt. Nehmen wir beispielsweise die folgenden drei Gruppen von Wörtern: • verschwanden Füchse zwei schnell verängstigte, • die hungrigen Gähnen sinken laut, • zwei verängstigte Füchse verschwanden schnell. Die ersten beiden scheinen keine Bedeutung zu haben: Das eine sind nur Wörter, das andere ist zwar grammatikalisch korrekt, aber Unsinn. Das Letzte scheint aber mehr als nur die Aneinanderreihung von Worten oder ein grammatikalisch korrektes Konstrukt zu sein. Da entsteht etwas wie ein Bild in unserem Geist! Wir spüren, dass da eine Bedeutung vermittelt wird. Im Garten konnte die ältere Frau, der das Wasserglas gereicht wurde, das Konzept des Gießens der Kräuter erfassen.
Die Entwicklung der Sinne Um zu erkennen, wie all dies zur Gartentherapie mit Betagten gehört, und im Besonderen im Umgang mit Menschen mit Demenz, hilft es, die Entwicklung der Sinne von wachsenden Kindern zu beobachten. Neugeborene scheinen fast nur aus Sinnen zu bestehen – Bewegung, Sehen, Schmecken, Berühren –, um ihren Körper und die Welt um sie herum voll zu erleben. Wenn es lernt zu stehen, zu gehen und zu sprechen, seine Sinne zu reifen beginnen, wird ein gesundes Kind auf natürliche Weise erleben, dass es sich immer mehr von der Welt – und vom Göttlichen – unterscheidet. Rudolf Steiner erklärte, dass sich das Kind und seine Sinne in verschiedenen Phasen entwickeln – zuerst der Körper, dann die Seele und schließlich der Geist. Die gesunde Entwicklung eines Kindes wird am besten unterstützt, wenn man ihm altersgerechte Sinneserlebnisse verschafft. Sein Körper wird sich durch den Einsatz der Körpersinne in natürlicher Umgebung mit natürlichen Materialien, viel frischer Luft, Laufen, Klettern und Spielen gut entwickeln. Seine Seele kann dann durch die Pflege der Seelensinne mit fantasievollen und bildhaften Ausdrucksweisen, durch künstlerische Aktivitäten und wundersame Begegnungen mit der Natur aufblühen. Endlich wird die individuelle Identität des Kindes durch die Kultivierung der Sozialsinne geschmiedet in der Interaktion mit anderen Menschen, vorzugsweise nachdenklichen Erwachsenen, die sich der Wirkung ihrer eigenen Stimme, Sprache und Ideen bewusst sind.
Aus der Anthroposophie – Die zwölf Sinne des Menschen
Ichsinn Manchmal, vielleicht in einem ruhigen Gespräch oder wenn wir jemandem in die Augen schauen, werden wir mit Staunen erfüllt: Diese Person ist ein ganzes Universum – ein komplexer Kosmos von Gefühlen, Vorstellungen und Gedanken. Diese Erfahrung ist keine Ableitung, sondern eine Beobachtung. Wir nutzen unseren Selbstsinn oder Ichsinn nicht, um uns selbst wahrzunehmen, sondern das Selbst anderer Menschen. Wir spüren, dass das Wesen, das vor uns steht, eine selbstbewusste Entität mit einer eigenen Intention und einer eigenen inneren Erfahrung in dieser Welt ist. Jenseits von Wörtern, Sprache oder Begriffen beobachten wir nicht, was oder wie etwas gesagt wird, sondern wer es sagt: Das Wesen hinter den Gedanken. Um aber das „Ich“ von jemand anderem zu erkennen, müssen wir unser eigenes Ich-Bewusstsein zurücknehmen. Dies ist unsere schwierigste soziale Herausforderung. Versuchen Sie es selbst: Wenn wir nur daran denken, bringen uns unsere Gedanken wieder zurück zu uns. Aber unser bewusster Wunsch, dies zu tun, verschafft uns zumindest die Gelegenheit dazu. In den besten Gesprächen wechseln sich Verlust und Wiedererlangung des eigenen Ichs ab. Diese wunderbare Gegenseitigkeit zwischen Geben und Nehmen, welche bei allen Sozialsinnen vorkommt, umfasst sowohl Trennung als auch Verbindung. Sie ist gleichsam Berührung und Wärme auf einer höheren Ebene.
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Die Entwicklung gesunder Sinne gibt dem Kind die besten Chancen, gut vorbereitet ins Erwachsenenalter zu treten, um die Welt zu verstehen, in ihr tätig zu werden und durch eigene Anstrengung eine Verbindung mit dem Göttlichen zu finden.
Die zwölf Sinne bei der Betreuung älterer Menschen
Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
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Aber wie verhält es sich mit älteren Menschen? Im Erwachsenenalter sind die Sinne gereift. Sicherlich können und sollten wir weiterhin unsere Sinne durch die gleichen Aktivitäten, mit denen wir sie entwickelt haben, neu beleben. Nichtsdestotrotz werden einige Sinne mit dem Alter unweigerlich nachlassen. Dies ist unbequem und unangenehm, aber wir sagen gemeinhin, dies sei schlicht der Lauf der Zeit. Bei jemandem, der unter Demenz leidet, können wir diesen Vorgang deutlicher und bewusster sehen, da die Verschlechterung der Sinne – die scheinbar in umgekehrter Reihenfolge zu deren Reifung in der Kindheit erfolgt – ihren gesamten physischen, emotionalen und mentalen Zustand betrifft. Wenn wir die anthroposophische Sicht des Menschen einnehmen, wo die Einheit und das Zusammenwirken der zwölf Sinne betont wird, entdecken wir, dass es möglicherweise nicht der Verlust eines Sinnes ist, der Verwirrung und Leiden bringt. Vielmehr erscheint das Ungleichgewicht im gesamten Sinnesorganismus als eine Unterbrechung der Beziehung zwischen den Sinnen. Als gesunde Menschen erleben wir die Synergie zwischen den Sinnen ständig, beispielsweise zwischen dem Sehsinn und dem Gleichgewichtssinn, wenn wir auf einem Bein stehen und unsere Augen öffnen und schließen. Es gibt auch weniger offensichtliche Verbindungen zwischen Leibes-, Seelen- und Sozialsinnen, die aber ebenfalls deutliche Auswirkungen auf das Wohlbefinden haben. Auf einer grundlegenden Ebene, mit unserem Lebenssinn, zum Beispiel, erleben wir harmonische, innere (körperliche) Verbindungen. Auf einer übergeordneten, geistigen Ebene, mit unserem Sprachsinn, erfahren wir harmonische sprachliche Beziehungen – grammatikalisch korrekte Konstrukte. Dazwischen, mit irgendeinem unserer Seelensinne, erleben wir Harmonie und Schönheit direkt: prächtige Farben, köstliche Aromen und Geschmäcker, behagliche Wärme – sie alle bewegen unsere Seele und lehren uns, selbst Harmonie und Schönheit zu schaffen. Ist es in dieser Hinsicht nicht nachvollziehbar, dass Pflegekräfte von demenziell erkrankten Menschen davon berichten, dass BewohnerInnen, nachdem sie einige Zeit im Garten verbracht haben, besser schlafen und besser sprechen können als zuvor? Mit anderen Worten, nachdem sie Düfte, Geschmäcker, Farben und Sonnenschein und den Garten mit ihren Seelensinnen genossen haben, erleben die BewohnerInnen eine erneute Verbindung mit den Leibes- und Sozialsinnen. Es scheint, dass im Zusammenwirken aller Sinne die Seelensinne eine vermittelnde Rolle spielen. Wir beobachten dies bei Kindern, die zu früh an verstandesmäßiges Lernen herangeführt wurden, bevor deren Seelensinne Zeit
Die Natur als Pflegerin unserer Sinne Welchen besseren Ernährer für unsere Sinne könnte es geben als die Natur selbst? Die Weisheit und Schönheit, die in jedem Stein, jeder Pflanze und jedem Tier steckt, wenn sie wachsam von unseren Seelen aufgenommen werden, lehren uns Gesundheit und Heilung. Die bewusste Teilnahme am Kreislauf der Natur – dem großen Geschenk der Erde, der Jahreszeiten, der Sterne, der Sonne und des Mondes – erzieht unsere Seele durch Harmonie und Verwandlung. Die Gartentherapie erkennt dies an. Die tägliche Aktivität in der Natur, sei es im Garten oder am Krankenbett, erfrischt die Verbindung der Seele mit der Weisheit und den Rhythmen der Natur. Die Wirksamkeit der Gartentherapie lässt sich am Erfolg des Gartenprogrammes im Johanneshaus ablesen. Aus der Perspektive der zwölf Sinne gibt es zwei Gründe dafür, dass die Gartentherapie in der Betreuung von älteren Menschen und insbesondere von demenziell erkrankten Menschen so ideal ist. Zum einen nutzt sie die gleichen Aktivitäten, die bei einem Kind gesunde Sinne entwickeln, um die Sinne eines Erwachsenen wieder zu aktivieren. Sie regt die Leibessinne der BewohnerInnen in einer schönen, natürlichen Umgebung an, in der sie Bewegung und Gleichgewicht sicher erfahren können. Sie trainiert ihre sozialen Sinne durch die warme Interaktion mit den PflegerInnen. Und all dies geschieht unter Einsatz der Seelensinne als heilendes Mittel zwischen den BewohnerInnen und den PflegerInnen. Zweitens gibt es keinen besseren Ort, um unsere Seelensinne zu entwickeln, zu erhalten und zu stärken, als in der Natur und in der künstlerischen
Aus der Anthroposophie – Die zwölf Sinne des Menschen
zur Ausbildung hatten, und die dann oft im Erwachsenenleben mit Angst und Depression zu kämpfen haben – Leiden, die mit dem Körper und dem sozialen Leben zu tun haben. Wenn man den körperlichen Bedürfnissen und der sozialen Umgebung älterer Menschen Beachtung schenkt, hilft dies auf natürliche Art, ihre Körper- und Sozialsinne zu stimulieren und zu erhalten. Doch auch bei der besten Betreuung können die Seelensinne übersehen werden, da sie oft als nicht so essenziell angesehen werden. In Bezug auf Gesundheit und Heilung ist es deshalb wichtig zu beachten, dass immer, wenn wir etwas berühren, wir auch selbst berührt werden. Wir haben die Wechselseitigkeit in jedem Sinneserlebnis gefunden. Die Verbindung zwischen PflegerInnen und Gepflegten ist ebenfalls von dieser Gegenseitigkeit geprägt und reduziert sich nie nur darauf, dass ein Mensch gibt und ein anderer nimmt. Vielmehr bereichert man sich gegenseitig. Die Seelensinne sind der Inbegriff dieser Wechselseitigkeit: Als Mittler zwischen unserer fühlenden Seele und der Welt wie auch zwischen den Körpersinnen und den Sozialsinnen können sie uns über die Schwere, die wir im körperlichen Verfall erfahren, hinausheben und uns in freudvoller Weise mit der Welt verbinden. Sie sind es, die unsere Fähigkeit zur Gegenseitigkeit erhalten.
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Außenbereiche: Wirkung und Entstehung
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Arbeit. Hier zeichnet sich die Gartentherapie als heilendes Werkzeug aus. Für viele BewohnerInnen sind künstlerische Aktivitäten einfach nicht mehr möglich und auch nicht mehr ratsam, aber es gibt immer eine Ebene der Auseinandersetzung mit der Natur, die jedem, auch bettlägerigen BewohnerInnen, zur Verfügung steht. Es ist schwer zu sagen, wieso manche Menschen ihre Balance behalten, während sich die Sinne mit zunehmendem Alter verschlechtern, aber dies bei demenziell veränderten Menschen nicht der Fall ist. Rudolf Steiner schrieb die Harmonisierung unserer Sinne der Aktivität unseres Ich zu, der inneren Aktivität, die die Beziehungen zu unserem Körper, der Welt um uns herum und zu anderen Menschen gleichsam koordiniert. Er verglich dieses Ich auf wunderbare Art mit der Sonne, die sich durch die Sterne des Tierkreises bewegt, die Jahreszeiten bewirkend und dem Leben auf der Erde Harmonie gebend. Bei Demenz scheint es, dass das Ich nicht mehr in die Sinne eindringen kann. Wenn man gartentherapeutisch mit den Sinnen arbeitet, lädt man das Ich wieder ein, das Ungleichgewicht zu mildern. Dabei wirkt das Ich der Pflegerin oder des Pflegers oder der Betreuungskraft als sanfter Führer für das Ich der Bewohnerin/des Bewohners. Es gibt zahlreiche gute Bücher und Kurse, die helfen, diese Fähigkeiten zu entwickeln, wo beschrieben wird, wie man die Natur, den Jahreslauf und die zwölf Sinne in die Arbeit mit älteren BewohnerInnen einbezieht. Es ist schon hilfreich anhand der gewonnenen Erkenntnisse aus diesem Beitrag, den Gebrauch verschiedener Sinne bei den BewohnerInnen zu erkennen. Am Ende werden allerdings Staunen, Aufmerksamkeit und Interesse und die Fähigkeit, die Natur, die BewohnerInnen und sich selbst mit Ehrfurcht und Enthusiasmus zu beobachten, immer die wichtigsten Quellen bleiben.
Gartentherapieprogramme in Innen- und Außenbereich für jede Jahreszeit Basierend auf den Erfahrungen des Projekts „Gemeinsam Natur erleben“ im Johanneshaus soll der nachfolgende Abschnitt allen Interessierten einen Überblick über gartentherapeutische Maßnahmen und vor allem über deren praktische Gestaltung geben. Die Darstellung orientiert sich dabei an den vier Jahreszeiten. Sie versucht, ausgewählte gartentherapeutische Aktivitäten anhand der spezifischen Möglichkeiten zu erläutern, die der Jahresverlauf bietet.
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Eine wichtige Vorbemerkung zum praktischen Ablauf der Gartentherapie: Viele alte Menschen und vor allem pflegebedürftige PatientInnen können sich nicht über längere Zeit ausschließlich mit einer Aufgabe beschäftigen, was in besonderer Weise für demenziell Erkrankte gilt. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Dauer gartentherapeutischer Maßnahmen an den spezifischen Fähigkeiten der Senioren orientiert, die hieran teilnehmen. Außerdem entfalten sich die positiven Effekte der Gartentherapie auch bei kürzeren Aktivitäten, weshalb es nicht notwendig ist, mehrstündige Veranstaltungen vorzubereiten und durchzuführen. Als besonders wirkungsvoll hat sich die sogenannte Zehn-Minuten-Aktivierung erwiesen, die in jeder Jahreszeit angeboten werden kann und die sich aufgrund ihrer Kürze besonders für PatientInnen eignet, die an Demenz erkrankt sind. Der geringe Zeitaufwand erlaubt es, dass die Gartentherapie ohne größeren Aufwand in den Pflegealltag integriert werden kann. Zudem kann sie damit auch öfter, nach Möglichkeit sogar täglich, den PatientInnen angeboten werden. Diese Wiederholungen schaffen Sicherheit, Vertrautheit mit den Tätigkeiten und machen die Gartentherapie zu einem integralen Bestandteil der alltäglichen Abläufe. Welche Aktivitäten speziell angeboten werden, hängt stark von den örtlichen Bedingungen und den Möglichkeiten ab, die sich in der betreffenden Einrichtung und mithilfe der zur Verfügung stehenden Ressourcen bieten. Dies gilt insbesondere für Pflanzen, die sich im Innenbereich finden, beziehungsweise die in der unmittelbaren Umgebung wachsen. Aber auch die persönlichen Interessen und die Lebensgeschichte einzelner PatientInnenen können wichtige Impulse bieten. Entscheidend ist es, zu erkennen, dass die Möglichkeiten für gartentherapeutische Maßnahmen nahezu grenzenlos sind. Dies liegt zum einen an der Vielfalt der Pflanzen, die in Form von Kräutern, Gemüse, Obst und Blumen zur Verfügung steht. Nahezu jede Pflanze eignet sich auf die eine oder andere Weise für die Gartentherapie und die damit verbundenen Tätigkeiten. Zu denken ist hier an die Aussaat, die Anzucht und das Pikieren, die
Gartentherapie im Sommer – Pflanzen abtasten, drücken Ute Budliger und berühren Die Berührung von Pflanzen kann eine sinnliche Erfahrung darstellen, vor allem, wenn sich die betreffende Pflanze durch besondere Eigenschaften hinsichtlich der Beschaffenheit ihrer Blätter auszeichnet: • dick, z. B. Dickblatt (Crassula multicava) und Flammendes Käthchen (Kalanchoe spathulata), oder dünn, z. B. Efeu (Hedera helix) • groß, z. B. Garten-Kürbis (Cucurbita pepo), oder klein, z. B. Lavendel (Lavendula offizinales und Leuchterblume (Ceropegia acicularis) • glatt, z. B. Geranien (Pelargonium sp.), oder pelzig, z. B. Wollziehst (Stachys byzantina) und Usambaraveillchen (Saintpaulia ionantha). Eignung: Das Abtasten von Pflanzen empfiehlt sich hervorragend für gartentherapeutische Aktivitäten einzelner Personen, aber auch in Gruppen. Im Unterschied zu anderen Tätigkeiten eignet sich die Berührung von Pflanzen auch für bettlägerige PatientInnen und solche, die an Demenz erkrankt sind. Ort: Die Aktivierung kann im Innen- sowie Außenbereich durchgeführt werden. Jahreszeit: Die Aktivierung kann ganzjährig durchgeführt und häufig wiederholt werden.
Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
Pflege durch Gießen oder Zuschneiden sowie die Ernte der Pflanzen oder ihrer Früchte. Hierauf reduziert sich Gartentherapie aber nicht: Vielmehr können Pflanzen und insbesondere Blüten das Auge des Beobachters erfreuen, man kann sie berühren, manche auch schmecken beziehungsweise ihren Duft genießen. Mindestens ebenso vielfältig wie die Pflanzen sind die Methoden ihrer Weiterverarbeitung: Sie können roh gegessen, als Kräuter in der Küche verwendet und auf verschiedenste Arten als Speisen oder auch als Getränke zubereitet werden. Der Weg einer Pflanze von ihrer Aussaat bis hin zur ihrer Verwendung kann eine faszinierende Reise gerade für Menschen sein, die selbst bisher wenig Kontakt zur Natur hatten, oder denen aufgrund ihrer aktuellen Lebensumstände eine enge Beziehung zur Natur fehlt. Gartentherapeutische Aktivitäten, auch wenn diese nur zehn Minuten dauern, sind ein ideales Instrument, um diese Beziehung zu schaffen und gleichzeitig dem Leben der Menschen in Pflegeeinrichtungen neue, wertvolle Impulse zu geben. Die nachstehend dargestellten gartentherapeutischen Angebote stellen nur eine kleine Auswahl der unzähligen Möglichkeiten dar, die tatsächlich existieren. Es obliegt den Menschen, die sich in der Gartentherapie engagieren, diejenigen Tätigkeiten auszuwählen, die sowohl den Bedürfnissen der von ihnen Betreuten als auch den örtlichen Umständen und Gegebenheiten am besten entsprechen.
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Material: Mobiles Beet, z. B. SANA, und verschiedene Pflanzenarten je nach Jahreszeit im Innen- oder Außenbereich.
Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
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Aktivität: Die PatientInnen sitzen am mobilen Beet SANA oder an einem Tisch. Durch Abtasten der Blätter sollen die Unterschiede erkannt und (falls möglich) beschrieben werden. Ein ungezwungenes Gespräch über die Pflanzen führt automatisch dazu, dass die Pflanzen berührt werden. In den meisten Fällen braucht es dazu keine spezielle Aufforderung. Geben Sie ausreichend Zeit und lassen Sie PatientInnen das Gefühl bei der Berührung der Pflanzen selbstständig erforschen und fragen Sie, was diese empfinden. Es können auch hier andere PatientInnen zuschauen Mobiles Beet SANA ermöglicht die Beschäftiund somit passiv an der Gartentherapie gung mit der Natur in Innen- und Außenbereichen. teilnehmen. Zumeist ergeben sich aus diesem ungezwungenen Gespräch verschiedenste Themen, über die die PatientInnen auch später noch untereinander oder mit dem Pflegepersonal sprechen können. Varianten: Im Außenbereich können auch Barfußwege angelegt werden, damit Unterschiede auch mit den Füßen „abgetastet“ werden können. Für Rollstuhlfahrer können auch Topfpflanzen verwendet werden. Besonders schön sind hierfür Bodendecker, wie z. B. Thymian (Thymus vulgaris) oder die Römische Kamille (Chamaemelum nobile), geeignet. Außerdem wird bei jedem Schritt die Fußsohle massiert und dabei gekräftigt. Die Haut der Fußsohlen spürt den Boden, die Unebenheiten, Glattes und Raues. Die Zehen bewegen sich beim Gehen mit. Bei jedem Schritt haben die Fuß- und Zehenmuskeln ein Bewegungstraining. Trainierte Füße und Zehen sind beweglicher, ihre Gelenke und Sehnen sind stabiler. Bewegliche Füße reagieren schneller auf Stolpergefahr. Ziele der Übung: Im motorisch-sensomotorischen Bereich kommt es zur Resensibilisierung der Sinne durch Sehen der Farben und Berührung der Pflanzen sowie durch Kräftigung der Muskulatur, Mobilität, Kontrakturenprophylaxe und Förderung der Motorik durch das Pflanzen, Säen oder Pikieren von Pflanzen. Kognitiv-kreative Förderung der Konzentration, Vorstellungskraft, Fantasie, des Abstraktions- und Kombinationsvermö-
Gartentherapie im Sommer – Erdbeeren umpflanzen
Evelyn Schuh
Evelyn Schuh ist seit vielen Jahren in der Altenpflege tätig. Im Johanneshaus arbeitet sie seit 2018 und ist dort insbesondere für die Betreuung von demenziell Erkrankten im Ernst-Zimmer-Haus zuständig. Das Ernst-Zimmer-Haus ist eine Abteilung des Johanneshauses, in dem demenziell Erkrankte betreut werden. Das dortige Pflegepersonal steht der Durchführung gartentherapeutischer Maßnahmen sehr offen gegenüber, zum Beispiel dem Umpflanzen von Erdbeeren (Fragaria). Trotz der vom Sars-CoV-2-Virus verursachten Umstände wollten die Pflegekräfte auch, oder besser gerade in dieser schwierigen Phase, im Alltag der demenziell Erkrankten mittels gartentherapeutischer Maßnahmen Abwechslung schaffen. Eignung: Das Umpflanzen von Erdbeeren empfiehlt sich hervorragend für gartentherapeutische Aktivitäten von Einzelpersonen sowie in Gruppen. Ort: Es wird empfohlen, die Aktivierung im Außenbereich durchzuführen. Jahreszeit: Die Aktivierung findet im Sommer statt (Juni – August). Material: Mobiles Hochbeet, z. B. SANA, oder Tisch mit Blumenkästen; Pflanzenerde, diverse Gerätschaften zum Umtopfen; und Erdbeerpflanzen (für eine Blumenkiste von einer Größe von ca. 35 cm werden 3 Erdbeerpflanzen benötigt). Aktivität: Den TeilnehmerInnen wird gezeigt, wie man die Erdbeerpflanzen aus ihren gegenwärtigen Behältnissen herausnimmt, Erde in die Blumenkästen füllt und die Erdbeerpflanzen umtopft. Während des Umpflanzens wird ein Gespräch zu verschiedenen Fragen mit den PatientInnen und zwischen diesen angeregt. Geben Sie den PatientInnen Zeit, sich in dieser Situation zurechtzufinden und sich am Geschehen zu beteiligen. Hier
Gartentherapieprogramme in Innen- und Außenbereich für jede Jahreszeit
gens werden ebenso durch den Kontakt mit den Pflanzen erreicht. Das Erleben von Stolz durch Lob an der Arbeit sowie Heranführen an positive Gedanken und Gefühle durch die bunten Pflanzen trägt zu emotionaler Belebung bei. Der Schwerpunkt liegt im kommunikativ-sozialen Bereich, denn durch den Kontakt mit den Pflanzen wird der Austausch mit den Mitmenschen gefördert. Der Patient wird ggf. nach der Aktivierung noch seine Eindrücke mitteilen und Isolation sowie Langeweile werden vermieden. Durch positive Rückmeldungen können die Pflegekräfte die positiven Effekte dieser gartentherapeutischen Maßnahmen noch verstärken, etwa indem sie den Patienten für die korrekt identifizierte Pflanze loben oder ihn in seinen Sinneseindrücken bestätigen.
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Gartentherapie im Sommer – Erdbeeren umpflanzen
Evelyn Schuh
Evelyn Schuh ist seit vielen Jahren in der Altenpflege tätig. Im Johanneshaus arbeitet sie seit 2018 und ist dort insbesondere für die Betreuung von demenziell Erkrankten im Ernst-Zimmer-Haus zuständig. Das Ernst-Zimmer-Haus ist eine Abteilung des Johanneshauses, in dem demenziell Erkrankte betreut werden. Das dortige Pflegepersonal steht der Durchführung gartentherapeutischer Maßnahmen sehr offen gegenüber, zum Beispiel dem Umpflanzen von Erdbeeren (Fragaria). Trotz der vom Sars-CoV-2-Virus verursachten Umstände wollten die Pflegekräfte auch, oder besser gerade in dieser schwierigen Phase, im Alltag der demenziell Erkrankten mittels gartentherapeutischer Maßnahmen Abwechslung schaffen. Eignung: Das Umpflanzen von Erdbeeren empfiehlt sich hervorragend für gartentherapeutische Aktivitäten von Einzelpersonen sowie in Gruppen. Ort: Es wird empfohlen, die Aktivierung im Außenbereich durchzuführen. Jahreszeit: Die Aktivierung findet im Sommer statt (Juni – August). Material: Mobiles Hochbeet, z. B. SANA, oder Tisch mit Blumenkästen; Pflanzenerde, diverse Gerätschaften zum Umtopfen; und Erdbeerpflanzen (für eine Blumenkiste von einer Größe von ca. 35 cm werden 3 Erdbeerpflanzen benötigt). Aktivität: Den TeilnehmerInnen wird gezeigt, wie man die Erdbeerpflanzen aus ihren gegenwärtigen Behältnissen herausnimmt, Erde in die Blumenkästen füllt und die Erdbeerpflanzen umtopft. Während des Umpflanzens wird ein Gespräch zu verschiedenen Fragen mit den PatientInnen und zwischen diesen angeregt. Geben Sie den PatientInnen Zeit, sich in dieser Situation zurechtzufinden und sich am Geschehen zu beteiligen. Hier
Gartentherapieprogramme in Innen- und Außenbereich für jede Jahreszeit
gens werden ebenso durch den Kontakt mit den Pflanzen erreicht. Das Erleben von Stolz durch Lob an der Arbeit sowie Heranführen an positive Gedanken und Gefühle durch die bunten Pflanzen trägt zu emotionaler Belebung bei. Der Schwerpunkt liegt im kommunikativ-sozialen Bereich, denn durch den Kontakt mit den Pflanzen wird der Austausch mit den Mitmenschen gefördert. Der Patient wird ggf. nach der Aktivierung noch seine Eindrücke mitteilen und Isolation sowie Langeweile werden vermieden. Durch positive Rückmeldungen können die Pflegekräfte die positiven Effekte dieser gartentherapeutischen Maßnahmen noch verstärken, etwa indem sie den Patienten für die korrekt identifizierte Pflanze loben oder ihn in seinen Sinneseindrücken bestätigen.
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genügt es, wenn diese mit am Tisch oder Hochbeet sitzen und die Aktivitäten sowie die Gespräche passiv verfolgen können. Es kann versucht werden, passive PatientInnen in die Therapie einzubeziehen, es sollte dies jedoch zurückhaltend und ohne Druck getan werden. Nachdem alle Pflanzbehälter gefüllt sind, werden diese an einem Ort, z. B. der Terrasse aufgestellt, wo sich alle PatientInnen am Gießen der Erdbeerpflanzen beteiligen können bis zur gemeinsamen Ernte und dem Genuss der reifen Früchte. Varianten: Es können andere, kleine Nutzpflanzen mit essbaren Früchten verwendet werden, z. B. Walderdbeeren, hängende Erdbeeren.
Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
Ziele der Übung: Das grundlegende Ziel ist es, den Austausch mit den anderen PatientInnen sowie Pflegekräften zu fördern. Gleichzeitig soll das Beobachten, Berühren und die Arbeit mit den Pflanzen die Sinne der PatientInnen anregen, insbesondere das Sehen, Riechen, Tasten und Schmecken sensibler machen. Zudem fördert diese Therapie das Konzentrationsvermögen, die Aufmerksamkeit und das Abstraktionsvermögen. Sie regt zum Nachdenken an und stimuliert die Vorstellungskraft. Durch die Verantwortung, die Pflanzen nach der eigentlichen Aktivierung zu pflegen, werden die Effekte dieser gartentherapeutischen Massnahme weiter verstärkt.
Gruppenarbeit: Gartentherapie im Sommer – Liegewiese Eignung: Es handelt sich um eine Aktivierung, die in der Gruppe durchgeführt werden kann. Die Umsetzbarkeit für RollstuhlfahrerInnen und PatientInnen mit Rollatoren sollte zuvor geprüft werden. Ort: Eine Liegewiese im Garten oder Park. Jahreszeit: Die Aktivierung kann ganzjährig bei guter Witterung durchgeführt werden.
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Material: Picknickdecken, Kaffee und Kuchen, Spiele/Ball, Materialien zum Blumenpflücken und Kränze binden etc. Aktivität: Es wird ein Picknick auf der Liegewiese vorbereitet. Höhere Sitzgruppen für PatientInnen mit eingeschränkter Mobilität sollten verfügbar sein. Die Umgebung soll bewusst wahrgenommen, der Ausblick sowie die frische Luft genossen werden. So können auch Wolken oder Tiere, z. B. Schafe, beobachtet werden. Die PatientInnen sollen animiert werden, Blumen zu pflücken, Pflanzen- und Baumarten zu bestimmen oder sogar Blätter und Rinde zu betasten. Sie tauschen sich untereinander und mit dem Pflegepersonal aus, singen oder gehen spazieren. Die individuelle Wahl der Unternehmung sollte nicht erzwungen werden. Ziele der Übung: Das Vorhaben, die Natur wahrzunehmen und zu genießen, steht im Fokus dieser Aktivierung. Es sollen alle Sinne angeregt werden, was zur Entspannung bzw.
genügt es, wenn diese mit am Tisch oder Hochbeet sitzen und die Aktivitäten sowie die Gespräche passiv verfolgen können. Es kann versucht werden, passive PatientInnen in die Therapie einzubeziehen, es sollte dies jedoch zurückhaltend und ohne Druck getan werden. Nachdem alle Pflanzbehälter gefüllt sind, werden diese an einem Ort, z. B. der Terrasse aufgestellt, wo sich alle PatientInnen am Gießen der Erdbeerpflanzen beteiligen können bis zur gemeinsamen Ernte und dem Genuss der reifen Früchte. Varianten: Es können andere, kleine Nutzpflanzen mit essbaren Früchten verwendet werden, z. B. Walderdbeeren, hängende Erdbeeren.
Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
Ziele der Übung: Das grundlegende Ziel ist es, den Austausch mit den anderen PatientInnen sowie Pflegekräften zu fördern. Gleichzeitig soll das Beobachten, Berühren und die Arbeit mit den Pflanzen die Sinne der PatientInnen anregen, insbesondere das Sehen, Riechen, Tasten und Schmecken sensibler machen. Zudem fördert diese Therapie das Konzentrationsvermögen, die Aufmerksamkeit und das Abstraktionsvermögen. Sie regt zum Nachdenken an und stimuliert die Vorstellungskraft. Durch die Verantwortung, die Pflanzen nach der eigentlichen Aktivierung zu pflegen, werden die Effekte dieser gartentherapeutischen Massnahme weiter verstärkt.
Gruppenarbeit: Gartentherapie im Sommer – Liegewiese Eignung: Es handelt sich um eine Aktivierung, die in der Gruppe durchgeführt werden kann. Die Umsetzbarkeit für RollstuhlfahrerInnen und PatientInnen mit Rollatoren sollte zuvor geprüft werden. Ort: Eine Liegewiese im Garten oder Park. Jahreszeit: Die Aktivierung kann ganzjährig bei guter Witterung durchgeführt werden.
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Material: Picknickdecken, Kaffee und Kuchen, Spiele/Ball, Materialien zum Blumenpflücken und Kränze binden etc. Aktivität: Es wird ein Picknick auf der Liegewiese vorbereitet. Höhere Sitzgruppen für PatientInnen mit eingeschränkter Mobilität sollten verfügbar sein. Die Umgebung soll bewusst wahrgenommen, der Ausblick sowie die frische Luft genossen werden. So können auch Wolken oder Tiere, z. B. Schafe, beobachtet werden. Die PatientInnen sollen animiert werden, Blumen zu pflücken, Pflanzen- und Baumarten zu bestimmen oder sogar Blätter und Rinde zu betasten. Sie tauschen sich untereinander und mit dem Pflegepersonal aus, singen oder gehen spazieren. Die individuelle Wahl der Unternehmung sollte nicht erzwungen werden. Ziele der Übung: Das Vorhaben, die Natur wahrzunehmen und zu genießen, steht im Fokus dieser Aktivierung. Es sollen alle Sinne angeregt werden, was zur Entspannung bzw.
Beruhigung des PatientInnen beiträgt. Tief durchzuatmen und aktive Bewegung stärken zudem die Mobilität und Ausdauer.
Irene Kuhn
Irene Kuhn ist seit 5 Jahren als Aktivierungsfachfrau HF im Alterszentrum Gibeleich tätig. Ihr Schwerpunkt liegt vorwiegend in der Begleitung demenziell erkrankter BewohnerInnen. Am Beginn dieses Abschnitts wurde bereits auf die sogenannten Zehn-Minuten-Aktivierung verwiesen, die wiederholt und nach Möglichkeit sogar täglich mit BewohnerInnen und PatientInnen durchgeführt werden kann. Ein nützliches Instrument hierfür ist die sogenannte Gartenbox. Es handelt sich dabei um einen Karton, etwa in der Größe eines Schuhkartons, in dem sich alle Materialien für eine Zehn-Minuten-Aktivierung zu einem bestimmten Thema finden. Eignung: Der Vorteil dieser Gartenboxen liegt darin, dass für jeden therapeutischen Ansatz eine eigene Box zur Verfügung steht, was dem wechselnden Pflegepersonal die Arbeit erleichtert und die wiederholte Durchführung mit Einzelpersonen oder Gruppen auf einfache Art ermöglicht. Ort: Die Aktivität kann im Innenbereich oder auch im Außenbereich durchgeführt werden. Jahreszeit: Der Zeitpunkt dieser Aktivierung ist dem Inhalt der Box anzupassen. Material: Box, Notizen und Aufzeichnungen, die Hinweise und Ideen zum Thema sowie zur Gestaltung des Ablaufs. Aktivität: Um die PatientInnen in die Thematik einzuführen oder um für Gesprächsstoff während der Gartentherapie zu sorgen, bietet es sich an, eine Reihe von Fragen zum Einstieg vorzubereiten: „Hatten Sie früher einen eigenen Garten?“, „Haben Sie viel in Ihrem Garten gearbeitet?“, „Machten Sie die Gartenarbeit gerne?“, „Welche Gartenarbeit machten Sie am liebsten?“ oder „Hatten Sie mehr Blumen oder mehr Gemüse im Garten?“ Abhängig von den PatientInnen können in der Gartenbox auch Gegenstände aus der Welt des Gartens untergebracht werden und über sie gesprochen beziehungsweise Fragen zu diesen gestellt werden. Wenn gartentherapeutische Maßnahmen wiederholt durchgeführt werden, wird im Laufe der Zeit eine nützliche Sammlung an Materialien entstehen. Dies erleichtert nicht nur die alltägliche Arbeit, sondern animiert die Pflegekräfte zum häufigen Einsatz der Gartenbox.
Gartentherapieprogramme in Innen- und Außenbereich für jede Jahreszeit
Gartentherapie im Herbst – Die Gartenbox
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Beruhigung des PatientInnen beiträgt. Tief durchzuatmen und aktive Bewegung stärken zudem die Mobilität und Ausdauer.
Irene Kuhn
Irene Kuhn ist seit 5 Jahren als Aktivierungsfachfrau HF im Alterszentrum Gibeleich tätig. Ihr Schwerpunkt liegt vorwiegend in der Begleitung demenziell erkrankter BewohnerInnen. Am Beginn dieses Abschnitts wurde bereits auf die sogenannten Zehn-Minuten-Aktivierung verwiesen, die wiederholt und nach Möglichkeit sogar täglich mit BewohnerInnen und PatientInnen durchgeführt werden kann. Ein nützliches Instrument hierfür ist die sogenannte Gartenbox. Es handelt sich dabei um einen Karton, etwa in der Größe eines Schuhkartons, in dem sich alle Materialien für eine Zehn-Minuten-Aktivierung zu einem bestimmten Thema finden. Eignung: Der Vorteil dieser Gartenboxen liegt darin, dass für jeden therapeutischen Ansatz eine eigene Box zur Verfügung steht, was dem wechselnden Pflegepersonal die Arbeit erleichtert und die wiederholte Durchführung mit Einzelpersonen oder Gruppen auf einfache Art ermöglicht. Ort: Die Aktivität kann im Innenbereich oder auch im Außenbereich durchgeführt werden. Jahreszeit: Der Zeitpunkt dieser Aktivierung ist dem Inhalt der Box anzupassen. Material: Box, Notizen und Aufzeichnungen, die Hinweise und Ideen zum Thema sowie zur Gestaltung des Ablaufs. Aktivität: Um die PatientInnen in die Thematik einzuführen oder um für Gesprächsstoff während der Gartentherapie zu sorgen, bietet es sich an, eine Reihe von Fragen zum Einstieg vorzubereiten: „Hatten Sie früher einen eigenen Garten?“, „Haben Sie viel in Ihrem Garten gearbeitet?“, „Machten Sie die Gartenarbeit gerne?“, „Welche Gartenarbeit machten Sie am liebsten?“ oder „Hatten Sie mehr Blumen oder mehr Gemüse im Garten?“ Abhängig von den PatientInnen können in der Gartenbox auch Gegenstände aus der Welt des Gartens untergebracht werden und über sie gesprochen beziehungsweise Fragen zu diesen gestellt werden. Wenn gartentherapeutische Maßnahmen wiederholt durchgeführt werden, wird im Laufe der Zeit eine nützliche Sammlung an Materialien entstehen. Dies erleichtert nicht nur die alltägliche Arbeit, sondern animiert die Pflegekräfte zum häufigen Einsatz der Gartenbox.
Gartentherapieprogramme in Innen- und Außenbereich für jede Jahreszeit
Gartentherapie im Herbst – Die Gartenbox
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Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
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Varianten: • Schaufel und Rechen: Kennen Sie diese Gegenstände? Haben Sie Schaufel und Rechen früher in Ihrem Garten benutzt? Haben Sie gerne damit gearbeitet? • Aufsatz einer Gießkanne: Wissen Sie, was das ist? Zu was kann man diesen Gegenstand benutzen? Mussten Sie früher in Ihrem Garten viel gießen? • Rose: Kennen Sie diese Blume? Wie heißt sie? Hatten Sie selbst Rosen im Garten? In welcher Farbe mögen Sie Rosen am liebsten? • Sonnenblumenkerne: Kennen Sie diese Kerne? Mögen Sie Sonnenblumen? Hatten Sie in Ihrem Garten Sonnenblumen und wie hoch wurden diese? • Kürbis: Hatten Sie früher Kürbisse im Garten? Machten Sie daraus Kürbissuppe? Hatten Sie kleine oder große Kürbisse? • Postkarten mit Pflanzenfotos: Wie heißt diese Pflanze (Blume)? Welches ist ihre Lieblingsblume? Ziele der Übung: Diese Methode eignet sich besonders für Einrichtungen, bei denen das Personal häufig wechselt, wodurch wichtiges Wissen über konkrete Vorgehensweisen im Haus bleibt und häufiger angewendet werden kann. Diese Wiederholung schafft Sicherheit und Vertrautheit mit den Tätigkeiten, was die Gartenbox zu einem integralen Bestandteil der alltäglichen Abläufe macht.
Gartentherapie im Herbst – Sauerkraut herstellen
Evelyn Schuh
Die PatientInnen des Ernst-Zimmer-Hauses können sich aufgrund ihrer Erkrankung nicht an der Ernte des Weißkohls (Brassica oleracea convar. capitata var. alba) beteiligen, weshalb dieser von den Gärtnern geerntet und dorthin gebracht wurden. Die Wahl bei dieser Aktivierung fiel auf die Herstellung von Sauerkraut, weil ausreichend Weißkohl vor Ort produziert wurde und damit kostenlos zur Verfügung stand. Außerdem waren einige der BewohnerInnen mit dessen Erzeugung vertraut. Evelyn Schuh, der die Leitung dieser Therapiemaßnahme oblag, beschreibt die Atmosphäre folgendermaßen: „Die Stimmung war ausgelassen und friedlich, man konnte an den glücklichen Gesichtern sehen, dass sie ganz großen Spaß hatten. Mit großer Begeisterung wurde das Kraut mit den geriebenen Karotten und dem Salz auf dem Tisch vermengt. Anschließend wurde es in einem Fass gestampft, bis sich der Saft löste. Alles andere war vergessen, nur die Erzählungen überschlugen sich und es wurde natürlich auch fleißig probiert. Als alles in den Gefäßen verstaut war, ging die Putzaktion los, bei der alle entsprechend ihren Möglichkeiten halfen. Alle waren sich einig, das musste wiederholt werden!“1 1
Persönliche Notizen von Evelyn Schuh, 24.10.2019.
Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
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Varianten: • Schaufel und Rechen: Kennen Sie diese Gegenstände? Haben Sie Schaufel und Rechen früher in Ihrem Garten benutzt? Haben Sie gerne damit gearbeitet? • Aufsatz einer Gießkanne: Wissen Sie, was das ist? Zu was kann man diesen Gegenstand benutzen? Mussten Sie früher in Ihrem Garten viel gießen? • Rose: Kennen Sie diese Blume? Wie heißt sie? Hatten Sie selbst Rosen im Garten? In welcher Farbe mögen Sie Rosen am liebsten? • Sonnenblumenkerne: Kennen Sie diese Kerne? Mögen Sie Sonnenblumen? Hatten Sie in Ihrem Garten Sonnenblumen und wie hoch wurden diese? • Kürbis: Hatten Sie früher Kürbisse im Garten? Machten Sie daraus Kürbissuppe? Hatten Sie kleine oder große Kürbisse? • Postkarten mit Pflanzenfotos: Wie heißt diese Pflanze (Blume)? Welches ist ihre Lieblingsblume? Ziele der Übung: Diese Methode eignet sich besonders für Einrichtungen, bei denen das Personal häufig wechselt, wodurch wichtiges Wissen über konkrete Vorgehensweisen im Haus bleibt und häufiger angewendet werden kann. Diese Wiederholung schafft Sicherheit und Vertrautheit mit den Tätigkeiten, was die Gartenbox zu einem integralen Bestandteil der alltäglichen Abläufe macht.
Gartentherapie im Herbst – Sauerkraut herstellen
Evelyn Schuh
Die PatientInnen des Ernst-Zimmer-Hauses können sich aufgrund ihrer Erkrankung nicht an der Ernte des Weißkohls (Brassica oleracea convar. capitata var. alba) beteiligen, weshalb dieser von den Gärtnern geerntet und dorthin gebracht wurden. Die Wahl bei dieser Aktivierung fiel auf die Herstellung von Sauerkraut, weil ausreichend Weißkohl vor Ort produziert wurde und damit kostenlos zur Verfügung stand. Außerdem waren einige der BewohnerInnen mit dessen Erzeugung vertraut. Evelyn Schuh, der die Leitung dieser Therapiemaßnahme oblag, beschreibt die Atmosphäre folgendermaßen: „Die Stimmung war ausgelassen und friedlich, man konnte an den glücklichen Gesichtern sehen, dass sie ganz großen Spaß hatten. Mit großer Begeisterung wurde das Kraut mit den geriebenen Karotten und dem Salz auf dem Tisch vermengt. Anschließend wurde es in einem Fass gestampft, bis sich der Saft löste. Alles andere war vergessen, nur die Erzählungen überschlugen sich und es wurde natürlich auch fleißig probiert. Als alles in den Gefäßen verstaut war, ging die Putzaktion los, bei der alle entsprechend ihren Möglichkeiten halfen. Alle waren sich einig, das musste wiederholt werden!“1 1
Persönliche Notizen von Evelyn Schuh, 24.10.2019.
Eignung: Die Herstellung von Sauerkraut empfiehlt sich hervorragend als Aktivität in der Gruppe. Ort: Die Aktivität wird im Innenbereich durchgeführt. Jahreszeit: Die Aktivierung findet im Herbst statt (bis Ende Oktober). Material: Große Arbeitsfläche (mehrere Tische); großer Krauthobel, mehrere hohe Eimer, spezielle Töpfe zur Sauerkrautzubereitung (man kann auch in Einmachgläser 1 l Sauerkraut einmachen). Gemüseschäler; große Krautköpfe sowie Karotten und Salz. Aktivität: Schaffen Sie eine große Arbeitsfläche mit ausreichend Sitz- und Rollstuhlmöglichkeiten. Zu Beginn werden die Geräte sowie der Ablauf zur Herstellung von Sauerkraut erklärt, um das Interesse zu wecken. Eine Pflegekraft installiert den Hobel zwischen zwei Tischen und stellt einen großen Eimer darunter. Unter der Aufsicht des Experten werden die Krautköpfe in den Eimer gehobelt. Diese Aktivität eignet sich vor allem für mobile und kräftige PatientInnen. Die Pflegekräfte verteilen außerdem Gemüseschäler unter den übrigen TeilnehmerInnen am Tisch und schälen mit ihnen zusammen die Karotten. Die PatientInnen fangen üblicherweise sehr schnell an zu kommunizieren: So werden meist Erinnerungen geweckt und man tauscht sich zum Beispiel über Rezepte und die richtige Durchführung des Gärprozesses aus. Nach Lagerung kann das fertige Kraut von den BewohnerInnen gegessen werden.
Gartentherapieprogramme in Innen- und Außenbereich für jede Jahreszeit
Sauerkraut-Stampfen im Ernst-Zimmer-Haus.
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Varianten: Es kann auch Spitzkohl für die Fermentierung verwendet werden. Ziele der Übung: Durch die aktive Teilnahme an der Sauerkrautherstellung werden motorisch-sensomotorische Fähigkeiten gestärkt. Insbesondere Mobilität und Motorik werden beansprucht. Auch kognitiv-kreative Bereiche werden gefördert, indem es der Konzentration und des Erinnerungsvermögens bedarf. Im Fokus steht vor allem aber der kommunikative-soziale Aspekt über den Austausch zwischen den PatientInnen sowie denjenigen mit den Pflegekräften.
Gartentherapie im Winter – Adventskränze und Türschmuck Bettina Stehle fertigen Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
Bettina Stehle begann ihre Ausbildung in der Alltagsbetreuung alter Menschen im Oktober 2019 und ist seitdem im Ernst-Zimmer-Haus tätig, in dem sich Wohngruppen für demenziell erkrankte PatientInnen befinden. Im November und Dezember wurden im Ernst-Zimmer-Haus vor allem Kränze in der Adventszeit geflochten und Türschmuck für das Johanneshaus erstellt. Ein besonderer Vorteil von Adventskränzen und Türschmuck liegt darin, dass man nur wenige Materialien hierfür benötigt, diese aber zahlreiche unterschiedliche Möglichkeiten zur Verarbeitung und zum Arrangement bieten. Eignung: Die Herstellung von Adventskränzen empfiehlt sich hervorragend als Gruppenaktivität. Kleine Gruppen von maximal vier Personen bieten sich an. Ort: Die Aktivität wird im Innenbereich durchgeführt. Jahreszeit: Die Aktivierung findet zur Vorweihnachtszeit statt (November–Dezember).
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Material: Große Arbeitsfläche (mehrere Tische); Fichtenzweige, bereits gebundene Kränze oder Ähnliches; Bastelmaterialien; Dekoration, wie Nüsse, farbige Bänder, Figuren etc. Aktivität: Wichtig ist es, Kränze und Türschmuck nur in gemütlichen Gruppen von jeweils vier Personen zu basteln, da eine intensive Betreuung durch die Pflegekräfte sichergestellt sein sollte. Je nach Fähigkeit müssen die Fichtenzweige vorgeschnitten werden! Vorsicht: Verletzungsgefahr durch Draht, Messer oder Schere! Die BewohnerInnen sollen individuell mit den bereitliegenden Materialien umgehen und fantasievoll in der Gestaltung sein. Ziel ist es, dass die BewohnerInnen offenkundig Ideen austauschen und diese umsetzen. Gespräche zwischen den PatientInnen untereinander wie auch mit den Pflegekräften sind zu erwarten. Erinnerungen an vergangene Vorweihnachtszeiten werden da-
Varianten: Es kann auch Spitzkohl für die Fermentierung verwendet werden. Ziele der Übung: Durch die aktive Teilnahme an der Sauerkrautherstellung werden motorisch-sensomotorische Fähigkeiten gestärkt. Insbesondere Mobilität und Motorik werden beansprucht. Auch kognitiv-kreative Bereiche werden gefördert, indem es der Konzentration und des Erinnerungsvermögens bedarf. Im Fokus steht vor allem aber der kommunikative-soziale Aspekt über den Austausch zwischen den PatientInnen sowie denjenigen mit den Pflegekräften.
Gartentherapie im Winter – Adventskränze und Türschmuck Bettina Stehle fertigen Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
Bettina Stehle begann ihre Ausbildung in der Alltagsbetreuung alter Menschen im Oktober 2019 und ist seitdem im Ernst-Zimmer-Haus tätig, in dem sich Wohngruppen für demenziell erkrankte PatientInnen befinden. Im November und Dezember wurden im Ernst-Zimmer-Haus vor allem Kränze in der Adventszeit geflochten und Türschmuck für das Johanneshaus erstellt. Ein besonderer Vorteil von Adventskränzen und Türschmuck liegt darin, dass man nur wenige Materialien hierfür benötigt, diese aber zahlreiche unterschiedliche Möglichkeiten zur Verarbeitung und zum Arrangement bieten. Eignung: Die Herstellung von Adventskränzen empfiehlt sich hervorragend als Gruppenaktivität. Kleine Gruppen von maximal vier Personen bieten sich an. Ort: Die Aktivität wird im Innenbereich durchgeführt. Jahreszeit: Die Aktivierung findet zur Vorweihnachtszeit statt (November–Dezember).
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Material: Große Arbeitsfläche (mehrere Tische); Fichtenzweige, bereits gebundene Kränze oder Ähnliches; Bastelmaterialien; Dekoration, wie Nüsse, farbige Bänder, Figuren etc. Aktivität: Wichtig ist es, Kränze und Türschmuck nur in gemütlichen Gruppen von jeweils vier Personen zu basteln, da eine intensive Betreuung durch die Pflegekräfte sichergestellt sein sollte. Je nach Fähigkeit müssen die Fichtenzweige vorgeschnitten werden! Vorsicht: Verletzungsgefahr durch Draht, Messer oder Schere! Die BewohnerInnen sollen individuell mit den bereitliegenden Materialien umgehen und fantasievoll in der Gestaltung sein. Ziel ist es, dass die BewohnerInnen offenkundig Ideen austauschen und diese umsetzen. Gespräche zwischen den PatientInnen untereinander wie auch mit den Pflegekräften sind zu erwarten. Erinnerungen an vergangene Vorweihnachtszeiten werden da-
bei oft mitgeteilt. Die Dekoration des Pflegeheims mit den selbst gestalteten Kränzen verstärkt die kommunikativen Aspekte dieser Aktivierung längerfristig.
Ziele der Übung: Die Herstellung und Dekoration der Kränze fördert motorisch-sensomotorische Fähigkeiten, insbesondere die Feinmotorik. Der Fokus dieser Aktivierung liegt jedoch im kognitiv-kreativen Bereich, da viel Vorstellungskraft, Fantasie und Kombinationsvermögen gefragt sind. Der kommunikativ-soziale Aspekt wird über den Austausch zwischen den PatientInnen sowie mit den Pflegekräften gestärkt. Das Erleben von Stolz durch Erfolg an der Arbeit sowie von positiven Gefühlen speziell zur Weihnachtszeit durch die bunte Dekoration trägt zudem zu emotionaler Belebung bei.
Gartentherapieprogramme in Innen- und Außenbereich für jede Jahreszeit
Varianten: Die Gestaltung von Kränzen und die Dekoration des Heims kann zu anderen Jahreszeiten mit unterschiedlichsten Materialien wiederholt werden, z. B. Osterkränzen.
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Arbeitsgruppe: Fehler vermeiden und Fehler beheben Auswirkungen von Gruppenaktivitäten in und mit der Natur Positiv
Negativ
Einzelbetreuung in kleinen Gruppen funktioniert am besten. Die Aufmerksamkeitsspanne liegt dabei bei maximal 15 Minuten und ist einfach in den Tagesablauf einzugliedern.
Bei Gruppen mit mehr als drei bis vier BewohnerInnen kann die lange Dauer der Gruppenaktivität zu Demotivation und Konzentrationsverlust führen.
Die Bepflanzung von Beeten bereitet Spaß. Die Mehrheit der BewohnerInnen lässt sich ab und zu gerne einbinden, aber nicht regelmäßig.
Manche BewohnerInnen haben kein großes Interesse oder möchten nur passiv teilnehmen, obwohl sie aktiv sein können.
Gemeinsames Pflücken und Verarbeiten von Gemüse und Obst, Kräutern, aber auch Schnittblumen bringen den BewohnerInnen und dem Personal viel Freude.
Es gibt oft BewohnerInnen, die Einsatz zeigen möchten, dies aber nicht können, da die Kanne für das Gießen zu schwer oder die Unternehmung zu nass ist.
BewohnerInnen pflücken eignes Gemüse/Obst und können dieses als Belohnung selbst verzehren. Die BewohnerInnen sind dabei oft stolz auf ihre erfolgreiche Arbeit.
Der Arbeitsplatz ist nach Gartenaktivierung aufzuräumen, jedoch wollen BewohnerInnen oft nicht helfen.
BewohnerInnen gehen durch den Park, sie sind aktiv und an der frischen Luft.
Manche unebenen Wege machen BewohnerInnen zu schaffen, zum Beispiel Steigungen bei Hanglage oder der zu weite Weg bis zum Gewächshaus.
Lösung: Die Wahl sollte auf kleine Gruppen bis hin zur Einzelaktivierung fallen.
Lösung: Die passive Teilnahme akzeptieren und immer wieder in kleinen Schritten zur aktiven Teilnahme motivieren.
Lösung: Nur einzelne Blumen zum Gießen an BewohnerInnen übertragen und Sitz-/Hochbeete für einen leichteren Zugang verwenden.
Lösung: Aufgaben gerecht verteilen. Die BewohnerInnen für jede erbrachte Aufgabe loben.
Lösung: Gartentherapie auf der Terrasse oder in Hausnähe durchführen. Bänke auf dem Weg installieren und ebene Wege schaffen. Auf die Verwendung von Sitz- und Hochbeeten setzen.
128 Die Arten und das Aroma der Pflanzen können einfach wahrgenommen werden. BewohnerInnen verarbeiten Pflanzen nach Gefühl, auch wenn sie zum Beispiel schlecht sehen. Einfache Blumengestecke machen die BewohnerInnen somit teilweise alleine. Eine Betreuung ist kaum notwendig.
Hochbeete sind teilweise unzugänglich für Rollstuhlfahrer. Lösung: höhenverstellbare, unterfahrbare Hochbeete, wie das mobile Beet SANA.
Es hat sich als praktikabel erwiesen, wenn die gartentherapeutischen Aktivitäten eines Jahres im Voraus geplant werden. Auf diese Weise hat man Übersicht über die anstehenden Arbeiten sowie die Materialien, die hierfür benötigt werden. Die nachfolgenden Hinweise sind als Anregung für die Aufstellung eines eigenen Gartentherapie-Jahreskalenders gedacht. Gleichzeitig zeigen sie, wie wenig Material für die Durchführung gartentherapeutischer Tätigkeiten benötigt wird und welche vielfältigen Aktivitäten trotzdem möglich sind.
Januar DINKELKISSEN: Zwei Lagen Stoff werden auf drei Seiten zusammengenäht, die vierte Seite bleibt offen und kann mit Dinkel gefüllt werden. Anschließend wird auch diese Seite zugenäht. Dinkelkissen können im Backofen oder auf dem Heizkörper erwärmt werden und geben dann eine angenehme Wärme ab. SUKKULENTEN: Steingartengewächse und insbesondere Sukkulenten können im Freien gesammelt oder gekauft werden. Mit diesen kann dann eine flache Schale bepflanzt werden, wobei es wichtig ist, dass sie ein Loch für das Abfließen des Wassers hat. Die Schale kann dann zusammen mit den Sukkulenten sowie Moosen bepflanzt werden, wobei keine Erde benötigt wird. Hat man verschiedenfarbige Pflanzen ausgewählt, entsteht so auf einfache Weise ein Blickfang, der auch im Freien aufgestellt werden kann.
Anregungen für einen Gartentherapie-Jahreskalender
Anregungen für einen Gartentherapie-Jahreskalender
Februar ALPENVEILCHEN: Diese Pflanze blüht in reinem Weiß sowie unterschiedlichen Rosa- und Rot-Nuancen und bevorzugt einen hellen Standort ohne direkte Sonneneinstrahlung. Da sie Temperaturen über 16 Grad Celsius nicht verträgt, stellt man sie am besten in Fluren und kühlen Schlafräumen auf. Für die Gartentherapie empfiehlt sich das Umtopfen von Alpenveilchen, wozu außer den Pflanzen, die es günstig im Gartencenter und bei Gärtnereien gibt, noch Blumenerde sowie Pflanzbehälter benötigt werden. VORSICHT: Alpenveilchen sind giftig. Vor allem die Knolle enthält viele toxische Stoffe, die schon ab geringen Mengen (0,2 Gramm) starke Vergiftungssymptome auslösen können. Dazu zählen unter anderem Krämpfe, Fieber und Läh-
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mung der Atemwege. Deshalb nicht verwenden, wenn demenziell erkrankte Menschen beim Umtopfen helfen! NARZISSEN UND TULPEN: Diese typischen Frühlingsblumen sind in unterschiedlichsten Farben erhältlich. Man kann sie entweder aus Zwiebeln ziehen oder als Schnittblumen beziehungsweise vorgezogen kaufen. Die Kombination verschiedener Blumen erlaubt es, in einem größeren Topf oder Pflanzbehälter den Eindruck einer farbenfrohen Blumenwiese zu schaffen. Fällt die Wahl auf Schnittblumen, so können Narzissen und Tulpen in Vasen arrangiert werden. Frühlingsblumen sind kälteunempfindlicher als viele andere Pflanzen und vertragen deshalb auch kühlere Standorte. VORSICHT: Zwiebelgewächse wie Tulpen, Narzissen etc. sind giftig und deshalb mit Vorsicht zu verwenden, wenn demenziell erkrankte Menschen beteiligt sind! Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
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• Gartenschürze nähen, wenn möglich. Oder Schürze mit Kartoffeln oder Ähnlichem bedrucken. • Pflanzenkarten zeichnen. Pflanzen abmalen lassen. • Kräutersalz mit getrockneten Kräutern herstellen. Salz und Kräuter in einem Mörser fein reiben. Danach in ein Streugefäß abfüllen.
März GÄNSEBLÜMCHEN: Diese Pflanzenart gilt gemeinhin als Unkraut, kann aber in kleinen Töpfen gut als Farbtupfer für Innenräume verwendet werden. Es bietet sich an, die Gänseblümchen mit Wurzeln auszugraben und sie dann zusammen mit Erde in Pflanzbehältern anzubauen. Diese eignen sich als Osterschmuck, wobei Gänseblümchen auch als Salat essbar sind. SCHNITTLAUCH: Viele Küchenkräuter und so auch der Schnittlauch können einfach aus Samen gezogen werden. Hierzu eignen sich kleine mit Erde gefüllte Töpfe, in die die Samen gelegt und dann mit Erde bedeckt werden. Von vielen Küchenkräutern geht ein anregender Geruch aus, man kann sie einfach ernten und dann in verschiedensten Speisen verwenden.
April ERBSEN: Früher gehörten Erbsen zur Grundversorgung und sind deshalb vielen alten Menschen noch gut bekannt. Man sät die Erbsen in Töpfen, die vorher mit Erde gefüllt wurden. Bereits nach gut einer Woche kommen die Keime aus der Erde und wachsen schnell weiter, weshalb es sich anbietet, deren Wachstum über die Wochen hin zu beobachten. Nach der Ernte können die Erbsen in vielfältigster Art weiterverarbeitet werden.
BASILIKUM: Diese Pflanze kann günstig in Supermärkten, Gartencentern und Gärtnereien gekauft werden. Sie riecht intensiv und die Blätter können einfach geerntet und dann in zahlreichen Speisen verwendet werden. Gekaufte Basilikum-Pflänzchen, die in ihren Töpfen oft sehr eng stehen, können in andere Töpfe umgepflanzt werden, wo sie mehr Freiraum haben und damit auch besser wachsen können.
MAIBAUM: Im Außenbereich eignet sich hierfür ein kleiner, freistehender Baum oder ein größerer Strauch, im Innenbereich kann für einen Maibaum eine Birkenfeige (Ficus benjamina) verwendet werden. Die PatientInnen schmücken den Maibaum, in dem sie farbiges Krepppapier in Streifen schneiden und diese dann an den Pflanzen anbringen. Die farbigen Streifen bewegen sich im Wind und sind für viele ein Blickfang. Steht die Pflanze im Freien, so sollte wasserfestes Krepppapier verwendet werden, da die Streifen sonst beim ersten Regen aufweichen. BRENNNESSEL: Dieses „Unkraut“ enthält viele wertvolle Vitamine und eignet sich für die Zubereitung eines Brennnessel-Spinats. Die Pflanzen werden hierzu mit heißem Wasser übergossen, damit sie weniger bitter schmecken. Die Blätter sowie die jungen Spitzen werden von den Stielen getrennt und können dann zusammen mit Zwiebeln und Butter in einem Topf erhitzt werden. Mit Mehl gebunden und/oder mit Schlagrahm verfeinert, bekommt man einen Brennnessel-Spinat, der dem uns besser geläufigen Spinat sehr ähnlich ist. TIPP: Über die Brennnessel mit einem Wallholz oder einer Flasche rollen, wodurch die Brenndrüsen kaputtgehen und nicht mehr brennen.
Juni ERDBEEREN: Dieses Beerenobst ist zumeist bereits ab Mai verfügbar und signalisiert den Beginn des Sommers. Es empfiehlt sich Erdbeerpflanzen zu kaufen und diese mit den PatientInnen zusammen in andere Pflanzbehälter beziehungsweise in Blumenampeln umzutopfen. Abhängig von der gewählten Sorte können Erdbeeren über Wochen hin geerntet werden. Der Anblick der roten Früchte animiert zum Naschen. LÖWENZAHN: Eine Wiese mit vielen Löwenzahnpflanzen zu finden ist sicherlich einfach. Die Löwenzahnblüten können gesammelt werden, wobei darauf geachtet werden sollte, dass die Stängel möglichst lang sind. Hieraus können dann dekorative Kränze geflochten werden, die sich ideal als Tischdekoration eignen.
Anregungen für einen Gartentherapie-Jahreskalender
Mai
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Juli HOLUNDERBLÜTEN (Achtung: Allergiegefahr durch den Blütenstaub!): Holunder blüht abhängig vom Standort im Juni oder im Juli. Die Blüten können abgeschnitten und dann auf verschiedenste Art weiterverarbeitet werden. Hierzu gehören Holunderblütensirup, Holunderblütengelee, Holunderblütensekt sowie Hollerküchlein. Manche Blüten sind stark von Läusen befallen, weshalb diese Blüten nicht geerntet werden sollten, um sich unnötige Arbeit zu ersparen.
Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
PFEFFERMINZE: Diese intensiv duftende Minzsorte kann topfweise gekauft oder, falls vorhanden, im Garten gepflückt werden. Sie eignet sich ideal zur Herstellung einer erfrischenden Pfefferminzlimonade. Hierzu werden die Pflanzen vor der Blüte geschnitten und in Wasser eingelegt. Sie geben über Nacht ihr Aroma an das Wasser ab, das vermischt mit Mineralwasser als Pfefferminzlimonade am nächsten Tag getrunken werden kann. Andere Verarbeitungsmöglichkeiten sind Minztee und Minzsirup.
August LAVENDEL: Die Blüten des Lavendels können geerntet und getrocknet werden – oder es wird getrockneter Lavendel eingekauft. Den Lavendel kann man in kleine Stoffsäckchen packen, sie zunähen und dann als Duftkissen verwenden. Lavendel hat eine beruhigende Wirkung und eignet sich deshalb auch als Füllung für Schlafkissen, die man auf das Kopfkissen legen kann. ESSBARE BLÜTEN: Es gibt Saatgutmischungen, die ausschließlich Pflanzen mit essbaren Blüten enthalten. Die Samen werden in Töpfe und andere Pflanzbehälter gesät, mit Erde bedeckt und nach wenigen Wochen können die Blüten geerntet und als Farbtupfer in Salaten und Beilagen mitgegessen werden.
September
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KORNELKIRSCHE: Im September reifen die Früchte der Kornelkirsche, die trotz ihrer Bezeichnung nicht mit der Kirsche verwandt ist. Kornelkirschen enthalten große Mengen an Vitamin C und können gut als Marmelade eingekocht werden. Hierzu werden sie im überreifen, fast schwarzroten Zustand geerntet. Ein Kilo Kornelkirschen kocht man in Wasser und passiert sie durch ein Sieb, um die Kerne herauszufiltern. Dieses Fruchtmark kocht man mit der gleichen Menge Gelierzucker ein und erhält so eine wohlschmeckende Marmelade. BLUMENZWIEBEL: Der Frühherbst ist die ideale Zeit, um Blumen für die Winterzeit zu ziehen. Hierzu werden Blumenzwiebel in Töpfe gesetzt, die locker mit Erde gefüllt wurden. Mit einer Schicht Herbstlaub auf der Oberfläche kann man die Zwiebel vor zu viel Nässe schützen, falls die Töpfe im Freien aufgestellt werden. Die Töpfe sollten rechtzei-
tig vor dem ersten Frost ins Innere gebracht werden, wo sich im Laufe der nachfolgenden Wochen die Triebe bilden, die sich dann zu blühenden Pflanzen entwickeln.
Oktober
HAGEBUTTE: Bei ihr handelt sich um die Frucht der Heckenrose. Hagebuttenzweige können zu dekorativen kleinen Kränzen oder Türschmuck verarbeiten werden. Die roten Früchte eignen sich außerdem für die Herstellung von Marmelade. Hierzu werden sie in Wasser geköchelt, anschließend wird die Masse durch ein Sieb gedrückt und mit Zucker oder Honig gesüßt aufgekocht. Dann kann die Hagebuttenmarmelade in Gläser abgefüllt werden.
November KÜRBISSE: Im Oktober und November sind Kürbisse in unterschiedlichsten Arten und Formen günstig erhältlich. Man kann sie als Kürbis-Blumengesteck nutzen, in dem der obere Teil abgeschnitten, der Kürbis ausgehöhlt und mit Blumen gefüllt wird. Beliebt sind aber auch Kürbis-Windlichter, bei denen Kerzen in die ausgehöhlten Kürbisse gestellt werden, nachdem man an den Seiten noch Öffnungen in unterschiedlichsten Formen eingeschnitten hat. BUNTE HERBSTBLÄTTER: Verschiedenste Blätter können gesammelt und dann gepresst werden. Hierzu werden sie zwischen weißes Papier gelegt und dann mit einem Stapel Bücher beschwert. Nach einigen Tagen werden die Blätter kurz in einen Topf mit flüssigem Wachs getaucht. Die so behandelten Blätter werden dann aufgehängt und getrocknet. Sie können als Tischdekoration oder als Glasuntersetzer verwendet werden. Gepresste Blätter mit Acrylfarben bemalen. Mit Tupfen Muster malen.
Dezember ADVENTSKRANZ: Das Flechten eines Adventskranzes ist eine typische Tätigkeit in der Vorweihnachtszeit. Hierzu benötigt man einen Strohkranz, den es in Gartencentern gibt. Dieser wird mit frisch geschnittenem Tannengrün umwickelt und die Zweige mit Blumendraht fixiert. Die ebenfalls im Fachhandel erhältlichen Kerzenständer werden dann in den Adventskranz eingesteckt. Weitere Dekorationselemente wie etwa Zimtstangen oder Bänder können nach Belieben hinzugefügt werden. Strohsterne basteln (nur für motorisch geschickte Menschen).
Anregungen für einen Gartentherapie-Jahreskalender
KASTANIEN: Wahrscheinlich gibt es wenige andere Pflanzen, die häufiger Erinnerungen an die Herbstzeit wecken als Kastanien. Sie können gesammelt und für vielfältige Bastelarbeiten verwendet werden. Um mit Kastanien zu basteln, werden lediglich kleine Messer, Zahnstocher, Streichhölzer, Drähte, Fäden oder dünne Schnüre benötigt, womit kleine Figuren, Tiere oder Ähnliches geschaffen werden können.
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Jahresablauf von Aktivitäten
Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
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Monat
Aktivität
Januar
Zweige antreiben
Äpfel dörren
Planung der Jahresarbeit
Februar
Schnittlauch vortreiben
März
Aussaat von Kresse und Petersilie
Schalen für Außenbereich bepflanzen
April
Aussaat der Sommerblumen
Beete mit Hornveilchen bepflanzen
Ostergras aussäen
Ostergestecke fertigen
Mai
Kräuter, Gemüse und Blumen in Außenbereichen pflanzen
Balkonkästen bepflanzen
Juni
Blumensträuße aus geschnittenen Blumen fertigen
Stecklinge setzen
Johannisbeeren verarbeiten
Johannesfeuer
Juli
Blumensträuße aus geschnittenen Blumen fertigen
Pflege der Beete, Ernte reifer Beeren, von Obst und Gemüse
Gemüse fortlaufend nachpflanzen
August
Blumensträuße aus geschnittenen Blumen fertigen
Pflege der Beete, Ernte reifer Beeren, von Obst und Gemüse
Gemüse fortlaufend nachpflanzen
Lavendel ernten und trockenen
September
Blumensträuße aus geschnittenen Blumen fertigen
Äpfel zu Apfelmost verarbeiten
Oktober
Sauerkraut herstellen
Apfelringe schneiden
Blumensträuße aus geschnittenen Blumen fertigen
Zubereitung von Suppen aus geerntetem Gemüse
Anfertigung von Blumendekoration
November
Adventsdekoration basteln
Anfertigung von Blumendekoration
Dezember
Weihnachtsgestecke anfertigen
Adventsgestecke basteln
Duftorangen aufhängen
Interessierte finden das Beispiel für einen Gartenarbeitskalender auf Seite 129, wie er im Johanneshaus für das Jahr 2020 entwickelt wurde. Im Gegensatz zur vorstehenden Liste mit Anregungen für die Gartentherapie werden in diesem Kalender nur die erforderlichen Arbeiten aufgelistet, wodurch ein guter Überblick über alle notwendigen Tätigkeiten entsteht. So sieht man auch auf einen Blick, wann Arbeiten, wie etwa die Aussaat von Pflanzen, durchgeführt werden müssen, die dann zu einem späteren Zeitpunkt in der Gartentherapie verwendet werden.
Anregungen für einen Gartentherapie-Jahreskalender
MISTELZWEIGE: Als immergrüne Pflanzenteile eignen sich Mistelzweige gerade in der Winterzeit für die Dekoration von Innenräumen. Hierzu werden die Mistelzweige auf das passende Format zugeschnitten und mit breitem Schleifenbändern zusammengebunden. Misteln sind allerdings giftig, weshalb sie so hoch angebracht werden sollten, dass sie ohne Hilfsmittel wie etwa eine Leiter nicht erreicht werden können.
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Gartentherapie und Corona
Einfache Übungen für jegliche Gegebenheiten
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Die weit überwiegende Zahl der durch die Covid-19-Pandemie verursachten Todesfälle betrifft ältere und alte Menschen, vor allem wenn diese bereits Vorerkrankungen aufweisen. Alte Menschen und die BewohnerInnen von Pflegeheimen gehören damit zur Corona-Risikogruppe. Da gartentherapeutische Maßnahmen häufig in Altenwohn- und -pflegeheimen eingesetzt werden, müssen bei allen damit verbundenen Tätigkeiten die allgemein gültigen Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden. Hierzu gehören insbesondere das Tragen von Masken und die Einhaltung der Abstandsregeln. Gleichzeitig muss betont werden, dass die Coronakrise nicht zur Vereinsamung von BewohnerInnen und Pflegebedürftigen führen sollte. Vielmehr ist es gerade in dieser Zeit notwendig, durch geeignete Maßnahmen die sozialen Kontakte insbesondere zwischen den BewohnerInnen zu stärken. Gartentherapeutische Aktivitäten im Freien eignen sich hierfür besonders gut, aber auch gärtnerische Tätigkeiten im Innern für PatientInnen, die nicht mehr ins Freie können, empfehlen sich. Gerade die Arbeit im Freien bietet hervorragende Voraussetzungen, um ausreichend Abstand zwischen den TherapieteilnehmerInnen zu schaffen, ohne dass die gemeinsamen Aktivitäten hierunter leiden. In vielen Fällen kann aber nicht sichergestellt werden, dass ein ausreichender Abstand immer eingehalten wird. Einen Ausweg bilden hier Einzelaktivitäten, bei denen gartentherapeutische Maßnahmen nur mit einer Person durchgeführt werden. Geeignet sind hierzu verschiedenste Tätigkeiten, wenngleich die Beschränkung auf eine Person zwangsläufig dazu führt, dass die Gartentherapie bei gleichbleibendem Personalaufwand nur seltener oder kürzer stattfinden kann.
Menschen können schwierige Situationen besser meistern, wenn sie Kontakt zur Natur haben „Der Kontakt zur Natur ist ein Grundbedürfnis und sollte gerade in der derzeitigen Situation sichergestellt werden, um das Wohlbefinden unserer Bewohner und Bewohnerinnen nicht zu gefährden.“ Michael Blank, Geschäftsleiter, Johanneshaus Oeschelbronn
So kann GartenTherapie in Gruppen oder auch einzeln sicher durchgeführt werden:
Handlungsempfehlungen der Internationalen Gesellschaft für GartenTherapie (IGGT) für die Durchführung von GartenTherapie in Einrichtungen Covid-19 wird über Blumen und Pflanzen nicht übertragen
Aktivitäten möglichst in den Außenbereich verlegen
Als Gartentherapeut*in Gesichtsschild tragen zur besseren Verständlichkeit der Sprache
Hände desinfizieren
Oberflächen und Sessel vor und nach der Benutzung mit Desinfektionsmittel reinigen Benutzte Gegenstände vor und nach der Verwendung desinfizieren Bewohner*innen, welche sich offensichtlich nicht wohlfühlen individuell betreuen
www.iggt.eu
Internationale Gesellschaft GartenTherapie
Handlungsempfehlungen der IGGT während der Covid-19-Pandemie
Gartentherapie und Corona
Genügend Abstand sicherstellen
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Herausgeber/Herausgeberin Michael Blank ist Geschäftsführer des Johanneshauses Öschelbronn. Er war jahrzehntelang in leitenden Funktionen in der stationären und ambulanten Altenhilfe tätig. Im Mittelpunkt seines Tuns standen immer innovative Projekte (neue Wohnformen; bester Arbeitgeber; altersgerechte Ernährung), die die Lebensbedingungen der Bewohner sowie das Arbeitsumfeld der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachhaltig verbessern. Die Einbeziehung der Natur in den Lebensalltag der alten Menschen ist ein weiterer Baustein, um das Umweltbewusstsein zu stärken.
Gemeinsam Natur erleben
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Dr. Ute Budliger ist ausgebildete Gärtnerin sowie Gartenbauingenieurin und promovierte am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln. 2017 gründete Sie das Institut für Gartentherapie und erhielt darauf mit dem „Mobilen Beet“ die Nominierung für die „Start-Up Challenge“ auf der Altenpflegemesse. 2019 schrieb Sie eine Studie zum Thema: Effizientere Behandlung dank Gartentherapie. Zudem unterstützt Sie den Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Gartentherapie (IGGT).
Herausgeber/Herausgeberin
Notizen
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Unser Tipp
... zum Thema „Work-Life-Balance“
Was tut mir wirklich gut? Work-Life-Balance für Pflegeberufe Toni Freialdenhoven Als Pflegekraft stoßen Sie täglich an Belastungsgrenzen. Körperlich wie psychisch. Doch was ist Zeitknappheit, Stress oder Schichtdienst entgegen zusetzen? Wie ist es um Ihre Work-Life-Balance bestellt? Wie beugen Sie einem Burnout vor und tanken Lebensfreude? Dieser Leitfaden beschreibt Herausforderungen und Gegenmaßnahmen. Die Themenpalette reicht von Stress, Schlafstörungen und Helfersyndrom über Entspannungstechniken und Time-out bis zum Achtsamkeitstraining. Autor Toni Freialdenhoven schreibt aus der Pflegepraxis. Als Krankenpfleger und Lehrer für Pflegeberufe lädt er ein: „Reflektieren Sie die eigene Situation. Was können Sie selbst ändern? Was ist für Sie hilfreich und umsetzbar? Was tut Ihnen wirklich gut?“ 2021, 132 Seiten, kart., Format:17 x 24 cm ISBN 978-3-7486-0469-3, Best.-Nr. 21716
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