Geistiges Eigentum - eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum? 9783161579219, 3161476476

Geistiges Eigentum ist ein Begriff, der seit gut zehn Jahren wieder vermehrt im Gespräch ist. Der Gesetzgeber hat den Te

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German Pages 435 [439] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil 1 Geistiges Eigentum – Herausbildung, Entfaltung, Niedergang und Wiederetablierung eines umstrittenen Begriffes
§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte
I. Einleitung
II. Parallelen zwischen Sacheigentum und geistigem Eigentum von der Antike bis zum 18. Jahrhundert
1. Sacheigentum und Urheberbefugnisse in der Antike
2. Urheberschutz im frühen Mittelalter bis zur Erfindung des Buchdrucks
3. Die Erfindung des Buchdrucks – Steigerung des Schutzbedürfnisses des Urhebers durch technische Innovation
III. Das Privilegienwesen – Ausgangspunkt der Theorie vom geistigen Eigentum?
1. Funktion von Privilegien
2. Das Privileg als Schutz gegen Nachdruck
3. Privilegienerteilung als Anerkennung eines geistigen Eigentums des Autors
4. Die Lehre vom Verlagseigentum – eine Vorstufe zum geistigen Eigentum?
§ 2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum im 18. und 19. Jahrhundert
I. Der Eigentumsbegriff des 18. Jahrhunderts
1. Der weite Eigentumsbegriff Hugo Grotius‘ auf der Grundlage des römischen Rechts
2. Die weitere Entwicklung des naturrechtlichen Eigentumsbegriffes
II. Erste Ansätze der Theorie vom geistigen Eigentum im deutschen Sprachraum
III. Geistiges Eigentum im 19. Jahrhundert
1. Legitimation des Urheberrechtes durch Bezugnahme auf das Eigentum
2. Befugnisse aus dem geistigen Eigentum im 19. Jahrhundert
a. Gewährung von Abwehrrechten
b. Die inhaltliche Ausgestaltung der Abwehrrechte
aa. Problemlage
bb. Das preußische Allgemeine Landrecht
cc. Das Badische Landrecht von 1809
dd. Das preußische Gesetz gegen Nachdruck von 1837
ee. Verständnis des geistigen Eigentums in der Rechtswissenschaft
3. Das Recht des Autors – Eigentum im Sinne der etablierten Terminologie?
§ 3 Verknüpfung von Sacheigentum und geistigem Eigentum in anderen Rechtsordnungen
I. Propriété littéraire et artistique als Grundlage des französischen Urheberschutzes
II. Literary property in England
1. Der property-Begriff
2. Parallelen zum Sacheigentum in der Entwicklung des englischen Urheberrechts bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts
3. Entwicklung nach Einführung von Act 8 Anne c. 19
a. Warburton
b. Blackstone
c. Rechtsprechung
aa. Millar v. Taylor
bb. Donaldson v. Becket
4. Die weitere Entwicklung bis zum modernen englischen Urheberrecht
§ 4 Bedeutung der Theorie vom geistigen Eigentum für die Entwicklung anderer Bereiche des Schutzes geistigen Schaffens im 19. Jahrhundert – dargestellt am Beispiel des Patentrechts
I. Vorüberlegungen
II. Deutschland
1. Erste Entwicklungen im deutschen Sprachraum
2. Patentschutz und geistiges Eigentum im 19. Jahrhundert
a. Legislative Maßnahmen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
b. Antipatentbewegung contra geistiges Eigentum
c. Die Propatentbewegung
d. Das Reichspatentgesetz von 1877
e. Parallelen und Divergenzen des Schutzes von Erfindung und Sacheigentum
aa. Zeitliche Beschränkung
bb. Rechtsübertragung, Rechtsübergang
III. Frankreich
IV. USA
§ 5 Die Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere Deutungen des Urheberrechts
I. Einleitung
II. Begriffliche Schärfungen bei Klostermann
III. Persönlichkeitsrechtliche Deutungen des Urheberrechts
1. Bluntschli
2. Max Lange
3. Karl Gareis
4. Otto v. Gierke
IV. Kohlers Lehre vom Immaterialgüterrecht
1. Umrisse der Lehre
2. Immaterialgüterrecht, Eigentum und geistiges Eigentum bei Kohler
a. Ausschließlichkeitsbefugnis und Sozialbindung
b. Übertragbarkeit
c. Besitzfähigkeit
d. Kollisionslagen von Sach- und geistigem Eigentum
e. Lizenz
f. Mangelnde theoretische Eignung des Begriffes „geistiges Eigentum“ zur Beschreibung der erfaßten Rechte
3. Zeitgenössische Kritik an Kohlers Immaterialrechtstheorie
4. Ausblick
V. Die Beschränkung des zivilrechtlichen Eigentumsbegriffes des BGB auf körperliche Gegenstände
1. Die Entstehung der Eigentumsdefinition des BGB
2. Modifikation des Eigentumsbegriffs durch § 903 S. 2 BGB und § 90a BGB?
§ 6 Geistiges Eigentum in der wissenschaftlichen Diskussion bis zur Urheberrechtsreform 1965
I. Monistische Theorie
II. Die Diskussion um die Urheberrechtsreform 1965
1. Problemstellung
2. Protagonisten des geistigen Eigentums
a. Heinrich Hubmann
b. Heinrich Lehmann, Ermecke, Overath und Richartz
c. Erich Schulze
d. Stellungnahme des Komponistenverbandes
3. Gegner einer Wiederheranziehung der Theorie vom geistigen Eigentum
a. de Boor
b. Roeber
4. Gropplers Kritik an der monistischen Theorie
5. Bewertung
III. Dualistische Theorie heute
1. Schweiz
2. Frankreich
§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts
I. Reichsgericht
II. Bundesgerichtshof
1. „Geistiges Eigentum“ als Grundlage des Urheberschutzes
a. Die „Tonband/Grundig-Reporter“-Entscheidung (BGHZ 17, 266ff.)
b. Das Literaturecho auf die „Grundig-Reporter“-Entscheidung
c. Geistiges Eigentum als dogmatische Fundierung des Urheberschutzes in weiteren Entscheidungen des BGH
2. „Geistiges Eigentum“ als Abgrenzung zum Sacheigentum
3. Sonstige Verwendungen
III. Rechtsprechung der Oberlandesgerichte
IV. Bundesverfassungsgericht
1. Interpretation des Eigentumsgrundrechts durch das Bundesverfassungsgericht
2. Kasuistik zum Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten
a. BVerfGE 31, 229ff. – Kirchen- und Schulgebrauch
b. BVerfGE 31, 248ff. – Bibliotheksgroschen
c. BVerfGE 31, 255ff. – Tonbandvervielfältigungen
d. BVerfGE 31, 270ff. – Schulfunksendungen
e. BVerfGE 31, 275ff. – Schallplatten
f. BVerfGE 49, 382ff. – Kirchenmusik
g. BVerfGE 79, 1ff. – private Vervielfältigungen
h. BVerfGE 79, 29ff. – Vollzugsanstalten
i. BVerfGE 81, 12ff. – Vermietungsvorbehalt
j. BVerfGE 81, 208ff. – Bob Dylan
k. Beurteilung
3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den weiteren Gebieten des Schutzes geistigen Eigentums
a. BVerfG GRUR 1964, 554ff. – Künstliche Bräunung
aa. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einsichtnahme in Patentakten
bb. Schutz eines geistigen Eigentums an Anmeldeunterlagen für öffentlich-rechtliche Zulassungsverfahren
b. BVerfGE 36, 281 ff. – Erfindung
c. BVerfGE 51, 193ff.; 78, 58ff. – Warenzeichen, Ausstattung
d. Geographische Herkunftsangaben und verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz
aa. Vorab: Überblick über den Schutz geographischer Herkunftsangaben
bb. Die Entscheidung „Weinbergsrolle“ des BVerfG
cc. Auswirkungen der Neugestaltung des Schutzes geographischer Angaben auf deren verfassungsrechtliche Einordnung
§ 8 Geistiges Eigentum und Gesetzgeber
I. Gesetz zur Bekämpfung der Produktpiraterie
II. Art. 162 Bay. Verf.
III. Umsetzung völkerrechtlicher Vereinbarungen und „geistiges Eigentum“
1. Intellectual Property = geistiges Eigentum?
2. Beispiele
a. Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum
b. TRIPS
3. Beurteilung
§ 9 Geistiges Eigentum in der rechtswissenschaftlichen Literatur nach 1965
I. Geistiges Eigentum als rechtstechnischer Begriff
1. Pierre Recht
2. Eugen Ulmer
3. Otto-Friedrich Freiherr v. Gamm
4. Friedrich-Karl Beier
5. Fedor Seifert
6. Haimo Schack
7. Karl-Eckhart Heinz
8. Geistiges Eigentum in der Schweiz
a. Das Schweizerische Institut für geistiges Eigentum
b. Alois Troller
c. Francois Dessemontet
II. Geistiges Eigentum als Sammelbegriff für den Rechtsschutz geistigen Schaffens
§ 10 Ergebnisse Teil 1
Teil 2 Sacheigentum contra geistiges Eigentum – Differenzen und Übereinstimmungen
A. Konzept der Untersuchung
§ 11 Problemlagen
B. Grundprinzipien des Sacheigentums und des geistigen Eigentums
§ 12 Sacheigentum und geistiges Eigentum als subjektive Rechte
I. Der Begriff des subjektiven Rechts
II. Sacheigentum und geistiges Eigentum als subjektive Rechte
1. Sacheigentum
2. Geistiges Eigentum
a. Urheberrecht, Patentrecht, Markenrecht und verwandte Rechtskreise
b. Schutz vor unlauterem Wettbewerb
III. Definition des Begriffes „geistiges Eigentum“ für die vorliegende Untersuchung
§ 13 Eigentum als Herrschaftsmacht
I. Herrschaft als rechtliche Kategorie
II. Die Herrschaftsmacht des Sacheigentümers
1. Das Objekt der Herrschaftsmacht
2. Inhalt und Grenzen der Herrschaftsmacht des Eigentümers
a. Befugnisse des Eigentümers
b. Begrenzungen der Herrschaftsbefugnis
III. Herrschaftsmacht über geistiges Eigentum – Gegenstand, Inhalt, Grenzen
1. Herrschaftsmacht im Urheberrecht
2. Unterschiede zwischen Sachherrschaft und Werkherrschaft
3. Andere Bereiche geistigen Eigentums
§ 14 Absolutheit
I. Die Absolutheit des Sachenrechts
1. Definition
2. Praktische Bedeutung der Differenzierung
3. Verdinglichung relativer Rechte
II. Absolutheit von Schutzpositionen des geistigen Eigentums
§ 15 Publizität
I. Publizität als Strukturprinzip des Sachenrechts
II. Publizität geistigen Eigentums
1. Erkennbarkeit des Rechts
2. Publizitätsfunktionen bei geistigem Eigentum
a. Publizität der Übertragung
b. Vermutungstatbestände und Publizität
c. Gutgläubiger Erwerb und Publizität
§ 16 Spezialitätsprinzip und Bestimmtheitsgrundsatz
I. Spezialität und Bestimmtheit im Sachenrecht
II. Bestimmtheit und geistiges Eigentum
1. Urheberrecht
a. Bestimmtheit der Zuordnung
b. Bestimmtheit der Verfügung
2. Geschmacksmusterrecht
3. Patentrecht, Gebrauchsmusterrecht
4. Markenrecht
§ 17 Ungeteiltheit – Totalität
I. Ungeteiltheit als Strukturmerkmal des Sacheigentums des BGB
1. Die Entwicklung zum ungeteilten Sacheigentum
2. Vor- und Nachteile der Ungeteiltheit
II. Totalität des geistigen Eigentums
1. Totalität des Urheberrechts
2. Markenrecht und Totalität
§ 18 Dinglichkeit
I. Dinglichkeit und Absolutheit
II. Zuordnung als Kern der Dinglichkeit
III. Differenzen zwischen Sach- und geistigem Eigentum
§ 19 Besitz
I. Besitz im Sachenrecht des BGB
II. Besitz im geistigen Eigentum
§ 20 Schutzdauer
I. Die zeitliche Unbeschränktheit des Sacheigentums
II. Zeitliche Befristungen von geistigem Eigentum
1. Die Diskussion im Urheberrecht
2. Weitere Gebiete geistigen Schaffens
§ 21 Körperlichkeit
I. Grundsatz
II. Grenzen der Körperlichkeit
1. Problemlage
2. Körperlichkeit von Computersoftware
3. Ergebnisse
§ 22 Schutz von Bestand und Privatnützigkeit vs. Sozialbindung
I. Schutz und Sozialbindung des Sacheigentums
II. Bestandsschutz, Privatnützigkeit und Sozialbindung des geistigen Eigentums
1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Urheberrecht
2. Differenzen in der Sozialbindung von Sacheigentum und geistigem Eigentum
3. Die Zwangslizenz – eine besondere Form der Sozialbindung
§ 23 Numerus clausus, Typenzwang und Typenfixierung
I. Numerus clausus, Typenzwang und Typenfixierung im Sachenrecht
1. Inhalt des Prinzips
2. Grenzen des Prinzips
II. Numerus clausus und geistiges Eigentum
1. Numerus clausus der Rechte des geistigen Eigentums
a. Grundprinzip
b. Ausnahmen
c. Insbesondere: numerus clausus und Nutzungsrechte am geistigen Eigentum
d. Exkurs: Bezugsobjekt von Nutzungsbefugnissen bei geistigem Eigentum und Sacheigentum
2. Numerus clausus der Rechte aus dem geistigen Eigentum
III. Ergebnis
§ 24 Persönlichkeitsrechtliche Aspekte von Sach- und geistigem Eigentum
I. Geistiges Eigentum
II. Persönlichkeitsrechtliche Komponenten des Sacheigentums
1. Keine normative Fixierung
2. § 1004 BGB und Persönlichkeitsschutz
3. Persönlichkeitsverletzung durch Sachbeeinträchtigungen
4. § 251 Abs. 2 BGB
5. Zwangsvollstreckungsrecht
§ 25 Ökonomische Analyse des Rechts, Sacheigentum und geistiges Eigentum
I. Bedeutung der ökonomischen Analyse des Rechts für den Vergleich von Sacheigentum und geistigem Eigentum
II. Ökonomische Theorie der Property Rights
1. Sacheigentum
2. Geistiges Eigentum
a. Patentrecht
b. Urheberrecht
C. Erwerb und Verlust des Eigentums
§ 26 Originärer und derivativer Erwerb
I. Sachenrecht als Zuordnungsrecht
II. Originärer und derivativer Erwerb beim Sacheigentum
III. Geistiges Eigentum
§ 27 Übertragbarkeit
I. Übertragbarkeit von Sacheigentum
II. Übertragbarkeit von geistigem Eigentum
1. Grundsatz: Übertragbarkeit
2. Ausnahme: Unübertragbarkeit des Urheberrechts
3. „Übertragung“ von Urheberpersönlichkeitsrechten
§ 28 Abstraktheit
I. Trennungsprinzip und Abstraktionsprinzip als Strukturmerkmale der Sachenrechts
II. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Recht des geistigen Eigentums
1. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft im Recht des geistigen Eigentums
2. Abstraktheit der Verfügung über geistiges Eigentum
§ 29 Das Anwartschaftsrecht beim Erwerb von Sacheigentum und geistigem Eigentum
I. Anwartschaftsrechte im Sachenrecht
II. Anwartschaftsrechte im Recht des geistigen Eigentums
1. Urheberrecht
a. Anwartschaftsrechte bei der Entstehung des Urheberrechts
b. Anwartschaftsrechte bei der Disposition über urheberrechtliche Befugnisse
2. Markenrecht
a. Eingetragene Zeichen
b. Nicht eingetragene Zeichen
3. Sonstige Registerrechte
§ 30 Gutgläubiger Rechtserwerb und Vertrauensschutz
I. Gutgläubiger Erwerb von Sacheigentum
1. Gutgläubiger Erwerb von beweglichen Sachen
2. Gutgläubiger Erwerb von Grundstückseigentum
II. Gutgläubiger Rechtserwerb im geistigen Eigentum
1. Urheberrecht
a. Geltendes Recht
b. Reformbedarf?
2. Patentrecht
a. Gutgläubiger Erwerb des Patents vom Nichtberechtigten
b. Gutgläubig lizenzfreier Erwerb
c. Gutgläubiger Erwerb einer Lizenz vom Lizenznehmer
3. Markenrecht
4. Halbleiterschutzgesetz
§ 31 Erbrecht, Sacheigentum und geistiges Eigentum
I. Erbrecht und Sacheigentum
II. Erbrecht und geistiges Eigentum
1. Urheberrecht
a. Grundsatz: Vererblichkeit
b. Beschränkungen der Befugnisse des Erben
aa. Allgemeine erbrechtliche Schranken
bb. Spezifika des Urheberrechts
2. Patentrecht
3. Geschmacksmusterrecht
4. Markenrecht
D. Ansprüche aus dem Eigentum, Eigentümerbefugnisse
§ 32 Herausgabeansprüche
I. Herausgabeanspruch aus dem Sacheigentum
II. Herausgabeansprüche aus geistigem Eigentum
1. Herausgabeanspruch aus dem Urheberrecht
a. Anspruch auf Herausgabe des Urheberrechtes
b. Anspruch auf Herausgabe aus dem Urheberrecht
aa. Kein Herausgabeanspruch aus geistigem Eigentum
bb. Exkurs: Herausgabeansprüche aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
cc. Sachenrechtliche Konsequenzen des fehlenden Herausgabeanspruches aus dem Urheberrecht
2. Patentrecht
a. § 8 PatG
b. Arbeitnehmererfindungsrecht
c. Europäisches Patentübereinkommen
aa. Verfahren vor Erteilung des Patents
bb. Verfahren nach Erteilung des Patents
§ 33 Ansprüche auf Beseitigung
I. Störungsbeseitigungsansprüche im Recht des geistigen Eigentums
1. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche im Urheberrecht
2. Störungsbeseitigung im Patent- und Markenrecht
II. Beseitigung von Störungen bei Sacheigentum
§ 34 Schadensersatzansprüche und Bereicherungsansprüche
I. Sacheigentum
1. Schadensersatzansprüche bei Verletzung des Sacheigentums
2. Bereicherungsausgleich bei Eingriffen in das Eigentum
II. Geistiges Eigentum
1. Schadensersatzansprüche bei Urheberrechtsverletzungen
a. Bezugsobjekt der Rechtsverletzung
b. Verschuldenserfordernis
c. Besonderheiten bei der Schadensberechnung
2. Bereicherungsansprüche – Gefährdungshaftung im Recht des geistigen Eigentums?
a. Bereicherungsanspruch vs. Schadensersatzanspruch
b. Bereicherungsrechtliche Lizenzhaftung
c. Abschöpfung des erzielten Gewinns über das Bereicherungsrecht
3. Differenzen zwischen Patentrecht und Urheberrecht
a. Schadensersatzrecht
b. Bereicherungsrecht
§ 35 Rechtsdurchsetzung im Prozeß
I. Durchsetzung von Ansprüchen aus Sacheigentum als Normalfall
II. Beispiele für Besonderheiten bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Urheberrecht
1. Zuständigkeit für Urheberrechtsstreitigkeiten
a. Rechtswegregelung – § 104 UrhG
b. Zuständigkeitskonzentration für Urheberrechtsstreitigkeiten
2. Geltendmachung von Urheberrechten in Prozeßstandschaft
a. Gewillkürte Prozeßstandschaft im Urheberrecht
aa. Geltendmachung von Nutzungsrechten
bb. Geltendmachung von urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnissen
b. Gesetzliche Prozeßstandschaft im Urheberrecht
3. Internationale Zuständigkeit für Urheberrechtsstreitigkeiten im EuGVÜ
III. Rechtsdurchsetzung im Patentrecht
1. Streitigkeiten um den Bestand des Patents und Verletzungsverfahren
2. Der Patentverletzungsprozeß
§ 36 Zwangsvollstreckung in Sacheigentum und geistiges Eigentum
I. Besonderheiten bei der Zwangsvollstreckung in Urheberrechte gegenüber der Zwangsvollstreckung in Sachen
II. Zwangsvollstreckung in Rechte aus der Erfindung
III. Zwangsvollstreckung in Markenrechte
E. Sicherungsrechte
§ 37 Sicherungskonzepte im Sach- und geistigen Eigentum
I. Sicherungskonzepte im Sacheigentum
II. Geistiges Eigentum als Kreditsicherheit
1. Urheberrecht
2. Markenrechte als Kreditsicherungsinstrument
3. Patentrecht und Kreditsicherung
a. Rechte aus § 15 Abs. 1 PatG
b. Lizenzrechte als Kreditsicherung
F. Nutzungsrechte
§ 38 Gestaltungsmöglichkeiten bei Sach- und geistigem Eigentum
I. Sacheigentum
II. Geistiges Eigentum
1. Grundkonzepte der Nutzungseinräumung
2. Die Zweckübertragungslehre
a. Die Zweckübertragungstheorie im Recht des geistigen Eigentums
b. Zweckübertragungslehre und Sachenrecht
III. Ergebnis
§ 39 Ergebnisse Teil 2
Teil 3 Verknüpfungen
§ 40 Einleitung
§ 41 Strukturähnlichkeit als Rechtsanwendungshilfe
I. Beispiel 1: Bereicherungsausgleich bei Patentverletzungen
II. Beispiel 2: Abwendungsbefugnis des Schuldners eines Anspruches aus § 1004 Abs. 1 BGB bei unverhältnismäßigen Beseitigungskosten
§ 42 Auflösung der Differenzierung von Sacheigentum und geistigem Eigentum?
I. Geistiges Eigentum – eine Sache im Sinne des BGB?
II. Differenzierung zwischen körperlichen und unkörperlichen Sachen im neuen niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuch
§ 43 Systeminkonsistenzen im geistigen Eigentum und ihre Bewältigung – ein Plädoyer für ein Gesetzbuch geistigen Eigentums
I. Beispiel 1: Der Patentschutz für Computerprogramme
1. Urheberrechtsschutz und Patentschutz für Computerprogramme
a. Normativer Rahmen
b. Patentfähigkeit von Software in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung
c. Neuere Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur
2. Ausdehnung des Patentschutzes von Computerprogrammen
3. Die Differenzierung zwischen Urheberrecht und Patentrecht – ein tauglicher Weg zum Schutz von Softwareprogrammen?
a. Abgrenzung zwischen Urheber- und Patentrechtsschutz
b. Schutzzielverwirklichung vs. bestehendes Schutzrechtssystem
II. Beispiel 2: Auflösung der Grenzen von geistigem Eigentum und gewerblichem Eigentum
III. Beispiel 3: Der Schutz von Formmarken – dargestellt am Beispiel des Schutzes von Flaschenformen
IV. Bewältigung der Systeminkonsistenzen durch ein einheitliches Gesetzbuch geistigen Eigentums?
1. Problemlokalisation
2. Problembewältigung durch ein Gesetzbuch geistigen Eigentums
a. Vergleich mit anderen Regelungen
b. Mögliches Konzept eines Gesetzbuches des geistigen Eigentums
c. Transparenz des Rechtsschutzes als Grund für ein Gesetzbuch geistigen Eigentums
d. Probleme des europäischen und internationalen Rechts des geistigen Eigentums
aa. EU-Recht
bb. Internationales Recht des geistigen Eigentums
3. Nationales oder europäisches Gesetzbuch des geistigen Eigentums?
Teil 4 Zusammenfassung
§ 44 Ergebnisse der Untersuchung
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Geistiges Eigentum - eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum?
 9783161579219, 3161476476

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 66

Volker Jänich

Geistiges Eigentum eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum?

Mohr Siebeck

Volker Jänich, geboren 1964; 1984-1989 Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Osnabrück; 1989-1991 wiss. Mitarbeiter an der Universität Osnabrück; 1993 Promotion; 1994 zweites juristisches Staatsexamen; 1995-2000 wiss. Assistent an der Universität Osnabrück; 2000 Habilitation; seit 2001 Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Gerd Bucerius-Lehrstuhl für Bürgerliches Recht mit deutschem und internationalem Gewerblichen Rechtschutz.

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Deutsche Bibliothek

-

CIP-Einheitsaufnahme

Jänich, Volker: Geistiges Eigentum: eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum? / Volker Jänich. - Tübingen: Mohr Siebeck, 2002 (Jus privatum; Bd. 66) 978-3-16-157921-9 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISBN 3-16-147647-6

© 2002 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen aus der Sabon-Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-9610

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück im Sommersemester 2000 als Habilitationsschrift angenommen worden. Wichtige neuere Entwicklungen sind bis August 2001 nachgetragen worden. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Ahrens. Er gab mir den Freiraum, die Schrift während der Assistentenzeit an seinem Lehrstuhl zu erstellen. Das Entstehen der Arbeit wurde von ihm durch eine Vielzahl von Anregungen gefördert. Herrn Prof. Dr. KarlHeinz Gursky danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Mein Dank gilt auch den Sekretärinnen des Lehrstuhls (Frau Giordano, Frau Nitsche und der mittlerweile ausgeschiedenen Frau Kösterke) für die Mithilfe bei der Erstellung des Manuskripts. Hilfreiche Unterstützung erhielt ich von den Mitarbeitern der Bereichsbibliothek Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück. Mein besonderer Dank gilt hier Herrn Reese. Für die tatkräftige Unterstützung bei den Schlußkorrekturen danke ich meinen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Katrin Jaeger, Karsten Knobloch, Ivo Lewalter und Christina Thiering sowie der studentischen Hilfskraft Sylvia Wolfram. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Drucklegung der Arbeit durch einen großzügigen Druckkostenzuschuß ermöglicht. Auch ihr gilt mein Dank. Osnabrück/Jena, im August 2001

Volker Michael Jänich

Inhaltsübersicht

Einleitung Teil 1: Geistiges

1 Eigentum

und Wiederetablierung

- Herausbildung,

eines umstrittenen

Entfaltung,

Niedergang

Begriffes

3

§1

Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte

§2

Geistiges Eigentum und Sacheigentum im 18. und 19. Jahrhundert

§3

Verknüpfung von Sacheigentum und geistigem Eigentum in anderen Rechtsordnungen

57

Bedeutung der Theorie vom geistigen Eigentum für die Entwicklung anderer Bereiche des Schutzes geistigen Schaffens im 19. Jahrhundert dargestellt am Beispiel des Patentrechts

69

Die Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere Deutungen des Urheberrechts

82

§4

§5 §6

3 . .

34

Geistiges Eigentum in der wissenschaftlichen Diskussion bis zur Urheberrechtsreform 1965

108

§7

Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts . . . .

126

§8

Geistiges Eigentum und Gesetzgeber

164

§9

Geistiges Eigentum in der rechtswissenschaftlichen Literatur nach 1965

169

§10 Ergebnisse Teil 1 Teil2:

Sacheigentum

182 contra

geistiges

Eigentum

- Differenzen

und

Übereinstimmungen

185

A. Konzept der Untersuchung

185

§ 1 1 Problemlagen

185

VIII

Inhaltsübersicht

B. Grundprinzipien des Sacheigentums und des geistigen Eigentums

. . . .

187

§ 12 Sacheigentum und geistiges Eigentum als subjektive Rechte

187

§ 13 Eigentum als Herrschaftsmacht

193

§ 1 4 Absolutheit

198

§15 Publizität

202

§16 Spezialitätsprinzip und Bestimmtheitsgrundsatz

207

§ 1 7 Ungeteiltheit - Totalität

212

§18 Dinglichkeit

216

§19 Besitz

219

§20 Schutzdauer

221

§ 2 1 Körperlichkeit

226

§22 Schutz von Bestand und Privatnützigkeit vs. Sozialbindung

230

§ 23 Numerus clausus, Typenzwang und Typenfixierung

234

§ 24 Persönlichkeitsrechtliche Aspekte von Sach- und geistigem Eigentum

.

243

§ 25 Ökonomische Analyse des Rechts, Sacheigentum und geistiges Eigentum

249

C. Erwerb und Verlust des Eigentums

255

§ 26 Originärer und derivativer Erwerb

255

§ 2 7 Übertragbarkeit

258

§28 Abstraktheit

264

§ 29 Das Anwartschaftsrecht beim Erwerb von Sacheigentum und geistigem Eigentum

268

§ 30 Gutgläubiger Rechtserwerb und Vertrauensschutz

276

§ 3 1 Erbrecht, Sacheigentum und geistiges Eigentum

288

D. Ansprüche aus dem Eigentum, Eigentümerbefugnisse

295

§ 32 Herausgabeansprüche

295

§ 33 Ansprüche auf Beseitigung

306

§34 Schadensersatzansprüche und Bereicherungsansprüche

310

§ 35 Rechtsdurchsetzung im Prozeß

320

§ 36 Zwangsvollstreckung in Sacheigentum und geistiges Eigentum

. . . .

328

Inhaltsübersicht

IX

E. Sicherungsrechte

334

§37 Sicherungskonzepte im Sach- und geistigen Eigentum

334

F. Nutzungsrechte

341

§38 Gestaltungsmöglichkeiten bei Sach-und geistigem Eigentum

341

§39 Ergebnisse Teil 2

349

Teil3:

353

Verknüpfungen

§40 Einleitung

353

§41 Strukturähnlichkeit als Rechtsanwendungshilfe

354

§ 42 Auflösung der Differenzierung von Sacheigentum und geistigem Eigentum?

357

§ 43 Systeminkonsistenzen im geistigen Eigentum und ihre Bewältigung ein Plädoyer für ein Gesetzbuch geistigen Eigentums

359

Teil4:

379

Zusammenfassung

§44 Ergebnisse der Untersuchung

379

Literaturverzeichnis

381

Sachregister

405

Inhaltsverzeichnis Einleitung

1 Teill

Geistiges Eigentum - Herausbildung, Entfaltung, Niedergang und Wiederetablierung eines umstrittenen Begriffes 51

Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte I. Einleitung

3 .

3 3

II. Parallelen zwischen Sacheigentum und geistigem Eigentum von der Antike bis zum 18. Jahrhundert

7

1. Sacheigentum und Urheberbefugnisse in der Antike

7

2. Urheberschutz im frühen Mittelalter bis zur Erfindung des Buchdrucks

12

3. Die Erfindung des Buchdrucks - Steigerung des Schutzbedürfnisses des Urhebers durch technische Innovation . . . .

17

III. Das Privilegienwesen - Ausgangspunkt der Theorie

§2

vom geistigen Eigentum?

20

1. Funktion von Privilegien

20

2. Das Privileg als Schutz gegen Nachdruck

21

3. Privilegienerteilung als Anerkennung eines geistigen Eigentums des Autors

23

4. Die Lehre vom Verlagseigentum - eine Vorstufe zum geistigen Eigentum?

33

Geistiges Eigentum und Sacheigentum im 18. und 19. Jahrhundert I. Der Eigentumsbegriff des 18. Jahrhunderts 1. Der weite Eigentumsbegriff Hugo Grotius' auf der Grundlage des römischen Rechts

34 34 35

XII

Inhaltsverzeichnis

2. Die weitere Entwicklung des naturrechtlichen Eigentumsbegriffes II. Erste Ansätze der Theorie vom geistigen Eigentum im deutschen Sprachraum III. Geistiges Eigentum im 19. Jahrhundert 1. Legitimation des Urheberrechtes durch Bezugnahme auf das Eigentum 2. Befugnisse aus dem geistigen Eigentum im 19. Jahrhundert . . a. Gewährung von Abwehrrechten b. Die inhaltliche Ausgestaltung der Abwehrrechte . . . . . . aa. Problemlage bb. Das preußische Allgemeine Landrecht cc. Das Badische Landrecht von 1809 dd. Das preußische Gesetz gegen Nachdruck von 1837 . . ee. Verständnis des geistigen Eigentums in der Rechtswissenschaft

§3

37 38 41 42 45 45 47 47 47 49 52 54

3. Das Recht des Autors - Eigentum im Sinne der etablierten Terminologie?

54

Verknüpfung von Sacheigentum und geistigem Eigentum in anderen Rechtsordnungen

57

I. Propriété littéraire et artistique als Grundlage des französischen Urheberschutzes II. Literary property in England

57 59

1. Der property-Begriff

59

2. Parallelen zum Sacheigentum in der Entwicklung des englischen Urheberrechts bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts

60

3. Entwicklung nach Einführung von Act 8 Anne c. 19 a. Warburton b. Blackstone c. Rechtsprechung aa. Miliar v. Taylor bb. Donaldson v. Becket

64 64 65 65 65 66

4. Die weitere Entwicklung bis zum modernen englischen Urheberrecht

67

XIII

Inhaltsverzeichnis

§4

Bedeutung der Theorie vom geistigen Eigentum für die Entwicklung anderer Bereiche des Schutzes geistigen Schaffens im 19. Jahrhundert - dargestellt am Beispiel des Patentrechts I. Vorüberlegungen

69

II. Deutschland

69

1. Erste Entwicklungen im deutschen Sprachraum 2 . Patentschutz und geistiges Eigentum im 19. Jahrhundert

69

69 . . .

70

a. Legislative M a ß n a h m e n bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

70

b. Antipatentbewegung contra geistiges Eigentum

71

c. Die Propatentbewegung

72

d. Das Reichspatentgesetz von 1 8 7 7

74

e. Parallelen und Divergenzen des Schutzes von Erfindung und Sacheigentum

55

75

aa. Zeitliche Beschränkung

75

bb. Rechtsübertragung, Rechtsübergang

79

III. Frankreich

79

IV. USA

81

Die Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere Deutungen des Urheberrechts

82

I. Einleitung II. Begriffliche Schärfungen bei Klostermann III. Persönlichkeitsrechtliche Deutungen des Urheberrechts

82 83 86

1. Bluntschli

86

2 . M a x Lange

86

3. Karl Gareis

89

4 . O t t o v. Gierke

90

IV. Kohlers Lehre vom Immaterialgüterrecht 1. Umrisse der Lehre

90 90

2 . Immaterialgüterrecht, Eigentum und geistiges Eigentum bei Kohler

92

a. Ausschließlichkeitsbefugnis und Sozialbindung

92

b. Übertragbarkeit

95

c. Besitzfähigkeit

95

XIV

Inhaltsverzeichnis d. Kollisionslagen von Sach- und geistigem Eigentum

96

e. Lizenz

96

f. Mangelnde theoretische Eignung des Begriffes „geistiges Eigentum" zur Beschreibung der erfaßten Rechte

97

3. Zeitgenössische Kritik an Kohlers Immaterialrechtstheorie

. .

4 . Ausblick

100 102

V. Die Beschränkung des zivilrechtlichen Eigentumsbegriffes

56

des B G B auf körperliche Gegenstände

102

1. Die Entstehung der Eigentumsdefinition des B G B

102

2 . Modifikation des Eigentumsbegriffs durch § 9 0 3 S. 2 B G B und § 90a BGB?

106

Geistiges Eigentum in der wissenschaftlichen bis zur Urheberrechtsreform 1965

Diskussion 108

I. Monistische Theorie

108

II. Die Diskussion um die Urheberrechtsreform 1 9 6 5

110

1. Problemstellung

110

2 . Protagonisten des geistigen Eigentums

111

a. Heinrich Hubmann

111

b. Heinrich Lehmann, Ermecke, Overath und Richartz

. . . .

113

c. Erich Schulze

115

d. Stellungnahme des Komponistenverbandes

116

3. Gegner einer Wiederheranziehung der Theorie vom geistigen Eigentum

117

a. de Boor

117

b. Roeber

118

4 . Gropplers Kritik an der monistischen Theorie

122

5. Bewertung

123

III. Dualistische Theorie heute

§7

124

1. Schweiz

124

2 . Frankreich

125

Geistiges Eigentum in der des 20. Jahrhunderts I. Reichsgericht II. Bundesgerichtshof

Rechtsprechung 126 126 128

XV

Inhaltsverzeichnis

1. „Geistiges Eigentum" als Grundlage des Urheberschutzes . . . a. Die „Tonband/Grundig-Reporter"-Entscheidung (BGHZ 17, 266ff.) b. Das Literaturecho auf die „Grundig-Reporter"-Entscheidung c. Geistiges Eigentum als dogmatische Fundierung des Urheberschutzes in weiteren Entscheidungen des BGH . . .

128

2. „Geistiges Eigentum" als Abgrenzung zum Sacheigentum

134

. . .

3. Sonstige Verwendungen

128 131 133

135

III. Rechtsprechung der Oberlandesgerichte

137

IV. Bundesverfassungsgericht

138

1. Interpretation des Eigentumsgrundrechts durch das Bundesverfassungsgericht

138

2. Kasuistik zum Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten a. BVerfGE 31, 229ff. - Kirchen- und Schulgebrauch b. BVerfGE 31, 248ff. - Bibliotheksgroschen c. BVerfGE 31, 255ff. - Tonbandvervielfältigungen d. BVerfGE 31, 270ff. - Schulfunksendungen e. BVerfGE 31, 275ff.-Schallplatten f. BVerfGE 49, 382ff.-Kirchenmusik g. BVerfGE 79, 1 ff. - private Vervielfältigungen h. BVerfGE 79, 29ff. - Vollzugsanstalten i. BVerfGE 81, 12ff. - Vermietungsvorbehalt j. BVerfGE 81, 208ff. - Bob Dylan k. Beurteilung

139 139 141 142 143 143 144 144 144 146 147 148

3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den weiteren Gebieten des Schutzes geistigen Eigentums a. BVerfG GRUR 1964, 554ff. - Künstliche Bräunung . . . . aa. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einsichtnahme in Patentakten bb. Schutz eines geistigen Eigentums an Anmeldeunterlagen für öffentlich-rechtliche Zulassungsverfahren . . b. BVerfGE 36, 281ff. - Erfindung c. BVerfGE 51, 193ff.; 78, 58ff. - Warenzeichen, Ausstattung d. Geographische Herkunftsangaben und verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz aa. Vorab: Überblick über den Schutz geographischer Herkunftsangaben bb. Die Entscheidung „Weinbergsrolle" des BVerfG . . . .

151 151 151 152 155 155 156 156 159

XVI

Inhaltsverzeichnis

cc. Auswirkungen der Neugestaltung des Schutzes geographischer Angaben auf deren verfassungsrechtliche Einordnung

§8

Geistiges Eigentum und Gesetzgeber

160

164

I. Gesetz zur Bekämpfung der Produktpiraterie

164

II. A r t . l 6 2 B a y . Verf

165

III. Umsetzung völkerrechtlicher Vereinbarungen und „geistiges Eigentum"

166

1. Intellectual Property = geistiges Eigentum?

166

2. Beispiele a. Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum b. TRIPS

167 167 167

3. Beurteilung

168

5 9 Geistiges Eigentum in der rechtswissenschaftlichen nach 1965

Literatur

I. Geistiges Eigentum als rechtstechnischer Begriff

169 169

1. Pierre Recht

169

2. Eugen Ulmer

172

3. Otto-Friedrich Freiherr v. Gamm

172

4. Friedrich-Karl Beier

173

5. Fedor Seifert

174

6. Haimo Schack

175

7. Karl-Eckhart Heinz

176

8. Geistiges Eigentum in der Schweiz a. Das Schweizerische Institut für geistiges Eigentum b. Alois Troller c. Francois Dessemontet

176 176 178 179

II. Geistiges Eigentum als Sammelbegriff für den Rechtsschutz geistigen Schaffens

182

§ 10 Ergebnisse Teill

182

Inhaltsverzeichnis

XVII

Teil 2

Sacheigentum contra geistiges Eigentum - Differenzen und Übereinstimmungen

185

A. Konzept der Untersuchung

185

§11 Problemlagen

185

B. Grundprinzipien des Sacheigentums und des geistigen Eigentums

187

§12 Sacheigentum und geistiges Eigentum als subjektive Rechte .

187

I. Der Begriff des subjektiven Rechts

187

II. Sacheigentum und geistiges Eigentum als subjektive Rechte . . . .

188

1. Sacheigentum

188

2. Geistiges Eigentum a. Urheberrecht, Patentrecht, M a r k e n r e c h t und verwandte Rechtskreise b. Schutz vor unlauterem Wettbewerb

189 189 191

III. Definition des Begriffes „geistiges Eigentum" f ü r die vorliegende Untersuchung

192

§ 13 Eigentum als Herrschaftsmacht

193

I. Herrschaft als rechtliche Kategorie

193

II. Die Herrschaftsmacht des Sacheigentümers

193

1. Das O b j e k t der Herrschaftsmacht 2. Inhalt und Grenzen der Herrschaftsmacht des Eigentümers a. Befugnisse des Eigentümers b. Begrenzungen der Herrschaftsbefugnis

194 . .

III. Herrschaftsmacht über geistiges Eigentum - Gegenstand, Inhalt, Grenzen 1. Herrschaftsmacht im Urheberrecht 2. Unterschiede zwischen Sachherrschaft und Werkherrschaft 3. Andere Bereiche geistigen Eigentums

§14 Absolutheit I. Die Absolutheit des Sachenrechts

194 194 195

196 196

. .

196 198

198 198

XVIII

Inhaltsverzeichnis

1. Definition

198

2 . Praktische Bedeutung der Differenzierung

199

3. Verdinglichung relativer Rechte

200

II. Absolutheit von Schutzpositionen des geistigen Eigentums

. . . .

§15 Publizität I. Publizität als Strukturprinzip des Sachenrechts II. Publizität geistigen Eigentums 1. Erkennbarkeit des Rechts 2 . Publizitätsfunktionen bei geistigem Eigentum a. Publizität der Übertragung

201

202 202 203 203 204 204

b. Vermutungstatbestände und Publizität

206

c. Gutgläubiger Erwerb und Publizität

206

§16 Spezialitätsprinzip und Bestimmtheitsgrundsatz I. Spezialität und Bestimmtheit im Sachenrecht II. Bestimmtheit und geistiges Eigentum 1. Urheberrecht

207 207 209 209

a. Bestimmtheit der Zuordnung

209

b. Bestimmtheit der Verfügung

209

2 . Geschmacksmusterrecht

210

3. Patentrecht, Gebrauchsmusterrecht

211

4 . Markenrecht

211

§17 Ungeteiltheit - Totalität I. Ungeteiltheit als Strukturmerkmal des Sacheigentums des B G B . .

212 212

1. Die Entwicklung zum ungeteilten Sacheigentum

212

2 . Vor- und Nachteile der Ungeteiltheit

213

II. Totalität des geistigen Eigentums

214

1. Totalität des Urheberrechts

214

2. Markenrecht und Totalität

215

§18 Dinglichkeit I. Dinglichkeit und Absolutheit II. Zuordnung als Kern der Dinglichkeit III. Differenzen zwischen S a c h - u n d geistigem Eigentum

216 216 217 218

Inhaltsverzeichnis

XIX

§19 Besitz

219

I. Besitz im Sachenrecht des BGB

219

II. Besitz im geistigen Eigentum

220

§20 Scbutzdauer

221

I. Die zeitliche Unbeschränktheit des Sacheigentums

221

II. Zeitliche Befristungen von geistigem Eigentum

223

1. Die Diskussion im Urheberrecht

223

2. Weitere Gebiete geistigen Schaffens

225

§21 Körperlichkeit

226

I. Grundsatz

226

II. Grenzen der Körperlichkeit

227

1. Problemlage

227

2. Körperlichkeit von Computersoftware

228

3. Ergebnisse

229

§22 Schutz von Bestand und Privatnützigkeit

vs. Sozialbindung

.

I. Schutz und Sozialbindung des Sacheigentums

230 230

II. Bestandsschutz, Privatnützigkeit und Sozialbindung des geistigen Eigentums

231

1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Urheberrecht

231

2. Differenzen in der Sozialbindung von Sacheigentum und geistigem Eigentum

232

3. Die Zwangslizenz - eine besondere Form der Sozialbindung

§ 23 Numerus clausus, Typenzwang und Typenfixierung

.

233

234

I. Numerus clausus, Typenzwang und Typenfixierung im Sachenrecht

234

1. Inhalt des Prinzips

234

2. Grenzen des Prinzips II. Numerus clausus und geistiges Eigentum 1. Numerus clausus der Rechte des geistigen Eigentums

235 237 237

XX

Inhaltsverzeichnis

a. Grundprinzip b. Ausnahmen c. Insbesondere: numerus clausus und Nutzungsrechte am geistigen Eigentum d. Exkurs: Bezugsobjekt von Nutzungsbefugnissen bei geistigem Eigentum und Sacheigentum 2. Numerus clausus der Rechte aus dem geistigen Eigentum

237 239 240 241 . . .

III. Ergebnis

§24 Persönlichkeitsrechtliche geistigem Eigentum

242 242

Aspekte von Sach- und 243

I. Geistiges Eigentum

243

II. Persönlichkeitsrechtliche Komponenten des Sacheigentums . . . .

245

1. Keine normative Fixierung

245

2. § 1004 BGB und Persönlichkeitsschutz

246

3. Persönlichkeitsverletzung durch Sachbeeinträchtigungen

. . .

247

4. § 2 5 1 Abs. 2 BGB

247

5. Zwangsvollstreckungsrecht

248

§ 25 Ökonomische Analyse des Rechts, Sacheigentum geistiges Eigentum

und

I. Bedeutung der ökonomischen Analyse des Rechts für den Vergleich von Sacheigentum und geistigem Eigentum II. Ökonomische Theorie der Property Rights

249 249 250

1. Sacheigentum

250

2. Geistiges Eigentum a. Patentrecht b. Urheberrecht

250 250 253

C. Erwerb und Verlust des Eigentums

255

§ 26 Originärer und derivativer Erwerb

255

I. Sachenrecht als Zuordnungsrecht II. Originärer und derivativer Erwerb beim Sacheigentum III. Geistiges Eigentum

255 255 256

Inhaltsverzeichnis

§27 Übertragbarkeit I. Übertragbarkeit von Sacheigentum II. Übertragbarkeit von geistigem Eigentum

XXI

258 258 258

1. Grundsatz: Übertragbarkeit

258

2. Ausnahme: Unübertragbarkeit des Urheberrechts

259

3. „Übertragung" von Urheberpersönlichkeitsrechten

262

§28 Abstraktheit I. Trennungsprinzip und Abstraktionsprinzip als Strukturmerkmale der Sachenrechts II. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Recht des geistigen Eigentums

264 264 265

1. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft im Recht des geistigen Eigentums

265

2. Abstraktheit der Verfügung über geistiges Eigentum

266

§29 Das Anwartschaftsrecht beim Erwerb von Sacheigentum und geistigem Eigentum I. Anwartschaftsrechte im Sachenrecht II. Anwartschaftsrechte im Recht des geistigen Eigentums

268 268 269

1. Urheberrecht a. Anwartschaftsrechte bei der Entstehung des Urheberrechts b. Anwartschaftsrechte bei der Disposition über urheberrechtliche Befugnisse

272

2. Markenrecht a. Eingetragene Zeichen b. Nicht eingetragene Zeichen

273 273 274

3. Sonstige Registerrechte

275

§30 Gutgläubiger Rechtserwerb und Vertrauensschutz I. Gutgläubiger Erwerb von Sacheigentum

269 269

276 276

1. Gutgläubiger Erwerb von beweglichen Sachen

276

2. Gutgläubiger Erwerb von Grundstückseigentum

277

II. Gutgläubiger Rechtserwerb im geistigen Eigentum

278

XXII

Inhaltsverzeichnis

1. Urheberrecht

278

a. Geltendes Recht

278

b. Reformbedarf?

279

2. Patentrecht

281

a. Gutgläubiger Erwerb des Patents vom Nichtberechtigten

.

281

. . .

284

b. Gutgläubig lizenzfreier Erwerb c. Gutgläubiger Erwerb einer Lizenz vom Lizenznehmer

283

3. Markenrecht

284

4. Halbleiterschutzgesetz

287

288

§31 Erbrecht, Sacheigentum und geistiges Eigentum I. Erbrecht und Sacheigentum

288

II. Erbrecht und geistiges Eigentum

288

1. Urheberrecht

288

a. Grundsatz: Vererblichkeit

288

b. Beschränkungen der Befugnisse des Erben

290

aa. Allgemeine erbrechtliche Schranken

290

bb. Spezifika des Urheberrechts

291

2 . Patentrecht

291

3. Geschmacksmusterrecht

292

4 . Markenrecht

292

D. Ansprüche aus dem Eigentum, Eigentümerbefugnisse . . . .

295

§32 Herausgabeansprüche

295

I. Herausgabeanspruch aus dem Sacheigentum

295

II. Herausgabeansprüche aus geistigem Eigentum

297

1. Herausgabeanspruch aus dem Urheberrecht

297

a. Anspruch auf Herausgabe des Urheberrechtes

297

b. Anspruch auf Herausgabe aus dem Urheberrecht

297

aa. Kein Herausgabeanspruch aus geistigem Eigentum

. .

297

bb. Exkurs: Herausgabeansprüche aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht

299

cc. Sachenrechtliche Konsequenzen des fehlenden Herausgabeanspruches aus dem Urheberrecht

300

2. Patentrecht

301

a. § 8 PatG

301

b. Arbeitnehmererfindungsrecht

304

Inhaltsverzeichnis

XXIII

c. Europäisches Patentübereinkommen aa. Verfahren vor Erteilung des Patents bb. Verfahren nach Erteilung des Patents

305 305 306

§33 Ansprüche auf Beseitigung

306

I. Störungsbeseitigungsansprüche im Recht des geistigen Eigentums

306

1. Unterlassungs-und Beseitigungsansprüche im Urheberrecht . .

306

2. Störungsbeseitigung im Patent- und Markenrecht

307

II. Beseitigung von Störungen bei Sacheigentum

§34 Schadensersatzansprüche

und Bereicherungsansprüche

308

. . .

I. Sacheigentum

310 310

1. Schadensersatzansprüche bei Verletzung des Sacheigentums . .

310

2. Bereicherungsausgleich bei Eingriffen in das Eigentum

311

II. Geistiges Eigentum

312

1. Schadensersatzansprüche bei Urheberrechtsverletzungen a. Bezugsobjekt der Rechtsverletzung b. Verschuldenserfordernis c. Besonderheiten bei der Schadensberechnung

...

2. Bereicherungsansprüche - Gefährdungshaftung im Recht des geistigen Eigentums? a. Bereicherungsanspruch vs. Schadensersatzanspruch . . . . b. Bereicherungsrechtliche Lizenzhaftung c. Abschöpfung des erzielten Gewinns über das Bereicherungsrecht 3. Differenzen zwischen Patentrecht und Urheberrecht a. Schadensersatzrecht b. Bereicherungsrecht

§ 35 Rechtsdurchsetzung

im Prozeß

I. Durchsetzung von Ansprüchen aus Sacheigentum als Normalfall . II. Beispiele für Besonderheiten bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Urheberrecht 1. Zuständigkeit für Urheberrechtsstreitigkeiten a. Rechtswegregelung - § 104 UrhG b. Zuständigkeitskonzentration für Urheberrechtsstreitigkeiten

312 312 314 314 314 314 315 316 318 318 319

320 320 320 320 320 321

XXIV

Inhaltsverzeichnis

2. Geltendmachung von Urheberrechten in Prozeßstandschaft . . a. Gewillkürte Prozeßstandschaft im Urheberrecht aa. Geltendmachung von Nutzungsrechten bb. Geltendmachung von urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnissen b. Gesetzliche Prozeßstandschaft im Urheberrecht

322 323

3. Internationale Zuständigkeit für Urheberrechtsstreitigkeiten im EuGVÜ

323

III. Rechtsdurchsetzung im Patentrecht

321 321 321

326

1. Streitigkeiten um den Bestand des Patents und Verletzungsverfahren

326

2. Der Patentverletzungsprozeß

327

§36 Zwangsvollstreckung Eigentum

in Sacheigentum und geistiges 328

I. Besonderheiten bei der Zwangsvollstreckung in Urheberrechte gegenüber der Zwangsvollstreckung in Sachen II. Zwangsvollstreckung in Rechte aus der Erfindung

330

III. Zwangsvollstreckung in Markenrechte

331

E. Sicherungsrechte §37 Sicherungskonzepte

328

334 im Sack- und geistigen Eigentum

....

334

I. Sicherungskonzepte im Sacheigentum

334

II. Geistiges Eigentum als Kreditsicherheit

334

1. Urheberrecht

334

2. Markenrechte als Kreditsicherungsinstrument

336

3. Patentrecht und Kreditsicherung a. Rechte aus § 15 Abs. 1 PatG b. Lizenzrechte als Kreditsicherung

337 337 338

F. Nutzungsrechte §38 Gestaltungsmöglichkeiten Eigentum I. Sacheigentum II. Geistiges Eigentum

341 bei Sach- und geistigem 341 341 341

Inhaltsverzeichnis

XXV

1. Grundkonzepte der Nutzungseinräumung

341

2. Die Zweckübertragungslehre a. Die Zweckübertragungstheorie im Recht des geistigen Eigentums b. Zweckübertragungslehre und Sachenrecht

345 345 347

III. Ergebnis

§39 Ergebnisse

349

Teil2

349 Teil 3

Verknüpfungen

353

§ 40 Einleitung §41 Strukturähnlichkeit

354 als Rechtsanwendungshilfe

354

I. Beispiel 1: Bereicherungsausgleich bei Patentverletzungen

354

II. Beispiel 2: Abwendungsbefugnis des Schuldners eines Anspruches aus § 1004 Abs. 1 BGB bei unverhältnismäßigen Beseitigungskosten

§ 42 Auflösung der Differenzierung und geistigem Eigentum?

von

356

Sacheigentum 357

I. Geistiges Eigentum - eine Sache im Sinne des BGB? II. Differenzierung zwischen körperlichen und unkörperlichen Sachen im neuen niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuch

357

. . .

358

§43 Systeminkonsistenzen im geistigen Eigentum und ihre Bewältigung - ein Plädoyer für ein Gesetzbuch geistigen Eigentums

359

I. Beispiel 1: Der Patentschutz f ü r C o m p u t e r p r o g r a m m e

359

1. Urheberrechtsschutz und Patentschutz f ü r Computerprogramme a. N o r m a t i v e r R a h m e n b. Patentfähigkeit von Software in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung c. Neuere Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur . .

360 361

2. Ausdehnung des Patentschutzes von C o m p u t e r p r o g r a m m e n

362

.

359 359

XXVI

Inhaltsverzeichnis

3. Die Differenzierung zwischen Urheberrecht und Patentrecht ein tauglicher Weg zum Schutz von Softwareprogrammen? . . a. Abgrenzung zwischen Urheber- und Patentrechtsschutz . . b. Schutzzielverwirklichung vs. bestehendes Schutzrechtssystem

364 364 365

II. Beispiel 2: Auflösung der Grenzen von geistigem Eigentum und gewerblichem Eigentum

366

III. Beispiel 3: Der Schutz von Formmarken - dargestellt am Beispiel des Schutzes von Flaschenformen

368

IV. Bewältigung der Systeminkonsistenzen durch ein einheitliches Gesetzbuch geistigen Eigentums?

370

1. Problemlokalisation

370

2. Problembewältigung durch ein Gesetzbuch geistigen Eigentums a. Vergleich mit anderen Regelungen b. Mögliches Konzept eines Gesetzbuches des geistigen Eigentums c. Transparenz des Rechtsschutzes als Grund für ein Gesetzbuch geistigen Eigentums d. Probleme des europäischen und internationalen Rechts des geistigen Eigentums aa. EU-Recht bb. Internationales Recht des geistigen Eigentums

376 376 377

3. Nationales oder europäisches Gesetzbuch des geistigen Eigentums?

377

371 371 373 375

Teil 4

Zusammenfassung

379

§ 44 Ergebnisse der Untersuchung

379

Literaturverzeichnis

381

Sachregister

405

Abkürzungsverzeichnis Die im Text vewendeten Abkürzungen entsprechen den allgemein üblichen, wie sie sich beispielsweise bei Kirchner, Hidelbert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, Berlin/New York, 3. Aufl. 1993 finden. Ergänzend werden die folgenden Abkürzungen verwendet. BW öABGB

Nieuw Burgerlijk Wetboek (Neues niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch) österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

Einleitung Kaum ein anderer Begriff in der deutschen Rechtswissenschaft ist mit so vielen Unsicherheiten behaftet wie der des geistigen Eigentums. § 9 0 3 B G B beschränkt den Eigentumsschutz auf Sachen im Sinne des B G B . Nach § 9 0 B G B umfaßt der Sachbegriff nur körperliche Gegenstände. Das Zusammenwirken beider Normen stellt den Terminus „geistiges Eigentum" in ein fahles Licht. Die Verwendung des Begriffes legt einen Rechtsanwendungsfehler nahe. Dennoch ist die Diskussion um Urheberrecht und gewerbliche Schutzrechte immer wieder eng mit der Bezeichnung „geistiges Eigentum" verbunden. M i t dem Gesetz zur Bekämpfung der Produktpiraterie vom 7 . 3 . 1 9 9 0 hat das geistige Eigentum als Rechtsbegriff wieder Eingang in das deutsche Recht gefunden. 1 Es handelt sich hierbei nicht um einen Zufall: Der Titel des Gesetzesentwurfes wurde während des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach geändert. In der verabschiedeten Fassung ist das Gesetz unter den Titel „Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie" gestellt worden. In den vergangenen Jahren ist dieser Begriff auch wieder häufiger in rechtswissenschaftlichen Publikationen verwendet worden. Die grundlegende Ablehnung, die dem geistigen Eigentum lange Zeit entgegengebracht worden ist, scheint abgeklungen zu sein. Die Kritik ist allerdings nicht verstummt. Rehbinder wendet sich vehement dagegen, die „Werkherrschaft" des Urhebers als „geistiges Eigentum" zu bezeichnen. Der Begriff sei der „Mottenkiste der Rechtsgeschichte" entnommen. 2 Die dem „geistigen Eigentum" eine zentrale Bedeutung zusprechende Entscheidung B G H Z 17, 2 6 6 , 2 7 8 sei Zeugnis einer „rechtstheoretischen Verirrung" des BGH. Trotz der häufigen Bezugnahme auf das geistige Eigentum ist bis heute unklar, was der Begriff überhaupt für einen Bedeutungsgehalt hat. Bezeichnet geistiges Eigentum eine Rechtsposition, ein subjektives Recht? Ist es eine Theorie, die den Geltungsgrund für ein subjektives Recht beschreibt? Oder ist es lediglich ein prägnanter Begriff, der dem geistig Schaffenden eine Verbesserung seiner Rechtsposition ermöglichen soll? In Teil 1 der Arbeit soll geklärt werden, welcher Bedeutungsgehalt dem Begriff „geistiges Eigentum" heute zukommt. ' BGBl. 1990 I S . 4 0 2 . Rehbinder, Urheberrecht 10 , R z . 7 9 .

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Einleitung M i t der vorbezeichneten Problemstellung verknüpft ist die Frage, o b „geisti-

ges E i g e n t u m " eine F o r m von Eigentum ist. Bereits 1 8 8 7 formulierte J o s e f K o h ler die hierfür entscheidende Fragestellung: „Diese Idee kann man nicht mit dem Einwurf vernichten, daß das Eigentum ein Recht an körperlichen Sachen sei; dies ist richtig, aber es verschlägt nichts gegen das Vorhandensein von Rechten an immateriellen Gütern, welche dem Eigentum völlig gleich sind, gäbe es solche, so müßte man eben den Eigentumsbegriff erweitern und sagen: Es gibt neben dem Eigentum in engeren Sinne, welches allerdings nur an körperlichen Gütern bestehen kann, ein Eigentum im weiteren Sinne, welches auch an unkörperlichen Gütern besteht, und der Einwurf würde von selbst abprallen, denn es würde sich sofort erweisen, daß man den Eigentumsbegriff zu eng gefaßt hat." 3 Gefordert ist also ein Vergleich von Sacheigentum und geistigem Eigentum. Ahnlich wie die Rechtsvergleichung zwei unterschiedliche Rechtsordnungen vergleicht, sollen im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit zwei Subsysteme des nationalen Rechts miteinander verglichen werden: das R e c h t des Sacheigentums und das R e c h t des geistigen Eigentums. Das Ergebnis dieses Vergleichs liegt insoweit auf der H a n d , als daß es eine vollkommende Identität von Sacheigentum und geistigem Eigentum nicht gibt: Beispielsweise genießt das Sacheigentum zeitlich unbeschränkten Schutz, während Rechte zum Schutz geistigen Schaffens regelmäßig zeitlich beschränkt sind. 4 Allerdings ist eine nähere Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Sacheigentum und geistigem Eigentum bis heute nicht erfolgt. Ausgangspunkt für einen solchen Vergleich m u ß das Sacheigentum des B G B sein. Dessen Struktur und die dafür akzeptierten Grundprinzipien sind im Kern gesicherter rechtswissenschaftlicher Erkenntnisstand. N e b e n dem Gewinn von begrifflicher Sicherheit bringt dieses strukturvergleichende Untersuchungskonzept einen weiteren Nutzen, der dem der Rechtsvergleichung ähnlich ist. Treten bei der Rechtsanwendung in einem der beiden Rechtsgebiete Schwierigkeiten auf, bietet es sich an, bei der Problemlösung Erkenntnisse aus dem anderen Rechtsgebiet zu berücksichtigen. Problemstellungen, die bei der Anwendung sachenrechtlicher N o r m e n auftreten, k ö n n e n unter Umständen durch Rückgriff auf Problemlösungsstrategien und gesetzgeberische Wertentscheidungen aus dem Recht des geistigen Eigentums bewältigt werden. Eine umgekehrte Vorgehensweise ist ebenso denkbar. Insbesondere in Teil 3 der Arbeit wird diesen Querverbindungen ein besonderes Augenmerk zugewendet.

3 Kohler, Büschs Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handels- und Wechselrechts 47 (1887), 169ff., Reprint in UFITA 123 (1993), 81, 83. 4 Vgl. näher §20.

Teill

Geistiges Eigentum - Herausbildung, Entfaltung, Niedergang und Wiederetablierung eines umstrittenen Begriffes § 1 Geistiges Eigentum in der älteren

Urbeberrecbtsgeschichte

I. Einleitung D e r Eigentumsbegriff des B G B ist durch § 9 0 3 B G B auf Sachen beschränkt. Sachen im Sinne des B G B sind nur körperliche Gegenstände, § 9 0 B G B . Ganz anders ist das Schutzobjekt des geistigen Eigentums beschaffen. Es fehlt ein Sachsubstrat, das Gegenstand von Besitz oder G e w a h r s a m sein kann. M i t dem Begriff „geistiges E i g e n t u m " ist das Bestreben verknüpft, eine nicht-gegenständliche Rechtsposition zu schützen. Die Entstehung der Theorie vom geistigen Eigentum wird in der Regel in das 1 8 . Jahrhundert eingeordnet. 1 Inhaltlich ist sie mit der Herausbildung des Urheberrechtsschutzes verknüpft. Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Diskussion, die in die Theorie v o m geistigen Eigentum mündete, war der Anfang des 1 8 . Jahrhunderts gegebene Schutz des Autors vor Nachdrucken durch Privilegien. Dieser Teilaspekt des Urheberschutzes, aber auch des Schutzes geistigen Schaffens insgesamt, dominierte bereits zuvor die wissenschaftliche Diskussion. D e m Urheberrecht ist weitaus mehr Beachtung geschenkt worden als dem gewerblichen Rechtsschutz. Dies mag nicht zuletzt auf die - zumindest damals - weit größere praktische Bedeutung zurückzuführen sein. Im 1 8 . Jahrhundert, unter dem Einfluß des aufblühenden Naturrechts, bildeten sich neue Lösungsansätze zur Begründung von Urheberrechten heraus. D e r E r w e r b eines Autorenschutzes sollte nicht von einem hoheitlichen Erteilungsakt abhängig sein. Um 1 7 2 0 herum finden sich im deutschen Sprachraum erste Stimmen, die eine Querverbindung zwischen dem Eigentumsbegriff und einer Rechtsposition des Verfassers herstellen. 2 Eine typische Schrift aus dieser Zeit ist 1 Dölemeyer/Klippel, GRUR-FS Bd. I, S.185, 199 (Rz.18); Rehbinder, Urheberrecht10, Rz. 20; Scback, Urheber- und Urhebervertragsrecht2, Rz. 99f.; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 115ff.; Coing, Europäisches Privatrecht, §22 I 1 (S. 152). 2 Gundling, (Rechtliches und vernunftmäßiges Bedenken eines Icti, der unpartheyisch ist, von dem schändlichen Nachdruck andern gehöriger Bücher, Halle 1726), Böhmer (Kurze Ein-

4

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

die von J o h a n n R u d o l f Thurneisen verfaßte Baseler Dissertation „ V o m unerlaubten B ü c h e r n a c h d r u c k " . 3 Thurneisen erklärt den Geltungsgrund des (Sach-) Eigentums naturrechtlich: „Die Pflichten, welche dem Menschen gemäß dem Naturrecht hinsichtlich des Eigentums an Sachen zur Beachtung auferlegt sind, ergeben sich aus dem Wesen der Mitmenschlichkeit, dir für uns sowohl Selbstachtung als auch Nächstenliebe erheischt." 4 Anschließend stellt Thurneisen die Konsequenzen dieser Sichtweise für den Schutzumfang des Sacheigentums heraus. Besonders betont er - unter Bezugnahme auf Ausführungen Ciceros zum Diebstahl - die Pflicht, fremdes Eigentum zu respektieren. In unmittelbarem Anschluß heißt es: „Sofern also der rechtswidrige Nachdrucker von Büchern solche seinen Nächsten betreffenden Verpflichtungen mißachtet, indem er den rechtmäßigen Eigentümer und Besitzer einer Sache auf rechtswidrige Weise in seinem Besitz und den zu diesem gehörenden Rechten verletzt, ihm sein Eigentum entwendet und von einer fremden Sache ohne Genehmigung des Eigentümers Gebrauch macht, indem er Bücher druckt und verkauft, deren Verkaufsrecht ein anderer für sich allein in legitimer Weise und mit festen Verträgen erworben hat: welcher Grund besteht, nicht zu behaupten, aus den genannten Umständen ergebe sich, daß ein solcher Büchernachdruck, wie wir ihn geschildert haben, nach dem Naturrecht unerlaubt und deshalb Diebstahl sei?" In diesen Ausführungen spiegelt sich ein neues Verhältnis zum Urheberschutz wieder: Die Rechtsverwirklichung ist nicht mehr von einem hoheitlichen Akt (Privilegienerteilung) abhängig; vielmehr folgen Abwehrrechte unmittelbar aus der Werkschöpfung selbst. D e m Autor steht ein Eigentumsrecht am W e r k zu. In der Folgezeit k a m dem Begriff des Eigentums die Funktion zu, das genuine Recht des Urhebers an seinem Werk zu legitimieren. D e r Begriff „ E i g e n t u m " wurde ganz allgemein zur Beschreibung der Rechte der Schriftsteller an ihren Werken verwendet. 5 Als wesentliches Kennzeichen der Theorie v o m geistigen Eigentum kann daher festgehalten werden, daß nach ihr den Schriftstellern mit Werkerstellung originär, also nicht erst aufgrund eines Hoheitsaktes, Befugnisse in bezug auf ihre Werke zustanden. Die Lehre v o m geistigen Eigentum stellte aber für viele Vertreter der deutschen Rechtswissenschaft nur einen Zwischenschritt dar. D e m Begriff geistiges Eigenleitung zum geschickten Gebrauch der Akten, Halle 1731) und Birnbaum (Eines aufrichtigen Patrioten unparteiische Gedanken über einige Quellen... des Verfalls der jetzigen Buchhandlung, worinnen... erwiesen wird, daß der unbefugte Nachdruck... Diebstahl sei, Schweinfurt, 1733); Quellenangaben nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.79f. 3 Deutsche Übersetzung von Thieme, in: FS 100 Jahre RBÜ, S. 13 ff. 4 Thurneisen, Reprint in FS 100 Jahre RBÜ, S.25. 5 Vgl. Dölemeyer/Klippel, GRUR FS Bd. I, S.185, 206 (Rz. 35).

§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren Vrheberrechtsgeschichte

5

tum wurde (und wird) in Deutschland Skepsis entgegengebracht. Die Kritik an der Theorie vom geistigen Eigentum verdichtete sich in Deutschland ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist das von Roeber 6 berichtete Verhalten Deutschlands beim Zustandekommen der Berner Übereinkunft. Geplant war, das Abkommen unter den Titel „Union générale pour la protection des droits d'auteurs" zu stellen. Frankreich beantragte, den Schutzgegenstand mit den Worten „de la propriété littéraire et artistique" zu beschreiben. Dieser in Frankreich übliche Ausdruck entspräche dem deutschen Begriff „Urheberrecht". Dem Änderungsvorschlag wiedersetzte sich der Vertreter Deutschlands und begründete dies mit den Konsequenzen, die die Rechtslehre aus dem Begriff „propriété" herleiten würde. Nachdem bei einer ersten Abstimmung der Änderungsvorschlag die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen konnte, erklärte die deutsche Delegation, die Aufrechterhaltung des Beschlusses werde Deutschland sehr wahrscheinlich daran hindern, der Übereinkunft beizutreten. Deutschland könne nicht einer nach deutscher Rechtsauffassung unrichtigen Bezeichnung zustimmen. Die streitige Titelformulierung wurde schließlich durch den Kompromißvorschlag der Schweizer Delegation ersetzt: „protection des oeuvres littéraires et artistiques". Im Protokoll ist vermerkt worden, daß durch diese Titelwahl keiner Urheberrechtstheorie Folge geleistet werde. Jedes Land könne den Titel der Berner Übereinkunft so übersetzen, wie es die in der Übereinkunft angesprochenen Rechte zu bezeichnen pflege. Das Verhalten der deutschen Delegation auf der Berner Konferenz zeigt, daß in Deutschland große Vorbehalte gegenüber dem „geistigen Eigentum" bestanden. Ursache hierfür war die verstärkte Beachtung urheberpersönlichkeitsrechtlicher Aspekte. Diese konnten aber anscheinend nicht hinreichend mit der Lehre vom geistigen Eigentum erfaßt werden. Anhaltspunkte für eine solche persönlichkeitsrechtliche Sicht finden sich bereits in einer Schrift Kants aus dem Jahr 1785 7 . Kant betrachtete den Büchernachdruck aus einer stark an allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts, insbesondere dem Auftragsrecht, orientierten Perspektive. Der Nachdrucker betreibe ein Geschäft eines anderen (des Autors) und sei daher verpflichtet, dem Verfasser alles herauszugeben, was er durch den Nachdruck erlangt hat. 8 Der Inhalt eines Buches sei eine Rede des Autors an den Leser.9 Durch den Druck des Buches werde diese Rede vom Verleger

6

Vgl. hierzu Roeber, UFITA 21 (1956), 150,156f. unter Zitierung von Actes de la Conférence de Berne, 1885, S.20f., 40. 1 Kant, Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks, Berliner Monatsschrift 5 (1785), 403ff. (Reprint in UFITA 106 (1987), 137ff.). 8 Kant, UFITA 106 (1987), 137, 138ff. 9 Kohler, AcP 32 N.F. (1894), 141ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 99, 127), der dem Gesamtwerk Kants ablehnend gegenübersteht, meinte, diese Idee sei „keinem juristischen Boden entsprungen, sondern der abenteuerlichen Ausgeburt eines unjuristischen Genius." Kant selbst wird von Kohler (a.a.O.) als „formalistischer gemütloser Schematiker" bezeichnet.

6

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

vervielfältigt. Sie bleibe aber auf jeden Fall eine Rede des Autors. D e r Verleger werde lediglich bevollmächtigt, die Rede zu verbreiten. Z u einer Auseinandersetzung mit dem Eigentumsbegriff wird K a n t durch die Frage nach den Konsequenzen der Veräußerung des gedruckten Exemplars durch den Verleger geführt. 1 0 Er diskutiert, o b die Übereignung des Vervielfältigungsexemplars dem Erwerber das R e c h t verschafft, das Werk nachzudrucken. Dies lehnt K a n t mit dem Argument ab, das „ R e c h t zum Verlag" sei ein „persönliches bejahendes R e c h t " . Ein solches Recht könne niemals aus dem Eigentum an einer Sache allein gefolgert werden. M i t dem Eigentum sei zwar das Recht zur Abwehr von Einwirkungen, die dem beliebigen Gebrauch der Sache entgegenstehen, verbunden. Es beinhalte aber nicht die Befugnis, von einer Person etwas verlangen zu können. 1 8 2 4 prägt Neustetel den Ansatz für die moderne, persönlichkeitsrechtliche Deutung des Urheberrechts. In seiner Abhandlung „ D e r Büchernachdruck, nach römischem R e c h t b e t r a c h t e t " 1 1 , entfaltet er umfassend den Schutz der Persönlichkeit durch die Rechtsordnung. 1 2 Z u m Persönlichkeitsschutz wird von ihm die Möglichkeit gerechnet, seine Gedanken frei zu äußern und mitzuteilen. 1 3 Diese aus der Persönlichkeit folgende Position werde verletzt, wenn ohne Zustimmung des Verfassers eine Vervielfältigung erfolge. 1 4 Ausgehend von diesem Ansatz formierte sich im 1 9 . Jahrhundert - als K o n t r a p u n k t zur Theorie v o m geistigen Eigentum - die T h e o r i e v o m Urheberrecht als Persönlichkeitsrecht. Einer ihrer entschiedensten Vertreter war der Schweizer J o h a n n Caspar Bluntschli. 1 5 Auch O t t o Gierke bezog diese Position. 1 6 M i t Kohlers Lehre v o m Immaterialgüterrecht 1 7 etablierte sich eine weitere Deutung des Urheberrechts. Mittlerweile wird überwiegend die monistische T h e o r i e 1 8 , der eine Verklammerung persönlichkeitsrechtlicher und vermögensrechtlicher Befugnisse zugrunde liegt, vertreten. Hierdurch hat sich die deutsche Urheberrechtstheorie einen weiteren Schritt von der Lehre v o m geistigen Eigentum entfernt. Ausgehend von dieser Grobskizzierung soll zur näheren Inhaltsbestimmung

Kant, Reprint in UFITA 106 (1987), 137, 140ff. Neustetel, Reprint in UFITA 124 (1994), 243 ff. 12 Neustetel, Reprint in UFITA 124 (1994), 243, 256f. 13 Neustetel, Reprint in UFITA 124 (1994), 243, 264. 14 Neustetel, Reprint in UFITA 124 (1994), 243, 266f. 15 Insbesondere: Bluntschli, Das sogenannte Schrifteigentum. Das Autorrecht., Kritische Überschau 1 (1853) lff.; zitiert nach Rehbinder, UFITA 123 (1993), 29, 32f. 16 Gierke, Deutsches Privatrecht I, § 85 (S.748ff.). 17 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 1 (S. 1). 18 Nicolini, in: Möhring/Nicolini, § 1 Anm.5c; Schricker 2 /Schricker, Einleitung Rz.21; Rehbinder, Urheberrecht10, Rz. 28; Fromm/Norderaann'/Noriiema«n, § 11 Rz.2; Hoebbel, Schutz von Sammelwerken, S. 18 f. 10 11

§ 1 Geistiges

Eigentum

in der älteren

7

Urheberrechtsgeschichte

das Aufkommen und das Verschwinden der Lehre vom geistigen Eigentum näher betrachtet werden.

II. P a r a l l e l e n z w i s c h e n S a c h e i g e n t u m u n d g e i s t i g e m E i g e n t u m v o n der A n t i k e bis z u m 1 8 . J a h r h u n d e r t 1. Sacheigentum

und Urheberbefugnisse

in der

Antike

Der Antike war ein dem heutigen Urheberrecht vergleichbarer umfassender Schutz des Urhebers unbekannt. Ein tatsächliches Bedürfnis für Urheberrechtsschutz bestand nicht: Der Buchdruck war noch nicht erfunden. Die Verbreitung von Geisteswerken erfolgte daher primär durch mündliche Überlieferung. 19 Etwas anderes gilt aber für das R o m der Kaiserzeit. Vieles spricht dafür, daß es in R o m und anderen größeren Städten Buchhandlungen gab, die Abschriften von schriftstellerischen und dichterischen Werken verkauften. Die Vervielfältigung erfolgte durch im Schreiben geübte Sklaven. 20 O b der Verleger selbst den Vertrieb übernahm oder ob dieser einem unabhängigen Buchhandel oblag, läßt sich nicht feststellen. M i t dieser manuellen Vervielfältigung ging ein reger Manuskripthandel einher. Dieser Manuskripthandel ist (worauf Visky hingewiesen hat) bereits von Seneca einer Würdigung unterzogen worden: In omnibus

istis quae modo

do? quia alter rei dominus Doms

librariues

suos dicet, et utrumque

sibi, alter tamquam Doro

aeeipere

retuli uterque

emptor

aut emere

eiusdem

est, alter usus, libros dicimus adserit,

libros

rei dominus

est.

Quomo-

esse Cieceronis,

eosdem

verum est. alter illos tamquam

at non eodem

modo,

sie potest

auctor

T. Livius

a

suos.21

Seneca führt also aus, daß die von Cicero verfaßten Bücher auch ihm gehören. Ebenso gehörten sie dem Verleger Dorus, der von Cicero das Manuskript erworben habe. Schließlich stünden sie auch im Eigentum der Käufer der Bücher. Dieser Umstand eröffne auch Cicero die Möglichkeit, seine eigenen Bücher zu erwerben. Visky interpretiert diese Ausführungen dahingehend, daß Seneca eine Differenzierung zwischen der schriftstellerischen Arbeit und der Abschrift bzw. dem Buch vornehme. 2 2 Senecas Schilderung zeige, daß die Römer im schriftlichen Werk das geistige Eigentum des Verfassers erblickt hätten. 2 3 Hierbei soll es sich

Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 15. Visky, UFITA 106 (1987), 17f., Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 15; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. l f . 21 Seneca, De benefieiis VII, c. 6.1., zitiert nach Visky, UFITA 106 (1987), 17, 18. 22 Visky, UFITA 106 (1987), 17, 18. 23 Visky, UFITA 106 (1987), 17, 18. 19

20

8

Teil 1 : Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

aber nicht um ein Eigentum im rechtlichen Sinne handeln, da dem Verfasser keinerlei Rechte allein aufgrund der Erstellung des Werkes zustanden. 24 Dieses untechnische Verständnis eines eventuellen geistigen Eigentums verdient Zustimmung. Dem Rechtsbegriff „Eigentum" ist eine Gewährung subjektiver Abwehrrechte immanent. Für eine solche Rechtseinräumung gibt jedoch das Zitat von Seneca nichts her. Er führt nicht aus, daß aus Ciceros Berechtigung am Schriftwerk irgendwelche Rechte folgen. Diese Meinung ist auch Visky, der darlegt, daß mit Veräußerung des Manuskripts dem Urheber kein Recht mehr zugestanden habe, weder in bezug auf das Manuskript selbst noch in bezug auf das darin enthaltene geistige Produkt. 25 Andere teilen diese Ansicht. Kohler kam nach umfangreichen Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß das alte Rom kein Urheberrecht kannte, obwohl sich ein Buchhandel bereits entwickelt hatte und aufgrund des Sklavenwesens Vervielfältigungsmöglichkeiten bestanden. 26 Gieseke entwickelt seine überzeugende Argumentation ausgehend vom Corpus iuris.27 Nach dem Corpus iuris war Berechtigter an einem Manuskript ausschließlich der Eigentümer des beschriebenen Materials. 28 Dies zeigt zum einen, daß als Voraussetzung für die Gewährung eines subjektiven Rechts eine Verkörperung des Werkes erforderlich war. Daneben zeigt die Verknüpfung zwischen Rechtsgewährung und körperlicher Manifestation aber auch, daß sich der Gedanke eines Rechts an der geistigen Leistung selbst noch nicht ausgebildet hatte. Auch Elster gelangte zu dem Ergebnis, dem römischen Recht sei ein selbständiges Recht an der geistigen Leistung unbekannt gewesen. Die Rechte des Autors seien untrennbar mit der Verkörperung der Gedanken, dem Manuskript, verbunden gewesen. 29 Beachtung verdient allerdings, daß nach dem Corpus iuris dem Verfasser der Schrift die Einrede der Arglist zustehen soll, wenn der Eigentümer die Herausgabe verlangt, ohne bereit zu sein, die „Kosten für die Schrift" zu bezahlen. 30 Diese, soweit ersichtlich einer näheren Betrachtung bisher noch nicht unterzogene Textstelle gibt aufgrund der verschiedenen Deutungen zugänglichen FormulieVisky, UFITA 106 (1987), 17, 27. Visky, UFITA 106 (1987), 17, 27. 26 Kohler, Autorrecht, S. 328; Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, S.29ff. 27 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 16; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. S. 3. 2 8 Inst. 2, 1, 33.; Dig. 4 1 , 1 , 9 (deutsche Übersetzung der Textstelle aus den Institutionen bei Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis I 2 , S. 56). 29 Elster, § 2 A (S. 11). 3 0 Inst. 2,1,33: Litterae quoque, licet aurae sint, perinde chartis membranisque cedunt, acsi solo cedere solent ea quae inaedificantur aut inseruntur: ideoque si in chartis membranisve tuis Carmen vel historiam vel orationem Titius scripserit, huius corporis non Titius, sed tu dominus esse iudiceris. sed si a Titio petas tuos libros tuasve membranas esse nec impensam scripturae solvere paratus sis, poterit se Titus defendere per exceptionem doli mali, utique si bona fide earum chartarum membranarumve possessionem nanctus est. 24 25

51 Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte

9

rung „Kosten für die Schrift" Anlaß zu der Überlegung, ob hier nicht ein Autorenhonorar zu entrichten war. Gegen eine solche Interpretation spricht allerdings, daß sich der Abschnitt auf das Eigentum an den Buchstaben bezieht und auch solche aus Gold unter die getroffene Eigentumszuordnung fallen sollen. Unter den „Kosten der Schrift" sind daher nur die Materialkosten zu verstehen. Neben den Beziehungen zwischen Autor und Verleger, die aus dem Manuskripthandel folgten, wurde die Täuschung über die Identität des Urhebers (das Ausgeben fremder Werke als eigene) diskutiert. Der Dichter Martial hat den auch heute noch für die Inanspruchnahme eines fremden Werkes verwendeten Begriff des Plagiats geprägt. Martial bezeichnet jemanden, der ein fremdes Gedicht als eigenes ausgibt, als plagiarus (Kinderräuber). Ihm scheint es aber nur um eine Ächtung der Anmaßung selbst zu gehen. Vermögensrechtliche Folgen sollten den Martialschen' plagiarus nicht treffen.31 Dziatzko weist der Bezeichnung nur bildliche Bedeutung zu. Schlüsse auf entsprechende Rechtsvorstellungen seien nicht möglich. 32 Einer unbegrenzten Vervielfältigung der Werke sollen nach Kohler unter Umständen Vereinbarungen der Buchhändler entgegengestanden haben, die die „Nachschrift" eine Zeitlang untersagten. Daneben sei möglich, daß ein ähnlicher Schutz durch Monopole herbeigeführt worden sei.33 Hiergegen ist zu Recht eingewandt worden, daß Quellen fehlen, die Hinweise auf einen solchen Schutz geben.34 Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß es einen Urheberschutz im heutigen Sinne nicht gab. Die Werkerstellung zog keine vermögensrechtlichen Konsequenzen nach sich. Nach Veräußerung des Manuskripts standen dem Autor keine Ansprüche gegen den Verleger zu. Die Ursachen der schwachen Position des Autors im antiken Rom sind bisher nur gelegentlich untersucht worden. Ein interessanter Ansatz findet sich bei Elster.35 Er vermutet, daß die in einem schriftstellerischen Werk verkörperte Leistung eventuell als res extra commercium36 angesehen wurde. Hierbei handelte es sich um Sachen, die nicht Gegenstand privater Rechte sein konnten. Zu den res extra commercium werden die res divini iuris (im - nicht privatrechtlichen 31 Vgl. Riezler, §43 11 (S.202); Visky, UFITA 106 (1987), 17,26; den griechischen Ursprung und die Entstehung des Wortes „plagiarus" beschreibt Frohne, UFITA 106 (1987), 41, 42f. 32 Dziatzko, Rheinische Museum für Philologie 49, S. 559, 565. 33 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, S.31; Kohler, Autorrecht, S. 330f. 34 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 17; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 3 in Fn. 1; kritisch ebenso Riezler, § 43 11 (S.201). Auch im umfassenden Nachweis der in römischer Zeit bestehenden Monopole bei Pauly/Heichelheim, Stichwort „Monopole römisch" (BandXVI, 1, Sp. 192ff.) findet sich kein Hinweis darauf, daß geistiges Schaffen durch Monopole geschützt wurde. 35 Elster, § 2 A (S. 11); ebenso Rehbinder, Schweizerisches Urheberrecht, §3 1 (S.25). 36 Der Begriff res extra commercium findet sich nicht in alten Quellen. Er ist erst später für die Gegenstände, die dem Wirtschaftsverkehr entzogen waren (res quarum commercium non est), geprägt worden (vgl. Käser, Römisches Privatrecht, § 18 I 2 (S.90).

10

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Eigentum der Götter stehende Sachen), die res communes omnium (Bsp. 37 : Luft, Wasser) sowie die res publicae, also die Sachen im Eigentum des Staates, gezählt.38 Uberraschend ist zunächst, daß eine Zuordnung in das Recht der Sachen vorgenommen wird. Der Begriff res hat jedoch eine dreifache Bedeutung.39 Es kann sich zum einen - im engeren Sinne - um eine körperliche Sache handeln. Weiter ist möglich, daß der Begriff res im weiteren Sinne alles bezeichnen soll, was Gegenstand eines Rechts oder eines Zivilprozesses sein kann. Schließlich kommt noch die Verwendung als Bezeichnung für ein Vermögen als Ganzes in Betracht. Die weite - nicht auf körperliche Gegenstände beschränkte - Bedeutung des Begriffes res wird deutlich in den Institutionen des Gaius. 40 Dem in 1. Buch behandelten personae stellt Gaius im 2. und 3. Buch die res gegenüber. Diese werden von ihm unterteilt in res corporales und res incorporales. Res incorporales sind nach Gaius auch die Erbschaft und die Obligationen. Er nimmt also keine Beschränkung des Begriffes „res" auf körperliche Sachen vor. Im Corpus iuris wird zwischen körperlichen und unkörperlichen Sachen differenziert.41 Unkörperlich sind Sachen, die man nicht anfassen kann. 42 Hierzu werden die Erbschaft, der Nießbrauch und Schuldverhältnisse jeglicher Art gezählt. Es handelt sich hierbei um Gegenstände, die lediglich rechtlich vorhanden sind.43 Ausgehend von diesem nicht auf körperliche Gegenstände begrenzten Begriff der res kann das unkörperliche Recht des Autors an seinem geistigen Werk als res bezeichnet werden. Von besonderer Bedeutung ist die von Elster vorgenommene Zuordnung des Rechts des Autors zu den res extra commercium,44 In dieser Einordnung spiegelt sich die Einschätzung wieder, daß das geistige Schaffen der Allgemeinheit ohne Einschränkungen zugänglich sein soll. Anknüpfungspunkte für eine solche Sicht liefert die in Rom übliche Unterscheidung zwischen artes liberales und artes illiberales.45 Artes liberales waren alle Tätigkeiten, die einem freien römischen Bürger würdig waren. Ulpian zählte hierzu die Redner, die Grammatiker und die Geometer (Landvermesser).46 Kennzeichnend für die artes liberales war, daß sie

3 7 Vgl. D. 1, 8, 2 pr. u. 1 (deutsche Übersetzung bei Behrends/Kniitel/Kupisch/Seiler, Iuris Civilis II, Digesten 1 - 1 0 ; S. 138). 38 Vgl. Käser, Römisches Privatrecht, § 18 I 2 (S.90). 3 9 Vgl. Käser, Römisches Privatrecht, § 18 I 1 (S.90). 4 0 Vgl. zum folgenden Käser, Römisches Privatrecht, § 18 I 1 (S.90). 41 Inst. 2, 2. 42 „Incorporales (res) autem sunt, quae tangi non possunt." 4 3 Inst. 2, 2. 44 Elster, $2 A (S. 11). 4 5 Vgl. zu diesem Aspekt Visky, UFITA 106 (1987), 17, 36ff. 46 D. 50, 13, 1, pr.

Corpus

§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte

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nicht Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein konnten. Die Lohnarbeit wurde als einem freien Bürger unwürdig angesehen.47 Sofern man das Erstellen von schriftstellerischen Werken zu den artes liberales zählte, könnte die daraus resultierende Unentgeltlichkeit einen Grund für den im römischen Recht fehlenden vermögensrechtlichen Schutz des Autors darstellen. Ein solcher Schutz des geistig Schaffenden ist nicht erforderlich, wenn es diesem verwehrt ist, für seine Tätigkeit eine Vergütung zu verlangen. Einer Sichtweise, nach der die Tätigkeit freier Menschen nicht entlohnt werden kann, widerspricht es, die geistige Arbeit dieser Gruppe als Vermögenswert zu behandeln.48 Diese in sich schlüssige Erklärung gibt jedoch zwei Ansatzpunkte für Kritik. Zum einen ist höchst ungewiß, ob die schriftstellerische Arbeit überhaupt den artes liberales zuzuordnen ist. Bedenken hieran werden schon durch die offensichtlich unterschiedliche Wertschätzung von Dichtern und Prosaschriftstellern hervorgerufen. Letztere genossen eine deutlich höhere Wertschätzung.49 Daher ist es zumindest für die Dichter äußerst zweifelhaft, ob sie eine der artes liberales ausübten. Auch lassen sich Nachweise dafür aufzeigen, daß die Tätigkeit der Autoren im alten Rom nicht nur von dem Streben nach Anerkennung und Ruhm geprägt war. Bei Martial finden sich einige Stellen, die darauf schließen lassen, daß er mit seiner Tätigkeit auch kommerzielle Ziele verfolgte. In seinem Epigramm XI 108 heißt es, er brauche Geld und schließe deshalb ein Buch, um nunmehr sein Honorar vom Verleger zu holen. 50 Ebenso zitiert Frohne 51 einige Ausführungen Martials, die den Schluß auf ein gewisses Gewinnstreben zulassen. Warum sonst sollte er dem Leser den Weg zur Buchhandlung beschreiben52 oder bei einer Bibliothek anfragen, ob noch ein Platz für seine Werke frei sei53? Vor diesem Hintergrund erscheinen Martials Ausführungen, er sehe die Belohnung für seine Bücher nicht in der Entlohnung in Geld, sondern darin, daß er wegen seiner dichterischen Tätigkeit geschätzt und geehrt werde54, nicht völlig widerspruchsfrei. Auch die von Cicero geäußerte Absicht 55 , nach dem hervorragenden Verkauf der Rede „pro Ligario" durch seinen Verleger Atticus diesem auch seine weiteren Werke zur Veröffentlichung zu übertragen, deutet auf eine wirtschaftliche Motivation. Zwingend ist dieser Schluß aber nicht. 56 Ebenso kann das Interesse

Cicero, De officis 150, zitiert bei Visky, UFITA 106 (1987), 17, 37. Visky, UFITA 106 (1987), 17, 38ff. 4 9 Vgl. die Nachweise bei Visky, UFITA 106 (1987), 17, 32. 50 Zitiert bei Schricker, Verlagsrecht, Einleitung Rz.5 und Visky, UFITA 106 (1987), 17, 22 (in Fn. 13). 51 Frohne, UFITA 106 (1987), 41 ff. 5 2 Ep. I, 117, zitiert bei Frohne, UFITA 106 (1987), 41. 53 Ep. V, 5 und VII, 17, zitiert bei Frohne, UFITA 106 (1987), 41. 54 Zitiert bei Visky, UFITA 106 (1987), 17, 32. 55 Zitiert bei Schricker, Verlagsrecht, Einleitung Rz.5. 5 6 A.A. anscheinend Schricker, Verlagsrecht, Einleitung Rz.5. 47 48

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Teül:

Geistiges Eigentum — Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

des Autors an einer möglichst weiten Verbreitung seiner Werke entscheidender Beweggrund sein. Neben diesen von den Autoren beschriebenen Motivationen für ihr Schaffen läßt sich auch der rege Handschriftenhandel selbst nicht widerspruchsfrei mit der Tätigkeit eines freien Bürgers in Einklang bringen. Für die Manuskripte wurden anscheinend höchst unterschiedliche Preise gezahlt. 57 Hieraus kann geschlossen werden, daß nicht nur das vom Autor verwendete Material abgegolten werden sollte. Vielmehr umfaßte der für das Manuskript gezahlte Preis aller Wahrscheinlichkeit nach auch ein Autorenhonorar. Es bestehen also erhebliche Zweifel daran, daß die schriftstellerische Tätigkeit zu den artes liberales zählte. Allerdings mögen die Unsicherheiten über die Bewertung der schriftstellerischen Arbeit dazu beigetragen haben, daß es zur Ausbildung eines umfassenden Urheberschutzes in Rom nicht gekommen ist. Ein weiterer Grund kann darin zu sehen sein, daß Autoren ihre Werke häufig einem wohlhabenden Patron dedizierten, der im Gegenzug nicht nur die gesellschaftliche Anerkennung des Verfassers, sondern auch dessen wirtschaftliches Wohl sicherstellte. Klassisches Beispiel hierfür ist die Verbindung zwischen Horaz und Maecenas. Maecenas (auf den der heute gebräuchliche Ausdruck „Mäzen" zurückzuführen ist) sicherte den Unterhalt des Dichters in einer Weise, die es Horaz ermöglichte, ein eigenes Vermögen aufzubauen. 58 Mit dem Mäzenatentum ging die Verbreitung des Werkes durch den Mäzen häufig einher. Ein Beispiel für die Wahrnehmung dieser Doppelfunktion ist Atticus, der sowohl die Werke des Cicero einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machte als auch dessen materielle Situation absicherte. 59

2. Urbeberschutz im frühen Mittelalter bis zur Erfindung des

Buchdrucks

Bis zur Erfindung des Buchdrucks konnten Bücher nur durch das Erstellen manueller Abschriften vervielfältigt werden. Im frühen Mittelalter konzentrierte sich die handschriftliche Vervielfältigung auf die Universitäten und Klöster. 60 Daneben erstellten auch Stadtschreiber Handschriften. 61 An den Universitäten gab es Handschriftenverleiher, die stationarii. 62 Deren Tätigkeit war in den Statuten einiger Universitäten einer Regelung unterworfen worden. Die stationarii wurden verpflichtet, die Handschriften zu einem bestimmten Preis an die Verlage zur Vervielfältigung zu vermieten. Aus dieser Vgl. die Nachweise bei Visky, UFITA 106 (1987), 17, 33 (in Fn.53). Vgl. Visky, UFITA 106 (1987), 17, 32; Rebbinder, Urheberrecht 9 , § 3 I 1 (S. 19f.). 5 9 Vgl. Dziatzko, Rh. Museum für Philologie 4 9 , 559, 566f. 60 Vgl. Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 17; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht 3 , § 9 I (S.50f.). 61 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.17; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 4. 62 Vgl. Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 17; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 6. 57

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§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren

Urheberrechtsgeschichte

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Pflicht zur Vermietung zieht Gieseke den zutreffenden Schluß, d a ß von einem R e c h t auf Fertigung einer Abschrift auszugehen ist. 6 3 Verfehlt dürfte es aber sein, allein aus diesem R e c h t darauf zu schließen, daß dem Verfasser selbst keine Rechte a m Werk zustanden. Auch dem heutigen Urheberrecht sind trotz des umfassenden Schutzes des Urhebers Verpflichtungen zur Duldung von Vervielfältigungen bekannt. N a c h § 4 5 U r h G ist es zulässig, Vervielfältigungsstücke für gerichtliche und behördliche Z w e c k e herzustellen. § 4 6 U r h G und § 4 7 U r h G begründen Vervielfältigungsrechte unter anderem auch für Bildungszwecke. Diese Regelungen ähneln der mittelalterlichen Verpflichtung zur Duldung der Abschrift. Offen bleibt, ob der Autor an den Vergütungen, die an die stationarii zu zahlen waren, partizipiert hat, oder o b es sich hierbei nur um eine Entlohnung für die Vorhaltung des Textes durch die Verleiher handelte. 6 4 M i t dem Weltbild des M i t telalters, dem Zeitalter der „unbekannten M e i s t e r " , welches das künstlerische Schaffen des M e n s c h e n wie jede andere Handlung auch in eine transzendentale Relation brachte 6 5 , läßt sich eine fehlende Vergütung gut vereinbaren. Die Vorstellung, der Werkschöpfer sei ein bloßer Mittler zwischen G o t t und den M e n schen, drängt die Urheberpersönlichkeit zurück. 6 6 Eine Teilhabe an der Vergütung erscheint fernliegend. Dieses Weltbild scheint auch jeder anderen F o r m des Schutzes geistigen Schaffens entgegenzustehen. D e n n o c h finden sich einzelne Belege dafür, daß das Plagiat auch im Mittelalter mißbilligt wurde. Gieseke 6 7 berichtet von einem Fall aus dem Irland des 6. Jahrhunderts. St. C o lumba und St. Finnian stritten um das - dingliche - Eigentum an einer Abschrift, die C o l u m b a von dem Psalter Finnians ohne Zustimmung gefertigt hatte. König Diarmuid entschied, daß das Eigentum Finnian zustehe. W i e zu jeder K u h das Kalb gehöre, so gehöre zu jedem Buch „his s o n - b o o k " . Die unerlaubte N a c h schrift steht also im Eigentum desjenigen, der das Original erstellt hat. Die Parallele zum Sacheigentum und auch zur heutigen Regelung des B G B für das Eigentum an Sachfrüchten ( § § 9 5 3 , 9 9 Abs. 1 B G B ) überrascht. D e m Verfasser des Originalwerkes scheint hier ein dem Eigentum ähnlicher Schutz gewährt worden zu sein. Eine solche Stellung des Autors ist aber nur dann anzunehmen, wenn die Heranziehung sachenrechtlicher Erwägungen ihre innere Rechtfertigung aus dem Streben nach dem Schutz des Urhebers bezieht. Die Grundlage für Diarmuds Entscheidung war aber vermutlich eine andere. Anscheinend wurden dem 63 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 17, Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 6. 64 Für letzteres votiert - ohne Quellenangabe - Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 17. 65 Vgl. Hölscher, GRUR 1930, 991, 995. 66 Rehhbinder, Schweizerisches Urheberrecht, §3 I (S.26); Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S.68. 67 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 17, unter Bezugnahme auf Adamnan, Life of Saint Columba, edited by Reeves, Edinburgh 1874, S. XLIff.

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Teil 1: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

Psalter Finnians magische Kräfte beigemessen. M a n vermutete, die Abschrift schwäche diesen Gehalt des Werkes. 6 8 Aus dem 1 3 . Jahrhundert ist der Streit zwischen zwei D o m i n i k a n e r n über die Urheberschaft an einem Werk überliefert. 6 9 Beide fratres hießen J o h a n n e s de C o lonia, wobei der eine aus K ö l n am Rhein, der andere aus dem italienischen Colonia S. Faustini bei Viterbo stammte. D a s Generalkapitel des Ordens setzte zur Prüfung und Entscheidung des Falles eine Kommission ein. Dieser gehörten u.a. auch T h o m a s von Aquin und Siger von B r a b a n t an. Anscheinend w a r die K o m mission der Ansicht, daß der geistige Diebstahl zu verurteilen sei. 7 0 Allerdings spiegelt sich dies nicht direkt in ihrer Entscheidung wieder:

„nisi quod titulus remaneret sine nomine patriae Italicae vel Theutonicae, et disceretur (publicatione) Johanninana edita per Fr. Johannem de Colonia, quia hoc est verum et nulli fit injuria. "71 Die Kommission entschied also, daß das streitgegenständliche W e r k in Z u kunft den Titel „ J o h a n n i n a n a edita per Fr. J o h a n n e m de C o l o n i a " tragen sollte. Eine genauere Bezeichnung des Ortes und damit die Zuordnung der Urheberschaft zu einem der beiden D o m i n i k a n e r sollte unterbleiben. Die K o m m i s s i o n nutzte also die Namensähnlichkeit der Parteien aus und ließ im Ergebnis offen, ob der Kölner oder der italienische Frater als Urheber anzusehen ist. Diese Entscheidung wird weithin als ein Beleg dafür angesehen, d a ß das Plagiat, das Ausgeben einer fremden Leistung als eigene, bereits im Mittelalter verurteilt wurde. 7 2 D e r Tenor der Entscheidung läßt diesen Schluß allerdings nicht zwingend erscheinen, da der tatsächliche Urheber im Ergebnis nicht bestimmt wird, diesem also das Recht verwehrt wird, die von ihm geschaffene Abhandlung auch als die eigene auszugeben. Allerdings soll Grundlage des Spruches sein, daß durch diesen „keinem Unrecht geschehe". Dies läßt den Umkehrschluß zu, daß es in Widerspruch zur damaligen Rechtsauffassung stand, wenn sich j e m a n d unzutreffenderweise als Autor bezeichnete (bzw. dies aufgrund eines Richterspruches konnte). Ein weiteres Beispiel für den Umgang des Mittelalters mit dem Plagiat bilden

So Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 17. Vgl. insbesondere Hölscher, GRUR 1930, 991,1005; daneben Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.18; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 9f.; Hubmann, Recht des geistigen Schaffens, S.69. 70 Vgl. Hölscher, GRUR 1930, 991, 1005. 71 Thomas v. Aquin, de secreto, ed. Parmensis, vol. 24 p. 235 s; zitiert nach Hölscher, GRUR 1930, 991, 1005. 72 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.18; Hubmann, Recht des geistigen Schaffens, S.69; noch weitergehender Hölscher, GRUR 1930, 991, 1005f., der aus dieser Entscheidung eine allgemeine Anerkennung des Schutzes geistigen Eigentums im Mittelalter ableiten will (kritisch hierzu Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 19). 68

69

§1 Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte

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die sog. Bücherflüche. Der bekannteste ist wohl der von Eike von Repgow 73 im bedeutendsten Rechtsbuch des Mittelalters, dem Sachsenspiegel: „Groz angest get mich an. ich forchte sere, daz manig man Diz buch wille meren unde beginne recht zu vorkeren Unde zigee des an mich; so weiz mich got unschuldich, Den da nimant kan getrigen, der wisse daz si ligen, Des en kan ich nicht bewaren: alle die unrechte varen, Unde werbin an diesem buche, den bescheide ich dise vluche; Unde die valsch hir zu triben: die maselsucht muze in bekliben, Alse si Jesi tete von Heliseus gebete, Dar abe Naaman wart erlost, got heilant unde trost, Der reche ez an in also, daz die sele puch in unvro Werde mit deme übe; des tuvelz hantveste her blibe, Daz her si habe gewiz, die wile ire schrift unverteilet iz. Wer des tuvelz ane ende wolle sin, der sende Im diz orkunde unde vare zu der helle gründe. 74

In diesem Fluch spiegelt sich das Bemühen Eike von Repgows um die Werkintegrität wieder. Die „maselsucht" (Aussatz) soll denjenigen befallen, der seine Aufzeichnungen verändert vervielfältigt und ihn dann als Urheber benennt, von Repgows Bücherfluch hat demnach zum Ziel, die heute durch § 14 UrhG geschützte Werkintegrität sicherzustellen. Nicht festgestellt werden kann aber, worauf Ulmer zutreffend hingewiesen hat, ein Bestreben des Urhebers, auch eventuellen materiellen Nutzen aus der Urheberschaft zu ziehen.75 Der Bücherfluch im Sachsenspiegel erinnert an das Abkürzungsverbot Kaiser Justinians im Corpus iuris zur Vermeidung von Textentstellungen. 76 Für dieses

Vgl. zur Urheberschaft von Repgows: Müller, UFITA 10 (1937), 383ff. Text in der Fassung von Frhr. v. Schwerin/Thieme (Stuttgart 1953). 75 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht3, § 9 I (S.51). 76 Constitutio Tanta, § 22: „Eandem autem poenam falsitatis constituimus et adversus qui in posterum leges nostras per siglorum obscuritates ausi fuerint conscribere ...". 73

74

eos,

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Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Abkürzungsverbot vertritt Kohler 77 die Ansicht, das Verbot erlaube nicht den Schluß auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Urheberrechts. Demgegenüber weist Dziatzko darauf hin, daß die Untersagung des Gebrauchs von sigla nicht geboten gewesen wäre, wenn ein ausschließliches Recht der freien Vervielfältigung entgegengestanden hätte. 78 Ausgangspunkt der Erwägungen muß die dem Abkürzungsverbot zugrundeliegende Prämisse sein, daß grundsätzlich eine Vervielfältigung stattfindet. Hieraus könnte darauf geschlossen werden, daß ein Urheberrecht unbekannt war. Gegen eine solche Folgerung wendet sich Kohler 79 jedoch. Man habe frühzeitig erkennen müssen, daß an Gesetzen kein „Autorrecht" bestehen könne. Der Verfasser der Texte sei unbekannt. Es könne nicht festgestellt werden, ob der Kaiser oder die Kommission der Urheber der Digesten sei. Daher sei es eine Selbstverständlichkeit, daß das Gesetz vervielfältigt werde. Mithin lasse das Abkürzungsverbot keinen Schluß auf das generelle Fehlen eines Autorenschutzes zu. Spekulativ ist Kohlers These, man habe frühzeitig erkennen müssen, daß ein Urheberrecht an Gesetzen nicht möglich sei. Andererseits dürfte es zutreffen, daß das Verbot der abkürzenden Vervielfältigung seine innere Rechtfertigung aus dem Bestreben Justinians, die Authentizität des Corpus iuris zu gewährleisten, bezieht. Die Möglichkeit des Verfassers, die Authentizität des Textes zu wahren, ist zwar auch ein Element des heutigen Urheberrechts ( § 1 4 UrhG). Der Authentizitätsanspruch bei Gesetzen ergibt sich allerdings schon aus der Natur der Sache und erforderte in früheren Zeiten nur aufgrund der damaligen Uberlieferungs- und Weitergabemechanismen (handschriftliche Vervielfältigung) besondere Vorkehrungen. Daher kann im Ergebnis Kohler zugestimmt werden. Das Abkürzungsverbot Justinians läßt keine Schlüsse auf ein eventuelles Urheberrecht zu. Mit Einschränkungen kann diese Beurteilung auf von Repgows Bücherfluch übertragen werden. Beachtet werden muß, daß der Sachsenspiegel kein Gesetz war. Vielmehr handelt es sich um eines der mittelalterlichen Rechtsbücher, die im Zuge der ca. 1220 einsetzenden Kodifikationswelle entstanden. 80 Diese Rechtsbücher, deren bedeutendstes der Sachenspiegel ist, sind keine Gesetze. Vielmehr handelt es sich um die Privatarbeiten einzelner Verfasser, die sich darum bemühten, das geltende, nicht schriftlich niedergelegte Recht zu erfassen („widerzuspiegeln"). In der Folgezeit gewannen diese Werke dann gesetzesähnliche Wirkung. Sie wurden in - teilweise veränderten - Nachschriften von den Gerichten als Rechtsquelle verwendet. 81 Fehlende Kenntnis des Urhebers ist also - anders als

77 78 79 80 81

Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken, §3 I (S.30). Dziatzko, Rh. Museum für Philologie 49, 559, 573 f. Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 3 I (S. 30). Mitteis/Lieberich19, 37 II 3 (S.298f.), Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte3, Rz.62. Vgl. hierzu Mitteis/Lieberich19, 37 III 1 (S.299ff.).

§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren

Urheberrechtsgeschichte

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beim Codex iuris - kein Grund, dem Bücherfluch Aussagekraft für eine eventuelle Anerkennung des Urheberrechts abzusprechen. Das durch den Bücherfluch demonstrierte Bemühen um Werkintegrität läßt sich in divergierender Weise erklären. Zum einen kann sich hier die Ausprägung eines urheberrechtlichen Schutzanliegens von Repgows zeigen: Denkbar ist, daß er als Verfasser des Sachsenspiegels einen Anspruch auf Werkintegrität in Anspruch nahm. Daneben ist aber auch in Betracht zu ziehen, daß er lediglich sicherstellen wollte, daß die von ihm erfaßten Rechtssätze unverändert Grundlage der späteren Rechtsanwendung werden sollten. In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist von Repgows Drohung in der Weise interpretiert worden, daß sie der Reflex auf erste Überlegungen zu einem Schutz des Urhebers sei. Es handele sich um ein frühes Anzeichen für die Entwicklung des Urheberpersönlichkeitsrechtes. 82 Für diese Sichtweise spricht die Verzahnung des Veränderungsverbotes mit der Namensnennung, von Repgow hat gefürchtet, als Verfasser des geänderten Textes genannt zu werden. Sein Namen sollte nicht im Kontext einer modifizierten Fassung erwähnt werden. Hier zeigt sich die für das Urheberrecht typische Verknüpfung von Werk und Urheber. Allerdings finden sich im Bücherfluch keinerlei Anhaltspunkte für einen vermögensrechtlichen Schutz des Urhebers. Festgehalten werden kann daher, daß vor Erfindung des Buchdrucks urheberrechtliche Gedanken nur in geringem Umfang verbreitet waren. Das Plagiat und die Werkveränderung waren Kritik ausgesetzt, die sich auch in der Rechtsordnung widerspiegelte. Vermögensrechtliche Konsequenzen der Herstellung eines Schriftwerkes fehlen. Ähnlich stellte sich die Situation im Bereich der bildenden Künste dar. Der Künstler wurde vom Auftraggeber, in der Regel der Kirche, für die Herstellung des Originals entlohnt. Im übrigen trat seine Persönlichkeit - der bereits beschriebenen 83 Mittlerfunktion entsprechend - zurück. 84 Vor diesem Hintergrund erscheint es verfehlt, das Entstehen des Schutzes geistigen Eigentums bereits im Mittelalter anzusiedeln. 83 3. Die Erfindung des Buchdrucks - Steigerung des des Urhebers durch technische Innovation

Schutzbedürfnisses

Einen neuen Impuls bekam die Diskussion um die Schutzgewährung für die Verfasser von Schriftwerken mit der um 1440 gemachten Erfindung des Buchdrucks. Die praktische Bedeutung der Diskussion um die Rechtsposition des Ur82 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 19; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 11; Müller, UFITA 10 (1937), 383, 413. 83 Siehe S. 13. 84 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht 3 , § 9 I (S. 51). 85 So aber - aus einer naturrechtlich verklärten Blickweise - Hölscher, GRUR 1930, 991, 1006.

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Begriffs

hebers war zuvor begrenzt durch die beschränkten Möglichkeiten der Buchvervielfältigung. D e r Aufwand für die Erstellung einer manuellen Abschrift w a r zu groß, um einen umfangreichen Handschriftenhandel zu begründen. M i t der Erfindung des Buchdrucks wurde die Möglichkeit eröffnet, Bücher rasch und kostengünstig zu vervielfältigen. Diese Frühdruckzeit war geprägt von den N a c h drucken älterer Werke wie Bibelausgaben, juristischen Lehrbüchern und Abhandlungen aus der Antike. 8 6 Zutreffend hat Bappert allerdings darauf hingewiesen, daß auch schon kurz nach Erfindung der Druckkunst zeitgenössische Werke in erheblichem Umfang in D r u c k gingen. 8 7 Bekannte Arbeiten aus dieser Zeit sind das „ N a r r e n s c h i f f " von Sebastian Brant sowie die Schriften des Erasmus von R o t t e r d a m . Hinweise auf eine Idee v o m geistigen Eigentum finden sich in dieser Zeit n o c h nicht. Die wirtschaftliche Seite der Urhebertätigkeit wurde einer näheren Betrachtung nicht unterzogen. Verpönt w a r es, eine Entlohnung anzunehmen. M i t dem mittelalterlichen Weltbild und der daraus folgenden Funktion des Autors als Mittler zwischen G o t t und den - übrigen - M e n s c h e n ließ sich eine Entlohnung nicht vereinbaren. Bappert 8 8 berichtet über Auseinandersetzungen zwischen Erasmus von R o t t e r d a m und Kritikern, die ihm vorwarfen, er lasse sich von seinen Verlegern bezahlen. Gegen diesen „ S c h i m p f " wehrte sich Erasmus von R o t t e r d a m energisch. Ebenso sah sich noch Hutten gezwungen, gegen die beleidigende Vorhaltung, ein H o n o r a r erhalten zu haben, anzugehen. 8 9 Auf der anderen Seite bestand die wirtschaftliche Notwendigkeit, die Autoren zu entlohnen. D a eine Bezahlung untunlich war, entsann man sich auf die ursprüngliche Bedeutung des Worts „ h o n o r a r i u m " und verklausulierte den L o h n des Autors als Ehrengeschenk, den er annehmen konnte. 9 0 Diese verdeckten Lohnzahlungen standen nicht nur im krassen Gegensatz zu den teilweise schon beachtlichen Einkünften der Verleger. Gleichzeitig versperrte diese Sichtweise auch den Blick auf die Frage, o b nicht der Verfassertätigkeit selbst ein Vermögenswert zukommt. In der Folgezeit entwickelte sich eine Diskussion um die Zulässigkeit des N a c h d r u c k s , die in die ersten Ansätze der Theorie v o m geistigen Eigentum mündete. D e r N a c h d r u c k ohne Zustimmung des Verfassers und des Verlegers begann unmittelbar nach Erfindung des Buchdrucks. Das bereits

erwähnte

Brant'sche „ N a r r e n s c h i f f " wurde schon in seinem Erscheinungsjahr ( 1 4 9 4 ) in verschiedenen Orten nachgedruckt. 9 1 Solche N a c h d r u c k e waren allgemein üb86 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 20; Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 136. 87 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 136ff. 88 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 143. 89 Vgl. Pohlmann, UFITA 33 (1961), 169, 174. 90 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 147. 91 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 20.

§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren

Urheberrechtsgeschichte

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lieh. Buchdruckergesellen wurden teilweise mit Exemplaren der gedruckten Werke entlohnt. Diese Werke sollten als Druckvorlagen die Grundlage einer späteren selbständigen Tätigkeit bilden. 9 2 M i t dieser Entwicklung formierte sich erste Kritik am unbegrenzten N a c h druck. Das Lager der Kritiker k a n n in zwei Strömungen unterteilt werden. Auf der einen Seite wurde von Schriftstellerseite kritisiert, daß die N a c h d r u c k e r nicht hinreichend die Werkintegrität beachteten und es zu Werkentstellungen k a m . Ahnlich wie Eike von R e p g o w bat Sebastian Brant für sein „ N a r r e n s c h i f f " um Schutz seines Werkes vor Entstellung: „Dar umb manch rym so übel stat Das es mir jn mym hertzen we Getön hat tusent mol, und me, Das ich myn grosz mügsam arbeyt On schuld hab übel angeleyt Und ich sol öfflich sehen an Das ich nit hab gelon usz gan Und mir nie kam für mund noch kälen." 9 3 M i t der Erfindung des Buchdrucks erhielt die unerlaubte Vervielfältigung eine neue quantitative Dimension. Das Erstellen von Handschriften war zeitaufwendig und daher nur in beschränktem Umfang möglich. Die Drucktechnik ermöglichte es, Vervielfältigungsstücke schneller und günstiger herzustellen. Schriftwerke wurden in ungleich größerem M a ß e als zuvor verbreitet. Hiermit stieg aber zugleich die Gefahr einer unrichtigen, verfälschenden Vervielfältigung. Daneben formierte sich im Lager der Drucker Kritik gegen den ungehemmten N a c h d r u c k . M i t der fortschreitenden Entwicklung des Buchdruckwesens stiegen nicht nur die Auflagen und die Umsätze. Auch die Kostenstruktur änderte sich zum Nachteil der Verleger und Drucker. Neue Berufe entstanden. Bereits im ersten Jahrzehnt nach der Erfindung Gutenbergs bildete sich der Beruf des Verlagslektors heraus. 9 4 Fließend ist hier die Abgrenzung zum sog. Kastigatorentum. Das Tätigkeitsfeld des Kastigators umfaßte sowohl die Korrektur der Herstellung als auch Editionstätigkeiten (sprachliche Überprüfungen, Ergänzungen, Erläuterungen, Erstellung von Index und Inhaltsverzeichnis). 9 5 M i t diesen neuen Beschäftigten im Herstellungsprozeß stiegen gleichzeitig auch die Kosten für die Herstellung eines Buches. D a n e b e n dürfte die gesteigerte Vielfalt des Angebots und die aus der Perfektionierung der Drucktechnik folgende Steigerung der Auf92 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 21 nach Haebler, Vom Nachdruck im 15. Jahrhundert, in Collectanea variae doctrinae L.S.Olschki..., München 1921, S. 113f.; Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 132. 93 Zitiert nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.21; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S.21. 94 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 132 nach Schottenloher, in: Gutenberg-Jahrbuch 1931, S.73ff. 95 KappI, S.309ff.

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Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

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Begriffs

lagenhöhe das Absatzrisiko erhöht haben. Nicht abgesetzte Exemplare aber gefährdeten die wirtschaftliche Existenz des Druckers und Verlegers. Aus dieser Konfliktsituation heraus polarisierte sich der Konflikt zwischen Druckern und Nachdruckern, nicht aber zwischen Urhebern und Nachdrukkern. Die Gründe für die fehlende Beachtung der Urheber in diesem Konflikt sind von Bappert aus einer gewerberechtlich orientierten Sicht des Nachdruckschutzes in der Frühdruckzeit beschrieben worden: 96 Der Konflikt auf dem Markt habe sich zwischen den Wettbewerbern „Drucker" und „Nachdrucker" abgespielt. In Anbetracht dieser konkreten Wettbewerbssituation mußte es als Umweg erscheinen, Befugnisse des Urhebers zwischenzuschalten. Im übrigen hätte ein solcher Zwischenschritt im Widerspruch zu den rechtlichen Befugnissen des Urhebers gestanden, dem ein Vergütungsanspruch für sein Werk nicht zustand, ja der eine solche Entlohnung nicht einmal fordern durfte. Zu bewältigen sei ein Problem „gewerblicher", nicht urheberrechtlicher Natur gewesen. Auch der heftige „Urheberrechtshistorikerstreit" der frühen 70er Jahre 97 zwischen Pohlmann und Bappert vermag kein anderes Licht auf die Frühdruckzeit zu werfen. Pohlmanns Ansätze zur Begründung eines frühen Urheberrechtsbewußtseins vor Entwicklung der Theorie vom geistigen Eigentum haben ihr Fundament im Privilegienwesen.98 Dieses hatte sich aber zur Frühdruckzeit noch nicht ausgebildet.

III. Das Privilegienwesen - Ausgangspunkt der Theorie vom geistigen Eigentum? Bevor sich die Theorie vom geistigen Eigentum ausbildete, erfolgte der Schutz von Autoren durch Privilegien. Die Entwicklung der Theorie vom geistigen Eigentum kann nur ausgehend von der Funktionsweise des Privilegienwesens beschrieben werden. 1. Funktion von Privilegien Das mittelalterliche Privilegienwesen weist Parallelen zum Monopolwesen der Antike auf. Privilegien wurden von dem jeweiligen Landesherrn verliehen. Dem Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 133. Vgl. einerseits Pohlmann, Die Frühgeschichte des musikalischen Urheberrechts, passim; ders., GRUR 1960,272ff. ; ders., UFITA 33 (1961), 169ff., ders., GRUR 1962, 9ff., ders., UFITA 36 (1962), 61ff. und andererseits Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 141 ff.; Bappert, GRUR 1961, 441ff., 503ff., 553ff.; vgl. zur Auseinandersetzung zwischen Bappert und Pohlmann: Wadle, UFITA 106 (1987), 95ff. 98 Pohlmann, Die Frühgeschichte des musikalischen Urheberrechts, S. 19ff.; ders., UFITA 33 (1961), 169, 170ff., GRUR 1962, 9, 12ff. ; ders., UFITA 36 (1962), 61, 67ff. 96

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§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren

Urheberrechtsgeschichte

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Begünstigten wurden mit dem Privileg Sonderberechtigungen oder Befreiungen gewährt, die von den allgemeinen Rechtsregeln abwichen." Durch die Einräumung, aber auch durch den Widerruf kam es zur Rechtsgestaltung ohne Rechtssetzung.100 Das Privileg war das zentrale Herrschaftsinstrument des mittelalterlichen Königs. 101 In der nachmittelalterlichen Zeit - ab dem 16. Jahrhundert - maß die Staatsrechtslehre den Privilegien Gesetzeseigenschaft zu. 102 Ihren Ursprung hat diese Sichtweise in der sich ändernden Funktion der Privilegien. Ursprünglich nur subjektives Ausnahmerecht, sind sie doch später oft zum Gruppenrecht geworden und haben als solches Allgemeinbedeutung und Dauer erlangt. 103 Ausgehend von der Möglichkeit, Einzelpersonen bzw. Gruppen eine besondere Rechtsposition zu verschaffen, rückte das Privilegienwesen in das Interesse der Kreise, die an einer Bekämpfung des Nachdrucks interessiert waren. Über die Strukturprinzipien der Privilegien herrscht trotz intensiver Forschungen noch Unsicherheit. Unter Beschreibung einer Auseinandersetzung zwischen Pohlmann 104 und Bappert 105 hat Wadle 106 aufgezeigt, daß der Streit um die Rechtsnatur von Druckprivilegien noch nicht beendet ist. Die Bedeutung dieser Diskussion erschließt sich durch eine Betrachtung der Funktionsweise des Nachdruckschutzes durch Privilegien.

2. Das Privileg als Schutz gegen

Nachdruck

Mit der Entstehung des Druckwesens lassen sich auch die ersten Privilegien feststellen. Gieseke erwähnt als erste bekannte Druckprivilegien zwei Privilegien des Herzogs von Mailand, die am 6 . 7 . 1481 und 1 5 . 3 . 1483 erteilt worden sind. 107 Zu einem noch früheren Zeitpunkt ist Johann von Speyer ein Druckprivileg erteilt worden. Dieser erhielt am 1 8 . 9 . 1469 die Befugnis, in Venedig für die Zeit von fünf Jahren die Buchdruckkunst allein auszuüben. Hierbei handelte es sich allerdings nicht um ein Privileg für ein oder mehrere Werke, sondern, worauf Kohler 108 zutreffend hingewiesen hat, um die Einräumung eines gewerblichen

Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte3, Rz. 61. Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte3, Rz. 61. 101 Krause, ZRG GA 82 (1965), 1, 95. 102 Vgl. Mohnhaupt, IC V (1975), 71 ff. 103 Mitteis/Liberichi9, §37 III 5 (S.299ff.). 104 Ygj Pohlmann, Das neue Geschichtsbild der deutschen Urheberrechtsentwicklung, UFITA-Schriftenreihe 20 (1961), S. 13ff. = UFITA 33 (1961), 169ff., ders., GRUR 1962, 9ff. 105 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 185ff., ders., GRUR 1961, 441 ff., 503ff., 553ff. 106 Wadle, UFITA 106 (1987), 95ff. 107 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.24; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 39. 108 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, §5 1 (S.34f.). 99

100

22

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

M o n o p o l s . Ein erstes Privileg in Deutschland ist 1 5 0 1 v o m Reichsregiment erteilt worden. 1 0 9 In der Folgezeit k a m es zu einer gehäuften Erteilung von Privilegien. Eindrucksvoll beweisen dies die Forschungen Pohlmanns in den Unterlagen des Reichshofrates. 1 1 0 N a c h Ansicht von Pohlmann ist Kennzeichen der vermehrt durchgeführten Privilegienerteilungsverfahren eine gewisse Formalisierung und Schematisierung. Hiervon ausgehend nimmt er eine gewisse Prognostizierbarkeit der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Druckprivilegs an. 1 1 1 Eine Typisierung der erteilten Privilegien ist nach der Person des Privilegierten möglich. Eine erste große Gruppe bildeten die den Druckern erteilten Privilegien. Hierbei sind wiederum zwei verschiedene Gruppen zu separieren. Z u m einen wurde (selten und auch nur in der Frühdruckzeit) das R e c h t verliehen, in einer Stadt allein die Buchdruckkunst auszuüben. Bekanntestes Beispiel ist das bereits erwähnte venezianische Privileg des J o h a n n von Speyer. 1 1 2 M i t der weiteren Verbreitung des Buchdruckes wurden diese gewerbemonopolartigen

Privilegien

nicht mehr erteilt. Statt dessen wurden Privilegien vergeben, die den Druckern das ausschließliche R e c h t einräumten, ein bestimmtes Werk allein über einen festgelegten, im Privileg genannten Zeitraum (i.d.R. 1 0 J a h r e ) zu vervielfältigen. Ein Beispiel hierfür ist das J o h a n n Walder 1 5 3 7 in Basel erteilte Privileg 1 1 3 zur Vervielfältigung eines bunten Straußes an Werken (Plato-Kommentare des Proclus, K o m m e n t a r des Boethius zu Aristoteles, Werke von Henricus Glarenus). Typisch für Inhalt und Zielrichtung der Druckerprivilegien ist das 1 5 4 0 von König Ferdinand ebenfalls J o h a n n Walder erteilte Privileg: 1 1 4 „(Ist) uns dargelegt worden, daß Du vier Bücher unter großen Kosten und Gefahren für Deinen Beruf erworben hast... und entschlossen bist, die genannten Werke mit der Presse herzustellen, ist Vorsorge zu treffen,... daß Du nicht um die Früchte (D)eines Fleißes und Deiner Mühe betrogen wirst und Dir auch kein unwiderbringlicher Schaden entsteht. Da es nämlich eingerissen ist, daß die Räuber des Fleißes anderer, Bücher, die gut gedruckt sind, um des Verdienstes Willen schmählich und meist fehlerhaft nachdrucken ...". Hier erfolgte die Privilegierung also, um den Arbeitsaufwand des Druckers zu honorieren. Die andere Gruppe von Privilegien bildeten die sog. Autorenprivilegien. Diese wurden dem Urheber selbst eingeräumt. Die Erstellung einer umfangreichen 109 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 24; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S.41. 110 Übersichten über die von ihm aufgefundenen Privilegien hat Pohlmann in UFITA 33 (1961), 169, 196ff. und GRUR 1962, 9ff. veröffentlicht. 111 Pohlmann, UFITA 33 (1961), 169, 178; a.A. Gieseke (Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 48), der eine Willkürlichkeit und Unberechenbarkeit des Privilegienwesens rügt; zweifelnd auch Vogel, AGB XIX (1978), Sp.24. 112 Abgedruckt bei Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 5 I (S. 34f.). 113 Abgedruckt bei Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 190. 114 Abgedruckt bei Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 190.

§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte

23

Sammlung von Autorenprivilegien ist das Verdienst von Pohlmann. 115 Umstritten ist allerdings, ob aus dieser umfassenden Erteilung von Autorenprivilegien an Urheber Konsequenzen für eine Ausbildung des Urheberrechtsschutzes im Privilegienzeitalter gezogen werden können. 3. Privilegienerteilung des Autors

als Anerkennung

eines geistigen

Eigentums

Die Bedeutung des Privilegs für die Urheberrechtsgeschichte ist Gegenstand einer lebhaften wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Nach einer verbreiteten und in diesem Streit von Bappert vertretenen Ansicht war dem Privilegienwesen und dem mit der Erteilung des Privilegs verbundenen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht der Gedanke an einen Urheberschutz fremd. 116 Demgegenüber gelangte Pohlmann nach umfangreichen Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß bereits zur Zeit des Privilegienwesens Vorstellungen sowohl über einen ideellen als auch einen vermögensrechtlichen Schutz des Autors verbreitet gewesen seien. 117 Die Kontroverse hat nicht nur Bedeutung für die Beurteilung des Privilegienwesens, sondern auch für die der Theorie vom geistigen Eigentum. Wenn sich, wie Pohlmann meint, bereits im Privilegienzeitalter ein Urheberrechtsgedanke ausgebildet hat, zwingt dies zu einer Neubewertung der Bedeutung der Theorie vom geistigen Eigentum für die Entwicklung des modernen Urheberrechts. Ausgangspunkt der Erwägungen zu dem Streit über die Bedeutung des Privilegs müssen dessen Inhalt und Aufbau sein. Die Privilegientexte sind ein wichtiges, allerdings nicht alleiniges Kriterium für die Prüfung, ob sich in den Privilegien Anknüpfungspunkte für die Anerkennung eines Urheberrechts finden. Ein Privileg bestand in der Regel aus drei Teilen.118 In der Arenga wurden die allgemeinen Beweggründe für die Erteilung des Privilegs beschrieben. Die Narratio gab das Gesuch des Bittstellers wieder. In der Dispositio wurden die eigentlichen Bestimmungen des Privilegs ausgesprochen. Eine vielfältige Auswahl von Textbeispielen hat Pohlmann publiziert. 119 Die folgenden Beispiele sollen nach Ansicht von Pohlmann erkennen lassen, daß die Privilegien in Anerkennung der Leistung der Werkerstellung erteilt wurden: 120

115 Vgl. die Zusammenstellungen von Pohlmann, UFITA 33 (1961), 169, 183f.; GRUR 1962, 9, 24f.; UFITA 36 (1962), 61, 97ff. 116 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 185ff. 117 Pohlmann, UFITA 33 (1961), 169,170ff.; ders., UFITA 36 (1962), 61, 72f.; ders., GRUR 1962, 9, 23; vgl. auch die Erwägungen Pohlmanns zum Efindungsschutz in GRUR 1960, 272, 281. 118 Vgl. Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 27 (in Fußn. 78); Bappert, GRUR 1961, 441, 442. 119 Pohlmann, UFITA 33 (1961), 169ff. 120 Zitiert nach Pohlmann, UFITA 33 (1961) 169, 183.

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Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

Joachim Minsinger, 1543: „longo studio, cura vegiliisque" Constantin Müller (Kupferstecher), 1555: „schwäre mue und arbait" Bernhard Tassus (Dichter), 1560: „summo studio ac multis vigiliis" Leopold Dickius, 1563 „multis vigiliis et accurato

studio"

Die aus diesen Formulierungen zu ziehenden Konsequenzen bilden den Ausgangspunkt des Streits zwischen Pohlmann und Bappert. N a c h Ansicht von Pohlmann läßt sich bereits für die Renaissance die „Wirksamkeit wesentlicher moderner Urheberrechtsvorstellungen" zumindest für den deutschen Bereich nachweisen. 1 2 1 Entscheidender Ausgangspunkt hierfür sei die Uberwindung der mittelalterlichen Anonymität des künstlerischen und geistigen Schaffens unter dem Einfluß der Renaissance gewesen. 1 2 2 D a n e b e n hätten sich in Deutschland unter den Autoren des 1 5 . bis 1 7 . Jahrhunderts „Urheberrechtsvorstellungen" herausgebildet. 1 2 3 Einer weiteren Verbreitung dieser Anerkennung des Urheberrechtsschutzes habe lediglich der römisch-rechtliche Einfluß in der Rechtswissenschaft entgegengestanden. 1 2 4 Die römisch-rechtliche Begriffswelt habe für das Urheberrecht als „un-sachliches" R e c h t keinen R a u m gehabt. 1 2 5 D e r Schutz von Verleger und Drucker sei demgegenüber rechtstheoretisch leichter erklärbar gewesen. 1 2 6 Ausgehend von diesen Grundlegungen haben sich nach Ansicht von Pohlmann schon im Privilegienwesen urheberrechtliche Schutzerwägungen ausgeprägt. Im Verfahren auf Privilegienerteilung durch den Reichshofrat habe sich die Erwartung auf Schutz kraft Staatsaktes bereits gewohnheitsrechtlich zu einer Art „ R e c h t s - A n s p r u c h " gegenüber dem Reichshofrat als Erteilungsbehörde verfestigt. Für den Bereich technischer Schutzrechte habe sich eine systematische Schutzrechtserteilung, die bei Beantragung jedem offenstand, bereits im 1 6 . Jahrhundert durchgesetzt. 1 2 7 Die Schutzgewährung sei nicht von unwägbaren Gesichtspunkten, sondern vielmehr von exakten Erteilungsvoraussetzungen abhängig gewesen. 1 2 8 Ähnlich sei das Verfahren in Bezug auf die Autorenprivile-

121 122 123 124 125 126 127 128

Pohlmann, Pohlmann, Pohlmann, Pohlmann, Pohlmann, Pohlmann, Pohlmann, Pohlmann,

UFITA UFITA UFITA UFITA UFITA UFITA UFITA UFITA

33 33 33 33 33 33 33 33

(1961) (1961) (1961) (1961) (1961) (1961) (1961) (1961)

169, 169, 169, 169, 169, 169, 169, 169,

171. 171. 173. 174f. 174f. 175. 178. 178.

§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte

25

gien gestaltet gewesen. 129 Durch sie sei lediglich eine Anerkennung der schöpferischen Leistung des Autors erfolgt. 130 Dieser Sichtweise des Privilegienzeitalters ist Bappert entschieden entgegengetreten. Er weist den Privilegien lediglich eine gewerberechtliche Funktion zu. Auch bei der Erteilung von Privilegien an Autoren habe die Drucklegung im Mittelpunkt gestanden. 131 Dieser sei schutzbegründende Funktion zugekommen. 132 An Autoren seien Privilegien nur dann vergeben worden, wenn sie an der Drukkerstellung persönlich beteiligt gewesen waren. 133 Auch wendet sich Bappert gegen Pohlmanns These, bereits im Privilegienzeitalter sei eine systematische Affirmierung und Durchsetzung von Urhebervermögensrechten erfolgt. 134 Die zum damaligen Zeitpunkt bereits anerkannte Befugnis des Urhebers, allein über eine Veröffentlichung zu entscheiden (vgl. heute § 12 Abs. 1 UrhG), sei rein persönlichkeitsrechtlicher und ideeller Natur. Es haben keinerlei Beziehungen zu Nutzungsrechten bestanden. 135 Das Veröffentlichungsrecht habe keine Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung umfaßt. 136 Eine Übereinstimmung mit Pohlmann kann Bappert allerdings in Bezug auf persönlichkeitsrechtliche Aspekte des Urheberschutzes feststellen. Wie Pohlmann 137 und in Übereinstimmung mit der übrigen Literatur 138 geht auch Bappert 139 davon aus, daß bereits im Privilegienzeitalter persönlichkeitsrechtliche Erwägungen zur Qualifizierung der Autorentätigkeit herangezogen wurden. Die Bedeutung des Gegenstandes der Auseinandersetzung zwischen Bappert und Pohlmann für die Lehre vom geistigen Eigentum zeigt Pohlmanns Standpunkt zur Bedeutung dieser Lehre. Ein wesentliches Element von Pohlmanns Beschreibung der Urheberrechtsgeschichte ist eine etwas eigenwillige, zumindest plakative und nicht näher begründete Gegenüberstellung von „romanistischem Rechtsdenken" und „immanent deutschrechtlichem Rechtsempfinden". Letzteres sei mehr „personenbezogen" während das römische Recht mehr „sachbezogen" und „materialisierend" sei.140 Die Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts sei zu stark dem Gedanken der Rezeption verhaftet gewesen. Daraus folge bei der Entwicklung des Urheberschutzes eine Fixierung auf den Eigentumsgedan129

Pohlmann, UFITA 33 (1961) 169, 180. Pohlmann, UFITA 33 (1961) 169, 182. 131 Bappert, GRUR 1961, 441, 444ff. 132 Bappert, GRUR 1961, 441, 445f; Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 191. 133 Bappert, GRUR 1961, 441, 448. 134 Bappert, GRUR 1961, 503, 504. 135 Bappert, GRUR 1961, 503, 504. 136 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 186. 137 Pohlmann, UFITA 33 (1961), 169, 171; ders., GRUR 1961, 9, 20 138 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht 3 , § 9 II 4 (S. 53); Troller, Immaterialgüterrecht, § 3 I 3 (S.20); Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.41; Vogel, GRUR 1973, 303 139 Bappert, GRUR 1961, 553, 555. 140 Pohlmann, UFITA 36 (1962), 61, 62. 130

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Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

ken. 141 Diese Fixierung habe zu einer stark vermögensrechtlichen Entwicklung des Urheberrechts geführt. Erst mit der Wiederentdeckung des Urheberpersönlichkeitsrechts sei diese beseitigt bzw. ausgeglichen worden. 142 Hiervon ausgehend weist Pohlmann der Lehre vom geistigen Eigentum lediglich die Funktion zu, argumentativ den Schutz des Urhebers ermöglicht zu haben. 143 In der rechtswissenschaftlichen Diskussion ist bis heute noch keine abschließende Bewertung des Privilegienzeitalters erfolgt. Deutlich zeigen dies die Stellungnahmen zu dem Streit zwischen Pohlmann und Bappert. 1963 ergriff Bekker-Bender 144 Partei für Pohlmann. Auch Becker-Bender übernimmt Pohlmanns Aufspaltung zwischen einem romanistischen Rechtsdenken, dem persönlichkeitsrechtliche Elemente fremd sind, und einem diese Aspekte aufnehmenden deutschrechtlichen Denken. 145 Hiervon ausgehend steht auch Becker-Bender auf dem Standpunkt, daß sich bereits im 17. Jahrhundert die Vorstellung durchgesetzt habe, die dem Drucker erteilte Druckbewilligung („cum consensu authoris") verkörpere ein Nutzungsrecht. Auch habe die Vorstellung bestanden, daß es sich hierbei um ein Vermögensrecht handele. 146 Die Schutzrechtserteilung (durch Privilegien) sei nur eine formelle, äußere Anerkennung des vom Urheber bereits mit dem Schöpfungsvorgang erworbenen, immanenten Ausschließlichkeitsrechtes. 147 Der Lehre vom geistigen Eigentum kommt nach Becker-Benders Meinung nur eine zurückgesetzte Bedeutung zu. Sie sei nicht Auslöser der Urheberrechtsentwicklung gewesen. Vielmehr habe die Rezeption des römischen Rechts die bereits einsetzende urheberpersönlichkeitsrechtliche Entwicklung so radikal unterbrochen, daß dieser Rechtsgedanke mehr als 100 Jahre in Vergessenheit geraten sei.148 Diese pointierte Position erklärt sich zumindest zum Teil aus dem Zeitpunkt der Veröffentlichung (1963) kurz vor der Urheberrechtsreform 1965. Es galt noch das „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901 (LUG)". 149 Kennzeichen dieses Gesetzes war die Übertragbarkeit des Urheberrechts selbst (vgl. §§ 8, 9, 14 LUG). Der sich zum Zeitpunkt der Publikation von Becker-Bender noch in der Diskussion befindende Entwurf des Urheberrechtsgesetzes vom 23.3. 1962 150 ging demgegenüber von einer grundsätzlichen Unübertragbarkeit des Urheberrechts aus (§29 E-UrhG). Statt dessen wurde dem Urheber lediglich die Möglichkeit einge141 142 143 144 145 146 147 148 149 150

Pohlmann, UFITA 36 (1962), 61, Pohlmann, UFITA 36 (1962), 61, Pohlmann, UFITA 36 (1962), 61, Becker-Bender, UFITA 40 (1963), Becker-Bender, UFITA 40 (1963), Becker-Bender, UFITA 40 (1963), Becker-Bender, UFITA 40 (1963), Becker-Bender, UFITA 40 (1963), RGBl. 1901 S.227. BT-Dr. IV/270.

73. 73. 73. 293ff. 293, 295f. 293, 300f. 293, 309. 293, 311.

$ 1 Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte

27

räumt, aus dem Urheberrecht abgeleitete Nutzungsrechte zu übertragen. Diese Neugestaltung entspricht Becker-Benders Ansicht nach den „deutschrechtlichen" Urhebervorstellungen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, wie sie Pohlmann herausgearbeitet hat. Insofern wird also die Beurteilung der Privilegien durch Pohlmann als argumentative Stütze für die Nichtübertragbarkeit des Urheberrechts verwendet. Mit größerem zeitlichen Abstand befaßte sich Martin Vogel 1980 mit dem Streit um die Beurteilung des Privilegienwesens. 151 Vogel steht Pohlmanns Ansatz skeptisch gegenüber. Bedenke man, daß ein Zeitraum von 200 Jahren untersucht worden sei, so handele es sich um einen geringen Bestand an Privilegien. Daher könne von einem regelrechten Antragsverfahren nicht gesprochen werden. Pohlmanns Verabsolutierung der wirtschaftlichen Verwertung gehe zu weit. 152 Kennzeichen des heutigen Urheberrechts sei die ausschließliche Zuordnung des Rechts aufgrund formaler Kriterien. Urheberschutz entfällt nicht schon dann, wenn aus polizeilichen Gründen die Publikation untersagt wird. Dies sei in der Privilegienzeit des 16. und 17. Jahrhunderts anders gewesen. Die den Rechtsschutz gewährleistende Privilegienvergabe sei erst nach eingehender inhaltlicher Prüfung auf Nützlichkeit und künstlerische Qualität erfolgt. Diese Bewertung habe neben kirchlicher und weltlicher Zensur stattgefunden. 153 Zutreffend warnt Vogel auch vor einer Überinterpretation des Wortlauts der Privilegienurkunden. Kennzeichen einer jeden Ubergangsperiode sei eine begriffliche Variabilität, die sich auch in den Urkundentexten widerspiegele. Im übrigen dürfe sich die Auswertung der aufgefundenen Privilegien nicht darauf beschränken, Elemente des heutigen Urheberrechts in ihnen wiederzufinden. Nicht wegdiskutiert werden könne ihre gewerbeschützende Zielrichtung, ihre handwerkliche Auffassung vom künstlerischen Schaffen sowie das Belohnungs- und Versorgungsdenken. 154 Vogels distanzierte Sicht von Pohlmanns Thesen gewinnt insbesondere dadurch an Gewicht, daß er einen Bezug zu allgemeinen Vorstellungen der damaligen Zeit herstellt. Das von Vogel beschriebene Motivbündel der Privilegienerteilung fügt sich harmonisch in die Vorstellungen ein, die das Zeitalter der Zünfte prägten. Auch Vogel macht allerdings deutlich, daß sich die Vorstellungen von einem Veröffentlichungsrecht des Autors schon frühzeitig durchgesetzt hatten. 155 Wadle hat sich ebenfalls mit der Bedeutung des Privilegienzeitalters für die Entwicklung des Urheberrechts auseinandergesetzt. 156 Er vermeidet es, eine der beiden konträren Positionen zu beziehen. Er hält es vielmehr für erforderlich, 151 152 153 154 155 156

Vogel, AGB XIX (1978), Sp. l f f . Vogel, AGB XIX (1978), Sp. 1, 23. Vogel, AGB XIX (1978), Sp. 1, 25. Vogel, AGB XIX (1978), Sp. 1, 27. Vogel, AGB XIX (1978), Sp. 1, 27ff. Wadle, UFITA 106 (1987), 95 ff.

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Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen Begriffs

noch breiter als schon (insbesondere durch Pohlmann) geschehen, weitere Privilegien zu beschaffen und zu sichten. 157 Auch sei es erforderlich, Materialien zum Privilegienerteilungsverfahren aufzufinden und zu dokumentieren. Daneben geben die Ausführungen Wadles der Diskussion um das Privilegienwesen noch einen neuen Akzent. Wadle löst die Diskussion um die Bedeutung der Druckprivilegien aus ihrer unmittelbaren Beziehung zum unerlaubten Nachdruck heraus und stellt sie in einen breiteren historischen Kontext. Unter Heranziehung anderer Privilegien (u.a. für Erfindungsschutz, individuelle und kollektive Marken) müsse die auch hier schon eingangs erwähnte allgemeine Funktion von Privilegien bestimmt werden. Gefragt sei nach dem Verhältnis von Privileg und Kodifikation, von Privileg und Privatrecht. Zu diesem Problemkreis ist Mohnhaupt bereits zu einem bemerkenswerten Ergebnis gelangt. Er berichtet von erteilten Privilegien, die lediglich das gemeine Recht widerspiegelten.158 Ein solches Erteilungsmotiv entkernt den Streit Bappert/Pohlmann. Die Privilegienerteilung allein besagt dann nichts darüber, ob lediglich die Affirmierung eines bereits bestehenden „Rechts" erfolgte und allein die Durchsetzbarkeit dieses „Rechts" gesteigert werden sollte, oder ob dem Privileg gleich einer Rechtsnorm rechtsbegründende Wirkung zukam. 159 Da demnach der Umstand der Privilegienerteilung allein noch nicht den Schluß darauf zuläßt, ob die Rechtsaussage konstitutiv ist oder nicht, sind weitere Untersuchungen zu einem (eventuellen) Urheberbild des Privilegienzeitalters erforderlich. Wenn man - wie Pohlmann - das Privileg als bloße Bestätigung eines bestehenden Rechts begreift, muß eine normative Verankerung außerhalb der Privilegienwesens gefunden werden. 160 Hierfür aber bietet Pohlmann nur Diffuses an. Er spricht von einem „naturrechtlich" erwachsenen, „eigenartigem" und originärem, wenn auch „unformulierbarem" Urheberrecht. 161 Seinen Ursprung habe dies in einem „immanenten deutsch-rechtlichen Rechtsempfinden, das - stark personenbezogen - tief in Rechtsempfinden und Rechtspraxis verankert war". 1 6 2 Irgendwelche Nachweise für diese Sicht gibt Pohlmann nicht, so daß höchst zweifelhaft ist, ob solche „Rechtsvorstellungen" im 16. und 17. Jahrhundert in irgendeiner Art und Weise konstitutiv wirken konnten. Damit verbleibt nur die Methode, aus der Privilegienerteilung selbst einen Schluß auf die der Erteilung zugrunde liegenden Rechtsauffassungen zu ziehen. Wadle hat darauf hingewiesen, daß ein solches Verfahren grundsätzlich - im rechtshistorischen Bereich - zulässig ist. 163 Hiervon ausgehend besteht die Möglichkeit, aus Privile157 158 159 160 161 162 163

Wadle, UFITA 106 (1987), 95, 98. Mohnhaupt, IC V (1975), 71, 87. Mohnhaupt, IC V (1975), 71, 102. Mohnhaupt, IC V (1975), 71, 103. Pohlmann, UFITA 33 (1961), 169ff. Pohlmann, UFITA 36 (1962), 61, 62. Wadle, UFITA 106 (1987), 95, 104.

§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren

Urheberrechtsgeschichte

29

gientexten auf Rechtssätze des Gewohnheitsrechts zu schließen. 164 Zwingend ist ein solcher Schluß aber nicht, so daß Forschungen außerhalb des Privilegienbereiches erforderlich sind. 165 Hierbei ist nach Ansicht von Wadle auch zu berücksichtigen, daß sich die Vorstellungen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert gewandelt haben. 166 Jedenfalls aber läßt die Nichterwähnung gewohnheitsrechtlicher Vorstellungen über ein Urheberrecht in der zeitgenössischen Literatur nicht den Schluß darauf zu, daß solche Vorstellungen nicht bestanden haben. 167 Insofern kann also nach dem heutigen Forschungsstand die Auffassung Pohlmanns nicht als unzutreffend zurückgewiesen werden. 1991 erfolgte eine Bewertung des Privilegienzeitalters durch Dölemeyer und Klippel. 168 Die Untersuchung beruht auf einer Einbettung des Privilegs in die gesamte Rechts- und Gesellschaftsordnung der damaligen Zeit. Das Privileg sei Bestandteil eines rechtlichen, politischen und ökonomischen Prinzips gewesen, das aus Gründen „guter Policey" des Staates zwar auch die Leistung des Autors berücksichtigt und geschützt habe, in erster Linie aber sei der Schutz zur Erfüllung des Staatszweckes des Gemeinwohls erfolgt. Vor diesem Hintergrund sei die Annahme, das Urheberrecht habe sich auch unter dem Privilegiensystem entwickeln können, verfehlt. 169 Nicht verkannt werden dürften auch - neben den erheblichen Schutzlücken des Privilegienwesens - die rechtlichen, ökonomischen und politischen Strukturen des Privilegienwesens. Zwar könne nicht wegdiskutiert werden, daß Privilegien dieselben Interessen schützten wie heute das Urheberund Patentrecht. Doch seien Privilegien prinzipiell nicht mit den Grundlagen des freien Marktes vereinbar. Der merkantilistisch-absolutistische Staat nahm für sich in Anspruch, Monopole und Konzessionen nach den Anforderungen des Gemeinwohls zu verteilen, und zwar auch dann, wenn diese in eventuell bestehende Rechte der Zünfte eingriffen. Die Ausrichtung des Privilegienwesens an den Erfordernissen der salus publica zeige sich insbesondere an der teilweise erfolgten Förderung des Nachdrucks gerade durch Privilegien. 170 Auch Roellekke 171 , der das Privilegienwesen umfassend, also nicht allein auf Druckprivilegien beschränkt, untersuchte, ordnete dem Privileg eine ähnliche Funktion zu. Das Privileg habe im Hochmittelalter dazu gedient, die ständische Ordnung zu korrigieren. Es sei ein Element der Wirtschaftsreform und Wirtschaftspolitik gewesen.

164 165 166 167 168 169 170 171

Wadle, UFITA 106 (1987), 95, 104. Wadle, UFITA 106 (1987), 95, 104f. Wadle, Z N R 1990, 51, 59. Wadle, Z N R 1990, 51, 59. Dölemeyer/Klippel, GRUR-FS Bd. I, S. 185ff. Dölemeyer/Klippel, GRUR-FS Bd. I, S.185, 190 (Rz.8). Dölemeyer/Klippel, GRUR-FS Bd. I, S.185, 193f. (Rz.l2f.). Roellecke, Der Staat 1991, 379 ff.

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Teilt: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Der vorstehende Überblick hat gezeigt, daß dem Privilegienwesen höchst unterschiedliche Bedeutung beigemessen werden kann. Zwischen der Annahme einer bloßen Affirmierung gegebenen urheberrechtlichen Schutzes (Pohlmann) und dem gewerberechtlichen Verständnis der Druckprivilegien (Bappert) öffnen sich viele Differenzierungsmöglichkeiten, insbesondere auch nach dem Zeitpunkt der Privilegienerteilung. 172 Wenn auch die Diskussion noch nicht abgeschlossen werden kann, so hat doch der Hinweis von Dölemeyer/Klippel auf eine Erteilung von Privilegien für Nachdrucker besondere Bedeutung. 173 Zunächst aber muß überprüft werden, ob der Nachdruck überhaupt durch Privilegien geschützt wurde. Auf Bedenken trifft die Annahme eines Nachdruckschutzes durch Privilegien, sofern hierzu auf die Privilegienerteilung an den österreichischen Nachdrucker von Trattner abgestellt wird. 174 Die rechtliche Absicherung der Nachdruckunternehmungen von Trattners ab Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgte nicht durch Privilegien. Vielmehr ist seine Tätigkeit dadurch gefördert worden, daß Österreich zunächst den kaiserlichen Privilegien die Anerkennung versagte und gleichzeitig Privilegienersuchen zurückwies. 175 Diese Rechtspraxis wurde bestätigt durch ein Hofdekret der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei vom 11.2.1775, welches nur den Nachdruck inländischer und einem rechtmäßigen Verleger zugehöriger Auflagen „unter Strafe stellte". 176 Ein Privileg für einen Nachdruck ist allerdings von Rommel 177 nachgewiesen worden. Der Familie Reusner wurde unter der Bedingung, daß die Nachdrucke billiger seien als die Originalwerke, ein Privileg zum Nachdrucken erteilt. 178 Daneben kam es zu Kollisionen von kaiserlichen und landesherrlichen Privilegien. Teilweise wurden selbst in Kenntnis kaiserlicher Privilegien von den Landesherren Privilegien erteilt. 179 Eine solche Privilegienerteilung in Kenntnis eines anderen Privilegs widerlegt Pohlmanns Ansatz, die Privilegierung bezwecke lediglich eine Affirmierung bereits gegebener Rechte. 180 Die Einräumung eines Nachdruckprivilegs würde zwingend ein nach Pohlmann anerkanntes „Urheberrechtsbewußtsein" verletzen, so daß sich dieses nicht schlüssig in ein Affirmierungsmodell umsetzen läßt. Allerdings darf aus diesen Nachdruckerprivilegien nicht der generelle 172

Vgl. Wadle, UFITA 106 (1987), 95, 99, 101. Dölemeyer/Klippel, GRUR-FS Bd. I, S. 185, 192 (Rz. 10). 174 Dies tun anscheinend Dölemeyer/Klippel (GRUR-FS Bd. I, S.185, 192 (Rz. 10 Fn.25), wie der Verweis auf Hofmeister (UFITA 106 [1987], 173, 180) zeigt: Dieser stellt am nachgewiesenen Ort die Nachdrucktätigkeit von Trattners dar. 175 Vgl. zu diesem Vorgehen Pütter, S.203f. 176 Zitiert nach Vogel AGB XIX (1978), Sp.2, 77. 177 Rommel, S. 68; i. E. auch Kapp I, S. 646f. 178 Rommel, S. 68, 70. 179 So ein am 1 . 2 . 1 7 4 6 in Münster der Aschendorffschen Presse verliehenes Privileg, welches erlaubte, „privative mit Ausschluß übriger Unsers Hochstifftes Buchtruckeren und als weit über ein oder anderes vorbemeldeter Büchern etwa ein Privilegium Cesareum in mitten ist, mit dem oder jenem kayserlich-Privilegiirten concurrenter auffzulegen ...", vgl. Rommel S. 69. 180 So Pohlmann, UFITA 33 (1961), 169, 190. 173

§1 Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte

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Schluß gezogen werden, Privilegien hätten prinzipiell keinerlei urheberschützende Zielrichtung, sondern ausschließlich merkantilistischen Charakter. Hier ist eine Separierung zumindest denkbar. Ein Teil der Privilegien könnte aus Respekt vor der Leistung des Urhebers, ein anderer zu Zwecken der Wirtschaftssteuerung, ein weiterer schließlich zur Förderung des Allgemeinwohls erteilt worden sein. Daneben sind auch Mischmotivationen denkbar. Neben der Privilegienerteilung an Nachdrucker ruft ein Detail des Erteilungsverfahrens Zweifel daran hervor, daß die Privilegierung die Anerkennung einer schöpferischen Leistung darstellt: Zur Erlangung eines Privilegs mußten oft erhebliche Summen entrichtet werden.181 In einem Responsum der Jenaer Juristenfakultät vom November 1722 1 8 2 wird die Unzulässigkeit des Nachdrucks unter anderem mit dem Argument abgelehnt, eine andere rechtliche Beurteilung mißachte den Umstand, daß Privilegien (und Monopole) den „Potentaten merkliche Summen eintragen". Auch in England hatte die Privilegienerteilung zur Einnahmenerzielung mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Das Statute of Monopolies aus dem Jahr 1624 war aus dem Kampf des Parlaments gegen das Privilegienwesen hervorgegangen.183 Mit der Erteilung von Privilegien waren also teilweise auch fiskalische Interessen verknüpft, die wiederum der bloßen Affirmierung eines bestehenden Urheberrechts widersprechen. Insofern ist der Verfolgung von fiskalischen Aspekten durch das Privilegienwesen ein weiterer Umstand, der gegen die allgemeine Anerkennung eines Urheberschutzes spricht. Diesem Ergebnis kann nicht durch den Hinweis darauf widersprochen werden, daß auch heute der Schutz geistiger Leistungen teilweise mit der Pflicht zu Zahlungen unlösbar verbunden ist. 184 Das jährliche Ansteigen der Jahresgebühr für das Patent wird von Harraeus als Rückfall in die Zeit des Privilegienwesens beschrieben.185 Die Jahresgebühr dient dazu, einen Teil der Kosten des Patentwesens abzudecken.186 Wenn auch unterschiedlich diskutiert werden kann, ob die durch die Gebührenerhebung erfolgende Differenzierung gegenüber Urhebern sachlich gerechtfertigt ist und ob sie sich harmonisch in das Patentrechtsystem einfügt, so dient sie jedenfalls nicht der Erzielung eines Überschusses, da sie die Kosten des Patentschutzes nicht abdeckt. 187 Anders war dies anscheinend beim Privilegiensystem. Diese Verfolgung fiskalischer Interessen spricht dagegen, daß dem Privilegiensystem die Anerkennung geistiger Leistungen zugrunde lag. Beispiele bei Rommel, S. 70. Auszugsweise bei Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.77f. und Kapp (I, S.746) abgedruckt. 183 Beier, GRUR 1978, 123, 125. 184 Vgl. §20 Abs. 1 Nr. 3 PatG (Erlöschen des Patents bei Nichtzahlung der Jahresgebühr). 185 Harraeus GRUR 1962, 549, 551; vgl. hierzu Bernhardt/Krater, Lehrbuch des Patentrechts4, §26 I c 10 (S.416f.). 186 Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts4, §26 I c 10 (S.416f.). 187 Vgl. Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts4, §26 I c 10 (S.416f.). 181

182

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Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

In ähnliche Richtung könnte auch die Möglichkeit des Handels mit Privilegien weisen. 1 8 8 Ein solcher Handel kann jedoch ebenso mit der heute üblichen Übertragung von Nutzungsrechten (vgl. §§ 3 1 ff. U r h G ) und der Einräumung von Lizenzen ( § 1 5 Abs. 2 PatG) sowie der Übertragung der Rechte aus einem Patent (§ 1 5 Abs. 1 Satz 2 PatG) oder einer M a r k e ( § 2 7 Abs. 1 M a r k e n G ) verglichen werden. Eine weitere Besonderheit des weiterentwickelten Privilegienwesens w a r die Beschränkung des Privilegs auf ein bestimmtes D r u c k f o r m a t (Folio, Q u a r t oder O k t a v ) oder eine bestimmte Ausgabe. 1 8 9 Diese Privilegienpraxis läßt sich nicht mit dem Gedanken eines Schutzes der geistigen Leistung des Autors durch das Privileg vereinbaren. Vielmehr ist das so ausgestaltete Erteilungsverfahren eine Ausprägung merkantilistischer Vorstellungen. Anderen Druckern sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, ein inhaltlich identisches Werk in anderer Ausstattung zu vertreiben. Auch Gemeinwohlerwägungen können hierbei eine R o l l e gespielt haben. Die Erweiterung des Angebots k a n n Preissenkungen zur Folge gehabt haben, so daß dieser beschränkten Privilegierung ähnliche M o t i v e zugrunde gelegen haben k ö n n e n wie der österreichischen N a c h d r u c k f ö r d e r u n g . 1 9 0 Jedenfalls aber steht diese Praxis der Erteilung von Druckerprivilegien in unlösbarem Widerspruch zu einem auch ohne Privilegien bestehenden Schutz des Autors. Zusammenfassend k a n n für das Privilegienwesen festgehalten werden, d a ß drei wesentliche Umstände gegen eine allgemeine Anerkennung des Autorenschutzes im Privilegienzeitalter sprechen. Weder die Erteilung eines Privilegs in Kenntnis eines anderen Privilegs für einen N a c h d r u c k e r noch die Verfolgung fiskalischer Interessen durch die Privilegienerteilung sind mit der A n n a h m e eines originären Urheberschutzes zu vereinbaren. Gleiches gilt für die beschränkte Privilegierung bestimmter D r u c k f o r m a t e . Z w a r sind die genannten Argumente nicht in der Lage, generell, also für jedes erteilte Privileg, auszuschließen, d a ß diesem nicht doch lediglich eine bloße Affirmierungsabsicht in Bezug a u f einen bestehenden Schutz zugrunde lag. Jedenfalls aber kann ein genereller Schutz des Autors bereits mit Werkerstellung für das Privilegienzeitalter nicht festgestellt werden.

188 Ygj h ; e r z u die Darstellung bei Rommel (S.70), der von einem Streit zwischen den Buchhändlern Pape und Völcker berichtet. Ausgangspunkt der Meinungsverschiedenheit war die Ansicht Papes, mit dem Kauf einer Buchhandlung das Privileg für die französische Grammatik von Peplier erworben zu haben. 189 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.45; Kapp I, S. 748. iso ygi z u r österreichischen Begünstigung des Nachdrucks zur Mitte des 18. Jahrhunderts: Vogel, AGB XIX (1978), Sp.2, 77f.

§ 1 Geistiges Eigentum in der älteren Urheberrechtsgeschichte

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4. Die Lehre vom Verlagseigentum - eine Vorstufe zum geistigen Eigentum? Der von Gieseke 191 entwickelte und von Bappert 192 vertiefte Begriff des Verlagseigentums scheint eine Brücke zwischen dem Privilegienwesen und der Theorie vom geistigen Eigentum zu schlagen. Gieseke bezeichnet sie als „eine der Grundlagen der späteren Lehre vom geistigen Eigentum". 193 Mit dem Begriff Verlagseigentum wird eine Rechtsposition umschrieben, die der Verleger, also nicht der Autor, mit der Drucklegung unabhängig von der Erteilung eines Privilegs erlangte. Der Drucklegung selbst wird rechtserzeugende Wirkung beigelegt.194 Gestützt wird die Theorie vom Verlagseigentum auf Quellen, in denen sich Drucker gegen den Nachdruck ihrer Werke unter - häufig kursorischer - Bezugnahme auf Begriffe wie „Eigentum" oder „Diebstahl" zur Wehr setzten. 195 Die Bedeutung dieser Argumente erschließt sich aus einer Gegenüberstellung solcher Verlagseigentumsvorstellungen mit den Privilegien. Gieseke 196 sieht im „Verlagseigentum" die Anerkennung eines weiteren Geltungsgrundes für ein Verlagsrecht des Verlegers. Dieser kann sich also auf sein „Verlagseigentum" und/oder auf ein eventuell erteiltes Privileg berufen. Der Druck selbst begründet demnach originär ein Recht des Verlegers.197 Diese Deutung erscheint zweifelhaft bei Beachtung der Struktur von Privilegien. Bereits oben ist auf die Unsicherheiten hingewiesen worden, die bei der Deutung von Privilegien bestehen. 198 Ein mit der Drucklegung entstehendes Recht kann in vielfältiger Weise mit dem Privileg verknüpft werden. Zutreffend hat Vogel199 darauf hingewiesen, daß ein Privileg nicht zwingend eine Gesetzesform ist, der ein materiell-rechtliches Gehalt fehlt. Ebenso kann ein Privileg als Doppelakt verstanden werden, der zum einen - sofern man die heutige Begriffsbildung verwendet - einen materiellrechtlichen Kern hat und zum anderen prozessual die Rechtsdurchsetzung erleichtert. Dieser - fakultative - materiell-rechtliche Kern kann durch das Verlagseigentum im Fall der Privilegienerteilung substituiert worden sein. Insofern wäre eine Funktionsbeschränkung eingetreten. Das Privileg hätte dann nur noch eine rechtsdurchsetzende Funktion gehabt. Die Anerkennung eines mit der Drucklegung entstehenden Rechtes des Verlegers führt also nicht automatisch zur Annahme eines weiteren isolierten Geltungsgrundes für die Verlegerrechte. Ebenso kann das „Verlagseigentum" als materiell-rechtlicher Kern eines Druckerprivi191 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 51 ff.; ebenso Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 93 ff. 192 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S.218ff. 193 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 51. 194 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S.219ff.; Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 52ff. 195 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S.218ff. 196 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 52 197 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 52. 198 S. 23ff. 199 Vogel, AGB XIX (1978), Sp.2, 34.

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Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

legs erklärt werden. Die letztgenannte Deutung harmoniert auch mit den ersten normativen Regelungen zur Fassung des N a c h d r u c k s in den städtischen D r u c k ordnungen. 2 0 0 In diesen Buchdruckerordnungen wird unter anderem untersagt, auch nicht durch Druckprivilegien geschützte Werke nachzudrucken. Die Leistung des Druckers wird also als schützenswert angesehen und positivrechtlich manifestiert. Die Druckerordnungen sind daher Ausprägungen des Verlagseigentumsprinzips. 2 0 1 Die Einräumung eines Rechtes durch die Lehre vom Verlagseigentum beruhte also nicht auf der Akzeptanz einer schutzfähigen und schutzwürdigen geistigen Leistung des Verfassers. Vielmehr wurde die gewerbliche Leistung des Druckers honoriert. Gegen die Anerkennung der Theorie vom Verlagseigentum als eine Vorstufe der Lehre vom geistigen Eigentum spricht demnach der divergierende Kreis der Begünstigten. Die Lehre v o m Verlagseigentum betrifft den Schutz des Verlegers, während die frühe Theorie vom geistigen Eigentum den Schutz des Urhebers begründen will. Zutreffend ist daher die Charakterisierung des Verlagseigentums als ein Element des Gewerbeschutzes. 2 0 2 Im übrigen ist die Verbindung mit dem Eigentumsbegriff eine lose, im wesentlichen erst 1 9 5 7 durch Gieseke begründete Verbindung. Die Buchdruckerordnungen des 1 6 . und 1 7 . Jahrhunderts waren nicht auf den Eigentumsbegriff aufgebaut. 2 0 3 Die Lehre v o m Verlagseigentum ist also keine Vorstufe der Lehre v o m geistigen Eigentum gewesen.

§2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum im 18. und 19. Jahrhundert I. Der Eigentumsbegriff des 18. Jahrhunderts Die ersten Schriften zur Lehre v o m geistigen Eigentum erschienen im 1 8 . J a h r hundert. 1 Bappert sieht in diesen Stimmen eine Erweiterung des Eigentumsbe200 Beispiele für diese, ab dem 16. Jahrhundert auftauchenden normativen Regelungen des Buchdruckes findet sich bei Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.57ff. 201 Vogel, AGB XIX (1978), Sp.2, Sp.36. 202 Vogel, AGB XIX (1978), Sp.2, 33. 203 Vgl. die Textbeispiele bei Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 57ff. 1 Gundling, Rechtliches und vernunftmäßiges Bedenken eines Icti, der unpartheyisch ist, von dem schändlichen Nachdruck andern gehöriger Bücher, Halle 1726 (zitiert nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 79); Böhmer, Kurze Einleitung zum geschickten Gebrauch der Akten, 2. Aufl. Frankfurt 1734, S.507ff. (zitiert nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 79); Birnbaum, Eines aufrichtigen Patrioten unparteiische Gedanken über einige Quellen ... des Verfalls der jetzigen Buchhandlung ... worinnen ...erwiesen wird, daß der unbefugte Nachdruck ... Diebstahl sei, Schweinfurt 1733 (zitiert nach Bappert, Wege zum Urheberrecht, S.258); Thurneisen De Recusione Libro-

§ 2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum im 18. und 19.

Jahrhundert

35

griffes auf unkörperliche, „nicht sinnfällige" Gegenstände. 2 Diese Aussage kann nur dann Richtigkeit für sich beanspruchen, wenn der Eigentumsbegriff des 1 8 . Jahrhunderts mit dem heutigen des B G B übereinstimmt. § 9 0 3 B G B beschränkt für das Sachenrecht den Eigentumsbegriff auf das Recht an einer Sache ( § 9 0 B G B ) . Sachen im Sinne des B G B sind allein körperliche Gegenstände. Schon der Eigentumsschutz des Art. 1 4 Abs. 1 G G kennt diese Beschränkung auf körperliche Gegenstände nicht. 3 Die der Lehre vom geistigen Eigentum zugesprochenen Erweiterung

des Eigentumsbegriffes ist also nur dann erfolgt, wenn im 1 8 . J a h r -

hundert ein auf das Sacheigentum beschränkter Eigentumsbegriff vorherrschte. Die vielfältige Rechtszersplitterung und die dynamische Rechtsentwicklung des 1 8 . Jahrhunderts schließen es aus, den Eigentumsbegriff des 1 8 . J a h r h u n derts zu bestimmen. D a die erwähnten Schriften, in denen die ersten Ansätze der Theorie vom geistigen Eigentum zu finden sind, noch vor der Naturrechtskodifikationswelle des ausgehenden 1 8 . Jahrhunderts erschienen sind, m u ß der naturrechtliche Eigentumsbegriff der Präkodifikationszeit bestimmt werden.

1. Der weite Eigentumsbegriff des römischen Rechts

Hugo Grotius' auf der

Grundlage

Grundlegende Ausführungen zum Inhalt 4 des Eigentumsbegriffs des Naturrechts finden sich bei Hugo Grotius, der als Begründer des modernen Naturrechts gilt. 5 Das Eigentum wird von Grotius anläßlich der naturrechtlichen Kriegsgründe abgehandelt. 6 Grotius geht von einem weiten Eigentumsbegriff aus. Z u m Eigentum gehört auch die „Herrschaft über Handlungen a n d e r e r " . Eigentum wird als Vermögen definiert, was wiederum eine Verklammerung von Obligationen- und Sachenrecht zu einem singulären Vermögensrecht zur Folge hat. 7 D e r weite Eigentumsbegriff von Grotius hat seine Grundlage im römischen Recht. Für die altrömische Zeit kann die Herrschaftsmacht des Paterfamilias mit dem Ausdruck „meum esse" gekennzeichnet werden. Eine Begrenzung dieser umfassenden Herrschaftsmacht auf körperliche Gegenstände ist nicht ersicht-

rum Furtiva, zu Teutsch: Vom unerlaubten Bücher-Nachdruck, Basel 1738 (deutsche Übersetzung bei Thieme, FS Berner Übereinkunft, S. 13ff.); Pütter, Der Büchernachdruck nach ächten Grundsätzen des Rechts geprüft (1774). 2 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S.254. 3 BVerfGE 45, 142, 179; 53, 193, 216ff.; 70, 278, 285; 78, 58, 71; 83, 201, 208; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz.56; Dreier /Wieland, Art. 14 Rz.31; v. Mangoldt/Klein/Starck4/Depenheuer, Art. 14 Rz.33, 133ff.; von Münch/Kunig5/ßryde, Art. 14 Rz. 11; Sachs 2 /Wendt, Art. 14 Rz.22; Jarass, in: Jarass/Pieroth5, Art. 14 Rz. 7ff. 4 Zur Funktion des Eigentums im Naturrecht vgl. Laier (passim), die allerdings den Gegenstand des naturrechtlichen Eigentumsbegriffes nicht näher untersucht. 5 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S.287; Donati, UFITA 137 (1998), 65f. 6 Vgl. die Darstellung bei Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S.291. 7 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S.291.

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Teil 1: Geistiges

Eigentum

- Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

lieh.8 In der vorklassischen und klassischen Periode kommt es zu einer begrifflichen Konkretisierung und Präzisierung. Zum einen vollzieht sich die Aufspaltung von Eigentum und Besitz. Zum anderen beginnt eine selbständige begriffliche Erfassung der beschränkten dinglichen Rechte. 9 Der zur Benennung des Gegenstandes des Rechts verwendete Begriff res hatte eine mehrfache Bedeutung. In den Institutionen wird die res - nach heutiger Terminologie - als Rechtsobjekt definiert. Zu den unkörperlichen Gegenständen zählen Rechte wie Erbenstellung, Nießbrauch und Schuldverhältnisse aller Art. 10 Eine weitere Entwicklung des Sachbegriffes findet in der Zeit des Vulgarrechts nicht statt. Statt dessen wird die begriffliche Trennung von dominium und possessio aufgegeben.11 Gleichfalls in dieser Zeit findet eine inflationäre Häufung der Bezeichnung von Rechten als dominium oder proprietas statt. Sogar familienrechtliche Nutzungsrechte (wie das an der Eheschenkung) wurden dominium oder proprietas genannt.12 Parallel zu dieser Ausweitung des Eigentumsbegriffes wurde auch der Anwendungsbereich des Besitzbegriffes auf Rechte erstreckt. Besitz an Erbschaft, ususfruetus und Servituten wurde bejaht. 13 Als Ergebnis bleibt, daß der Gegenstand des Eigentums, also das Bezugsobjekt des Herrschaftsrechts, im römischen Recht einer Variabilität unterworfen war. Eine strikte Beschränkung auf körperliche Gegenstände als Objekt der Herrschaftsmacht gab es nicht. Die nachklassische Zeit war geprägt von einem Eigentumsbegriff mit schwacher Kontur. Gleiches gilt für den Besitzbegriff.

8 Käser, Das römische Privatrecht I, § 31 I 1 (S. 120); Käser, Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, S.6. 9 Käser, Das römische Privatrecht I, § 91 I 1 (S.373). 10 Inst. 2, 3 (deutsche Übersetzung bei Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis I 2 , S. 60; Hinweise zur Quelle und Übersetzung bei Söllner, Einführung in die römische Rechtsgeschichte, S. 139); kritisch zur tatsächlichen Verbreitung dieses Eigentumsbegriffes Käser, Das römische Privatrecht I, § 9 2 I 1 (S.376). 11 Käser, in: Deutsche Landesreferate zum VI. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung, S. 19, 36; Käser, Das römische Privatrecht II, § 2 3 8 II (S.247); Olzen, JuS 1984, 3 2 8 , 331. 12 Vgl. Käser, Das römische Privatrecht II, § 2 3 8 III 1 (S.249). 13 Käser, Das römische Privatrecht II, § 2 3 9 IV (S. 255f.); Auch das geltende deutsche Recht kennt - trotz der Beschränkung des Sacheigentums auf körperliche Gegenstände - eine oft als Rechtsbesitz bezeichnete Rechtsposition. Verwendet wird diese Bezeichnung für die Gewährung von Besitzschutz an Personen, die keine tatsächliche Sachherrschaft haben, sondern lediglich über ein durch ein Recht vermitteltes Ausübungsverhältnis zur Sache verfügen. Eine solche Gewährung von Besitzschutz findet sich im Recht der Dienstbarkeiten (§§ 1029 Abs.2, 1 0 9 0 BGB [Grunddienstbarkeit, beschränkte persönliche Dienstbarkeit]). Auch dem Jagdausübungsberechtigten wird Besitzschutz gewährt, obwohl er keinen Besitz an dem Grundstück hat, vgl. BGH L M § 823 (F), Nr. 10 (zum fehlenden Besitz); Palandt 6 0 /Bassenge, Überblick vor § 8 5 4 Rz. 4. Ahnliche Besitzschutzerweiterungen finden sich in landesrechtlichen Regelungen ( § 1 6 BayFischereiG). Joost (MünchKomm 3 , vor § 8 5 4 Rz. 7) kritisiert die Bezeichnung „Rechtsbesitz" als irreführend, da es nicht um den Besitz des Rechts, sondern um die Erstreckung der Besitzschutzregeln gehe.

§ 2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum

im 18. und 19.

Jahrhundert

37

Hiervon ausgehend entwickelte sich der Eigentumsbegriff der Glossatoren und Postglossatoren. Coing hat diesen transparent anhand der Eigentumslehre des Bartolus erläutert. 14 Bartolus verwendet den Begriff des dominium in einem engeren und in einem weiteren Sinne. Der weitere Begriff umfaßt alle Rechte an körperlichen und unkörperlichen Sachen. Neben dem Nießbrauch erfaßt Bartolus mit dem weiten Eigentumsbegriff auch obligatorische Rechte. Der daneben verwendete engere Eigentumsbegriff beschränkt sich auf das Eigentum an körperlichen Gegenständen. Die für die weitere Entwicklung des Eigentumsbegriffes bemerkenswerteste Besonderheit ist, daß Bartolus Eigentum ausgehend vom Begriff dominium und nicht als proprietas definiert hat. Hierdurch wies Bartolus dem Herrschaftsgedanken eine zentrale Funktion bei der Bestimmung des Inhalts des Eigentums zu. Gegen diese Ausgangsbasis für die Inhaltsbestimmung des Eigentums wandte sich bereits Baldus, ein Schüler des Bartolus. Ebenso ausgehend vom Begriff dominium entwickelte Baldus einen Eigentumsbegriff, der wie der Begriff proprietas eher zuordnungsbezogen ist.15 Festgehalten werden kann, daß auch die Glossatoren und Postglossatoren (oder Konsiliatoren, Kommentatoren 16 ) den Eigentumsbegriff nicht auf körperliche Sachen fixiert haben. Allerdings ist von Bartolus ein auf das Herrschaftsrecht an körperlichen Sachen begrenzter Eigentumsbegriff entwickelt worden. Da jedenfalls daneben auch noch eine weite Definition des Eigentums vertreten wurde, schließt Grotius' Eigentumsbegriff homogen an die vorangegangene Rechtsentwicklung an.

2. Die weitere Entwicklung des naturrechtlichen

Eigentumsbegriffes

Auch die weitere Entwicklung des Naturrechts bis in die hier besonders interessierende Zeit des 18. Jahrhunderts war von der Perpetuierung dieses weiten Eigentumsbegriffes geprägt. Nach allgemeinem Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 ist Eigentümer derjenige, der befugt ist, über die Substanz einer Sache oder eines Rechts zu verfügen.17 Ein ähnlicher Eigentumsbegriff findet sich im österreichischen ABGB von 1811. Nach § 353 öABGB sind Eigentum alle körperlichen und unkörperlichen Sachen einer Person. 18 § 2 8 5 ABGB gibt die Definition des Sachbegriffs. Sache im Rechtssinne ist demnach alles, was von eiCoing, Z R G RA 70 (1953), 348ff.; zustimmend Olzen, JuS 1984, 328, 332. Vgl. Willoweit, Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 94 (1974), S.131, 146f. 16 Vgl. zum Streit um die zutreffende Bezeichnung dieser Juristengeneration Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 81. 17 pr. ALR § 1 I 8: „Eigenthümer heißt derjenige, welcher befugt ist, über die Substanz einer Sache, oder eines Rechts, mit Ausschließung Andrer, aus eigner Macht, durch sich selbst, oder durch einen Dritten, zu verfügen." 18 Zur Praktikabilität dieses Eigentumsbegriffes vgl. Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 290f. 14

15

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Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

ner Person unterschieden ist und zum Gebrauche des M e n s c h e n dient. Verwandte Formulierungen finden sich auch in der Literatur. Schlettwein bezeichnete 1 7 8 4 als Eigentum das Innehaben von körperlichen und unkörperlichen Sachen, also R e c h t e n . 1 9 Für den eingangs erwähnten Untersuchungszeitraum läßt sich damit kein scharf konturierter Eigentumsbegriff feststellen. Die Begriffsbildung in Bezug auf die Körperlichkeit des Herrschaftsobjekts war nicht abgeschlossen. D e r Eigentumsbegriff war nicht - w i e heute im deutschen Recht - ausschließlich auf körperliche Gegenstände beschränkt. Die von Bappert 2 0 behauptete „Ausdehn u n g " des Eigentumsbegriffes durch die Lehre v o m geistigen Eigentum kann somit nicht konstatiert werden. Vielmehr ist dem damals bekannten Eigentumsbegriff lediglich ein neues Bezugsobjekt zugeordnet worden.

II. Erste Ansätze der Theorie vom geistigen Eigentum im deutschen Sprachraum In einigen Responsi

aus der ersten Hälfte des 1 8 . Jahrhunderts finden sich erste

Querverbindungen zwischen Eigentum und Schutz vor N a c h d r u c k . Diskutiert wurde, o b aus dem Eigentum an dem M a n u s k r i p t Verlagsrechte folgten. N o c h nicht erkannt wurde anscheinend, daß der Schutzgrund auch losgelöst v o m körperlichen Gegenstand gefunden werden kann. 2 1 In der rechtswissenschaftlichen Literatur 2 2 wird der 1 7 2 6 erschienenen Arbeit von Gundling 2 3 besondere Bedeutung beigemessen. In ihr heißt es, daß „das Buch ihr (der Autoren) Eigentum (sei), nicht nur in Ansehnung ihrer eigenen Gedanken, sondern auch des Wertes, nach welchem sie dasselbe verhandeln k ö n nen, wenn jemand solches verlegen will." Interessant vor dem Hintergrund des oben entwickelten naturrechtlichen

Eigentumsbegriffes ist die

Behauptung

Gundlings, daß der Verleger nach der Einigung mit dem Autor über den D r u c k des Werkes „ D o m i n u s " des Buches sei. B ö h m e r bezeichnet 1 7 3 1 den Autor als „Dominus von solcher Arbeit und W e r c k s " . 2 4 Schlettwein, Die Rechte der Menschheit, § § 119 ff. Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 254. 21 Vgl. die Darstellung bei Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.75ff. 22 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S.259; Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 79; Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 9 VIII (S. 71). 23 Gundling, Rechtliches und vernunftmäßiges Bedenken eines Icti, der unpartheyisch ist, von dem schändlichen Nachdruck andern gehöriger Bücher, Halle 1726 (zitiert nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 79). 24 Zitiert nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 80; ebenso eine anonym unter dem Titel „Charlatanerie der Buchhandlung" erschienene Schrift aus dem Jahr 1732. 19

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§ 2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum im 18. und 19. Jahrhundert

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Besondere Klarheit kennzeichnet die Formulierungen in der 1 7 3 3 erschienen Schrift Birnbaums. 2 5 N i e m a n d könne bestreiten, daß dasjenige, was die Geschicklichkeit der Gelehrten hervorgebracht habe, ihr Eigentum sei; sie allein könnten darüber disponieren. Das Eigentumsrecht gebe ihnen die M a c h t , andere v o m Gebrauch ihrer Sache auszuschließen. 2 6 Die gedanklich vollzogene Trennung zwischen dem Sacheigentum an dem Buch und den Rechten an der immateriellen Leistung zeigt Birnbaums Darstellung des Rechtsüberganges: Die Annahme des Manuskriptes durch den Verleger sei „nicht nur die Übergabe des Eigentums an einer körperlichen Sache; sondern auch zugleich die völlige Zession und Abtretung aller damit verbundenen und nur denen den Verfassern sonst allein zukommenden Rechte. Diese Zession vertritt, wie bei unkörperlichen Sachen . . . also auch hier die Stelle der Ü b e r g a b e . " 2 7 Birnbaums Arbeit dürfte aus dem Kreis der genannten Schriften diejenige sein, die den bedeutendsten Beitrag zur Entstehung der Lehre v o m geistigen Eigentum geleistet hat. M i t großer begrifflicher Schärfe wird eine weitere, neben dem Sacheigentum am M a n u s k r i p t stehende Rechtsposition des Autors herausgearbeitet. Auch ist die von Birnbaum gezogene Parallele zum Eigentum an unkörperlichen Sachen von Bedeutung. Sie unterstreicht die Richtigkeit des hier dargelegten weiten Eigentumsbegriffes des N a turrechts, der nicht auf das Sacheigentum beschränkt war. 2 8 Aus der Literatur der Zeit bis Mitte des 1 8 . Jahrhunderts wird der bereits o b e n 2 9 erwähnten Baseler Dissertation von J o h a n n R u d o l f Thurneisen (De Recusione Librorum Furtiva, zu Teutsch: V o m unerlaubten Bücher-Nachdruck) eine besondere Bedeutung beigemessen. 3 0 Zutreffend haben allerdings Gieseke 3 1 und Bappert 3 2 darauf hingewiesen, daß einige Passagen aus Thurneisens Arbeit, u.a. die Ausführungen zur Übertragung des Vervielfältigungsrechtes, lediglich Übersetzungen 3 3 von Birnbaums Arbeit waren, die von Thurneisen allerdings nicht zitiert worden ist. W ä h r e n d die Arbeiten von Gundling, Böhmer, Birnbaum und Thurneisen zeitlich in einem recht dichten Abstand erschienen, flaute die Diskussion in den dar-

25 Birnbaum, Eines aufrichtigen Patrioten unparteiische Gedanken über einige Quellen ... des Verfalls der jetzigen Buchhandlung ... worinnen ...erwiesen wird, daß der unbefugte Nachdruck ... Diebstahl sei, Schweinfurt 1733 (zitiert nach Bappert, Wege zum Urheberrecht, S.258; Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 80). 26 Zitiert nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 80f. 27 Zitiert nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts S. 81. 28 Im Ergebnis ebenso Dölemeyer/Klippel, GRUR-FS Bd. I, S. 185, 198 (Rz. 18). 29 Vgl. S.4. 30 Vgl. Rehbinder, Urheberrecht10, Rz. 22: „sehr eingehend behandelt"; Troller, Immaterialgüterrecht I 3 ,2. Kapitel, § 3 I (S.21): „gründlichste Behandlung des geistigen Eigentums"; Thieme, FS Die Berner Ubereinkunft und die Schweiz, S . l , 8: „bedeutende Dissertation". 31 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 81. 32 Bappert, AGB VI (1966), Sp. 1263, 1264. 33 Birnbaums Arbeit ist in Deutsch abgefaßt, während Thurneisen auf Latein publiziert hat.

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Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

auffolgenden ca. 30 Jahren ab. 34 Erst mit der 1774 erschienenen Schrift „Der Büchernachdruck nach ächten Grundsätzen des Rechts geprüft" von Johann Stephan Pütter kam es zu einer erneuten Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit des Buchnachdrucks und damit auch zu einer weiteren Erörterung der Diskussion der Theorie vom geistigen Eigentum. Querverbindungen zwischen Eigentum und Rechtsposition des Urhebers werden von Pütter in § 20 3 5 seiner Abhandlung erörtert. Nachdem er die Zulässigkeit des Nachdruckes älterer Werke bejaht hat, führt er zum Nachdruck neuer Werke aus: „Ganz eine andere Bewandniß hat es mit solchen Werken, die ein Gelehrter erst neu ausgearbeitet hat, und die jetzt das erstemal in Druck kommen sollen. Diese sind gleich ursprünglich unstreitig ein wahres Eigentum ihres Verfassers, so wie ein jeder das, was seiner Geschicklichkeit und seinem Fleisse sein Dasein zu danken hat, als sein Eigentum ansehen kann." Die Parallele zum Eigentum bestimmt auch den Inhalt der Rechtsposition des Verfassers. „An allen solchen Arbeiten kann niemand ohne des Verfassers Einwilligung sich irgend eines Rechts anmassen. Nur dem Verfasser einer jeden Schrift, oder nach seinem Tode seinen Erben, oder wem das Eigentum von selbigen rechtmässig übertragen ist, kommt es zu, nach freier Willkühr zu bestimmen, ob und wie eine solche Schrift zum Druck befördert werden solle." Auch dem Verleger stehe nach Einigung mit dem Autor aufgrund des zwischen ihnen geschlossenen Vertrages ein „eigenthümliches Recht" zu. 36 Allerdings erreicht auch Pütter in Bezug auf die Herausarbeitung der Rechtsposition des Autors nicht die begriffliche Schärfe Birnbaums. Dies mag damit zusammenhängen, daß Pütters Werk sich primär mit der Unzulässigkeit des Nachdrucks und nicht mit Rechten des Autors befaßt. Zutreffend hat Bappert 37 darauf hingewiesen, daß Pütters Werk im wesentlichen eine Wiederholung und Zusammenfassung älterer deutscher Schriften ist. Der Verdienst von Pütters Schrift liegt aber darin, die Diskussion um die Rechte des Verfassers neu belebt zu haben. Auch in der Folgezeit ist die juristische Diskussion noch auf die Zulässigkeit des Nachdrucks fokussiert. Immer stärker gewinnen die Rechte des Autors Konturen. Beeinflußt durch John Locke rückt die Verbindung von Arbeit und Eigentum in das Blickfeld. Johann August Schlettwein meint 1779, „es muß ... eines jeden Menschen Eigentum sein, was er durch Anwendung seiner eigenen Kraft, seiner eigenen Fähigkeiten, seiner eigenen Personalvermögenheit schafft, hervorbringt, formt...". 3 8 Der Verfasser von Schriften seien folglich „unstreitig, wie alle andere Producenten, von ihren Produkten rechtmäßige Eigenthümer". 39 Vogel, AGB XIX (1978), Sp.2, 50. Pütter, § 2 0 (S.25ff.). 36 Pütter, §182 (S.200). 37 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S.268. 38 Schlettwein, Grundfeste der Staaten oder die politische Ökonomie, Gießen 1779, § 52; zitiert nach Dölemeyer/Klippel, GRUR-FS Bd. I, S. 185, 198 (Rz. 18). 39 Schlettwein, Besprechung des Buches vom M. Ehlers, Ueber die Unzulässigkeit des Bücher34 35

§ 2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum im 18. und 19. Jahrhundert

41

In besonderem M a ß e hat sich J o h a n n Gottlieb Fichte für die Rechte des Autors eingesetzt. Er trennt präzise zwischen der „körperlichen und der geistigen Seite des B u c h e s " . 4 0 Auch an der geistigen Seite bestehe ein Eigentumsrecht. M i t einem unerlaubten Nachdruck greife der Nachdrucker in das Eigentumsrecht des Verfassers ein. 1 7 9 0 formuliert Tittel, daß das Werk „als solches, als Geisteserzeugung" allein dem Verfasser als ein unveräußerliches Eigentum gehört. Sein Eigentum m u ß es sein, weil es die Frucht seines eigenen Fleißes und ein reiner Gewinn der von ihm selbst angewandten Kräfte ist. 4 1 Als Ergebnis kann für den Ausklang des 1 8 . Jahrhunderts festgehalten werden, daß sich ein mit „ E i g e n t u m " bezeichnetes R e c h t des Verfassers an seinem Werk herauskristallisiert hatte. Im wesentlichen diente dieses den Interessen der Drucker: Z u r Legitimation eines ausschließlichen Druckrechts des Verlegers, der mit dem Autor eine vertragliche Übereinkunft getroffen hatte, bot es sich an, dem Autor eine Rechtsposition einzuräumen, die dieser auf den Verleger übertragen konnte. Insofern ist die Entstehung eines Autorenrechtes zunächst nur ein Reflex der Nachdruckdiskussion. Im weiteren zeitlichen Verlauf trat eine immer weitergehendere Verselbständigung des Urheberrechtes ein. Auch wurden im 1 8 . Jahrhundert erste Querverbindungen zwischen dem - sich im U m b r u c h befindenden - Eigentumsbegriff und der geistigen Leistung des Urhebers hergestellt, so daß in dieser Zeit die Entstehung der Theorie v o m geistigen Eigentum lokalisiert werden kann.

III. Geistiges Eigentum im 19. Jahrhundert Im 1 9 . Jahrhundert gewann die Theorie des geistigen Eigentums im Z u s a m m e n hang mit der Nachdruckdiskussion weiter an B o d e n . 4 2 Verschiedene Problemkreise 4 3 galt es zu Beginn des 1 9 . Jahrhunderts zu bewältigen: Z u m einen war ein nachdrucks ..., Leipzig 1784, in: Allg. Dt. Bibliothek 62 (1785), 382, zitiert nach Dölemeyer/ Klippel, GRUR-FS Bd. I, S. 185, 198 (Rz. 18); Schlettweins Ausführungen werden von Schwab (Quaderni fiorentini per la storia del pensiero giuridico moderno, Bd. 3/4 [1974/75], 509, 517) der politischen Literatur der Aufklärung zugerechnet. Hier zeigt sich die für die Definition des Eigentumsbegriffes im 18. Jahrhundert typische Verknüpfung von rechtlichen und politischen Fragestellungen. 40 Fichte, Beweis der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks, Berlinische Monatszeitschrift 1793 (Bd.21), S.443ff. [Reprint in Rietzschel (Hrsg.), Gelehrsamkeit ein Handwerk?, S. 2 3 1 , 2 3 3 ff.]. 41 Tittel, Büchernachdruck und Büchereigentum, Reprint in UFITA 130 (1996), 103, 104. 42 Vgl. die umfassende Darstellung bei Dölemeyer/Klippel, GRUR-FS Bd. I, S.185, 199ff. (Rz. 20ff.); daneben Bappert, Wege zum Urheberrecht, S.280ff.; Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 98ff.; Klippel, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S. 121 ff.; Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, §9 XI (S. 80ff.). 43 Vgl. den Problemaufriß bei Dölemeyer/Klippel, GRUR-FS Bd. I, S. 185, 203 (Rz.23).

42

Teil 1 : Geistiges Eigentum

- Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Recht des Urhebers an seinem Werk noch nicht allgemein anerkannt. Diesbezüglich war die Rechtswissenschaft gefordert, das Urheberrecht zu legitimieren. Hierbei konnte der Begriff des geistigen Eigentums nutzbar gemacht werden. Nach erfolgter Anerkennung des Rechtes an der geistigen Leistung mußte die inhaltliche Ausgestaltung des Schutzes erfolgen. Für die Inhaltsbestimmung bot sich ein Vergleich mit dem (Sach-) Eigentum an. Daneben mußte die rechtsdogmatische Einordnung erfolgen. Auch hierfür lag eine Orientierung am Eigentumsbegriff nahe. Zeitlich versetzt stellten sich identische Fragestellungen für den Schutz von Patenten, Mustern und Modellen sowie von Warenzeichen. 1. Legitimation

des Urheberrechtes

durch Bezugnahme

auf das

Eigentum

Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte sich die Verwendung des Begriffes „geistiges Eigentum" etabliert. Ausgehend vom weiten Eigentumsbegriff des Naturrechts, der in den Naturrechtskodifikationen seinen Niederschlag gefunden hatte, war es möglich, ein Recht an geistigen Leistungen mit den Erwägungen zu legitimieren, die auch der Rechtfertigung des Sacheigentums dienten. Die Legitimationskraft des Begriffes Eigentum speiste sich im 19. Jahrhundert aus verschiedenen Quellen. John Lockes Deutung des (Sach-)Eigentums wurde auch für die Erklärung des geistigen Eigentums nutzbar gemacht. Locke sah in der menschlichen Arbeit das Bindeglied zwischen der Person und der durch das Eigentum erfolgenden Zuordnung von Sachgütern an die Einzelperson. 44 Ähnlich hatte bereits 1779 Schlettwein zur Begründung des geistigen Eigentums argumentiert, indem er entscheidend auf die Kraftanwendung, also den Arbeitseinsatz abstellte. 45 Hier spiegeln sich Strukturelemente des Naturrechts wieder, die sich auch in späteren Äußerungen zum Geltungsgrund wiederholen. Das Naturrecht nahm in der Regel als „Urrecht" des Menschen ein materielles „Recht der Persönlichkeit" an. Aus diesem Kernrecht wurden zum einen die natürlichen Rechte des Menschen abgeleitet. Zum anderen wurde daraus der Schluß gezogen, daß der Mensch „Eigenthümer seines Geistesproduktes" sei.46 Die dem Naturrecht immanente Vermischung von Persönlichkeitsbereich und Gütereigentum 47 zeigt sich hier deutlich. Der weite Eigentumsbegriff ermöglichte es problemlos, auch ein Eigentumsrecht an unkörperlichen Gegenständen zu begründen. Die von Klippel48 aufgezeigten Beispiele aus der Naturrechtslehre demonstrieren dies deutlich. 1824 be44

Locke, Two Treatises of G o v e r n m e n t , §§ 2 5 - 5 1 . Vgl. oben S.40. 46 Anton Bauer, Lehrbuch des N a t u r r e c h t s , M a r b u r g 1808, S. 185 (zitiert nach Klippel, in: Historische Studien z u m Urheberrecht in E u r o p a , S. 121, 126). 47 Schwab, Q u a d e r n i fiorentini per la storia del pensiero giuridico m o d e r n o , Bd. 3/4 (1974/ 75), 509, 5 1 7 . 48 Klippel, in: Historische Studien z u m Urheberrecht in E u r o p a , S. 121, 126. 45

§ 2 Geistiges

Eigentum

und Sacheigentum

im 18. und 19.

Jahrhundert

43

gründet Gottlob Wilhelm Gerlach das Eigentum umfassend: „Indem ... der Mensch auch in sich selbst Objecte seines Rechts besitzt, die zugleich Gegenstände seiner ausschließlichen Behandlung sind, z.B. alle seine geistigen und körperlichen Kräfte, so wie seine Gedanken; so muß das Eigenthum und Eigenthumsrecht nicht nothwendig blos auf Sachen bezogen werden, sondern man hat dann ein doppeltes Eigenthum, ein inneres und ein äußeres, und wo dasselbe blos auf Sachen bezogen wird, entsteht das Eigentum im engern Sinne. 4 9 Johann Erich von Berger erkennt ein „geistiges Eigenthum - an Kräften, Kenntnissen, Talenten, und so begreiflich wieder an den sinnlichen Producten derselben". 5 0 Schlettwein unterwirft der Herrschaft des Eigentümer körperliche und unkörperliche Sachen sowie Rechte. 5 1 Es zeigt sich also, daß der Zuordnungs- und Herrschaftsbegriff „Eigentum" herangezogen wurde, um dem Urheber eine Rechtsposition an seinem Werk einzuräumen. Die Integration der Arbeitskomponente in die Legitimation des geistigen Eigentums ist eine konsequente Umsetzung der allgemeinen rechts- und gesellschaftspolitischen Diskussion des 19. Jahrhunderts zum Geltungsgrund des Privateigentums. Der Liberalismus der damaligen Zeit sah in dem Schutz und der Garantie des Eigentums einen wesentlichen Staatszweck. 5 2 Das Eigentum erhielt Verfassungsrang und wurde durch die Verknüpfung der Begriffe „Freiheit" und „Eigentum" in der herrschenden Werteordnung auf einer exponierten Position fixiert. Die mit der Industrialisierung einsetzenden gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen führten zu einer umfassenden Diskussion des Eigentumsbegriffes. Die Herleitung des Eigentums aus der Arbeit hatte Schwierigkeiten, Eigentum an Boden und Produktivkapital zu erklären. Umgekehrt bildete dieser Rechtfertigungsgrund des Eigentums den Anknüpfungspunkt sozialistischer Eigentumstheorien, die den abhängig Beschäftigten unmittelbar am Produktionserfolg beteiligen wollten. Die naturrechtliche Theorie des Arbeitseigentums eignete sich anscheinend in besonderer Weise als Ausgangspunkt zur Entwicklung sozialistischer Theorien, wie eine von Schwab als Beispiel ausgewählte Schrift von Rodbertus-Jagetzow zeigt. 53 Das Privateigentum sei ein vorgefundenes Rechtsprinzip, welches die Aufgabe habe, dem Arbeiter ihm sonst zustehende Produktanteile zu entziehen. Diesem Element der geltenden Rechtsordnungen 49 Gottlob Wilhelm Gerlach, Grundriß der philosophischen Rechtslehre, Halle 1824 (zitiert nach Klippel, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S. 121, 126). 50 Johann Erich von Berger, Grundzüge der Sittenlehre, der philosophischen Rechts- und Staatslehre und der Religionsphilosophie, Altona 1827, S. 2 9 6 (zitiert nach Klippel, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S. 121, 126). 51 Schlettwein, Die Rechte der Menschheit, § 122f. 5 2 Vgl. zum folgenden Schwab, Quaderni fiorentini per la storia del pensiero giuridico moderno, Bd.3/4 (1974/75), 5 0 9 , 515ff. 53 Rodbertus-Jagetzow, Das Kapital, Vierter Sozialer Brief an von Kirchmann, 1 8 8 4 , zitiert nach Schwab, Quaderni fiorentini per la storia del pensiero giuridico moderno, Bd.3/4 (1974/ 75), 509, 532f.

44

Teilt:

Geistiges Eigentum — Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

stellt Rodbertus-Jagetzow ein überpositives Rechtsprinzip gegenüber, nach dem Eigentum „das unbeschränkte Recht auf die volle Frucht der eigenen Arbeit" sei. Aus dem Arbeitseigentum zieht er den Schluß, daß Grund- und Kapitaleigentum ähnlich wie die Adelsrechte abgeschafft werden müßten. Demgegenüber nimmt das Arbeitseigentum bei Marx keine tragende Rolle ein. 54 Seine Theorie basiert auf einer Vernichtung des Privateigentums am Produktivvermögen. Eine Eigentumszuordnung nach der geleisteten Arbeit ist nicht Gegenstand der marxistischen Theorie. Die Beispiele zeigen, daß die Verknüpfung von Arbeit und Eigentum im 19. Jahrhundert einer facettenreichen Diskussion ausgesetzt war. Politische und ökonomische Interessen prägten die Argumentationslinien. Juristische Aspekte waren lediglich ein Element dieses Diskurses. Überraschenderweise ist die Theorie vom geistigen Eigentum nicht in den Strudel dieser Diskussion geraten. Der Streit um die Anerkennung eines Rechtes des Autors beschränkte sich auf den spezifisch juristischen Argumentationsbereich. Als Legitimation des Rechtes wurde es für ausreichend gehalten, auf den Eigentumscharakter zu verweisen. Dieses Recht genoß in der Rechtswissenschaft Anerkennung, ohne daß es einer näheren Begründung bedurfte. Dem Begriff Eigentum kam für die rechtswissenschaftliche Diskussion eine ausreichende Legitimationsfunktion zu. Begründet werden mußte allein, warum an geistigen Leistungen ein Eigentumsrecht bestand. Hierfür aber waren aber genau die Argumente tauglich, mit denen die persönliche Herrschaft über Sachen, also das Sacheigentum, begründet werden konnte. Die Diskussion um die Legitimation geistigen Eigentums führte also automatisch auch zu einer Rechtfertigung des Eigentums selbst. Identische Argumente hatten eine doppelte Legitimation zur Folge. Zum einen wurde das Eigentum an geistigen Leistungen dargelegt und zum anderen begründet, warum dieses Eigentum Schutz verdient. Umgekehrt ist der Schutz des Autors vor Nachdrucken auch mit dem Hinweis auf die strukturelle Beschränkung des Eigentums auf Sachen abgelehnt worden. Noch 1843 spricht Höpfner S5 dem Urheber die Möglichkeit ab, gegen den Nachdruck vorzugehen. Eigentum sei nur an körperlichen Sachen möglich. Im übrigen könne Eigentum nur an einer fremden Sache oder einer res nullius erworben werden. Die im Kern zutreffend von der Literatur 56 als argumentativ wenig wertvolle abgelehnte Darstellung Höpfners ist für die Dogmatik des Nachdruck 54 Vgl. Schwab, Quaderni fiorentini per la storia del pensiero giuridico moderno, Bd. 3/4 (1974/75), 509, 538ff. 55 Höpfner, Der Nachdruck ist nicht rechtswidrig, Grimma 1843 (zitiert nach Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 9 XI, S. 83f.). 56 Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 2 7 5 („... kommt nicht über den Beweis hinaus, Eigentumsrechte könnten nur an körperlichen Gegenständen bestehen, ..."); Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 9 XI, S. 83 („... klammert sich krampfhaft an die Schlußfolgerung, Eigentum könne nur an körperlichen Gegenständen bestehen ...").

§ 2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum

im 18. und 19.

Jahrhundert

45

schutzes von Bedeutung. Sein Ergebnis begründet Höpfner mit einem - behaupteten - Strukturelement des Eigentums, der fehlenden Erstreckung auf nichtkörperliche Gegenstände. Diese Meinung zeigt, daß die Legitimationsfunktion des Eigentumsbegriffes für den Schutz des Autors aus der Definition des Eigentums heraus angezweifelt werden kann. Höpfner vermischt allerdings zwei Fragen. Die Anerkennung eines Rechtes des Verfassers am Werk (welches u.U. als Eigentum bezeichnet werden kann) muß nicht zwingend zur Folge haben, daß auch ein Schutz vor Nachdruck besteht. Höpfner hätte ebenso ein Eigentumsrecht des Autors am Werk akzeptieren können, diesem aber inhaltlich die Relevanz für die Nachdruckdiskussion absprechen können. Denkbar wäre zum Beispiel ein Recht, das dem Autor lediglich vor einem entstellenden Nachdruck schützt. Festgehalten werden kann, daß dem Begriff des geistigen Eigentums jedenfalls die Aufgabe zukam, überhaupt ein Recht des Autors am Werk zu begründen. 2. Befugnisse

aus dem geistigen

a. Gewährung

von

Eigentum

im 19.

Jahrhundert

Abwehrrechten

Mit der Anerkennung eines geistigen Eigentums des Verfassers am Werk sind zunächst keine weiteren Aussagen über Inhalt und Umfang eines eventuellen Rechtsschutzes verbunden. Eine weitere Aufgabe lag also darin, aus der Rechtsposition „geistiges Eigentum" konkrete Rechte zu entwickeln. Der weite naturrechtliche Eigentumsbegriff erschwerte dies. Der heutige Eigentumsbegriff des BGB ist auf ein absolutes Recht, das Sacheigentum, beschränkt. Diese Limitation war - wie bereits oben dargelegt - dem naturrechtlichen Eigentum fremd. Die unter diesem Begriff zusammengefaßten Rechte waren teilweise nicht absoluter Natur. 57 Die Rechtswissenschaft war also gefordert, aus dem geistigen Eigentum ein absolutes Recht des Autors an seinem Werk zu entwickeln. Der bloße Hinweis auf das geistige Eigentum selbst genügte hierfür nicht. Daneben durfte die Lösung nicht spezifisch auf den Nachdruck zugeschnitten sein, da ansonsten Kunstwerke und Erfindungen nicht geschützt werden konnten. Aus diesem Grund war der Ansatz von Kant 58 ungeeignet, einen umfassenden Schutz der Rechtspositionen des geistig Schaffenden zu begründen.59 Kant sah in dem Buch eine Rede des Verfassers an seine Leser.60 Der Schutz der Rede als Element der Persönlichkeit hatte umgekehrt aber auch zur Konsequenz, daß nach Kant

57 Vgl. oben S. 37f.; vgl. daneben auch Klippel, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S.121, 129. 58 Kant, Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks (1785), Reprint in UFITA 106 (1987), 137ff.; Kohler (AcP 32 N.F. (1894), 141 ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 9 9 , 1 2 7 ) ) bezeichnet den Ansatz von Kant als „unjuristisch". 5 9 Vgl. Klippel, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S. 121, 129. 60 Kant, Reprint in UFITA 106 (1987), 137, 138.

46

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

Kunstwerke (als Sachen) ohne Einschränkung nachgeahmt und vervielfältigt werden durften. 6 1 Nutzbar gemacht werden konnte aber erneut der Arbeitsbegriff. M a n ging davon aus, daß dem Urheber der Lohn für seine Arbeit zustehen müsse. 6 2 Hiermit war aber zunächst nur anerkannt, daß dem Verfasser überhaupt Rechte aus dem Werk zustehen. D e r nähere Inhalt dieser Rechte bedurfte genauso einer Definition wie die heute erforderliche nähere Bestimmung des Urheberrechts durch die Urhebergesetze und deren Interpretation. Bei der näheren Definition des neuen Rechts w a r eine eventuelle Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu beachten. Bereits Ende des 1 8 . Jahrhunderts ist eine solche Bindung des Eigentums diskutiert w o r den. J o h a n n Heinrich Abicht 6 3 formulierte 1 7 9 2 : „Jede Person hat das R e c h t , das sich rechtlich erworbene Eigentum zu besitzen, aber nur alsdann und nur so lange (also nur temporell), w a n n und solange es als Mittel zu ihrem persönlichen Z w e c k e zu verwenden ist, dahin ist der Besitz derselben durch den alles berechtigenden persönlichen Z w e c k eingeschränkt.. .Uberflüssiges und seinem M e n s c h heitszweckes schändliches Eigentum besitzt niemand mit R e c h t . " Bereits hier zeichneten sich also Elemente der Sozialbindung ab, die später für die Fortentwicklung des Bürgerlichen Rechts von besonderer Bedeutung sein sollten. 6 4 Unterwirft m a n das geistige Eigentum dieser naturrechtlichen Eigentumsbindung, war es trotz Annahme eines Eigentumsrechtes des Autors möglich, den N a c h d r u c k als Ausprägung der Sozialbindung anzusehen und damit für zulässig zu halten. Dieser Gedanke findet sich allerdings in der Literatur des 1 9 . J a h r h u n derts in dieser F o r m nicht. Die Befürworter des Nachdrucks hatten sich statt dessen für den einfacheren Weg entschieden und schon das Eigentum an der geistigen Leistung abgelehnt. 6 5 Abweichende Stimmen finden sich für den Erfindungsschutz. Hier wurde das geistige Eigentum sogar als ein Argument für die freie N a c h a h m u n g einer Erfindung angesehen. Der Vervielfältiger von N a c h a h m u n g e n einer Erfindung könne sich ja ebenfalls auf den freien Gebrauch seiner Kräfte berufen. 6 6 Verkannt wur-

Kant, Reprint in UFITA 106 (1987), 137, 143. Vgl. Klippel, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S.121, 131 f. 63 Abicht, Neues System eines aus der Menschheit entwickelten Naturrechts, Bayreuth 1792, § 86, zitiert nach Schwab, Quaderni fiorentini per la storia del pensiero giuridico moderno, Bd. 3/4 (1974/75), 509, 519. 64 Vgl. zur sozialen Bindung des Eigentums im Bürgerlichen Recht des 19. Jahrhunderts Rudolph, S. 3 ff. 65 Vgl. für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts die Quellennachweise bei Bappert, Wege zum Urheberrecht, S.274f. 66 So Gottlob Ernst Schulze, Leitfaden der Entwicklung der philosophischen Prinzipien des bürgerlichen und peinlichen Rechts, Göttingen 1813, S.268ff.; Lazarus Bendavid, Versuch einer Rechtslehre, Berlin 1802, S. 180; Johann Erich von Berger, Grundzüge der Sittenlehre, der philosophischen Rechts- und Staatslehre und der Religionsphilosophie, Altona 1827, S. 300 (alle zitiert nach Klippel, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S. 121, 128). 61

62

§2

Geistiges Eigentum

und Sacheigentum

im IS. und 19. Jahrhundert

47

de, daß mit identischer Argumentation auch der Nachdruck für zulässig gehalten werden konnte. Schon hinsichtlich der Unzulässigkeit von Nachdruck und Nachahmung war also auch bei Anerkennung eines geistigen Eigentums von Urheber und Erfinder eine umfassende weitere Begründungsarbeit erforderlich, um das geistige Eigentum des Autors oder Erfinders auch zu schützen. b. Die inhaltliche Ausgestaltung

der

Abwehrrechte

aa. Problemlage Herauszuarbeiten war, ob dem Inhaber des geistigen Eigentums überhaupt Abwehrrechte zustanden. Wenn ein solcher Schutz bejaht wurde, mußte eine nähere inhaltliche Ausgestaltung erfolgen. Hierbei bereitete die Bestimmung der Schutzdauer besondere Probleme. Zu dieser Frage kollidierten zwei unterschiedliche Strömungen, die auf eine innere Spaltung des Begriffes „geistiges Eigentum" hinweisen. Auf der einen Seite sprach die Verknüpfung des Schutzes mit dem Eigentumsbegriff für einen zeitlich unbegrenzten Schutz. Dem stand die historische Entwicklung des Nachdruckschutzes entgegen, die durch die zeitliche Limitierung der erteilten Privilegien geprägt war. Diese konträren Entwicklungslinien werden besonders deutlich bei Betrachtung der ersten gesetzlichen Nachdruckregelungen. bb. Das preußische Allgemeine Landrecht Das preußische Allgemeine Landrecht (pr. ALR) von 1794 enthält in Teil 1, Titel 11, 8. Abschnitt („Von Verträgen; wodurch Sachen gegen Handlungen, oder Handlungen gegen Handlungen versprochen werden"), §§ 996ff. eine umfassende (naturrechtskodifikationstypische) Regelung des Verlagsrechtes. Eine ausdrückliche Regelung der Rechte des Urhebers ist im pr. ALR unterblieben. Jedoch sind in I 11, §§ 996ff. einige - allerdings sehr schwach ausgeprägte 67 - Befugnisse des Autors erfaßt worden, die heute als Elemente des Urheberrechts begriffen werden. Der in der rechtswissenschaftlichen Diskussion bisher wenig beachtete 111, § 1008 räumte dem Autor das Recht ein, noch vor dem Druck Veränderungen an seinem Werk vorzunehmen (Im Gegenzug wurde allerdings dem Verleger die Möglichkeit eröffnet, vom Verlagsvertrag zurückzutreten.). Dieses Recht ähnelt der Regelung des heutigen § 12 VerlagsG, der dem Verfasser eine Veränderungsbefugnis einräumt. Das Änderungsrecht des § 12 VerlagsG wird von der Literatur im Urheberpersönlichkeitsrecht verankert und soll auf den Erben übergehen. 68 67

Z u weit geht die Kritik von Vogel (AGB XIX [1978], Sp.2, 97f.), der A u t o r sei nach dem pr. ALR noch nicht Träger eigener positiv-rechtlich definierter subjektiver Rechte gewesen. 68 Schricker, Verlagsrecht, § 12 Rz. 3; vgl. zum Rechtsübergang § § 3 0 , 4 2 Abs. 1 U r h G ; Clément, Urheberrecht u n d Erbrecht, S. 81.

48

Teilt: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Ausgehend von diesem Verständnis kann auch das Änderungsrecht des § 1 0 0 8 1 1 1 pr. A L R als ein R e c h t des Autors verstanden werden. In bezug auf die hier interessierende zeitliche Begrenzung des Änderungsrechtes traf § 1 0 0 8 I 11 pr. A L R keine ausdrückliche Regelung. D a aber andere Bestimmungen des Verlagsrechtes im preußischen A L R Anordnungen für den Erbfall trafen

(§§1014,

1 0 2 0 , 1 0 3 0 I 11 pr. A L R ) , kann im Umkehrschluß angenommen werden, daß das Veränderungsrecht des § 1 0 0 8 nicht auf die Erben überging. D e r D r u c k einer neuen Auflage69

w a r nach § 1 0 1 4 1 1 1 lediglich von der Z a h -

lung einer weiteren Vergütung abhängig, wie die Dissensregelung des § 1 0 1 5 I I I 7 0 zeigt. Ein weitergehenderes Recht des Autors wurde aber durch die § § 1 0 1 6 ff. I I I begründet. N a c h diesen Vorschriften benötigte der Verleger zur Erstellung weiterer Ausgaben

die Zustimmung des Autors. Erteilt werden konn-

te sie bereits im Verlagsvertrag. 7 1 Dieses R e c h t ging, sofern die Parteien nichts Abweichendes vereinbart hatten, gemäß § 1 0 2 0 I I I nicht auf die Erben über. Diesbezüglich ist im pr. A L R eine vom Sacheigentum abweichende Regelung getroffen worden. Gegenstand der Erbschaft war nach § 3 5 0 1 9 pr. A L R „der Inbegriffe aller seiner hinterlassenen Sachen, Rechte und Pflichten." Diese Bestimmung hätte also einen Ubergang des Zustimmungsrechtes auf die Erben zur Folge gehabt, wenn nicht § 1 0 2 0 1 1 1 pr. A L R etwas anderes bestimmt hätte. Stärkere Parallelen zum Sacheigentum in bezug auf eine eventuelle Befristung finden sich demgegenüber in der Regelung des Rechtes des Verlegers. D a s Verlagsvertragsrecht des pr. A L R enthält keine ausdrückliche Regelung über die Befristung des Verlegerrechtes. 7 2 § 1 0 2 9 sah zwar vor, d a ß nach dem Erlöschen des Vgl. auch die Regelung des Änderungsrechtes in Art.385 Schweiz. OR. Art.385 O R lautet: „ (1) Der Urheber behält das Recht, Berichtigungen und Verbesserungen vorzunehmen, wenn sie nicht die Verlagsinteressen verletzen oder die Verantwortlichkeit des Verlegers steigern, ist aber für unvorhergesehene Kosten, die dadurch verursacht werden, Ersatz schuldig. (2) Der Verleger darf keine neue Ausgabe oder Auflage machen und keinen neuen Abdruck vornehmen, ohne zuvor dem Urheber Gelegenheit zu geben, Verbesserungen anzubringen." Ursprünglich war dieses Änderungsrecht als höchstpersönliches Recht unvererblich ausgestaltet. Dies wurde dann vom Gesetzgeber geändert, da es für angemessen erachtet wurde, daß auch noch nach dem Tod des Urhebers Änderungen vorgenommen werden können (vgl. Eggerl Oser/Schönenberger, ZGB/OR, Art.385 OR Rz.8; Bappert/Maunz, 1. Aufl., § 12 Rz.24). Eine andere Regelung findet sich in Art. 25 des brasilianischen Urhebergesetzes von 1973, nach dem das Änderungsrecht mit dem Tod des Urhebers erlischt (zitiert nach Hammes, GRUR Int. 1975, 428, 433). 69 „Auflage" war in der Terminologie des pr. ALR ein unveränderter Neudruck im selben Format (§1011). Sofern Inhalt oder auch nur das Format der Schrift verändert wurden, lag eine neue „Ausgabe" vor (§ 1012). 70 § 1 0 1 5 I 11 pr. ALR: „Können die Parteyen sieht darüber nicht vereinigen, so dient die Hälfte des für die erste Auflage gezalten Honorarii zum Maaßstabe." 7 ' § 1 0 1 6 I 11 pr. ALR: „..., und wenn nicht in dem geschlossenen schriftlichen Vertrage ein Anderes verabredet ist..." 72 Vorentwürfe des ALR enthielten teilweise eine Regelung der Schutzfristen (vgl. näher Gie-

§ 2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum

im 18. und 19.

Jahrhundert

49

Untersagungsrechtes des Autors aus § 1020 und bei Fehlen eines entgegenstehenden Verlagsrechtes einer Buchhandlung jedermann eine neue Ausgabe erstellen könne. Hieraus ziehen Gieseke 73 und Vogel74 den Schluß, daß der Verleger durch den ständigen Druck neuer Auflagen sein Verlagsrecht erhalten konnte, so daß ein eigentumsähnliches, ewiges Verlagsrecht entstand. Diese Interpretation ist jedoch unzutreffend, da nicht zwischen Auflage und Ausgabe unterschieden wird. Die einer neuen Ausgabe entgegenstehende Schranke des §1020 entfiel aber prinzipiell mit dem Tod des Autors. cc. Das Badische Landrecht von 1809 Eine stärkere Position ist dem Urheber vom Badischen Landrecht von 1809 eingeräumt worden. Unter dem Titel „Von dem Eigentum und Besitz" regelten §§ 577lit. da) ff. 75 : § 5 7 7 lit. da) Jede niedergeschriebene A b h a n d l u n g ist Eigenthum dessen, der sie verfaßt hat, w e n n er nicht allein aus fremden A u f t r a g und f ü r fremden Vorteil sie entwarf, in welchem Fall sie Eigenthum des Bestellers wäre. § 5 7 7 lit. db) D a s Schrifteigenthum erstreckt sich nicht nur auf die H a n d s c h r i f t , sondern auch auf deren Inhalt; es enthält daher das Recht, über die Vervielfältigung d u r c h Abschrift oder A b d r u c k nach G u t d ü n k e n zu verfügen.

Dieses „Schrifteigentum" endete mit dem Tod des Verfassers. Etwas anderes galt nur, wenn Privilegien erteilt waren (§ 577 lit. dh). Anonyme Schriften genossen keinen Schutz. 76

seke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.114 in Fn. 383). In der Endfassung des pr. ALR fanden diese keine Berücksichtigung. 73 Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts S. 115; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 189. 74 Vogel, AGB XIX, Sp.2, 97. 75 Zitiert nach Vogel, AGB XIX, Sp.2, 121. 76 Hier scheint sich wieder die aus dem Privilegienwesen bekannte Verknüpfung von Zensur und Nachdruckschutz zu zeigen. Derjenige, der seine Meinung nicht namentlich kennzeichnet, äußert häufig eine gegenüber den herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen kritische Meinung. In diese Richtung deutet auch die zeitgenössische Kommentierung des badischen Landrechts von Brauer (Erläuterungen über den Code Napoleon und die Großherzoglich Badische bürgerliche Gesetzgebung, I, S. 467f.): „Warum ist aber nun das Eigentum an die Nennung des Verlegers oder Schriftstellers gebunden? Politisch genommen fragt wohl niemand so: denn es leuchtet ein, daß dem Staat bei dem Umlauf keiner Ware so beteiligt sei, als bei jenem der Geisteserzeugnisse, deren Einfluß in sein Wohl und Wehe so vielfach und so groß ist, daß der Umlauf einer falschen Münze wohl meistens weniger Schaden stiftet als jener eines schlechten Buchs; und es ist daher viel daran gelegen, daß einer von beeden, der Verfasser oder Verleger, sich nenne, um auf begebene Fälle seinen Mann zu haben, an den man sich wegen des Mißbrauchs dieser neu geschaffenen Eigentumsordnung halten könne." (vgl. hierzu auch Kruse, Nachdruckschutz und Buchaufsicht vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, S. 105).

50

Teil 1: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

D e r N o r m t e x t verwendet also den Ausdruck „ E i g e n t h u m " zur Bezeichnung des Rechtes des Urhebers. Die inhaltliche Gestaltung differierte aber partiell v o m Sacheigentum. M i t dem Tod des Autors erlosch sein als „Schrifteigentum" bezeichnetes Recht. Hinsichtlich der Schutzdauer wurde also keine Parallele zum (ewigen) Sacheigentum gezogen. Brauer 7 7 kommentierte 1 8 0 9 zu dieser Regelung: „Indem das Schrifteigenthum nicht bei dem Eigenthum des Stoffes, w o r a u f die Gedanken abgedruckt sind, stehen bleiben darf, weil damit allein dem Verfasser nicht gedient wäre, und dem Verleger auch nicht, sondern hauptsächlich das Eigenthum der Gedanken in sich aufnehmen muß, kann es nur durch eine Rechtsdichtung zu Stande k o m m e n , welche diesen innern und geistigen Gegenstand wie einen äußeren und sinnlichen behandelt . . . " Diese „ R e c h t s d i c h t u n g " müsse „der N a t u r nachgebildet w e r d e n . " Sie habe zu erlöschen, sobald die Persönlichkeit, für die sie bestehe, verstirbt. Bemerkenswert an dieser Darstellung ist zunächst die begriffliche Schärfe, mit der zwischen dem Sacheigentum am M a n u s k r i p t und dem geistigen „Schrifteig e n t h u m " differenziert wird. D a s Schrifteigentum wird - im Gegensatz zum Sacheigentum - als personenbezogene Fiktion zugunsten des Autors verstanden. Daraus wird der Schluß gezogen, daß die Existenz des Rechts mit der der Person verbunden werden müsse. Festgehalten werden kann, daß sich in bezug auf die Schutzdauer die inhaltliche Ausgestaltung des badischen Landrechts von 1 8 0 9 nicht am Recht des Sacheigentums orientierte. Interessant ist aber die Parallele zum Sachenrecht, die vom badischen Landrecht in § 5 7 7 lit. db) gezogen wird. D a n a c h erstreckt sich das Schrifteigentum auch auf die „ H a n d s c h r i f t " . Hiermit ist der Eigentumserwerb am M a n u s k r i p t angesprochen. N a c h § 5 7 7 lit. da) wird die Abhandlung „ursprünglich Eigent u m " des Bestellers, wenn die Schrift in fremden Auftrag erstellt worden ist. Es handelt sich hier um die Regelung eine Problems, dessen sachenrechtliche Seite auch bei § 9 5 0 B G B 7 8 Schwierigkeiten aufwirft. N a c h § 9 5 0 B G B erwirbt derjenige, der durch Verarbeitung oder Umbildung eine neue Sache herstellt, Eigentum, sofern nicht der Wert der Verarbeitung oder Umbildung erheblich geringer ist als der Wert des Stoffes. Für § 9 5 0 B G B wird diskutiert, o b eine Fremdwirkung der Verarbeitung, wie sie das badische Landrecht in § 5 7 7 lit. da) für das Erstellen einer „niedergeschriebenen A b h a n d l u n g " kennt, begründet werden kann. Die Diskussion ist weniger von dogmatischen Die Schutzversagung zeigt daneben auch, daß sich die Vorstellung, ein Schutz bestehe bereits ohne staatlichen Verleihungsakt, noch nicht durchgesetzt hatte. Ähnlich urteilte 1840 der Hooge Raad (zitiert nach Cohen Jehoram, GRUR Int. 1 9 9 3 , 1 1 8 ) zum Schutzgrund des niederländischen Urhebergesetzes von 1817, der hierdurch vermittelte Schutz sei „ein Zeichen des Wohlwollens gegenüber den Autoren und Künstlern". 77 Brauer, Erläuterungen über den Code Napoleon und die Großherzoglich Badische bürgerliche Gesetzgebung, I, S.469f. 78 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung des § 950 BGB zugrundeliegenden Rechtsproblems der Spezifikation Inst. 2,1,25; Wieling, Sachenrecht, § 11 II 4 a (S.432).

§ 2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum im 18. und 19. Jahrhundert

51

Argumenten als vielmehr von der Suche nach praktikablen Lösungen für das in der Rechtspraxis bedeutsame Problem (Sicherung des Rohstofflieferanten) geprägt. Teilweise wird angenommen, § 9 5 0 B G B sei ius dispositivum,

so daß

durch Parteiabrede bestimmt werden kann, wer durch die Verarbeitung Eigentum erwerben soll. 7 9 Demgegenüber ist § 9 5 0 B G B nach anderer Ansicht ius cogens. „Hersteller" im Sinne des § 9 5 0 B G B ist nach der Rechtsprechung des B G H aber nicht zwingend derjenige, der auch den Verarbeitungsvorgang vorgenommen ist. Vielmehr sei Hersteller der Geschäftsherr, in dessen N a m e n und Interesse die Verarbeitung erfolgt. Der Geschäftsherr müsse nach der Verkehrsauffassung v o m Standpunkt eines mit den Verhältnissen vertrauten objektiven Beobachters bestimmt werden. 8 0 Die Parteien können ihre vertraglichen Vereinbarungen aber so gestalten, daß ein Partner objektiv zum Hersteller wird. 8 1 Ausreichend ist hier nach der Rechtsprechung ein Werkvertrag. 8 2 Faktisch wird so eine Dispositionsmöglichkeit herbeigeführt. Ebenso wie im badischen Landrecht aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung der Besteller einer Auftragsarbeit unmittelbar Eigentum am Werk erwarb, so können heute - nach der Rechtsprechung des B G H - Vereinbarungen getroffen werden, die mit der Verarbeitung eines Rohstoffes den unmittelbaren Eigentumserwerb einer Person auslösen, die nicht selbst die Verarbeitung vorgenommen hat. Z u beachten ist aber, daß die Bestellerklausel des badischen Landrechts zur Folge hatte, daß der Besteller sowohl das Sacheigentum am M a n u s k r i p t als auch das „Schrifteigenthum" erwarb. § 9 5 0 B G B ermöglicht - in Verbindung mit entsprechenden Vereinbarungen - lediglich einen Erwerb von Sacheigentum. Die Parallelität der Problemerfassung zwischen heutigem Sachenrecht und damaligem R e c h t des geistigen Eigentums ist im Ergebnis darauf zurückzuführen, daß sich das badische Landrecht für die Regelung des „Schrifteigentums" stark an sachenrechtlichen Regelungen orientiert hat. Dies wiederum hat seinen Grund in der besonderen Legitimationsfunktion des Eigentumsbegriffes, die für das neue geistige Eigentum ausgenutzt werden sollte. 8 3 Für die inhaltliche Ausgestaltung des Schutzes durch das badische Landrecht kann also bezüglich § 5 7 7 lit. dh) - Eigentumserwerb durch den Besteller - festgehalten werden, daß sich 79 Soergel U /Mühl, § 950 Rz. 3; Baur/Stürner, Sachenrecht17, § 53 Rz. 15; Flume, NJW 1950, 841, 843; häufig werden einige Entscheidungen des RG (RGZ 138, 84, 88; 161, 109, 113) für diese Ansicht zitiert. Diesbezüglich zu Recht zweifelnd Eberhard Wagner, AcP 184 (1984), 14, 18. 80 BGHZ 14, 114, 117; 20, 159, 163; 46, 117, 121; 56, 88, 90; f.; 112, 243, 249 = GRUR 1991, 521, 526 - „Grabungsmaterialien", 81 Vgl. MünchKomm3/QiMc&, § 950 Rz.29f. (kritischer noch in der Voraufl., § 950 Rz.25); das Konzept des BGH ablehnend Staudinger13/W;e,gtf«ii, § 950 Rz.24ff. 82 BGHZ 14, 114, 117; skeptisch sind Teile der Lit.: Westermann7/G«rsfey, §53 III 2 d (S.438f.); Wilhelm, Sachenrecht, Rz.543f. 83 Brauer, Erläuterungen über den Code Napoleon und die Großherzoglich Badische bürgerliche Gesetzgebung, I, S.467.

52

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

die Schutzausformung am Sachenrecht orientierte. Unter Beachtung dieser Parallele ist die Beurteilung Vogels 84 , das Schrifteigentum habe mit dem Sacheigentum nur noch den Namen gemeinsam gehabt, nicht haltbar. dd. Das preußische Gesetz gegen Nachdruck von 1837 In bezug auf eventuelle Parallelen hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung des Schutzes soll als letztes Beispiel aus der Gesetzgebung das preußische Gesetz gegen Nachdruck von 1837 betrachtet werden. Am 9 . 1 1 . 1837 war von der Bundesversammlung ein Beschluß 85 gefaßt worden, der zur inhaltlichen Ausgestaltung des Urheberrechtes ausführte: Art. 1 Literarische Erzeugnisse aller Art, sowie Werke der Kunst, sie mögen bereits veröffentlicht seyn oder nicht, dürfen ohne Einwilligung des Urhebers, sowie desjenigen, welchem derselbe seine Rechte am Original übertragen hat, auf mechanischem Wege nicht vervielfältigt werden. Art. 2 Das in Art. 1 bezeichnete Recht des Urhebers oder dessen, der das Eigentum des literarischen oder artistischen Werkes erworben hat, geht auf dessen Erben und Rechtsnachfolger über, und soll, insofern auf dem Werke der Herausgeber oder Verleger genannt ist, in sämtlichen Bundesstaaten mindestens während eines Zeitraumes von zehn Jahren anerkannt und geschützt werden.

Im Anschluß an diesen Beschluß der Bundesversammlung wurde in Preußen das bereits vollzogene, aber noch nicht bekanntgemachte Gesetz zum Schutz des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst vom 11.6. 1937 verkündet. 86 Dieses gewährte einen Schutz vor Nachdruck bis 30 Jahre nach dem Tod des Verfassers. 87 Einerseits wurde also durch das Fortbestehen des Urheberrechts auch nach dem Tod des Verfassers eine Parallele zum Sacheigentum gezogen, umgekehrt aber eine - dem Sacheigentum fremde - zeitliche Begrenzung vorgenommen. Argumentative Querverbindungen zwischen Sach- und geistigem Eigentum werden in der Begründung der Vereinigten Abteilungen des Staatsrats für Justiz und geistliche Angelegenheiten gezogen, denen der König den Entwurf zur Stellungnahme vorlegte. Diese entsprach inhaltlich derjenigen der Ministerial-

Vogel, AGB XIX (1978), Sp.2, 122f. Zur Vorgeschichte Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 145ff.; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S.233. 86 Gesetz-Sammlung für die königlichen preußischen Staaten 1837, S. 165ff. (No. 22 vom 18.12. 1837). 87 §6: „Auch die Erben des Autors sollen denselben Schutz noch dreißig Jahre lang nach dem Todes ihres Erblassers genießen, ohne Unterschied, ob während seines Lebens ein Abdruck erschienen ist oder nicht. Nach Ablauf dieser dreißig Jahre hört der Schutz dieses Gesetzes auf." Für anonyme Schriften verkürzte § 7 die Schutzfrist auf 15 Jahre. 84

85

§ 2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum im 18. und 19. Jahrhundert

53

kommission. 8 8 Das Recht des Autors folgte hiernach aus dem Persönlichkeitsrecht, welches mit dem Tod untergehe. D a s Recht des Erben beruhe lediglich auf Billigkeitsgesichtspunkten. M i t Disposition über die Sache des literarischen Eigentums gewinne diese eine eigene Existenz und trete in die Reihe anderer Gegenstände des Eigentums in den bürgerlichen Verkehr ein. Die Dispositionen, an denen der Autor ein Interesse habe, stellten zusammengenommen sein R e c h t des Eigentums dar, für welches er den Schutz des Gesetzes wie für jedes Eigentum in Anspruch nehme. Das aus dem preußischen Nachdruckverbot von 1 8 3 7 folgende R e c h t des Autors stimmt also inhaltlich insoweit mit dem Eigentum überein, als es vererbbar ist. Im Gegensatz zum Sacheigentum ist dieses Recht aber zeitlich begrenzt. In bezug auf das Rechtsverhältnis zwischen Autor und Verleger sind in dem preußischen Nachdruckgesetz von 1 8 3 7 keine Regelungen getroffen worden. Diese waren auch nicht erforderlich, da das Verlagsrecht im pr. A L R geregelt war. Besondere Beachtung verdient allerdings das differenzierte Sanktionensystem, welches den Besonderheiten des Urheberschutzes Rechnung trug. § 1 0 ordnete einen Schadensersatzanspruch an. Dieser stand dem Rechtsinhaber (also eventuell den Erben) zu. Daneben drohte die Konfiskation der N a c h drucke. Schließlich mußte v o m Nachdrucker eine Geldbuße entrichtet werden. Die konfiszierten Exemplare fielen der Vernichtung anheim. Der Geschädigte konnte aber - allerdings nur gegen Aufwendungsersatz - die Herausgabe der Werke an sich selbst verlangen. 8 9 Demgegenüber wurde das Sacheigentum im pr. A L R durch Herausgabe- (§§ 1 ff. I 1 4 ) und Schadensersatzansprüche bei Beschädigung (§S 1 ff-, 8 2 f f . I 6) geschützt. Daneben sah das Strafrecht des pr. A L R (§§ 1 0 8 f f . II 2 0 ) 9 0 bei Sachentzug ein stark abgestuftes, der Zeit entsprechendes Sanktionsinstrumentarium (u.a. körperliche Züchtigung, Strafarbeit, Gefängnis) vor. Hier zeigen sich also starke Differenzen des Schutzes von Sacheigentum und geistigem Eigentum. Die Beispiele aus dem pr. A L R , dem badischen Landrecht und dem preußischen Gesetz zur Bekämpfung des Nachdruckes von 1 8 3 7 demonstrieren, daß sich bei der inhaltlichen Ausgestaltung zwischen geistigem Eigentum

und

Sacheigentum sowohl Parallelen als auch Divergenzen zeigen. Sacheigentumsgleich ist nach dem preußischen Urheberrecht von 1 8 3 7 - und im Gegensatz zum badischen Landrecht von 1 8 0 9 - ein Rechtsübergang nach dem Tod des Urhebers auf die Erben möglich. Allen Regelungskomplexen gemeinsam ist die zeitlich limitierte und damit v o m Sacheigentum abweichende Rechtseinräumung.

88 Zitiert nach Heymann, Sitzungsberichte der preußischen Akademie der Wissenschaften 1927, S.49, 87. 89 § 12 pr. Nachdruckgesetz 1837. 90 Das preußische StGB trat erst 1851 in Kraft.

54

Teil 1: Geistiges

Eigentum

- Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

et. Verständnis des geistigen Eigentums in der Rechtswissenschaft Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur wurde in bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung des Schutzes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts intensiv diskutiert, ob dem Urheber bzw. seinen Erben ein zeitlich unlimitierter Schutz zu gewähren ist. K.E. Schmid 91 vertrat 1 8 2 3 die Ansicht, dem Verfasser stehe ein literarisches Eigentum zu. Dieses Eigentum sei vererblich. Daher müsse hinsichtlich der Dauer eine Regelung getroffen werden. Krug 92 und Paulus 93 gingen ebenfalls vom Vorliegen eines zeitlich unbegrenzten Urheberrechts aus. Paulus wandte sich mit dem Argument, eine Schutzdauerbegrenzung entziehe dem Urheber die Existenzgrundlage, gegen eine zeitliche Begrenzung des Urheberschutzes. Ein inhaltlich ganz dem Sacheigentum - dominium - an einer körperlichen Sache entsprechendes, also auch zeitlich unbegrenztes Eigentumsrecht ist 1 8 2 7 von Kramer 94 postuliert worden. Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß selbst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Blütezeit der Theorie des geistigen Eigentums, eine uneingeschränkte Parallele zum Schutz des Sacheigentums in der Regel nicht gezogen wurde. Sofern gesetzliche Bestimmungen zum Schutz des Urhebers getroffen wurden, enthielten diese vom Sacheigentumsschutz differente Ausgestaltungen. Auch in der Literatur wurde ganz überwiegend- insbesondere in bezug auf eine zeitliche Limitierung - eine vom Sacheigentum verschiedene Gewährleistung des „Schrifteigentums" befürwortet. Nur gelegentlich ist ein zeitlich unbeschränktes Urheberrecht gefordert worden. 3. Das Recht des Autors - Eigentum

im Sinne der

etablierten

Terminologie? An die Anerkennung eines Autorenrechts und dessen inhaltliche Ausgestaltung schloß sich die dogmatische Verortung dieses neuen subjektiven Rechts in das bestehende Privatrechtssystem an. War das subjektive Recht des Autors „Eigentum" oder mußten neue Systematisierungskategorien entwickelt werden? Klippel 95 stelltfür das ausgehende 19. Jahrhundert drei verschiedene Eigentumsbegriffe gegenüber. Einem weiten naturrechtlichen sowie einem rechtsphilosophi91 K.E. Schmid, Der Büchernachdruck, aus dem Gesichtspunkt des Rechts, der Moral und Politik. Gegen L. Fr. Griesinger, Jena 1 8 2 3 (zitiert nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 139). 92 Wilhelm Traugott Krug, Kritische Bemerkungen über die Schriftstellerei, Buchhandel und Nachdruck, Leipzig 1824 (zitiert nach Bappert, Wege zum Urheberrecht, S . 2 7 9 ) . 93 H.E.G. Paulus, Rechtserforschungen für Juristen und Nichtjuristen, 1. Heft, Heidelberg und Leipzig 1824, S . l f f . (zitiert nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S.139). 94 Wilhelm August Kramer, Die Rechte der Schriftsteller und Verleger, Heidelberg 1 8 2 7 (zitiert nach Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, S. 139). 95 Klippel, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S. 121, 137.

§ 2 Geistiges Eigentum und Sacheigentum im 18. und 19.

Jahrhundert

55

sehen Eigentumsbegriff habe der „römisch-rechtlich bestimmte rechtstechnische Eigentumsbegriff" gegenübergestanden. Dieser sei einer Öffnung nicht zugänglich gewesen. Eine solche Charakterisierung impliziert eine sachlich-rechtlich vorgegebene D o m i n a n z des vermeintlich 9 6 römisch-rechtlichen, auf körperliche Gegenstände bezogenen Eigentumsbegriffes. M a g eine solche D o m i n a n z auch für den von Klippel angesprochenen Zeitraum angenommen werden können, so suggeriert die Unterscheidung doch keine Konkurrenz der Eigentumsbegriffe, sondern eine Einordnung auf unterschiedlichen Kategorisierungsebenen. Dies ist zumindest für den Gesamtzeitraum des 1 9 . Jahrhunderts unzutreffend. D e r genannte Zeitraum wird charakterisiert durch eine starke D y n a m i k der rechtswissenschaftlichen Begriffswelt, die auch den Eigentumsbegriff ergriff. Sowohl der weite Eigentumsbegriff des preußischen allgemeinen Landrechts und des österreichischen A B G B als auch der enge, auf körperliche Gegenstände beschränkte Eigentumsbegriff des B G B 9 7 waren (oder sind noch) geltendes Recht. Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine qualitative Bewertung bestimmter Eigentumsbegriffe, die den Eindruck erweckt, nur einer der Eigentumsbegriffe könne Geltungskraft für sich in Anspruch nehmen. Die dogmatische Einordnung des geistigen Eigentums m u ß unter Berücksichtigung der Dynamik und Varianz des Eigentumsbegriffes des 19. Jahrhunderts erfolgen. 9 8 Der auf körperliche Gegenstände reduzierte Eigentumsbegriff des B G B 9 9 w a r nicht geeignet, das geistige Eigentum zu erfassen. Das körperliche Bezugsobjekt des Schutzes fehlte. Umgekehrt ermöglichte die im 1 9 . Jahrhundert noch nicht der Rechtsgeschichte anheimgefallene naturrechtliche Definition des Eigentums, das Urheberrecht unter den Eigentumsbegriff zu subsumieren. Für die dogmatische Einordnung ergab sich also für das 1 9 . Jahrhundert eine beachtliche Spanne. Ausgehend von einem weiten Eigentumsbegriff konnte das Urheberrecht dogmatisch dem Eigentum des Zivilrechts gleichgestellt werden. „Geistiges Eig e n t u m " war daher nicht nur eine griffige, kämpferische Beschreibung für das Urheberrecht des Autors. Für die ersten Vertreter der Theorie des geistigen Eigentums ist das Recht des Autors „ E i g e n t u m " , was vor dem Hintergrund des weiten naturrechtlichen Eigentumsbegriffes eine zutreffende dogmatische Einordnung ist. 1 0 0 Ein prägnantes Beispiel für eine normative Umsetzung dieser dogmatischen Eingliederung des geistigen Eigentums findet sich im spanischen C o digo civil von 1 8 8 9 1 0 1 . D o r t wurde in A r t . 4 2 9 die subsidiäre Anwendung der

9 6 Bereits oben (S.35f.) ist dargelegt worden, daß der römisch-rechtliche Eigentumsbegriff nicht auf körperliche Gegenstände beschränkt war. 9 7 Vgl. zur Entwicklung des Eigentumsbegriffes des BGB ausführlich S. 102ff. 98 Vgl. zur Spannweite des Eigentumsbegriffes im 18. Jahrhundert S. 34ff. 99 Vgl. näher S . 1 0 2 f f . 1 0 0 Vgl. S. 38 ff. 101 Vgl. zur Entstehung des Codigo civil Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung 3 , § 8 IV b (S. 105f.).

56

Teil 1: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

Vorschriften des (Sach-) Eigentums auf das geistige Eigentum für den Fall angeordnet, daß Spezialvorschriften fehlen. 1 0 2 Auch das badische Landrecht v o n l 8 0 9 i s t ein Beispiel für die Subsumtion des Urheberrechts unter den Eigentumsbegriff. Die badische Zivilrechtskodifikation basiert auf dem code civil. Dieser enthielt keine urheberrechtlichen Bestimmungen. Solche Regelungen sind im badischen Landrecht getroffen worden ($$577

lit. da

ff. 1 0 3 ). Angefügt wurden sie an die Regelungen über das Sacheigentum. D e r gewählte Standort im Gesetz läßt auf eine dogmatische Gleichstellung mit dem Sacheigentum schließen. E b e n s o deuten die Ausführungen des K o m m e n t a t o r s Brauer zur dogmatischen Verortung des Sacheigentums in diese R i c h t u n g . 1 0 4 N a c h d e m Brauer die Unzulänglichkeiten des zeitgenössischen Urheberschutzes durch Privilegien herausgearbeitet hatte, stellt er als besonderen Vorzug des Eigentumsschutzes dar, daß „an dessen Heiligkeit" jeder glaube. Diese „ A c h t u n g " werde dem N a c h d r u c k schutz durch Privilegien nicht entgegengebracht. D e r von Brauer daneben angestellte Vergleich der badischen Regelung mit der französischen Normierung außerhalb der zentralen Zivilrechtskodifikation verdeutlicht die Signalfunktion, die der Einordnung des Urheberrechts bei den Eigentums Vorschriften beigemessen wurde. Eine weitgehende dogmatische Angleichung liegt auch dem preußischen Gesetz gegen N a c h d r u c k und Nachbildung von 1 8 3 7 zugrunde. Deutlich wird dies in der Stellungnahme der Vereinigten Abteilungen des Staatsrats für Justiz und geistliche Angelegenheiten, denen der König den Urheberrechtsentwurf vorlegte. 1 0 5 D e r Autor könne für sein geistiges Eigentum „wie für anderes Privateigent u m " den Schutz der Gesetze in Anspruch nehmen. Diese Gleichstellung ist vor dem Hintergrund des preußischen A L R nicht überraschend. D e m pr. A L R lag ein weiter Eigentumsbegriff zugrunde. 1 0 6 Dieser führte zu einer identischen dogmatischen Einordnung von Sacheigentum und geistigem Eigentum. Beides waren Ausschließlichkeitsrechte, die dem Inhaber weitgehende Herrschaftsbefugnisse verliehen. Auf der Grundlage der Legaldefinition in A L R § 1 1 8 wäre eine andere Interpretation nicht n o r m k o n f o r m gewesen. Die für das geistige Eigentum geforderte zeitliche Limitation war hierzu kein Widerspruch. D e r weite Eigentumsbegriff des Naturrechts stand dem nicht entgegen. 1 0 7

Vgl. zu dieser Regelung Gierke, Deutsches Privatrecht I, § 85 III 4 (S.761). Der Text ist oben auf S.49 wiedergegeben. 104 Brauer, Erläuterungen über den Code Napoleon und die Großherzoglich Badische bürgerliche Gesetzgebung I, 466£. 105 Stellungnahme abgedruckt bei Heymann, Sitzungsberichte der preußischen Akademie der Wissenschaften (philosophisch-historische Klasse) 1927, S.49, 87. 1 0 6 pr. ALR § 1 I 8: „Eigenthümer heißt derjenige, welcher befugt ist, über die Substanz einer Sache, oder eines Rechts, mit Ausschließung Andrer, aus eigner Macht, durch sich selbst, oder durch einen Dritten, zu verfügen." 107 Vgl, ausführlich zur zeitlichen Unbeschränktheit als Kennzeichen des Eigentumsbegriffes §20. 102 103

53 Verknüpfung von Sacheigentum und geistigem Eigentum in Rechtsordnungen

57

Festgehalten werden kann, daß ausgehend von einem weiten Eigentumsbegriff das geistige Eigentum auch dogmatisch dem Sacheigentum gleichgestellt werden konnte. Es war möglich, beide Herrschaftsrechte unter dem Oberbegriff „Eigentum" zusammenzufassen. Diese Gleichstellung trifft jedoch im Laufe des 19. Jahrhunderts vermehrt auf Kritik (hierzu unten § 5).

§ 3 Verknüpfung

von Sacheigentum und geistigem in anderen Rechtsordnungen

Eigentum

I. Propriété littéraire et artistique als Grundlage des französischen Urheberschutzes Anfang des 18. Jahrhundert wurden in Frankreich Drucker und Verleger wie in Deutschland durch Privilegien geschützt. An Autoren wurden Privilegien nur im Einzelfall erteilt.1 Konflikte entstanden zwischen den Verlegern in der Hauptstadt und den auswärtigen Verlegern, da Privilegien nur an in Paris Ansässige vergeben wurden. Dies erleichterte Kontrolle und Zensur.2 Für die Verleger in der Provinz war daher ein möglichst kurzer Privilegienschutz von Interesse. Auf Seiten der Pariser Verleger trat d'Héricourt3 1725 in den Streit ein. An Schriftwerken bestehe ein Eigentum, welches sich von dem an körperlichen Sachen und Grundstücken nicht unterscheide. Dieses Recht erwerbe der Verleger durch Vertrag mit dem Verfasser des Werkes. Mithin könne der König nicht willkürlich ohne Zustimmung des Autors Privilegien verteilen. Mit Verfügung des Conseil du Roi vom 3 0 . 8 . 1777 ist dann das Recht des Autors, seine Werke selbst zu verlegen und zu verkaufen, anerkannt worden.4 Angesichts ökonomischer Zwänge, in denen sich die Autoren befanden, sind die rechtstatsächlichen Auswirkungen dieser Verfügung nur schwer zu beurteilen.5 Die Revolution von 1789 beendete den Schutz von Urheber und Verleger durch Privilegien. Als typische Ausprägung des ancien régime wurde nicht nur das Zunftwesen, sondern auch die Privilegien abgeschafft.6 Die Aufhebung beschränkte sich nicht auf Gewerbeprivilegien, sondern erfaßte auch Autorenprivilegien. Ein Schutz des Urhebers war nicht mehr gegeben. Erforderlich war somit eine gesetzliche Regelung des Urheberrechts. Der nachrevolutionäre Gesetzgeber war dabei gezwungen, eine nicht-privilegienrechtliche dogmatische BegrünDölemeyer, in: Coing III/3, S. 3966. Dölemeyer, in: Coing III/3, S. 3966. 3 Vgl. Dölemeyer, in: Coing III/3, S. 3966; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht3, § 9 III 2 (S.56). 4 Vgl. Schmidt-Szalewski, GRUR Int. 1993, 187; Dölemeyer, in: Coing III/3, S. 3966. 5 Vgl. Dölemeyer, in: Coing III/3, S. 3967. 6 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 9 III 2 (S.56). 1

2

58

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

dung für den Urheberschutz zu liefern. In dieser Situation besann m a n sich auf die Theorie des geistigen Eigentums. Anhand der gewerblichen Schutzrechte 7 hat Wadle 8 die Vorstellungswelt des postrevolutionären Gesetzgebers aufgefächert. Z u m einen w a r dies die Vorstellung eines dem Gesetzgeber vorgegebenen Rechts des schöpferischen M e n s c h e n , welches ebenso ursprünglich und unangreifbar sei wie das (Sach-) Eigentumsrecht. Den K o n t r a p u n k t zu dieser Erwägung setzte das Ziel, für das Gemeinwohl die Nutzung des Schutzobjektes sicherzustellen. Die eigentumsrechtliche Verzahnung des Urheberschutzes m a c h t bereits die Bezeichnung der durch das erst 9 1 7 9 3 erlassene Urheberrechtsgesetz geschützten Rechte deutlich. D a s Gesetz regelte die „droits

en tout genre, des compositeurs

de propriété

des auteurs

d'écrits

de musique, des peintres et dessinateurs."

Im

Gegensatz zum Sacheigentum wurde dieses Recht nur zeitlich begrenzt gewährt. D e r Autor durfte lebenslang über sein Werk verfügen. Das Recht der Erben an dem Werk w a r auf 1 0 J a h r e post m o r t e m auctoris beschränkt. D e r Rechtsschutz des Autors setzte die Hinterlegung von zwei Belegexemplaren voraus. 1 0 Diese Regelung ist anscheinend nur schwer mit dem Gedanken an ein mit der Werkerstellung entstehendes geistiges Eigentum zu vereinbaren. Die vergleichbare Problematik beim Patentrecht führte in der französischen Literatur zu einer regen Diskussion um die rechtliche Bedeutung des Registrierungsaktes. Teilweise wurde der Patenterteilung rechtserzeugende Wirkung abgesprochen. 1 1 Ähnlich läßt sich ausgehend von der Theorie des geistigen Eigentums die Hinterlegung der Druckwerke als rein deklaratorischer Akt begreifen. Dieser dient dann nicht der Begründung des Urheberschutzes, sondern allein der erleichterten Durchsetzung eines bereits bestehenden Rechts. Eine begriffliche Lösung des Urheberrechts v o m Begriff propriété

ist in Frank-

reich bis heute nicht erfolgt. Die Revolutionsgesetze von 1 7 9 1 und 1 7 9 3 sind im Kern bis zur umfassenden Neukodifikation 1 9 5 7 in Kraft geblieben. 1 9 9 2 sind die französischen Gesetze zum gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht nach Tätigkeit der Commission

supérieure

de codification12

durch das Loi n

92-

I Vgl. zur Bedeutung des Eigentumsbegriffes für die Entwicklung der gewerblichen Schutzrechte in Frankreich S. 79 f. 8 Wadle, Gedächtnisschrift Constantinesco, S.871, 875ff. ' Das Patentgesetz wurde bereits 1791 erlassen, vgl. zum Patentschutz S.79f. 10 Vgl. Dölemeyer, in: Coing III/3, S. 3968. II Pouillet, Traité théorique et pratique des brevets d'invention, 4 e ed. 1899, S.3ff. (zitiert nach Wadle, Gedächtnisschrift Constantineso, 871, 876); vgl. zur Bedeutung der Anmeldung für das Patent noch S.79; Pouillets Arbeiten sind von Köhler (AcP 32 N.F. [1894], 141 ff. [Reprint in UFITA 123 (1993), 99, 111 in Fn. 16]) mit dem für ihn typischen Spott überzogen worden. Pouillet könne „als fleißiger Sammler von Entscheidungen anerkannt werden aber seine theoretische Bearbeitung ist höchst dürftig, noch dürftiger seine historische Betrachtungsweise." Die weitere Anmerkung Kohlers, die „theoretische Bearbeitung (sei) fast ausschließlich ein deutsches Verdienst" steigert die Unsachlichkeit der Anmerkung. 12 Zum Tätigkeitsbereich der Kommission vgl. Dreier, in: Dreier/Kraßer, Das französische Gesetzbuch des geistigen Eigentums, S.2f.

5 3 Verknüpfung

von Sacheigentum

und geistigem Eigentum in Rechtsordnungen

59

597 du 1er juillet 1992 relative au code de la propriété intellectuelle zusammengefaßt kodifiziert worden. Der Begriff propriété ist also immer noch Zentralbegriff sowohl des französischen Urheberrechts als auch des gewerblichen Rechtsschutzes.

II. Literary property in England 1. Der

property-Begriff

Der Begriff property kann mit „Eigentum" übersetzt werden. Prima facie bietet es sich daher an, die Bedeutung des property-Begriffes für die Entwicklung des Urheberschutzes in England zu betrachten. Aber schon der ebenfalls existierende Begriff ownership zeigt, daß ein solches Vorgehen auf Bedenken treffen muß. Verstärkt werden diese Zweifel noch vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung des Sacheigentums in England. Unter normannischer Herrschaft gab es überhaupt kein freies Grundeigentum. Vielmehr waren alle Rechte in den Lehnsnexus einbezogen.13 Der heute übliche Begriff property hat in der englischen Rechtstheorie primär die Bedeutung „Vermögensrecht". Unterschieden werden real property und personal property.14 Die Differenzierung geht auf das mittelalterliche Aktionensystem zurück. Die actio in rem bezog sich allein auf die Herausgabe von Grundstücken. Aus dieser actio entwickelte sich der Begriff real property, der allein Eigentumsrechte, nicht aber sonstige dingliche Rechte an Grundstücken erfaßt. Umfassender ist der Terminus personal property, der sich auf bewegliche Vermögenswerte bezieht. Dieser Begriff wird weiter unterteilt. Einmal wird hierzu der Begriff chattel verwendet. Chattels real sind Herrschaftsrechte an Grundstücken, chatteis personal alle anderen Vermögensrechte.15 Eine andere Auffächerungsmöglichkeit ist die in choses in action und in choses in possession. Chose in possession ist die sich im Besitz einer Person befindende Sache. Mit chose in action werden unkörperliche Rechte, also nicht besitzfähige Rechtspositionen, bezeichnet.16 Der Begriff property erfaßt somit ein Bündel von Rechtspositionen, die in Deutschland als „geldwerte Rechte" bezeichnet werden17. Der Terminus 13 Coing, Europäisches Privatrecht I, § 3 VII (S. 32); Die Abschaffung des freien Grundeigentums durch Wilhelm /., dem Sieger der Schlacht von Hastings im Jahr 1066, wird von Zweigert/ Kötz (Einführung in die Rechtsvergleichung 3 , § 14 II [S. 179]) zu den „großen Leistungen" (?) Wilhelms I. gezählt. 14 Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, § 7 I (S. 81). 15 Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, § 7 I (S. 82 in Fn. 183). 16 Vgl. zu chose in action die Übersetzungsvorschläge von Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, 5. Aufl., München 1990: einklagbares Forderungsrecht, obligatorischer Anspruch, unkörperlicher Rechtsgegenstand (Wechsel, Sparguthaben, Patente, Urheberrecht, Versicherungspolice, Rente, etc.). 17 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 2 1 Rz.2ff.

60

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

„geldwertes Recht" verfügt über einen sehr hohen Abstraktionsgrad und umfaßt Sachenrechte, Immaterialgüterrechte und Forderungen.18 Auf einer geringeren Abstraktionsebene findet sich kein synonymer Terminus in der deutschen Rechtssprache. Dies zeigt die große Bandbreite des property-Begriffes. Die Spannweite der mit property bezeichneten Rechte verbietet es, aus der Verwendung der Bezeichnung kursorisch Schlüsse auf die Bedeutung von Überlegungen zum Rechtsschutz für körperliche Sachen im Urheberrecht zu ziehen. „Intellectual property" kann vom gedanklichen Ansatz her ähnlich zu verstehen sein wie die oben 19 beschriebene Theorie vom geistigen Eigentum im Deutschland des 18. Jahrhunderts. Ebenso lassen sich mit property aber auch andere, neuere theoretische Deutungen des Urheberrechts erfassen. Soll also bestimmt werden, ob der Sacheigentumsschutz Modell für die Entwicklung des Urheberschutzes in England war, genügt der schematische Nachweis der Verwendung des property-Begriffes nicht. Erforderlich ist vielmehr die Suche nach sachenrechtlichen Begründungselementen in der Diskussion um den Schutz des Urhebers. Eine andere Vorgehensweise verbietet sich auch aufgrund der - zumindest zum Zeitpunkt der Herausbildung von Urheberrechten - im Vergleich zur kontinentaleuropäischen Praxis weniger dogmatischen als vielmehr subjektiv-ergebnisbezogenen englischen Rechtsprechung. 20 Eine solche Spruchpraxis erforderte keine dogmatisch scharfe Abgrenzung des property-Begriffes. 2. Parallelen Urheberrechts

zum Sacheigentum in der Entwicklung des bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts

englischen

Grundlage des englischen Nachdruckschutzes war zunächst das Privilegienwesen. Wie in Deutschland wurden den Druckern regelmäßig Privilegien verliehen.21 Gelegentlich erhielten auch Autoren Privilegienschutz, so 1530 der KaLarenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 2 1 Rz.8. Vgl. S. 38ff. 2 0 Vgl. Koch/Mangnus/Winkler von Mohrenfels, S . 2 5 5 f . ; prägnant frühere Anschauungen demonstrierend ist die aus dem Jahr 1 9 4 5 stammende Ansicht Grabowskys (in: M c Clearly, Die englische Rechtsprechung, S. 29), der englische Richter besitze in der Regel „längst nicht so tiefe juristische Kenntnisse" wie der deutsche oder französische Richter. 21 Beispiele aus dem englischen Privilegienwesen finden sich bei Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 7 1 (S.48f.). Ein Privileg, welches besonders deutlich die Strukturnähe zur kontinentaleuropäischen Praxis zeigt, ist das von Kohler berichtete Privileg für Reynold Wolf aus dem Jahr 1547: „Sciatis, quod nos...damus et concedimus dilecto subdito nostro Reginaldo Wolff officium typographi ac bibliopolae nostri in Latino, Graeco Hebraicoque sermone...Quare Omnibus et singulis typographis, bibliopolis et excusoribus librorum infra hoc regnum nostrum Angliae per presentes firmiter praecipimus et mandamus, quod nullus eorum de caetero audeat vel praesumat aliquos libros, cartas, mappas, caeterave huiusmodi, quae nos per praefatum Reginaldum imprimenda curabimus et assignabimus, vel quae praefatus Reginaldus propria sua industria dilligentia atque labore conquisverit, sumptuque suo impresserit vel suo nomine imprimi fecerit, sub typis aut prelis suis excudere seu imprimere, vel excudi seu imprimi facere, nec eadem, 18

19

§ 3 Verknüpfung

von Sacbeigentum

und geistigem Eigentum in Rechtsordnungen

61

plan John Palsgrave für ein Lehrbuch zur französischen Sprache. 22 Mit Reformation und Gegenreformation gewann die Zensur immer mehr an Bedeutung. Dies hatte oft - aber nicht immer - die Verknüpfung von Privileg und Zensur zur FolgeEin englischer Sonderweg des Nachdruckschutzes wurde von der Buchhändlergilde (stationers' company) eingeschlagen. Aufgrund der Erteilung der Gilderechte war es der stationers' company möglich, einen eigenen Nachdruckschutz zu installieren. Die company wurde faktisch zu einem Zensurorgan. 23 Unterstützt wurde diese Funktion durch die Gewährung von Befugnissen zur Durchsuchung und Beschlagnahme, die gegenüber Druckern bestanden, die weder eine Patenturkunde besaßen noch bei der company registriert waren. 24 Daneben bildete sich in der folgenden Zeit - auch aufgrund des Licensing Act von 1662 2 5 die Ansicht heraus, mit der Eintragung eines Druckwerkes in die Liste der stationers' company sei ein Nachdruckschutz verbunden. Der Eingetragene sei owner des Werkes.26 Um Parallelen zwischen Sach- und geistigem Eigentum im englischen Recht nachzuweisen, genügt ein Verweis auf den property-Begriff nicht. Aufgrund der aufgezeigten amorphen Struktur27 kann aus der Verwendung des Begriffes nicht eindeutig auf die Heranziehung sachenrechtlicher Erwägungen geschlossen werden. Anders ist dies aber in den Fällen, in denen der Begriff „estate" herangezogen wurde. Mit estate werden Herrschaftsrechte an Grundstücken bezeichnet, deren Funktion mit dem deutschen Eigentum verwandt ist. Inhaltlich identisch sind estate und (deutsches Sach-) Eigentum allerdings nicht. Dem englischen Recht ist seit der normannischen Eroberung ein Eigentumsrecht an Grundstükken, wie es im BGB normiert ist, unbekannt. Vielmehr trat eine unterschiedlich starke Verfestigung der Nutzungsposition des Lehnsmannes ein. Es gab verschiedene Arten von estate, die zum Teil in bezug auf die Herrschaftsbefugnis dem deutschen Sacheigentum ähnelten (estate in fee simple), teilweise aber auch mit dem Nießbrauch (estate for life) und dem Erbbaurecht (estate less than freehold) vergleichbar waren. 28 Zu prüfen ist daher, ob im Streit um die Rechte des Urheper alium quemcumque praeter praedictum Reginaldum impressa aut excusa, alicui personae vendere, seu vendendo exponere, sub poena forisfacturae et deperditionis librorum caeterorumque praedictiorum, quos vel quae sic vendiderit aut vendendo exposuerit ac ulterius incurrendi in graviorem nostri offensionem..." 22 Rose, Authors and Owners, p. 11. 23 Köhler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 7 I (S.49.). 24 Cornish, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S. 57, 58. 2 5 Der Licensing Act von 1662 untersagte die Drucklegung eines Werkes ohne vorherige behördliche Genehmigung. Betitelt als „An act for preventing the frequent Abuses in printing seditious treasonable and unlicensed Bookes and Pamphlets and Papers" diente er dazu, den Druck politisch unerwünschter Bücher zu unterbinden, vgl. Rose, Authors and Owners, p. 3 1 - 3 2 . 26 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 7 I (S. 50). 2 7 Siehe S.59f. 28 Vgl. Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, § 7 III 2 a, b (S.85f.); Die

62

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

bers in England dessen Rechtsposition mit dem estate verglichen wurde. War dies der Fall, ähnelte die Argumentation derjenigen der im deutschen Sprachraum vertretenen Theorie vom geistigen Eigentum29. Im Jahr 1666 zog der Kläger im Atkins' case (The Stationers v. The Patentees) Parallelen zwischen estate und Urheberschutz.30 Zur Rechtfertigung des Autorenschutzes trug er vor: First, That the Author of every Manuscript or Copy hath (in all reason) as good right thereunto, as any Man hath to the Estate wherein he has the most absolute property; and consequently the taking from him the one (without his own consent) will be equivalent to the bereaving him of the other, contrary to his Will. Secondly, Those who purchased such copies for valuable considerations, having the authors right thereby transferred to them (and a due Licence and Entrance according to Law) 'twill be as prejudicial to deprive them of the benefit of their Purchase, as to Disseise them of their Freehold.

Das Recht des Verfassers entspreche also demjenigen des Grundeigentümers. Dies habe Konsequenzen für die Sanktionierung von Rechtsverletzungen. Die Verletzung des Autorenrechtes und die Beeinträchtigung des Immobiliareigentumes müßten identische Rechtsfolgen nach sich ziehen. Im Mai 1695 trat der Licensing Act außer Kraft, was die Diskussion um die Rechte von Urhebern und Druckern erneut belebte. Die Frage, ob nach Common Law ein Schutz des Urhebers gegeben war, gewann dadurch wieder besondere praktische Bedeutung.31 In den Stimmen der Befürworter eines Urheberschutzes wurde immer wieder darauf verweisen, daß das Werk „property" des Autors sei. Dafoe3,2 formulierte zur Autorentätigkeit 1709 knapp: „His Work is his property...«. 1710 33 wurde in England34 mit dem Act 8 Anne c. 19 35 (häufig auch als Statute of Anne bezeichnet) nach allgemeiner Ansicht36 das erste Gesetz zum Schutz des Vielfalt von estates ist mit dem Law of property act 1925 im wesentlichen auf zwei grundsätzliche Rechte reduziert worden. Das estate „fee simple absolute in possession" entspricht dem deutschen Eigentum am Grundstück, während das estate „term of years absolute" mit der Erbbaurecht vergleichbar ist, vgl. Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, § 7 III 2 c (S. 86). 29 Vgl. hierzu S.38ff. 30 Rose, Authors and Owners, p. 2 3 - 2 4 . 31 Ausführlich hierzu Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S.105ff. 32 Vgl. Rose, Authors and Owners, p. 37. 33 Allgemein wird die Statue of Anne auf 1709 datiert. Dies ist jedoch unzutreffend (so auch Rose, Authors and Owners, p. X , 42.). Das Gesetz ist am 11.1. 1710 eingebracht worden. Bis 1753 begann in Anlehnung an die Praxis der englischen Kirche das Jahr in England am 25. März. Daher klafften das historische Jahr und das kirchliche wie rechtliche Jahr zwischen dem 1. Januar und dem 24. März auseinander, vgl. Ruete, „Copyright", geistiges Eigentum und britische Verwertungsgesellschaften, S.8. 34 Zur Bedeutung der Statue of Anne für die ersten Urheberrechtsgesetze in den USA Schack, UFITA 136 (1998), 219ff. 35 Vollständiger Text bei Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, S. 487ff.

§3 Verknüpfung

von Sacheigentum

und geistigem Eigentum in Rechtsordnungen

63

Urhebers in Kraft gesetzt. Der offizielle Titel lautete: „An act for the Encouragement of Learning, by vesting the Copies ofprinted Books, in the Autors or Purchasers of such copies, during the Times therin mentioned." In dem Gesetz wurde dem Urheber die ausschließliche Befugnis zur Drucklegung für die Dauer von 14 Jahren, gerechnet ab der Veröffentlichung, eingeräumt. Sofern der Urheber nach Ablauf der 14 Jahre noch am Leben war, verlängerte sich die Frist um weitere 14 Jahre. 3 7 Rechtsfolgen löste der Verstoß gegen das Nachdruckverbot nur aus, wenn zuvor eine Registrierung im Verzeichnis der stationers' Company erfolgt war. Die Gründe für die Schaffung dieses Gesetzes werden bis heute unterschiedlich diskutiert. 38 Vieles spricht für die Annahme eines Motivbündels. 3 9 Mit der Aufhebung der Zensur verlor die Company ihre Eingriffsbefugnisse, so daß ihr die Interessenverfolgung Schwierigkeiten bereitete. Hier sorgte die Statute of Anne für eine gesicherte Rechtsdurchsetzung. Daneben kann auch eine kartellrechtliche Zielsetzung nicht ausgeschlossen werden. In der Company ist anscheinend von einer Gruppe führender Verleger („conger") ein Kartell gebildet worden, das die Buchhändler behinderte, sofern diese Bücher anderer Verleger vertreiben wollten. 40 Es erscheint möglich, daß die Statute of Anne dazu diente, dieses Kartell zu durchbrechen. Parallelen zwischen Sach- und geistigem Eigentum zeigt der Normtext nur in geringem Maße. In Sect. I wird der Schutz des Autors allein unter Bezugnahme auf dessen Schutzinteresse, nicht aber unter Heranziehung (sach-) eigentumsrechtlicher Erwägungen begründet. Interessant ist die Verwendung der Bezeichnung „Proprietor". Am Anfang von Sect. I wird der Proprietor dem Autor begrifflich gegenübergestellt. Mit der Urheberschaft ist also ein vermögenswertes Recht verbunden, welches auf den Verleger bzw. Buchdrucker übertragen werden kann. Im weiteren Verlauf des Normtextes wird der Inhaber der Verfügungsbefugnis allein als Proprietor bezeichnet. Dies läßt darauf schließen, daß nach der erstmaligen Verfügung über das Recht durch den Urheber der Rechtserwerber zu weiteren Verfügungen berechtigt sein sollte. Eine nähere Bezugnahme zum Sacheigentum erfolgt nicht.

36

Hubmann/Rehbinder, Urheberrecht 10 , Rz. 20; Going, Europäisches Privatrecht I, § 37 III 1 (S.222). 37 Sec. XI: „After the Expiration of said fourteen Years, the sole Right of printing or disposing of Copies shall return to the Authors thereof, if they are then living, for another Term of fourteen Years." 38 Einen Überblick gibt Cornish, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S. 57, 60 ff. 39 So auch Cornish, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S.57, 63f. 40 Cornish, in: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S. 57, 64.

64

Teil 1: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

3.

Entwicklung

a.

Warburton

nach Einführung

von Act 8 Anne

Begriffs

c. 19

Das Verhältnis zwischen Urheberrecht und Sacheigentum fand nach Einführung von Act 8 Anne c. 1 9 in England mehr Beachtung. Auslöser dürften die Arbeiten J o h n Lockes zum Eigentumsbegriff gewesen sein. Diese entfalteten immer mehr Wirkung. L o c k e sah den Geltungsgrund des Eigentums im wesentlichen in der eigenen Arbeit. 4 1 Von dieser für das Sacheigentum entworfenen Begründung her entwickelte W a r b u r t o n 4 2 , Bischof von Gloucester, 1 7 7 4 einen Geltungsgrund für das geistige Eigentum. Die Anerkennung eines Eigentumsrechtes setze zwei Dinge voraus. Die Rechtseinräumung müsse für die Allgemeinheit nützlich und der Besitz erkennbar sein. 4 3 Beide (!) Voraussetzungen bejaht Warburton für das geistige Eigentum. Bei der Herstellung eines körperlichen Gegenstandes liege der H a u p t a u f w a n d der Herstellung in den Kosten für die verwendeten Materialien. D a h e r erwerbe auch der Rohstofflieferant Eigentum an der hergestellten Sache. 4 4 Demgegenüber sei bei einem Buch das Wesentliche die Herstellung der F o r m . „Lieferant" dieser F o r m sei der Verfasser. Daher werde der Autor auch Eigentümer. Die offensichtlich zu § 9 5 0 B G B entgegengesetzte Grundwertung des Common

Law erfordert von W a r b u r t o n erhebliche Argumentationsarbeit. W ä -

re der Verarbeitende wie im deutschen R e c h t Hersteller, k ö n n t e problemlos Eigentumserwerb am „ M a n u s k r i p t " bejaht werden. Aber auch über die englische - schon aus dem römischen R e c h t bekannte 4 5 - Regelung des Eigentumserwerbs gelangt Warburton zu einem Eigentum des Autors. Anders sei die Rechtslage bei der Erfindung: Das technische Produkt werde so stark durch den manuellen Herstellungsakt geprägt, daß ein geistiges Eigentum des Erfinders nicht in Betracht komme. Warburtons Erwägungen sind gekennzeichnet durch die Übertragung von Lockes Rechtfertigung des Sacheigentums auf das geistige Eigentum. Hierdurch wird eine enge Verknüpfung von Sach- und geistigem Eigentum hergestellt. Ebenso kann Warburton mit Lockes Legitimationslehre behaupteten freiheitsbeschränkenden Wirkungen des geistigen Eigentums entgegentreten. Freiheit beLocke, Two Treatises of government, §§25-51. vgl. Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S. 116. 43 „that they be useful to mankind; and that they be capable of having their possession ascertained. Without the first society will not be obliged to take the right under its protection; and without the second, it will never venture upon the trouble." (Text bei Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S. 118 in Fn. 135). 44 Vgl. demgegenüber die grundsätzlich zugunsten des Herstellers erfolgte Wertentscheidung in § 950 BGB. 45 Nach dem Corpus iuris war Berechtigter an einem Manuskript ausschließlich der Eigentümer des beschriebenen Materials: Inst. 2 , 1 , 3 3 . ; Dig. 41,1,9 (deutsche Übersetzung der Textstelle aus den Institutionen bei Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis I 2 , S.56); vgl. hierzu oben S. 8. 41

42

Verknüpfung

von Sacheigentum und geistigem Eigentum in Rechtsordnungen

65

deute nur die Zulässigkeit des Verhaltens innerhalb der von den Gesetzen gezogenen Grenzen.46 b.

Blackstone

Blackstone 47 hat sich, worauf bereits von Osterrieth48 hingewiesen worden ist, in seinem grundlegenden Werk „Commentaries on the Laws of England" mit Querverbindungen von Sach- und geistigem Eigentum befaßt. Im Abschnitt „Title to Things Personal by Occupancy" erörtert Blackstone den Eigentumserwerb durch Inbesitznahme.49 Ursprünglich habe diese Erwerbsform eine große Bedeutung gehabt. Im Laufe der Zeit sei diese verlorengegangen. Jedoch sei ein Eigentumserwerb durch Inbesitznahme in einigen Fällen noch möglich. 50 Als Beispiel nennt er das geistige Eigentum. Der Erwerb geistigen Eigentums durch die Erstellung des Werkes könne mit dem Ergreifen feindlicher Gegenstände im Krieg und mit dem Finden von Sachen im Meer verglichen werden.51 c.

Rechtsprechung

aa. Miliar v. Taylor Auch in der englischen Rechtsprechung wurde Parallelen zwischen Sach- und geistigem Eigentum nachgegangen. In den Prozessen spiegelte sich häufig der Konflikt zwischen den um ihr Monopol besorgten Londoner Verlegern und den Schotten, die zunehmend auf dem Druck- und Verlagsmarkt Einfluß gewannen, wider.52 Einer der ersten Prozesse, der für die dogmatische Erfassung des Urheberrechts Ertrag brachte, war Miliar v. Taylor (1768). 5 3 Der Verleger Miliar hatte Rechte an der Dichtung The Seasons des Autors Thomson erworben. Nach Ablauf der Schutzfrist des Act Anne gab der Verleger Taylor ebenfalls eine Ausgabe der Seasons heraus. Hiergegen wehrte sich Taylor mit einer Schadensersatzklage. Er berief sich auf ein nach Common Law bestehendes Recht an dem Werk, welches auch nach Ablauf der Schutzfrist weiterbestehe. Vgl. Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S . 1 2 0 . Zur Person William Blackstones ( 1 7 2 3 - 1 7 8 0 ) vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 IV (S.193). 48 Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S. 120f. 4 9 Vgl. Rose, Authors and Owners, p. 90. 5 0 Vgl. heute im deutschen Recht §§ 958ff. BGB (Aneignung). Auch beim originären Eigentumserwerb durch Ersitzung (§§ 937ff BGB) ist (Eigen-) Besitz erforderlich. 51 Vgl. Rose, Authors and Owners, p. 90. 5 2 Vgl. Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S. 133 ff.; Rose, Authors and Owners, S . 6 8 . 5 3 Vgl. hierzu Patterson, p. 168; Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S. 123 ff.; Die Ausführungen Osterrieths sind für die vorliegende Untersuchung nur mit Zurückhaltung verwertbar, da Osterrieth property mit Eigentum übersetzt. Dies trifft jedoch, wie bereits (S.59f.) dargelegt, auf Bedenken. 46 47

66

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Die dogmatische Bedeutung des Urteils resultiert aus den Voten der Richter, die unter dem Vorsitz von Lord Mansfield entschieden. Richter Aston bejahte einen Schutz des Urhebers nach Common Law unter Bezugnahme auf Lockes Erwägungen zur Legitimation des Eigentums durch Arbeit. Die Begründung des Eigentums allein durch Okkupation verenge den Eigentumsbegriff zu stark. Brauchbar sei dieser Ansatz nur bei frühen Kulturformen gewesen. Dieser Begründung trat Richter Yates entgegen.54 Lockes Theorie zum Eigentumserwerb findet Yates' Zustimmung nur unter starken Einschränkungen. Erfindung und Arbeit seien nur dann Eigentumserwerbstatbestände, wenn die Erfindung die Entdeckung eines herrenlosen Eigentums und Arbeit die Inbesitznahme und Brauchbarmachung des Eigentums sei. An der Idee, die Inhalt des Geisteswerkes sei, könne Besitz nicht erworben werden. Dies schließe einen Eigentumsschutz aus. Auch entspreche es langer Tradition, daß Eigentum nur an körperlichen Dingen bestehen könne. Ideen hätten keine Körperlichkeit und keine Realität. Sie seien daher nicht eigentumsfähig. Schließlich könne ein literarisches Eigentum nicht in das geltende Rechtssystem eingeordnet werden. Dieses unterscheide zwischen „real estates" und „chatteis". Zu den letzteren seien debts, contracts und goods zu zählen. Ein literarisches Eigentum müsse bei den goods eingeordnet werden. Dies scheitere aber an der fehlenden Körperlichkeit, die aufgrund der zu verlangenden Besitzfähigkeit zwingende Voraussetzung für ein good sei. Im Ergebnis schloß sich das Gericht Yates' Argumentation nicht an. Lord Mansfield verkündete ein klagestattgebendes Urteil. bb. Donaldson v. Becket Der Konflikt zwischen England und Schottland spiegelt sich in der Vita des Edinburgher Buchhändlers Alexander Donaldson wider.55 Donaldson startete seine Buchhändlerkarriere 1750 in Edinburgh mit dem Nachdruck von Standardwerken, deren Schutzfrist bereits abgelaufen war. In den späten 50er Jahren des 18. Jahrhundert begannen Versuche englischer Drucker, unter Berufung auf ein Common Law Copyright die schottischen Verleger vom Markt zu verdrängen. Donaldson reagierte auf diese Versuche mit der Eröffnung eines Geschäfts in London, in dem er Bücher zu Preisen, die ca. 3 0 - 5 0 % unter den in London üblichen lagen, verkaufte. Zu den von Donaldson gedruckten Werken zählte auch „Seasons" von Thomson, welches bereits Gegenstand des Verfahrens Miliar v. Taylor56 war. Nach dem Tod Millars im Jahr 1768 verkauften seine Testamentsvollstrecker die Rechte an eine Gemeinschaft Londoner Buchhändler um den Verleger Becket. 57 54 55 56 57

Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S. 129((. Vgl. Rose, Authors and Owners, p. 92. Vgl. zu diesem Verfahren oben S. 65f. Vgl. hierzu Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S. 137ff.

§ 3 Verknüpfung

von Sacheigentum

und geistigem Eigentum in Rechtsordnungen

67

Diese Gemeinschaft siegte erstinstanzlich über Donaldson, der dann Berufung beim House of Lords einlegte. Dalrymple, einer der Anwälte Donaldsons, beschränkte seinen Berufungsangriff nicht auf eine Verballhornung des Act Anne.5S Er trug daneben vor, daß dem klägerischen Begehren ein ewiges Eigentum zugrunde liege. Dies sei für Literatur und Wissenschaft nachteilig. Dalrymple zeigt also einen Grund für Differenzierungen zwischen Sach- und geistigem Eigentum auf. Umgekehrt aber demonstriert sein Argument, daß das in der Entscheidung Miliar v. Taylor angenommene geistige Eigentum nach Common Law wie das Sacheigentum einen zeitlich unbegrenzten Schutz genoß. Im House of Lords wurde unterschiedlich diskutiert, ob neben dem Schutz nach dem Act 8 Anne c. 19 ein Urheberrecht bestand. Ausgetauscht wurden im wesentlichen die auch aus Deutschland bekannten Argumente für und gegen einen Urheberschutz. Querverbindungen zwischen Sach- und geistigem Eigentum stellte anscheinend Lord Littelton her. Das Recht der Autoren sei sicher ebenso heilig und schutzwürdig wie das anderer Bürger.59 Zu diesen „anderen Rechten" zählt auch das Eigentum. Allerdings relativiert sich die Bedeutung dieser Aussage für die Rechtsdogmatik, wenn berücksichtigt wird, wie Littelton selbst seine juristischen Kenntnisse beurteilt hat: „I haue no great acquaintance with tbe quieks und quabbles of the law".60 Im Ergebnis konnte sich Litteltons Auffassung nicht durchsetzen. Das Oberhaus gab der Berufung statt. Ein literarisches Eigentum nach Common Law neben Act 8 Anne c. 19 wurde also nicht anerkannt. Dies heißt zugleich, daß Lokkes Geltungsgrund des Sacheigentums, der dieses ohne weiteren staatlichen Zuordnungsakt legitimierte, für das geistige Eigentum nicht galt. 4. Die weitere

Entwicklung

bis zum modernen

englischen

Urheberrecht

Act Anne aus dem Jahr 1710 wurde 1842 durch ein neues Urhebergesetz ersetzt. Gewährt wurde nunmehr ein Schutz auf 42 Jahre oder auf Lebenszeit des Autors zuzüglich 7 Jahre nach dem Tod. Zur Anwendung kam die jeweils längere Frist. 61 Die erste einheitliche Kodifikation des Urheberrechts erfolgte 1911. Dies blieb bis zum Copyright Act von 1956 in Kraft. 62 1988 erfolgte die letzte Novellierung des englischen Urheberrechts mit der Einführung des Copyrights, De-

58 Vgl. Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S. 139f.: Dalrymple parodierte das Act Anne (vgl. den Originaltext auf S. 63) als „An Act for incouragement of planting by vesting the shoots of hedges and banches of trees, in the planters during times therein mentioned." Nach Angabe von Osterrieth (a.a.O.) wurde von Dalrymple der gesamte Text des Act Anne in dieser Form parodiert. 5 9 Vgl. Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S.144f. 6 0 Bei Osterrieth, Die Geschichte des Urheberrechts in England, S. 144 Fn. 107. 61 Vgl. Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 12 I (S. 115f.) 62 Cornish, in: Quellen des Urheberrechts, Großbritannien I, S. l f .

68

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

signs and Patents Act.63 In bezug auf das Verhältnis zum Common Law hat sich seit der Entscheidung Donaldson v. Becket nichts geändert. Das Gesetz enthält eine abschließende Regelung des Urheberrechts. Nach dem Common Law bestehen keine weiteren Rechte dieser Art. Auch an der Begrifflichkeit und der Verknüpfung mit dem Begriff property hat sich in den vergangenen 200 Jahren nichts Wesentliches geändert. Der Begriff Copyright wird in Art. 1 des Copyright,, Designs and Patents Act 1988 definiert als „a property right which subsists in accordance with this Part in the following descriptions of work...". von Lewinski64 übersetzt property right mit „Eigentumsrecht", wählt also nicht die auch mögliche Übersetzung „Vermögensrecht". Für die Übersetzung mit „Eigentumsrecht" spricht, daß der deutsche Begriff „Vermögensrecht" einen Gegenpol zu den Persönlichkeitsrechten bildet 65 , das Urheberrecht aber stark persönlichkeitsrechtlich geprägt ist. Weniger eindeutig kann diese Gegenüberstellung für den Terminus „Eigentumsrecht" vorgenommen werden, da es zweifelhaft ist, ob nicht auch das Eigentum über persönlichkeitsrechtliche Elemente verfügt. 66 Festgehalten werden kann, daß im englischen Urheberrecht trotz aller Veränderungen der etablierte Terminus „property" beibehalten wurde. Eine Begriffsverdrängung, wie sie das geistige Eigentum in Deutschland erfahren hat, fand nicht statt. Allerdings zeigt eine nähere Betrachtung des Begriffssystems terminologische Bruchstellen zwischen Copyright-System und Droit d'auteur-System. 67 Der Ausdruck „Droit d'auteur" sollte nach Ansicht von Sterling im Englischen nur mit „Author's right", nicht aber mit „Copyright" übersetzt werden. 68 Eine ähnliche Bruchstelle gibt es zwischen der deutschen Rechtssprache und dem internationalen Sprachgebrauch. Die gebräuchliche Übersetzung für „intellectual property" (geistiges Eigentum) trifft in Deutschland häufig auf Ablehnung, wobei bereits darauf hingewiesen wurde, daß die ungezwungene Verwendung gleichzeitig eine Angleichung an den international üblichen Sprachgebrauch bedeutet. 69

63 Darstellung bei Cornish, in: Quellen des Urheberrechts, Großbritannien I, S. If.; ders., Intellectual Property, para. 9-17; Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht 2 , Rz.914ff. 64 von Lewinski, in: Quellen des Urheberrechts, Großbritannien II, S. 18. 65 Larenz/Wolf., Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 2 1 Rz. 10. 66 Vgl. hierzu § 24. 67 Vgl. Sterling, Intellectual Property Rights in Sound Recordings, Film 8c Video, Chapter 5 (p. 149-189). 68 Sterling, Intellectual Property Rights in Sound Recordings, Film & Video, para. 5.09 (p. 157). 69 Beier, GRUR Int. 1990, 675, 677.

§4 Geistiges Eigentum und Patentrecht

im 19. Jahrhundert

69

§ 4 Bedeutung der Theorie vom geistigen Eigentum für die Entwicklung anderer Bereiche des Schutzes geistigen Schaffens im 19. Jahrhundert - dargestellt am Beispiel des Patentrechts I. Vorüberlegungen Im bisherigen Verlauf der Untersuchung ist die Entwicklung der Theorie des geistigen Eigentums anhand des Urheberrechts erläutert worden. Diese Vorgehensweise wird legitimiert durch die dominante Bedeutung des Urheberrechts für die Dogmengeschichte des geistigen Eigentums. Das Urheberrecht war häufig Wegbereiter für andere Formen des Schutzes geistiger Leistungen. Ein Beispiel hierfür ist der auf der Grenze zwischen Urheberrecht und gewerblichem Rechtsschutz angesiedelte Schutz von Fabrikmustern. In Frankreich erfolgte bereits im Gesetz vom 14./17.7.1793 eine gesetzliche Regelung. Gewährt wurde ein Schutz von „peintres et dessinateurs qui feront graver des tableaux et dessins.al Wie das Urheberrecht entstand das „Eigentum" am Muster mit Erstellung. Formalitäten mußten nicht erfüllt werden. Die Theorie des geistigen Eigentums eröffnete hier einen umfassenden Schutz des Musters. Die Einsicht, der Musterschutz beruhe „auf dem Rechtsbegriff des geistigen Eigenthums", war Anlaß für Bayern, sich 1854 im Zollverein für einen solchen Schutz einzusetzen.2 Im folgenden soll am Beispiel der Patente der Bedeutung der Theorie vom geistigen Eigentum außerhalb des Urheberrechts nachgegangen werden.

II. Deutschland 1. Erste Entwicklungen

im deutschen

Sprachraum

Die ersten Entwicklungsstufen des Patentrechts stehen in keinerlei Zusammenhang mit der Theorie des geistigen Eigentums. Im Unterschied zum Urheberrecht ist die Entwicklung des Patentrechtes stärker durch merkantilistische Aspekte geprägt. Ausgangspunkt der Entwicklung waren die Gewerbeprivilegien des späten Mittelalters. Die Ursprünge dieser Praxis sind in England zu finden. Die englischen Könige erteilten ausländischen Handwerkern in offenen Briefen (litterae patentes) Schutzbriefe, um sie zur Ausübung ihres bis dato in England unbekannten Handwerks auf der Insel zu motivieren.3 In der Folgezeit behielt das Pri1 2 3

Dölemeyer, in: Coing III/3, S.4085. Wadle, Gedächtnisschrift Constantinesco, S.871, 884. Beter, GRUR 1978, 123, 124.

70

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

vilegienwesen seine Funktion als Element der Wirtschaftsförderung. M i t der sich beschleunigenden ökonomischen Entwicklung gewann auch das Erfindungswesen an Bedeutung. Die territoriale Zersplitterung Europas führte zu einem zweigeteilten Neuheitsbegriff. Erfinderprivilegien wurden nicht nur für das eigenständige Entwickeln einer Neuheit erteilt, sondern auch für die Umsetzung anderenorts erworbener spezieller Kenntnisse. Griffig beschreiben lassen sich diesen beiden Privilegienkategorien mit den Bezeichnungen

„Erfindungsprivilegien"

und „Einführungsprivilegien". 4 In dieser frühen Phase des Erfindungsschutzes lassen sich keine Querverbindungen zum Eigentumsbegriff feststellen. Statt dessen verfügte das Erfinderprivileg über ausgeprägte gewerberechtliche Elemente. Es umfaßte häufig zugleich ein G e w e r b e m o n o p o l und eine Gewerbeerlaubnis. D a m i t durchbrach das Privileg für den Erfinder die starren Schranken des Zunftwesens und anderer Beschränkungen der gewerblichen Tätigkeit, die zu einer Verkrustung der W i r t schaftsstrukturen geführt hatten. 5 Die gewerberechtliche Funktion zeigte sich auch im Erteilungsverfahren. Auswirkungen der Privilegienerteilung auf die wirtschaftliche Situation und den Arbeitsmarkt wurden beachtet. 6 Dölemeyer berichtet von einem Privileg aus dem J a h r 1 8 0 2 , in dem der das Einführungsprivileg erhaltende Lederfabrikant verpflichtet wird, innerhalb von sechs J a h r e n acht inländische Lehrlinge auszubilden. 7 Auch frühe Patentrechtskodifikationen enthalten Regelungen für Einführungspatente. 8 Irgendein auf der geistigen Erfindungsleistung beruhender Schutzgrund wird nicht angesprochen. Die frühen Erfindungsprivilegien ähneln also eher einer gewerberechtlichen Lizenz, k o m b i niert mit einem M o n o p o l r e c h t .

2. Patentschutz

und geistiges Eigentum im 19.

a. Legislative Maßnahmen bis zur Mitte des 19.

Jahrhundert Jahrhunderts

Die weitere Entwicklung des Patentrechts in Deutschland ist zunächst geprägt von wirtschaftspolitischen Erwägungen. N u r gelegentlich wurde diskutiert, o b eine Erfinderleistung oder ein geistiges Eigentum des Erfinders anzuerkennen sei. Legislative Vorhaben auf dem Gebiet des Patentrechts waren dominiert von dem Ziel, den Anschluß Deutschlands - in der ersten Hälfte des 1 9 . Jahrhunderts ein Entwicklungsland - an die führenden Industrienationen England und Frankreich zu ermöglichen. Hierzu war eine Förderung technischer Innovationen geBernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts4, §4, 2 (S.42). Beier, GRUR 1978, 123, 125. 6 Dölemeyer in: Coing III/3, S.4068. 7 Dölemeyer, Ius Commune XII (1984), 208. 8 So zum Beispiel das österreichische Hofkammerdekret von 1810 und das „System bey Verleihung ausschließender Privilegien auf Erfindungen und Verbesserungen in dem Gebiethe der Industrie" von 1820, vgl. Dölemeyer, IC XII (1984), 217f. 4

5

§ 4 Geistiges Eigentum und Patentrecht im 19.

Jahrhundert

71

boten. Zu diesem Zweck wurde teilweise sogar Industriespionage staatlich gefördert. 9 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß der Schutz eines „Urheberinteresses" des Erfinders für die Legislative ohne Bedeutung war und Gesetzgebungsmaßnahmen fast ausschließlich an ökonomischen Erwägungen ausgerichtet waren. Während das Patentrecht in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts territorial stark zersplittert war 10 , entwickelten sich mit den Verhandlungen über den Zollverein Bestrebungen zur Schaffung eines einheitlichen Patentrechtes. 11 Diesen zugrunde lag die Erkenntnis, daß die angestrebte Erleichterung des zwischenstaatlichen Handels ohne Angleichung der Patentvorschriften unvollständig war. Die Verhandlungen führten zur Zollvereinsübereinkunft von 1842, bei der der Theorie vom geistigen Eigentum keine entscheidende Bedeutung zukam. Von Relevanz war vielmehr eine Gesamtabwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst ungehinderten Handelsverkehr und dem Interesse der Erfinder an einem Schutz ihrer Erfindung. 12 b. Antipatentbewegung

contra geistiges Eigentum

Mitte des 19. Jahrhunderts formierte sich europaweit Widerstand gegen den Patentschutz. Die hierbei geführte Diskussion zwang auch zu einer Auseinandersetzung mit dem Geltungsgrund des Patents. Zunächst lösten in England Bestrebungen, den Patentschutz zu verbessern, eine starke Gegenströmung, die für eine vollständige Abschaffung des Patentschutzes votierte, aus. 13 Diese Antipatentbewegung gewann später europaweit immer mehr an Bedeutung. Die Bildung der deutschen Antipatentbewegung war nicht nur durch Bestrebungen zur Verbesserung des Patentschutzes veranlaßt worden. Auch die im Rahmen des Zollvereins angestrebte Vereinheitlichung des Patentrechts war ein Impuls für eine umfassende Diskussion des Erfindungsschutzes. Den Kern der deutschen Antipatentbewegung bildete die - auch in anderen europäischen Ländern aktive - sog. Freihandelsbewegung, deren Diskussionsforum der 1858 gegründete „Volkswirtschaftliche Kongreß" war.14 Der bekannteste Vertreter des Volkswirtschaftlichen Kongresses, John Prince-Smith, vertrat die Ansicht, „die Erteilung eines Patents ist die Errichtung eines Monopols durch Gesetzeszwang". 15 Die Theorie vom » Vgl. Beier, GRUR 1978, 123, 128. 10 Zur Patentrechtsentwicklung in dieser Zeit Dölemeyer, in: Coing, III/3, S.4142ff.; Heggen, GRUR 1974, 75ff. (zu Preußen); Beier, GRUR 1978, 123, 127; Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts 4 , §5, 2-4 (S.49ff.). 11 Heggen, GRUR 1977, 322, 323. 12 Dölemeyer, in: Coing, III/3, S.4150. " Vgl. Machlup/Rose, Journal of Economic History, Vol. X (1950), 1, 3. 14 Heggen, GRUR 1977, 322, 324. 15 Prince-Smith, Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft und Kulturgeschichte (1863) III, 150, 151.

72

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

geistigen Eigentum wurde von Prince-Smith abgelehnt. 1 6 Der Gemeinnutzen sei das bestimmende und daher auch bedingende und beschränkende Prinzip des Eigentums. M i t dem Schutz des Sacheigentums sei diesem Prinzip Rechnung getragen worden. D a s Eigentum an körperlichen Gegenständen garantiere deren höchsten Nutzen für die Gemeinschaft. 1 7 Diesen hohen Nutzen gewährleiste das geistige Eigentum, zumindest für Patente, nicht. Die Patenterteilung fördere das Erfindungswesen nicht. Für das Gemeinwohl sei es sinnvoller, wenn ein Patentschutz nicht existiere. An die Stelle eines „heimlichen und isolierten Arbeitens an den Erfindungen" trete ein Zusammenwirken aller geeigneten Kräfte. Dies führe zu einer effektiveren Umsetzung technischer Innovationen. Ausgehend davon, daß eine Eigentumszuweisung nur unter Berücksichtigung von Erwägungen des Gemeinwohls erfolgen dürfe, sei das geistige Eigentum an Patenten aufgrund seiner volkswirtschaftlich nachteiligen Auswirkungen abzulehnen. 1 8 Prince-Smith reduzierte also den Grund für die Zuweisung von Eigentum unter Ausblendung individualistischer Aspekte allein auf einen Gemeinwohlaspekt. Die Argumente der Freihandelsbewegung stießen verbreitet auf Gehör. Z u den „Freihändlern" gehörte auch der preußische Ministerialdirektor R u d o l f Delbrück, der a b 1 8 5 9 Leiter der mit der Patentprüfung befaßten Technischen Deputation war. 1 9 Sein Wirken wird als Ursache für den Widerstand Preußens gegen die Bestrebungen der Bundesversammlung zur Vereinheitlichung des Patentrechts in den J a h r e n 1 8 6 1 und 1 8 6 3 angesehen. 2 0 Den größten Erfolg errang die Antipatentbewegung allerdings in den Niederlanden, w o 1 8 6 9 das Patentgesetz aufgehoben wurde 2 1 , nachdem schon 1 8 5 4 die niederländische Gesellschaft für Industrieförderung eine Petition an den König mit dem Ziel, den Patentschutz abzuschaffen, gerichtet hatte. 2 2 c. Die

Propatentbewegung

Die starke Antipatentbewegung rief als Gegenpol eine Propatentbewegung hervor. M i t der Suche nach Argumenten für einen Patentschutz erfolgte auch eine intensive Erforschung des - potentiellen - Schutzgrundes des Patents. Die Aus-

16 Prince-Smith, Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft und Kulturgeschichte (1863) III, 150, 152ff. 17 Prince-Smith, Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft und Kulturgeschichte (1863) III, 150, 157. 18 Prince-Smith, Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft und Kulturgeschichte (1863) III, 150, 161. 19 Vgl. Beier, GRUR 1978, 123, 129; zu wirtschaftsliberalen Tendenzen bereits ab der Jahrhundertwende im preußischen Beamtentum vgl. Silberstein, Erfindungsschutz und merkantilistische Gewerbeprivilegien, S.266f. 20 So Heggen, GRUR 1977, 322, 324. 21 Vgl. Machlup/Rose, Journal of Economic History, Vol. X (1950), 1, 5. 22 Dölmeyer, in: Coing, III/3, S.4104.

§4 Geistiges Eigentum und Patentrecht im 19. Jahrhundert

73

einandersetzung zwischen Anti- und Propatentbewegung förderte die Argumente zutage, die heute die Umrisse der Patentrechtstheorien 2 3 bilden. Die Propatentbewegung läßt sich in zwei Strömungen unterscheiden. Auf der einen Seite befürwortete eine Gruppe von Unternehmern, die sich mit der Verwertung von Erfindungen befaßte, die Beibehaltung bzw. Stärkung des Patentschutzes. Bekanntester Vertreter dieser Gruppe w a r Werner von Siemens, der 1 8 6 3 ein viel beachtetes Gutachten zum Erfindungsschutz publizierte. 2 4 Argumentativ direkt auf die Antipatentbewegung zielend, verlangte von Siemens einen effektiven Patentschutz primär aus gesamtwirtschaftlichen Aspekten. Ein funktionierendes Patentsystem fördere die Investitionstätigkeit der Fabrikanten. Auch finde der Erfinder eher einen verwertungsbereiten Unternehmer. Allerdings müsse das Patent offengelegt werden, um den volkswirtschaftlichen Nutzen zu sichern, von Siemens stellt sich mit dieser am gesamtwirtschaftlichen Nutzen orientierten Argumentation gegen die Zentralthese der Propatentbewegung, ein Patent fördere den allgemeinen Nutzen nicht. Trotz der positiven Einstellung zum Patentschutz lehnte von Siemens die Theorie vom geistigen Eigentum ab. In Frankreich werde das Publikum mit „nutzlosen, aber desto lästigeren Patenten überflutet". Ursache sei das „unwirtschaftliche Prinzip" des geistigen Eigentums. Die Theorie erleichtere die Patenterlangung zu stark und stehe der Aufhebung unnützer Patente entgegen. 2 5 Beier 2 6 führt von Siemens' Kritik an der T h e o rie v o m geistigen Eigentum auf „taktische G r ü n d e " zurück, ohne diese näher zu erläutern. In Betracht k o m m e n hier zwei Erwägungen. Z u m einen vermied die Ablehnung der juristischen Theorie vom geistigen Eigentum den Vorwurf einer zu stark an rechtlichen Wertungen und nicht an volkswirtschaftlichen Erfordernissen orientierten Argumentation. Daneben führt die Heranziehung der T h e o rie vom geistigen Eigentum aufgrund der begrifflichen Betonung des Individualrechtes automatisch zu einer stärkeren Akzentuierung des Schutzes des Erfinders selbst und zu einer Zurückdrängung der Interessen der industriellen Verwerter der Erfindungen. Eine stärker an den individuellen Interessen des Erfinders orientierte Argumentation brachte der 1 8 5 6 gegründete Verband deutscher Ingenieure (VDI) vor. In den von der Kommission des V D I zum Entwurf eines allgemeinen deutschen Patentgesetzes 1 8 6 2 aufgestellten Prinzipien wird als Schutzgrund des Patentrechts neben dem Interesse der Industrie der „gerechte Schutz für die Erfin-

Vgl. den Überblick bei Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts4, §3 II (S.24). Positive Vorschläge zu einem Patentgesetz, Denkschrift des Aeltesten Kollegiums der Berliner Kaufmannschaft an den Königlich Preussischen Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, abgedr. in: Werner von Siemens, Wissenschaftliche und technische Arbeiten II, S. 549ff. 25 Werner von Siemens, Wissenschaftliche und technische Arbeiten II, S. 549, 567. 26 Beier, GRUR 1978, 123, 130. 23

24

74

Teil 1: Geistiges Eigentum — Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

d e r " genannt. 2 7 In der vereinsinternen Auseinandersetzung um die nähere Ausgestaltung des Patentrechts gewann die Theorie v o m geistigen Eigentum Bedeutung beim Streit um ein Vorprüfungsverfahren. D a s Verlangen nach einer Vorprüfung wurde von einigen Mitgliedern mit dem Argument zurückgewiesen, eine solche Ausgestaltung stehe im Widerspruch zum geistigen Eigentum des Erfinders. Die Erfindung sei „unbedingtes geistiges Eigentum des Erfinders und auch so lange sein Eigentum, bis jemand ihm das Gegenteil nachweisen k ö n n e " . N u r der ordentliche Richter (im Gegensatz zu einer Patentbehörde) könne über Verletzungen „solchen Eigentums" entscheiden. 2 8 d. Das Reichspatentgesetz

von

1877

Der Streit zwischen den Befürwortern eines Patentschutzes und der Antipatentbewegung wurde für Deutschland mit dem Erlaß des Reichspatentgesetzes von 1 8 7 7 zugunsten der Erstgenannten entschieden. Wie Beier 2 9 zutreffend dargelegt hat, war der Sieg der Patentbefürworter auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Die Freihandelspolitik, die Keimzelle der Antipatentbewegung war, hatte ihre Reputation mit der Wirtschaftskrise Anfang der 7 0 e r J a h r e verloren. Dieser Niedergang der Freihandelslehre warf auch ein fahles Licht auf die Antipatentbewegung. Hinzu kamen Bemühungen auf internationaler Ebene zur Begründung und Vereinheitlichung des Schutzes von Patenten. M i t dem Patentschutzkongreß in Wien 1 8 7 3 gewannen Bestrebungen zur Etablierung eines nationalen und internationalen Patentschutzes weiter an R a u m . 3 0 Auf dem K o n greß in Wien wurde der urheberrechtliche Aspekt besonders betont. In der Resolution des Kongresses heißt es: „Der Schutz der Erfindungen ist in den Gesetzgebungen aller zivilisierten Nationen zu gewährleisten, weil das Rechtsbewußtsein den gesetzlichen Schutz der geistigen Arbeit v e r l a n g t . " 3 1 Die Umsetzung der dort getroffenen Beschlüsse forderte mit N a c h d r u c k der von Werner von Siemens geleitete Patentschutzverein. 3 2 Dominiert war auch diese Phase der Diskussion von volkswirtschaftlichen Erwägungen. Anders als im Urheberrecht war die Theorie v o m geistigen Eigentum im Patentrecht nicht der wesentliche Wegbereiter zum Schutz des schöpferisch Tätigen. Interessanterweise ist auch hier wieder - wie bei der Entwicklung des Urheberrechts - zu beobachten, daß neben den geistig Schaffenden (hier: den Erfindern) eine Gruppe, die primär mit der wirtschaftlichen Verwertung der Geistesleistung befaßt ist, erhebVDI-Zeitschrift 6 (1862), Sp.568. Stellungnahme des VDI-Mitglieds Boner, VDI-Zeitschrift 6 (1862), Sp.573. 29 Beier, GRUR 1978, 123, 130f. 30 Vgl. Dölemeyer, in: Coing III/3,4157f.; Beier, GRUR 1978,123,130f.; Silberstein, Erfindungsschutz und merkantilistische Gewerbeprivilegien, S.279f. 31 Resolution des Kongresses I/a, zitiert nach Silberstein, Erfindungsschutz und merkantilistische Gewerbeprivilegien, S.280. 32 Vgl. Beier, GRUR 1978, 123, 131. 27 28

§ 4 Geistiges

Eigentum

und Patentrecht

im 19.

Jahrhundert

75

liehen Einfluß auf die normative Ausgestaltung gewinnen konnte. Die durch das Patentgesetz von 1 8 7 7 erfolgte Regelung des Patentrechts in Deutschland ist relativ industriefreundlich ausgestaltet worden. Deutlich zeigt dies § 11 Patentgesetz 1 8 7 7 , der den Patentinhaber faktisch dazu zwang, nach drei Jahren eine Lizenz zu erteilen. 33

e. Parallelen und Divergenzen des Schutzes von Erfindung und

Sacbeigentum

aa. Zeitliche Beschränkung Zeitlich war das Patent auf 15 Jahre beschränkt. Im Gegensatz zum Recht des Urhebers 34 ist für das Patentrecht in Deutschland im 19. Jahrhundert nicht diskutiert worden, ob der Schutz prinzipiell zeitlich unbeschränkt sei und daher eventuell beschränkt werden müsse. 35 Eine zeitliche Begrenzung war vielmehr selbstverständlich. Allein die Länge war Gegenstand von Überlegungen. Hier zeigt sich ein unterschiedliches Verständnis der Patent und Urheberrecht zugrundeliegenden geistigen Leistung. Die Leistung des Urhebers wird allgemein als originäre, schutzwürdige Leistung begriffen, deren Schutz zeitlich aus verschiedensten - noch näher zu untersuchenden 36 - Gründen zu befristen ist. Demgegenüber kann der Erfindung eine naturgesetzliche Immanenz beigelegt werden. Sie kann verstanden werden als eine lediglich momentane Beschleunigung des evolutionären Prozesses der Fortentwicklung von Technik. Ihr Kennzeichen scheint zu sein, daß es sich um eine Erkenntnis handelt, die auf jeden Fall zu irgendeinem Zeitpunkt gemacht wird. Prägend sind allein der Zeitpunkt und die konkrete Person des Erfinders. Deutlich wird diese Vorstellung bei der gedanklichen Ausblendung einzelner Erfindungen aus unserem Leben. Praktisch nicht vorstellbar ist, daß der Pkw heute - bei ansonsten identischer Beschaffenheit - auf Vollgummireifen fahren würde, wenn Dunlop den Pneu nicht erfunden hätte. M i t an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre ein anderer Erfinder auf die Idee gekommen, den Vollgummireifen durch einen mit Luft gefüllten zu ersetzen. Dieser Aspekt ist in der Patentdiskussion bisher nur selten angesprochen worden. von Siemens greift diesen Ansatz bei der Auseinandersetzung mit der Anti-

§ 1 1 PatentG 1 8 7 7 : „Das Patent kann nach Ablauf von drei Jahren zurückgenommen werden: 1. wenn der Patentinhaber es unterläßt, im Inlande die Erfindung in angemessenem Umfange zur Ausführung zu bringen, oder doch Alles zu thun, was erforderlich ist, um diese Ausführung zu sichern; 2. wenn im öffentlichen Interesse die Ertheilung der Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung an Andere geboten erscheint, der Patentinhaber aber gleichwohl sich weigert, diese Erlaubnis gegen angemessene Vergütung und genügende Sicherstellung zu ertheilen." 34 Vgl. S . 5 4 . 35 Für ein zeitlich unbeschränktes Patentrecht stritt in Frankreich allerdings Jobard, vgl. Machlup, Die wirtschaftlichen Grundlagen des Patentrechts, S . 2 3 . 36 Vgl. § 2 0 . 33

76

Teill:

Geistiges

Eigentum

- Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

patentbewegung auf. 37 Dieser liege eine Fehlvorstellung über die Erfindung zugrunde. Teilweise sehe die volkswirtschaftliche Theorie in der Erfindung allein einen „mühelosen Einfall" und bringe sie damit in einen gewissen Gegensatz zur Arbeit. Dieser Vorstellung liegt aber nach von Siemens' Ansicht eine Verwechslung von Idee und Erfindung zugrunde. Die Idee habe keinen Wert, sie bekomme diesen erst durch die Arbeit des Erfinders. 38 Hier tritt eine Besonderheit des Patentwesens zutage, die eine dogmatische Zweiteilung der erteilten Patente ermöglicht. Auf der einen Seite stehen Erfindungen, die sehr stark durch die Erfinderpersönlichkeit geprägt sind und unter Umständen nie von anderen Personen gemacht worden wären. Dem stehen Erfindungen gegenüber, die, wenn auch neu und die erforderliche Schöpfungshöhe erreichend, eine konsequente - eventuell sehr arbeitsintensive - Weiterentwicklung unter Berücksichtigung bekannter technischer Gegebenheiten sind und daher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit früher oder später von einem anderen gemacht worden wären. Patente haben also eine unterschiedlich ausgeprägte individualistische Komponente. Dieser Dualismus wird deutlich durch den Streit um die schöpferische Komponente der Erfinderleistung illustriert. Die wohl h.M. in der Literatur bezeichnet die Erfinderleistung als schöpferisch. 39 Dem trat Hubmann 4 0 entschieden entgegen. Aufgrund des Bezuges der Erfindung zur Naturbeherrschung und den Gesetzmäßigkeiten der Natur kann sie nur Auffinden, nicht aber Schöpfen einer technischen Regel sein. Hubmanns Position zeigt, daß der Erfindung ein Immanenzgedanke anhaftet, der den Objekten des Urheberschutzes fremd ist. Die unter den Urheberschutz fallenden Werke sind inhaltlich keinen natürlichen Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Schließlich zeigt sich die oft zweifelhafte Individualität der Erfindung auch bei der Doppelerfindung. § 6 S. 3 PatG liegt die Problemstellung zugrunde, daß mehrere Personen die Erfindung unabhängig voneinander gemacht haben (sog. Doppel- oder Parallelerfindung 41 ). Danach steht das Recht aus der Erfindung demjenigen zu, der die Erfindung zuerst beim Patentamt angemeldet hat. Das Gesetz geht also davon aus, daß zwei Personen gleichzeitig unabhängig voneinander eine Erfindung machen können. Ist dies aber der Fall, kann die Erfindung denknotwendigerweise nicht durch eine besondere Individualität geprägt sein. 37 Denkschrift betreffend die N o t h w e n d i g k e i t eines Patentgesetzes für das Deutsche Reich (1876), a b g e d r u c k t in: von Siemens, Wissenschaftliche und technische Arbeiten II, S. 5 6 1 ff. 38 von Siemens, Wissenschaftliche u n d technische Arbeiten II, S . 5 6 1 , 5 6 4 . 39 B e n k a r d 9 / B r u c k h a u s e n , § 1 PatG R z . 4 2 ; Troller, Immaterialgüterrecht I 3 , § 12 II 1 (S. 155); Bernhardt/iCra/fer, Lehrbuch des Patentrechts 4 , § 11 I 2 (S. 85), Bernhardt, Lehrbuch des deutschen Patentrechts 2 , § 5 (S.20). 40 Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz 5 , § 4 II 1 (S. 37f.) (unverändert bei Hubmann/Götting, Gewerblicher Rechtsschutz 6 , § 4 II 1 [S.52]). 41 Der Ausdruck Parallelerfindung wird von Kraßer ( B e r n h a r d t / K r a ß e r , L e h r b u c h des Patentrechts 4 , § 19 IV 4 [S. 197]) verwendet, u m deutlich zu m a c h e n , d a ß die beiden Erfinder nichts miteinander zu t u n h a b e n .

§ 4 Geistiges Eigentum und Patentrecht im 19. Jahrhundert

77

D e m ist Schickedanz entgegengetreten. 4 2 Die Anzahl der Doppelerfindungen sei prozentual sehr gering. Verschiedene Untersuchungen hätten ergeben, daß lediglich ca. 1 - 4 % der Erfindungen Doppelerfindungen seien. 4 3 Als Grund für das Auftauchen des Phänomens „Doppelerfindung" lehnt Schickedanz verschiedene Ansätze ab. Das von C . G . Jung in die Psychologie eingeführte „kollektiv Unbew u ß t e " sei nicht geeignet, Doppelerfindungen zu erklären. Das kollektiv Unbewußte werde dadurch gekennzeichnet, daß es sich um Inhalte (Archetypen) und Verhaltensweisen nicht individueller, sondern kollektiver N a t u r handelt. Solche vorgegebenen M u s t e r („patterns") könnten aber das Entstehen von Erfindungen nur unter der unwahrscheinlichen Annahme erklären, jede Erfindung selbst bilde einen Archetypus. Auch Erklärungen, die auf das Streben nach Bedürfnisdekkung abstellen, werden von Schickedanz zurückgewiesen. W ä r e dies der Fall, müsse es schon leistungsfähige Batterien für Elektrofahrzeuge und M e d i k a m e n t e gegen Karies geben. 4 4 Die Fehlerhaftigkeit des Schickedanzschen Ansatzes aus dem J a h r 1 9 7 4 zeigt der weitere Verlauf der technischen Entwicklung. Die von ihm als weiteres Beispiel für die nicht bedürfnisgesteuerte Erfindungstätigkeit genannte „sprachgesteuerte Schreibmaschine" ist heute in F o r m von sprachgesteuerten Computer-Texterfassungsystemen Realität. Ähnlich werden Innovationen auf dem Arzneimittelsektor häufig gezielt erarbeitet. 4 5 Auch die - nach Ansicht von Schickedanz - relativ geringe Z a h l von Doppelerfindungen darf nicht über ihre Existenz hinwegtäuschen. M a g der Grund der Doppelerfindung auch noch nicht abschließend geklärt werden können, so zeigt doch allein die nicht singuläre Parallelität von Ereignissen die geringere individuellere Prägung der Erfinderleistung. Der US Supreme

Court46

spricht der Erfindung ebenfalls eine relativ geringe

Individualität zu. Das Gericht hatte sich mit den volkswirtschaftlichen Risiken zu befassen, die aus der die Möglichkeit des Erfinders, anstelle eines patentrechtlichen Erfindungsschutzes einen Schutz als Betriebsgeheimnis zu wählen, resultieren. N a c h Ansicht des Supreme

Court drohen keine nennenswerten volkswirt-

schaftlichen Nachteile, wenn dem Erfinder der Weg zu einem Schutz als Betriebsgeheimnis eingeräumt wird. Die Doppelerfindungen zeigen, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt die Zeit für eine Erfindung reif ist. W e n n eine bestimmte Person eine Erfindung nicht gemacht hätte, wäre sie von einer anderen Person gemacht worden, mit Wahrscheinlichkeit sogar zeitnah. 4 7 Wenn etwas erfunden werden m u ß , sei es sehr wahrscheinlich, daß es von mehr als einer Person erfunSchickedanz, GRUR 1973, 343ff. Schickedanz, GRUR 1973, 343, 344. 44 Schickedanz, GRUR 1973, 343, 345. 45 Beachte zum Patentschutz von Arzneimitteln § 5 Abs. 2 PatG und HenkartflBruchhausen, §5 PatG Rz. 16a ff. 46 Kewanee Oil Co v. Bicron Corp. et al, 416 U.S. 470 (1974) = GRUR Int. 1975, 352ff. 47 416 U.S. 490 = GRUR Int. 1975, 352, 356. 42 43

78

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

den wird. Der Supreme Court nimmt hierzu Bezug auf wissenschaftssoziologische Untersuchungen von R. Merton 4 8 , J. und S. Cole 49 sowie Ogburn und Thomas 50 . Diese haben umfangreiche Studien zu Doppelerfindungen angestellt. Selbst wenn der Erfinder die Erfindung vollkommen für sich behalten würde, bestünde eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß sie bald unabhängig entwickelt wird. 51 Für diesen Ansatz spricht die von Ogburn und Thomas zusammengestellte umfassende Liste teilweise berühmter Doppel-, aber auch Drei- und Vierfacherfindungen. 52 Auch in einer Antwort der Bundesregierung53 auf eine Abgeordnetenanfrage wird die praktische Relevanz der Doppelerfindung deutlich. Die Möglichkeiten der Patentinformation wie zum Beispiel die Patentdatenbank PATDPA, der Online-Zugang zur Patentrolle und die Patentinformationszentren der Bundesländer dienen der Ermittlung des Standes der Technik und damit nach Ansicht des BMJ der Verhinderung von Doppelerfindungen. Ebenso werde bei der Forschungsförderung durch das BMFT zur Auflage gemacht, die vorhandenen Informationsquellen auszuschöpfen, um Doppelerfindungen zu vermeiden. Die fehlende Information über den Stand der Technik wird also als Ursache für eine Doppelerfindung angesehen. Dies ist zutreffend. Ausgehend von einer nicht ausreichenden Durchdringung des Standes der Technik beginnt die eigene Forschungstätigkeit unterhalb des schon erreichten Gipfels und arbeitet sich zu diesem auf einem bereits begangenen Weg herauf. Es erfolgt eine Ressourcenverschwendung. Daneben zeigt sich auch, daß die Erfindung mangels eingeschränkter tatsächlicher Varianz über ein geringeres Maß an Individualität verfügt. Aus zwingenden naturwissenschaftlichen Gesetzen folgt eine Beschränkung des Bereiches, in dem Erfindungen gemacht werden können. In diesem, in seinen Begrenzungen unbekannten „Erfindungskegel" kann es leicht zu einer Doppelerfindung kommen. Mit der Beschränkung der möglichen Ausprägungen des technischen Fortschritts steigt auch die Wahrscheinlichkeit der Doppelerfindung. Diese faktische Beschränkung der Erfinderkreativität führt automatisch aber auch zu einer - im Vergleich zum Urheberschutz - begrenzten Individualität der Leistung. Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß das Problem der Doppelerfindung für eine - im Vergleich zum Urheberrecht - geringerer Individualität des Patents spricht. Diese kann auch als Anlaß für die rigide - und im Gegensatz 48 Merton, Singletons and Multiples in Science (1961), in: The Sociology of Science (1973), 343 ff. 49 Cole/Cole, Social Stratification in Science, p. 1 2 - 1 3 ; 2 2 9 - 2 3 0 . 50 Ogburn/Thomas, 37 Political Science Quartely 83. 51 416 U.S. 4 9 0 = GRUR Int. 1975, 352, 356; für die Rechtswissenschaft von besonderem Interesse sind die Beispiele von Merton (Singletons and Multiples in Science, S.353f.), die sich nicht auf die Naturwissenschaft beschränken. 52 Ogburn/Thomas, 37 Political Science Quarterly 9 3 - 9 8 (Die Liste umfaßt 148 Positionen. Sie enthält allerdings nicht nur Erfindungen, sondern auch Entdeckungen). 5 3 BT-Dr. 12/179, S.8 = GRUR 1994, 34.

§4 Geistiges Eigentum und Patentrecht im 19. Jahrhundert

79

zum Urheberrecht unstreitige - zeitliche Begrenzung des Patents angesehen werden. bb. Rechtsübertragung, Rechtsübergang Im Gegensatz zur zeitlichen Beschränkung waren Rechtsübertragung

und

Rechtsübergang im Patentgesetz von 1 8 7 7 (sach-) eigentumsähnlich ausgestaltet worden. § 6 S. 1 P a t e n t G 1 8 7 7 bestimmte, daß der Anspruch auf Erteilung des Patents sowie die Rechte aus dem Patent im Erbfall auf die Erben übergehen. U m fassend und damit sacheigentumsgleich war auch die Verfügungsbefugnis in § 6 S . 2 P a t e n t G 1 8 7 7 gefaßt: „Der Anspruch und das Recht können beschränkt oder unbeschränkt durch Vertrag oder durch Verfügung von Todeswegen auf Andere übertragen w e r d e n . " Diese inhaltliche Ausgestaltung des deutschen Patentgesetzes von 1 8 7 7 weist starke Unterschiede zum französischen R e c h t auf. Die „eigentumsrechtliche G r u n d l e g u n g " 5 4 des französischen Rechts tritt bei der Regelung des Rechtserwerbs klar hervor. Das Registrierungsverfahren ohne staatliche Vorprüfung zeigt die besondere Betonung der individualrechtlichen K o m p o n e n t e des Patents. Gleiches gilt für den - allerdings auch v o m deutschen Patentgesetz von 1 8 7 7 gewährten - Rechtsanspruch auf Erteilung eines Patents. Aus diesen, das geistige Eigentum des Erfinders betonenden K o m p o n e n t e n ist für das französische R e c h t sogar der Schluß gezogen worden, daß der Patenterteilung selbst keine rechtserzeugende Wirkung b e i k o m m e . 5 5 Demgegenüber sind Vorprüfung, Bekanntmachung der Anmeldung ( § 2 2 P a t e n t G 1 8 7 7 ) und die bereits dargestellte Zwangslizenz eher Kennzeichen eines dem Kollektivinteresse Rechnung tragenden Patentrechts als eines individualistisch geprägten Patentsystems. 5 6 Aufgrund dieser Indizien kann der Theorie vom geistigen Eigentum für die Entwicklung des deutschen Patentrechts im 1 9 . Jahrhundert keine substantielle Bedeutung zugemessen werden.

III. Frankreich In Frankreich wurden am 4 . 8 . 1 7 8 9 im Zuge der Revolution alle Privilegien abgeschafft und die Zünfte aufgehoben. 5 7 Um den als notwendig erkannten Schutz des Erfinders zu gewährleisten, wurde unter Anlehnung an englische Vorbilder durch Gesetze v o m 7 . 1 . 1 7 9 1 und 2 5 . 5 . 1 7 9 1 ein Patentschutz etabliert. 5 8 In der So die Formulierung von Wadle, Gedächtnisschrift Constantineso, 871, 876. Pouillet, Traité théorique et pratique des brevets d'invention, 4e ed. 1899, S. 3ff. (zitiert nach Wadle, Gedächtnisschrift Constantineso, 871, 876). 56 So auch Wadle, Gedächtnisschrift Constantineso, 871, 889f. 57 Vgl. Beier, GRUR 1978, 123, 126. 58 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht II, §23 I 2 (S. 161). 54 55

80

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Präambel heißt es: „... considérant que idée nouvelle, dont la manifestation ou le développement peut devenir utile à la société, appartient privativement à celui qui l'a conçue, et que ce serait attaquer les droits de l'homme dans leur essence que de ne pas regarder une découverte industrielle comme la propriété de son auteur."59 Zur Legitimation des Patentschutzes wurde also in Frankreich - ähnlich wie beim Urheberschutz60 - auf die Theorie vom geistigen Eigentum zurückgegriffen. Bereits im Gesetzgebungsverfahren wurde der Eigentumscharakter des Patentrechtes akzentuiert. In einem „Mémoire sur le Commerce de la france et des colonies" der Intendants du Commerce von 1789, welches unter Berücksichtigung der englischen Wirtschaftssystems erstellt wurde, heißt es: „... leur invention est une véritable propriété, semblable en tout aux autres propriétés, et en particulier à celle des Hommes de Lettre et des Auteurs."61 Diese theoretische Verzahnung spiegelt sich noch heute in der französischen Gesetzgebung wieder. Nachdem lange Zeit Urheberrecht und Patentrecht Gegenstand verschiedener Gesetze waren, hat der französische Gesetzgeber mit dem Code de la propriété intellectuelle vom 1.7. 1992 6 2 beide Komplexe in einem Gesetz zusammengefaßt.63 Die nachrevolutionäre Legislative stützte den Patentschutz aber nicht allein auf die Theorie vom geistigen Eigentum. Vielmehr wurden ebenso noch merkantilistische Aspekte berücksichtigt. Das Gesetz vom 7 . 1 . 1 7 9 1 stellte in den Art. 2, 3 die Einführung einer fremden Erfindung grundsätzlich einer eigenen Erfindung gleich.64 Diese Gleichstellung läßt sich aufgrund der fehlenden Schöpfungsleistung des Einführenden nicht mit der Theorie des geistigen Eigentums, sondern nur durch Aspekte der Wirtschaftsförderung erklären. In bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung des Rechtes des Patentinhabers lassen sich sowohl Übereinstimmungen als auch Unterschiede feststellen.65 Wie das Sacheigentum war das Patent übertragbar. Ein ewiges Eigentum wurde aber nicht gewährt. Die Schutzdauer war zeitlich begrenzt (5, 10 oder 15 Jahre nach Wahl des Erfinders).

5 9 Zitiert nach Wadle, Gedächtnisschrift Constantinesco, 871, 875; vgl. zur Präambel noch Beier, GRUR 1978, 123, 126. 60 Gesetz vom 19./24.7. 1793, vgl. Dölemeyer, in: Coing, III/3, S . 3 9 6 8 . 61 Zitiert nach Dölemyer, in: Coing, III/3, S . 4 0 7 7 . 62 Gesetz N r . 9 2 - 9 5 7 (J.O. vom 3 . 7 . 1992, S. 8801ff.). 63 Näher zum Gesetzgebungsverfahren Dreier/Kraßer, Das französische Gesetzbuch des geistigen Eigentums, S. 1 f. 64 Dölemeyer, in: Coing, III/3, S . 4 0 7 8 . 6 5 Die Angaben zum Inhalt des Gesetzes vom 7 . 1 . 1791 beruhen auf Dölemeyer, in: Coing, III/3, S.4078.

§ 4 Geistiges Eigentum und Patentrecht im 19.

Jahrhundert

81

IV. USA Eine dogmatisch weitgehende Gleichstellung von Urheber- und Erfinderrechten findet sich in der Verfassung der Vereinigten Staaten von 1789. In Art.I § 8 wird dem Kongreß die Vollmacht erteilt, ein Gesetz zu erlassen „to promote the Progress of science and useful Arts, by securing for limited Times to Authors and inventors the exclusive Right to their respective Writing and discoveries."66 Vom Verfassungsgeber war also ein Gleichklang von Patent- und Urheberschutz vorgegeben. Dieser läßt aber nicht den Schluß auf eine parallele Begründung beider Rechtsinstitute durch die Theorie vom geistigen Eigentum zu. Eine Betrachtung der Geschichte des amerikanischen Urheberrechts zeigt vielmehr, daß dieses seine stärkste Wurzel - wie das Patentrecht in Europa - in merkantilistischen Erwägungen hat. Viele der frühen Nachdruckregelungen in den Vereinigten Staaten nannten als Grund für die Gewährung von Urheberschutz sowohl ein natürliches Recht auf die Früchte der geleisteten Arbeit als auch die im öffentlichen Interesse liegende Anreizfunktion.67 Später wird die ökonomische Funktion des Urheberschutzes immer stärker akzentuiert. Schon die Regelung in der Verfassung zum Urheberund Patentrecht steht im Zusammenhang mit Bestimmungen zum Konkurs-, Münz- und Postrecht.68 In den Motiven zum Copyright Act von 1909 heißt es schließlich, daß copyright legislation nicht auf einem natural right des Urhebers basiert. Vorrangig solle das Wohl der Allgemeinheit gefördert werden.69 Die ökonomische Ausrichtung des US-Rechts des geistigen Eigentums zeigt auch das erste Patentgesetz (von 1790), welches die Patenterteilung davon abhängig macht, daß die Erfindung „sufficiently useful and important" ist.70 Aufgrund der am Allgemeinnutzen orientierten Gesetzgebung in den USA sowohl zum Patentrecht als auch zum Urheberrecht konnte die in Europa durch die Theorie vom geistigen Eigentum hervorgerufene Begründungsdifferenz zwischen Urheberrecht und Patentrecht nicht auftreten.

Textzitat nach Dölemeyer, in: Coing, III/3, S.4078. Detaillierte Analyse bei Schack, UFITA 136 (1998), 219, 222f. 68 Schack, UFITA 136 (1998), 219, 223f. 6 9 Zitiert bei Schack, UFITA 136 (1998), 219, 231. 70 Zitiert nach Neumeyer, GRUR Int. 1956, 241, 246; Die geistige Leistung des Erfinders wurde allerdings mit der Verweigerung von Einführungspatenten anerkannt. Die USA erteilten von Anfang an nur an den „ersten und wirklichen" Erfinder Patente (vgl. Neumeyer, a.a.O.). 66 67

82

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

§ 5 Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere Deutungen des Urheberrechts I. Einleitung Der Bedeutungsverlust der Theorie des geistigen Eigentums läßt sich prägnant an den in Gesetzestexten verwendeten Formulierungen verfolgen. Das preußische Urhebergesetz von 1837 trägt den Titel „Gesetz zum Schutz des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung". 1 Mit dem Gesetz wurde bezweckt, „dem Eigentum an den Werken der Wissenschaft und Kunst" den erforderlichen Schutz zu gewähren. Diese Terminologie wurde in der (niemals voll wirksam gewordenen) Reichsverfassung vom 18.3. 1849 aufgegriffen. Dort heißt es: §164: (1) Das Eigentum ist unverletzlich. (3) Das geistige Eigentum soll durch die Reichsgesetzgebung geschützt w e r d e n .

Auch hier findet sich noch die begriffliche und systematische Nähe von Sachund geistigem Eigentum. Gleiches gilt für die Verfassung des deutschen Reichs vom 16.4.1871. Zur Gesetzgebungskompetenz des Reichs gehörte gemäß Art. 4 Ziff. 6 „der Schutz des geistigen Eigentums". Die Verwendung des Begriffes „geistiges Eigentum" in deutschen Verfassungstexten fand ein Ende mit der Verfassung des deutschen Reichs vom 11. 8. 1919. Art. 153 bestimmte: (1) D a s Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen.

Das Recht des geistigen Eigentums war in Art. 158 geregelt: (1) Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der Künstler genießt den Schutz und die Fürsorge des Reichs. (2) Den Schöpfungen deutscher Wissenschaft, Kunst und Technik ist d u r c h zwischenstaatliche Vereinbarung auch im Ausland Geltung und Schutz zu verschaffen.

Der Begriff „geistiges Eigentum" wurde also nicht mehr verwendet. Gleiches gilt für das Grundgesetz. Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Eigentum 2 schlechthin. 3 Der terminologische Wandel zeigt, wie die Theorie vom geistigen Eigentum zurückgedrängt wurde. 1

Gesetz-Sammlung für die königlich-preußischen Staaten 1837, 165. Vgl. zur Erstreckung auf das geistige Eigentum S.138ff. 3 Erwähnt wird das geistige Eigentum aber in Art. 162 der Verfassung des Freistaats Bayern vom 2.12. 1946, vgl. hierzu S. 165. 2

§ 5 Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere Deutungen

83

In der Rechtswissenschaft formierte sich bereits im Laufe des 1 9 . Jahrhunderts Widerstand gegen die Theorie des geistigen Eigentums. N e b e n der insbesondere zu Anfang des 1 9 . Jahrhunderts vertretenen Kritik, die sich gegen die Anerkennung des Urheberrechts selbst richtete, also die Legitimationsfunktion attackierte 4 , formierte sich ein weiterer Angriff gegen die mit der Verwendung des Begriffes „geistiges Eigentum" verbundene dogmatische Einordnung in das Privatrechtssystem. Die Unterscheide zwischen Urheberrecht und dem Sacheigentum wurden stärker akzentuiert. Andere dogmatische

Einordnungsmöglichkeiten

wurden gesucht.

II. Begriffliche Schärfungen bei Klostermann Die von Klostermann 1 8 7 6 vorgelegte große M o n o g r a p h i e ist betitelt mit „ D a s geistige Eigentum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen, nach Preussischem und internationalem R e c h t e " . O b w o h l das geistige Eigentum im Titel genannt wird, findet dogmatisch bereits eine Loslösung von der Theorie v o m geistigen Eigentum statt. Schon zu Beginn seiner Arbeit stellt Klostermann klar, d a ß das geistige Eigentum keine Unterart des Sacheigentums sei. 5 Das Sacheigentum habe ausschließlich körperliche Sachen oder einen Inbegriff von körperlichen Sachen 6 zum Gegenstand, während das geistige Eigentum eine „blosse Abstract i o n " , ein „Gattungsbegriff ohne körperliche Existenz" sei. Ausgehend von dieser Spaltung definiert er das geistige Eigentum als „die vermögensrechtliche Nutzung an der mechanischen Wiederholung eines Productes der geistigen A r b e i t " . D e r Inhalt des geistigen Eigentums bestehe „in der unbeschränkten und ausschließlichen Befugnis der Reproduction dieses Gegenstandes". 7 O b w o h l das geistige Eigentum keinen körperlichen Gegenstand habe, zähle es zu den dinglichen Rechten. Es stehe nicht wie das Forderungsrecht einer bestimmten Person gegenüber anderen Personen zu, sondern wirke gegenüber jedermann. 8 Trotz aller aufgezeigten Unterschiede zum Sacheigentum behält Klostermann die Bezeichnung „geistiges E i g e n t u m " bei. Der Grund hierfür wird transparent bei den Vergleichen, die er zu anderen Rechten zieht. Das geistige Eigentum gehört seiner Ansicht nach zu den Gerechtigkeiten. Kennzeichen dieser R e c h t e ist die ausschließliche Befugnis des Berechtigten zur Vornahme bestimmter H a n d Vgl. S.42ff. Klostermann, Das geistige Eigentum I, §2 (S.7). 6 Nach der Pandektistik war ein Eigentum an Sachgesamtheiten möglich (vgl. Windscheid I 5 , § 168 [S. 521]). Dies ist nach dem BGB nicht der Fall (vgl. § 90 BGB). Bei der Sachgesamtheit blieben die einzelnen Sachen selbständig, so daß die Sachgesamtheit keine Sache im Sinne des BGB ist (vgl. RGZ 53, 318,220; RGZ 87,43, 45f.; BGH LM § 93 Nr.2; MünchKommVHolch, §90 Rz.40). 1 Klostermann, Das geistige Eigentum I, § 12 (S. 113). 8 Klostermann, Das geistige Eigentum I, § 12 (S. 114). 4

5

84

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

lungen. Als Beispiele nennt Klostermann Jagdgerechtigkeit 9 und M a h l z w a n g . 1 0 Die zur Zeit der Abfassung des Werkes von Klostermann wohl a m weitesten verbreiteten Gerechtigkeiten waren die Grundgerechtigkeiten nach preußischem A L R . Diese nach § 1 8 4 E G B G B weiterbestehenden Belastungen 1 1 entsprechen inhaltlich weitgehend den Dienstbarkeiten des B G B (§§ 1 0 1 8 f f . ) Das pr. A L R definiert die Grundgerechtigkeiten in § § 1 1 f. I 2 2 :

§11

Außer in den bevorstehenden § . 1 . 3 . 9 . bestimmten Fällen, kann der Eigentümer eines Grundstücks in der freyen Ausübung seiner Eigenthumsrechte nur von demjenigen, welcher dazu ein besondres Recht erworben hat, eingeschränkt werden. §12 Kommt dergleichen Befugniß einem Grundstücke gegen das andere zu: so wird solches eine Grundgerechtigkeit genannt. Diese Gerechtigkeiten traten in vielen verschiedenen Formen auf. Beispiele sind Wegerechte (§ 6 3 f f . I 2 2 ) sowie die Befugnis, Schäferei auf fremden Grundstükken auszuüben (§§ 1 4 6 f f . I 2 2 ) . Wesentliches Strukturelement der Gerechtigkeit ist das Vorliegen eines Bezugsobjektes, auf das sich die dem Berechtigten eingeräumte Rechtsposition bezieht. Die dem Inhaber des Bezugsobjektes zustehenden Rechte, insbesondere Ausschlußrechte, werden zugunsten des Berechtigten der Gerechtigkeit eingeschränkt. Bei der Wegegerechtigkeit zum Beispiel m u ß der Eigentümer des belasteten Grundstückes die Benutzung durch den Berechtigten dulden. Von diesen Gerechtigkeiten unterscheidet sich das geistige Eigentum nach Ansicht Klostermanns dadurch, daß es „nicht auf einen räumlich begrenzten B e z i r k " beschränkt sei. 1 2 Die Parallele sei zu ziehen, da das geistige Eigentum wie die Gerechtigkeiten zu den dinglichen, also gegenüber jedermann wirkenden R e c h t e n gehöre. 1 3 Ein Bezugsobjekt, auf das sich das geistige Eigentum beziehen soll, wird jedoch von Klostermann für das geistige Eigentum nicht genannt. Daher k a n n der zu den Gerechtigkeiten gezogene Vergleich nicht überzeugen. Die Abgrenzung zum Eigentum erfolgt, da Eigentum nach Klostermann nur die totale und ausschließliche Herrschaft über einen körperlichen Gegenstand sein k a n n . 1 4 Die Terminologie des preußischen allgemeinen Landrechts, die auch Rechte unter den Eigentumsbegriff fasse, ändere hieran nichts. D a s geistige Eigentum habe mit dem Sacheigentum nur den N a m e n gemein. 1 5 D e n n o c h plädiert Beispiel: §30 II 16 pr. ALR: „Das Recht, jagdbare wilde Tiere aufzusuchen und sich anzueignen, wird die Jagdgerechtigkeit genannt (Th. I Tit. IX § 107-175)." 10 Klostermann, Das geistige Eigentum I, § 12 (S. 114). 11 Vgl. zum Fortbestehen der Gerechtigkeiten nach pr. ALR BGH MDR 1972, 224f. 12 Klostermann, Das geistige Eigentum I, § 12 (S. 113). 13 Klostermann, Das geistige Eigentum I, § 12 (S.114). 14 Klostermann, Das geistige Eigentum I, § 12 (S. 114). 15 Klostermann, Das geistige Eigentum I, § 12 (S. 115, 117). 9

§5 Ablösung

der Theorie

vom geistigen

Eigentum

durch modernere

Deutungen

85

Klostermann für die Beibehaltung des Begriffes „geistiges Eigentum". Dieser habe sich in Gesetzgebung und Wissenschaft allgemein etabliert. Daher könne die Bezeichnung verwendet werden, ohne die Unterschiede zwischen Sach- und geistigem Eigentum zu verwischen.16 Die von Neustetel17 und anderen gegen die unzulässige Ausdehnung des Eigentums gerichteten Attacken erforderten nicht, den etablierten Terminus aufzugeben. Hiermit hat Klostermann eine wichtige Differenzierung aufgezeigt, die für die weitere Diskussion beachtet werden muß. Auf der einen Seite steht „geistiges Eigentum" als Rechtsbegriff, um die (weitgehende?) Ähnlichkeit zwischen Sachund geistigem Eigentum zu unterstreichen und eventuell hieraus Schlüsse auf den Rechtsinhalt zu ziehen. Daneben kann der Begriff aber auch als gut eingeführter Sammelbegriff für die Rechte zum Schutz geistigen Schaffens verwendet werden. Dieser von Klostermann aufgezeigte différente Begriffsinhalt ist in der letzten Zeit wieder aufgegriffen worden.18 Die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten des Begriffes „geistiges Eigentum" haben zur Folge, daß Rehbinders19 harsche generelle Ablehnung des Begriffes nicht tragfähig begründet ist. Er attackiert das geistige Eigentum mit dogmatischen Erwägungen. Nach seiner Ansicht werde der persönlichkeitsrechtlichen Komponente des Urheberrechts mit dem Begriff „geistiges Eigentum" nicht hinreichend Rechnung getragen. Daher sei vom Terminus Abstand zu nehmen. Die Differenzen zwischen der Begrifflichkeit Rehbinders und der Klostermanns folgen aus der unterschiedlichen Gewichtung der Verbreitung des Begriffes „geistiges Eigentum". Für Klostermann ist diese Anlaß, ihn trotz dogmatischer Bedenken zu verwenden. Anders ist dies bei Rehbinder. Er gewichtet dogmatische Vorbehalte höher und wählt daher eine andere Terminologie. Die international üblichen und zum „geistigen Eigentum" synonymen Begriffe wie propriété intellectuel und intellectual property behalte das Ausland seiner Ansicht nach nur aus Traditionalismus bei.20 Aber selbst wenn dies so wäre, fehlt eine Begründung dafür, warum „Traditionalismus", also die Beibehaltung eines etablierten Begriffes, nicht auch ein Geltungsgrund sein kann.

16 17 18 19 20

Klostermann, Das geistige Eigentum I, § 12 (S. 118). Vgl. zu Neustetel S. 6. Vgl. unten § 9 und insbesondere Seifert, FS Piper, S. 769ff. Rehbinder, Urheberrecht 10 , R z . 2 8 a.E., 79. Rehbinder, Urheberrecht 10 , Rz. 79.

86

Teilt:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

III. Persönlichkeitsrechtliche Deutungen des Urheberrechts 1. Bluntschli Neben Neustetel 21 war Bluntschli ein bedeutender Vertreter einer im Widerspruch zum geistigen Eigentum stehenden persönlichkeitsrechtlichen Deutung der Urheberbefugnisse. Bluntschli definierte das Urheberrecht - in Anschluß an Kant 22 - allein persönlichkeitsrechtlich. 23 Die Grundlagen der Kritik Bluntschlis an der Lehre vom geistigen Eigentum finden sich in einer Rezension des von Julius Jolly verfaßten Werkes „Die Lehre vom Nachdruck" aus dem Jahr 1852. 2 4 In der Besprechung schließt sich Bluntschli der von Renouard 25 vertretenen Position zur Lehre vom geistigen Eigentum an. Für Renouard ist nach Bluntschlis Ansicht Eigentum die Herrschaft einer Person über eine Sache, d.h. des menschlichen Geistes über die der menschlichen Herrschaft von Natur unterworfene Materie. Das Werk eines Autors sei aber keine Sache. Die Herrschaft eines Autors über ein Werk sei nicht vergleichbar mit der Herrschaft über eine Sache. Daher sei es verfehlt, vom Schrifteigentum zu sprechen. Ähnlich beschrieb Bluntschli seine Vorstellungen vom Urheberrecht im „Deutschen Privatrecht" aus dem Jahr 1853. Das Werk gehöre dem Autor, allerdings nicht als eine körperliche Sache, sondern als „eine Offenbarung und ein Ausdruck seines persönlichen Geistes". 26 Aus diesem Verhältnis folge die Befugnis des Autors, über das Ob und Wie einer Werkveröffentlichung zu entscheiden. Für die „juristische Erkenntnis" sei demgegenüber der mit dem Autorrecht verbundene Vermögenswert, der auch eine Ähnlichkeit zum Eigentum begründe, nur von sekundärer Bedeutung, obwohl dieser praktisch der bedeutendste Aspekt des Autorrechts sei. 27

2. Max Lange Eine bedeutende28 Kritik an der Lehre vom geistigen Eigentum ist die 1858 von dem Verleger und bekannten Schachspieler Max Lange vorgelegte Monographie 21 Vgl. S. 6; zu den inhaltlichen Differenzen zwischen den Positionen Neusteteis und Bluntschlis vgl. Vogel, GRUR 1994, 587, 590. 22 Kant, Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks, Berlinische Monatsschrift 5 (1785), 403, 4 1 7 (Nachdruck in UFITA 106 (1987), 137ff.) ; vgl. hierzu Hubmann, UFITA 106 (1987), 145 ff. 23 Bluntschli, Deutsches Privatrecht I (1853), § 4 6 , 2 d (S.189f.). 24 Bluntschli, „Das sogenannte Schrifteigentum. Das Autorrecht.", Kritische Überschau 1 (1853) lff.; zitiert nach Rehbinder, UFITA 123 (1993), 29, 32f. 25 Renouard, Traité des Droits d'auteurs, 2. Bde., Paris 1838/1839, zitiert nach Rehbinder, UFITA 123 (1993), 29, 32. 26 Bluntschli, Deutsches Privatrecht I (1853), § 4 7 (S. 191f.). 27 Bluntschli, Deutsches Privatrecht I (1853), § 4 8 (S. 192) 28 So auch die Wertung von Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 9 XII (S. 85).

§5 Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere

Deutungen

87

„Kritik der Grundbegriffe vom geistigen Eigentum". 29 Anknüpfungspunkt für Langes Kritik ist das preußische Gesetz von 1837. Literarisches Eigentum im Sinne des Gesetzes sei kaum mehr als ausschließliche Vervielfältigungsbefugnis, jedenfalls aber kein „volles juristisches Eigentum." 30 Der Begriff sei dadurch entstanden, daß eine neue Basis für die Nachdruckgesetzgebung gesucht worden sei. Diese habe man in dem „eigentümlichen Gerechtsame" des Autors gefunden und als Eigentum bezeichnet. Es handele sich bei dem „literarischen Eigentum" nur um einen besonderen Ausdruck für das Recht des Autors. 31 Bedenken an der Eigentumsfähigkeit werden von Lange zunächst aus dem pr. ALR entwickelt. Dort galt der Grundsatz, daß an Sachen, von deren Nutzung ihrer Natur nach niemand ausgeschlossen werden könne, ein Privateigentum nicht möglich ist. 32 Ein solcher Ausschluß am Gedankeninhalt oder der Formgebung eines geistigen Werkes sei nur durch die Zerstörung möglich. Die Widersprüchlichkeit dieser Argumentation zum preußischen ALR, das ein Eigentum an Rechten kannte 33 , wird von Lange allerdings erkannt 34 . Die Erwägung, das Eigentum am Recht sei das Recht selbst, verwirft Lange. Das geistige Eigentum, wie es im Gesetz geregelt sei, spreche von einem Eigentum an einem Werk, also einer Sache. Beachtet werden müsse aber der Unterschied zwischen dem Ausdruck Eigentum an einem Recht und dem Gedanken, das Recht sei ein Eigentumsrecht.35 Sowohl die Argumentation Langes, ein vollständiger Ausschluß Dritter von der Nutzung sei nur durch Zerstörung möglich, als auch die Gleichstellung von Sache und Werk wecken den Verdacht, Lange habe die Trennung von Werk und Werkstück noch nicht nachvollzogen. Im übrigen greift seine Kritik zur Ausschlußfähigkeit, die er aus dem Landrecht entwickelt, nicht durch. Diese gilt, wie sich aus dem pr. ALR selbst ergibt, nicht für das Eigentum an Rechten. Im weiteren Verlauf seiner Arbeit versucht Lange nachzuweisen, daß dem geistigen Eigentum ein falsches Verständnis des Eigentumsbegriffes zugrundeliegt. Eigentum sei nichts weiter als die Totalität aller dinglichen Rechte, d.h. die vollkommene rechtliche Herrschaft über einen körperlichen Gegenstand, und setzt deshalb als wesentliches Objekt eine äußere Sache im Sinne einer res corporalis voraus. 36 Eine res corporalis, die Bezugsobjekt des geistigen Eigentums sein könSchonebeck 1858, Reprint in UFITA 117 (1991), 169 ff. Lange, Reprint in UFITA 117 (1991), 169 ff. 31 Lange, Reprint in UFITA 117 (1991), 169, 171. 32 Sopr. ALR § 3 1 8 . 3 3 pr. ALR § 1 I 8: „Eigenthüraer heißt derjenige, welcher befugt ist, über die Substanz einer Sache, oder eines Rechts, mit Ausschließung Andrer, aus eigner Macht, durch sich selbst, oder durch einen Dritten, zu verfügen." 34 Lange, Reprint in UFITA 117 (1991), 169, 170f. 35 Lange, Reprint in UFITA 117 (1991), 169, 172. 36 Lange, Reprint in UFITA 117 (1991), 169, 177. 29 30

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

88

Begriffs

ne, fehle. Die weitgespannten Abwehrbefugnisse beim Sacheigentum spielten für den Urheberschutz keine Rolle. Vielmehr seien besondere „Deliktsklagen" geschaffen worden. Auch in bezug auf die Erwerbsarten bestünden erhebliche Unterschiede. D a s Autorrecht könne nur durch Werkerstellung erworben werden, während für den E r w e r b des Sacheigentums vielfältige Erwerbsarten in Betracht kommen.37 Lange gelingt es aber nicht, die Kollision seiner Auffassung mit dem pr. A L R und § 3 5 3 ö A B G B 3 8 , nach denen Eigentum alle einer Person gehörenden körperlichen und unkörperlichen Sachen sind, aufzulösen. Das Argument, beim geistigen Eigentum fehle es an der für das Eigentum erforderlichen M ö g l i c h k e i t , andere von der Nutzung auszuschließen, greift nicht durch. Das Problem stellt sich in identischer Ausprägung auch bei allen anderen Rechten, die v o m Gesetz als Eigentum bezeichnet werden. Demgegenüber verdient Langes Hinweis auf eine drohende Begriffsverwirrung mehr Beachtung: D e r Begriff „ E i g e n t u m " habe präzisere Konturen, wenn man ihn auf die Bezeichnung von Sachen beschränke. 3 9 Aufgrund seiner Bedenken hält Lange die Lehre v o m geistigen Eigentum für nicht geeignet, die dogmatische Grundlage eines Autorenschutzes zu bilden. D a er selbst einen solchen prinzipiell für geboten hält, die häufig gesuchte vertragsrechtliche Lösung seiner Ansicht nach aber ebenfalls unzulänglich sei, wendet sich Lange einer persönlichkeitsrechtlichen Deutung des Urheberrechtes zu. Interessant ist hier die dogmatische Verortung. Unter Bezugnahme auf Puchta (Pandekten § 1 2 2 ) greift Lange die Rechte, die nur durch Tätigkeit der Person entstehen, auf. 4 0 Hierunter falle nach herkömmlicher Deutung der Besitz. N e b e n den Besitz trete als weiteres, nur durch Tätigkeit entstehendes R e c h t das Autorrecht. Das eine entstehe durch körperliche, das andere durch geistige Tätigkeit. Unterschiedlich sei aber der „Betreff ihrer O b j e k t e " . D e r Besitz k ö n n e , da er sich auf einen körperlichen Gegenstand beziehe, von dessen Beherrschung andere ausgeschlossen werden könnten, zum Eigentum führen. Dies sei beim Urheberrecht nicht der Fall. 4 1 Langes Deutung der dem Urheber zustehenden Rechtsposition weicht von der bereits geschilderten 4 2 Position Bluntschlis ab. Eine direkte Ableitung des Autorenschutzes aus der Person des Urhebers ist nach Ansicht von Lange nicht möglich. Diese scheitere daran, daß „Verhältnisse der reinen Intelligenz ohne Hilfe ei-

Lange, Reprint in UFITA 117 (1991), 169, 178. § 353 öABGB: „Alles was jemanden zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigentum." 39 Lange, Reprint in UFITA 117 (1991), 169, 180. 40 Lange, Reprint in UFITA 117 (1991), 169, 197. 41 Lange, Reprint in UFITA 117 (1991), 169, 197. 4 2 Vgl. S. 86. 37

38

§5 Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere Deutungen

89

nes juristischen Mediums (nicht) in den Kreis des Rechtslebens hineingezogen werden könnten". 4 3 Die Ansätze von Bluntschli und Neustetel seien verfehlt, da nach deren Lösung das Autorrecht ein Recht ist, dessen Gegenstand die Persönlichkeit selbst sei. In Betracht komme vielmehr allein ein Recht, das aus der Persönlichkeit hervorgehe. 44 Langes scharfe Abgrenzung führt aber im Ergebnis zu keinen weiterführenden Erkenntnissen. Bemerkenswert ist jedoch eine Formulierung zur Bedeutung der gewählten Terminologie 45 : „Daher ist durch das Fundament der sog. literarischen Ehre das Autorrecht in juristischem Sinne nicht zu begründen, wenn sie auch als politischer oder Zweckmäßigkeitsgrund die Rechtsbegründung verstärken mag."

Diese Differenzierung hat für die Beurteilung des Begriffes des geistigen Eigentums eine gewichtige Bedeutung. Dieser kann als bloße Argumentationshilfe verwendet werden, um die Notwendigkeit des Schutzes geistigen Schaffens zu verdeutlichen und die Legitimationskraft des Eigentumsbegriffs nutzbar zu machen. Daneben ist es möglich, den Begriff rechtstechnisch zu verwenden. Die Abgrenzung zwischen diesen Möglichkeiten ist nicht immer scharf. Auch kann die Verwendung mit der Intention erfolgen, beide Deutungsmöglichkeiten anzusprechen, zum einen also die dogmatische Einordnung beim Eigentum vorzunehmen und zum anderen die Legitimationsfunktion des Eigentumsbegriffes auszunutzen. Trotz seiner persönlichkeitsrechtlichen Ausrichtung gelingt es Lange, auch die vermögensrechtliche Komponente des Urheberrechts in seinen Ansatz zu integrieren. Mit dem Urheberrecht seien vermögensrechtliche Befugnisse verbunden, die nicht im Widerspruch zur persönlichkeitsrechtlichen Deutung stünden. 46 Abzulehnen sei auch eine rein vermögensrechtliche Erklärung des Verbots von Nachdrucken. Eine solche Sichtweise verkenne, daß das Interesse des Autors an der Verhinderung des Nachdrucks nicht allein aus vermögensrechtlichen, sondern auch aus persönlichkeitsrechtlichen Gesichtspunkten folge. Herausragende Merkmale der Schrift von Lange, die ihren hohen Wert begründen, sind zum einen die präzise Abgrenzungsarbeit zum Sacheigentum und zum anderen die Darstellung verschiedener Deutungen (rechtstechnisch und als „Kampfbegriff"), denen der Terminus „geistiges Eigentum" zugänglich ist. 3. Karl Gar eis Eine ausführliche dogmatische Grundlage für das Persönlichkeitsrecht ist von Karl Gareis 1877 geschaffen worden. Er bildete verschiedene Gruppen von 43 44 45 46

Lange, Lange, Lange, Lange,

Reprint Reprint Reprint Reprint

in in in in

UFITA UFITA UFITA UFITA

117 117 117 117

(1991), (1991), (1991), (1991),

169, 169, 169, 169,

198. 198. 199. 199f.

90

Teil 1: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Rechten: Neben Sachenrechten, Schuldrechten und Familienrechten bestünden die Individualrechte. Gegenstand der Individualrechte sei „das Individuelle der Person, nemlich jede persönliche Thätigkeit der eigenen Person und der Erfolg der Bethätigung einer solchen, insoferne er nicht durch andere Rechte geschützt wird oder ungeschützt bleibt". 47 Dieses Persönlichkeitsrecht habe einen absoluten Charakter und gebe einen Anspruch auf Unterlassung, allerdings nur dann, wenn eine gesetzliche Anerkennung der Urhebertätigkeit erfolgt ist.48 Dem Rechtsverkehr sei dieses Individualrecht in modifizierter Weise zugänglich. 49 4. Otto v. Gierke Eine der wohl einflußreichsten Abhandlungen zur Deutung des Urheberrechts als Persönlichkeitsrecht ist die Auseinandersetzung Otto v. Gierkes mit den verschiedenen Theorien zur Erklärung der Rechtsposition des Autors. 50 v. Gierke gelangt zu dem Ergebnis, daß das Urheberrecht in seinem ganzen Umfang als Persönlichkeitsrecht zu verstehen sei.51 Eine solche singulär persönlichkeitsrechtliche Interpretation sei mit dem (1895) geltenden deutschen Urheberrecht vereinbar. Eine Übertragung des Urheberrechtes sei auch dann möglich, wenn es sich um ein Persönlichkeitsrecht handele, da es lediglich um die Übertragung von Ausübungsrechten gehe.52 Die persönlichkeitsrechtliche Deutung des Urheberrechts sei daneben in besonderer Weise geeignet, den - notwendigerweise - zeitlich begrenzten Schutz des Urhebers zu erklären. Nach dem Ableben des Urhebers lockere sich die zunächst noch fortbestehende Bindung zwischen der Persönlichkeit des Urhebers und dem Werk. Der beschränkte zeitliche Schutz zeige, daß es sich bei dem Urheberrecht um ein Persönlichkeitsrecht handele. 53

IV. Kohlers Lehre vom Immaterialgüterrecht 1. Umrisse der Lehre Mit der gerade beschriebenen persönlichkeitsrechtlichen Deutung wandte sich Gierke zugleich gegen eine andere Ansicht, die sich ebenfalls gegen die Theorie vom geistigen Eigentum aussprach: die mit dem Namen Kohlers untrennbar ver-

47 Gareis, Büschs Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handels- und Wechselrechts 35 (1877), 185, 200; vgl. hierzu Vogel, GRUR 1994, 587, 589f. 48 Gareis, Büschs Archiv 35 (1877), 185, 197. 49 Gareis, Büschs Archiv 35 (1877), 185, 201 f. 50 v. Gierke, Deutsches Privatrecht I, § 85 (S.748ff.). 51 v. Gierke, Deutsches Privatrecht I, § 85 III 7 (S.764). 52 v. Gierke, Deutsches Privatrecht I, § 85 III 7 (S. 767). 53 v. Gierke, Deutsches Privatrecht I, § 85 III 7 (S.768).

§5 Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere

Deutungen

91

bundene Lehre vom Immaterialgüterrecht.54 Ausgangspunkt dieser Lehre ist, daß das Urheberrecht nicht als reines Persönlichkeitsrecht zu erklären sei. Zusammenfassend beschreibt Kohler das Immaterialgüterrecht in seinem 1907 erschienenen Werk „Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht". Bei dem Immaterialgüterrecht handele es sich um ein Recht „an einem außerhalb des Menschen stehenden, aber nicht körperlichen, nicht faß- und greifbaren Rechtsgute". 55 Zwar sei es zutreffend, daß das Autorrecht auch persönlichkeitsrechtliche Elemente umfasse; dies allein sei aber kein Grund, das Autorrecht als Persönlichkeitsrecht zu begreifen.56 Vielmehr sei der Gegenstand des Autorrechts von der Persönlichkeit des Urhebers verschieden. Das Persönlichkeitsrecht steht für Kohler neben dem Autorrecht; es sei mit diesem aber in vielfältiger Weise verknüpft. 57 Bluntschlis persönlichkeitsrechtliche Deutung sei widersprüchlich, da dieser trotz des persönlichkeitsrechtlichen Charakters des Rechts eine einschränkungslose Übertragbarkeit des Urheberrechts bejaht. 58 Auch könne die Lehre von der persönlichkeitsrechtlichen Verzahnung des Urheberrechts nicht die langen Schutzfristen post mortem auctoris erklären. 59 Das Urheberrecht genieße noch nach dem Tod einen Schutz von 30 6 0 , in manchen Rechtsordnungen sogar von 50 oder 80 Jahren. Uber einen so langen Zeitraum bestünden Wirkungen der Persönlichkeit nicht nach. Bestrebungen hin zu einer Verlängerung der Schutzfristen müßten ins Stoppen geraten, folge man der allein persönlichkeitsrechtlichen Deutung.61 Umgekehrt habe aber das Persönlichkeitsrecht neben dem Urheberrecht wichtige Funktionen. Dieses Recht ermögliche es dem Autor, das Erscheinen nicht von ihm erstellter Werke unter seinem Namen zu verhindern.62 Es stehe dem Verfasser auch dann zu, wenn er auf sein Autorrecht verzichtet habe. Gleiches gelte für den Erfinder nach Erlöschen des Patents.63 Diese Sichtweise von Kohler ist unter Akzeptanz seiner These von der Verzichtbarkeit des Urheberrechts - zutreffend, aber auch etwas irreführend. Der Schutz vor Täuschung über die Urheberidentität steht in keinem Zusammenhang mit dem Schutz eines Werkes, son54 Vgl. Kohler, Büschs Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handelsund Wechselrechts, 47 (1887), 169ff. (Nachdruck in UFITA 123 [1993], 81ff.); Kohler, Handbuch des deutschen Patentrechts, §20 (S.55). 55 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 1 (S. 1). 56 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 1 (S.2). 57 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 82 (S.439ff.). 58 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 9 XII (S. 86); ders., Autorrecht, S.34ff. 59 Kohler, AcP 10 (1895), 241 ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 81, 97). 6 0 § 9 Abs. 1 „Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste": „Der Schutz des gegenwärtigen Gesetzes gegen Nachbildung wird für die Lebensdauer des Urhebers und dreißig Jahre nach dem Tode desselben gewährt." 61 Kohler, AcP 10 (1895), 241 ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 81, 97). 62 Kohler, AcP 10 (1895), 241 ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 81, 107). 63 Kohler, AcP 10 (1895), 241 ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 81, 107).

92

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

d e m nur mit dem Schutz der Person. 6 4 Insofern wäre es für die von Kohler angesprochenen Fallkonstellationen fehlerhaft, einen Bezug zum Schutz von Werken im Sinne des Urheberrechts oder zu Erfindungen herzustellen. D e r Hauptunterschied zwischen Kohlers Immaterialrechtslehre und der Lehre vom geistigen Eigentum liegt in der Qualifizierung des Bezugsobjektes durch Kohler. Dies wird von ihm als immateriell

charakterisiert. Ahnlich präzise Aus-

sagen sind von der Lehre v o m geistigen Eigentum nicht gemacht worden. Sieht man im Eigentum aber auch ein Herrschaftsrecht an nichtkörperlichen Gegenständen, dann verwischen die Grenzen zwischen Kohlers Immaterialgüterrecht und dem geistigen Eigentum. Verständlich ist daher, d a ß Kohler sich gegen den Vorwurf verteidigen mußte, seine Lehre sei nichts anderes als die T h e o r i e v o m geistigen Eigentum. 6 5

2. Immaterialgüterrecht,

Eigentum und geistiges Eigentum bei

Kohler

Z u r Theorie vom geistigen Eigentum n a h m Kohler selbst eine Abgrenzung vor. Die Lehre vom Immaterialgüterrecht habe „dasjenige a n g e n o m m e n , was die Lehre vom geistigen Eigentum richtiges hatte und die Unrichtigkeiten jener Lehre a b g e w o r f e n . " 6 6 Umfangreiche Abgrenzungsarbeit hatte Kohler bereits in seinem Aufsatz „ D a s Immaterialgüterrecht und seine G e g n e r " aus dem J a h r 1 8 8 7 vorgenommen. 6 7 D u r c h die Verteidigung des Immaterialgüterrechts g a b Kohler dem R e c h t schärfere Konturen, als er dies in seinem „ A u t o r r e c h t " 1 8 8 0 getan hatte. Im Gegensatz zum Sacheigentum sei das Immaterialgüterrecht zeitlich beschränkt. 6 8 O h n e nähere Aufschlüsselung sieht Kohler Unterschiede zwischen den beiden Rechten bei Erwerb, Verlust, Zwangsvollstreckung und Bestellung von „ N e b e n r e c h t e n " . 6 9

a. Ausschließlichkeitsbefugnis

und

Sozialbindung

N a c h Kohler ist die Ausschließlichkeitsbefugnis sowohl dem Sacheigentum als auch dem Immaterialgüterrecht zugeordnet. D a ß m a n c h e Nutzungen wie das Aneignen von Gedanken zulässig seien, berühre den Charakter als Ausschließlichkeitsrecht nicht. Auch bei Sacheigentum k ö n n t e der Eigentümer nicht jede Nutzung untersagen. Als Beispiel nennt Kohler den Waldeigentümer. Dieser 64 So zutreffend der BGH knapp 100 Jahre nach Erörterung der Fallkonstellation durch Kohler in der Entscheidung BGH GRUR 1995, 668, 670 - Emil Nolde. 65 Vgl. Kohler, Büschs Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handelsund Wechselrechts, 47 (1887), 169ff. (Nachdruck in UFITA 123 [1993], 81, 84). 66 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, §2 1 (S.21). 67 Köhler, Büschs Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handels- und Wechselrechts, 47 (1887), 169ff. (Reprint in UFITA 123 (1993), 81ff.). 68 Kohler, Büschs Archiv 47 (1887), 169ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 81, 83). 69 Kohler, Büschs Archiv 47 (1887), 169ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 81, 83).

§ S Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere

Deutungen

93

müsse in vielen Ländern das Betreten des Waldes durch Dritte dulden.70 Noch interessanter ist ein Beispiel Kohlers, über dessen rechtliche Beurteilung in leicht abgewandelter Form ungefähr 100 Jahre später der BGH in den Entscheidungen „Schloß Tegel" 71 und „Friesenhaus" 72 entscheiden mußte: Den Zutritt zu Häusern könne man verweigern. Passanten sei es aber erlaubt, die Häuser von außen zu betrachten und sich an den Leistungen der Architekten zu erfreuen. Zur Begründung dieses Ergebnisses erliegt Kohler nicht der Versuchung, sich allein auf faktische Erwägungen zurückzuziehen und die Nutzung durch Betrachten mit einer fehlenden Ausschlußmöglichkeit zu erklären. Vielmehr handele es sich um eine Eigenart der Immaterialgüter, die auf ihrer „eminent sozialen Natur" beruhe. 73 Die heute sowohl für das Sacheigentum als auch für das Urheberrecht und die gewerblichen Schutzrechte anerkannte Sozialbindung74 wurde also schon vor über 100 Jahren von Kohler klar erkannt und auch auf das Sacheigentum erstreckt. Das Absperren von Wäldern verstößt nach Kohler gegen deren soziale Zweckbestimmung.75 Insofern war Kohlers Verständnis der Sozialbindung weiter fortgeschritten als das des BGB-Gesetzgebers ein Jahrzehnt später, der in die Kernnorm des Eigentumsrechts - § 903 BGB - eine Sozialbindung nicht aufnahm. 76 Demgegenüber hat die von Kohler dargelegte Sozialbindung bei der Normsetzung im Urheberrecht Berücksichtigung gefunden. Für die Betrachtung von Bauwerken beispielsweise eröffnet § 59 UrhG die Panoramafreiheit.77 Die äußere Ansicht von an öffentlichen Plätzen und Wegen stehenden Werken der Baukunst darf fotografiert, abgezeichnet und anschließend vervielfältigt werden. Es handelt sich hierbei um eine Ausprägung der Sozialpflichtigkeit des Urheberrechts, die bereits von Kohler für sein Immaterialgüterrecht gesehen wurde. Ahnliche Querverbindungen, wie sie von Kohler zwischen dem Schutz des Sacheigentums und dem Schutz geistigen Schaffens gezogen wurden, stellt auch der BGH in der Friesenhaus-Entscheidung her.78 Der Senat mußte entscheiden, ob das ungenehmigte Photographieren eines fremden Hauses von einer allgemein zugänglichen Stelle aus und die anschließende gewerbliche Verwertung der Aufnahme einen abwehrfähigen Eingriff in das Sacheigentum darstellen. Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend hat der BGH einen Eingriff in Vgl. heute § 14 Bundeswaldgesetz (BGBl. 1975 I S. 1037). BGH GRUR 1975, 500ff. 72 BGH GRUR 1990, 390ff. 73 Kohler, Büschs Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Wechselrechts, 47 (1887), 169ff. (Nachdruck in UFITA 123 (1993), 74 Vgl. §22. 75 Kohler, Büschs Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Wechselrechts, 47 (1887), 169ff. (Nachdruck in UFITA 123 (1993), 76 Vgl. ausführlich § 22. 77 Vgl. Rehbinder, Urheberrecht9, § 35 VI (S.211f.). 78 BGH GRUR 1990, 390ff. 70 71

Deutschen Handels- und 81, 87). Deutschen Handels- und 81, 87).

94

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

das Sacheigentum verneint. Die Zubilligung einer entsprechenden sachenrechtlichen Abwehrbefugnis widerspreche § 5 9 U r h G . Die Regelung m a c h e nur dann Sinn, wenn dem Eigentümer ein aus dem Sacheigentum resultierendes Verbietungsrecht nicht zustehe. 7 9 Die Abstimmung von Sacheigentumsschutz und Urheberrecht w a r auch Gegenstand der Entscheidung „Schloß T e g e l " , in der das Photographieren und Vermarkten der Aufnahmen auf Ansichtskarten als Eigentumsverletzung angesehen wurde. 8 0 Im Unterschied zum Friesenhaus-Fall hatte der Photograph das Grundstück des Hauseigentümers betreten, um Aufnahmen eines von Schinkel errichteten Schlosses zu erstellen. N a c h Ansicht des B G H stehe es dem Eigentümer grundsätzlich frei, den Zutritt zu seinem Grundstück zu untersagen oder nur unter der Auflage, nicht zu photographieren, zu gestatten. D e r Fall, in dem v o m Grundstück aus die später verwertete Aufnahme erstellt wird, sei nicht in § 5 9 U r h G geregelt. Aus der Sozialbindung des Eigentums könne aber eine Duldungspflicht folgen. Dies sei aber im konkreten Sachverhalt nicht erforderlich, da der Eigentümer selbst für die Verbreitung sorge. 8 1 In beiden Entscheidungen spiegelt sich ein Spannungsverhältnis zwischen Sacheigentum, Urheberrecht und Sozialbindung wieder, das bereits 1 8 8 7 von Kohler anhand des Schutzes der Leistungen der Architekten Longhena und Benedetto da M a j a n o erläutert worden ist. Das von ihm beschriebene R e c h t auf freie Betrachtung war im Ergebnis eine konsequente Umsetzung der bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Nachbildung von Werken. § 6 Nr. 3 des „Gesetz, betreffend das Urheberrecht an bildenden K ü n s t e n " v o m 9 . 1 . 1 8 7 6 8 2 ließ es zu, ein Werk der bildenden Kunst, das sich auf Straßen oder Plätzen befand, in einer anderen Kunstform nachzubilden. Lediglich die von Kohler angesprochenen Werke der Baukunst unterfielen nicht dem Schutz des Gesetzes von 1 8 7 6 . 8 3

79 80 81 82

BGH GRUR BGH GRUR BGH GRUR RGBl. 1876,

1990, 390, 391 - Friesenhaus. 1975, 500. 1975, 500, 502 - Schloß Tegel. 4ff.:

§6 „Als verbotene Nachbildung ist nicht anzusehen: 2. die Nachbildung eines Werkes der zeichnenden oder malenden Kunst durch die plastische Kunst, oder umgekehrt; 3. die Nachbildung von Werken der bildenden Künste, welche auf oder an Straßen oder öffentlichen Plätzen bleibend sich befinden. Die Nachbildung darf jedoch nicht in derselben Kunstform erfolgen;

"

§3:

„Auf die Baukunst findet das gegenwärtige Gesetz keine Anwendung."

§5 Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere Deutungen

b.

95

Übertragbarkeit

In dem Beitrag „ D a s Immaterialgüterrecht und seine G e g n e r " ( 1 8 8 7 ) vertritt Kohler den Standpunkt, das Autorrecht sei als Vermögensrecht frei übertragbar. 84 Insoweit wird also eine einschränkungslose Parallele zum Sacheigentum gezogen. Später tendierte Kohler unter Berücksichtigung des nach seiner Ansicht vom Immaterialgüterrecht streng zu trennenden Persönlichkeitsrechts zu einer differenzierteren Sichtweise. Das Immaterialgüterrecht an dem Werk könne durch das Persönlichkeitsrecht „verklammert" werden. 8 5 Hierdurch könne ein Werk, welches als „ A u t o r w e r k " veräußert und gepfändet werden dürfe, der Übertragung entzogen werden. 8 6 Dies will Kohler aber als Ausnahmeregelung verstanden wissen, wobei er leider Beispiele für Fallgestaltungen, bei denen eine Übertragung ausgeschlossen sein soll, nicht gibt. Der Ausnahmecharakter wird aber schon dadurch deutlich, daß die persönlichkeitsrechtliche Wirkung bloß anhangartig am Ende des Werkes „Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsr e c h t " unter dem Gliederungspunkt „Persönlichkeitsrecht" erörtert wird. Auch ist Kohlers Darstellung in sich widersprüchlich. Im Abschnitt „ U e b e r g a n g " 8 7 geht er - auf der Grundlage der 1 9 0 7 vorhandenen gesetzlichen Regelungen 8 8 von einer einschränkungslosen Übertragbarkeit des Urheberrechts aus. Der österreichischen Regelung, nach der nur die Ausübungsberechtigung übertragen werden könne, hält Kohler vor, sie trenne nicht hinreichend zwischen Autorrecht und Persönlichkeitsrecht. 8 9

c.

Besitzfähigkeit

Die Verteidigung des Immaterialgüterrechts zwang Kohler dazu, dieses von der Theorie vom geistigen Eigentum abzugrenzen. In bezug auf den Erfindungsschutz stimmte Kohler der Ansicht zu, ein Patent sei im Gegensatz zu einem Eigentumsobjekt nicht besitzfähig. 9 0 Dies sei auch einer der Gründe, das Immaterialgüterrecht vom Eigentum abzusondern. Ein für Kohler wesentliches Eigentumselement ist damit die Besitzfähigkeit. Diese wird von ihm für das Immaterialgüterrecht abgelehnt.

84 Kohler, Büschs Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handels- und Wechselrechts, 4 7 ( 1 8 8 7 ) , 1 6 9 f f . (Nachdruck in UFITA 1 2 3 ( 1 9 9 3 ) , 8 1 , 9 5 ) . 85 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 8 2 II 2 ( S . 4 4 0 ) . 86 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 8 2 II 2 ( S . 4 4 0 ) . 87 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 3 7 ( S . 2 4 3 f f . ) . 88 Nachweise bei Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 3 7 I ( S . 2 4 3 ) in Fn. 3 5 . 89 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 3 7 I ( S . 2 4 3 ) . 90

Vgl. Kohler,

AcP 3 2 N.F. ( 1 8 9 4 ) , 1 4 1 f f . (Reprint in UFITA 1 2 3 [ 1 9 9 3 ] , 9 9 , 1 5 0 ) .

96

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

d. Kollisionslagen von Sach- und geistigem

eines umstrittenen

Begriffs

Eigentum

Heute wird ausführlich diskutiert, wie Kollisionslagen von Sach- und geistigem Eigentum aufgelöst werden können. Probleme stellen sich zum Beispiel, wenn der sachenrechtliche Eigentümer eines Kunstwerkes dieses verändern will. 91 § 14 UrhG gibt dem Urheber das Recht, sich gegen Entstellungen und andere Beeinträchtigungen, die geeignet sind, seine berechtigten persönlichen oder geistigen Interessen am Werk zu gefährden, zur Wehr zu setzen. Kohler vertrat die Ansicht, daß es dem Eigner (Sacheigentümer) frei stehe, Kunstwerke zu zerstören oder zu übermalen. 92 Etwas anderes gelte aber dann, wenn das Bild öffentlich ausgestellt werde. Dann habe der Urheber das Recht, sich gegen die Entstellung zu wehren. Die Lösung für diese Kollisionslage entwickelt Kohler aus dem - seiner Meinung nach - neben dem Urheberrecht stehenden Persönlichkeitsrecht. Diese Wirkung entfalte das Persönlichkeitsrecht bei Bauwerken nicht, da diese „kein reines Kunstwerk" seien, sondern primär praktischen Zwecken dienten. 93 Wenn allerdings das Gebäude mit dem Namen des Baumeisters gekennzeichnet sei, könne dieser eine Änderung der Kennzeichnung verlangen, sofern das Gebäude wesentlich verändert wird. 94 e. Lizenz Querverbindungen zwischen Sach- und geistigem Eigentum wurden von Kohler für die Lizenz gezogen. Diese wird von Kohler aus den dinglichen Servitutenrechten entwickelt. Mit der Lizenz erwerbe der Lizenznehmer „ein Stück absoluten Rechtes". 95 Zurückgewiesen wird Gierkes Ansicht zur Lizenz. Dieser sah keine Analogiefähigkeit zur Servitutenbestellung, da die Erfindung unerschöpflich sei. An ihr könnten beliebig viele Lizenzen erteilt werden. 96 Kohler weist demgegenüber darauf hin, daß ein Servitut, z. Bsp. in Form eines Wegerechts, einer unbegrenzt großen Personenzahl eingeräumt werden könne. 97 Weitere Parallelen zum Sacheigentum werden von Kohler für die Wirkung der Lizenz erörtert. Diese konnte seiner Ansicht nach auch dingliche Wirkung entfalten. Die Veräußerung des Patents führe nicht zum - zumindest relativen (also dem Erwerber gegenüber) - Verlust des Lizenzrechtes. Das Vertreten einer anderen Ansicht entspreche überholten Romanismus, ebenso wie der Rechtssatz „Kauf bricht Miete." 98

91

Vgl. hierzu aus der neueren Literatur van Caasen, S. 38ff.; Schack, GRUR 1993, 56, 57ff.; Erdmann, FS Piper, S. 655, 668 ff. 92 Kohler, AcP 10 (1895), 241 ff. (Reprint in UFITA 127 [1995], 87, 112). 93 Kohler, AcP 10 (1895), 241 ff. (Reprint in UFITA 127 [1995], 87, 113). 94 Kohler, AcP 10 (1895), 241 ff. (Reprint in UFITA 127 [1995], 87, 113). 95 Kohler, AcP 10 (1895), 241 ff. (Reprint in UFITA 127 [1995], 87, 119). 96 v. Gierke, Deutsches Privatrecht I, § 97 II 2 b (S. 890 in Fn. 14). 97 Kohler, AcP 10 (1895), 241 ff. (Reprint in UFITA 127 [1995], 87, 119). 98 Kohler, AcP 10 (1895), 241 ff. (Reprint in UFITA 127 [1995], 87, 120).

§ 5 Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere

Deutungen

97

Diese von Kohler gewünschten Verdinglichungstendenzen haben sich fortgesetzt. Der angegriffene Grundsatz „Kauf bricht Miete" ist nicht in das BGB aufgenommen worden. Nach § 571 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber in das bestehende Mietverhältnis ein. Ebenfalls kann die Einordnung des aus dem Mietvertrag folgenden Besitzrechtes des Mieters in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechtes aus Art. 14 Abs. 1 G G " als eine gewisse „Verdinglichung" angesehen werden 100 . Das Lizenzrecht kennt heute die ausschließliche Lizenz, die auch den Urheber und seinen Rechtsnachfolger bindet (§31 Abs. 3 UrhG). Rehbinder sieht in der ausschließlichen Lizenz ein dingliches Recht, das mit einer Dienstbarkeit vergleichbar auf dem Urheberrecht lastet. 101 Insofern haben sich also Kohlers Parallelen zwischen Sach- und geistigem Eigentum durchsetzen können. f. Mangelnde theoretische Eignung des Begriffes zur Beschreibung der erfaßten Rechte

„geistiges

Eigentum"

Kohler, dessen besonderes Interesse der von ihm gern als „juristische Konstruktion" bezeichneten Begriffsjurisprudenz galt, trat dem Terminus „geistiges Eigentum" auch mit systematischen Erwägungen entgegen. Die germanische Formel „Eigentum ist, was mir eigen ist, und eigen ist, was mir allein gehört" 102 wird von ihm mit dem Einwand mangelnder begrifflicher Schärfe zurückgewiesen. Die Definition von Eigentum als ein „Gehören" sei zu weit. Zutreffend habe die deutsche Rechtswissenschaft unter Bezugnahme auf das „dominium" des römischen Rechts dem Begriff eine viel schärfere Fassung gegeben.103 Das Gehören müsse „von möglichst ausgiebiger Kraft" sein und sich auf bestimmte Gegenstände beziehen: körperliche Sachen. 104 Kohler erwägt sogar darüber hinaus, ob nicht weiter zu differenzieren sei nach dem Begriff des „Grundeigens" und nach dem des Eigentums an beweglichen Sachen. Auch das Recht an der „Wasserwelle" und an Privatgewässern solle zur begrifflichen Schärfung aus dem Eigentumsbegriff ausgeklammert werden. Hierfür sei ein neuer Begriff zu entwickeln. Dies hat die Rechtswissenschaft nicht getan. Das Recht der öffentlichen Sachen - das auch Rechte an Gewässern erfaßt - geht weiter von einem Privateigentum an den im öffentlichen Gebrauch stehenden Sachen aus. Insofern unterscheidet sich das Konzept vom römischen Recht, wo öffentliche Sachen im GemeingeBVerfGE 89, 1, 5f. = NJW 1993, 2035. 100 Ygl. zum Begriff der Verdinglichung Franz Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 323. Voelskow (MünchKomm3, Einleitung zu § § 535-597 Rz. 7) weist zutreffend darauf hin, daß Mieter und Pächter als Besitzer schon immer dinglichen Schutz genossen haben. Durch die Einbeziehung in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG hat dieser jedoch eine neue Qualität erhalten. Vgl. zu Dinglichkeit und Absolutheit von Sach- und geistigem Eigentum näher §14 und §18. 101 Rehbinder, Urheberrecht10, Rz.305. 102 Vgl. Kohler, AcP 32 N.F. (1894), 141ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 99). 103 Vgl. Kohler, AcP 32 N.F. (1894), 141 ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 99, 106). 104 Vgl. Kohler, AcP 32 N.F. (1894), 141ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 99, 107). 99

98

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

brauch als res extra commercium

Begriffs

nicht eigentumsfähig w a r e n . 1 0 5 Die öffentliche

Zweckbestimmung der Sache wird durch eine am besten als öffentlich-rechtliche „ D i e n s t b a r k e i t " zu verstehende Belastung sichergestellt. 1 0 6 Dieser R e c h t s a k t , der durch formelles Gesetz, sonstigen Rechtssatz oder Allgemeinverfügung erfolgen k a n n , heißt W i d m u n g . 1 0 7 Versuche - wohl im Sinne Kohlers - , neben dem Sacheigentum des Privatrechts eine weitere Eigentumsart zu etablieren, sind gescheitert. In Anlehnung an das domaine

public des französischen Rechts wollte

O t t o M a y e r 1 0 8 das Rechtsinstitut des öffentlichen Eigentums in das deutsche Verwaltungsrecht einführen. Der - hoheitliche - Eigentümer sollte nach dieser Deutung anderen Eigentümern nicht gleichrangig, sondern als Träger öffentlicher Gewalt gegenübertreten. 1 0 9 M a y e r s Bestrebungen führten im Ergebnis nicht zum Erfolg. Allerdings ist das öffentliche Eigentum in Deutschland nicht unbekannt. In H a m b u r g sind nach der Flutkatastrophe von 1 9 6 2 Deichgrundstücke durch Gesetz in das „öffentliche E i g e n t u m " der Hansestadt überführt worden. 1 1 0 Die zivilrechtlichen Vorschriften über Eigentum und Besitz sind auf das öffentliche Eigentum nicht anzuwenden. Gegen diese Umwandlung des Eigentums wurde Verfassungsbeschwerde erhoben, in der unter anderem auch die Schaffung dieser neuen, den zivilrechtlichen Eigentumsbestimmungen entzogenen Eigentumsgattung angegriffen wurde. Das BVerfG 1 1 1 hat im Ergebnis offengelassen, o b das Eigentum der Hansestadt an den Deichgrundstücken nur Privateigentum in der H a n d des Staates ist oder aber o b eine neue, v o m Sacheigentum differierende Art von Eigentum geschaffen wurde. Selbst wenn letzteres der Fall sei, k o m m e ein Verfassungsverstoß nicht in Betracht. Art. 1 4 Abs. 1 S. 1 G G garantiere den Bestand des Eigentums als 105 Staudinger 2000 /Seiler, Einl. zum SachenR Rz. 88; Erichseri/Salzwedel, Allgemeines Verwaltungsrecht 10 , § 4 2 Rz.3. 106 Staudinger 2000 /Se!'fer, Einl. zum SachenR Rz. 89; MünchKommVQwac^, Einleitung Sachenrecht Rz.76; Erichsen/Salzwedel, Allgemeines Verwaltungsrecht 10 , § 4 2 Rz.3. 107 Staudinger 2000 /Seiler, Einl. zum SachenR Rz. 89; MünchKomm 3 /Qwac&, Einleitung Sachenrecht Rz. 76; Erichsen /Salzwedel, Allgemeines Verwaltungsrecht 10 , § 4 2 Rz. 6ff. 108 Otto Mayer, Verwaltungsrecht II, § 3 5 (S.39ff.). 109 Otto Mayer, Verwaltungsrecht II, § 35 (S.45). 1 1 0 Der Inhalt des öffentlichen Eigentums ergibt sich aus §4a Hamburgisches Wassergesetz vom 2 0 . 6 . 1960 (GVB1. 1960, 335; § 4 a wurde 1964 eingefügt, GVB1. 1964, 79): (1) Hochwasserschutzanlagen, die auf Grund einer in das Wasserbuch eingetragenen Planfeststellung oder Genehmigung (§55) errichtet worden sind und der Freien und Hansestadt Hamburg gehören, stehen im öffentlichen Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg (öffentliche Hochwasserschutzanlagen). Öffentliches Eigentum entsteht nicht, wenn die durch die Hochwasserschutzanlage geschützte Geländefläche ausschließlich Anlagen für öffentliche Zwecke dient oder wenn nur Teile der Hochwasserschutzanlage der Freien und Hansestadt Hamburg gehören. (2) Das öffentliche Eigentum begründet eine hoheitliche Sachherrschaft. Die im öffentlichen Eigentum stehenden Gegenstände sind dem Rechtsverkehr entzogen. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, insbesondere über den Besitz und das Eigentum, werden nicht angewendet. 111

BVerfGE 24, 367ff.

§5 Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere Deutungen

99

Rechtseinrichtung (sog. Institutsgarantie). 112 Hiergegen werde verstoßen, wenn der Gesetzgeber an die Stelle des Privateigentums etwas setzte, was den Namen „Eigentum" nicht mehr verdient. Das Eigentum des bürgerlichen Rechts sei durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis gekennzeichnet. Daneben aber kenne die Rechtsordnung in mannigfacher Weise Sachherrschaften, die - obwohl als Eigentum bezeichnet - nicht auf Privatnützigkeit, sondern auf Fremdnützigkeit ausgerichtet sind. Wenn Sachen aus der Privatrechtsordnung - zum Beispiel durch Ausschluß der Verfügungsfähigkeit - ausgegliedert und als „öffentliches Eigentum" bezeichnet werden, liege eine Schmälerung des durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Rechtsinstituts nicht vor. Für die von Kohler angesprochene „Wasserwelle" ist prinzipiell keine Modifikation des Eigentumsbegriffes erfolgt. Zum Beispiel bestimmt § 69 Niedersächsisches Wassergesetz: 113 „Eigentum an oberirdischen Gewässern, d a ß am 1 5 . 7 . 1 9 6 0 bestanden hat, bleibt aufrechterhalten."

Gewässer werden also gegen Kohler 114 unter den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff gefaßt. Allerdings wird der besonderen Sozialbindung, die wohl auch Auslöser für Kohlers Beanstandungen war, in Baden-Württemberg dadurch Rechnung getragen, daß einige Gewässer dort ähnlich wie Wege 115 und Deichanlagen 116 in Hamburg im öffentlichen Eigentum stehen und der privatrechtlichen Verfügungsmöglichkeit entzogen sind. § 4 Abs. 1 des Wassergesetzes für BadenWürttemberg 117 bestimmt: „ D a s Bett eines Gewässers erster O r d n u n g steht im öffentlichen Eigentum des Landes, das eines Gewässers zweiter O r d n u n g innerhalb des Gemeindegebietes im öffentlichen Eigent u m der Gemeinde. Privateigentum anderer a m Bett eines öffentlichen Gewässers und Privateigentum des Landes oder einer Gemeinde an künstlich überfluteten Flächen oder a m Bett eines Gewässers nach § 2 A b s . 2 N r . 3 bleibt u n b e r ü h r t . "

112

BVerfGE 24, 367, 389f. In der Fassung vom 2 0 . 8 . 1 9 9 0 , Nds. GVB1. S. 371. 114 Kohler, AcP 32 N.F. (1894), 141ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 99, 101). 115 § 4 Hamburgisches Wegegesetz in der Fassung vom 22.1. 1974 (GVB1. 1974, 41, 83): (1) Grundflächen, die als öffentliche Wege gewidmet sind und der Freien und Hansestadt Hamburg gehören, stehen einschließlich der in § 2 Absatz 2 genannten Gegenstände im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg. Das öffentliche Eigentum am Weg steht, soweit es sich auf öffentliche Abwasseranlagen bezieht, die keine baulichen Anlagen im Sinne des § 4 Absatz 4 Satz 1 sind, der Hamburger Stadtentwässerung zu. Das öffentliche Eigentum begründet eine hoheitliche Sachherrschaft. Die in öffentlichem Eigentum stehenden Gegenstände sind dem Rechtsverkehr entzogen. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, insbesondere über den Besitz und das Eigentum, finden keine Anwendung. 113

116 117

§4a Hamburgisches Wassergesetz. In der Fassung vom 1.7. 1988, GBl. S.269.

100

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

Für den Inhalt des Eigentums wird in § 5 eine v o m Zivilrecht abweichende Regelung getroffen: „Für das öffentliche Eigentum des Landes und der Gemeinden am Bett eines öffentlichen Gewässers gelten die Vorschriften über das Grundeigentum nur, soweit nicht die aus der Zweckbestimmung der öffentlichen Gewässer und die aus dem Wasserrecht folgenden Beschränkungen entgegenstehen. Über öffentliches Eigentum kann durch Privatrechtsgeschäft nicht verfügt werden." Trotz des großen Unterschieds zum zivilrechtlichen Eigentum - fehlende Verfügungsmöglichkeit - ist die von Kohler abgelehnte Terminologie beibehalten worden. Seine Forderung nach der Entwicklung eines neuen Begriffes blieb unerfüllt. Öffentlich-rechtliches und zivilrechtliches Eigentum unterscheiden sich nicht nur in bezug auf die Inhaltsbestimmung. Das Herrschaftsobjekt wird im öffentlichen R e c h t nicht so scharf abgegrenzt wie im bürgerlichen R e c h t . D o r t beschränkt § 9 0 B G B den Anwendungsbereich des Sachenrechts auf körperliche Gegenstände. Demgegenüber erfaßt der Sachbegriff des öffentlichen Rechts auch nichtkörperliche Sachen wie zum Beispiel den Luftraum. 1 1 8 Eine abschließende Betrachtung von Kohlers Thesen gibt den Blick auf ein unbalanciertes Bild frei. Kohler erwog eine begriffliche Trennung zwischen dem Grundeigentum und dem Eigentum an beweglichen Sachen. Diese ist nicht erfolgt. Beide Arten subjektiver R e c h t e werden unter dem Begriff „ E i g e n t u m " zusammengefaßt. Eine weitere begriffliche Schärfung wollte Kohler durch die Entwicklung eines neuen Rechtsbegriffes für die Rechtsverhältnisse an Gewässern herbeiführen. Diese M o d i f i k a t i o n ist nicht erfolgt. Lediglich die von Kohler gewünschte Ausgrenzung des geistigen Eigentums aus dem Eigentumsbegriff ist vorgenommen worden. Aus dem Kreis des Eigentums wurden also die Rechte gedrängt, die sich nicht auf einen körperlichen Gegenstand bezogen.

3. Zeitgenössische

Kritik an Köhlers

Immaterialgüterrechtstheorie

Aus der zeitgenössischen Kritik an Kohlers Immaterialgüterrechtstheorie verdient die von Adler aus dem J a h r 1 8 9 5 besondere Beachtung. 1 1 9 Adler lehnte Kohlers Verständnis des Immaterialgüterrechts als Herrschaftsrechts an einem außerhalb der Person stehenden, immateriellen Gegenstand ab. D a s geistige Gut könne nicht Gegenstand des Urheberrechts sein. 1 2 0 Richtig sei vielmehr, daß die Ansprüche in der Person des Urhebers selbst entstünden. D a s Urheberrecht sei ein gegenstandsloses absolutes R e c h t . 1 2 1 Solche gegenstandslosen R e c h t e k ö n n ten nur durch eine enge Verknüpfung mit der Person begründet werden. Fehler118 Papier, Recht der öffentlichen Sachen2, S.lf. anders Verwaltungsrecht11, §40 Rz.4. 119 Adler, AcP 10 (1895), 105ff. (Reprint in UFITA 127 120 Adler, AcP 10 (1895), 105ff. (Reprint in UFITA 127 121 Adler, AcP 10 (1895), 105ff. (Reprint in UFITA 127

aber Erichsen/Papier, Allgemeines [1995], 77iL). [1995], 77, 84). [1995], 77, 86).

§ S Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere

Deutungen

101

haft sei aber die persönlichkeitsrechtliche Deutung, wie sie von Gierke und anderen vertreten werde, da das Urheberrecht im wesentlichen vermögensrechtliche Qualitäten habe. 122 Das Urheberrecht sei im Kern eine „vermögensrechtliche Qualität der berechtigten Person", ähnlich wie zum Beispiel die „Kaufmannsqualität". 123 Andere Ausführungen Adlers lassen den Schluß auf ein Verständnis des Urheberrechts als eine bloße Summe von Abwehrbefugnissen zu. Allein das „Ausschließungsrecht", nicht aber das positive Verwertungsrecht sei das „spezifische Urheberrecht". Fehlerhaft sei die Ansicht der h.M., durch die Ausschließlichkeit des Verwertungsrechts erhalte dieses den Charakter eines positiven Rechts. 124 Bemerkenswert ist die strukturelle Ähnlichkeit von Adlers Urheberrecht und dem heutigen „Fernsehübertragungsrecht" für Sportveranstaltungen. Auch dieses ist kein positives Recht. Inhaber von Fernsehübertragungsrechten bei Sportveranstaltungen ist der Veranstalter,125 Diesem stehen zum Schutz seiner wirtschaftlichen Interessen - je nach konkreter Fallgestaltung variierend - Abwehransprüche gegen eine unberechtigte Übertragung aus § 823 Abs. 1 BGB (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb), § 826 BGB oder aus § 1 UWG zu. Daneben kommt ein Besitzschutz in Betracht. 126 Das Fernsehübertragungsrecht ist also im Rechtssinn kein Recht mit einem positiven Zuweisungsgehalt, sondern der Verzicht auf die Geltendmachung von Abwehransprüchen.127 Die Rechtslage entspricht insoweit derjenigen zur Erteilung unechter Warenzeichenlizenzen nach dem früheren WZG 1 2 8 . Verbunden ist dieser Verzicht mit der Zusage, die bestehenden Ausschließungsbefugnisse gegenüber anderen Sendeunternehmen auszuüben.129 Versteht man das Urheberrecht als eine bloße Kumulation von Abwehrbefugnissen, besteht dogmatische Identität mit „dem" Fernsehübertragungsrecht, welches gar kein positives Recht ist. Adlers Position fand, von ihm anscheinend unbemerkt, Rückhalt in der zeitgenössischen Gesetzgebung. Das „Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste" 130 sprach von einem ausschließlichen Recht (§ 1), welches der Urheber ganz oder teilweise übertragen konnte. Hier stellte sich das Verwertungsrecht also allem Anschein nach als ein bloßer Reflex der allgemeinen AusAdler, AcP 10 (1895), 105ff. (Reprint in UFITA 127 [1995], 77, 86). Adler, AcP 10 (1895), 105ff. (Reprint in UFITA 127 [1995], 77, 86). 124 Adler, AcP 10 (1895), 105ff. (Reprint in UFITA 127 [1995], 77, 79). 125 BGH GRUR 1971, 46, 47 - Bubi Scholz; BGHZ 27, 264, 265f. - Boxprogrammheft; BGH WuW/E BGH 2627, 2634 - Sportübertragungen; BGH WuW/E DE-R 17, 19ff.; Gräfin von Westerholt, ZIP 1996, 264, 265f.; Stockmann, ZIP 1996, 411, 414. 126 BGH WuW/E BGH 2627, 2634 - Sportübertragungen; KG WuW/E OLG 5565, 5573Fernsehübertragungsrechte. 127 BGH WuW/E BGH 2627, 2634 - Sportübertragungen; KG WuW/E OLG 5565, 5573Fernsehübertragungsrechte. 128 Das neue MarkenG ermöglicht die Erteilung echter Lizenzen (§ 30 MarkenG). 129 Gräfin von Westerholt, ZIP 1996, 264, 266; Jänich, GRUR 1998, 438, 439. 130 RGBl. 1876 S.4. 122 123

102

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

schließungsbefugnis dar. Heute heißt es demgegenüber in § 15 U r h G : „Der Urheber hat das ausschließliche R e c h t , sein Werk in körperlicher F o r m zu verwert e n . " Das Verwertungsrecht ist also mittlerweile positiv im Gesetz fixiert und nicht nur R e f l e x anderer Befugnisse.

4.

Ausblick

1 9 0 7 , also gut 1 0 J a h r e nach seiner Publikation „Die Idee des geistigen Eigent u m s " traf Kohler die Feststellung, daß neben der Lehre v o m Immaterialgüterrecht nur noch die T h e o r i e des Persönlichkeits- oder Individualrechts überhaupt eine Erwähnung verdient. 1 3 1 Bereits zu diesem Zeitpunkt w a r die Lehre v o m geistigen Eigentum nach Einschätzung Kohlers ein Element der deutschen Rechtsgeschichte. Dieses Verdrängen aus dem rechtstatsächlichen Erscheinungsbild sollte sich im 2 0 . Jahrhundert zunächst noch verfestigen.

V. Die Beschränkung des zivilrechtlichen Eigentumsbegriffes des BGB auf körperliche Gegenstände Ein weiterer Bedeutungsverlust für die Lehre v o m geistigen Eigentum wurde durch die Beschränkung des Eigentumsbegriffes des B G H auf körperliche Gegenstände ausgelöst. W i e bereits dargestellt, kannte das 1 9 . Jahrhundert eine Vielzahl von Eigentumsbegriffen. 1 3 2 Von diesen waren einige - wie zum Beispiel der des preußischen A L R - nicht auf das Sacheigentum beschränkt. Diesen weiten Eigentumsdefinitionen erteilte das B G B mit §§ 9 0 3 , 9 0 B G B eine Absage.

1. Die Entstehung

der Eigentumsdefinition

des

BGB

Die Beschränkung des Eigentumsbegriffes des B G B auf körperliche Gegenstände zeichnete sich im Gesetzgebungsverfahren schon zu einem frühen Zeitpunkt ab. D e r Verfasser des Vorentwurfes zum Sachenrecht, J o h o w 1 3 3 , k o m m t mit knappen Erwägungen zu dem Ergebnis, daß sich das Eigentum nur auf körperliche Gegenstände beziehen könne: Eigen sei, was man beherrsche. 1 3 4 N u r die körperlichen Gegenstände, die Sachen, seien der „willenlosen Unterwerfung unter den menschlichen Willen f ä h i g " . Dieser engen, auf körperliche O b j e k t e beschränkten Eigentumsdefinition entspreche auch die Begriffsbestimmung durch das römische Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, § 1 I (S. 1). Vgl. S.42ff. 133 Zur Person Reinhold Johows vgl. Schubert, in: Vorlagen für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Sachenrecht I, S. XXIff. 134 Vorlagen für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Sachenrecht I, S.490 (= Schubert, S.614). ]31

132

§5 Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere

Deutungen

103

Recht. Unter dominium, sei „regelmäßig" eine Herrschaftsmacht über körperliche Sachen verstanden worden. 135 Dem römisch-rechtlichen Eigentumsbegriff stellt Johow die „unjuristische" Vorstellung eines weiten Eigentumsbegriffes gegenüber, der dem preußischen Landrecht zugrunde liege. Die - auf einer unzutreffenden Erfassung des römischen Rechts beruhende 136 - Beschränkung des Eigentumsbegriffes des BGB auf körperliche Gegenstände hatte zwingend auch Konsequenzen für die dogmatische Einordnung des geistigen Eigentums. Im Vorentwurf des BGB gelangt Johow - von seinem Ausgangspunkt aus konsequent - zu dem Ergebnis, daß die Rechte von Urheber und Erfinder kein Eigentum sind. Ihr Gegenstand sei nicht die Herrschaft über eine körperliche Sache, dem wesensbestimmenden Merkmal des Eigentums. 137 Daher sei der Begriff des Eigentums auf die genannten Rechte nicht anwendbar. Da eine Regelung von Urheber-, Muster- und Erfindungsrecht im BGB aufgrund der bereits vorhandenen Spezialgesetze138 nicht erforderlich war, ging Johow auf die mögliche dogmatische Einordnung der erwähnten Rechte nicht ein, sondern gab lediglich in einer Fußnote einen Überblick über die zu diesem Problemkreis vertretenen Ansichten. 139 Diese für das deutsche bürgerliche Recht vorgezeichnete scharfe dogmatische Trennung zwischen einem auf die Herrschaft über körperliche Objekte beschränkten Eigentumsbegriff und den aus der geistigen Leistung fließenden Rechten von Urheber und Erfinder wurde im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr in Frage gestellt. Allerdings wird in den Motiven 140 zu § 778 (der später in § 90 BGB enthaltenen Definition des Begriffes der Sache) unter Bezugnahme auf § 137 des Windscheidschen Pandektenlehrbuches der Sachbegriff des römischen Rechts einer differenzierteren Betrachtung zugeführt. 135 Vorlagen für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Sachenrecht I, S.490 (= Schubert, S.614). 1 3 6 Vgl. S. 35ff. 137 Johow, in: Vorlagen für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Sachenrecht I, S.494f. (= Schubert, S.614f.) 138 Patentrecht-, Patentgesetz vom 2 5 . 5 . 1877 (RGBl. 1877, 501ff.); Urheberrecht: Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken vom 11.6. 1870 (Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1870, 339ff.). Dieses Gesetz des Norddeutschen Bundes wurde durch die Verfassung des Deutschen Bundes auf Baden und Hessen erstreckt und mit dem Beitritt Baden-Württembergs zur Verfassung des deutschen Bundes auch dort wirksam (vgl. näher Dölemeyer, in: Coing III/ 3, S.4018). In Bayern wurde das Gesetz erst nach Gründung des Deutschen Reiches durch spezielles Gesetz zum 1.1. 1872 in Kraft gesetzt (§11 des Gesetzes vom 2 2 . 4 . 1871, BundesGesetzblatt des Deutschen Bundes 1871 S.87); Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste vom 9 . 1 . 1876 (RGBl. 1876 S.4); Gesetz, betreffend den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung vom 10.1. 1876 (RGBl. 1876 S.8); Musterrecht: Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11.1. 1876 (RGBl. 1876 S. 11). 139 Johow, in: Vorlagen für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Sachenrecht I, S.495 in Fn. 3 (= Schubert, S.614f.). 140 Motive III, 32f. (= Mugdan III, S. 18).

104

Teil 1: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Windscheid hatte in seinem Werk „Sache" als „einzelnes Stück der vernunftlosen N a t u r " definiert. 141 Eine weitergehendere Definition sei „für das Recht unbrauchbar". Hieraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, Windscheid habe den Anwendungsbereich sachenrechtlicher Normen beschneiden wollen. Auch „bloß gedachte Dinge" könnten wie körperliche Sachen zu behandeln sein. In Betracht kämen hier zum einen Sachgesamtheiten und zum anderen Rechte. Aus der Gruppe der Rechte seien auch die „Geistesproducte" zu beachten, die den Regelungen für körperliche Gegenstände unterworfen werden könnten. Gleichzeitig warnt er allerdings vor der Verwendung des Begriffes „geistiges Eigentum", da dieser Mißverständnisse hervorrufen könne. 142 In den Motiven wird aus der Unterteilung in res corporales und res incorporalesw die bloße Möglichkeit der Rechtsordnung abgeleitet, für körperliche und unkörperliche Gegenstände teilweise oder vollständig identische Regelungen zu treffen. Im weiteren Textverlauf werden in den Motiven die unterschiedlichen Eigentumsbegriffe der Zivilrechtskodifikationen einiger Staaten - u.a. der weite, auch Rechte umfassende Eigentumsbegriff des preußischen allgemeinen Landrechts 144 - dargestellt. Anschließend erfolgt eine scharfe Begrenzung des dem zukünftigen BGB zugrundezulegenden Eigentumsbegriffes. 145 Dingliche Rechte werden nur an körperlichen Sachen zugelassen. Die vom preußischen allgemeinen Landrecht gewählte Kombinationsbezeichnung „Eigentum" für Rechte und Sachen solle für das BGB nicht übernommen werden. Statt dessen sei für Normen, die sowohl auf Sachen wie auch auf Rechte zur Anwendung kommen, die Bezeichnung „Gegenstand" zu verwenden. 146 Eine demgegenüber auf Rechte an Sachen beschränkte Eigentumsdefinition habe den Vorteil, eine „doppelsinnige" Auslegung zu verhindern. Verwiesen wird auf die ZPO, wo in den §§ 712, 745, 746, 810 Abs. 3 ZPO a.F. 147 das Tatbestandsmerkmal „Sache" durch die Hinzu141

Windscheid I 5 , § 137 (S.416). Windscbeid I s , § 137 a.E. (S.419). 143 Vgl. hierzu S.10. 144 Vgl. hierzu S. 37. 145 Motive III, 33 (= Mugdan III, S. 18). 146 Der Begriff „Gegenstand" wird im BGB amorph verwendet: als Objekt einer Verfügung in den § § 1 3 5 Abs. 1, 161 Abs. 1, 185, 747, 816 Abs. 1, 2040 Abs. 1 (Nachlaßgegenstand), als Objekt einer schuldrechtlichen Verpflichtung (§§256, 260 A b s . l , § 2 7 3 Abs.2, 292 Abs. 1, 434, 444, 504, 581 A b s . l , §§743ff., 2149 (schuldrechtlich, da der Gegenstand den gesetzlichen Erben vermacht wird), 2374 oder auch im untechnischen Sinne (§§32 A b s . l , 387, 611 Abs. 2, 1822 Nr. 12 BGB), vgl. MünchKomm 4 /Holch, § 90 Rz. 1. 147 ZPO vom 30.1. 1877 (RGBl. 1877, S.83): §712 A b s . l : „Die Pfändung der im Gewahrsam des Schuldners befindlichen körperlichen Sachen wird dadurch bewirkt, daß der Gerichtsvollzieher dieselben in Besitz nimmt." §745: „Die ZV in Ansprüche, welche die Herausgabe oder Leistung körperlicher Sachen zum Gegenstand haben, erfolgt nach den Vorschriften der § § 7 3 0 - 7 4 4 unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bestimmungen." 142

§5 Ablösung der Theorie vom geistigen Eigentum durch modernere Deutungen

105

fügung des Adjektivs „körperlich" weiter konkretisiert werden mußte. Gegen diese Unsicherheiten war eine enge gesetzliche Definition des Sachbegriffes gerichtet. Die Vorschriften über das „Eigentum" sollten prinzipiell nur auf körperliche Sachen angewendet werden. Ausnahmen - zumindest aufgrund expliziter gesetzlicher Anordnung - seien möglich. Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum BGB wurde der Eigentumsbegriff noch einmal kontrovers diskutiert, nachdem ein Antrag auf Streichung des § 778 gestellt worden war. 148 Die Kommission lehnte dieses Begehren ab. 149 Der Sprachgebrauch des Gesetzes gewinne durch die angegriffene Norm erheblich an Schärfe. In den Gesprächen in der Kommission sei die Ansicht geäußert worden, daß man auch von dinglichen Rechten an unkörperlichen Sachen, zum Beispiel vom Eigentum an einer Forderung, sprechen könne. Dies zeige, daß dem Begriff eine gewisse Unpräzision anhafte. Solche Zweifel könnten mit der angestrebten Legaldefinition vermieden werden. Diese fand dann als § 90 BGB Eingang in das Gesetz, nachdem zuvor noch dem Änderungsantrag, die Regelung des § 778 in den Allgemeinen Teil zu verschieben, stattgegeben worden war. 150 Aufgrund dieser Legaldefinition des Eigentumsbegriffes des deutschen BGB war eine Einordnung der Urheber- und Erfinderrechte unter den Eigentumsbegriff der neuen Zivilrechtskodifikation nicht möglich. Die enge Definition des Eigentumsbegriffes des BGB wird auch in den Motiven zu Art. 181 EGBGB, der Ubergangsregelung für den Eigentumsinhalt, deutlich. Dort 151 heißt es: „Der Begriff des Eigenthumes, als des Rechts zur ausschließlichen Sachherrschaft, verbunden mit der Befugnis zu derjenigen rechtlichen Verfügung über die Sache, welche das Gesetz gestattet, ist ein unwandelbarer, in Ansehnung dessen altes u n d neues Recht zusamm e n s t i m m e n müssen."

§ 7 4 6 Abs. 1: „Bei der Pfändung eines Anspruches, welcher eine bewegliche körperliche Sache betrifft, ist anzuordnen, daß die Sache an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sei." § 8 1 0 Abs. 3: Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag anordnen, daß eine bewegliche körperliche Sache, wenn sie der Gefahr einer beträchtlichen Werthverringerung ausgesetzt ist oder wenn ihre Aufbewahrung unverhältnismäßige Kosten verursachen würde, versteigert und der Erlös hinterlegt werde." 148 Vgl. Protokolle III, 3275 (= Mugdan III, 486). 149 Vgl. Protokolle III, 3276f. (= Mugdan III, 486). 150 Die Verschiebung erfolgte, weil das Sachenrecht auf dem Gegensatz zwischen dinglichen und persönlichen Rechten beruht, während die §§ 90ff. BGB auch im Schuldrecht bedeutsam werden können, vgl. Staudinger 13 /D;7cfcer, Vorbem zu §§ 90ff. Rz. 1. 151 Mot., S.264.

106

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

2. Modifikation § 90a BGB?

des Eigentumsbegriffs

eines umstrittenen

Begriffs

durch §903 S.2 BGB und

Der Sachbegriff in § 90 BGB, der auch Grundlage der Bestimmung der Herrschaftsbefugnis des Eigentümers in § 903 BGB ist, kannte ursprünglich keine Differenzierungen in bezug auf das Bezugsobjekt der Herrschaft. Alle körperlichen Sachen waren gleichgestellt. Mit dem gewandelten Verständnis des Tieres als eines Mitgeschöpfes des Menschen schien diese Gleichstellung nicht mehr vereinbar zu sein. Der Gesetzgeber entschied sich, die schon im Tierschutzrecht verankerten Anschauungen auf das BGB zu übertragen. 152 Hierzu mußte die Gleichstellung von Sache und Tier durchbrochen werden. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 2 0 . 8 . 1990 1 5 3 wurde § 9 0 a in das BGB eingefügt. Dieser bestimmt: „Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist."

Mit dieser Regelung ist der Eigentumsbegriff des BGB modifiziert worden. Diese erfolgte allerdings nicht durch § 903 S. 2 BGB, der klarstellt, daß öffentlichrechtliche Normen die Herrschaftsbefugnis über ein Tier beschränken. 154 Bedeutsam ist vielmehr, daß - anscheinend unbewußt - die Fixierung des bürgerlich-rechtlichen Eigentumsbegriffes auf Sachen durchbrochen wurde. § 903 S. 1 BGB gibt dem Eigentümer die Herrschaftsbefugnis über Sachen. Durch § 90 BGB war gewährleistet, daß diese Herrschaftsbefugnis nur für körperliche Sachen bestand. Diese Verknüpfung ist mit § 90a BGB durchbrochen worden. Tiere sind nunmehr keine Sachen. Sie werden vielmehr aufgrund einer Fiktion wie Sachen behandelt. 155 Die Fiktion hat zur Konsequenz, daß der Kreis der unter § 903 BGB fallenden Eigentumsobjekte in rechtlicher Hinsicht größer wird. Waren zuvor nur körperliche Sachen, zu denen Tiere unstreitig zählten, Bezugsobjekt des Eigentums, so sind nunmehr körperliche Sachen und - als davon verschiedene Rechtsobjekte - Tiere eigentumsfähige Rechtsobjekte. Der Gesetzgeber hat also die tradierte Zweiteilung in körperliche und unkörperliche Gegen152 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht, BT-Dr. 11/5463 S. 5 f. 153 BGBl. 1990 I S. 1762. 154 Dogmatisch zutreffend kann § 903 S.2 BGB so verstanden werden, daß die bestehenden öffentlich-rechtlichen Eigentumsschranken in das Zivilrecht transformiert werden (so anscheinend auch MünchKomm 3 /Säcker, §903 Rz.28 [bei Fn.38]). 155 Vgl. MünchKomm 3 /iio/c^, §90a Rz. 11; Da es sich um eine Fiktion und nicht um eine lückenschließende Analogie handelt, ist die Strafbarkeit bei Diebstahl bzw. Beschädigung eines Tieres nach § § 242, 303 StGB weiter gegeben (vgl. BayObLG NJW 1 9 9 3 , 2 7 6 0 , 2 7 6 1 ; Lackner/ KühP1, § 242 Rz. 2; § 303 Rz. 2; unentschlossen zur Annahme einer Fiktion Braun, JuS 1992, 758ff. [vgl. einerseits S.759 bei Fn. 9 und andererseits S.761 r. Sp.).

§5 Ablösung

der Theorie

vom geistigen

Eigentum

durch modernere

Deutungen

107

stände aufgegeben und eine dritte Gruppe von Rechtsobjekten geschaffen. 156 Die Schaffung einer neuen sachenrechtlichen Kategorie zeigt, daß die Struktur des Sachenrechts flexibel ist und eine Änderung des Kreises der unter das Sachenrecht fallenden Rechtsobjekte relativ einfach möglich ist. Allerdings muß von zu weitreichenden Schlüssen aus der Vorschrift des § 9 0 a B G B gewarnt werden. Die Vorschrift hat zwar für das Sachenrecht eine dogmatische Bedeutung. Diese ist ihr aber anscheinend vom Gesetzgeber nicht bewußt beigelegt worden. Beabsichtigt war eine Signalfunktion mit dem Ziel einer Bewußtseinsschärfung im Sinne eines ethisch fundierten Tierschutzes. 157 Eine Umgestaltung der Dogmatik des Sachenrechts war nicht normatives Ziel, sondern ist als bloße Reflexwirkung eingetreten. In bezug auf die Anwendbarkeit sachenrechtlicher Vorschriften hat § 9 0 a B G B keine materiell-rechtlichen Veränderungen herbeigeführt. 158 Tiere waren vor der Novelle Sachen nach § 90 B G B und damit den Regelungen über das Sacheigentum unterworfen. Die gleichen Bestimmungen finden nunmehr nach § 9 0 a S. 2 B G B Anwendung. Insoweit hat § 90a B G B also das rechtstatsächliche Erscheinungsbild des Sachenrechts nicht umgestaltet. Weitreichenden Schlüssen steht auch entgegen, daß weiterhin von den §5 9 0 3 ff. B G B nur körperliche Gegenstände erfaßt werden. Es kann daher nicht unter Verweis auf § 90a B G B gefordert werden, nunmehr auch nichtkörperliche Gegenstände (wie zum Beispiel das urheberrechtliche Werk) durch eine Fiktionsnorm in den Anwendungsbereich der Eigentumsvorschriften einzubeziehen. Allerdings hat der Gesetzgeber gezeigt, daß die Bestimmung des Regelungsbereiches der §§ 9 0 3 ff. B G B nicht statisch ist, sondern verändert werden kann. Eine Anwendung der §§ 9 0 3 ff. B G B auf unkörperliche Gegenstände kann nicht mehr mit dem Argument zurückgewiesen werden, nur Sachen im Sinne des B G B seien eigentumsfähig. Der Gesetzgeber hat also - anscheinend vollkommen unbewußt - der Eigentumsdogmatik vollkommen neue Dynamisierungsmöglichkeiten eröffnet.

Staudinger13/D//cW, § 90a R z . 2 . Bericht des Rechtsausschusses, BT-Dr. 11/7369, S 5 . 158 Staudinger 13 /D;7cW, § 90a R z . 6 ; M ü n c h K o m m 4 / H o l c h , § 90a R z . l l ; richs, § 90a Rz. 1. 156

157

Va\andnmlHein-

108

Teill: Geistiges Eigentum — Entwicklungslinien

eines umstrittenen

§ 6 Geistiges Eigentum in der wissenschaftlichen bis zur Urheberrechtsreform 1965

Begriffs

Diskussion

I. Monistische Theorie Ein weiterer grundlegender Einschnitt in der Urheberrechtstheorie wurde durch die neuere, in verschiedenen Ausprägungen vertretene monistische Theorie begründet, mit der sich die Entwicklung weg von der Lehre vom geistigen Eigentum manifestierte. Die monistische Theorie ist in ersten Ansätzen schon bei Rabel1 in einer aus dem Jahr 1900 stammenden Arbeit zu finden. Das österreichische Urheberrechtsgesetz von 1895 hatte das Urheberrecht für unübertragbar erklärt. Nur das Recht zur Ausübung konnte übertragen werden. Rabel stellte bei einer Untersuchung dieser Regelung fest, daß die Motive vermögensrechtliche und höchstpersönliche Bestandteile des Rechts trennen. Nach Rabel sind im Urheberrecht verschiedene Gruppen von Befugnissen eingeschlossen: Individualrechte und Vermögensrechte. 2 Nicht ganz deutlich wird, ob Rabel annimmt, daß es sich um ein Recht handelt, welches verschiedene Befugnisse gewährt, oder ob nur die Verknüpfung der beiden Befugniskomplexe aufgezeigt werden sollte. Wahrscheinlicher ist es aber, daß Rabel von der Existenz eines Rechtes, das dem Inhaber verschiedene Befugnisse gewährte, ausging. Rehbinder nennt als Schöpfer der monistischen Theorie den österreichischen Ministerialbeamten Karl Lissbauer, auf den die erste gesetzliche Statuierung der Theorie im österreichischen Urheberrechtsgesetz von 1936 zurückzuführen ist. 3 Die monistische Theorie in ihrer heute üblichen Fassung ist besonders prägnant von Ulmer 4 beschrieben worden. Hiernach ist das Urheberrecht kein Doppelrecht, bestehend aus Vermögensrecht und Urheberrecht. Vielmehr handele es sich um ein einheitliches Recht, das weder reines Vermögensrecht noch reines Persönlichkeitsrecht ist. Das Urheberrecht - als einheitliches Recht - umfasse sowohl persönlichkeitsrechtliche als auch vermögensrechtliche Aspekte. Zur prägnanten Beschreibung vergleicht Ulmer die monistische Theorie mit einem Baum: 5 „Die beiden Interessengruppen erscheinen, wie bei einem Baum, als die Wurzeln des Urheberrechts, und dieses selbst als ein einheitlicher Stamm. Die urheberrechtlichen Befugnisse aber sind den Ästen u n d Zweigen vergleichbar, die aus dem Stamm erwachsen. Sie ziehen die K r a f t bald aus beiden, bald ganz oder überwiegend aus einer der W u r z e l n . " 1 Rabel, GrünhutsZ 27 (1900), 71 ff. (Reprint in UFITA 108 [1988], 185ff.); Neben Rabel gelten noch Allfeld und H. Mitteis als Verfasser grundlegender Vorarbeiten (vgl. Rehbinder, Urheberrecht, § 3 VII [S.29]). 2 Rabel, GrünhutsZ 27 (1900), 71ff. (Reprint in UFITA 108 [1988], 185, 192f.). 3 Rehbinder, Urheberrecht 10 , Rz.28. 4 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht 3 , § 18 (S. 114ff.). 5 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht 3 , § 18 II 4 (S.116ff.).

§ 6 Geistiges Eigentum in der wissenschaftlichen

Diskussion

bis 1965

109

Kennzeichen dieser Auffassung ist ein flexibles System der Rechtsbegründung. Vermögensrechtliche Ansprüche des Urhebers lassen sich auch aus dem Persönlichkeitsrecht ableiten. Die Abgrenzung zwischen monistischer und dualistischer Theorie ist allerdings nicht so scharf, wie die Begrifflichkeit andeutet. Bereits Kohler erkannte Verknüpfungen zwischen Immaterial- und Persönlichkeitsrecht an. 6 Die Intensität dieser Verbindung ist variabel und kann soweit gesteigert werden, daß nur noch ein Recht vorliegt. Es sind viele Zwischenstufen möglich, die es erschweren, Positionen der einen oder der anderen Ansicht zuzuordnen. Ein gutes Beispiel ist die schon erwähnte Arbeit von Rabel, die dogmatisch im Grenzbereich zwischen den Reinformen der beiden Theorien angesiedelt ist. 7 Wichtig ist, daß eine grobe Zuordnung nicht dazu führen darf, notwendige Differenzierungen zu unterlassen. Beispielsweise kann eine Abwägung der betroffenen Interessen ergeben, daß die Möglichkeit der Übertragung des Urheberrechts sachgerechter ist als eine Übertragungssperre. In einer solchen Situation darf nicht mit dem groben Keil der Theorienzuordnung das Öffnen der Tür, die zu einer sachgerechten Problembewältigung führt, verhindert werden. Die Etablierung der monistischen Theorie in der Bundesrepublik Deutschland erfolgte mit der Urheberrechtsreform 1965. Das Gesetz ist gekennzeichnet durch die enge Verknüpfung persönlichkeitsrechtlicher und vermögensrechtlicher Befugnisse des Urhebers. Deutlich wird dies in § 11 des Urheberrechtsgesetzes: „Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk u n d in der N u t z u n g des Werkes."

Zu dieser Norm heißt es in der Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes über Urheberrecht vom 23.3. 1962: 8 „Die Bestimmung umschreibt allgemein den Inhalt des Urheberrechts und bringt zum Ausdruck, d a ß das Urheberrecht sowohl dem Schutz der ideellen als auch der materiellen Interessen des Urhebers dient. Beide Seiten des Urheberrechts - das Persönlichkeitsrecht und das Vermögensrecht (Verwertungsrechte) - bilden eine untrennbare Einheit und sind vielfältig miteinander verflochten. So ist z.B. die Verwertung eines unveröffentlichten Werkes ohne gleichzeitige Ausübung des Veröffentlichungsrechtes nicht möglich u n d die Nutzungsrechte bleiben auch nach ihrer Einräumung an Dritte weiterhin dem beim Urheber verbliebenen Persönlichkeitsrecht unterworfen. Die einzelnen sich aus dem umfassenden Urheberrecht ergebenden persönlichkeitsrechtlichen und vermögensrechtlichen Befugnisse des Urhebers sind in den folgenden Bestimmungen näher geregelt."

6

Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, (S.461 ff.). Rabel, GrünhutsZ 27 (1900), 71 ff. (Reprint in UFITA 108 [1988], 185ff.); vgl. oben S. 108. 8 BT-Dr. IV/270, S.43. 7

110

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Der Gesetzgeber hat sich also ausdrücklich für die monistische Deutung des Urheberrechts entschieden. Auch die gern als Indikator für die vom Gesetzgeber getroffene Theorienwahl 9 gewählte legislative Entscheidung zur Übertragbarkeit des Urheberrechts harmoniert mit der monistischen Theorie. § 29 UrhG ordnet die Unübertragbarkeit des Urheberrechts an. Nach der Begründung des Regierungsentwurfes des Urheberrechtsgesetzes ist diese Regelung aufgrund der engen Verbindung von Persönlichkeitsrechten und Vermögensrechten erfolgt. 10 Die Regelungen des alten Rechts (§ 8 LUG, § 10 KUG), die eine Übertragung des Urheberrechts ermöglichten, aber bestimmte persönlichkeitsrechtliche Befugnisse dem Urheber beließen, hätten sich nicht bewährt. Durch die erforderliche Differenzierung zwischen übertragbaren Bestandteilen und den dem Urheber verbleibenden Rechten seien schwierige Abgrenzungsfragen hervorgerufen worden. Diese Probleme sollten durch den vollständigen Ausschluß der Übertragung ausgeschlossen werden. Mit dem Urheberrechtsgesetz vom 9.9. 1965 11 ist diese Novelle umgesetzt worden. Vorausgegangen war eine intensive rechtswissenschaftliche Diskussion, im Rahmen derer auch die Theorie vom geistigen Eigentum wieder Beachtung fand.

II. Die Diskussion um die Urheberrechtsreform 1965 Problemstellung

1.

Mit den Gesetzen von 1901 12 und 1907 13 kam die deutsche Gesetzgebung auf dem Gebiet des Urheberrechts im wesentlichen zum Stillstand. Nur dank der flexiblen Rechtsprechung war es möglich, den von technischen Neuerungen, aber auch von Revisionen der Berner Übereinkunft ausgehenden Innovationsdruck hinreichend Rechnung zu tragen. 14 Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland die Arbeiten an einer grundlegenden Novelle des Urheberrechts wieder aufgenommen. Die 1954 vorgelegten Referentenentwürfe riefen eine lebhafte wissenschaftliche Diskussion hervor. Vielen Autoren ging der geplante Urheberschutz nicht weit genug. In dieser Situation besann man sich auf die Legitimationskraft des geistigen Eigentums.

9

So Rehbinder, Schweizerisches Urheberrecht, § 3 VI (S. 37). BT-Dr. IV/270, S.43. 11 BGBl. 1965 I S. 1273. 12 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19.6. 1901 (RGBl. S.227); Gesetz über das Verlagsrecht vom 19.6. 1901 (RGBl. 1901 S.217). 13 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9.1. 1907 (RGBl. 1907 S.7). 14 Vgl. näher Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht 3 , § 10 I (S.60); Rehbinder, Urheberrecht 10 , Rz. 34. 10

§6

Geistiges

2. Protagonisten a. Heinrich

Eigentum

in der wissenschaftlichen

des geistigen

Diskussion

bis

1965

111

Eigentums

Hubmann

In die Diskussion um die Urheberrechtsreform trat 1954 Heinrich Hubmann mit der kämpferischen Schrift „Das Recht des schöpferischen Geistes" ein. In dieser teilweise nicht ganz einfach zu verstehenden Abhandlung 15 werden Begriff und Inhalt des Eigentums herangezogen, um die Rechtsposition des Urhebers auszuloten. Leitmotiv für Hubmanns Werk ist der Grundsatz „Suum cuique." Hiervon ausgehend macht sich Hubmann auf die Suche nach dem „Suum" des Urhebers. 16 Daran schließen sich naturrechtlich geprägte Ausführungen zum - von Hubmann zunächst in Anführungszeichen gesetzten - „geistigen Eigentum" an. 17 Ausgehen müsse man von dem selbstverständlichen Grundsatz, daß jeder Mensch auf das, was ihm von Natur gehört, insbesondere auf das, was seinem Wesen entstammt und nur ihm seine Existenz verdankt, ein Anrecht hat. Insofern müsse er gegen fremde Aneignung geschützt werden. 18 An diese Arbeitsthese schließt Hubmann die Bestimmung der Voraussetzungen für den Erwerb von geistigem Eigentum (nunmehr ohne Anführungszeichen) an. Als wesentlich wird die Erstellung eines schöpferischen Werkes angesehen. Dieses bestehe aus mehreren Schichten, deren tragende, sinnlich wahrnehmbare Schicht das Eigentum sei.19 Das „geistige Eigentum" 20 des Urhebers werde allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Der geistig Schaffende sei in das Leben der Gemeinschaft eingebettet. 21 Er müsse an den Mitmenschen abgeben, damit auch dieser seine Lebensaufgabe erfüllen könne. 22 Der Ausgleich habe durch eine Interessenabwägung zu erfolgen. Diese wiederum müsse sich an die vorgegebene naturrechtliche Ordnung, „die nicht Menschenwerk ist", halten. 23 Diese beinahe romantisch wirkende naturrechtliche Verklärung gewinnt aber durch das Ummünzen in praktische Forderungen erheblich an Schärfe. Aus Art. 3 Abs. 1 GG leitet Hubmann die Forderung ab, daß für die Ausgestaltung des Urheberrechts vor allem Parallelen zur Eigentumsordnung zu ziehen seien. Der geistig Schaffende habe an den seiner Individualität entsprungenen Inhalten und Werten eine Art geistiges Eigentum erworben. 24 Aus diesem Prinzip leitet Hubmann den Grundsatz ab, dem Inhaber des geistigen Eigentums dürften keine 15 16 17 18 19 20 21 22 25 24

So auch de Boor, UFITA 2 1 (1956), 128, 132. Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S.6, 8. Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S . 3 1 f f . Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S.31. Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S.47. Setzung der Anführungszeichen nach Hubmann (Recht des schöpferischen Geistes, S. 56). Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S. 56. Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S. 57. Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S. 57. Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S . 6 1 .

112

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

Opfer auferlegt werden, wenn diese in einer vergleichbaren Situation auch nicht von einem Sacheigentümer verlangt werden. Weitgehend eingeschränkt wird diese Regel allerdings durch eine sofort vorgenommene Relativierung: Etwas anderes gelte, wenn sich die Notwendigkeit der Beschränkung aus der N a t u r des geistigen Schaffens ergebe. 2 5 H u b m a n n s weitreichende These zur Inhaltsbestimmung des geistigen Eigentums läßt ein Eintreten für das zeitlich unbegrenzte Urheberrecht erwarten. 2 6 Hierfür plädiert er aber nicht. Aufgrund der bestehenden Unterschiede zum Sacheigentum sei ein ewiger Schutz nicht indiziert. Das Sacheigentum bestehe an vertretbaren O b j e k t e n . Sachen könnten immer wieder neu produziert werden. 2 7 M i t einer nicht nachvollziehbaren Bezugnahme auf die Sozialbindung 2 8 leitet H u b m a n n aus der Vertretbarkeit einen Differenzierungsgrund ab, so d a ß im Ergebnis eine zeitliche Limitation des Urheberrechtes zu rechtfertigen sei. Hieran schließt sich aber sofort das zurückhaltende Plädoyer für eine Schutzfristverlängerung (über 5 0 J a h r e hinaus) an. Die weite eigentumsartige Gründung des Urheberrechts ist für H u b m a n n daneben Anlaß, als weitere persönlichkeitsrechtliche Befugnis des Urhebers das Folgerecht anzuerkennen. 2 9 § 2 7 L U G 3 0 , der in bestimmten Fällen eine kostenlose öffentliche Aufführung eines musikalischen Werkes zuließ, stelle eine unzulässige Einschränkung der Rechte des Urhebers dar. 31 Im Ergebnis stellt H u b m a n n fest, daß gegenüber der gegebenen Rechtslage die Urheberbefugnisse erheblich zu erweitern seien. Hieraus kann aber nicht

der Schluß gezogen werden, die

Theorie des geistigen Eigentums sei herangezogen worden, um dem Urheber Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S.61. So auch de Boor, UFITA 21 (1956), 129, 132. 2 7 Zu Recht zweifelnd de Boor, UFITA 21 (1956), 129, 132. 28 Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S. 152 f. „Bei diesem in der Natur der Dinge liegenden fundamentalen Unterschied würde es dem im sozialen Gedanken enthaltenden Wert der Liebe[ Fn ] widersprechen, einem einzelnen auf Dauer ein absolutes Recht an geistigen Gütern zu gewähren, das ihn berechtigen würde, alle anderen von ihrem Genuß auszuschließen." [ Fn ] Es kann in der Tat nur Liebe sein, die einen Menschen veranlassen kann, andere an dem, was er aus der eigenen Individualität geschöpft hat, teilnehmen zu lassen; denn niemand hat einen Anspruch darauf, daß der andere für ihn schöpferisch tätig ist." 2 9 Jetzt: § 2 6 UrhG. 30 $27 LUG vom 19.6. 1901 (RGBl. S.227): (1) „Für öffentliche Aufführungen eines erschienenen Werkes der Tonkunst bedarf es einer Einwilligung des Berechtigten nicht, wenn sie keinen gewerblichen Zweck dienen und die Hörer ohne Entgelt zugelassen werden. Im Uebrigen sind solche Aufführungen ohne Einwilligung des Berechtigten zulässig: 1. wenn sie bei Volksfesten, mit Ausnahme der Musikfeste, stattfinden; 2. wenn der Ertrag ausschließlich für wohlthätige Zwecke bestimmt ist und die Mitwirkenden keine Vergütung für ihre Thätigkeit erhalten; 3. wenn sie von Vereinen veranstaltet werden und nur die Mitglieder sowie die zu ihrem Hausstande gehörigen Personen als Hörer zugelassen werden. 31 Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S. 135. 25

26

§ 6 Geistiges Eigentum in der wissenschaftlichen

Diskussion bis 1965

113

mehr Rechte zu verschaffen. Dies kann zwar sein. Umgekehrt wird hierdurch H u b m a n n ein ergebnisorientiertes Arbeiten unterstellt. Dafür, daß er nur eine ergebnisorientierte, eventuell die Belange einer bestimmten Gruppe fördernde Kampfschrift erstellen wollte, fehlen aber jegliche Anknüpfungspunkte. Die theoretische Verortung des geistigen Eigentums bei H u b m a n n darf nicht automatisch bei der naturrechtlichen Lehre vom geistigen Eigentum des 1 8 . und 1 9 . Jahrhunderts erfolgen. Dieser ist zwar nach Ansicht von H u b m a n n die Trennung von körperlichem M a n u s k r i p t und geistigem Gut gelungen. Sie habe aber nicht den Unterschied zwischen Gemeingut und geistigem Gut realisiert. 3 2 Im übrigen wird von H u b m a n n die Existenz von persönlichkeitsrechtlichen und vermögensrechtlichen Komponenten ebenfalls angenommen. 3 3 Das Urheberrecht sei ein einheitliches R e c h t , das sich in einen immaterialrechtlichen und einen persönlichkeitsrechtlichen Bestandteil gliedere. Hieraus dürften aber nicht nach begriffsjuristischer M e t h o d e Schlüsse gezogen werden. 3 4 Beachtet werden m u ß nach H u b m a n n jedenfalls, daß persönlichkeitsrechtliche Interessen und deren Wahrnehmung im Einzelfall übertragbar seien. 3 5 b. Heinrich

Lehmann,

Ermecke,

Overath

und

Richartz

Unter dem Titel Urheberrechtsreform - ein G e b o t der Gerechtigkeit - erschien 1 9 5 4 eine Sammlung von Beiträgen zur Urheberrechtsreform. L e h m a n n sieht in der Herausarbeitung der Differenzen zwischen Sach- und geistigem Eigentum einen der Gründe, die dazu geführt haben, daß das geistige Eigentum nur einen geringen Schutz genieße. Diesbezüglich spricht L e h m a n n sogar von der „Vogelfreiheit des geistigen E i g e n t u m s " . 3 6 Die Einschränkung der Urheberbefugnisse durch § 2 7 L U G (öffentliche Aufführung ohne Zustimmung bei fehlendem gewerblichem Z w e c k ) wird von L e h m a n n als entschädigungslose Enteignung gebrandmarkt. D e r Hinweis auf die soziale Bindung des Urheberrechts greife nicht durch, da auch das Sacheigentum einer Sozialbindung unterfalle. Diese Ausführungen Lehmanns können nur vor dem Hintergrund eines in den 5 0 e r J a h r e n n o c h weniger weit entwickelten Verständnisses des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes gesehen werden. Die Sozialbindung des Sacheigentums war damals noch nicht so klar akzentuiert, wie das heute der Fall ist. Vor dem Hintergrund der nunmehr ausdifferenzierten Rechtsprechung zur zulässigen Inhaltsbestimmung des Eigentums 3 7 wäre L e h m a n n sicherlich zu einem anderen Ergebnis gelangt. Seine Erwägungen scheinen auf einer Gleichsetzung von inhaltlicher Beschränkung und Enteignung zu beruhen. 32 33 34 35 36 37

Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S.71. Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S. 84ff. Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S.88. Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S. 86f. Lehmann, in: Urheberrechtsreform - ein Gebot der Gerechtigkeit, S. 9. Vgl. nur BVerfGE 52, 1, 27f.; 58, 300, 320; 80, 137, 151 f.

114

Teil 1: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Der von Lehmann verwendete Begriff des Eigentums macht zumindest Anlehnungen an die alte germanische Eigentumsterminologie (Eigentum ist, was mir eigen ist, und eigen ist, was mir allein gehört 38 ). Er spricht von einer „eigentümlichen Schöpfung" des Urhebers, die ohne weitere Erwägungen dem Eigentum an Sachen gegenübergestellt wird. 39 Fast automatische Konsequenz dieses Ansatzes ist es, das Eigentum an geistigen Schöpfungen wegen seines zusätzlichen geistigen Inhalts höher zu bewerten als das Sacheigentum.40 Ausgehend von dieser Rangfolge ist die Forderung nach einem ewigen Urheberrecht logische Folge. Lehmann öffnet sich aber aufgrund von Interessen der Allgemeinheit einer Begrenzung der Schutzfrist. Diese setze aber voraus, die Erben entsprechend § 75 Einleitung pr. ALR zu entschädigen. Die theologisch-naturrechtlich fundierte Kritik von Ermecke geht davon aus, daß nur Gott absolutes Eigentum zusteht. Der Mensch könne nur relatives Eigentum erwerben. Das geistige Eigentum sei aber jedenfalls nicht relativer als das materielle Eigentum. Dennoch wird von Ermecke die zeitliche Begrenzung des geistigen Eigentums akzeptiert. Das geistige Werk sei in dieser Zeit Allgemeingut geworden.41 Der Gedanke des domaine public payant (Urhebernachfolgevergütung)42 trifft aber auf Ermeckes Zustimmung. Der Sammelwerk-Beitrag von Overath 43 beschränkt sich darauf, ohne spezifisch juristische Argumentation die Schutzwürdigkeit verschiedener Musikarten zu unterstreichen. Auch die fehlende dogmatische Bedeutung des Beitrages von Richartz wird bei Betrachtung seiner Zielformulierung deutlich: Derjenige, dem der Schutz des Urhebers wichtig sei, interessiere sich weniger für die Theorien und Konstruktionen des Urheberrechts.44 Bei einer Gesamtschau des Werkes kann den Beiträgen in bezug auf die wissenschaftliche Durchdringung des Begriffes des geistigen Eigentums kein besonderer Wert zugesprochen werden. Bemerkenswert ist allein, mit welcher Selbstverständlichkeit ein „geistiges Eigentum" des Urhebers angenommen wird. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Legitimationskraft des Eigentumsbegriffes von den Verfassern für ihre weitreichenden Forderungen ausgenutzt werden sollte. Der Vergleich zwischen Sach- und geistigem Eigentum läßt die radikalen Forderungen der Verfasser plausibel und in einem milden Licht erscheinen.

Vgl. Kohler, AcP 32 N.F. (1894), 141ff. (Reprint in UFITA 123 [1993], 99). Lehmann, in: Urheberrechtsreform - ein Gebot der Gerechtigkeit, S. 10. 40 Lehmann, in: Urheberrechtsreform - ein Gebot der Gerechtigkeit, S. 11. 41 Ermecke, in: Urheberrechtsreform - ein Gebot der Gerechtigkeit, S. 30. 4 2 Vgl. zur Urhebernachfolgevergütung Dittrich, (Hrsg.), Domaine Public Payant; ZfRV 1999, 81 ff.; Dillenz, GRUR Int. 1983, 920ff. 43 Overath, in: Urheberrechtsreform - ein Gebot der Gerechtigkeit, S.31ff. 44 Richartz, in: Urheberrechtsreform - ein Gebot der Gerechtigkeit, S.41. 38 39

Diez,

§6

c. Erich

Geistiges

Eigentum

in der wissenschaftlichen

Diskussion

bis

115

1965

Schulze

Ebenfalls 1 9 5 4 erschien unter den Titel „Recht und Unrecht" eine umfassende Studie zur Urheberrechtsreform von Erich Schulze, dem Generaldirektor der G E M A . Schulze weist Richartz das Verdienst zu, den Rechtsbegriff

des

geistigen Eigentums wieder „an den Anfang aller urheberrechtlicher Betrachtungen" gestellt zu haben. 4 5 Auch Schulze 46 wendet sich entschieden gegen Versuche, Beschränkungen des Ausschließlichkeitsrechtes des Urhebers für bestimmte Veranstaltungen wie zum Beispiel Wohltätigkeitsveranstaltungen aufrechtzuerhalten. Das Argument, der Urheber selbst hätte in diesen Fällen auf eine Vergütung verzichtet, dies sei ihm aber wegen der dazwischengeschalteten Verwertungsgesellschaften nicht möglich, wird aus zwei Gründen zurückgewiesen. Zum einen stehe gar nicht fest, daß der Urheber auf seine Vergütungsansprüche verzichtet hätte. Dieser hätte genausogut

Bezahlung

verlangen können. Zum anderen seien die Verwertungsgesellschaften nicht so unnachgiebig, wie dies durch den Referentenentwurf indirekt unterstellt werde. M i t einer Vielzahl wohltätiger Verbände wie zum Beispiel dem Roten Kreuz seien Vereinbarungen über Tantiemereduzierungen getroffen worden. Gewerkschaftliche Feierstunden zum 1. Mai seien tantiemefrei. Rechtspolitisch

ist es nach Ansicht von Schulze verfehlt, das geistige Eigentum

vom Gebiet der Eigentumsrechte zu separieren. Die „wirtschaftlich-rechtlichen" Wirkungsweisen und Hauptprobleme seien bei beiden Rechtsgebieten identisch. Schon Art. 1 5 3 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 1 1 . 8 . 1 9 1 9 habe unter Eigentum nicht nur das Sacheigentum des BGB, sondern jedes private Vermögensrecht verstanden. 4 7 Gleiches gelte für den Eigentumsschutz des Grundgesetzes durch Art. 14 Abs. 1 G G , so daß das Urheberrecht als verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum einen besonderen Schutz genieße. Im Gegensatz zu anderen Autoren erkennt Schulze, daß zwischen Sozialbindung und Enteignung unterschieden werden muß. 4 8 Beschränkungen des Urheberrechts seien in eine der beiden Gruppen einzuordnen. Enteignungen seien nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig und entschädigungspflichtig. 49 Die starke Betonung des Eigentumsschutzes durch Schulze wird deutlich in dem von ihm vorgelegten Alternativentwurf zum Referentenentwurf. Für die grundsätzliche Funktionsbeschreibung des Urheberrechts 5 0 schlug Schulze 51 folgenden § 9 vor: Erich Schulze, Recht und Unrecht, S . 3 in Fn.4. Erich Schulze, Recht und Unrecht, S.9f. 47 Erich Schulze, Recht und Unrecht, S. 15. 48 Erich Schulze, Recht und Unrecht, S.20ff. 49 Erich Schulze, Recht und Unrecht, S. 2 1 f. 5 0 jetzt: § 1 1 UrhG: „Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes." 45 46

116

Teill:

Geistiges

Eigentum

- Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

„Der Urheber hat an seinem Werk ein ausschließliches Recht, das die geistigen Beziehungen des Urhebers zum Werk und dessen Nutzung u m f a ß t . "

Diese weite, von der Ausschließlichkeit des Urheberrechts dominierte Definition erinnert an § 9 0 3 BGB. Auch in der Zentralnorm des Sachenrechts kommt der Ausschließlichkeitsfunktion zentrale Bedeutung zu. Das von Schulze geforderte Urheberrecht umfaßt sogar Befugnisse, die weiter gehen als das Sacheigentum. Das Ausstellungsrecht sollte als selbständiges Recht formuliert werden. Der Erwerber eines Bildes sollte allein mit Eigentumsübergang nicht befugt sein, dieses öffentlich auszustellen. Mit der im Gegensatz zum Sacheigentum eingeschränkten freien Übertragbarkeit des Urheberrechts ( § 2 1 Referentenentwurf) erklärte sich Schulze einverstanden. 52 In bezug auf das Schutzfristproblem ist Schulze der Ansicht, nach dem Grundgesetz sei eine zeitliche Begrenzung des Urheberrechts unzulässig. 53 Eine nähere Begründung wird nicht gegeben. Im Ergebnis kann festgehalten werden, daß sich Schulze vehement für einen umfassenden Urheberschutz eingesetzt hat. Hierzu wurden weniger Parallelen zum Sacheigentum gezogen als vielmehr Wertungen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes herangezogen. Vor dem Hintergrund seiner beruflichen Tätigkeit bei der G E M A wird das Eintreten Schulzes für ein umfassendes Urheberrecht verständlich. Je weitreichender die dem Urheber zustehenden Rechte sind, desto größer ist der sich für die G E M A eröffnende Geschäftsbereich. Das stringente Eintreten für deren Interessen wird deutlich in der Vehemenz, mit der sich Schulze 54 - letztlich vergeblich 55 - gegen eine staatliche Aufsicht über Verwertungsgesellschaften wie die G E M A wandte. d. Stellungnahme

des

Komponistenverbandes

Ein weiteres Beispiel für das Wiederaufkommen der Theorie vom geistigen Eigentum ist die Stellungnahme des Komponistenverbandes zur Urheberrechtsreform. In einem Vorstandsbeschluß des deutschen Komponistenverbandes zu den Referentenentwürfen zum Urheberrecht wird zunächst die alte Forderung nach einem ewigen Urheberrecht wiederholt. 56 Darüber hinaus wird gefordert:

Der Referentenentwurf differierte nur insoweit, als daß er zuerst die Nutzung des Werkes nannte und erst daran anschließend die Beziehungen des Urhebers zum Werk. 51 Erich Schulze, Recht und Unrecht, S. 31. 52 Erich Schulze, Recht und Unrecht, S . 3 5 . 53 Erich Schulze, Recht und Unrecht, S. 54. 54 Erich Schulze, Recht und Unrecht, S.22ff. 55 Die Wahrnehmungsgesellschaften unterliegen heute gemäß § 1 9 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz einer Aufsicht durch das Patentamt. 56 Beschluß, Nr.2 abgedruckt bei Erich Schulze, Recht und Unrecht, Anhang nach S . 2 6 8 : „Das Urheberrecht ist zeitlich nicht begrenzt (ewiges Urheberrecht)."

§6 Geistiges Eigentum in der wissenschaftlichen

Diskussion

bis 1965

117

„ N e b e n diesen allgemeinen Grundsätzen, die sichern sollen, d a ß das vom Urheber geschaffene Werk nicht schlechter behandelt wird als materielles Eigentum, ist bei dem neuen Gesetz darauf Rücksicht zu nehmen, d a ß die Rechtswohltaten des Bonner Grundgesetzes auch für die Urheber Geltung h a b e n . "

Zu diesen „Rechtswohltaten" wird vom Komponisten verband auch Art. 14 GG gezählt („Verbot der entschädigungslosen Enteignung, vor allem zugunsten „interessierter Kreise""). Dieses Grundrecht sei bei den Referentenentwürfen nicht beachtet worden. 57 Es wird vom Komponistenverband also eine Schutzidentität für Sach- und geistiges Eigentum gefordert, de Boor konstatiert eine neue Fassung der Theorie des geistigen Eigentums. Die alte sei eine „ziemlich rein vermögensrechtliche" gewesen. Die nun zu beobachtende Form sei gekennzeichnet durch die Verquickung der alten Form mit dem droit moral.5S 3. Gegner einer Wiederheranziehung

der Theorie vom geistigen

Eigentum

a. de Boor Während der Novellierungsdiskussion sprach sich de Boor nachdrücklich gegen eine Bezugnahme auf die Theorie des geistigen Eigentums aus. Diese leide an erheblichen Mängeln. Deutlich zeigten sich diese auf dem Gebiet des Patentrechts, auf das sie konsequenterweise ebenfalls Anwendung finden müßte. 59 Die Theorie vom geistigen Eigentum sei nicht geeignet, die bei einer Doppelerfindung auftretenden Probleme zu bewältigen. Bei einer Doppelerfindung machen mehrere die Erfindung unabhängig voneinander. 60 Auf der Grundlage der Eigentumstheorie könne nicht erklärt werden, warum das Patent nur demjenigen zusteht, der zuerst die Erfindung beim Patentamt angemeldet hat. 61 Hier schließt de Boor ergebnisorientiert von der faktischen Ausgestaltung des Rechts der Doppelerfindung auf die zugrundeliegende theoretische Basis des Rechts. Der Gedankengang muß jedoch umgekehrt sein. Zunächst muß die theoretische Grundlage bestimmt werden. Anschließend kann die nähere inhaltliche Ausgestaltung des Rechts vorgenommen werden. Ein Beispiel für diese zutreffende Vorgehensweise ist die im Rahmen der Urheberrechtsreform von Hubmann vorgelegte - und hier bereits erörterte - Schrift „Recht des schöpferischen Gei57

Beschluß, Nr. 8, abgedruckt bei Erich Schulze, Recht und Unrecht, Anhang nach S.268. de Boor, UFITA 21 (1956), 129, 136. 59 de Boor, UFITA 21 (1956), 129, 136. 60 Kraßer (Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts 4 , § 19 IV 4 [S. 197]) schlägt vor, die Problematik als Parallelerfindung zu bezeichnen. Zutreffend weist er darauf hin, daß die von ihm gewählte Bezeichnung deutlich auf die fehlende Verbindung zwischen den beiden Erfindern hinweist. Für die übliche Bezeichnung spricht aber ihre Etablierung und - hier - die Authentizität mit der von de Boor verwendeten Terminologie. 61 Jetzt: § 6 S.3 PatG: „Haben mehrere die Erfindung unabhängig voneinander gemacht, so steht das Recht dem zu, der die Erfindung zuerst beim Patentamt angemeldet hat." 58

118

Teil 1: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

stes". H u b m a n n stellt zunächst die Grundlagen des Schutzes und den Schutzgrund vor (S. l f f . ) und geht dann auf die inhaltliche Ausgestaltung des Schutzes (S. 9 0 f f . ) ein. Ausgehend von dieser M e t h o d i k könnte man zu dem Ergebnis gelangen, daß die grundlegenden Prinzipien des Patentrechts eine von der jetzigen Regelung abweichende Ausgestaltung 6 2 des Rechts der Doppelerfindung verlangen. Ein weiterer Grund für die Reaktivierung der Eigentumstheorie wird von de B o o r in Versuchen gesehen, die Einschränkungen des Urheberrechts zugunsten der Allgemeinheit unter den Begriff der Enteignung zu subsumieren. Diese sei nur gegen Entschädigung zulässig (Art. 1 4 Abs. 3 S. 1 G G ) . Die Bezugnahme auf den Eigentumsschutz durch die Urheber erfolge, da der Entwurf in einigen Punkten zu weit gehende Beschränkungen des Urheberrechts mit sich bringe. Die Privilegierung der Volksfeste durch § 2 7 L U G sei nicht mehr zu rechtfertigen, da die Feste mittlerweile praktisch gewerbliche Veranstaltungen seien. Auch die elementaren Bedürfnisse der Komponisten von Kirchenmusik müßten gedeckt werden. 6 3 Weitgehende Einschränkungen des Urheberrechts seien daher nicht möglich. O b w o h l also de B o o r der Theorie vom geistigen Eigentum ablehnend gegenübersteht, billigt er doch zum Teil die unter Heranziehung der Theorie verfolgten Ziele.

b.

Roeber

Auch R o e b e r wandte sich entschieden gegen das Wiederaufleben der Theorie vom geistigen Eigentum. 6 4 Diese hatte in der Diskussion um die Urheberrechtsreform mit der Entscheidung B G H Z 1 7 , 2 6 6 f f . 6 5 , in der das geistige Eigentum als Grundlage des Urheberschutzes angesehen wurde, weiter an Auftrieb gewonnen. R o e b e r zeigt auf, daß die großen Aufgaben des Urheberrechts, die sich Anfang des 2 0 . Jahrhunderts stellten, ohne Rückgriff auf die Theorie v o m geistigen Eigentum bewältigt werden konnten. Die reibungslose Integration persönlichkeitsrechtlicher Aspekte sei durch die R B Ü ermöglicht worden. M i t der R o m - K o n f e renz 1 9 2 8 wurden durch Art. 6 b l s erste persönlichkeitsrechtliche Aspekte (Unübertragbarkeit des Rechtes auf Anerkennung der Urheberschaft und Schutz vor Entstellung) in das Urheberrecht eingeführt. Ein Rückgriff auf die Theorie des geistigen Eigentums sei nicht erforderlich gewesen. 6 6 In der Magnettonentscheidung I habe der B G H mit der Neubelebung des Schutzes des geistigen Eigentums einen gefährlichen Irrweg eingeschlagen. Der B G H habe die Kollisionslage zwischen der persönlichkeitsrechtlichen Sphäre des 62 In Betracht kommt die Annahme einer gemeinschaftlichen Erfindung, wie sie auch § 6 S. 2 PatG anordnet. 63 de Boor, UFITA 21 (1956), 129, 137. 64 Roeber, UFITA 21 (1956), 150ff. 65 Vgl. hierzu S. 128 ff. 66 Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 157f.

§6 Geistiges Eigentum in der wissenschaftlichen

Diskussion

bis 1965

119

Werknutzers und der vermögensrechtlichen des Urhebers nicht getrennt. Es sei zwischen der Aufnahme in der Eigensphäre des Benutzers und der Fixierung außerhalb dieser Eigensphäre zu unterscheiden. 67 Der Rekurs des BGH auf die Theorie des geistigen Eigentums berge die Gefahr in sich, daß auch die private Lektüre eines Buches oder der private Vortrag eines Gedichts vergütungspflichtig werden. Roeber befürchtet also, daß die eigentumsrechtliche Fundierung zu einer Kommerzialisierung der persönlichkeitsrechtlich geschützten privaten Werknutzung führt. Diese Kritik ist verfehlt. Die Nutzung von Urheberrechten ist häufig privater Natur. Aufgrund der schützenswerten vermögensrechtlichen Interessen der Urheber muß der Gesetzgeber durch eine sorgfältige Interessenabwägung vergütungspflichtige von nicht vergütungspflichtigen Werkbenutzungen abgrenzen. Es gibt keinen Rechtssatz, nach dem die persönlichkeitsrechtlich geschützte private Nutzung immer Vorrang gegenüber den vermögensrechtlichen Interessen des Urhebers hat. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist genauso in einen Abwägungsprozeß eingebunden wie vermögensrechtliche Interessen des Urhebers. 68 Dies ist unabhängig von deren dogmatischer Qualifikation, ob man diese also aus einem monistischen Urheberrecht ableitet oder aber ob man persönlichkeitsrechtliche und vermögensrechtliche Befugnisse isoliert betrachtet. Auch ein isoliertes Vermögensrecht kann in der Abwägung gegenüber dem Persönlichkeitsrecht Vorrang gewinnen. Ein Beispiel für das Zurücktreten des Interesses des Privaten an der Nutzung des Werkes ist das Vermiet- und Verleihrecht. Die EU hatte zum Vermiet- und Verleihrecht eine Richtlinie 69 erlassen, die durch das dritte Gesetz zur Änderung des Urhebergesetzes vom 23.6. 1995 umgesetzt wurde. 70 In bezug auf das Vermietungsrecht ist der Erschöpfungsgrundsatz in § 17 Abs. 2 UrhG nunmehr eingeschränkt worden. Mit Inverkehrbringen des Werkes tritt in bezug auf die Vermietung keine Erschöpfung ein. Die Vermietung des Vervielfältigungsstückes bedarf also der Zustimmung des Urhebers. Demgegenüber war nach der alten Rechtslage die Vermietung von Tonträgern zulässig. 71 Mit Ablösung der Schallplatte durch die CD stieg aufgrund der nunmehr verschleißfreien Abtastung durch Laser die Attraktivität der Vermietung. 67

Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 160f. Vgl. zu Kollisionslagen des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 13 , § 8 0 V (S.522ff.). 69 Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. EG Nr. L 346, S. 61). 70 BGBl. 1995 I S. 842. 71 BVerfG GRUR 1990, 183, 184; BGH GRUR 1986, 736, 737 - Schallplattenvermietung; OLG Düsseldorf, GRUR 1990, 188f. - Vermietungsverbot; a.A. OLG Frankfurt NJW 1982, 1653, 1654; Brinkmann, NJW 1983, 599, 600; Im Kern ging es bei diesem Streit um die Frage nach der Abspaltbarkeit des Vermietungsrechtes. 68

120

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

Eine im Auftrag der deutschen Landesgruppe der IFPI in Auftrag gegebene Studie ergab im J a h r 1 9 8 9 , daß über 9 0 % der Befragten den C D - M i e t e als eine besonderes günstige Möglichkeit, in den dauerhaften Besitz eines Musikstückes zu gelangen, ansahen. 7 2 Hiermit korrespondiert die im Regelfall gegebene M ö g l i c h keit, bei den Vermietern Leerkassetten zu erwerben. M i t der CD-Vermietung w a r also für den Kunden eine kostengünstige M ö g lichkeit zur Werknutzung gegeben. Diese ist durch die Neufassung

einge-

schränkt worden. Der für die Vermietung erforderliche Erwerb eines Verleihrechtes hat zur Konsequenz, daß sich die Kosten des Vermieters und damit mittelbar auch das werknutzenden Mieters erhöhen. Von dieser zusätzlichen Werknutzungsvergütung soll aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur der Tonträger- oder Filmhersteller profitieren. § 2 7 Abs. 1 U r h G bestimmt unabdingbar, daß der Hersteller dem Urheber eine Vergütung für die Einräumung des Vermietrechts schuldet. Diese Entscheidung ist sachgerecht, da k a u m begründet werden k a n n , warum der Werknutzer - mittelbar - an den Urheber eine Leistung erbringen soll, wenn er ein Vervielfältigungsstück erwirbt, nicht aber, wenn er eine Vorlage mietet und das Vervielfältigungsstück selbst erstellt. Eine andere Sichtweise würde letztlich - wie im Privilegienzeitalter - die mechanische Vervielfältigung und nicht die geistige Leistung unter Schutz stellen. Die getroffene Vergütungsregelung zeigt auch, daß beim Vermietungsrecht das vermögensrechtliche Interesse des Urhebers Vorrang vor dem nach R o e b e r persönlichkeitsrechtlichen Werknutzungsinteresse des Urhebers gewinnt. Eine solche Interessengewichtung scheint nach R o e b e r aber nicht möglich zu sein. 7 3 Festzuhalten bleibt, daß die aus der Sicht des Persönlichkeitsrechts erfolgte Kritik R o e b e r s an der Heranziehung von Erwägungen zum geistigen Eigentum durch den B G H nicht durchgreift. Die zweite große Aufgabe, die von der Rechtsprechung ohne Rückgriff auf das geistige Eigentum gemeistert worden sei, ist nach Ansicht von R o e b e r die Bewältigung der aus den technischen Innovationen des 2 0 . Jahrhunderts folgenden urheberrechtlichen

Problemstellungen. 7 4

Neue Verwertungsformen

wie

Film,

Rundfunk und Tonfilm mußten in das Urheberrecht integriert werden. D a s Reichsgericht löste die aufgetauchte Problematik durch die Schaffung von Auslegungsregeln. Prinzipiell sei der Urheber an allen Arten der Werknutzung zu beteiligen. In Zweifelsfällen sei die Befugnis zur Werknutzung beim Urheber verblieben. 7 5 Ein Rückgriff auf das geistige Eigentum sei für diese Auslegungsregeln nicht erforderlich gewesen.

72 73 74 75

Berichtet bei Krüger, GRUR 1990, 974, 976. Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 152. Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 159. RGZ 118, 282, 285 (Verfilmung); 122, 66, 68; 123, 312, 319 (Rundfunksendung); 128,

§6 Geistiges Eigentum in der wissenschaftlichen

Diskussion bis 1965

121

Unterschiede zum Eigentum gebe es auch beim Schutzgrund. Mit dem Schutz der schöpferischen Leistung nähere sich das Urheberrecht den personenrechtlichen Grundlagen des Arbeitsrechts und entferne sich gleichzeitig vom Sachenrecht. Der Geltungsgrund des Eigentums sei zwar gelegentlich in der persönlichen Arbeit gesehen worden. Im Unterschied zum Urheberrecht lasse das Sacheigentum aber auch andere Erwerbsarten wie Ersitzung, Verbindung, Vermischung, Aneignung und Fund zu.76 Mit der gebotenen Vorsicht nähert sich Roeber dem Argument des zeitlich unbegrenzten Eigentums. Zutreffend weist er darauf, daß das Sacheigentum in der Geschichte nicht immer ewig und unbedingt war.77 Divergenzen zwischen den beiden Rechten bestünden in der historischen Veränderung des jeweiligen Rechtsgebietes. Das Urheberrecht gewinne mit der Zeit immer mehr an Intensität, werde also für den Urheber immer günstiger ausgestaltet. Demgegenüber werde die Herrschaftsmacht immer stärkeren Bindungen durch die herrschenden Wirtschafts- und Sozialbedingungen unterworfen. Dieser Sozialbindung unterfallen beide Rechte. Differenzen gebe es aber bei der Ausschließlichkeit. Der Eigentümer habe für sich allein den Genuß der Sache. Jeder andere sei ausgeschlossen. Objekt des Eigentums ist eine Sache. Diese ist nur einmal vorhanden und nutzbar. Für den Urheber resultierten aus der Ausschließlichkeit die Verwertungsrechte. Diese eigenbezogene Ausschließlichkeit mache den Urheber aber nicht zum Eigentümer.78 Im Ergebnis sei die Idee vom geistigen Eigentum am droit moral gescheitert. Der Theorie vom geistigen Eigentum hält Roeber vor, daß sie partiell auf unjuristischen Erwägungen beruhe. Sie begebe sich auf die schwankenden Grundlagen einer gefühlsbetonten Wertung und versuche durch die Heranholung von Gleichnisgestalten (Bildern), ihre Forderungen über das Positivrechtliche hinaus naturrechtlich zu fundieren.79 Hauptvertreter der Forderungen aus dem geistigen Eigentum seien Komponistengruppen. Gerade die Schutzdauer der von diesen erstellten Werke sei häufig zweifelhaft, da Schlager ausgesprochene Eintagsfliegen seien.80 Verfehlt sei es, aus dem Begriff „geistiges Eigentum" Parallelen zum Sacheigentum zu ziehen. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff vertrage sich nicht mit dem Urheberrecht, da letzteres persönlichkeitsrechtlich fundiert sei. 102, 113; 134, 198, 201; 140, 231, 239f. (Tonfilm); 153, 1, 25 (Rundfunksendung von Tonschallplatten); vgl. heute § 31 Abs. 4 UrhG (Unwirksamkeit der Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten) und §31 Abs. 5 UrhG (Zweckübertragungsregel: Bei fehlender Bestimmung des Umfangs der Rechtseinräumung bestimmt sich dieser nach dem Vertragszweck; vgl. Gotting, in: Urhebervertragsrecht [Festgabe Schricker], S. 53, 72). 76 Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 164. 77 Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 165 (in Fn.38). 78 Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 167. 79 Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 186. 80 Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 189.

122

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1, 2 GG fallen aber nach Meinung Roebers nur Vermögensrechte. 81 Diese rechtsirrige Position ist mittlerweile durch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die die vermögensrechtlichen Elemente des Urheberrechts in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG einbezieht, überholt. 82 Roebers Kritik gipfelt in der Feststellung, der Begriff „geistiges Eigentum" sei überhaupt kein Rechtsbegriff, sondern eine Methode, deren Eigenart darin besteht, Ungleichartiges und Ungleichwertiges miteinander zu vergleichen, um aus dem Vergleich Forderungen rechtspolitischer Art als richtig und notwendig zu belegen.83 Die Entwicklung des neuen Urheberrechts könne nur unter Beachtung und Ausgleich der betroffenen Interessen erfolgen. Vergleiche mit dem Sacheigentum oder Überlegungen auf naturrechtlicher Grundlage seien ungeeignet. 84 Die Ursache für Roebers harsche Kritik mag darin liegen, daß er einen großen Teil der Urheber zu „Technikern des Geistes" degradiert. Diese seien mit dem Begriff „Schöpfer" überbewertet. 85 Es ist naheliegend, daß bei einer solchen Bewertung der Leistung einer großen Urhebergruppe keine Verbesserung der Urheberrechte gefordert wird. Soweit Roeber kritisiert, daß die Theorie vom geistigen Eigentum reaktiviert wurde, um verdeckt bestimmte Interessen zu verfolgen, 86 ist Vorsicht geboten. Dies kann so sein und ist auch bei einigen Vertretern wahrscheinlich. Aber auch die Verfolgung bestimmter Interessen kann zutreffende Gedanken zutage fördern. Interessenverfolgung führt nicht automatisch zu einer unrichtige Ergebnisse präsentierenden Wissenschaft. 4. Gropplers Kritik an der monistischen

Theorie

Die Diskussion um die Urheberrechtsreform war nicht nur auf den Streit um die beiden Theorien „geistiges Eigentum" und „monistische Theorie" fixiert. Die Novellierungsbestrebungen wurde von Groppler 87 zum Anlaß genommen, die monistische Theorie zu attackieren, ohne auf die Lehre vom geistigen Eigentum zurückzugreifen. Zutreffend entwickelt Groppler seinen Ansatz aus der Funktion von Systematisierung im Recht. Diese liegt seiner Ansicht nach darin, durch gemeinsame Aussagen über verschiedenartige Normen Rechtserkenntnisse leichter zu gewinnen. 88 Anschließend behauptet Groppler, es sei noch nie erwogen worden, ob es überhaupt ein subjektives Urheberrecht gibt oder es sich nicht vielmehr nur um eine Summe von Abwehrbefugnissen handelt. Diese These be81 82 83 84 85 86 87 88

Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 190. Siehe S. 13 8 ff. Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 193. Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 193f. Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 195. Roeber, UFITA 21 (1956), 150, 196. Groppler, UFITA 25 (1958), 385ff. Groppler, UFITA 25 (1958), 385.

§6

Geistiges

Eigentum

in der wissenschaftlichen

Diskussion

bis

1965

123

ruht auf einer Verkennung der historischen Entwicklung des Urheberrechts. Die Frage, ob es sich bei dem Urheberrecht um ein subjektives Recht oder eine Bündelung von einzelnen Befugnissen handelt, zieht sich wie ein roter Faden durch die Urheberrechtsentwicklung. Bereits 1 8 9 5 hat sich Adler mit diesem Problem auseinandergesetzt. 89 Auch nimmt Groppler selbst Bezug auf Ausführungen von de Boor und Hirsch, in denen angezweifelt wird, ob es sich bei dem Urheberrecht um ein subjektives Recht handelt. Unter vergleichenden Erwägungen zum Sacheigentum gelangt Groppler zu dem Ergebnis, „ein allgemeines subjektives Urheberrecht gibt es nicht". Die in der Privatrechtsordnung vorgesehenen Rechtsfolgen müßten unterschieden werden in solche, die subjektive Rechte seien, und solche, die es nicht seien. 90 Das Urheberrecht ist nach Groppler also ein Bündel von einzelnen Rechten, nicht aber, wie bei der monistischen Theorie, ein Recht mit verschiedenen Befugnissen. Als Differenzierungssystem wird eine Unterscheidung zwischen Vermögens- und Persönlichkeitsrechten abgelehnt. Die Typisierung habe letztlich nur Bedeutung für die Übertragbarkeit. Es sei daher sinnvoll, allein zwischen verkehrsfähigen und nicht verkehrsfähigen Rechten zu unterscheiden. 91 5.

Bewertung

Die Diskussion um die Ausgestaltung des Urheberrechts in den 50er und 60er Jahren hat zu einer Erinnerung an die Theorie des geistigen Eigentums geführt. Ähnlich wie ca. 2 0 0 Jahre zuvor entstanden die Bezugnahmen auf das Sacheigentum aus dem Bestreben, die Position des Urhebers zu verbessern. Während die Theorie vom geistigen Eigentum ursprünglich der Begründung eines Urheberrechtes diente, wurde sie während der Diskussion um die Urheberrechtsreform im Regelfall herangezogen, um den Kreis der dem Urheber zustehenden Befugnisse zu erweitern. Ausgenutzt wurde also in beiden Fällen die dem Rechtsbegriff „Eigentum" immanente Kraft, einen umfassenden Schutz des Bezugsobjektes zu legitimeren. Aufgrund dieser Erfahrungen spricht heute beinnahe eine „Vermutung" dafür, daß die Verwendung des Begriffes „geistiges Eigentum" erfolgt, um einen umfassenderen Schutz des Urhebers zu begründen. Dies mag auch der Grund für die Verwendung des Begriffes „geistiges Eigentum" im Titel des Gesetzes „zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie" vom 7 . 3 . 1990 9 2 gewesen sein.

89 Vgl. oben S. 100; Bereits 1929 hielt Georg Müller (UFITA 2 [1929], 367, 377) die Auffassung, es handele sich um eine bloße Verbreitungsbefugnis, für überholt. 90 Groppler, UFITA 2 5 (1958), 3 8 5 , 3 9 3 . 91 Groppler, UFITA 2 5 (1958), 3 8 5 , 4 0 0 . 92 BGBl. 1990 I S . 4 2 2 .

124

Teilt: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

III. Dualistische Theorie heute Die von Kohler postulierte dualistische Theorie ist - wie eben dargestellt - in Deutschland mittlerweile durch die monistische Auffassung abgelöst worden. 93 Zuvor war die dualistische Auffassung noch modifiziert vertreten worden. Persönlichkeitsrecht und Vermögensrecht sollten nicht nebeneinander stehen. Das Urheberrecht sei vielmehr ein Doppelrecht, die Summe zweier Rechte, die sich in der Hand des Urhebers vereinigen.94 Hier fand also eine Annäherung an die monistische Theorie statt. Außerhalb Deutschlands wird der dualistischen Theorie teilweise noch große Bedeutung beigemessen. Schweiz

1.

Rehbinder meint, die dualistische Theorie bilde die Grundlage des geltenden schweizerischen Urheberrechtsgesetzes. 95 Er scheint dies aus § 16 Abs. 1 Schweiz. UR(i'" abzuleiten. Dieser läßt die Übertragbarkeit des Urheberrechts zu. Anscheinend geht Rehbinder von einer Akzessorietät von Übertragbarkeit des Rechts 97 und dualistischer Theorie aus: Sofern das Recht übertragbar ist, kann der gesetzliche Urheberschutz nicht auf der monistischen Theorie beruhen. Während der Reform des schweizerischen Urheberrechts wurden mehrere Gesetzesvorschläge unterbreitet. Im Entwurf 1984 wurde vorgeschlagen, ähnlich wie im deutschen Recht (§29 UrhG) die Übertragbarkeit des Urheberrechts auszuschließen. Auf Druck des Parlaments wurde diese Verfügungssperre im dritten Entwurf von 18.12. 1987 fallengelassen und eine Übertragungsmöglichkeit eröffnet. Hierin sieht von Büren - wie Rehbinder - die Ablehnung der Übernahme der monistischen Theorie. Die dualistische Theorie sei beibehalten worden. 98 Für die Anerkennung der dualistischen Theorie in der Schweiz spricht, daß durch Art. 28 ZGB bereits frühzeitig das allgemeine Persönlichkeitsrecht anerkannt war, so daß ein Schutz des Persönlichkeitsrechts des Urhebers prinzipiell gewährleistet war.99 Abweichend interpretiert anscheinend Dessemontet 100 die Regelungen des schweizerischen URG. Er tendiert zu einer modifizierten moni93

Vgl. oben S. 109. Georg Müller, UFITA 2 (1929), 367, 380f.; vgl. zu dieser Position noch Ulmer, Urheberund Verlagsrecht 3 , § 17 II 1 (S. 113). 95 Rehbinder, Schweizerisches Urheberrecht, § 3 VI (S.37); Rehbinder, Urheberrecht 10 , Rz.27. 96 § 16 A b s . l des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (AS 1993 1798): „Das Urheberrecht ist übertragbar und vererblich." 97 Vgl. zur Übertragbarkeit § 27. 98 von Büren, GRUR Int. 1988, 569, 572. 99 Vgl. Schiefler, GRUR 1960, 156, 157; Wichtig ist aber, daß die Grenzen von Urheberpersönlichkeitsrecht und allgemeinem Persönlichkeitsrecht nicht verwischt werden. 100 Dessemontet, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht II/l, S. 159ff. 94

§6 Geistiges Eigentum in der wissenschaftlichen

Diskussion

bis 1965

125

stischen Theorie, da er trotz der Verknüpfung vermögensrechtlicher und persönlichkeitsrechtlicher Interessen des Urhebers eine Übertragbarkeit für möglich hält. 101 Die unterschiedlichen Positionen zur theoretischen Grundlage des schweizerischen Urheberrechts zeigen, daß gesetzgeberische Wertentscheidungen Automatismen für die dogmatische Einordnung des Urheberrechts nicht auslösen müssen. Wenn die Einordnungsvarianz weiter gefaßt wird, kann allein aus dem Vorhandensein persönlichkeitsrechtlicher Aspekte des Urheberschutzes nicht auf eine Untauglichkeit der Theorie des geistigen Eigentums für die dogmatische Erfassung des Urheberrechts geschlossen werden. 2.

Frankreich

Dominierende Bedeutung hat die dualistische Theorie immer noch in Frankreich. 1978 wurde von Desbois die „conception dualiste" als theoretische Grundlage der Urheberrechtstheorie genannt. 102 Auch die neue, zusammenfassende Kodifikation des Code de la porpriété intellectuelle vom 1 . 7 . 1 9 9 2 hat den strengen Dualismus beibehalten. Art. L. 121—l103 regelt die Grundsätze der droits moraux. Die Befugnisse sind grundsätzlich unübertragbar und zeitlich unbegrenzt. Allerdings gehen sie mit dem Tod auf die Erben über. Demgegenüber sind die dem Urheber zustehenden Verwertungsrechte weitestgehend frei übertragbar (Art.L. 131—1 ff.). Gewisse Auflockerungen der strengen Trennung zwischen vermögensrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Befugnissen sind nur beim Folgerecht zu beobachten. 104 Die im französischen Recht vorgenommene Aufspaltung verdeutlicht, daß auch ein „persönlichkeitsrechtsfreier" Bereich des Urheberrechts existiert. Ebenso ist eine Aufteilung, wie das französische Recht zeigt, praktisch handhabbar. Beachtet werden muß aber, daß Vorgaben des Gesetzgebers kein strenges Dogma für die Rechtswissenschaft sind. Trotz der ähnlich scharfen Trennung zwischen Vermögensrechten und Persönlichkeitsrechten im japanischen Urheberrecht tendiert die japanische Rechtswissenschaft eher der monistischen Theorie zu. 105 101 Zweifelnd wohl auch de Werra, der in einer Besprechung von Rehbinder, Schweizerisches Urheberrecht (GRUR Int. 1996, 1078), besonders hervorhebt, daß Rehbinder die Ansicht vertritt, die monistische Theorie finde in der Schweiz keine Anwendung. 102 Desbois, Le Droit d'Auteur en France, S. 264ff. 103 Art.L. 121-1: L'auteur jouit du droit au respect de son nom, de sa qualité et de son œuvre. Ce droit est attaché à sa personne. Il est perpétuel, inaliénable et imprescriptible. Il est transmissible à cause de mort aux héritiers de l'auteur. L'exercice peut être conféré à un tiers en vertu de dispositions testamentaires. 104 Yg| z u r Annahme eines „droit mixte" Schneider-Brodtmann, Das Folgerecht des bildenden Künstlers im europäischen und internationalen Urheberrecht, S. 74 f. 105 Vgl. Rahn, GRUR Int. 1979, 139, 141 (in Fn.17).

126

Teill:

Geistiges

Eigentum

- Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Entwickelt hat sich die französische Dogmatik an Problemen des ehelichen Güterrechtes im späten 19. Jahrhundert. Zweifelhaft war, ob das Urheberrecht als Eigentum an einem Gegenstand des beweglichen Vermögens zum Gesamtgut der Fahrnisgemeinschaft gehörte. Die Ansicht, die das droit moral, teilweise aber auch das gesamte Urheberrecht zum Eigengut rechnete, setzte sich durch.106 Dieses Problemfeld - eheliches Güterrecht und Urheberrecht - ist in Deutschland bisher praktisch noch nicht erschlossen und konnte daher keine Ausstrahlungswirkung auf das Urheberrecht entfalten.107 Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß es der monistischen Theorie nicht gelungen ist, die dualistische Deutung des Urheberrechts vollständig zu verdrängen.

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts I. Reichsgericht Die Verdrängung der Theorie vom geistigen Eigentum durch Gesetzgeber und Rechtswissenschaft ist vom RG nicht einschränkungslos nachvollzogen worden. Ein Beispiel ist die Entscheidung RGZ 86, 107ff. Gegenstand war eine verlagsrechtliche Streitigkeit. Einem Verlag war „das ausschließliche Verlags- und Eigentumsrecht" an dem streitgegenständlichen Werk mit Vertrag aus dem Jahr 1883 übertragen worden. Mit Urteil vom 9.1. 1915 heißt es zu dieser Rechtseinräumung:1 „In dem Vertrag vom J a h r 1 8 8 3 hat P. das Verlags- und Eigentumsrecht an seinem Werke der Firma B & Co. übertragen. Das bedeutete, daß er ihr sein Urheberrecht übertrug und zwar dauernd und unbeschränkt, insbesondere auch für die folgenden Auflagen, zu deren Herausgabe er sich gleichzeitig verpflichtete . . . "

Das Reichsgericht deutet also die noch der Terminologie des 19. Jahrhunderts verhaftete vertragliche Vereinbarung problemlos als - damals mögliche, § 8 Abs. 3 LUG 2 - Übertragung des Urheberrechts. Für das Reichsgericht kann es sich hierbei nur um eine bloße begriffliche Modifikation gehandelt haben, da näherer Begründungsaufwand nicht getätigt wurde. Vgl. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht 3 , § 17 I 3 (S. 111). Zu den Ausnahmen gehören Finger, Urheberrecht und Zugewinnausgleich, G R U R 1989, 881 ff.; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht 3 , § 18 I (S. 115), III 2 (S. 117). 1 R G Z 86, 107, 108. 2 § 8 Abs. 3 Gesetz betreffend des Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 1 9 . 6 . 1901 (RGBl. S.227): „Das Recht kann beschränkt oder unbeschränkt auf andere übertragen werden; die Uebertragung kann auch mit der Begrenzung auf ein bestimmtes Gebiet geschehen". 106 107

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts

127

Diese Rechtsprechung des Reichsgerichts ist geprägt durch eine flexible Anpassung an die vom Gesetzgeber geprägte Terminologie. Eine Stellungnahme zum urheberrechtlichen Theorienstreit der Jahrhundertwende läßt sich aus der Entscheidung des Reichsgerichts nicht herausschälen. Insoweit hat sich das Reichsgericht deutlich zurückhaltender verhalten als der Bundesgerichtshof (vgl. sogleich unter b.). Die begriffliche Dynamik, der sich das Reichsgericht stellen mußte, zeigt sich in der Entscheidung RGZ 123, 312ff., die Rundfunkausstrahlungen von Werken Wilhelms Büschs zum Gegenstand hatte. In dem am 28.10./ 6.11. 1896 geschlossenen Verlagsvertrag heißt es:3 „§ 1. Die in der F.schen Verlagsbuchhandlung erschienenen, seither auf gemeinschaftliche Rechnung mit dem Herrn Verfasser vertriebenen Werke des Herrn Wilhelm Busch gehen mit allen Vorräten, Holzstöcken und Klischees in den Alleinbesitz der B.schen Verlagsbuchhandlung zu unbeschränktem Verlagsbetrieb über und kann die Verlagsbuchhandlung darüber als ihr Eigentum frei verfügen."

In der Folgezeit kam es über den Inhalt dieses Vertrages zu Meinungsverschiedenheiten, zu deren Beilegung am 10.7. 1918 ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wurde. In Bezug auf den Gegenstand des 1896 geschlossenen Vertrages heißt es dort: „I. Die Kläger anerkennen, daß der B.schen Verlagsbuchhandlung die unbeschränkten dinglichen Urheberrechte an sämtlichen bei ihr erschienenen Werken von Wilhelm Busch übertragen worden sind."

Was also ursprünglich der Verlagsbuchhandlung „als ihr Eigentum" zur Verfügung gestellt wurde, ist nunmehr „dingliches Urheberrecht". Diese Terminologie behält das Reichsgericht bei.4 Das Gericht akzeptiert also den Begriff „geistiges Eigentum" als älteres rechtstatsächliches Phänomen und übersetzte ihn ohne nähere Begründung mit „Urheberrecht". Die Legitimationskraft des Begriffes „geistiges Eigentum" wurde vom RG nicht in Anspruch genommen, um zu erklären, warum zukünftige, bei Vertragsschluß unbekannte Verwertungsformen nicht von älteren Rechtseinräumungen und Rechtsübertragungen erfaßt werden. Dieses Problem bewältigte das RG mit einfacher Vertragsauslegung und einem Zuordnungsmodell. Selbst wenn alle vermögensrechtlichen Befugnisse übertragen werden, verbleibe dem Urheber ein unveräußerliches Persönlichkeitsrecht. Diesem sollen neue, nach Vertragsschluß „durch gesetzliche Neuschöpfung" entstehende vermögensrechtliche Befugnisse zufallen. 5 Die spätere Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Berücksichtigung neuer Verwertungsformen kann nicht mehr verwertet werden, da sie zur Problembewältigung auf nationalsozialistische Vorstellungen zurückgreift. 6 3 4 5 6

RGZ RGZ RGZ RGZ

123, 123, 123, 153,

312. 312, 316, 318. 312, 320. 1, 22f.

128

Teill:

Geistiges

Eigentum

- Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

In anderem Zusammenhang ist der Gedanke des geistigen Eigentums in der älteren Entscheidung R G Z 3 5 , 63ff. aufgegriffen worden. Das Reichsgericht mußte bestimmen, wie der durch einen unerlaubten Nachdruck im Sinne vom § 18 Abs. 6 Urheberrechtsgesetz 1 8 7 0 entstandene Schaden zu bestimmen ist. Als Anknüpfungspunkt wird „die Aneignung der Früchte des geistigen Eigentums" des Verfassers, die dem Nachdrucker nicht zustehen, gewählt. 7 In späteren Entscheidungen zur Schadensersatzproblematik wird dann aber allein auf den Eingriff in das Schutzrecht abgestellt. Generalisierende Erwägungen erfolgen nicht. 8 Festzuhalten ist, daß der Begriff des „geistigen Eigentums" vom Reichsgericht nur zurückhaltend verwendet worden ist.

II. Bundesgerichtshof In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat das geistige Eigentum weitaus mehr Beachtung gefunden als in der des Reichsgerichts. Eine Entscheidungsanalyse zeigt, daß der Begriff vom B G H in verschiedener Weise verwendet wird. Von überragender Bedeutung ist dabei die Terminologie der „Grundig-Reporter"-Entscheidung 9 .

1. „ Geistiges Eigentum " als Grundlage des

Urheberschutzes

a. Die „Tonband/Grundig-Reporter"-Entscheidung

(BGHZ 17, 266ff.)

Im Leitsatz 2 der Entscheidung „ Grundig-Reporter" formuliert der B G H : 1 0 „Für die Auslegung urheberrechtlicher Gesetzesbestimmungen ist der das Urheberrecht beherrschende Rechtsgedanke bedeutsam, daß die Herrschaft des Urhebers über sein Werk die natürliche Folge seines geistigen Eigentums ist, daß durch die Gesetzgebung nur seine Anerkennung und nähere Ausgestaltung gefunden hat. N a c h diesem Rechtsgedanken sind neue Nutzungsmöglichkeiten für Urhebergut, die die Entwicklung der Technik erschließt, in der Regel in das Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers einzubeziehen. Ein allgemeiner Grundsatz, daß die Ansprüche der Urheber stets vor der privaten Sphäre des Einzelnen Halt zu machen hätten, ist dem Urheberrecht fremd."

Grundlage dieses Leitsatzes sind die „berühmten" 1 1 Darlegungen in den Entscheidungsgründen des Urteils. Dort 1 2 heißt es:

R G Z 35, 63, 70f. R G Z 43, 56, 59; 130, 108, 110. 9 B G H Z 17, 266ff. = G R U R 1955, 492ff. 10 B G H Z 17, 2 6 6 . 11 so Seifert, FS Piper, S . 7 6 9 , 7 8 0 . 12 B G H Z 17, 2 6 6 , 2 7 8 f .

7

8

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung

des 20.

Jahrhunderts

129

„Wenn sich in allen Kulturstaaten mehr und mehr die Erkenntnis gefestigt hat, daß der Urheber eines Geisteswerkes Anspruch nicht nur auf einen Schutz der persönlichen Beziehungen zu seinem Werk, sondern auch auf die gesetzliche Sicherung eines gerechten wirtschaftlichen Lohnes für seine Leistung hat, so ist es letztlich gerade der Werkgenuß des Einzelnen - gleichgültig, ob dieser Werkgenuß in der Öffentlichkeit oder im häuslichen Bereich stattfindet - , der die innere Rechtfertigung für den Anspruch des Urhebers auf eine angemessene Vergütung bildet. In der Befriedigung des Kunstverlangens des Einzelnen liegt die Dankesschuld verankert, die es an den geistig Schaffenden seitens der Allgemeinheit durch einen wirksamen Rechtsschutz seines persönlichen und wirtschaftlichen Interesses an seiner Schöpfung abzutragen gilt. Die dem früheren Privilegienwesen zugrundeliegende Rechtsvorstellung, dem Urheber stehe ein wirtschaftlicher Nutzen aus seiner Geistesschöpfung nur insoweit zu, als ihm der Gesetzgeber durch eine in seinem Ermessen stehende Verleihung von ausschließlichen Nutzungsrechten einen solchen Ertrag zubillige, ist durch die Lehre vom geistigen Eigentum, das dem Urheber durch die Schöpfung des Werkes zuwächst, in allen Kulturstaaten seit langem überwunden. Für das moderne Urheberrecht wird allseitig anerkannt, daß die Nutzungsrechte des Urhebers nur die Ausstrahlungen seines durch den Schöpfungsakt begründeten geistigen Eigentums sind. Die Herrschaft des Urhebers über sein Werk, auf den sich sein Anspruch auf einen gerechten Lohn für eine Verwertung seiner Leistung durch Dritte begründet, wird ihm hiernach nicht erst durch den Gesetzgeber verliehen, sondern folgt aus der Natur der Sache, nämlich aus seinem geistigen Eigentum, daß durch die positive Gesetzgebung nur seine Anerkennung und Ausgestaltung findet. Dieser das Urheberrecht beherrschende Rechtsgedanke ist bei der Auslegung urheberrechtlicher Gesetzesnormen stets im Auge zu behalten."

Der BGH versteht also „geistiges Eigentum" als Rechtsbegriff. Mit der Erstellung des urheberrechtlich geschützten Werkes entsteht ein geistiges Eigentum des Urhebers, aus dem nach Ansicht des BGH automatisch ein Verwertungsrecht folgt. Dieses Recht werde nicht vom Gesetzgeber verliehen. Vielmehr resultiere es allein aus der Natur der Sache. Der Legislative obliege lediglich die nähere Ausgestaltung. Das Regelungskonzept des BGH verdeutlicht die folgende Grafik:

Schöpfungsakt

bloße inhaltliche

Ausgestaltung

130

Teill:

Geistiges

Eigentum

- Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Dem geistigen Eigentum kommt also die Funktion eines Zentralbegriffes in der Urheberrechtsdogmatik des BGH zu. Eine nähere Einordnung nimmt der Senat allerdings nicht vor. Ist das „geistige Eigentum" ein subjektives Recht? Oder ist es eine Rechtsposition, aus der erst im nächsten Schritt subjektive Rechte fließen? Jedenfalls weist die Entscheidung auf eine überpositiv-naturrechtliche Fundierung hin. 13 Es scheint, als entkerne der BGH den Urheberrechtsbegriff. Wenn die dem Urheber zustehenden Verwertungsrechte direkt auf einem mit Schöpfung entstehenden „geistigen Eigentum" beruhen, ist das Urheberrecht als Rechtsposition nur noch für die Erfassung persönlichkeitsrechtlicher Aspekte von Bedeutung. Mit der Bezugnahme auf das geistige Eigentum setzt der BGH einen deutlichen Kontrapunkt zur Rechtsprechung des RG. In der vorliegenden Entscheidung aus dem Jahr 1955 mußte der BGH über die Zulässigkeit privater Tonbandaufnahmen nach § 15 Abs. 2 LUG 1 4 vom 1 9 . 6 . 1901 entscheiden. Da die private Tonbandaufnahme zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung noch unbekannt war, mußte entschieden werden, ob die vom Wortlaut her unter den Freistellungstatbestand fallende Verwertungshandlung nicht doch zu unterlassen ist. Die vom Reichsgericht entwickelten Problemlösungsstrategien 15 waren untauglich. Vertragliche Dispositionen über das Urheberrecht waren nicht getroffen worden. Auch eine Zuordnung in den persönlichkeitsrechtlichen Bereich half nicht. § 15 Abs. 2 LUG unterwarf das Verwertungsrecht unabhängig von dessen Persönlichkeits- oder vermögensrechtlicher Zuordnung der Zulässigkeit privater Vervielfältigung. Allerdings wäre es dem BGH ohne Rückgriff auf die Theorie vom geistigen Eigentum möglich gewesen, unter Zuhilfenahme allgemeiner Auslegungsregeln den Wortlaut des § 15 Abs. 2 LUG dahingehend zu interpretieren, daß der Gesetzgeber nur die privaten Vervielfältigungshandlungen von der Pflicht zur Zustimmung durch den Urheber freistellen wollte, die bereits um die Jahrhundertwende bekannt waren. Die Regelungsabsicht des Gesetzgebers kann als historisches Element der Gesetzgebung berücksichtigt werden. 16 Ebenso hätte eine objektiv-teleologische Auslegung zum Ergebnis führen können, die private Tonbandvervielfältigung sei nicht nach § 15 Abs. 2 LUG zulässig. Die Austarierung der Interessen von Urheber und Verwerter durch den Gesetzgeber wird mit dem Auftauchen neuer Verwertungsarten aufgehoben. Eine teleologische Auslegung hätte es ermöglicht, den gesetzgeberischen Interessenausgleich zu aktualisieren.

Schulte, G R U R 1985, III, 773 (in Fußnote 3). § 15 Abs.2 LUG vom 1 9 . 6 . 1 9 0 1 (RGBl. S.227): „Eine Vervielfältigung zum persönlichen Gebrauch ist zulässig, wenn sie nicht den Zweck hat, aus dem Werke eine Einnahme zu erzielen." 15 Vgl. oben S. 126 f. 16 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft 5 , S . 3 1 3 . 13

14

§ 7 Geistiges

b. Das Literaturecho

Eigentum

auf die

in der Rechtsprechung

des 20.

Jahrhunderts

131

„Grundig-Reporter"-Entscheidung

Vor dem Hintergrund der alternativen Problembewältigungsstrategien kam dem Eintreten des B G H für die Theorie vom geistigen Eigentum besonderes Gewicht zu. Dies erklärt auch die Heftigkeit der literarischen Diskussion um die „Grundig-Reporter "-Entscheidung. Der durch das Urteil ausgelöste Konflikt läßt sich gut in den verschiedenen Bearbeitungen des Hubmannschen UrheberrechtsLehrbuches nachvollziehen. Die sechste, 1 9 8 7 erschienene Auflage des „Urheber- und Verlagsrecht" ist noch von Hubmann besorgt worden. Dessen dogmatische Grundvorstellungen sind schon 1 9 5 4 , also kurz vor der „Tonband/Grundig-Reporter-Entscheidung" von ihm im „Recht des schöpferischen Geistes" dargelegt worden. 1 7 Der Urheber hat nach Hubmann mit der Werkerstellung ein naturgegebenes geistiges Eigentum an dem Werk, welches durch den Gesetzgeber lediglich anerkannt und ausgestaltet wird. 18 Die Theorie vom geistigen Eigentum sei durch die Entscheidung B G H Z 17, 2 6 6 ff. für die Rechtspraxis wieder fruchtbar gemacht worden. Ihr „tiefer Wahrheitsgehalt" müßte Bestandteil der Urheberrechtslehre bleiben. Hubmann mißt dem Begriff des geistigen Eigentums drei Funktionen zu. Zum einen gebe er den Grund des Rechtsschutzes kurz an. Weiter diene er der Einordnung des Urheberrechts unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Schließlich stelle er klar, daß Urheberinteressen nicht schlechter bewertet werden dürfen als diejenigen des Sacheigentümers. Unzutreffend sei es aber, die Lehre vom geistigen Eigentum als Forderung nach der Gleichbehandlung von Sach- und geistigem Eigentum anzusehen. Dies widerspreche den Besonderheiten des geistigen Eigentums. Aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Beherrschungsmöglichkeiten sei eine generalisierende Schutzgewährung wie in § 9 0 3 B G B im Urheberrecht verfehlt. Richtig sei demgegenüber eine Ausrichtung an den schützenswerten Interessen des Urhebers und an den Verwertungsmöglichkeiten des Werkes. 1 9 Obwohl Hubmann ein Anhänger der Theorie vom geistigen Eigentum ist, werden von ihm Differenzierungen zwischen Urheberrecht und Sacheigentum akzeptiert. Die zeitliche Beschränkung des Urheberrechts wird von ihm gebilligt, allerdings verbunden mit der Forderung nach einem durch eine Urhebernachfolgevergütung dotierten Urheberfonds. 2 0 Zutreffend wird der Gedanke zurückgewiesen, das Gesetz behalte dem Urheber nur gewerbsmäßige oder öffentliche Verwertungsformen vor. 21 Im Ergebnis erfolgt der Werkgenuß immer durch natürliche Personen, so daß sich der Kommerzialisierungsgedanke als untauglich erweist. Allein praktische Erwägungen zwingen dazu, die Vergütung auf vorgela-

17 18 19 20 21

Vgl. oben S. 111. Hubmann, UrheberHubmann, UrheberHubmann, UrheberHubmann, Urheber-

und und und und

Verlagsrecht 6 , Verlagsrecht 6 , Verlagsrecht 6 , Verlagsrecht 6 ,

§8 §8 §8 §8

III (S.54). IV 2 (S.56). V l a , b (S.60f.). IV 3 (S.56f.).

132

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

gerten, in der Regel kommerziellen Ebenen „abzugreifen". Die Wirkweise des Autorenhonorars ähnelt daher der Umsatzsteuer. Beide Posten werden über verschiedene Ebenen durchgewälzt, um letztlich den Endverbraucher zu treffen. Dieses, das geistige Eigentum integrierende Bild des Urheberrechts ist von Rehbinder mit der von ihm bearbeiteten 7. Aufl. (1991) des Lehrbuches zum Urheberrecht umgestürzt worden. Das Entstehen des Rechts ist auch nach Ansicht von Rehbinder nicht von einem staatlichen Verleihungsakt oder der Einhaltung von Formalitäten abhängig. Ausreichend sei die Werkschöpfung. Hierdurch erlange der Urheber die Werkherrschaft.21 Das Werk wird ihm als das „Seine" zugeordnet. Mit dem Begriff der „Werkherrschaft" substituiert Rehbinder den von Hubmann verwendeten Terminus des geistigen Eigentums. Dieser sei „aus der Mottenkiste der Rechtsgeschichte" wieder hervorgeholt worden. Damit sei an die Naturrechtsdoktrin der französischen Aufklärung angeknüpft worden. Diese habe zur Legitimierung rechtspolitischer Forderungen nach Schaffung und Erweiterung des Urheberrechts ein dem Staat und seinen politischen Entscheidungen vorgegebenes Recht behauptet. 23 Die für die vorliegende Darstellung als Anknüpfungspunkt gewählte Entscheidung BGHZ 17, 2 6 6 ff. ist für Rehbinder ein „klassisches Zeugnis dieser rechtstheoretischen Verirrung aus der naturrechtlichen Phase des B G H " . Diese sei heute überwunden. Die Verwendung des Begriffes des geistigen Eigentums berge zudem die Gefahr in sich, daß sie die persönlichkeitsrechtliche Seite des Rechtsgutes verdunkle. Der Ausdruck „Werkherrschaft" bezeichne weit besser, worum es geht. 24 Diese Kritik ist die praktische Umsetzung von Rehbinders Ablehnung naturrechtlicher Erwägungen. Rehbinder steht auf dem Standpunkt, ein dem positiven Recht vorgegebenes, immanentes System von Rechtsnormen gebe es nicht. 25 Vor diesem Hintergrund besteht näherer Erklärungsbedarf, warum - insoweit wortgleich mit Hubmann 26 - davon ausgegangen wird, Schutz bestehe ohne staatlichen Erteilungsakt. Rehbinders „Werkherrschaft" soll mit einem Realakt entstehen. Wenn die Werkherrschaft - wie Hubmanns geistiges Eigentum - begründet wird, ohne daß der Gesetzgeber eine entsprechende Norm schafft, liegt ebenfalls eine überpositive Grundlage vor. Diese hätte von Rehbinder dargelegt werden müssen. Ausführungen hierzu fehlen aber. Einer näheren Betrachtung bedarf noch der Kernpunkt von Rehbinders Kritik: Der Begriff „Geistiges Eigentum" lasse nicht hinreichend die persönlichHubmann/Rehbinder, Urheber- und Verlagsrecht7, § 8 II 5 (S.45). Hubmann/Rehbinder, Urheber- und Verlagsrecht 7 , § 8 II 5 (S.45). 24 Hubmann/Rehbinder, Urheber- und Verlagsrecht 7 , § 8 II 5. 25 Rehbinder, Einführung in die Rechtswissenschaft 8 , § 21 (S. 161 ff., insbesondere S. 169 mit Fußnote 10, wo Bezug auf Ernst E. Hirsch, Das Rechtim sozialen Ordnungsgefüge, 1966, S.49, genommen wird; weiter S. 172). 26 Vgl. einerseits Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht 6 , § 8 III (S. 54) und andererseits Hubmann/Rehbinder, Urheber- und Verlagsrecht7, § 8 II 5 (S. 45) jeweils 1. Satz und 2. Satz, 1. Halbsatz. 22 23

§ 7 Geistiges

Eigentum

in der Rechtsprechung

des 20.

Jahrhunderts

133

keitsrechtlichen Aspekte des Urheberrechts erkennen. Zweifel an der Durchschlagskraft dieses Argumentes werden schon von Rehbinder selbst geweckt. In seinem Werk „Schweizerisches Urheberrecht" meint Rebbinder,

die in Deutsch-

land vorherrschende monistische Theorie könne sich als dogmatischer Irrweg erweisen. Auslöser sei, daß in der Bundesrepublik erst nach dem Zweiten Weltkrieg das allgemeine Persönlichkeitsrecht anerkannt worden ist. 27 Dies heißt umgekehrt, daß der Dualismus mit seiner konturenscharfen Trennung vom Persönlichkeitsrecht und Vermögensrecht auch nach Rehbinders Ansicht eine akzeptable Deutung des Urheberrechts ermöglicht. Hiervon ausgehend könnte eine Definition des Urheberrechts „geistiges Eigentum + Persönlichkeitsrecht" lauten.

c. Geistiges Eigentum als dogmatische Fundierung des in weiteren Entscheidungen des BGH

Urheberschutzes

In der weiteren Rechtsprechung des B G H ist regelmäßig Bezug auf das geistige Eigentum genommen worden. Häufig war dies der Fall, wenn der Umfang der Verwertungsbefugnisse des Urhebers geklärt werden mußte. In der Entscheidung „Altenwohnheim II" 2 8 mußte der B G H entscheiden, ob für die Musikwiedergabe in Gemeinschaftsräumen von Altenheimen der G E M A Vergütungsansprüche zustehen. Hierzu war die Reichweite der Vergütungspflichtbeschränkung des § 5 2 Abs. 1 Satz 3 UrhG zu bestimmen. 2 9 Der Grundsatz, den Urheber tunlichst angemessen an der Verwertung des Werkes zu beteiligen, wird vom B G H ganz ähnlich wie in der Entscheidung B G H Z 17, 2 6 6 ff. begründet: „Die Herrschaft des Urhebers über sein Werk, auf die sich sein Anspruch auf einen gerechten Lohn für eine Verwertung seiner Leistung durch Dritte gründet, wird ihm dabei nicht erst durch den Gesetzgeber verliehen, sondern folgt aus der N a t u r der Sache, nämlich aus seinem geistigen Eigentum, das durch die positive Gesetzgebung nur seine Anerkennung und Ausgestaltung findet ( B G H Z 17, 2 6 6 , 2 7 8 - Grundig-Reporter). Auch bei der Auslegung einer das geistige Eigentum einschränkenden Gesetzesbestimmung ist der Gedanke zu berücksichtigen, daß das Urheberrecht gleichsam die Tendenz hat, soweit wie möglich beim Urheber zu verbleiben." 3 0 27 Rehbinder, Schweizerisches Urheberrecht, S. 39; vgl. zur dogmatischen Grundlage des schweizerischen Rechts näher unten S. 176 ff. 28 BGH G R U R 1992, 386ff.; hierzu Seifert, Festschrift Piper, S . 7 6 9 , 7 8 1 . 29 § 52 Abs. 1 UrhG: „'Zulässig ist die öffentliche Wiedergabe eines erschienenen Werkes, wenn die Wiedergabe keinem Erwerbszweck des Veranstalters dient, die Teilnehmer ohne Entgelt zugelassen werden und im Falle des Vortrages oder der Aufführung des Werkes keiner der ausübenden Künstler (§ 73) eine besondere Vergütung erhält. 2 Für die Wiedergabe ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. 3 Die Vergütungspflicht entfällt für Veranstaltungen der Jugendhilfe, der Sozialhilfe, der Alten- und Wohlfahrtspflege, der Gefangenenbetreuung sowie für Schulveranstaltungen, sofern sie nach ihrer sozialen oder erzieherischen Zweckbestimmung nur einem bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen zugänglich sind. 4 Dies gilt nicht, wenn die Veranstaltung dem Erwerbszweck eines Dritten dient; in diesem Fall hat der Dritte die Vergütung zu zahlen."

134

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Interessant ist, daß das hier mit dem Grundsatz des geistigen Eigentums begründete Prinzip vom BGH in anderen Entscheidungen auch alternativ und isoliert (!) auf zwei andere Argumentationslinien gestützt wird. Eine Variante ist die verfassungsrechtliche Begründungslinie. Der Grundsatz, den Urheber tunlichst am wirtschaftlichen Nutzen des Werkes zu beteiligen, wird „aus der verfassungsrechtlichen Garantie des geistigen Eigentums" hergeleitet.31 Diese, auf den ersten Blick der Begründung der „Tonband/Grundig-Reporter" ganz ähnliche Argumentation beruht auf einer eher positivrechtlichen Fixierung des „geistigen Eigentums". War es in der Entscheidung BGHZ 17, 266ff. anscheinend naturrechtlich, vorpositivistisch vorgegeben, wird hier nun Bezug auf das Verfassungsrecht genommen. Schließlich findet sich noch eine Begründungsvariante, in der überhaupt keine Bezugnahme auf den Eigentumsbegriff erfolgt. In der Entscheidung „Zeitschriftenauslage in Wartezimmern" 32 nimmt der BGH Bezug auf einen „allgemeinen urheberrechtlichen Grundsatz", den Urheber angemessen an den Früchten seines Werkschaffens zu beteiligen. Das „geistige Eigentum" wird vom BGH also nur fakultativ (und selbst dann variabel) verwendet, um die Rechtsposition des Urhebers zu beschreiben. Wichtig ist, daß ein chronologischer Bedeutungswandel nicht festgestellt werden kann. Selbst in einer relativ jungen Entscheidung vom 23.2. 1995 ist „geistiges Eigentum" in klassischer Terminologie verwendet worden: Der BGH nahm Bezug auf die „Lehre vom geistigen Eigentum". 33 Allerdings wird das geistige Eigentum nicht nur zur Rechtsbegründung, sondern auch zur Rechtsbeschränkung herangezogen. Die Sozialbindung des Urheberrechts durch die §§45 ff. UrhG wird aus dessen Eigentumseigenschaft abgeleitet.34 Insgesamt läßt sich festhalten, daß das geistige Eigentum in der Urheberrechtsdogmatik des BGH einen festen Platz gefunden hat. 2. „Geistiges Eigentum"

als Abgrenzung

zum

Sacheigentum

Häufig sind Kollisionslagen zwischen Sach- und geistigem Eigentum zu bewältigen. Darf der Eigentümer eines Kunstwerkes dieses zerstören, ohne die Zustimmung des Malers einzuholen? In diesen Fällen greift der BGH regelmäßig auf den Begriff des geistigen Eigentums zurück, um das Problemfeld scharf zu umreißen. Über den Nachlaß eines Archäologieprofessors mußte in der Entscheidung „Grabungsmaterialien" 35 entschieden werden. Der Nachlaß bestand unter ande30

BGH GRUR 1992, 383, 387 - Altenwohnheim II. BGH GRUR 1986, 376, 378 - Filmmusik; GRUR 1987, 36 (36) - Liedtextwiedergabe. 32 BGH GRUR 1985, 134, 135. 33 BGH GRUR 1995, 674, 675 - Mauerbilder. 34 BGH GRUR 1991, 903, 905 Liedtextwiedergabe; GRUR 1993, 822, 823 - Katalogbild; GRUR 1997, 459, 463 - CB-Infobank I. 35 BGH GRUR 1991, 523ff. 31

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20.

Jahrhunderts

135

rem aus Beschreibungen von Ausgrabungen, Aufstellungen, M a n u s k r i p t e n , Tagebüchern, Dias und Fotos. U m das Eigentum an diesen Forschungsresultaten stritten die Erben und die Universität, für die der Archäologe tätig war. Z u r Verdeutlichung des juristischen Konfliktfeldes griff der B G H auf das Begriffspaar „geistiges Eigentum/Sacheigentum" zurück. Grundlage des Herausgabeanspruches der Erben könne nur das Sacheigentum sein. Das Urheberrecht gewähre „dem Werkschöpfer oder seinem Rechtsnachfolger nur Ausschließlichkeitsrechte am (immateriellen) geistigen Eigentum, nicht aber ein Recht auf Eigentum oder Besitz an den einzelnen S t ü c k e n " . 3 6 Die verschiedenen Wirkbereiche werden also v o m B G H klar getrennt. Die rechtliche Kernaussage, geistiges Eigentum verschaffe kein R e c h t zum Besitz, geht dabei schon auf eine ältere Entscheidung aus dem J a h r 1 9 5 1 zurück, in der der B G H klären mußte, o b der Ersteller einer Krankenkartei ein Besitzrecht an dieser habe. 3 7

3. Sonstige

Verwendungen

Schließlich findet sich noch eine Reihe von Entscheidungen des B G H , in denen „geistiges E i g e n t u m " ohne spezifisch dogmatische Bedeutung verwendet wird. In dem der wettbewerbsrechtlichen Entscheidung „ R a d s c h u t z " 3 8 zugrundeliegenden Sachverhalt war ein Patent angemeldet worden, welches im wesentlichen auf der Entwicklung einer anderen Person beruhte. Abschriften der Anmeldeschrift waren v o m Anmelder zu Wettbewerbszwecken an Interessenten weitergeleitet worden. D e r B G H hielt dieses Verhalten für wettbewerbswidrig. In Leitsatz 2 der Entscheidung 3 9 heißt es: „Unlauter handelt, wer an Kunden Abschriften der Anmeldung einer Vorrichtung zum Patent versendet, obwohl eine entsprechende Vorrichtung eines Wettbewerbers ihm bei der Anmeldung als Vorbild gedient und er in dem Bewußtsein gehandelt hat, daß er sich mit der Anmeldung fremdes geistiges Eigentum zu eigen gemacht habe, daß diese auch nicht zu einem rechtsbeständigen Patent hätte führen können, wer überhaupt bewußt den unrichtigen Anschein zu erwecken versucht hat, als ob es sich bei seiner Vorrichtung um eine patentwürdige Neuheit handele". Das Erfinderprinzip (jetzt § 6 S. 1 P a t G 1 9 8 1 ) , nach dem das Patent dem Erfinder und nicht dem Anmelder zusteht 4 0 , wird hier v o m 1. Zivilsenat des B G H mit dem Begriff des geistigen Eigentums erfaßt. Demgegenüber mißt die Rechtsprechung des B G H zum Geschmacksmuster-, Gebrauchsmuster- und Patentrecht dem geistigen Eigentum keine Bedeutung bei. Dies kann darauf zurückzuführen sein, daß das Modell eines geistigen Ei36 37 38 39 40

BGH GRUR 1991, 523, 525 - Grabungsmaterialien. BGH GRUR 1952, 257, 258 - Krankenhaus-Kartei. BGH GRUR 1954, 337ff. BGH GRUR 1954, 337. Vgl. zur Entstehung Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts4, § 6, 3 (S. 55).

136

Teill: Geistiges Eigentum — Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

gentums, welches ohne staatlichen Verleihungsakt entsteht, nur schwer mit dem Formalismus der gewerblichen Schutzrechte (Anmeldung, vgl. § 3 5 Abs. 1 P a t G , § 7 Abs. 1 G e s c h m M G , § 4 Abs. 1 G e b r M G , § 5 Abs. 1 HalbleiterschutzG, § § 1 , 8 SortenschutzG) zu vereinbaren ist. Insoweit ist die Beschränkung des Wirkungsfeldes des geistigen Eigentums durch die Rechtsprechung konsequent. Beachtung verdient schließlich noch die urheberrechtliche Streitigkeit „Staatse x a m e n s a r b e i t " aus dem J a h r 1 9 8 0 . 4 1 D e r Kläger w a r der Ansicht, durch eine wissenschaftliche Veröffentlichung des Beklagten sei das Urheberrecht an seiner Staatsexamensarbeit „ B a u und Gewebe einiger Calamiten aus dem N a m u r C Westfalens" verletzt worden. Im Prozeß hatte der Kläger beantragt, „festzustellen, daß der in der wissenschaftlichen Publikation Argumenta Palaeobotanica herausgegeben von Prof. R . - in Heft 4 , Seiten 1 3 9 - 1 5 4 und ebenfalls als Sonderdruck des Heftes 4 unter dem Verfassernamen Hagen H . erschienenen Aufsatz mit dem Titel „Arthroxylon Werdensis N . Sp. - ein Calamit aus dem N a m u r C des R u h r k a r b o n s mit vollständig erhaltenen G e w e b e n " ein Plagiat ist und daß der Aufsatz nicht geistiges Eigentum von Herrn Hagen H . , sondern von Herrn Hubert H . ist, hilfsweise die Beklagte verurteilen, zu widerrufen, d a ß der Autor des in Heft 4 der wissenschaftlichen Publikation Argumenta Palaeobotanica auf den Seiten 1 3 9 - 1 5 4 erschienenen Aufsatz unter dem Titel „Arthroxylon Werdensis N . Sp. - ein Calamit aus dem N a m u r C des R u h r k a r b o n s mit vollständig erhaltenen G e w e b e n " Herr Hagen H . , sondern Herr H u b e r t H . i s t . " Über diesen Antrag ist in allen drei Instanzen entschieden worden. Die Gerichte sahen keinen Anlaß, gem. § 1 3 9 Abs. 1, Abs. 2 Z P O auf einen Antrag hinzuwirken, der die Formulierung „geistiges Eigentum" vermeidet. Die Bedeutung der Entscheidung über den genannten Antrag für das geistige Eigentum ergibt sich aus den prozessualen Voraussetzungen der Feststellungsklage. § 2 5 6 Abs. 1 Z P O läßt die Feststellungsklage - neben hier nicht interessierenden Streitigkeiten um Urkunden - nur für die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zu. „Rechtsverhältnis" ist eine rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache. 4 2 Anerkannt ist die Feststellungsklage unter anderem für die Klärung der Eigentümerstellung bei körperlichen Sachen. 4 3 E b e n s o ist eine Klage zur Feststellung der Erfindereigenschaft nach § 2 5 6 Z P O zulässig. 4 4 Gleiches gilt auch für die Innehabung von Urheberrechten. 4 5 M i t der Anerkennung einer Klage auf Feststellung der Inhaberschaft eines geistigen Eigentums 4 6 wird dieses in die Reihe der eben genannten BGH GRUR 1981, 352ff. BGHZ 22, 43, 47; Zöller 22 /Greger, $ 256 Rz.3; Thomas/Putzo23, §256 Rz.5; MünchKommZPO 2 /Lüke, §256 Rz.9; modifizierend noch RGZ 144, 54, 56: „... Beziehung zu einer anderen Person oder einem anderen Rechtsgut". 43 BGHZ 27, 190, 195. 44 BGH GRUR 1979, 145, 148 - Aufwärmvorrichtung. 45 BGH GRUR 1987, 704 - Warenzeichenlexika. 46 BGH GRUR 1981, 352 - Staatsexamensarbeit. 41

42

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung

des 20.

Jahrhunderts

137

Rechte eingegliedert. Ausgehend von der generellen Definition des Rechtsverhältnisses (Beziehung zu einer Person oder Sache) wird im Regelfall eine nähere Einordnung des Rechtsverhältnisses von der Rechtsprechung nicht vorgenommen. Ob „geistiges Eigentum" die Beziehung zu einer Person - zu anderen potentiellen Inhabern - oder zu einer (unkörperlichen) Sache bezeichnet, bleibt in der Regel im Dunkeln. Allerdings finden sich zum Gegenstand einer Feststellungsklage im Urheberrecht in der Entscheidung „Warenzeichenlexika" 47 nähere Ausführungen. Das Gericht sollte feststellen, daß dem Beklagten „keinerlei Urheberrechte" an einem näher bezeichneten Schriftwerk zustünden. Als Gegenstand des Feststellungsbegehrens hat der BGH die urheberrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien angesehen. Angesprochen ist hier also nicht der absolute Charakter des Urheberrechts, sondern die relative Wirkung zwischen den Verfahrensbeteiligten. Eine solche Sichtweise trägt dem Umstand der nur subjektiven Rechtskraftwirkung des Urteils (§ 325 Abs. 1 ZPO) in besonderer Weise Rechnung. Umgekehrt wird der absolute Charakter des Urheberrechts nicht hinreichend berücksichtigt. Auch werden Anwendungszweifel in bezug auf § 265 ZPO begründet.

III. Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Im Gegensatz zum Bundesgerichtshof verwenden die Oberlandesgerichte den Begriff des „geistigen Eigentums" nur äußerst sparsam. Beachtung verdient eine ältere Entscheidung des OLG Celle zur Rundfunksendung urheberrechtlich geschützter Werke. 48 Das Recht des Urhebers auf Sendung seines Werkes wird vom Senat als „aus dem Urheberrecht weiterhin als Ausstrahlung des geistigen Eigentums fließendes, in den geltenden Urheberrechtsgesetzen noch nicht berücksichtigtes Recht des Schöpfers" bezeichnet. 49 Erwähnenswert ist daneben noch eine Bezugnahme des OLG Köln50 auf die Entscheidung BGHZ 17, 266: Die Herrschaft des Urhebers sei natürliche Folge seines geistigen Eigentums. Weiter sind noch einige - meist ältere - Entscheidungen zu verzeichnen, in denen geistiges Eigentum als Synonym für „Urheberrecht" und als Sammelbegriff verwendet wird. 51 Insgesamt ist aber ein - im Vergleich zum BGH - zurückhaltenderer Gebrauch des Ausdrucks „geistiges Eigentum" festzustellen.

47

BGH GRUR 1987, 704. OLG Celle GRUR 1960, 634ff. - GELU. 49 OLG Celle GRUR 1960, 634, 635 - GELU. 50 OLG Köln GRUR 1962, 534, 536 - Der Mensch lebt nicht vom Lohn allein; vgl. a. OLG Düsseldorf GRUR 1990, 124, 127 - Unternehmen Tannenberg. 51 OLG Stuttgart GRUR 1 9 5 6 , 4 8 1 , 4 8 2 - JA.. .JACOBI; OLG Köln GRUR 1953,499 - Miturheberschaft bei „Memoiren". 48

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Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

IV. Bundesverfassungsgericht 1. Interpretation des Eigentumsgrundrecbts durch das Bundesverfassungsgericht Einen wesentlichen Beitrag für die Etablierung des geistigen Eigentums als Rechtsbegriff in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland hat das BVerfG geleistet. Explizite verfassungsrechtliche Gewährleistungen des geistigen Eigentums fanden in Deutschland mit der Reichsverfassung v o m 1 1 . 8 . 1 9 1 9 ein Ende. 5 2 D e r Verfassungsgesetzgeber vollzog die Begriffswandlung im Recht des geistigen Schaffens nach und trennte zwischen dem Schutz des Eigentums in Art. 1 5 3 und dem Schutz von „geistiger Arbeit, Urheber, Erfinder und Künstler" in Art. 1 5 8 . Das Grundgesetz v o m 2 3 . 5 . 1 9 4 9 beschränkt sich begrifflich allein darauf, „das Eigentum und das E r b r e c h t " (Art. 1 4 Abs. 1 G G ) zu gewährleisten. Urheber- und Patentrecht sind nicht Gegenstand expliziter, separater verfassungsrechtlicher Gewährleistungen. Die generalisierende Schutzgewährung zwingt das B V e r f G dazu, den Inhalt des Eigentumsschutzes präziser zu bestimmen. Eine Schutzbeschränkung auf das zivilrechtliche Eigentum hat das BVerfG schon frühzeitig unter Bezugnahme auf die umfassende Funktion der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung abgelehnt. Das Eigentumsgrundrecht soll dem Grundrechtsträger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sichern und ihm damit die eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens ermöglichen. 5 3 Eigentumsgewährleistung ist also Freiheitsgewährleistung. 5 4 Dieser v o m Grundrecht der Eigentumsfreiheit gewährleistete Verhaltensspielraum setzt das Rechtsinstitut „ E i g e n t u m " voraus. 5 5 D a h e r wird heute allgemein eine Institutsgarantie für das Eigentum bejaht. 5 6 N o c h nicht endgültig geklärt sind aber die Grenzen dieser Institutsgarantie. 1 9 2 3 beschränkte M a r t i n Wolff sie noch auf das Sacheigentum des B G B . 5 7 Dies wird heute allgemein als zu eng empfunden, so daß der Bereich der Institutsgarantie weiter zu bestimmen ist. 5 8 Ausgehend von der freiheitssichernden Funktion des Eigentums wird v o m BVerfG der Kreis des schutzfähigen Eigentums weit gezogen. Eigentumsfähige Position ist grundsätzlich jedes v o m Gesetzgeber gewährte (konkrete) Vermögenswerte R e c h t . 5 9 O h n e Bedeutung ist, o b es sich um ein dingliches oder absoVgl. oben S.82. BVerfGE 30,292, 334; 42, 64, 76f.; 68,193, 222; 79, 292, 304; 83, 201, 208; Jarass, in: Jarass/Pieroth5, Art. 14 Rz. 1. 54 Vgl. BVerfGE 24, 367, 389. 55 BVerfGE 26, 215, 222. 56 BVerfGE 24, 367, 389; 58, 300, 339; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz. 11 f.; zurückhaltend vonMünch/Kunig5/Bry(ie, Art. 14 Rz. 32ff. 57 Martin Wolff, Festgabe Kahl, Reichsverfassung und Eigentum, S.6. 58 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 R z . l l ; Rittner, FS Schilling, S.364, 365f. 59 BVerfGE 24, 367, 396; 53, 257, 290; 58, 300, 336. 52

53

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20.

Jahrhunderts

139

lutes Recht handelt. Auch privatrechtliche Forderungen sind prinzipiell schutzfähig. 6 0 Wesentliches M e r k m a l des Eigentums im Sinne von Art. 1 4 G G ist nach Ansicht des BVerfG, „daß ein vermögenswertes R e c h t dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie Sacheigentum zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet i s t " . 6 1 Privatnützigkeit ist also dominierendes Element des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes. Die Weite, die diese Schwerpunktsetzung nach sich zieht, ist besonders deutlich daran zu erkennen, daß sogar das Besitzrecht des Mieters 6 2 vom BVerfG als „ E i g e n t u m " im Sinne des Art. 1 4 Abs. 1 G G anerkannt wird. 6 3 Die Einordnung des Besitzrechtes aus § 5 3 5 Satz 1 B G B in den Schutzbereich des Art. 1 4 Abs. 1 G G zeigt daneben die eher zurückgesetzte Bedeutung der Verfügungsbefugnis für die Schutzbereichsbestimmung. Die weitgehende Beschränkung der Dispositionsbefugnis für den Mieter durch § 5 4 9 B G B steht der Annahme eines verfassungsrechtlich geschützten Eigentums nach Ansicht des BVerfG nicht entgegen. 6 4 M i t der Anerkennung des Besitzrechts des Mieters als Eigentum wird auch der große Unterschied zwischen dem engen zivilrechtlichen Eigentumsbegriff und dem des Verfassungsrechts deutlich. Regelfall 6 5 des Mietvertrages ist die Gebrauchsüberlassung einer Sache durch den Eigentümer an den Mieter. „ M i e t e r " ist zivilrechtlich beinahe synonym mit „ N i c h t - E i g e n t ü m e r " . D e n n o c h ist er Eigentümer im Sinne des Art. 1 4 Abs. 1 G G . Die begriffliche Weite zwingt das BVerfG sogar zu der Klarstellung, der Eigentümer könne sich gegenüber dem Mieter auf Art. 14 Abs. 1 G G berufen. 6 6

2. Kasuistik

zum Urheberrecht

und den verwandten

a. BVerfGE 31, 229ff. - Kirchen- und

Schutzrechten

Schulgebrauch67

M i t der Urheberrechtsreform 1 9 6 5 sind die inhaltlichen Beschränkungen des Urheberrechts zugunsten der Allgemeinheit im wesentlichen identisch mit der alten Rechtslage geregelt worden. M i t fünf Beschlüssen v o m 7 . / 8 . 7 . 1 9 7 1 klärte der BVerfGE 28, 110, 141; 68, 193, 222; 83, 201, 208f. ; 92, 262, 271. BVerfGE 89, 1, 6. 62 Zur näheren Bestimmung des Schutzbereiches abhängig vom Typ des Mietobjektes (Zweitwohnung, Ferienwohnung, Geschäftsraum etc.) vgl. Ihler AcP 197 (1997), 565, 582. 63 BVerfGE 89, 1, 5f. 64 BVerfGE 89, 1, 7; Cosima Möller (AcP 197 [1997] 537, 554) wendet dagegen zutreffend ein, § 549 BGB begründe keine Verfügungsbefugnis, sondern eine unter Erlaubnisvorbehalt gestellte Befugnis zur Weitergabe der Nutzungsmöglichkeit; ablehnend auch Depenheuer, NJW 1993, 2561, 2563, der für Art. 14 Abs. 1 GG eine uneingeschränkte Verfügungsbefugnis verlangt. Eine solche werde durch § 549 BGB nicht gewährt. 65 Anders z.B. bei gewerblicher Zwischenmiete; vgl. zu deren Einordnung in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG /Wer, AcP 197 (1997), 565, 576ff. 66 BVerfGE 89, 1, 8. 67 = GRUR 1972, 481 ff. 60 61

140

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

erste Senat des B V e r f G grundlegende verfassungsrechtliche Zweifel an der N o vellierung des Urheberrechts. D e r erste, hier zu erörternde Beschluß 6 8 befaßt sich mit § 4 6 U r h G . Dieser ließ die Vervielfältigung und Verbreitung bestimmter Werk- und Werkteile in Sammlungen für den Kirchen-, Schul- und Unterrichtsgebrauch zu. 6 9 Durch diese R e gelung fühlten sich einige Urheber in ihren Grundrechten, unter anderem aus Art. 1 4 Abs. 1 G G , verletzt. Das BVerfG sah in Art. 1 4 Abs. 1 G G den zutreffenden M a ß s t a b für die verfassungsrechtliche Uberprüfung der Regelung der Vermögenswerten Seite des Urheberrechts. 7 0 Z u diesem Ergebnis gelangt das BVerfG, indem es von der Funktion des Grundrechts aus Art. 1 4 Abs. 1 G G ausgeht. Diesen k o m m e die Aufgabe zu, durch Zubilligung und Sicherung von Herrschafts-, Nutzungs- und Verfügungsrechten einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu gewährleisten. Hierdurch solle dem Träger des Grundrechts die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglicht werden. 7 1 Die sichernde und abwehrende Bedeutung des Eigentums gebietet es nach Ansicht des BVerfG, „die Vermögenswerten Befugnisse des Urhebers an seinem Werk als „ E i g e n t u m " im Sinne des Art. 1 4 G G anzusehen und seinem Schutzbereich zu unterstellen." 7 2 Über ein „geistiges E i g e n t u m " m a c h t das BVerfG keine Aussagen. Vielmehr handelt es sich allein um Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal „ E i g e n t u m " in Art. 1 4 Abs. 1 G G . D a s Ergebnis k a n n mit der Formel „vermögensrechtliche Befugnis des Urhebers = Eigentum im Sinne des Art. 1 4 Abs. 1 G G " beschrieben werden. BVerfGE 3 1 , 2 2 9 ff. § 4 6 UrhG 1 9 6 5 : (1) Zulässig ist die Vervielfältigung und Verbreitung, wenn Teile von Werken, Sprachwerke oder Werke der M u s i k von geringem Umfang, einzelne Werke der bildenden Künste oder einzelne Lichtbildwerke nach dem Erscheinen in eine Sammlung aufgenommen werden, die Werke einer größeren Anzahl von Urhebern vereinigt und nach ihrer Beschaffenheit nur für den Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt ist. Auf der Titelseite oder in einer entsprechenden Stelle der Sammlung ist deutlich anzugeben, wozu sie bestimmt ist. 68

69

(2) Absatz 1 gilt für Werke der M u s i k , die in eine für den Musikunterricht bestimmte S a m m lung aufgenommen werden, nur, wenn es sich um eine Sammlung für den Musikunterricht in Schulen mit Ausnahme der Musikschulen handelt. (3) M i t der Vervielfältigung darf erst begonnen werden, wenn die Absicht, von der Berechtigung nach Absatz 1 Gebrauch zu machen, dem Urheber oder, wenn sein W o h n o r t oder Aufenthaltsort unbekannt ist, dem Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts durch eingeschriebenen Brief mitgeteilt worden ist und seit Absendung des Briefs zwei Wochen verstrichen sind. Ist auch der W o h n o r t oder Aufenthaltsort des Inhabers des ausschließlichen Nutzungsrechts unbekannt, so kann die Mitteilung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bewirkt werden. (4) Der Urheber kann die Vervielfältigung und Verbreitung verbieten, wenn das Werk seiner Überzeugung nicht mehr entspricht, ihm deshalb die Verwertung des Werkes nicht mehr zugemutet werden kann und er ein etwa bestehendes Nutzungsrecht aus diesem Grunde zurückgerufen hat ( § 4 2 ) . Die Bestimmungen in § 1 3 6 Abs. 1 u. 2 sind entsprechend anzuwenden. 70 71 72

BVerfGE 31, 2 2 9 , 2 3 8 . BVerfGE 3 1 , 2 2 9 , 2 3 9 . BVerfGE 3 1 , 2 2 9 , 2 3 9 .

§7

Geistiges

Eigentum

in der Rechtsprechung

des 20. Jahrhunderts

Dieser Anwendung des verfassungsrechtlichen

Eigentumsbegriffes

141

haftet

nichts Spektakuläres an. Schon das R G hatte den Eigentumsbegriff der Weimarer Reichsverfassung über den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff hinaus erstreckt. Enteignung im Sinne des Art. 1 5 3 Abs. 2 W R V w a r nicht nur der Entzug des Eigentums oder von Grundstücksrechten. Geschützte Rechtspositionen waren vielmehr auch alle subjektiven Rechte, mithin auch Forderungsrechte. 7 3 D a her liegt die Einordnung der Urhebervermögensrechte in den Schutzbereich des Art. 1 4 Abs. 1 G G auf einer Linie mit dem historischen verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz. Für die Urheberbefugnisse selbst ist der eigentumsrechtliche Schutz der vermögensrechtlichen Interessen des Urhebers von großer Bedeutung. Art. 1 4 Abs. 1 G G gründet das Prinzip, nach dem der Urheber prinzipiell Anspruch auf den wirtschaftlichen Nutzen seiner Arbeit hat. 7 4 Vergütungsansprüche können daher nicht aufgrund irgendeines Gemeinwohlinteresses, sondern nur aufgrund eines besonderen öffentlichen Interesses ausgeschlossen werden. 7 5 Gleichzeitig wurde mit der Entscheidung des BVerfG der Gedanke an eine Dankesschuld des Urhebers aufgrund seines Rückgriffs auf das „ ü b e r k o m m e n e Kulturgut" zurückgewiesen. 7 6 M i t der Einordnung der vermögensrechtlichen Befugnisse des Urhebers in den Eigentumsbegriff des G G wird eine bedeutsame Verbindung zwischen Urheberrecht und Eigentum hergestellt. Fehlerhaft ist es allerdings, aus der vorliegenden Entscheidung den Schluß zu ziehen, das BVerfG habe auf das „geistige E i g e n t u m " zurückgegriffen. Dieses wird in der Entscheidung nur bei der Wiedergabe des Parteivortrages erwähnt. 7 7 Das Gericht beschränkt sich also auf die bloße Feststellung, die Urhebervermögensrechte seien - wie jede Forderung Eigentum im Sinne des Art. 1 4 Abs. 1 G G . Geistiges Eigentum wird v o m BVerfG selbst nicht als Rechtsbegriff verwendet. Ein solcher Schluß aus der vorliegenden Entscheidung wäre ebenso falsch wie die auf die Einbeziehung von Forderungen in den Schutzbereich des Art. 1 4 Abs. 1 G G 7 8 gestützte Behauptung, das BVerfG erkenne ein „Forderungseigentum" an. Die Entscheidung B V e r f G E 3 1 , 2 2 9 f f . etablierte also keinen Rechtsbegriff „geistiges E i g e n t u m " .

b. BVerfGE

31, 248ff.

-

Bibliotheksgroschen79

In einem weiteren Beschluß vom gleichen Tage stellte das BVerfG fest, Art. 1 4 Abs. 1 G G verpflichte den Gesetzgeber nicht, dem Urheber für jeden Fall der 73 74 75 76 77 78 79

RGZ 109, 310, 319. BVerfGE 31, 229, 243. BVerfGE 31, 229, 243. BVerfGE 31, 229, 246. BVerfGE 31, 229, 235. Vgl. BVerfGE 28, 110, 141; 68, 193, 222; 83, 201, 208f.; 97, 262, 271. = GRUR 1972, 485ff.

142

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

Ausleihe einen „Bibliotheksgroschen" zu gewähren. 80 Der Begriff „geistiges Eigentum" ist auch hier vom Senat nur bei der Wiedergabe des Parteivortrages aufgegriffen worden. 81 Das Gericht selbst beschränkt sich auf die Subsumtion unter dem Begriff „Eigentum" in Art. 14 Abs. 1 GG. c. BVerfGE

31, 255ff. -

Tonbandvervielfältigungen82

Besondere Bedeutung für den Begriff des geistigen Eigentums kommt der Entscheidung des BVerfG zur Tonbandvervielfältigung zu. Wie bereits dargestellt 83 , war diese Vervielfältigungsform für den BGH 84 Anlaß, das geistige Eigentum als Grundlage des Urheberrechtsschutzes zu etablieren. Der Gesetzgeber hat auf diese Entscheidung reagiert, indem er es in § 53 Abs. 1 UrhG 85 generell für zulässig erklärte, private Vervielfältigungsstücke zu erstellen. Im Gegenzug wurde den Urhebern ein - nur durch Verwertungsgesellschaften geltend zu machender Vergütungsanspruch gegen die Hersteller von Vervielfältigungsgeräten wie Tonbandmaschinen eingeräumt ( § 5 3 Abs.5 UrhG 86 ). Durch diese Regelung fühlte sich ein Tonbandgerätehersteller in verfassungswidriger Weise belastet und erhob Verfassungsbeschwerde. Diese wurde vom BVerfG zurückgewiesen. 87 Zu einer eventuellen normativen Bindung des Gesetzgebers, eine Zahlungsverpflichtung zu statuieren, führt das Gericht aus: 88

BVerfGE 31, 2 4 8 , 2 5 2 . BVerfGE 31, 2 4 8 , 2 5 0 . 82 = G R U R 1 9 7 2 , 4 8 8 f f . 83 S. 1 2 8 ff. 84 B G H Z 1 7 , 2 6 6 f f . 85 § 5 3 Abs. 1 U r h G : Zulässig ist, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum persönlichen G e b r a u c h herzustellen. 80 81

§ 5 3 Abs. 5 U r h G : Ist nach der Art eines Werkes zu erwarten, daß es durch Aufnahme von Funksendungen auf Bild- oder Tonträger oder durch Übertragung von einem Bild- oder Tonträger auf einen anderen zum persönlichen Gebrauch vervielfältigt wird, so hat der Urheber des Werkes gegen den Hersteller von Geräten, die zur Vornahme solcher Vervielfältigungen geeignet sind, einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die durch die Veräußerung der Geräte geschaffene Möglichkeit, solche Vervielfältigungen vorzunehmen. Neben dem Hersteller haftet als Gesamtschuldner, wer die Geräte in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gewerblich einführt oder wiedereinführt. Der Anspruch entfällt, soweit nach den Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, daß die Geräte zur Vornahme der genannten Vervielfältigungen nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes benutzt werden. Der Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Als Vergütung steht jedem Berechtigten ein angemessener Anteil an dem vom Hersteller aus der Veräußerung der Geräte erzielten Erlös zu; die Summe der Vergütungsansprüche aller Berechtigten einschließlich der Berechtigten nach §§ 8 4 , 8 5 A b s . 3 und § 9 4 Abs. 4 darf fünf vom Hundert dieses Veräußerungserlöses nicht übersteigen. 86

87 88

BVerfGE 31, 2 5 5 , 2 6 2 . BVerfGE 31, 2 5 5 , 2 6 3 .

5 7 Geistiges Eigentum

in der Rechtsprechung

des 20.

Jahrhunderts

143

„Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie des geistigen Eigentums - vgl. hierzu Beschluß vom 7.7 1971 - I BvR 765/66 89 - oder kraft völkerrechtlicher Vereinbarungen verpflichtet war, den Urhebern und sonst Berechtigten ein Ausschließungsrecht oder einen Vergütungsanspruch für die private Tonbandvervielfältigung einzuräumen. Auch wenn das zu verneinen wäre, war der Gesetzgeber nicht gehindert, den strittigen Anspruchstatbestand zu schaffen."

Diese Ausführungen des Gerichts sind für die Dogmatik des geistigen Eigentums von größter Bedeutung, da das BVerfG die vom BGH in der Entscheidung B G H Z 17, 266ff. gewählte Begriffsbildung übernimmt. „Verfassungsrechtliche Garantie geistigen Eigentums" bedeutet, daß - außerhalb des Verfassungsrechts (!) ein geistiges Eigentum existiert, welches verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Dies ist etwas vollkommen anderes, als mit „geistigem Eigentum" die Subsumtion des Urheberrechts unter Art. 14 Abs. 1 GG zu beschreiben. Das Urteil ist damit ein Indiz für die Anerkennung eines „geistigen Eigentums" durch das BVerfG. d. BVerfGE

31, 27Off. -

Schulfunksendungen90

In der Entscheidung BVerfGE 31, 270ff. vom 7.7. 1971findet sich der Terminus „geistiges Eigentum" nur in der Wiedergabe der Verfassungsbeschwerdebegründung. 91 Der Beschluß gibt daher für den Begriff des geistigen Eigentums nichts her. e. BVerfGE

31, 275ff. -

Schallplatten92

Die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung des § 1 3 5 UrhG 1965 war ebenfalls Gegenstand eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens. Die N o r m beschränkte die zeitliche Dauer der Befugnisse des ausübenden Künstlers auch für bereits entstandene Rechte und ließ den Schutz für mehr als 25 Jahre alte Aufnahmen entfallen. Das BVerfG sah hierin einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG. 9 3 Eine Bezugnahme auf das geistige Eigentum erfolgte nicht. Es wurde entschieden, daß die dem ausübenden Künstler zustehenden Rechte Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG sind. 94 Im weiteren Verlauf der Begründung wird die Reichweite der Eigentumsgarantie ausgelotet, ohne daß der 1. Senat auf das geistige Eigentum Bezug nimmt.

89 90 91 92 93 94

BVerfGE = GRUR BVerfGE = GRUR BVerfGE BVerfGE

31, 2 2 9 ff. - Kirchen- und Schulgebrauch. 1972, 4 8 7 f f . 31, 2 7 0 , 2 7 1 . 1972, 491ff. 31, 2 7 5 , 2 8 1 . 31, 2 7 5 , 2 8 3 .

144

Teill:

f. BVerfGE

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

49, 382 f f . -

eines umstrittenen

Begriffs

Kirchenmusik95

1978 mußte das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit von § 5 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG 1965 entscheiden. Dieser stellte die öffentliche Wiedergabe erschienener Werke in kirchlichen Veranstaltungen, insbesondere Gottesdiensten, für den Regelfall vergütungsfrei. Dies wurde für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Unter Bezugnahme auf ältere Rechtsprechung stellte der Senat klar, daß das vom Urheber geschaffene Werk mit der darin verkörperten geistigen Leistung in vermögensrechtlicher Hinsicht Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist. Aus dieser verfassungsrechtlichen Gewährleistung erwachse dem Urheber die Befugnis, „dieses „geistige Eigentum" wirtschaftlich zu nutzen" 96 . Im weiteren Verlauf der Entscheidung des BVerfG entfallen die Anführungszeichen. Geistiges Eigentum wird als feststehender Rechtsbegriff gehandhabt. 97 Dem Gesetzgeber obliege es, Inhalt und Schranken des geistigen Eigentums zu bestimmen. Dem „sozialen Bezug des geistigen Eigentums" müsse hierbei Rechnung getragen werden. Mit diesem Beschluß des BVerfG ist also eine terminologische Verfestigung erfolgt. g. BVerfGE

79, l f f . - private

Vervielfältigungen

In der Entscheidung BVerfGE 79, lff. mußte das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit von gesetzlichen Regelungen zur Urhebervergütung in §§ 53 f. UrhG 1985 entscheiden. Das Gericht unterstrich erneut, daß die Vermögenswerten Befugnisse des Urhebers Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG sind. Das Urheberrecht bedürfte „ebenso wie das Sacheigentum" der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung. 98 Es wird also eine deutliche Parallele zwischen Sach- und geistigem Eigentum gezogen: Beide bedürfen einer Inhaltsbestimmung. b. BVerfGE

79, 29ff. -

Vollzugsanstalten99

Eine weitere begriffliche Schärfung hat das geistige Eigentum durch die Entscheidung des BVerfG zur Vergütungspflicht für Veranstaltungen der Gefangenenbetreuung erfahren. 100 In der Freistellung dieser Zusammenkünfte von der Vergütungspflicht sah das BVerfG keinen Verfassungsverstoß. 101 Besondere Bedeutung für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand erlangt die Entscheidung durch die Ausführungen des Senats zu Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen von Sach- und geistigem Eigentum. Das Gericht gibt zunächst eine generelle Defini= GRUR 1980, 44ff. BVerfGE 49, 382, 392. 97 BVerfGE 49, 382, 392. 98 BVerfGE 79, 1, 25. 99 = GRUR 1989, 193 ff. 100 BVerfGE 79, 29ff. 101 Zustimmend Leinemann, 95 96

Die Sozialbindung des „geistigen Eigentums", S. 105ff.

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung

des 20. Jahrhunderts

145

tion des Eigentums: „Eigentum ist die Zuordnung eines Rechtsguts zu einem Rechtsträger." 102 Die gebildete Definition bedürfe, um praktikabel zu sein, notwendigerweise der rechtlichen Ausformung durch den Gesetzgeber.103 Dies soll in besonderer Weise für das geistige Eigentum gelten, da aufgrund der Natur der Urheberleistung ein unmittelbares tatsächliches Band zwischen dem Urheber und dem Werknutzer in einer Vielzahl von Fällen fehlt. Mit diesen Darlegungen hat das BVerfG eine Positionsbestimmung des geistigen Eigentums in der Verfassungsrechtsdogmatik vorgenommen. Kern des Begriffes „Eigentum" ist die Zuordnung im Verhältnis Rechtsgut - Rechtsträger. Objekt der Zuordnung kann ein körperliches Objekt sein. Dann liegt Sacheigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG vor. Sofern aber ein Produkt geistigen Schaffens dem Rechtsträger in verfassungsrechtlich geschützter Weise zugeordnet wird, ist ein geistiges Eigentum gegeben. Es besteht also im Verfassungsrecht eine Strukturidentität von Sach- und geistigem Eigentum. Beide beschreiben einen Zuordnungsvorgang. Different ist jedenfalls das Zuordnungsobjekt. Unterschiede gibt es nach der Rechtsprechung des BVerfG auch bezüglich des Zuordnungsinhalts. Der Senat mußte sich mit dem Einwand auseinandersetzen, daß prinzipiell sämtliche Lieferanten von Sach- und Dienstleistungen von den Vollzugsanstalten vergütet werden. Etwas anderes solle nur für die „Lieferanten von geistigem Eigentum" gelten: Diese seien durch § 52 Abs. 1 Satz 3 UrhG zu Gratislieferungen verpflichtet. Die Differenzierung soll keinen Verfassungsverstoß begründen: „Die unterschiedliche Behandlung von Sach- und geistigem Eigentum ist wegen der tatsächlichen Verschiedenheiten gerechtfertigt. Bei der Lieferung von Sachen und der Erbringung von Dienstleistungen ist die unmittelbare Zuordnung zwischen Gebendem und Nehmendem schon durch den Lebensvorgang vorgegeben. Eine Pflicht zur unentgeltlichen Leistungserbringung wäre der Sache nach ein unmittelbarer Zugriff des Staates auf das Eigentum Privater und zielte somit auf die vollständige und teilweise Entziehung einer bereits vorhandenen Rechtsposition. Sie wäre daher nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG zulässig. Hier geht es jedoch um die im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G vorzunehmende Zuordnung des wirtschaftlichen Ergebnisses von Urheberleistungen. Deren Verfassungsmäßigkeit beurteilt sich allein danach, ob das, was dem Urheber „unter dem Strich" verbleibt, noch als angemessenes Entgelt für seine Leistung anzusehen ist (BVerfGE 4 9 , 382 [400f.]). Das ist der Fall." 1 0 4

Im Ergebnis wird also den Eingriffsformen eine unterschiedliche Intensität beigemessen: hier (Sacheigentum) Entziehung einer Eigentumsposition, dort (geistiges Eigentum) bloße Inhaltsbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die vom BVerfG selbst reklamierten Unterschiede liegen also bei genauer Betrachtung gar nicht vor. Es handelt sich um eine bloße Inhaltsbestimmung des geistigen Eigen102 103 104

BVerfGE 79, 29, 40. BVerfGE 79, 29, 40. BVerfGE 79, 29, 41 f.

146

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

tums am Werk. D e m Urheber wird das subjektive Recht nicht entzogen; allein der Inhalt wird eingeschränkt. Anders verhält es sich bei den Lieferanten von Anstaltsbedarf. Diese verlieren ihr Sacheigentum. Die in der Entscheidung erforderliche nähere Ausleuchtung der Sozialbindung brachte es mit sich, daß der Senat obiter dictum eine Begründung für die zeitliche Beschränkung des Urheberrechts gab: Ein geschütztes M u s i k w e r k löse sich nach der Veröffentlichung von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und werde geistiges und kulturelles Allgemeingut. 1 0 5 Hierin erblickt der Senat den Geltungsgrund für die zeitliche Beschränkung des Urheberrechts. Die Entscheidung im 7 9 . Band zeigt, daß geistiges Eigentum und Sacheigentum identische Strukturmerkmale aufweisen. Sie werden von einer Zuordnungsfunktion dominiert. Diese bedingt aber keine Identität der inhaltlichen Ausgestaltung. Die aus der Sozialbindung folgenden Schranken sind vielmehr für jeden Eigentumstyp a u t o n o m zu bestimmen. i. BVerfGE

81, 12 f f . -

Vermietungsvorbehalt106

Das Verfassungsbeschwerdeverfahren aus dem J a h r 1 9 8 9 betrifft die Frage, o b der Hersteller bespielter Tonträger dem Käufer deren gewerbliche Vermietung untersagen kann. Diese mittlerweile durch den Gesetzgeber (§ 1 7 Abs. 2 U r h G in der Fassung vom 2 3 . 6 . 1 9 9 5 1 0 7 ) geregelte Zweifelsfrage war v o m B G H 1 0 8 verneint worden. Das BVerfG sah hierin keinen Grundrechtsverstoß, insbesondere keine Verletzung von Art. 1 4 Abs. 1 G G . 1 0 9 Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BVerfG auch das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht Eigentum im Sinne des Art. 1 4 Abs. 1 G G . 1 1 0 Ähnlich wie beim Urheberrecht sei dem Tonträgerhersteller im Wege privatrechtlicher Normierung das Vermögenswerte Ergebnis seiner Leistung zugeordnet worden. Die daraus folgende Verfügungsbefugnis sei der grundgesetzlich geschützte Kern des Leistungsschutzrechts. 1 1 1 Interessant ist hierbei das hierarchische Verhältnis von Verfassungs- und Privatrecht. Dieses präsentiert sich umgekehrt zur Normenpyramide, in der das Privatrecht v o m R a n g her unter dem Verfassungsrecht angeordnet ist. Hier aber scheint ein Vorrang des Privatrechts zu gelten: Art. 1 4 Abs. 1 G G schützt das Resultat eines privatrechtlichen ZuordnungsVorgangs. Dies würde bei engem Verständnis eine „Privatrechtsakzessorietät des Verfassungsrechts" begründen. O h ne privatrechtlichen Zuordnungsakt gibt es keinen verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz. Eine solche Interpretation verkennt aber die freiheitssichernde 105 106 107 108 109 110 111

BVerfGE 79, 2 9 , 42; zuvor schon BVerfGE 58, 137, 148f. = GRUR 1 9 9 0 , 189ff. BGBl. 1995 I S. 842, vgl. hierzu S . 1 1 9 f . GRUR 1986, 736ff. - Schallplattenvermietung. BVerfGE 81, 12. BVerfGE 81, 12, 16. BVerfGE 81, 12, 16.

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20.

Jahrhunderts

147

Funktion des Eigentumsgrundrechts. Daher sind ausgehend von der Institutsgarantie Ansätze entwickelt worden, die einen Eigentumsschutz auch ohne staatlichen Zuordnungsakt gewährleisten (vgl. sogleich unter k.). Für das geistige Eigentum wird ein Kernbereichsschutz durch das Verfassungsgericht in der Weise gewährleistet, daß zwar nicht die Sicherung jeder, so doch aber einer angemessenen Verwertungsmöglichkeit durch die Verfassung erfolgt. 1 1 2 Diese Gewährleistung setzt eine der Disposition des Zivilgesetzgebers entzogene, geschützte Position voraus. /'. BVerfGE

81, 208ff.

- Bob

Dylan113

1 9 9 0 mußte sich das BVerfG mit dem verwandten Leistungsschutzrecht für ausübende Künstler befassen. D e r Schutz des ausübenden Künstlers bestimmt sich nach den §§ 7 3 ff. U r h G . Deutsche Künstler genießen für alle, also auch für im Ausland stattfindende Darbietungen Schutz (§ 1 2 5 Abs. 1 U r h G ) . Die Befugnisse ausländischer Künstler bestimmen sich nach den dazu abgeschlossenen Staatsverträgen und den Bestimmungen des § 1 2 5 Abs. 2 - 6 U r h G . Diese Regelung hatte im Ergebnis zur Konsequenz, daß ausländische Künstler für unerlaubt mitgeschnittene Konzerte in Ländern, die nicht dem R o m - A b k o m m e n 1 1 4 beigetreten waren, in Deutschland keinen Schutz nach den §§ 7 3 ff. U r h G genossen. Die große praktische Konsequenz resultierte aus dem nicht erfolgten Beitritt der U S A zum R o m - A b k o m m e n . Hierdurch wurden Mitschnitte von Konzerten in den USA weitgehend schutzlos gestellt. Schon bevor dieses Ergebnis für Künstler aus EU-Staaten durch den E u G H korrigiert w u r d e l l s , mußte das BVerfG über den ergänzenden Leistungsschutz für einen amerikanischen Musiker, B o b Dylan, entscheiden. D e r Mitschnitt eines von Dylan in Italien gegebenen Konzerts wurde ohne seine Zustimmung in der Bundesrepublik verbreitet. Der B G H 1 1 6 sah hierin keinen Verstoß gegen urheberrechtliche N o r m e n . Die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung wurde v o m BVerfG zurückgewiesen. 1 1 7 Allerdings trifft das B V e r f G die Feststellung, das dem Urheberrecht verwandte Leistungsschutzrecht sei Eigentum im Sinne

BVerfGE 81, 12, 17. = GRUR 1990, 43 8 ff. 114 Internationales Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen vom 26.10. 1961, BGBl. 1965 II S. 1245. 115 Vgl. EuGH vom 20.10. 1993 GRUR 1994, 280ff. - Phil Collins (hierzu Loewenheim, NJW 1994, 1046ff.): Nach der Rechtsprechung des EuGH verstößt die durch § 125 Abs. 1 UrhG ausgelöste Diskriminierung von Künstlern aus anderen Mitgliedstaaten der EU gegen das Diskriminierungsverbot des EG-Vertrages. Künstlern aus anderen Mitgliedstaaten ist der Schutz zu gewähren, der deutschen Staatsangehörigen zusteht. Vgl. hierzu noch OLG Frankfurt a.M. GRUR 1997, 1006ff. - Puccini. 116 BGH GRUR 1986, 454ff. - Bob Dylan. 117 BVerfGE 81, 208. 112 113

148

Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

der Verfassung. 1 1 8 Anscheinend wird auch hier wieder auf einen Zuordnungsakt abgestellt. D u r c h die § § 7 4 bis 7 7 werden die dem Künstler aus seiner Darbietung fließenden Rechte im Wege der Ausschließlichkeit als Ergebnis eigener Leistungen gegenüber den Interesse der Allgemeinheit und anderen Personen zu seinem wirtschaftlichen Vorteil zugeordnet. 1 1 9 Beibehalten wird aber auch das Grundprinzip, nach dem aus der Eigentumsgewährleistung nicht die Pflicht folgt, dem Künstler jede nur denkbare Verwertungsmöglichkeit

vorzubehal-

ten. 1 2 0 Für die erforderliche Ausgestaltung des geistigen Eigentumsrechts durch den einfachen Gesetzgeber wird auf drei bewährte M a x i m e n verwiesen: Privatnützigkeit und Ermöglichung der Eigentumsnutzung zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung, aber auch das Wohl der Allgemeinheit als Grund und Grenze der dem Eigentümer aufzuerlegenden Beschränkungen. Die Versagung des Leistungsschutzes für in Italien aufgenommene Konzerte sprengt nach Ansicht des BVerfG nicht den durch die bisherige Rechtsprechung eröffneten weiten Gestaltungsspielraum. 1 2 1 Im Ergebnis also bewegt sich auch diese Entscheidung im R a h m e n der älteren Rechtsprechung. k.

Beurteilung

Die Rechtsprechung des BVerfG hat den Begriff des geistigen Eigentums in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland etabliert. Ausgehend von den Begriffen Z u o r d n u n g und Privatnützigkeit wird die dem Urheber zugewiesene Rechtsposition als „ E i g e n t u m " oder auch „geistiges E i g e n t u m " bezeichnet. Prima facie scheint zumindest für den Schutzbereich des Grundrechts eine Gleichstellung von Sach- und geistigem Eigentum zu erfolgen. Differenzierungen wären nur dem Schrankenbereich zuzuweisen. Zweifel werden allerdings von der unterschiedlichen Qualität des Zuordnungsobjektes hervorgerufen. Das O b j e k t des Sacheigentums, die Sache im Sinne des § 9 0 B G B , ist existent. Legislatives Handeln auf diesem Gebiet hat seinen Schwerpunkt im Zuordnen. Demgegenüber scheint das O b j e k t des geistigen Eigentums erst mit einem staatlichen A k t (zum Beispiel dem U r h G ) zu entstehen. Dies hätte im Ergebnis zur Konsequenz, daß der einfache Gesetzgeber über die Existenz von Urheberrechtsschutz entscheiden könnte. H e b t er das U r h G auf, würde das Bezugsobjekt des verfassungsrechtlichen Schutzes entfallen. Eine p a r a d o x e Situation stellte sich ein: Gewährt der Gesetzgeber ein Urheberrecht (im Sinne eines subjektiven Rechts), m u ß er sich an der Verfassung messen lassen. W i r d das Urheberrecht beseitigt, entfällt das geschützte O b j e k t . Der Grundrechtschutz geht ins Leere. Ein solches Ergebnis dürfte sich aber nicht einstellen. Z w a r finden sich Formulierungen, die 118 119 120 121

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

81, 81, 81, 81,

208, 208, 208, 208,

219. 220. 2 1 0 unter Bezugnahme auf BVerfGE 31, 2 2 9 , 2 4 1 . 220.

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20.

Jahrhunderts

149

sich auf die Feststellung beschränken, das Urheberrecht sei Eigentum im Sinne des Art. 1 4 Abs. 1 G G . 1 2 2 Bereits 1 9 7 8 aber hat das BVerfG das Schutzobjekt detailliert beschrieben: Das vom Urheber geschützte Werk und die darin verkörperte geistige Leistung genießen verfassungsrechtlichen Schutz. N i c h t nur die im Gesetz einzeln normierten Befugnisse, sondern auch das „potentielle Verfügungsund Verwertungsrecht" ist in den Schutzbereich des Art. 1 4 Abs. 1 G G einbezogen. 1 2 3 Eigentumsschutz existiert also auch ohne einfachgesetzliche Schaffung einer Vermögenswerten Position. Dies hier zutage getretene Problem ist bereits 1 9 8 7 von R o m a n Herzog unter dem Titel „Grundrechte aus der H a n d des Gesetzgebers" erörtert worden. Herzog hat dargelegt, daß es verschiedene Arten von Gütern gibt. Eine Gruppe wie Leben, körperliche Unversehrtheit und Meinungsäußerungen existieren selbst dann, wenn die Rechtsordnung vollkommen aufgehoben wird. 1 2 4 Anders sei dies bei Gütern wie der Staatsbürgerschaft oder auch dem Eigentum. 1 2 5 Z w a r sei bei dem Letztgenannten eine tatsächliche Substanz vorhanden. Eigentum als rechtliche Herrschaft über die Güterwelt sei aber ein Produkt der Rechtsordnung. Die Konsequenz werde deutlich bei der üblichen Definition des Schutzbereichs des Eigentumsgrundrechts aus Art. 1 4 Abs. 1 G G . Dieses schütze Rechte.

Vermögenswerte

Schaffe der Gesetzgeber ein solches R e c h t , so entstehe verfassungsrecht-

lich geschütztes Eigentum im Sinne des Art. 1 4 Abs. 1 G G . W ü r d e ein solches R e c h t nicht geschaffen, gibt es auch kein Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne. 1 2 6 Besonders deutlich zeigt sich für Herzog die Problematik beim Urheberrecht. G ä b e es die einzelnen Urheberrechtsgesetze, zu denen er das Patentgesetz und das Warenzeichengesetz zählt, nicht, wäre kein Urheberrecht Eigentum im Sinne des Art. 1 4 Abs. 1 G G . 1 2 7 D e r exemplarische Charakter des Urheberrechts folge daraus, daß ihm im allgemeinen nicht einmal die Spur eines sächlichen Substrats zugrundeliegt. Herzog löst die Problematik über die Wesensgehaltsgarantie des Art. 1 9 Abs. 2 G G . Dieser gewähre nicht die subjektive Grundrechtsposition des Einzelnen, sondern die der jeweiligen Grundrechtsnorm. 1 2 8 Hieraus ergibt sich ein Wesenskern, der vom Gesetzgeber nicht angetastet werden kann. Die von Herzog beschriebene verfassungsrechtliche Problemstellung gewinnt ihr besonderes Gewicht aus der von ihr aufgezeigten Problemidentität für Sachund geistiges Eigentum. Beide verlangen nach einer Rechtsordnung, die ihnen Schutz gewährt. Die Körperlichkeit des Bezugsobjektes des Sacheigentums darf 122 123 124 125 126 127 128

BVerfGE 79, 29, 40. BVerfG 49, 382, 392. Herzog, FS Zeidler II, Herzog, FS Zeidler II, Herzog, FS Zeidler II, Herzog, FS Zeidler II, Herzog, FS Zeidler II,

S. 1415, S. 1415, S. 1415, S. 1415, S. 1415,

1416Í. 1418. 1419. 1419. 1425.

150

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

den Blick auf die Regelungsbedürftigkeit nicht verstellen. Deutlich war dies vielleicht zu der Zeit, zu der Privateigentum als Element einer Gesellschaftsordnung durch Ökonomen wie Karl Marx in Frage gestellt wurde. Das hier diskutierte Problem der Grundrechtsdogmatik zeigt also, quasi als Reflex, weitgehende Übereinstimmungen von Sach- und geistigem Eigentum. Ebenso gut - bzw. ebenso schlecht - wie eine Rechtsordnung ohne geistiges Eigentum ist eine Rechtsordnung ohne Sacheigentum vorstellbar. Über das Verfassungsrecht hinaus wird eine Güteridentität erkennbar. Söllner hat 1994 allerdings zutreffend darauf hingewiesen, daß der rechtlichen Gestaltung durch den Gesetzgeber beim Sacheigentum zumindest das Bezugsobjekt vorgegeben ist. 129 Um im Bereich des Urheberrechts die Tätigkeit des Gesetzgebers nicht mit Hiob 1,21 beschreiben zu müssen („Der Herr hat's gegeben; der Herr hat's genommen. Der Name des Herrn sei gelobt."), sucht Söllner neben Art. 19 Abs. 2 GG weitere Lösungsmöglichkeiten. 130 Helfen soll eine verfassungsrechtliche Regelungsverpflichtung des Gesetzgebers, die sich insbesondere aus dem Erwerbsgrund „Erarbeitung" speisen soll.131 Im Kern spricht Söllner hier die Institutsgarantie an, die für das geistige Eigentum insbesondere schon von Maunz 132 und Badura 133 herangezogen worden ist. Die Institutsgarantie wird üblicherweise verstanden als die Garantie eines Instituts wie zum Beispiel des Eigentums durch die Rechtsordnung. 134 Für das Eigentum heißt dies, daß Sachbereiche, die zum elementaren Bereich grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören, nicht der Privatrechtsordnung entzogen werden dürfen. 135 Von Maunz wird sogar erwogen, ob nicht das geistige Eigentum in besonderem Maße ein Beispiel für den Kernbereich dessen darstellt, was von der Institutsgarantie erfaßt wird. Hierfür spräche, daß es unmittelbar - im Gegensatz zu einigen Formen bzw. Erwerbstatbeständen des Sacheigentums - auf der eigenen Arbeitsleistung beruhe. 136 Die verfassungsrechtliche Problemlage zeigt deutlich, daß die Gemeinsamkeiten zwischen Sach- und geistigem Eigentum größer sind, als sie aus zivilrechtlicher Perspektive erscheinen. Beide Rechtsmaterien benötigen eine normative Regelung, damit der Schutz Konturen gewinnt. Auch das Sacheigentum gewinnt diese erst durch gesetzgeberisches Handeln.

Söllner, FS Traub, S.367, 369. Vgl. Söllner, FS Traub, S.367, 370ff. 131 Söllner, FS Traub, S.367, 371. 132 Maunz, GRUR 1993, 107ff. 133 Badura, FS Maunz, S. 1 ff. 134 Vgl. Maunz, GRUR 1973, 107, 108. 135 BVerfGE 24, 367, 389; 58, 300, 339; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz. 11; Zweifel bei Jarass, in: Jarass/Pieroth4, Art. 14 Rz. 3. 136 Maunz, GRUR 1973, 110, 113f. 129

130

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20.

3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Gebieten des Schutzes geistigen Eigentums a. BVerfG GRUR 1964, 554ff. - Künstliche

Jahrhunderts

zu den

151

weiteren

Bräunung

aa. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einsichtnahme in Patentakten § 2 4 Abs. 3 PatentG i.d.F. von 1 9 6 1 1 3 7 regelte die Einsichtnahme in Patentrolle, Beschreibungen, Zeichnungen, Modelle und Probestücke. Prinzipiell stand die Einsicht nach Patenterteilung jedermann frei. Problematisch w a r die Handhabung der Regelung, wenn es während des Anmeldeverfahrens zu einer Beschränkung des Anmeldegegenstandes kam. Konnte in dieser Situation auch Einsicht in die fallengelassenen Teile der Anmeldung genommen werden? In einem Fall wurde vom DPA die Einsicht in Unterlagen, die nicht zur B e k a n n t m a c h u n g geführt haben, verweigert. Auf die Beschwerde gegen diese Entscheidung beschloß das B P a t G , daß die Anmeldeakten vollständig offenzulegen sind. Ein der Einsichtnahme entgegenstehendes Interesse des Anmelders bestehe nicht. 1 3 8 Bereits im Vorfahren vor dem B P a t G berief sich die Anmelderin auf Art. 1 4 Abs. 1 G G . Dies ist bei W o l f M ü l l e r 1 3 9 auf vollkommene Verständnislosigkeit gestoßen. Das Vorbringen der Anmelderin sei ein Musterbeispiel für sachfremde Überlegungen mit dem Ziel, eine Einsichtnahme zu verhindern. Es spiele keine Rolle, o b mit der Einreichung des Schriftstückes bei der Behörde dieser das Eigentum nach § 9 2 9 Satz 1 B G B übertragen werde. Dieses werde mit der Akteneinsicht nicht beeinträchtigt, zumindest aber nicht „über Inhalt und Schranken hinaus, die durch das Gesetz bestimmt sind (Art. 1 4 Abs. 1 Satz 2 G G ) " . Wesentlich sei im übrigen auch nicht das Schriftstück, sondern der Inhalt. Gegen die Entscheidung des B P a t G ist von der Anmelderin im Wege der Verfassungsbeschwerde unter anderem die Verletzung von Art. 1 4 Abs. 1 G G gerügt w o r d e n . 1 4 0 D e r Beschluß des B P a t G greife in ihr Eigentum ein, da er es zulasse, BGBl. 1961 I S. 549: „Die Einsicht in die Rolle, die Beschreibungen, Zeichnungen, Modelle und Probestücke, aufgrund derer die Patente erteilt worden sind, steht jedermann frei, soweit es sich nicht um ein Patent handelt, das gemäß § 30a nicht bekanntgemacht worden ist. In die Akten bekanntgemachter Patentanmeldungen und erteilter Patente sowie in die dazugehörenden sonstigen Modelle und Probestücke wird Einsicht nur auf Antrag gewährt. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Patentsucher oder Patentinhaber zu hören; die Einsicht wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentsucher oder Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut. Das Patentamt kann nach Anhörung der zuständigen obersten Bundesbehörde auch in Akten von Patenten, die gemäß § 3 0 a nicht bekanntgemacht worden sind, Einsicht gewähren, wenn und soweit ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Antragsstellers die Gewährung der Einsicht geboten erscheinen läßt und hierdurch eine Gefährdung des Wohls der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nicht zu erwarten ist." (vgl. heute § 31 PatG). 137

138 139 140

BPatG Bl. f. PMZ 1963, 70. Wolf Müller, GRUR 1963, 255. BVerfG GRUR 1964, 554ff.

152

Teill: Geistiges Eigentum — Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

daß eine Konkurrentin in den Besitz eines Betriebsgeheimnisses gelangt. Stärkere rechtliche Konturen b e k a m die Eingabe mit der Stellungnahme des B M J . In dieser wurde erörtert, o b „das R e c h t des Anmelders auf G e h e i m h a l t u n g " unter die Eigentumsgarantie falle. Das Bundesverfassungsgericht prüfte, o b auch eine „unfertige Erfindung" den Schutz von Art. 1 4 Abs. 1 G G genießt. 1 4 1 D a s Bestehen einer besonderen „Eigent u m s a r t " des geistigen Eigentums sei möglich. Jedenfalls aber habe der Gesetzgeber die Möglichkeit, Inhalt und Schranken des Eigentums näher zu bestimmen. Für die weitere Prüfung unterstellt das BVerfG das Vorliegen eines geistigen Eigentums, da die Entscheidung darüber ausgehend v o m Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht entscheidungserheblich ist: Selbst wenn ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 1 4 Abs. 1 G G vorläge, wäre dieser verfassungsrechtlich gerechtfertigt. bb. Schutz eines geistigen Eigentums an Anmeldeunterlagen für öffentlich-rechtliche Zulassungsverfahren D e r Schutz eines geistigen Eigentums an Anmeldeunterlagen spielt auch in anderen Rechtsgebieten eine Rolle. Die Zulassung von M e d i k a m e n t e n und Pflanzenbehandlungsmitteln setzt einen Unschädlichkeitsnachweis voraus. 1 4 2 Bei der Anmeldung von Chemikalien m u ß deren Toxizität und Entsorgungsfähigkeit dargelegt werden. 1 4 3 Die Erarbeitung der für die Zulassung erforderlichen Unterlagen verschlingt große Geldsummen. Für die Erstellung der von den Zulassungsinhabern nach § 15 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) verlangten Angaben werden Kosten von bis zu 2 9 0 M i l . D M genannt. 1 4 4 Wenn der Unschädlichkeitsnachweis durch einen Anmelder geführt ist, ist zweifelhaft, o b ein weiterer Anmelder (sog. Zweitanmelder) eines identischen Produkts auf dem bereits geführten Unschädlichkeitsnachweis Bezug nehmen kann. In diesem Z u s a m m e n h a n g wurde diskutiert, o b die Prüfungsunterlagen des Erstanmelders verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum im Sinne des Art. 1 4 Abs. 1 G G sind. 1 4 5 Die Kontroverse mündete in gesetzgeberisches Handeln.

BVerfG GRUR 1964, 555. 142 Yg^ §25 Abs. 2 Ziff. 5 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz), BGBl. 1994 I S.3018; §15 Abs.l Ziff. 3 Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz-PflSchG), BGBl. 1986 I S.1505. 143 § 6 Abs. 1 Ziff. 5, 6, 10 Chemikaliengesetz, BGB1.1994 I S. 1689ff. 144 Kaus, WRP 1997, 294. 145 Vgl. nur Denninger, GRUR 1984, 627, 631 ff.; Papier, NJW 1985, 12, 13; Wolfrum, GRUR 1986, 512ff.; Kaus, WRP 1997, 294ff.; ders., die Zweitanmeldeproblematik im Pflanzenschutzrecht, S. 11 ff. 141

§7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20.

Jahrhunderts

153

Dieser änderte Pflanzenschutzgesetz 1 4 6 , Chemikaliengesetz 1 4 7 und Arzneimittelgesetz. 1 4 8 mit dem Ziel, einen besseren Schutz des Erstanmelders zu gewährleisten. Prinzipiell wird dem Zweitanmelder die Möglichkeit eingeräumt, auf die Anmeldung des Erstanmelders zu verweisen. Dieser m u ß aber grundsätzlich der Verwertung zustimmen, sofern die Erstanmeldung weniger als 1 0 J a h r e zurückliegt. M i t dieser Regelung wurde die vorherige Vorgehensweise der Zulassungsbehörden, unter Anwendung der § § 2 4 , 2 6 V w V f G ohne Rücksprache beim Erstanmel146

§ 13 PflSchG:

„(1) Unterlagen nach § 1 2 Abs. 3 Satz 2 , die Tierversuche voraussetzen, sind nicht erforderlich, soweit der Biologischen Bundesanstalt ausreichende Erkenntnisse vorliegen. Stammen diese Erkenntnisse aus Unterlagen eines anderen Antragstellers (Vorantragsteller), so teilt die Biologische Bundesanstalt diesem und dem Antragsteller mit, welche Unterlagen eines Vorantragstellers sie zugunsten des Antragstellers zu verwerten beabsichtigt, sowie jeweils N a m e und Anschrift des anderen. Satz 2 gilt nicht, wenn die Zulassung des Pflanzenschutzmittels des Vorantragstellers länger als 1 0 J a h r e zurückliegt. Unterlagen nach § 1 2 Abs. 3 Satz 2 , die keine Tierversuche voraussetzen, sind nicht erforderlich, soweit der Biologischen Bundesanstalt ausreichende Erkenntnisse vorliegen und wenn, sofern die Erkenntnis aus Unterlagen eines Vorantragstellers stammen, dieser der Verwertung schriftlich zugestimmt hat oder die Zulassung des Pflanzenschutzmittels des Vorantragstellers länger als 1 0 J a h r e zurückliegt. (2) Der Vorantragsteller kann der Verwertung seiner Unterlagen im Falle des Absatzes 1 Satz 1 innerhalb einer Frist von drei M o n a t e n nach Zugang der Mitteilung nach Absatz 1 Satz 2 widersprechen. Im Falle des Widerspruchs ist das Zulassungsverfahren für einen Zeitraum von fünf J a h r e n nach Stellung des Zulassungsantrages, längstens jedoch bis zum Ablauf von zehn J a h r e n nach der Zulassung des Pflanzenschutzmittels des Vorantragstellers auszusetzen. W ü r d e der Antragsteller für die Beibringung eigener Unterlagen einen kürzeren Zeitraum benötigen, so ist das Zulassungsverfahren nur für diesen Zeitraum auszusetzen. Vor Aussetzung des Zulassungsverfahrens sind der Antragsteller und der Vorantragsteller zu hören. (3) Wird das Pflanzenschutzmittel im Falle des Absatzes 2 vor Ablauf von zehn J a h r e n nach der Zulassung des Pflanzenschutzmittels des Vorantragstellers unter Verwertung seiner Unterlagen zugelassen, so hat er gegen den Antragsteller Anspruch auf eine Vergütung in H ö h e von 5 0 vom Hundert der vom Antragsteller durch die Verwertung ersparten Aufwendungen. D e r Vorantragsteller kann dem Antragsteller das Inverkehrbringen des Pflanzenschutzmittels untersagen, solange dieser nicht die Vergütung gezahlt oder für sie in angemessener H ö h e Sicherheit geleistet h a t . " § 6 Abs. 3 Chemikaliengesetz „Einer Vorlage der Unterlagen nach Absatz 1 Nr. 6, 1 0 u. 11 bedarf es nicht, soweit entsprechende Unterlagen bereits von einem anderen Hersteller oder Einführer in einem Anmeldeverfahren nach diesem Gesetz oder nach gleichwertigen Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaften oder Vertragsstaaten des A b k o m m e n s über den europäischen Wirtschaftsraum vorgelegt wurden und seitdem mehr als zehn J a h r e vergangen sind." 147

148

§ 2 4 a Arzneimittelgesetz:

„(1) Der Antragsteller kann bei einem Arzneimittel, das der Verschreibungspflicht nach § 4 9 unterliegt oder unterlegen hat, auf Unterlagen nach § 2 2 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 und § 2 3 Abs. 1 einschließlich der Sachverständigengutachten nach § 2 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 eines früheren Antragstellers (Vorantragsteller) Bezug nehmen, sofern er die schriftliche Zustimmung des Vorantragstellers vorlegt. Der Vorantragsteller hat sich auf eine Anfrage auf Zustimmung innerhalb einer Frist von 3 M o n a t e n zu äußern. Der Zustimmung des Vorantragstellers bedarf es nicht, wenn der Antragsteller nachweist, daß die erstmalige Zulassung des Arzneimittels in einem M i t gliedstaat der Europäischen Gemeinschaft länger als 1 0 J a h r e zurückliegt. (2) (weggefallen)"

154

Teil 1: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

der die von ihm vorgelegten Unterlagen zu verwerten, gestoppt. Hierdurch wurde ein Schutz des Erstanmelders erzielt, der ihm zuvor auch in vermögensrechtlicher Hinsicht nicht zustand, da vom BGH Ausgleichsansprüche zwischen Erst- und Zweitanmelder abgelehnt wurden. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1989 1 4 9 lehnte der BGH einen Anspruch des Erstanmelders aus Eingriffskondiktion ( § 8 1 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB) ab. Der Zweitanmelder habe durch die Nutzbarmachung von Verwaltungswissen nicht in eine geschützte Rechtsposition eingegriffen. Der erforderliche Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines Rechtsgutes setzt voraus, daß der Rechtsinhaber einen Verbotsanspruch hat, der ihm die Macht verleiht, einem sonst ausgeschlossenen Dritten die wirtschaftliche Nutzung der Rechtsposition zu ermöglichen. 150 Dies sei bei Anmeldeunterlagen aber nicht der Fall. Nicht erwogen wurde vom BGH, ob der Schutz eines geistigen Eigentums an den Anmeldeunterlagen nach Art. 14 Abs. 1 GG zu einer Modifikation der Vorschriften des VwVfG in der Weise führt, daß die Zulassung nicht auf bereits vorliegenden Unterlagen anderer Anmelder basieren darf. Ein „geistiges Eigentum" des Erstanmelders ist vom BGH nicht in Betracht gezogen worden. In der rechtswissenschaftlichen Literatur zur Zweitanmelderproblematik hat sich der Ausdruck „geistiges Eigentum" etabliert. Böttcher berichtet über „den Schutz des geistigen Eigentums an Zulassungsunterlagen", der durch die 1986 geschaffenen Regelungen im PflSchG und ArzneimittelG gewährleistet werde. 151 Auch für Kaus dienen diese Regelungen „dem Schutz des geistigen Eigentums" . 1 5 2 Es handelt sich hierbei um eine Begriffsbildung, die anscheinend auf zwei Säulen ruht. Einerseits ist die Bezugnahme auf das Eigentum geboten, weil an den Anmeldeunterlagen ein vermögenswertes Recht bejaht wird, welches den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Andererseits ist Bezugsobjekt nicht ein körperlicher Gegenstand, so daß die Formulierung „geistiges Eigentum" naheliegend ist. Von besonderem Interesse ist der Grund für die Etablierung der Terminologie. Ein besonderer Terminus wie z.B. „Urheberrecht" oder „Patentrecht" für ein eventuelles subjektives Recht an den Anmeldeunterlagen gab und gibt es nicht. Insofern bietet es sich an, auf den Begriff „geistiges Eigentum", quasi als Basisbegriff, auch im Sinne der Entscheidung BGHZ 17, 266ff., zurückzugreifen. Folgt man diesem Ansatz, steht neben dem „geistigen Eigentum am Werk", dem Urheberrecht, ein „geistiges Eigentum an Anmeldeunterlagen". An dieser Stelle schließt sich der Problemkreis wieder. Kernproblem der Entscheidung BGH GRUR 1964, 554ff. war ebenfalls, ob an Anmeldeunterlagen ein „geistiges Eigentum" besteht. Die Problematik gibt auch Anlaß zu Erwägungen über einen numerus clausus des geistigen Eigentums. 153 149 150 151 152 153

BGH GRUR 1990, 221 ff. - Forschungskosten. BGH GRUR 1990, 221, 222 - Forschungskosten. Böttcher, GRUR 1987, 19ff. Kaus, WRP 1997, 294, 296. Vgl. §23 (S.234ff.).

5 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung

b. BVerfGE

36, 281 f f . -

des 20.

Jahrhunderts

155

Erfindung

1974 mußte das BVerfG über die Rechtsposition des Erfinders vor Erteilung des Patents entscheiden. Die patentfähige Erfindung wurde als eine Rechtsposition angesehen, die schon vor der Patenterteilung Schutzansprüche in der Person des Erfinders entstehen läßt. 154 Dieses allgemeine Erfinderrecht stelle ein technisches Urheberrecht dar, welches neben dem öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erteilung des Patents Abwehr- und Schadensersatzansprüche gewähre. Vom BVerfG wurde dieses Erfinderrecht in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG einbezogen, ohne allerdings auf ein geistiges Eigentum Bezug zu nehmen. 1 5 5 Ausgehend von dieser Judikatur wird es mittlerweile als selbstverständlich angesehen, sowohl das erteilte Patent als auch die zum Patent angemeldete Erfindung in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG einzubeziehen. 156 Gleiches gilt für die nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz zu beurteilende Arbeitnehmererfindung. 1 5 7 c. BVerfGE

51, 193ff.; 78, 5 8 f f . - Warenzeichen,

Ausstattung

Auf der Grundlage des alten W Z G gelangte das BVerfG zu dem Ergebnis, daß sowohl das Warenzeichen 158 als auch die Ausstattung 1 5 9 den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen. Für den Ausstattungsschutz wird dieses mit der von § 2 5 Abs. 1, Abs. 2 W Z G gewährleisteten umfangreichen Ausschließungsbefugnis des Zeicheninhabers begründet. Unter Bezugnahme auf die bereits erwähnte Entscheidung BVerfGE 5 1 , 1 9 3 , 2 1 8 streicht das BVerfG die Bedeutung des Ausstattungsschutzes für die wirtschaftliche Betätigung heraus. 160 Ausgehend von dieser Rechtsprechung wird von Papier 161 konsequenterweise auch das Sortenschutzrecht (§ 10 Sortenschutzgesetz vom 11.12.1985 1 6 2 ) in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG einbezogen. Gleiches ist für das Geschmacksmusterrecht anerkannt. 1 6 3 Die gefestigte Rechtsprechung des BVerfG hat auch nach Inkrafttreten des neuen Markengesetzes 1 6 4 Bestand. Der Ausschließlichkeitscharakter des Zeichenrechts, der entscheidend für den Schutz 154

BVerfGE 36, 281, 290. BVerfGE 36, 281, 290. 156 Benkard 9 /Bruchhausen, § 13 Rz. 1; Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts 4 , § 3 III 4 (S.29f.) [unter Betonung des dem Gesetzgeber dennoch verbleibenden Gestaltungsspielraums]; Schulte, GRUR 1985, I I I . 157 BVerfG NJW 1998, 3704. 158 BVerfGE 51, 193, 216f. = GRUR 1979, 773, 778 - Weinbergsrolle. 159 BVerfGE 78, 58, 71. 160 BVerfGE 78, 58, 73 f.; vgl. zur Bedeutung des Ausstattungsschutzes auf europäischer Ebene Linden, Ausstattungsrecht als Eigentum im gemeinsamen Markt, passim. 161 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz. 198. 162 BGBl. 1985 I S.2170. 163 Eichmann, in: Eichmann/von Falckenstein, Geschmacksmustergesetz 2 , Allgemeines Rz. 13; Beier, GRUR Int. 1994, 716, 732; i.E. offen Schulte, GRUR 1985, 772, 774f. 164 BGBl. 1994 I S. 3082, berichtigt 1995 I S. 156. 155

156

Teill:

Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien

eines umstrittenen

Begriffs

nach Art. 14 Abs. 1 GG ist, wurde beibehalten. Der bisherige Ausstattungsschutz existiert als benutzte Marke (§4 Nr. 2 Markengesetz) weiter.165 Die Marke ist daher wie Warenzeichen und Ausstattung Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. 166 Trotz der Einbeziehung in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nimmt das BVerfG deutliche Abgrenzungen zum Urheberschutz vor. Dort gebiete die Schaffung schutzwürdiger Werte durch eine persönliche Leistung den Schutz des Urhebers nach Art. 14 Abs. 1 GG. Demgegenüber diene das Warenzeichen vorrangig der Erleichterung der gewerblichen Tätigkeit im Wettbewerb. Geschützt wird also die wirtschaftliche Betätigung des Einzelnen. Sofern er sich durch diese einen Vermögenswert schafft, greife der Schutzzweck des Art. 14 Abs. 1 GG, dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu erhalten und dem Einzelnen die Entfaltung und eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen, ein. 167 Diese „merkantilistische" Argumentation spricht ein „geistiges Eigentum" nicht an. Auch in der Entscheidung zum Ausstattungsschutz168 wird auf die Figur des geistigen Eigentums nicht zurückgegriffen. Die Schutzvoraussetzung des Art. 14 Abs. 1 GG wird generell dahingehend definiert, daß es sich um ein subjektives vermögenswertes Recht handeln muß, das dem Berechtigten von der Rechtsordnung ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet ist. 169 d. Geographische Eigentumsschutz

Herkunftsangaben

und

verfassungsrechtlicher

aa. Vorab: Überblick über den Schutz geographischer Herkunftsangaben Der Schutz geographischer Herkunftsangaben hatte lange Zeit seinen Schwerpunkt im Schutz vor irreführenden Angaben nach § 3 UWG. Dieser untersagt unter anderem auch irreführende Angaben über den „Ursprung" eines Produktes. Hiervon ausgehend entwickelte die Rechtsprechung ein stark ausdifferenziertes System zum Schutz vor irreführenden geographischen Herkunftsangaben. 170 Obwohl das UWG kein absolutes Recht zur ausschließlichen Benutzung

Vgl. Fezer, Markenrecht 2 , § 4 MarkenG Rz.21ff. Fezer, Markenrecht2, MarkenG Einleitung, Rz. 22-24; Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 372. 167 BVerfGE 51, 193, 218. 168 BVerfGE 78, 58 ff. 169 BVerfGE 78, 58, 71. 170 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Baumbacb/Hefermehl21, § 3 UWG Rz. 185 ff.; Köhler/Piper§3 Rz.278ff.; v. Gamm, §3 UWG Rz.lOlff.; GroßKomm.UWG/Lindacher, §3 Rz. 550ff. 165 166

§ 7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung

des 20.

Jahrhunderts

157

einer geographischen Herkunftsangabe gewährt 171 , hat sich eine einen solchen Schutz andeutende Terminologie etabliert: Gesprochen wird von dem Schutz der geographischen Herkunftsangabe. Flankiert wurde die klassische Ausprägung des Schutzes geographischer Herkunftsangaben im Wege der Irreführungsabwehr durch Spezialvorschriften über Weinbezeichnungen 172 , das LMBG 173 , das „Solingen-Gesetz" 174 und eine Reihe spezieller zweiseitiger internationaler Abkommen. 175 Schließlich existierte ein praktisch bedeutungsloser strafrechtlicher Schutz über § 26 WZG. In den 90er Jahren kam es zu einer grundlegenden Neuordnung des Rechts der geographischen Herkunftsangaben. In dem am 1. Januar 1995 in Kraft getretenen MarkenG 1 7 6 findet sich eine umfassende Regelung für geographische Herkunftsangaben. Obwohl die durch das MarkenG umgesetzte Markenrechtsrichtlinie der EU keine weitreichenden Vorgaben für den Schutz geographischer Herkunftsangaben enthielt 177 , entschied sich der deutsche Gesetzgeber für eine Kodifikation des Rechts der geographischen Herkunftsangabe in den §§ 126ff. MarkenG. Daneben eröffnet § 99 MarkenG die Möglichkeit, geographische Herkunftsangaben als Kollektivmarken einzutragen. Schließlich bleibt § 3 UWG anwendbar. 178 Ergänzt werden die nationalen Bestimmungen durch ein von der EU errichtetes System zum Schutz geographischer Herkunftsangaben. Zusätzlich zu Spezialregelungen wie dem Weinrecht der Gemeinschaft 179 hat der Rat der EG die VO (EWG) Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel erlassen. 180 Der Schutz nach dieser Verordnung setzt die Eintragung in ein von der Kommission geführtes 171

Vgl. nur Baumbach/Hefermehl12, § 3 UWG Rz. 186; v. Gamm, § 3 UWG Rz. 101. Vgl. den Überblick über die Entwicklung des Weinrechts bei Baumbach/Hefermehl22, §3 UWG Rz.258f. 173 § 17 Abs. 1 Nr. 5c LMBG vom 15.8. 1974 (BGBl. I S. 1945) untersagt zur Täuschung geeignete Angaben über die Herkunft von Lebensmitteln. 174 Gesetz vom 25.7. 1938 (RGBl. I S.953) nebst Durchführungsverordnung vom 25.7. 1938 (RGBl. I S. 954), nunmehr ersetzt durch eine auf § 137 MarkenG gestützte Verordnung zum Schutze des Namens Solingen (SolingenVO vom 16.12. 1994, BGBl. I S.3833). 175 Zusammenstellung bei Baumbach/Hefermehl22, § 3 UWG Rz.260. 176 BGBl. 1994 I S. 3082, berichtigt BGBl. 1995 I S. 156. 177 Einzige Regelung ist Art. 15 Abs. 2 Satz 1 der ersten Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 21.12. 1988 (89/104/EWG, Amtsblatt Nr. L 40 vom 11.2. 1989, S. 1 ff.). Dieser räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, geographische Herkunftsangaben zur Eintragung als Kollektiv-, Garantie- und Gewährleistungsmarke zuzulassen (vgl. Fezer, Markenrecht 2 , Vor §§ 126-129 MarkenG Rz. 7). 178 Vgl. § 2 MarkenG und Begründung zum MarkenG, BT-Dr. 12/6581 vom 14.1. 1994, S. 117; BGH GRUR 1999, 252, 253 - Warsteiner II, Fezer, Markenrecht 2 , Vorb §§ 126-139 MarkenG Rz. 3; Vorb §§ 126-129 MarkenG Rz. 4 (mit Hinweisen zu abweichenenden Positionen). 179 Vgl. hierzu Fezer, Markenrecht 2 , Vor § 130 MarkenG Rz.2. 180 ABl. EG Nr. L 208 vom 24.7. 1992, S . l . 172

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Teill: Geistiges Eigentum - Entwicklungslinien eines umstrittenen

Begriffs

Verzeichnis der geschützten Angaben und Ursprungsbezeichnungen voraus (vgl. Art. 13 Abs. 1 V O N r . 2 0 8 1 / 9 2 ) . Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem Schutz nach der V O Nr. 2 0 8 1 / 9 2 und dem nationalen Schutz geographischer Angaben. Die Kommission sieht in der V O N r . 2 0 8 1 / 9 2 eine abschließende Regelung. 1 8 1 D e m steht die überwiegende Literaturansicht in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber. Diese meint, für die nicht im vereinfachten Verfahren (Art. 1 7 Abs. 1 V O Nr. 2 0 8 1 / 9 2 ) mitgeteilten Angaben sowie für die Angaben, die der Kommission mitgeteilt, aber von dieser nicht eingetragen wurden, gelte der bisherige nationale Schutz weiter. 1 8 2 D e r B G H hatte sich in der Entscheidung „ M o zarella I " auf den Standpunkt gestellt, der nationale Schutz bestehe für die Angaben, für die der Schutz nach der V O Nr. 2 0 8 1 / 9 2 „nicht beansprucht" werde, weiter. 1 8 3 N a c h d e m der B G H die Frage dem E u G H zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte 1 8 4 , entschied dieser, daß die Verordnung Nr. 2 0 8 1 / 9 2 einer nationalen Regelung, die die möglicherweise irreführende Verwendung einer geographischen Herkunftsangabe verbietet, nicht entgegen steht, wenn kein Z u s a m m e n h a n g zwischen dem Produkt und seiner geographischen Herkunft besteht. 1 8 5 Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht, daß ein Erlöschen eines bisher gewährten Schutzes geographischer Herkunftsangaben nur schwer mit einem Eigentumsschutz für Herkunftsangaben auf Gemeinschaftsebene vereinbar wäre. 1 8 6 N e b e n den Schutz nach der V O Nr. 2 0 8 1 / 9 2 und nach den §§ 1 2 6 f f . M a r k e n G existieren noch weitere bedeutende Schutzinstrumente. Für Weine und Spirituosen hält das Gemeinschaftsrecht spezielle Normierungen vor. 1 8 7 A u f nationaler 181 Mitteilung der Kommission, ABl. der EG Nr. C 273/4 vom 9.10. 1993; zustimmend zumindest für von den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 VO gemeldete Angaben v. Danwitz, GRUR 1997, 81, 84; zustimmend für nach der VO Nr. 2081/92 durch die VO 1107/96 eingetragene Angaben OLG Frankfurt WRP 1997, 859, 860f. - Gorgonzola/Cambozola (n. rkr.). 182 Tilmann, GRUR Int. 1993, 610, 612f.; Knaak, GRUR 1995, 103, llOff.; Harte-Bavendamm, GRUR 1996, 717, 722ff.; Ahrens, GRUR 1997, 508, 512. 183 BGH v. 16.12. 1 9 9 3 - 1 ZR 257/91, GRUR 1997, 142, 143 - Mozarella I (unvollständig in GRUR 1994, 307ff.). Höchst zweifelhaft ist allerdings, ob nicht der BGH gem. Art. 177 Abs. 3 EGV verpflichtet war, die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen, so jedenfalls die Beanstandung des Generaldirektors der Generaldirektion VI gegenüber der ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union (abgedruckt in EuZW 1995, 368). Die Replik von Ullmann (EuZW 1995, 761), Richter im 1. Zivilsenat des BGH, entkräftet nicht den Einwand, die Frage nach der Exklusivität der VO Nr. 2081/92 betreffe die Auslegung der Verordnung, also Gemeinschaftsrecht, und sei mithin vom EuGH zu entscheiden. 184 BGH GRUR 1999, 251 - Warsteiner I. 185 EuGH WRP 2000, 1389, 1394 - Warsteiner Brauerei. 186 Vgl. EuGH GRUR Int. 1993, 76, 78f. - Exportur („Turrón") [Vorlagebeschluß cour d'appel de Montpellier GRUR Int. 1992, 226f. - Tourons Alicante]; EuGH GRUR Int. 1995, 251, 252 - SMW Winzersekt GmbH/Rheinland-Pfalz (méthode champenoise/ChampagnerVerfahren); Beier, GRUR Int. 1993, 79, 80f.; Ahrens, GRUR Int. 1997, 508, 509ff.; ders., in: Rengeling (Hrsg.), Europäisierung des Rechts, S69, 83f.; v. Danwitz, GRUR 1997, 81, 86. 187 y o Nr. 2392/89 des Rates vom 24. Juli 1989 zur Aufstellung allgemeiner Regelungen für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Traubenmoste, ABl. EG Nr. L 232 vom 9.

§7 Geistiges Eigentum in der Rechtsprechung des 20.

]ahrhunderts

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Ebene eröffnet § 9 9 M a r k e n G die Möglichkeit, geographische Herkunftsangaben als Kollektivmarken eintragen zu lassen. Schließlich wurde mit dem T R I P S A b k o m m e n der Schutz auf internationaler Ebene verbessert. 1 8 8 bb. Die Entscheidung „Weinbergsrolle" des BVerfG Eine weinrechtliche Problemstellung w a r 1 9 7 9 , also vor der grundlegenden Neugestaltung des Schutzes geographischer Herkunftsangaben, für das B V e r f G Anlaß, zum Schutz von Herkunftsbezeichnungen Stellung zu nehmen. 1 8 9 Das Weingesetz v o m 1 4 . 7 . 1 9 7 1 1 9 0 beschränkte in § 10 Weingesetz die zur Angabe der Herkunft des Weines zulässigen geographischen Bezeichnungen. N a m e n von Lagen (Legaldefinition in § 1 0 Abs. 2 Weingesetz 1 9 7 1 ) durften nach § 1 0 Abs. 1 Nr. 1 Weingesetz nur verwendet werden, wenn sie in die Weinbergsrolle eingetragen waren. Die Eintragung in die Rolle setzte prinzipiell voraus, daß die Lage mindestens 5 ha groß war. D e m Kläger des der Richtervorlage zugrundeliegenden Verwaltungsrechtsstreites gehörte ein 0 , 4 4 ha großes Grundstück in B . . . Der aus den dort wachsenden Trauben gewonnene Wein wurde unter der Bezeichnung „ B . . . S c h l o ß b e r g " vertrieben. Geschützt wurde die Bezeichnung durch ein kombiniertes Warenzeichen. M i t seiner Klage vor dem V G wandte sich der Kläger gegen die auf die M i n d e r g r ö ß e des Grundstücks gestützte Versagung der Eintragung in die Weinbergsrolle. Das V G sah hierin einen Verstoß gegen Art. 1 4 Abs. 1 G G . Das B V e r f G mußte prüfen, o b die v o m Kläger nach dem Weingesetz 1 9 3 0 zulässigerweise geführte geographische Herkunftsbezeichnung „ E i g e n t u m "

im

Sinne des Art. 1 4 Abs. 1 G G war. N u r bei einer solchen Einordnung konnte der Neuregelung des § 1 0 Weingesetz 1 9 7 1 enteignende Wirkung z u k o m m e n . 1 9 1 Das BVerfG verneinte eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts. Eine geographische Herkunftsangabe sei kein subjektives R e c h t , zumindest nicht nach dem allein entscheidungserheblichen Weingesetz von 1 9 3 0 . 1 9 2 Die Begründung eines subjektiven Rechts setze eine N o r m des objektiven Rechts voraus, die geeignet ist, entweder unmittelbar oder durch Vermittlung eines von der N o r m mit Rechtswirkungen ausgestatteten Aktes eine Rechtsposition des Einzelnen zu begründen. Eine solche N o r m kenne das Weingesetz 1 9 3 0 nicht. Lagebezeichnun-

August 1989, S. 13; zuletzt geändert durch die VO Nr. 1427/96 vom 26. Juni 1996, ABl. EG Nr. L 184 vom 24. Juli 1996, S. 3; VO Nr. 1576/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Begriffsbestimmungen, Bezeichnung und Aufmachung von Spirituosen, ABl. EG Nr. L 160 vom 12. Juni 1989, S. 1. 188 Art.22-24 TRIPS, vgl. hierzu Fezer, Markenrecht2, Vor § 126 MarkenG Rz. 13; Althammer/Ströbele/K/