Geheimdiplomatie in der Frühen Neuzeit: Spione und Chiffren in Sachsen 1500–1763 3515130527, 9783515130523

Was ist Geheimdiplomatie und wie wurde sie früher betrieben? Die Suche nach Antworten führt in den zwielichtigen Untergr

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German Pages 812 [814] Year 2022

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Der dunkle Gang der Geschichte
1.1 Fragestellung und Begriffsbestimmung der Geheimdiplomatie
1.2 Begriffe im zeithistorischen und aktuellen Verständnis
1.3 Methoden und Problematik der Erforschung von Geheimdiplomatie
1.4 Forschungsstand
1.5 Quellen
1.5.1 Gedruckte Quellen
1.5.2 Ungedruckte Quellen
1.5.3 Bildquellen
1.5.4 Abstrakte Überreste
1.5.5 Sachquellen
2. Aspekte der Geheimdiplomatie
2.1 Versuch einer Systematik der Geheimdiplomatie
2.1.1 Perspektivität, Kontextualität, Funktionalität und Intentionalität
2.1.2 Informationspolitik
2.1.3 (Fehl-) Perzeption und Antizipation
2.1.4 Erklärungsversuche für den Einsatz geheimdiplomatischer Mittel
2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren
2.2.1 Fähigkeiten, Charakter und Intentionen der Protagonisten im Konzept von Entscheidungsfaktoren
2.2.2 Macht und Ohnmacht
2.2.3 Geheimnis und Öffentlichkeit
2.2.4 Wissen und Neugier
2.2.5 Kontrolle und Überwachung
2.2.6 Aggression und Hass
2.2.7 Risiko und Angst
2.2.8 Vertrauen und Misstrauen
2.2.9 Identität, Anonymität und Xenophobie
2.2.10 Loyalität und Untreue
2.2.11 Neid und Gier
2.2.12 Ehrlichkeit und Lüge
2.2.13 Zeitlichkeit und Räumlichkeit
2.2.14 Moral und Unmoral
2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie
2.3.1 Kanzlei, Kabinett und Hofangestellte
2.3.2 Der Außendienst und sein Netzwerk
2.3.3 Die Agenten, Informanten und Spione
2.3.4 Der Geheime Rat und der Fürst
2.3.5 Das Militär
2.3.6 Die Untertanen
2.3.7 Die Hofjuden
2.3.8 Die Abenteurer
2.4 Querschnitte
2.4.1 Finanzieller Aufwand
2.4.2 Religion und Geheimdiplomatie
2.4.3 Kunst und Spionage
2.4.4 Ansätze zu einer Geschlechtergeschichte der Geheimdiplomatie
2.4.5 Geheimdiplomatie aus interkultureller Perspektive
2.4.6 Wirtschaftsspionage – Von Arkanisten und Zollschmugglern
2.4.7 Die sächsischen Staatsgefängnisse und ihre Insassen
2.4.8 Orte und Räume des Klandestinen
2.5 Zusammenfassung
3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie
3.1 Die defensive Geheimdiplomatie
3.1.1 Geheimschriften und Geheimsprachen
3.1.2 Verkleidung und Steganographie
3.2 Die offensive Geheimdiplomatie
3.2.1 Interzeption: Unterbrechung der Kommunikationswege
3.2.2 Proliferation von Kundschaften und heimliche Kooperation
3.2.3 Korruption in Abgrenzung zur Patronage
3.2.4 Die organisierte Interzeption in „Schwarzen Kabinetten“
3.2.5 Falsche Identitäten
3.2.6 Spionage und Spionageabwehr
3.2.7 Höfische Intrigen und Denunziation als Scharnier zwischen Innen- und Außenpolitik
3.3 Die aggressive Geheimdiplomatie
3.3.1 Täuschung
3.3.2 Vorsätzliche Schädigung
3.3.3 Manipulation von Information
3.3.4 Akquise von Doppelspionen
3.4 Zusammenfassung
4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit
4.1 Geheimdiplomatie im 16. Jahrhundert
4.1.1 Geheimschrift und Spionage in den Außenbeziehungen von Kurfürst Friedrich dem Weisen und Herzog Georg dem Bärtigen
4.1.2 Informationspolitik im Kontext religiöser Spannungen
4.1.3 Der Schmalkaldische Krieg 1546/47
4.1.4 Ursachen der Niederlage in der Schlacht von Mühlberg
4.1.5 Angriff und Verteidigung der Protestanten
4.1.6 Spätfolgen der Wittenberger Kapitulation – Die Grumbachschen Händel 1566/67
4.1.7 Konfessionspolitik im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts
4.1.8 Zusammenfassung
4.2 Der Dreißigjährige Krieg 1618–48 und seine Folgen
4.2.1 Kursachsen und Böhmen
4.2.2 Der Kanzleienstreit
4.2.3 Geheimpolitik und Nachrichtenaustausch unter Verbündeten
4.2.4 Interzeption im Dreißigjährigen Krieg 1635–48
4.2.5 Der Forschungsstreit um die Zerstörung Magdeburgs 1631
4.2.6 Tarnung und Rekrutierung der Spione
4.2.7 Bernhard von Sachsen-Weimar und der geheime Artikel mit Kardinal Richelieu
4.2.8 Der Waffenstillstand von Kötzschenbroda
4.2.9 Der Westfälische Frieden
4.2.10 Zusammenfassung
4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792
4.3.1 Geheimdiplomatie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
4.3.2 Die Sächsisch-Polnische Union und die Außenbeziehungen Augusts II. von Polen
4.3.3 Hinter den Kulissen des Kabinetts Augusts II.
4.3.4 Die „kleine Geheimdiplomatie“ der ernestinischen Herzogtümer
4.3.5 Der Polnische Thronfolgekrieg
4.3.6 Spionagehysterie in Europa Mitte des 18. Jahrhunderts
4.3.7 Brühls Geheime Expedition
4.3.8 Geheimdiplomatie am Scheitelpunkt – der Siebenjährige Krieg
4.3.9 Fiktionale Literatur und Historiographie über den Grafen Brühl
4.3.10 Zusammenfassung
4.4 Ausblick
4.4.1 Geheimpolitik 1763–1815
4.4.2 Kontrolle der öffentlichen Meinung nach dem Wiener Kongress
4.4.3 Zusammenfassung
5. Schluss
5.1 Die politische Kultur des Geheimen
5.1.1 Der geheimdiplomatische Rüstungswettlauf
5.1.2 Die Frage der Professionalisierung
5.1.3 Moral und Routine der Geheimdiplomatie
5.1.4 Geheimhaltung und Transparenz
5.2 Erfolg der Geheimdiplomatie
5.2.1 Eine Bilanz der sächsischen Geheimdiplomatie
5.2.2 Thesen zur sächsischen Geheimdiplomatie
5.3 Der „stille Krieg“ als Alternative?
Anhang
Datenbank der Chiffren
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellen
Grafiken
Abbildungen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Ungedruckte Quellen
Gedruckte Quellen
Sekundärliteratur
Register
Ortsregister
Personenregister
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Geheimdiplomatie in der Frühen Neuzeit: Spione und Chiffren in Sachsen 1500–1763
 3515130527, 9783515130523

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Anne-Simone Rous

Geheimdiplomatie in der Frühen Neuzeit Spione und Chiffren in Sachsen 1500–1763

Kulturwissenschaften Franz Steiner Verlag

Gothaer Forschungen zur Frühen Neuzeit | 18

Gothaer Forschungen zur Frühen Neuzeit Herausgegeben vom Forschungszentrum und der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt Schriftleitung: Martin Mulsow und Kathrin Paasch Band 18

Geheimdiplomatie in der Frühen Neuzeit Spione und Chiffren in Sachsen 1500–1763 Anne-Simone Rous

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2022 Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: Fotosatz Buck, Kumhausen Druck: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13052-3 (Print) ISBN 978-3-515-13061-5 (E-Book)

Vorwort Der vorliegende Band wurde 2016 von der Universität Erfurt als Habilitation angenommen. Die Arbeit entstand im Rahmen eines PostDoc-Stipendiums der Universität Erfurt am Graduiertenkolleg „Untergrundforschung 1600–1800“ des Forschungszentrums Gotha der Universität Erfurt. Begonnen wurde die Arbeit bereits 2009, also vor der NSA-Affäre um Edward Snowden und der Veröffentlichung von Militärdateien auf WikiLeaks. Das Thema erwuchs vielmehr aus dem Umstand, dass ich im Zuge von Forschungen zur sächsischen Heiratspolitik einige Quellen in Geheimschrift entdeckte und feststellte, dass die Forschungslage zur Geheimdiplomatie zu wünschen übrig ließ. Im Zuge der Arbeit offenbarte sich die Herausforderung, das Spektrum auf die miteinander zusammenhängenden Praktiken der Geheimdienste, Spionage und Kryptologie aufzuspannen und zugleich die dazu überlieferten, oft schwer zu findenden regionalen Quellen in den Archiven des abgegrenzten ehemaligen Herrschaftsgebietes der Wettiner zu sammeln und zu kontextualisieren. Somit enthält der Band sowohl eine eher theoretische Analyse des Phänomens als auch eine sächsische Geschichte der Geheimdiplomatie von der Reformation bis zum Wiener Kongress enthält. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich Herrn Professor Martin Mulsow vom Forschungszentrum Gotha für seine jahrelange Unterstützung und sehr geschätzten Hinweise. Er war mir ein stets zuverlässig und höchst kompetent beratender Spiritus rector, der mir die nötige Freiheit ließ, mich förderte, wo es ging, und mich auf höchst einfühlsame Weise anzuspornen wusste, da er um die große Chance des Themas wie um die Schwierigkeiten bei deren Erforschung wusste. Ebenso bin ich Professorin Susanne Rau für die Übernahme des Zweitgutachtens und ihre wertvollen Rückmeldungen und außerordentlich freundliche und hilfreiche Begleitung zu großem Dank verpflichtet. Auch Professor Müller sei für sein Gutachten gedankt. Nicht zu vergessen sei der Nestor der sächsischen Landesgeschichte, der jüngst verstorbene Professor Karlheinz Blaschke. Er war mir eine Inspiration und somit sei diese quellenbasierte Arbeit ein Gedenkstein für seine Leistung als Archivhistoriker. Gleichermaßen bin ich den Archivaren allerorten überaus dankbar für ihre Geduld und Hilfsbereitschaft. Es ist ihrer Arbeit und der ihrer Vorgänger hoch anzurechnen, dass sie die geheimen Quellen und insbesondere die kaum verständlichen, mit Geheimtinte oder in Geheimschrift verfassten Dokumente gut aufbewahrten in der Hoffnung,

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Vorwort

dass sie einstmals ihr Geheimnis preisgeben könnten. Ihnen ist zu verdanken, dass in Dresden der weltweit dichteste Bestand an diplomatischen Nomenklatoren vorliegt, der nunmehr in einer internationalen Chiffrendatenbank eingepflegt wird und somit der weiteren Forschung zur Verfügung steht. Ich möchte nicht versäumen, ganz besonders herzlich dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr für seine finanzielle Unterstützung zu danken. Hervorzuheben ist die tatkräftige und professionelle Zuarbeit von Ivonne Makowski, die mir bei der Erstellung des Registers und der Durchsicht der Zweitkorrektur auf den letzten Metern ins Ziel verhalf und meinen überaus großen Dank verdient. Die Arbeit wäre niemals möglich gewesen ohne die unvergleichliche Kraft, die ich aus der Familie ziehen konnte. Die systematische Denkwelt eröffnete mir vor allem mein Vater, die Neugier und historische Entdeckerfreue verdanke ich in großen Teilen meiner Mutter, und beide motivierten mich in meiner Arbeit sehr. Die Eckdaten der Arbeit sind eingerahmt von den Geburtsjahren meiner zwei wunderbaren Söhne, Christoph und David. Beide sind wahre Geschenke und Inspirationsquellen und ich danke ihnen für ihre Duldsamkeit, Lebensfreude und Liebe und widme ihnen von Herzen gern dieses Buch. Mit schier unendlicher Energie hat mein Mann in diesen Jahren meine Arbeit unterstützt und mich begleitet und entlastet. Die guten Ratschläge und Hinweise sind zahlreich eingeflossen, die Kinderbetreuung bei den Archivreisen und das geduldige Zuhören, Korrekturlesen, Mitdenken und Hintenanstellen eigener Bedürfnisse sind mit Geld nicht aufzuwiegen. Ich war der Backwards Traveller, er mein Anker im Hier und Jetzt. Der mir großzügig gewährte Freiraum für die Wissenschaft trotz teils prekärer Verhältnisse ist aller Ehren wert. Den dunklen Gang der Geschichte etwas auszuleuchten war das Ziel meiner Arbeit. Oft hatte ich angesichts der aktuellen Nachrichtenlage ein Déjà-vu und erkannte, dass wir alle Augenzeugen sind, wie die Gegenwart ihre dunklen Gänge mit Intransparenz und Unehrlichkeit gräbt. Die Leser mögen ihre eigenen Parallelen und Schlüsse ziehen. Geheimdiplomatie beinhaltet Chancen und Risiken, wobei – so viel sei vorweggenommen – letztere zu überwiegen scheinen. Viele Grundrechte wurden durch heimliche Praktiken missachtet, und viel Unruhe gestiftet. Ruhe und Freiheit aber sind die größten Güter, wie Ludwig van Beethoven es nannte, mein Bruder im Geiste.1 Die Intelligence hat im Laufe der Zeit ihre Techniken modernisiert, nicht aber ihre grundlegenden unmoralischen Methoden, die darauf gründen, dass Menschen einander belügen und dass Vertrauen missbraucht wird. Somit bedarf es noch einiger Überarbeitungen, um die Geheimdiplomatie an moderne ethische Maßstäbe heranzuführen – oder Wege zu finden, sie in eine völlig neue Form zu überführen. Die Zukunft wird erweisen, zu welchem moralischen Fortschritt wir Menschen fähig sind. 1

Beethovens Tagebuch: 1812–1818, hrsg. von Maynard Solomon, Bonn: Beethoven-Haus, 2. Aufl., 2005, S. 89.

Inhaltsverzeichnis 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Der dunkle Gang der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragestellung und Begriffsbestimmung der Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . Begriffe im zeithistorischen und aktuellen Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methoden und Problematik der Erforschung von Geheimdiplomatie . . . . . . Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.3 Bildquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.4 Abstrakte Überreste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.5 Sachquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 12 25 35 43 49 51 58 61 61 63

2. Aspekte der Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Versuch einer Systematik der Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Perspektivität, Kontextualität, Funktionalität und Intentionalität . . . . . . . . 2.1.2 Informationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 (Fehl-) Perzeption und Antizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Erklärungsversuche für den Einsatz geheimdiplomatischer Mittel . . . . . . . . 2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Fähigkeiten, Charakter und Intentionen der Protagonisten im Konzept von Entscheidungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Macht und Ohnmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Geheimnis und Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Wissen und Neugier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Kontrolle und Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Aggression und Hass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.7 Risiko und Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.8 Vertrauen und Misstrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.9 Identität, Anonymität und Xenophobie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.10 Loyalität und Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.11 Neid und Gier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 65 65 67 69 73 75 76 78 79 88 90 92 94 98 101 103 105

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Inhaltsverzeichnis

2.2.12 Ehrlichkeit und Lüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.13 Zeitlichkeit und Räumlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.14 Moral und Unmoral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Kanzlei, Kabinett und Hofangestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Der Außendienst und sein Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Die Agenten, Informanten und Spione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Der Geheime Rat und der Fürst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Das Militär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.6 Die Untertanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.7 Die Hofjuden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.8 Die Abenteurer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Querschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Finanzieller Aufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Religion und Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Kunst und Spionage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Ansätze zu einer Geschlechtergeschichte der Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . 2.4.5 Geheimdiplomatie aus interkultureller Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.6 Wirtschaftsspionage – Von Arkanisten und Zollschmugglern . . . . . . . . . . . . 2.4.7 Die sächsischen Staatsgefängnisse und ihre Insassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.8 Orte und Räume des Klandestinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106 114 119 125 126 134 140 148 151 157 163 166 170 170 177 184 197 204 205 213 218 224

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die defensive Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Geheimschriften und Geheimsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Verkleidung und Steganographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die offensive Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Interzeption: Unterbrechung der Kommunikationswege . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Proliferation von Kundschaften und heimliche Kooperation . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Korruption in Abgrenzung zur Patronage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Die organisierte Interzeption in „Schwarzen Kabinetten“ . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Falsche Identitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Spionage und Spionageabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Höfische Intrigen und Denunziation als Scharnier zwischen Innen- und Außenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die aggressive Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Vorsätzliche Schädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Manipulation von Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Akquise von Doppelspionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227 227 227 258 259 259 269 273 276 280 280 283 287 287 289 294 295 296

Inhaltsverzeichnis

4. 4.1

4.2

4.3

4.4

Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geheimdiplomatie im 16. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Geheimschrift und Spionage in den Außenbeziehungen von Kurfürst Friedrich dem Weisen und Herzog Georg dem Bärtigen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Informationspolitik im Kontext religiöser Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Der Schmalkaldische Krieg 1546/47 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Ursachen der Niederlage in der Schlacht von Mühlberg . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Angriff und Verteidigung der Protestanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.6 Spätfolgen der Wittenberger Kapitulation – Die Grumbachschen Händel 1566/67 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.7 Konfessionspolitik im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Dreißigjährige Krieg 1618–48 und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Kursachsen und Böhmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Der Kanzleienstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Geheimpolitik und Nachrichtenaustausch unter Verbündeten . . . . . . . . . . . 4.2.4 Interzeption im Dreißigjährigen Krieg 1635–48 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Der Forschungsstreit um die Zerstörung Magdeburgs 1631 . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6 Tarnung und Rekrutierung der Spione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.7 Bernhard von Sachsen-Weimar und der geheime Artikel mit Kardinal Richelieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.8 Der Waffenstillstand von Kötzschenbroda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.9 Der Westfälische Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.10 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Geheimdiplomatie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Die Sächsisch-Polnische Union und die Außenbeziehungen Augusts II. von Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Hinter den Kulissen des Kabinetts Augusts II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Die „kleine Geheimdiplomatie“ der ernestinischen Herzogtümer . . . . . . . . . 4.3.5 Der Polnische Thronfolgekrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.6 Spionagehysterie in Europa Mitte des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.7 Brühls Geheime Expedition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.8 Geheimdiplomatie am Scheitelpunkt – der Siebenjährige Krieg . . . . . . . . . . 4.3.9 Fiktionale Literatur und Historiographie über den Grafen Brühl . . . . . . . . 4.3.10 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Geheimpolitik 1763–1815 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Kontrolle der öffentlichen Meinung nach dem Wiener Kongress . . . . . . . . . . 4.4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

297 298 298 301 312 334 341 353 366 367 368 370 372 375 380 389 393 405 408 409 414 415 419 441 487 512 520 525 554 580 629 635 636 636 654 658

10

Inhaltsverzeichnis

5. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Die politische Kultur des Geheimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Der geheimdiplomatische Rüstungswettlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Die Frage der Professionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Moral und Routine der Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Geheimhaltung und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Erfolg der Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Eine Bilanz der sächsischen Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Thesen zur sächsischen Geheimdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Der „stille Krieg“ als Alternative? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

659 659 660 661 663 665 666 666 669 671

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenbank der Chiffren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grafiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

677 677 678 679 679 680 681 682 682 712 723

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 771

1. Der dunkle Gang der Geschichte Eine Tür steht halboffen, dahinter ist es dunkel. Groß ist die Versuchung, durch die Tür zu spähen. Es ist ein Blick in den Untergrund der politischen Ereignisse, in den dunklen Gang der Geschichte. Ist jene Tür versehentlich offengelassen worden oder verbirgt sie eine Falle? „Nichts ist, wie es scheint“ ist der Grundsatz der Nachrichtendienste.1 Skepsis ist ihren Mitarbeitern inhärent. Wer sich mit der Geschichte der Geheimdiplomatie beschäftigt, kann sich dem Sog ihrer faszinierenden Rätsel kaum entziehen. Welches verborgene Netz von Lüge, Verrat und dunklen Kanälen durchzieht die Politikgeschichte? Welchen Einfluss haben Spione und Aufklärer auf den Ereignisverlauf gehabt? Die Tür zu den Antworten ist halboffen und es scheint trotz einiger Fallen möglich, Licht in den dunklen Gang der Geschichte zu bringen. Als Fallstricke erweisen sich Quellen, Begriffe, Arbeitshypothesen, Signalfälschungen der Akteure. Nichts ist, wie es scheint. Im Verlauf der Arbeit offenbaren sich Verbindungen, schließen sich Kreise, widersprechen sich Sachlagen, sind Zugänge versperrt. Oft sind die Akteure, Institutionen, Prozesse schwer fassbar und entziehen sich der Erkenntnis. Die intendierte Geheimhaltung wirkt nach – über Jahrhunderte hinweg. Chapeau! Die Chancen und Risiken der geheimdienstlichen Methoden werden angesichts mehrerer Skandale derzeit sehr intensiv diskutiert. So verwundert eine Arbeit über die Geschichte der Spionage in der Frühen Neuzeit nicht. Allerdings lag der Grundstein dieses Forschungsprojektes schon, bevor durch Julian Assange der Blick auf Geheimnisverrat gelegt wurde: im Jahr 2009. Nichts ist, wie es scheint. Die Tür ist gleichsam eine unsichtbare Grenze, die das Labyrinth des Verrats, der Täuschung und des Risikos – jene berühmte „Kälte“ der Spionage – von der Normalität trennt.2 An dieser Schwelle beginnt der stille Krieg, der „bellum silentium“, wie ihn Tacitus bezeichnete.3 Da ihn

1 2 3

Vgl. Horn 2001, S. 61. Vgl. Le Carré 1964. Publius Cornelius Tacitus: Historien, übers. und hrsg. von Helmuth Vretska. Stuttgart 1984,. III. c. 54, n. 2.3.4.5, zit. in: Treiber 1700, S. 18.

12

1. Der dunkle Gang der Geschichte

wenige Akteure der leichten Truppen im kleinen Maßstab aus großer Nähe austragen, gehörte er für die Zeitgenossen zum „kleinen Krieg“.4 Die Geschichtswissenschaft gewinnt durch die Erforschung von Spionage und Aufklärung Einsichten in Praktiken politischen Handelns und in die Doppelbödigkeit der Entscheidungsfindung. Was ist Geheimdiplomatie überhaupt? Wie lassen sich heimliche Zusammentreffen von Fürsten, verschlüsselte Nachrichten und Spionage unter diesem Begriff sinnvoll verknüpfen? Und welche Spuren haben frühneuzeitliche Spione, Geheimdiplomaten und Abenteurer hinterlassen? Die Antworten auf diese Fragen werden in dieser Studie mit Bezug auf die sächsischen Territorien im Zeitraum 1500–1763 erörtert. Im dunklen Gang werden gleichsam Muster und Fragmente sichtbar gemacht sowie Wege durch das Labyrinth aufgezeigt. Ausgehend von den überlieferten Geheimschriften, abgefangenen Briefen, Spionageaufträgen und -berichten sowie geheimen politischen Korrespondenzen werden die Hintergründe der frühneuzeitlichen geheimen politischen Praktiken in Sachsen und Thüringen offengelegt. Zu Beginn wird das Themenfeld umrissen, wobei besonders eine terminologische Schärfung des Begriffs „Geheimdiplomatie“ erfolgt. Wegen semantischer Verschiebungen zentraler Begriffe im Verlauf der letzten Jahrhunderte sind entsprechende Ausführungen erforderlich. Die anschließenden Abschnitte widmen sich den methodischen Besonderheiten, dem Forschungsstand und der Quellenlage. Das zweite Kapitel stellt die mit dem Phänomen verbundenen Faktoren, Verhaltensmuster und moralischen Implikationen vor und bietet eine Klassifikation der Akteure. Verschiedene Profilansichten über die Beziehungen der Geheimdiplomatie zu Ökonomie, Religion, Kunst, Gender und Kultur ergänzen das Kapitel, das zum Abschluss eine Systematik der Geheimdiplomatie darlegt. In Kapitel drei werden die Praktiken der Spionage und Aufklärung nach ihrer Perspektivität typologisiert. Nachdem auf diese Weise Faktoren, Akteure und Methoden vorgestellt sind, widmet sich das vierte Kapitel den konkreten Beispielen aus  der sächsischen Geschichte in chronologischer Reihenfolge. Hierbei wird auf die in der beigefügten Datenbank enthaltenen Metadaten zu den Chiffren rekurriert. Eine Bilanz der Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit schließt die Analyse ab. 1.1 Fragestellung und Begriffsbestimmung der Geheimdiplomatie Herrschaft ist nur in konkreten Handlungskontexten und in ihren räumlichen und sozialen Dimensionen interpretierbar. Zwischen Herrschern und Beherrschten besteht eine Kommunikation, die einerseits von Traditionen der Gesellschaft und andererseits 4

Grandmaison, Thomas Auguste le Roy de: La petite querre, ou traite du service des troupes legeres en campagne, Paris 1756; Ewald, Johann von: Abhandlung über den kleinen Krieg, Basel 1785.

1.1 Fragestellung und Begriffsbestimmung der Geheimdiplomatie

13

von Normen getragen ist, welche die Obrigkeit aufgestellt hat. Die „soziale Praxis“ der Herrschaft vollzieht sich innerhalb einer kleinen Gruppe bzw. sozialen Einheit. Um Herrschaft präzise beschreiben zu können, erscheint es daher ratsam, sie im Rahmen solcher Einheiten zu untersuchen, die oftmals zugleich Herrschaftsraum wie Herrschaftsinstrument sein konnten. Besonders gilt dies für Formationen, die sich aufgrund von Selbstbeschreibung und Sinnstiftung, aber auch ihrer funktionalen und kommunikativen Binnenstruktur als ,soziale Systeme‘ charakterisieren lassen.5

Solche sozialen Einheiten sind auch die Kanzleien und Geheimen Räte, die in gemeinsamer Kooperation Politik organisiert haben, indem sie auf der Basis verfügbarer Informationen Sachfragen entschieden haben. Somit tritt die Informationspolitik als ein wesentliches Element der Herrschaftsproblematik zutage. Die prozessuale Dimension aller Entscheidungen besteht aus sozialen Elementen wie Autorität und Interaktion und aus normativen Elementen, welche die Führung im Sinne des Gemeinwohles oder der Partikularinteressen betreffen. Die geheime Kommunikation und verdeckte Informationsbeschaffung ist in diesem Kontext deutlich von der gut sichtbaren Politikführung zu unterscheiden. Zielpunkt meiner Forschungen ist diese „Hinterbühne“6 der Politik, die sprichwörtliche Hintertreppendiplomatie, der Ort des Inoffiziellen.7 Dabei wird den drei von Cornel Zwierlein unlängst ausgerufenen Ansätzen des neuen Feldes der Sicherheitsgeschichte gefolgt: den Perspektiven auf das Individuum, die bislang marginalisierten Gruppen und die Sicherheitsbedrohungen.8 Entsprechend nimmt sich die Erforschung der Geheimdiplomatie im frühneuzeitlichen Sachsen der Personen, Netzwerke, Institutionen, Strukturen und Konstellationen im Kontext dieses Phänomens an. Die vorliegende Arbeit möchte an ausgewählten repräsentativen Beispielen das Funktionieren der praktizierten Geheimdiplomatie nachweisen und analysieren. Die Veränderungen im politischen Geheimnismanagement zwischen Schmalkaldischem Krieg und Wiener Kongress sind in mehreren Stufen nachvollziehbar. Vier Kriterien sind maßgeblich, um die Themen einzugrenzen: In die vorliegende Arbeit eingeflossen ist nur Geheimdiplomatie im Kontext von militärischen Auseinandersetzungen oder diplomatischen Konflikten unter Beteiligung Sachsens, die ein Bedrohungsszenario für die sächsische Politik enthielten und eine überregionale Tragweite besaßen. Die Schwerpunkte liegen somit in den großen europäischen Konflikten, die Sachsen erlebte und welche teils konfessionelle, teils dynastische Ursachen hatten und partiell aus Staatsinteresse oder Prestigegründen geführt wurden.9 5 6 7 8 9

Vgl. Asche, Herrmann, Ludwig 2008, Vorwort S. 5. Frevert 2005, S. 20; Goffman, Erving: The presentation of self in everyday-life, New York 1959. Frevert 2005, S. 20. Vgl. Zwierlein 2012, S. 377. Zu den Bewegungsfaktoren im frühneuzeitlichen Staatensystem vgl. Schilling 1991; Rohrschneider 2010.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

Das Jahr 1763 erweist sich gewissermaßen als Fluchtpunkt der historischen Geheimdiplomatie, denn nach dem Hubertusburger Frieden brach die Kryptologie plötzlich zusammen und richtete sich die Spionage fast ausschließlich gegen Feinde der Monarchie im Innern. Die polnischen Aufstände und die Französische Revolution verlangten eine völlig andere geheime Beobachtung des Gegners, da es zunehmend um Ideologien und nicht mehr um reine Machtfragen im internationalen Gefüge ging. Die Napoleonischen Kriege und die Befreiungskriege waren natürlich auch vom Gedanken der Balance of Power auf dem Kontinent bestimmt, aber dabei wurden geheimdienstliche Methoden nur noch auf militärischem Gebiet eingesetzt. Die technischen Neuerungen, die sich auf dem amerikanischen Kontinent während des Unabhängigkeitskrieges bewährt hatten, kamen nun auch in Europa rasch zum Einsatz, so dass im 19. Jahrhundert Kryptologie und Spionage von anderer Qualität waren als noch 1763. Eine sinnvolle Untergliederung des großen Zeitraumes erfolgt entlang dieser Konflikte. Dabei verläuft die Analyse, ebenso wie die Geheimdiplomatie seinerzeit, quer zu den Konfliktlinien und entlang der Bündnisse. So können – überlieferte Quellen vorausgesetzt – die Bemühungen der Zeitgenossen, ihr Wissen in den eigenen Reihen geheim zu halten, ebenso aufgedeckt werden, wie die gegenseitigen Versuche, Wissen vom Gegner zu erlangen (Grafik 1). Das Forschungsinteresse dieser Arbeit richtet sich nicht auf geheime Kommunikation im Kontext von Ehevermählungen, Kavaliersreisen, Kulturtransfer, Landesteilungen, Hofwirtschaft, Konversionen, Präzedenzstreitigkeiten, Familienkonflikten, kleineren Intrigen oder gewöhnlichen Gesandtenberichten. Vielmehr erfolgt der thematische Zugriff auf außenpolitische diplomatische Konflikte Sachsens und konzentriert sich auf drei Bereiche: Spionage – Kryptologie und Steganographie10 – Interzeption, also

Grafik 1: Angriffspunkte der Forschung 10

Die Steganographie (griech. „steganós“ – verdeckt, „gráphein“ – schreiben) unterscheidet sich von der Kryptologie (griech. „kryptós“ – versteckt, „lógos“ – Lehre) dahingehend, dass nicht nur der Inhalt, sondern sogar die Kommunikation selbst völlig unerkannt bleiben soll. Die Kryptographie

1.1 Fragestellung und Begriffsbestimmung der Geheimdiplomatie

15

das Auskundschaften fremder Mächte, Verheimlichen von Kommunikation und deren Inhalt sowie das Abfangen von Post. Diese Techniken der Geheimpolitik lassen sich als Spezialtypen der höfischen Kommunikation während der Frühen Neuzeit mit den modernen Begriffen Informations- oder Geheimnismanagement ausdrücken. Unlängst hat Martin Kintzinger die „Geheimpolitik als höchste Form von Diplomatie“ bezeichnet.11 Treffender scheint aber, tatsächlich den Begriff der Geheimdiplomatie zu verwenden. Dazu ist es unabdingbar, den Terminus zu schärfen und von der einfachen Diplomatie abzugrenzen. Zunächst bedeutet Diplomatie als übergeordneter Begriff die Gesamtheit der Aktivitäten der Repräsentation, des Austausches und der politischen Verhandlungen, die im Namen eines politischen Gebildes mit einem anderen durchgeführt werden.12

Der Begriff Diplomatie taucht 1791 erstmals auf. Zuvor hieß diese Praxis Staatsangelegenheiten oder Politica.13 Bei der Definition von Geheimdiplomatie kann an die Aufgabenbeschreibung des für Sir Francis Walsingham tätigen englischen Postministers John Thurloe angeknüpft werden.14 Der Begriff selbst ist erst im 19. Jahrhundert gebräuchlich geworden, besonders durch Karl Marx’ Zeitungsaufsätze und französische Geschichtsforschungen über die Frühe Neuzeit.15 Im Zuge des Ersten Weltkrieges erschienen dann auch in Deutschland

11 12 13 14

15

strebt also danach, zu verheimlichen, worüber geschrieben wurde, die Steganographie, dass überhaupt ein Informationsaustausch besteht. Näheres dazu vgl. Kapitel „Die defensive Geheimdiplomatie“, S. 227. Kintzinger 2010, S. 230. Péquinot 2012, S. 65. Vgl. Paulmann, S. 48. „Beschäftigung von Agenten, die über alles berichten, was sich in der Welt begibt. Ziel ist es, die eigenen Absichten zu verbergen, aber möglichst viel über die der anderen zu erfahren … Was der Geheimhaltung überdies noch dient, ist die Tatsache, dass stets nur eine kleine Anzahl von Personen Kenntnis von den Absichten der Regierung hat. Um herauszufinden, was bei den anderen Mächten vor sich geht, bedienen wir uns nicht der Gesandten, sondern eigener Spione, die weniger beachtet werden. Dafür werden kluge, ihrer Stellung nach aber unbedeutende Männer verwendet, die niemandem auffallen.“ Zit. in: Kissel 2011. Vgl. Marx, Karl: Die Geschichte der Geheimdiplomatie des 18. Jahrhunderts. Über den asiatischen Ursprung der russischen Despotie, hrsg. von Ulf Wolter, Berlin 1977. Erstmals erschienen unter dem Titel „Revelations of the diplomatic history oft he eighteenth century“, in: The Free Press, 1856–57. Es ist jedoch nicht so, dass Karl Marx den Terminus „Geheimdiplomatie“ geprägt hat, der später in der deutschen Übersetzung seiner Aufsätze für den Titel gewählt wurde. Dazu vgl. „Geheimdiplomatie“, in: Haug, Wolfgang Fritz (Hrsg.): Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Band 5, Hamburg 2001, Sp. 43–48; Baschet, Armand: Les archives de Venises histoire de la chancellerie secrete, Paris 1870; Montgaillard, Jean Gabriel Rocques de: Souvenirs du comte de Montgaillard, agent de la diplomatie secrete pendant la revolution, l’Èmpire e la Restauration, Paris 1895; Bourgeois, Émile: La diplomatie secrete au XVIIIe siècle. Ses debuts, 3 Bde., Paris 1909–1911; Paix-Séailles, Charles: La diplomatie secrète sous la troisième République 1910–1911, in: Courrier européen, Paris 1911.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

vereinzelte Publikationen, die den Begriff Geheimdiplomatie im Titel führten.16 Inzwischen hat sich in der Öffentlichkeit ein Alltagsverständnis dieses Terminus gebildet. Angesichts fehlender existenter Definitionen seitens der Fachwissenschaft arbeitet die vorliegende Untersuchung auf der Basis einer eigenen Begriffsbestimmung, die wie folgt lautet: Geheimdiplomatie umfasst eine diffuse Menge von inoffiziellen Handlungen in den unterschiedlichsten Kontexten der Politik. In ihrem Kern steht einerseits die Zurückhaltung von Informationen und Meinungen sowie die gesteuerte und gezielte Preisgabe derselben. Andererseits beinhaltet sie die Sammlung von relevanten Informationen und Meinungen, jeweils in Verbindung mit dem konkreten Zweck der eigenen Bevorteilung. Die verschiedenen Methoden des Informationstransfers streben jenseits der öffentlichen Wahrnehmung ein Minimum an Beteiligten und Mitwissern und eine maximale Wirkung mit Hinblick auf einen Wissens- oder Zeitvorsprung an. Zusammengenommen umfasst die auf ein Gegenüber gerichtete Politik den Schutz eigener Staatsgeheimnisse und alle Versuche, die Geheimnisse des Gegners zu entdecken. Diese Begriffsbestimmung lehnt sich auch an den in der Politologie genutzten Begriff der secret diplomacy an. Dem „Dictionary of Diplomacy“ zufolge beinhaltet sie: Negotiations in regard to which any number of the following are kept secret: (1) the content of the negotiations; (2) the fact that negotiations are going on; (3) the content of any agreement successfully negotiated; (4) the fact that any agreement has been successfully negotiated. If secret diplomacy is defined in sense 1, this is nothing more than a pleonasm since serious negotiation is secret by definition.17

Trotz des Einwandes, Diplomatieverhandlungen seien qua Definition geheim, ist Geheimhaltung für Diplomatie keine notwendige Bedingung. Sie wird nicht einmal in den Definitionen erwähnt.18 Vielmehr finden und fanden gewöhnliche Verhandlungen zwar nicht öffentlich statt, sind und waren als zwischenstaatliche Kommunikation aber auch nicht immer von größten Geheimhaltungsmaßnahmen begleitet. Insofern ist Diplomatie nicht mehr und nicht weniger als das „communication system of the international society“, das durch das Führen von Beziehungen zwischen Staaten gekennzeichnet ist.19 Ein weiterer Beleg für die Sinnhaftigkeit des Begriffs der Geheimdiplomatie ist ein Blick auf die Strategien der Diplomatie. Sie reichen von geheimer bzw. informeller Vor16

17 18 19

Vgl. Johnston, Thomas: Secret diplomacy, capitalism and war, Glasgow 1915; Nagel, Charles: The Menace of secret diplomacy, o. O. 1916; Hanson, Arndold B.: Geheim-Diplomatie, Bern 1918; Morel, Edmund: Ten years of secret diplomacy. An unheeded warning, Manchester 1920; Converset, Jean-Joseph: Les trois ans de diplomatie secrète qui nous menèrent à la guerre de 1914, Paris 1924; Izvol’skij, Aleksandr P.: Im Dunkel der europäischen Geheimdiplomatie, zwei Bände, Berlin 1926. Vgl. „secret diplomacy“, in: Berridge, James 2001, S. 215. Vgl. „diplomacy“ und „negotiation“, in: ebd., S. 62, 166. Ebd.

1.1 Fragestellung und Begriffsbestimmung der Geheimdiplomatie

17

gehensweise über offiziellen Informationsaustausch, vertrauensbildende Maßnahmen bis hin zu diplomatischen Vertretungen.20 Die Geheimdiplomatie erweist sich somit als ein Teilbereich der Diplomatie. Zur Abgrenzung des Begriffs Geheimdiplomatie ist die offene Diplomatie zu erklären. Der Doktrin seit Immanuel Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ und Woodrow Wilsons 14 Punkten gemäß sollte in Demokratien die Öffentlichkeit so weit wie möglich in die Politikführung eingebunden sein.21 Jedoch schränkte Wilson 1918 seine Forderung nach „open diplomacy“ insoweit ein, dass nicht die Verhandlungen öffentlich geführt, sondern die Verträge öffentlich bekannt gemacht werden sollten. Wegen dieser Problematik soll im Folgenden die Geheimdiplomatie als eine besondere Variante des diplomatischen Vorgehens diskutiert werden. Dem deutschen Begriff entspricht im Englischen der Term Intelligence, der schon im 15. Jahrhundert für „Informationen“ oder „Nachrichten“ stand und seit den 1580er Jahren für „geheime Informationen von Spionen“ gebraucht wurde.22 Während die secret diplomacy nicht zwangsläufig auf militärisches Gebiet anzuwenden ist, ist der Begriff der Intelligence dahingehend eingeschränkt, dass er nur auf defensive Informationspolitik anwendbar ist. Intelligence gilt als eine Disziplin, die Informationssammlung, Analyse, Bewertung und Verwertung als Unterstützung für Entscheidungen leistet.23 Shulsky hingegen subsumiert unter dem Begriff Aktivitäten auch die Organisation, die jene Aktivitäten trägt.24 Insgesamt konnte in der angloamerikanischen Forschung noch keine zufriedenstellende Definition gefunden werden, vielmehr klagt man, der Begriff sei „undertheorized“.25 In den Studien zur Intelligence steht die Informationssammlung oder das Ergebnis oder der Zweck der Staatskontrolle im Zentrum, was verdeutlicht, dass kein einheitliches Verständnis in der Forschung besteht. Fast immer ist ein militärischer Kontext gegeben, so dass die Semantik sich entsprechend verengt hat. Allgemein ist der Begriff der (Military) Intelligence im englischsprachigen Raum für die Informationspolitik eines Staates zu militärischen Zwecken gebräuchlich.26 Zusätzlich zur defensiven Erkenntnisgewinnung und -verschleierung wird seit 09/11 diskutiert, inwiefern auch offensive Elemente wie die verdeckte Aktionen oder die Verbreitung von Falschinformationen in das Verständnis von Intelligence eingebunden werden können.27 Die Forscher unterscheiden zudem Spionage als „Human source intelligence“ von der technikbasierten Informationssammlung des 20. Jahrhunderts.28 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Vgl. Gerbore, Pietro: Formen und Stile der Diplomatie, Hamburg 1964. Vgl. „open diplomacy“, in: Berridge, James 2001, S. 174. Vgl. „Intelligence“, in: Online Etymology Dictionary, URL: http://www.etymonline.com/index.php?term=intelligence [14.04.2014; ASR]. Vgl. Kempe 2013, S. 363 f.; Scott, Jackson 2004, S. 2. Vgl. Shulsky 2002, S. 2. Scott, Jackson 2004, S. 2. Vgl. „Intelligence“, in: Berridge, James 2001, S. 125. Vgl. Scott, Jackson 2004, S. 4. Vgl. ebd., S. 11 ff.; Hitz, Frederick P.: Human source intelligence, in: Johnson 2007, S. 118–128.

18

1. Der dunkle Gang der Geschichte

Es zeigt sich, dass der Transformationsprozess des Intelligence-Konzeptes ist derzeit noch im Gange ist.29 Militärische Schriften haben die Anwendung des Begriffes noch am deutlichsten gefasst: Intelligence unterteilt sich hier in die Ebenen strategische Intelligence, operationale Intelligence, taktische Intelligence, wobei die Inhalte der Informationen zunehmend konkreter werden und die Adressaten eine immer größere Nähe zum Geschehen haben.30 So kommen die Nachrichten in der ersten Ebene aus den Bereichen Technik, Diplomatie, Soziologie, Wissenschaft, Geographie, Demographie, Wirtschaft und dienen der politischen Lageeinschätzung. Auf der Ebene der operationalen Intelligence sollen Kommandoführer von Expeditionskorps bzw. von Großverbänden bestmöglich über die Rahmenbedingungen ihrer konkreten Operation informiert werden, um das Vorgehen entsprechend besser planen zu können. Die taktische Intelligence schließlich dient der Koordination militärischer Mittel für ein Manöver und zur Begegnung akuter Bedrohungen. Somit ist eine Kopplung an die drei Ebenen der Kriegführung, Strategie, Operation und Taktik, zu bemerken.31 Der Krieg selbst spielt sich dann auf drei Ebenen ab: der physischen Ebene, der Informationsebene sowie der kognitiven Ebene. Das Geschehen ist vom Handlungsort und den direkt und indirekt beteiligten Personen, deren Wissen auf Grund von Informationen und deren Wahrnehmung und Verarbeitung der Informationen geprägt. Hierbei hat die Militärtheorie zuletzt die Informationsebene gegenüber der physischen Ebene, die lange dominierte, in den Vordergrund gerückt: Die Inhalte der kognitiven Ebene durchlaufen ausgehend von der Informationsebene einen Filter der menschlichen Wahrnehmung. […] Die entscheidende Erkenntnis aus dem Modell der drei Ebenen der Kriegsführung ist, dass die Informationsebene einen großen  Einfluss auf die Kampfkraft einer Armee hat. Hohe Überlegenheit auf dieser  Ebene  kann unter Umständen eine Unterlegenheit auf der Physischen Ebene wettmachen.32

Die Anbindung der Intelligence an militärische Sinnzusammenhänge schließt diesen Terminus für die auch zu Friedenszeiten genutzte geheime Informationspolitik unter Diplomaten aus. Somit bietet sich die Geheimdiplomatie als deutsche Übersetzung

29

30 31

32

Vgl. „Kulturen der Intelligence“. Ein Forschungsprojekt zur Geschichte der militärischen Nachrichtendienste in Deutschland, Großbritannien und den USA, 1900–1947, seit 2013 gefördert von der Gerda-Henkel-Stiftung; Davies, Philip H.; Gustafson, Kristian C.: Intelligence elsewhere, Washington 2013. Vgl. Johnson 2007a, S. 1; Betts, Mahnken 2003. Vgl. Clausewitz, Carl von: Vom Kriege, in: Clausewitz, Marie von (Hrsg.): Hinterlassene Werke des Generals Carl von Clausewitz über Krieg und Kriegsführung, Band 3, Berlin 1853; Münkler, Herfried: Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion, Weilerswist 2004. Plogmann 2004.

1.1 Fragestellung und Begriffsbestimmung der Geheimdiplomatie

19

der in der westlichen Forschung bereits etablierten secret diplomacy33 bzw. diplomatie secrète34 an, die nicht nur auf aktuelle Fragen, sondern auch im historischen Kontext Anwendung finden. Mehrere veraltete Formen des Begriffes sind überliefert: bei Marana ist von „StaatsRäncken“ und „ungewöhnlichen Geschichten“ die Rede.35 Johann Heinrich Zedler hob hervor, dass „Staats-Geheimnisse“ vor Außenstehenden von den Eingeweihten verschwiegen gehalten werden müssen.36 Damit sind sie Oberbegriff für die Arkana Status, die von ihm als „Heimlichkeiten, geheime Staats-Griffe, verborgene Reichs-Händel“ bezeichnet wurden.37 Diese Mittel wurden dem Fürsten um des Gemeinwohls zugestanden und dem Privatmann aus moralischen Gründen versagt.38 Die Elemente des Verborgenen und des Geheimen sowie die politische Dimension kommen im Begriff der Geheimdiplomatie besser zum Tragen als im Begriff Informationspolitik, weshalb an dieser Stelle die Wahl zu Gunsten des Ersteren zu treffen ist. Die Ausformungen der Geheimdiplomatie sind vielfältig: so beinhaltet sie im allgemeinen Verständnis die gezielte Spionage auf politischer, wirtschaftlicher, kultureller und privater Ebene. Dazu kann auch der sekundäre Zweck von Tätigkeiten zählen, wie z. B. die Ausspionierung anderer Höfe im Zuge von Kavaliersreisen, die vordergründig der Ausbildung von Prinzen im Alten Reich dienten. Auch weist vermiedene Schriftlichkeit und das Bemühen um mündliche Informationsübermittlung bzw. persönliche 33

34 35 36 37 38

Vgl. Gottlieb, Wolfram Wilhelm: Studies in secret diplomacy during the First World War, London 1957; Carter, Charles Howard: The secret diplomacy oft he Habsburgs 1598–1625, New York 1964; Walker, Mack (Hrsg.): Plombières. Secret diplomacy and the rebirth of Italy, New York 1968; Herring, George C.: Secret Diplomacy, the secret oft the Vietnam war, Austin 1983; Plessis, A.: South Africa and regional conflict management. The Saliency of informal, personal and secret diplomacy, in: Strategic review 1984, s. 2–21; Posner, Steve: Israel undercover. Secret warfare and hidden diplomacy in the Middle East, Syracuse 1987; Cottrell, Robert: The end of Hong Kong. The secret diplomacy of imperial retreat, London 1993; Rabi, Muhammed: US-PLO-Dialogue. Secret Diplomacy and conflict resolution, Gainesville 1995; Loomie, Albert J.: Spanish secret diplomacy at the court of James, in: Politics, religion and diplomacy in early modern Europe, Sixteenth Century Journal 1997, S. 230–244; Eshed, Haggai: Reuven Shiloah – the Man behind the Mossad. Secret diplomacy in the creation of Israel, Hoboken 1997; Andreev, Aleksandr: Soviet Russia and Tibet. The debacle of secret diplomacy 1918–1930 s, Leiden 2003; Gnoinska, Margret K.: Poland and Vietnam, 1963. New evidence on secret communist diplomacy and the „Maneli Affair“, Washington 2005; Drischler, William F.: The political biography of the young Leibniz in the age of secret diplomacy. Early Modern state formation, 17th century political discourse an modern political biography reconsidered, Charleston 2006; Gallagher, Charles R.: Vatican secret diplomacy: Joseph P. Hurley and Pope Pius XII., New Haven 2008; Tsyrempilov, Nikolay: The open and secret diplomacy of Tsarist and Soviet Russia in Tibet. The role of Agvan Dorzhiev (1912–1925), in: Tomohiko, Uyama (Hrsg.): Asiatic Russia. Imperial power in regional and international contexts, London 2012, S. 216–233. Vgl. Launay, Jacques: Histoire de la diplomatie secrete, Lausanne 1966; Luciri, Pierre: Le prix de la neutralité: La diplomatie secrete de la Suisse en 1914–1915, Genf 1976; Lebec, Éric: Histoire secrète de la diplomatie vaticane, Paris 1997. Marana 1733, Vorrede a2. „Staats-Geheimnisse“, in: Zedler, Bd. 39, Sp. 647. Vgl. „Arcana Status“, in: ebd., Bd. 2, Sp. 1181. Vgl. Hölscher 1979, S. 133.

20

1. Der dunkle Gang der Geschichte

Besprechungen unter vier Augen ein untergründisches Verhalten auf. Darüber hinaus diente die Verwendung alternativer Kommunikationswege über Strohmänner und -frauen sowie „tote Briefkästen“ der Verschleierung von Beziehungen. Nicht zuletzt sind Parallelidentitäten und die Geheimhaltung der wahren Identität einer Person ein häufig genutztes Mittel der Geheimdiplomatie. Ebenso muss das unbemerkte Abhören, Ausfragen, Bestechen und Intrigieren erwähnt werden. Dieses Gesamtpaket an Praktiken institutionalisierte sich im Verlauf der Frühen Neuzeit in Nachrichtendiensten. Sie beziehen ihre Informationen aus offenen Quellen und – besonders im Krieg – aus nicht offenen Quellen. Diese Praktiken sind Teil der sozialen Kultur des Menschen und änderten sich über Jahrhunderte nur mehr oder weniger durch technischen Fortschritt. Diese Arbeit konzentriert sich auf die politische Praxis, die im Kontext zwischenund überstaatlicher Beziehungen auf das Ziel ausgerichtet ist, eigene Staatsangelegenheiten nur im internen Kreis zu bewahren und geheime Staatsinformationen anderer in Erfahrung zu bringen, um sie zum eigenen Vorteil gebrauchen zu können. In heutigen Geheimdiensten wird eine Einteilung in Ressorts vorgenommen.39 Tabelle 1: Aufgaben von Meldedienst und Abwehrdienst militärisch politisch

Meldedienst Ständige, aufmerksame Beobachtung des Kräftepotentials der ausländischen Staaten Ständige, aufmerksame Beobachtung des ausländischen politischen Kräftespiels sowohl im Verkehr der Staaten untereinander als auch im innerpolitischen Bereich

Abwehrdienst Vorsorglicher Geheimschutz des eigenen Kräftepotentials Vorsorglicher Schutz gegen innerpolitische Umtriebe, vor Zersetzung und vor staatsfeindlichen Angriffen auf die Verfassung

Diese Einteilung trifft zwar auf die Schutzfunktion von Behörden zum Staatsschutz in demokratischen Gesellschaften zu, blendet aber die frühneuzeitlichen, vom Herrscher ausgehenden, Maßnahmen im Bereich der Spionage, Gegenspionage, Sabotage, Simulation und der gesteuerten Informationspolitik aus. Insofern ist für die Rahmenbedingungen der Vormoderne eine Schärfung des oft benutzten Begriffs Geheimdiplomatie erforderlich. Das Geheimnis ist ein durchaus anerkanntes Element des Politischen, eine Dimension politischen Handelns, wie es Lucian Hölscher ausgedrückt hat.40 Die Unterscheidung zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit stellt keine antithetischen Begriffe

39 40

Vgl. Buchheit 1967, S. 13. Vgl. Hölscher 1979, S. 7.

1.1 Fragestellung und Begriffsbestimmung der Geheimdiplomatie

21

gegenüber. Vielmehr sind beide Bereiche durch die Publikationsbedürftigkeit intern verknüpft.41 Öffentlichkeit wird als Resultat einer sozialen Praxis von einer bestimmbaren Anzahl von Akteuren […], die innerhalb eines definierbaren Rahmens aus Zeit und Raum mittels Medien kommunikativ hergestellt.42

Die unverstellte und unverdächtige politische Kommunikation ist in der politischen Praxis der gewöhnliche Fall.43 Die Sichtbarkeit von Kommunikation und deren Akteuren, wie sie etwa bei regelmäßigen Rapporten der Gesandten festgestellt werden kann, signalisierte den Beobachtern eine ritualisierte Praxis. Diese Sichtbarkeit diente der Beruhigung und dem Ausschluss einer Gefährdungsperzeption. Ein üblicherweise zweimal wöchentlich reisender Bote war ebenso unauffällig wie eine Audienz des ansässigen Gesandten eines fremden Hofes. Die Lage ändert sich jedoch, sobald Elemente zur Verschleierung in diesen Kommunikationsprozess einfließen. Im Kontext der Diplomatie sind klare Merkmale ersichtlich, die gewöhnliches diplomatisches Geschehen, das natürlich auch nicht coram publico verhandelt wurde, aber auch nicht mit besonderen Geheimhaltungsmethoden bedacht wurde, von einer anderen Diplomatie mit höherer Geheimhaltungsstufe unterscheiden. Auch Lucien Bélys unterschied bereits Informationen, die allgemein oder in kleinen Kreisen zirkulieren, voneinander und nahm eine Abstufung der Geheimhaltung vor.44 Deshalb kann die Geheimdiplomatie als Sonderform der Diplomatie gelten, getrennt durch eine Übergangsphase der vertraulichen Kommunikation bzw. inoffiziellen Diplomatie. In der folgenden Übersicht ist sowohl die Abstufung dieser Diplomatieformen als auch die Steigerung der Geheimhaltungsmethoden ersichtlich. Als Quellen liegen Gesandtschaftsberichte, Creditive, Weisungen, Interzepten, Kassenrechnungen und Privatkorrespondenzen zu Grunde. Angesichts der Aktenlage ist nachweisbar, dass im Nieder- wie im Hochadel der Umstand, Briefe nicht zu diktieren, sondern eigenhändig zu schreiben, diese als „geheime Korrespondenz“ betrachtet wurden.45 Die Kriterien für eine Abstufung der Geheimhaltung von Kommunikation lassen sich allgemein als Abweichungen von der Norm und vom Briefzeremoniell fassen. Es zeigt sich, dass in der Politik zwischen mehreren diplomatischen Kommunikationskulturen entsprechend der Rahmenbedingungen changiert werden konnte.

41 42 43

44 45

Vgl. Nowotny 2005. Bellingradt 2011, S. 21. Neithard Bulst benennt mit Bezug auf Ute Frevert und Willibald Steinmetz als Kennzeichen der politische Kommunikation Breitenwirkung, Nachhaltigkeit, Verbindlichkeit sowie eine inhaltliche Thematisierung von Regeln des Zusammenlebens, Machtverhältnissen, Grenzen des Sag- und Machbaren in Bezug auf „vorgestellte überindividuelle Einheiten“. Bulst 2009a, S. 8. Vgl. Bély 1990, S. 51. Vgl. LHASA, Abt. Magdeburg, A 13, Nr. 1524.

22

1. Der dunkle Gang der Geschichte

Tabelle 2: Kriterien zur Unterscheidung von Varianten der Diplomatie Kommunikations(gewöhnliche) ebenen Diplomatie Schriftlichkeit keine besonderen Hinweise auf Herkunft von Informationen oder Umgang mit ihnen formelle Anrede und Schlussformel Hinweise auf erfolgte oder empfohlene Weiterleitung von Informationen eindeutige Datierung und Lokalisierung

Schriftlichkeit und Mündlichkeit Mündlichkeit

Zusammenfassung: Ablehnung, Abgrenzung

inoffizielle Diplomatie explizite Formulierungen wie z. B. „vertraulich kommuniziert“ informelle Anrede und Schlussformeln Bitte um Nichtweitergabe von Informationen

Geheimdiplomatie Formulierungen wie z. B. „in secrete mitgeteilt“, „unter der Hand erfahren“ usw.

informelle Anrede und Schlussformeln Bitte um Nichtweitergabe von Informationen und Vernichtung des Schriftstücks nicht immer eindeu- mangelnde oder fehlende tige Datierung und Datierung und LokalisieLokalisierung rung mangelnde oder fehlende identifizierbare Verwendung von Angabe von Absender oder Absender und Pseudonymen und Adressaten Kürzeln bei Adressa- Adressat ten- und Absenderangabe möglich Klarschrift Klarschrift Einsatz von Geheimschrift Übermittlung von Schriften Übermittlung von Übermittlung von durch Bekannte; Einsatz Schriften durch Schriften durch von Methoden der Steoffizielle Post offizielle Post oder vorzugsweise durch ganographie Bekannte Verwendung von PseudoNamen werden offen Verwendung von nymen oder Chiffren für kommuniziert Pseudonymen und Kürzeln bei nament- Namen lichen Nennungen möglich Einsatz von offiziellen Einsatz von (offiziel- Einsatz von geheimen Gesandten (inkognito) bei Gesandten bei münd- len) Gesandten bei mündlicher Übermittlung, licher Übermittlung mündlicher Überheimliches Verhandeln mittlung Maximum der defensiven keine besonderen Me- Minimum der Geheimdiplomatie: Eindefensiven thoden der GeheimGeheimdiplomatie: schränkung des Mitwisserhaltung, außer der kreises und vorzugsweise vertragsgemäßen Ver- Einschränkung des Verzicht auf schriftliche schwiegenheitspflicht Mitwisserkreises Kommunikation der Diplomaten über ihre Arbeit

1.1 Fragestellung und Begriffsbestimmung der Geheimdiplomatie

Kommunikationsebenen Aktionsform I: Beobachtung, Kontrolle Aktionsform II: Aggression, vorsätzliche Schädigung

(gewöhnliche) Diplomatie

inoffizielle Diplomatie

23

Geheimdiplomatie Minimum der offensiven Geheimdiplomatie: Interzeption, Korruption, Spionage, Handel mit Geheimnissen Maximum der offensiven Geheimdiplomatie = aggressive Geheimdiplomatie: Manipulation von Informationen, Propaganda, Täuschung, Sabotage, Gegenspionage

Im Weiteren werden die Begriffe entsprechend dieser Kriterien verwendet. Die Geheimdiplomatie bedient sich verschiedener Vorgehensweisen, die bei der gewöhnlichen Diplomatie eben nicht angewandt werden und die sich bei inoffiziellen Mitteilungen nur ansatzweise wiederfinden. Dass sich der Begriff des Secretums auf die Mysterien der Diplomatie, auf den geheimen Inhalt und auf die Handhabung von Geheimnissen erstreckte46, beleuchtet zwar die sozialen, inhaltlichen und methodischen Aspekte der Geheimdiplomatie, ignoriert aber das am Ziel orientierte praktische Denken der Diplomaten. Insofern muss eine Systematik der Geheimdiplomatie von den Praktiken ausgehen. Die Methoden der Geheimdiplomatie unterscheiden sich in ihrer Ausprägung, so dass eine Einteilung in defensive, offensive und aggressive Geheimdiplomatie sinnvoll erscheint. Alle Varianten können von den politischen Ressorts nach situativer Eignung entsprechend eingesetzt werden. Ist im Fall von versandten Kulturagenten zum Ankauf eines Gemäldes die vertrauliche Kommunikation der inoffiziellen Diplomatie ausreichend, belegt der Einsatz von Chiffren in der bilateralen Außenpolitik eine defensive Geheimdiplomatie. Die geheimen Verhandlungen zwischen zwei Höfen sind als defensive Geheimdiplomatie im Bereich der Außenbeziehungen anzusiedeln.47 Auch ist Sabotage an Nachschubwegen im Kriegsgebiet ein Beispiel für aggressive Geheimdiplomatie und die Interzeption von Briefen aufständischer Untertanen ein Exempel offensiver Innenpolitik. Ein Kreis-Netz-Diagramm veranschaulicht diese Abstufungen (Grafik 2).

46 47

Vgl. Kugeler 2006, S. 136. Dorothea Nolde verortet „verdeckte Verhandlungen“ in der offiziellen Diplomatie, weil sie von beiden Seiten letztlich ohne Maskierung untereinander geführt wurden. Vgl. Nolde 2013, S. 198. Es ist m. E. allerdings eine nach außen, gegenüber Dritten bestehende Geheimhaltung dieser Gespräche zu konstatieren, die solche Verhandlungen in die Sphäre der Geheimdiplomatie rücken.

24

1. Der dunkle Gang der Geschichte

Grafik 2: Diplomatische Varianten und ihre Anwendungsbereiche

Da Vertraulichkeiten auch in Geheimdiplomatie münden können, muss eine Geschichte der Intelligence die gesamte Palette heimhaltungs- und Aufklärungsmethoden in Betracht ziehen. Angesichts der Vormacht schriftlicher Quellen ist ein besonderes Augenmerk auf die Geheimschriften und die Interzeption zu legen. Die Geschichte der Geheimdiplomatie verknüpft Kommunikationsgeschichte und politische Kulturgeschichte, indem sie bislang kaum von der Forschung ausgewertete Quellen in den Mittelpunkt rückt. Eine Datenbank zu den im Sächsischen Hauptstaatsarchiv überlieferten Chiffren soll die Auflösung bislang undechiffrierter und damit unlesbarer Quellen erleichtern. In der Datenbank ist jedem Inhaber einer Chiffre der Fundort seiner Chiffrentabellen (Nomenklatoren) im Archiv zugeordnet. Bisher galt ein „stillschweigendes, durch das Beispiel zahlreicher Herausgeber sanktioniertes Übereinkommen […], den chiffrierten Depeschen fein säuberlich aus dem Weg zu gehen […].“48 Dieses bei den Historikern

48

Meister 1902, S. III.

1.2 Begriffe im zeithistorischen und aktuellen Verständnis

25

unvermeidliche Auslassen von Quellen erlaubte jedoch kein vollständiges Bild der behandelten Themen. Dieser unbefriedigenden Lage kann mit der vorliegenden Datenbank abgeholfen werden. Gleichermaßen sind die Interzepta bislang nur selten berücksichtigt worden. Die Interzeption ist als zeitgenössischer Begriff bis in die heutige Forschung erhalten geblieben: Unter Intercepten verstand man ursprünglich die Originale aufgefangener Briefe, später lediglich die in den amtlichen Postlogen gewonnenen Abschriften insgeheim geöffneter, dann aber wieder verschlossener und weitergeleiteter Briefe.49

Doch die Frage, wer sich welcher Briefschaften warum und wie bemächtigte, trifft ins Zentrum der außenpolitischen Zielrichtung. Mehr noch ist der Wert und die Nutzung des erlangten Wissens für die Einschätzung der politischen Entscheidungen von Belang. Ferner beinhaltet dieser Aspekt auch die Maßnahmen zur organisierten Interzeption einerseits und der Abwehr solcher Einbruchsversuche andererseits. Auf der MetaEbene kommt der Spagat zwischen Informationsgewinnung und Geheimnisbewahrung auch hier zum Vorschein. Multiperspektivische Analysen ermöglichen es, Profile der Kommunikations- bzw. Korrespondenzbeziehungen zu erstellen und in Graphen das (Un-) Wissen der jeweiligen Protagonisten zu skizzieren. Es wird erneut deutlich, dass sich aus dem Thema ein ganzes Bündel von Fragen ergibt. Sie betreffen die Infrastruktur und Organisation des Geheimdienstwesens mit ihren Methoden und kommunikationstheoretischen Implikationen sowie die inhaltliche und die politischer Ebene mit Zielen und Konsequenzen, was die Frage nach Erfolg und Misserfolg von Missionen aufwirft und deren öffentliche Wahrnehmung ins Blickfeld rückt. Somit ist die Aufgabe der Studie sehr vielfältig: neben der näheren Erforschung von überlieferten Einzelfällen, die in ihrem Kontext dargestellt werden, ist die theoretische Betrachtung des Themas hervorzuheben und die multidisziplinäre Herangehensweise, die für eine möglichst abgerundete historische Darstellung bei der Soziologie, der Psychologie, der Kunst und der Philosophie Anleihen nimmt. 1.2 Begriffe im zeithistorischen und aktuellen Verständnis Das Themenfeld der Geheimdiplomatie ist voller Begrifflichkeiten, die im Laufe der Jahrhunderte eine deutliche Veränderung der Semantik erlebten oder gar modernen Ursprungs sind. Angesichts der nuancierten Sprache im Milieu des Untergrunds ist es deshalb vonnöten, eine Begriffsklärung voranzustellen.

49

HHSTAW, Findbuch StK, V/4, S. 71.

26

1. Der dunkle Gang der Geschichte

2009 wurde am Forschungszentrum Gotha das Graduiertenkolleg „Untergrundforschung“ gegründet. Es erforscht die Praktiken im Untergrund der Frühen Neuzeit. Als Untergrund […] kann man jenen gesellschaftlichen Bereich verstehen, in dem verheimlicht wird: religiöse Identitäten, kritische Ansichten, wahre Absichten; im engeren Sinne stellt der Untergrund eine eigene Halbwelt dar, mit eigenen Kommunikationsstrukturen und eigenen Gruppenzugehörigkeiten.50

Bevor diese Halbwelt sich im 19. Jahrhundert einen Namen als „untergründig“ machte, war sie von den Zeitgenossen nicht mit einem eigenen Begriff versehen worden, sondern mit dem Prädikat „clandestin“. 51 Unter dem Oberbegriff Clandestina konnten alle möglichen Heimlichkeiten52 beschrieben werden: heimliche Anschläge, heimliche Besitzungen, heimliche Verlöbnisse, heimliche Zusammenkünfte. Insofern beschreibt der moderne Begriff des Untergrundes den Raum für die clandestine Praktiken und Lebenswelten. Dieser Untergrund war fragmentiert und stellte kein kohärentes Milieu dar, wie Martin Mulsow ausführt.53 Dennoch kann festgestellt werden, dass das Milieu der Spionage von der Regierungsebene über das Militär mit Offiziers- und Generalsrang und über die Gesandtschaften in die Kanzleiebene hinabreichte. Der Begriff der Sicherheit, verstanden als Abwesenheit von Angst, verbreitete sich politischerseits im 17. Jahrhundert zunehmend im Kontext der Staatenbildung.54 Die seit 1600 zu beobachtende Trennung in innere und äußere Sicherheit ist im Zusammenhang mit der Bedrohung des Heiligen Römischen Reiches durch König Ludwig XIV. von Frankreich forciert worden. Innerhalb des Prozesses der „Versicherheitlichung“ differenzierte sich der Sicherheitsbegriff.55 Im Verlauf der Frühneuzeit erfuhr auch die Kommunikationssicherheit eine Wandlung, die jedoch von der Sicherheitsforschung nur wenig berücksichtigt wurde. Hingegen sind die Paradoxien im Umgang mit Sicherheit soweit bekannt, dass jenes widersprüchliche Verhalten unter dem Begriff „Sicherheitsdilemma“ gefasst wird.56 Die potentielle Unsicherheit und die daraus erwachsende Bedrohung war stets Ausgangspunkt für die ritualisierte Thematisierung von Kommunikationssicherheit als Ordnungsmuster. Die hohe Sensibilität für den sicheren Nachrichtenverkehr bestand, wie sich zeigen wird, bereits im 16. Jahrhundert,

50 51 52 53 54 55 56

URL: http://www.uni-erfurt.de/forschungszentrum-gotha/grad/ [21.02.2014; ASR]; Mulsow 2002. Vgl. „clandestin“, in: Zedler, Bd. 6, S. 123; „Untergrund II“, in: Grimm, Bd. 24, Sp. 1589. Zu beachten ist, dass unter dem Begriff „Heymligkeit“ im Kontext des Stadtbauwesens und im Alltag ein Abort zu verstehen ist. Vgl. Papke, Eva: Die herrliche Festung Dresden und ihre Heymlichkeiten, in: Burgenforschung aus Sachsen 9 (1996), S. 120–128. Vgl. Mulsow 2007, S. 234. Vgl. Zwierlein 2012, S. 369, 377. Vgl. Kampmann, Niggemann 2013a, S. 25; Schorn-Schütte 2013. Herz, John H.: Idealist Internationalism and the Security Dilemma, in: World Politicis2 (1950), S. 157–180.

1.2 Begriffe im zeithistorischen und aktuellen Verständnis

27

so dass schon früh von einer positiven Semantik des Begriffs der Sicherheit ausgegangen werden kann. Die menschliche Kommunikation baut darauf auf, dass ein Sender eine Nachricht an einen Empfänger übermittelt, indem die Nachricht in ein Signal umgewandelt und auf einem Kanal übertragen wird.57 Auf die Diplomatie transferiert, können mündliche oder schriftliche Aussagen sowie nonverbale Akte (Geschenke, zeremonielle Symbolik, Tun bzw. Unterlassen von erwartbaren Handlungen) als Signale benannt werden. Als Kanäle dienten Post, Gesandtschaften, Hofzeremoniell usw. Die größte Kapazität bot der schriftliche Übertragungskanal. Je nach Bedürfnis kommunizierten die Höfe kontinuierlich bzw. diskontinuierlich und mehr oder weniger diskret miteinander. Als effektivste Codierung erwies sich die numerische Chiffrierung. Der höchste Grad der Diskretion ist die Verschlüsselung der Nachricht in Kombination mit Verbergen derselben. Jede Nachricht hat eine Sachebene, eine Ebene der Selbstoffenbarung, eine Beziehungsebene und einen Appell. Während des Übertragungsprozesses kann es verschiedene Störungen geben, z. B. durch gewollte Eingriffe, unbeabsichtigte Blockaden, Verzerrungen und Missverständnisse. Zu Missverständnissen kommt es, wenn die Interpretation der Nachricht durch den Empfänger fehlerhaft ist oder die Form der Nachricht doppeldeutig bzw. missverständlich. Nachrichten können dem Empfänger bekannte oder auch neue Informationen übermitteln. Im letzteren Fall steigt die Bedeutung der Nachricht an, so dass eine Interpretation stimuliert wird. In der Frühen Neuzeit verstand man – so die Brüder Grimm in ihrem Wörterbuch – unter einer Nachricht überhaupt mittheilung einer begebenheit u. s. w., zur kenntnisnahme derselben, und allgemeiner: gegebene oder erhaltene mündliche oder schriftliche kunde von einer person oder sache, meldung, anzeige, überlieferung […] zum darnachrichten.58

Johann Heinrich Zedler hat noch 100 Jahre zuvor weder den Begriff Nachricht noch den Begriff der „Information“ für wert gehalten, eigens in seinem Universallexikon mit einem eigenen Stichwort zu versehen. Information ist die Grundlage für „problemlösungsbezogen aufbereitetes Wissen“.59 Aus dem Rohmaterial der Daten, den verfügbaren „Repräsentationen der Welt“ werden durch Strukturierung und Auswahl Informationen.60 Wenn verschiedene Informationen sich netzwerkartig zusammenfügen, entsteht Wissen. Dieses Wissen zu sammeln, zählt zu den Schlüsselkompetenzen in der Politik. Das politische Kernwissen erfuhr infolge der steigenden Alphabetisierungsrate zunehmend eine Profilierung hin zum Staatsgeheimnis, während der Beamtenapparat um den Fürsten herum sich professionalisierte.61

57 58 59 60 61

Vgl. Shannon 1976, S. 16 f. „Nachricht“, in: Grimm, Bd. 13, Sp. 103–107. Weber 2008, S. 259. Brendecke, Friedrich, Friedrich 2008a, S. 16. Vgl. Weber 2008, S. 268; Malettke 2013.

28

1. Der dunkle Gang der Geschichte

In der politischen Literatur der Frühen Neuzeit, z. B. bei Veit Ludwig von Seckendorffs „Fürstenstaat“, findet sich die Forderung, dass die Minister nur über ressortspezifisches Wissen verfügen sollten und beim Fürsten die Fäden zusammenlaufen.62 Francis Bacons Diktum „Nam et ipsa scientia potestas est“ (Wissen ist Macht) war den Entscheidungsträgern der Frühen Neuzeit durchaus geläufig.63 In der Praxis leitete sich Macht aber von der Fähigkeit ab, Wissensbeständen eine bestimmte, akzeptierte Form zu geben.64 Der Prozess der Formung prägte den Begriff der Information, der für den Vorgang des Einholens von Kenntnissen und auch für das Produkt desselben in Form eines Schriftstückes bereits seit dem Mittelalter bekannt war und in den Akten seit dem 18. Jahrhundert regelmäßig auftaucht.65 Er ist allerdings den Gebrüdern Grimm keinen eigenen Eintrag wert gewesen, da sie höchstens „Kunde“ oder „Meldung“ in diesem Zusammenhang kannten. Die Informationsübermittlung war gekoppelt an das Kommunikations- und Mediensystem im Alten Reich. Da es sich bei Informationen um Ware handelte, für die Geld verlangt werden konnte, waren Kaufleute am Nachrichtenumlauf beteiligt.66 Während Informationen zirkulierten, erneuerte sich das Mediensystem immer wieder selbstständig. Der Wert von Nachrichten bestimmte die Geschwindigkeit und besaß im Medienwesen über Jahrhunderte eine stabile Position. Die ersten Medienschlachten wurden im Reformationszeitalter mit Propagandaschriften geschlagen, die an die lesekundige Öffentlichkeit gerichtet und für die weniger Gebildeten mit deutlichen Holzschnitten versehen waren. Auch im Dreißigjährigen Krieg hat die Beeinflussung der öffentlichen Meinung eine wichtige Rolle gespielt.67 Unter dem ökonomischen Druck des Marktes etablierten sich im 17. Jahrhundert die Zeitungen, die etymologisch auf den mittelniederdeutschen Begriff für Kunde, „tidinge“, zurückgehen. So hieß das 1650 in Leipzig gedruckte, erste täglich erscheinende Blatt „Einkommende Zeitungen“. Die Zeitungsproduzenten bekamen vom städtischen Rat eine grundsätzliche politische Linie vorgegeben, aber die Orientierung auf den Gewinn war ausgeprägter als Rücksichten auf die jeweilige Obrigkeit, so dass sich unter Inkaufnahme von Verweisen und Klagen auch kritische Veröffentlichungen an der Vorzensur vorbei publizieren ließen.68 Durch Arbeitsteilung und Regelmäßigkeit konnte die Infrastruktur sich insoweit entwickeln, dass Etappenreisen der Post zu so genannten „posita“ – festgelegten Punkten und Zeiten  – eine kontinuierliche Kommunikation ermöglichten. Die Bildung eines feinmaschigen Wegenetzes ging einher mit den organisatorisch zu etablierenden Personalien, Ämtern und Institutionen. In diesem Zusammenhang ist mit der „Raum62 63 64 65 66 67 68

Vgl. Seckendorff 1976, S. 75–107; Reinhard 1702, S. 730 ff. Bacon, Francis: Meditationes Sacrae 11: De Haeresibus, in: Ders.: Essayes. Religious Meditations. Places of perswasion and disswasion, London 1567, f. 12a–14b; Bastian 2013, S. 102. Vgl. Behrisch 2008, S. 470. Vgl. Brendecke, Friedrich, Friedrich 2008a, S. 20 ff. Vgl. Arndt 2010a, S. 5. Vgl. ebd., S. 11. Vgl. Schultheiß-Heinz 2010, S. 131.

1.2 Begriffe im zeithistorischen und aktuellen Verständnis

29

portionierung“ im Zuge der flächigen Vernetzung ein Fortschritt bzw. eine „Medienrevolution“ begonnen worden, die auch die Produktion von Reisehilfsmitteln als neuen Wirtschaftszweig hervorbrachte.69 Die universale Infrastruktur des geschaffenen Netzwerkes konnte für Informationsübermittlung, Geldverkehr und Personentransport dienen und stellte eine moderne Form der öffentlichen Kommunikation her. Die Arkana (arcana regni) standen mit dem Begriff der Staatsräson in Verbindung, der Anfang des 17. Jahrhunderts an Bedeutung gewann.70 Eine erste Systematik der Geheimdiplomatie legte Arnold Clapmarius 1605 in seinem verbreiteten Werk „De Arcanis rerum publicarum libri sex“ vor.71 Er unterschied die arcana imperii, die der Sicherung der Staatsform dienten, von den arcana dominationis für die Sicherung der Herrschenden.72 Der Staatslehre des Aristoteles wurden spezifische Arkana zugeordnet. Die Arkanliteratur kritisierte die arcana imperii und ratio status wegen ihres verheimlichenden und unchristlichen Charakters.73 Interessanterweise nannte man diese Listen, Verschwörungen, Betrügereien und Übervorteilungen „italienische Verfahren“ nach der in der Renaissance von Italien ausgehenden Geheimpolitik, während sie in Italien mit Blick zur spanischen Herrschaft seit dem Sacco di Roma „spannische Pracktiken“ hießen.74 Im Interesse der Regierung wurde die Geheimhaltung gegenüber potentiellen Feinden im Innern und Äußeren angesichts des wachsenden Öffentlichkeitsinteresses und des komplexer werdenden Staatensystems immer wichtiger. Die Tagungen der Geheimen Räte eines frühneuzeitlichen Herrschers fanden im so genannten Silenarium statt, der den Geheimen Räten ihren Namen als Silentarii gab.75 Innerhalb eines Hofes war die Kenntnis geheimen Wissens von oben her abgestuft.76 In Sachsen organisierte Kurfürst August 1574 den Geheimen Rat im Kollegialitätsprinzip und verhinderte damit wenigstens vorübergehend die bestimmende Macht einer Einzelperson unter seinen Beratern.77 Zur Sicherstellung des Geheimstatus von Informationen wurde die Kommunikation häufig mündlich oder chiffriert geführt.78 Kanzleiordnungen fixierten ein striktes Ge69 70 71 72 73 74 75

76 77 78

Behringer 2010. Zu dieser Entwicklung vgl. im Folgenden die Begriffserläuterung von Werner Conze zur „Staatsräson“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6, Stuttgart 1990, S. 15. Clapmarius 1605; Stolleis 1980, S. 17 ff. Das Werk wurde bis 1673 dreizehnmal aufgelegt. Vgl. ebd., Kapitel V. Vgl. Stolleis 1980, S. 24. Vgl. ebd., S. 25; Schmidt 2001, S. 249. Vgl. „Silentarii“ in: Zedler, Bd. 37, S. 664. Laut der habsburgischen Hofordnung von 1527 umfasste der Geheime Rat „etliche wenig Personen, hoch schwer und geheim Sachen und Gefährlichkeiten zu bewegen und vorzukommen“. Hofordnung vom 1. Januar 1527, in: Fellner-Kretschmayr: Die österreichische Zentralverwaltung (= Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 5–7), Wien 1907, S. 107. Vgl. Laube 2006, S. 223. Vgl. Kretzschmar 1937, S. 190 ff. Zum Beispiel wurden laut § 25 der Wiener Hofkammerinstruktion von 1537 „gehaime poten und kundschafter“ mündlich abgefertigt. Vgl. Hengerer 2008, S. 175.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

heimhaltungsgebot und Kopierverbot sämtlichen Schriftguts.79 Wie die Wiener Hofkammerordnung von 1681 beweist, war es sogar hochrangigem Personal „nicht erlaubt, nach Belieben über die Schriften zu verfügen“.80 Auf den Verschluss durch Buchhaltereiräte legte man großen Wert und hielt Schriftstücke auch innerhalb von Institutionen üblicherweise möglichst lange zurück. Die Einsicht in Akten sei eine unnötige, ungewöhnliche und gefährliche Sache, da die Gefahr bestünde, dass Notizen gemacht würden oder Dokumente verschwinden könnten.81 Die Kasse und bedeutende Unterlagen wurden in Amtstruhen mit zwei verschiedenen Schlüsseln gesichert, so dass zwei Personen zum Öffnen erforderlich waren, was eine gegenseitige Kontrolle zur Folge hatte.82 Die Täuschung kennt die Begriffe Dissimulation und Simulation, Verschleiern von etwas real Existierendem durch (passives) Verbergen und Vorspiegelung von etwas nicht Realem durch (aktive) Verstellung.83 Ein inkognito reisender Graf dissimulierte also, dass er ein Graf war und simulierte, dass er beispielsweise ein Student sei. Zu den Fertigkeiten des politisch klugen Fürsten, der „Löwe und Fuchs“ zugleich sein wollte, zählte Macchiavelli diese beiden Praktiken.84 Doch es ist klar: Macchiavelli hat diese Praxis nicht erfunden, da sie schon so alt ist wie der Egoismus in der Menschennatur.85 Um 1700 gehörte die Täuschung in der Konversation zur „L’Ecole du monde“, also zum Kanon des adeligen Weltwissens jener Epoche.86 Für die absichtliche Hintergehung eines Anderen gab es in der Frühen Neuzeit zusätzlich eine Reihe von Begriffen, allerdings tauchten in der Praxis nur die Varianten (Arg-)List, Betrug und Hintergehung auf.87 Im Gegensatz zur häufig gebrauchten dissimulatio ist die simulatio nur im passiven Sprachwortschatz vorhanden gewesen. Im Militär wird heute oft der Begriff Camouflage für Tarnung benutzt, den aber die Zeitgenossen noch nicht kannten, sondern erst im 19. Jahrhundert von Tarnkappe und Nebelkäppchen sprachen.88 79

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87 88

Sie wurden darauf vereidigt, dass sie „beständig ohne einigen falsch verbleiben und verfahren und darwieder nichts heimlich oder öffentlich practiciren […] und was ihr heimlich in der Rath Stuben und Cantzley hören, vernehmen und erfahren werdet, deßelbe verschweigen und niemands eröffnen, auch sonsten alles thun und verrichten wollet, darzu ihr euch in eurer Bestallung verpflichtet und vor einen getreuen Bothenmeister und Canzley-Diener zu thun eignet und gebühret.“ SächsHStAD, Loc. 10061/1, f. 262b. Ebd., S. 182. Vgl. ebd., „die Verbesserung der Kriegsbuchhalterei von 1695“, S. 182. Vgl. ebd., S. 187. „Dissimulation“, in: Zedler, Bd. 7, S. 561. Il Principe 2011, § XVIII. unter Berufung auf Plutarchs Biographie von Lysander („Wenn das Löwenfell nicht ausreicht, muss man den Fuchspelz anziehen“). Vgl. Stolleis 1980, S. 9. Vgl. Heyer, Karl: Der Macchiavellismus, Berlin 1918, S. 13. Le Noble, Eustache: L’École Du Monde Ou Instruction d’un pere a un fils. Quatriéme entetien. Bd. 2, De la Conversation & de la Dissimulation, Paris 1700. Der Autor, Generalstaatsanwalt des Parlament, wurde später wegen Verdachts auf Dokumentenfälschung inhaftitert. Vgl. Hourcade, Philippe: Entre Pic et Rétif: Eustache Le Noble, 1643–1711, Paris 1990. „Opera“, in: Zedler, Bd. 25, S. 762; „Stücklein“, Bd. 40, S. 677; „Betrug“, Bd. 3, S. 795; „Fraus“, Bd. 9, S. 916; „Dolus“, Bd. 7, S. 619. „Tarnkappe“, in: Grimm, Bd. 21, Sp. 145.

1.2 Begriffe im zeithistorischen und aktuellen Verständnis

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Geheimschriften sind so alt wie die Schrift selbst. Die Wissenschaft der Kryptologie erlebte mehrere Konjunkturen und durchlief einen Wandel. Die Geheimschriften waren sichtbarer Ausdruck der Grenze zwischen den in die Arkana Eingeweihten und den Außenstehenden. Dass ein Secretarius bzw. Sekretär mit geheimen Informationen betraut ist, geht aus dem ursprünglichen Wortsinn noch hervor, der jedoch bereits im 18. Jahrhundert eine allgemeinere Bedeutung für Schreibbeamte erhielt. Ein weiterer Terminus aus der Geheimdiplomatie ist die Konspiration. Die konspirativen Treffen jenseits der Legalität verfolgen im heutigen Verständnis einen staatsumstürzlerischen Zweck. Da das Verschwörungsdenken aber erst spät einsetzte, war eine Konspiration zunächst eine „heimliche bößliche Verbindniß“, um einer Person oder Würde Schaden zuzufügen.89 Insofern zeigt sich, dass die Geheimdiplomatie und Spionage zwar untergründisch tätig war, aber nur dahingehend als Konspiration bezeichnet werden kann, als die Akteure zu ihrem eigenen Vorteil wirkten und damit auf den Schaden eines Andren abzielten. Dennoch besitzt die Verschwörung eine eher statische Semantik, während die Spionage als Methode mit Dynamik zu verstehen ist. Mit anderen Worten: die Verschwörer beraten miteinander im Geheimen und schwören sich die Durchführung ihres Planes meist in Kellern oder anderen Orten des Untergrundes, und die Spione bewegen sich unter Verschleierung ihrer Identität und wahren Ziele, um Informationen zu sammeln oder Missionen zu erfüllen. Diese Ausprägungen entwickelten sich deswegen so enorm im 16. Jahrhundert, da im Zuge der Entstehung des Staatensystems etwas Neues auftrat: Der Kontrollverlust über die Stabilität des Herrschaftssystems und die potentielle Bedrohung des ganzen Systems.90 Die Kommunikation zwischen den Höfen war bereits professionalisiert, und Gruppen, die die Sicherheit des Systems anzugreifen planten, konnten gleichermaßen jene ausgebauten Kommunikationsformen und auch die Öffentlichkeit gezielt nutzen. Der Begriff Spion ist aus dem ahd. spehon (spähen) entstanden.91 Die Nebenform des „spechen“ für „scharf und forschend ausblicken, kundschaften“ hat auch die Substantivierung als „amtspech“ herbeigeführt, die eine von der Obrigkeit veranlasste Auskundschaftung bedeutet.92 Schon 1553 wurde ein etymologischer Zusammenhang zwischen dem Spechtvogel und dem Ausspähen vermutet, die auf die Weissagungspraxis der Germanen zurückgehen soll, aus dem Vogelflug die Zukunft vorherzusehen.93 Jakob Grimm bezweifelte einen solchen Zusammenhang und verweist wie auch andere auf die scharfe Sehkraft des Vogels, der in tiefen Baumrinden Insekten erspäht. Interessanterweise wird auch die lateinische Form des „picus“ (Specht) in unmittelbarer Nähe zu „pica“ (Elster) diskutiert, während andere Etymologen dies mit „pingere“ (malen) und dem

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„Conspiration“ in: Zedler, Bd. 6, S. 534. Zum Forschungsstand vgl. Zwierlein, De Graaf 2013. Zwierlein, De Graaf 2013, S. 15. Vgl. „Spion“, in: Grimm 1864–1960, , Bd. 16, Sp. 2552. „spech“ und „spechen“, in: ebd., Sp. 2025. Vgl. „Specht“, in: ebd., Sp. 2026.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

stark gezeichneten und bunten Federkleid beider Vögel begründen. In jedem Fall hat die Picus-Sage aus Ovids „Metamorphosen“94 dazu geführt, dass in der Bildikonographie der Specht und die Elster als Symbole für die Spionage Eingang gefunden haben.95 Kundschaften waren im 16. Jahrhundert Handwerkerpässe. Allmählich erfolgte eine Bedeutungsübertragung der reisenden Gesellen, die mit Kundschaften unterwegs waren, hin zu den von ihnen gemachten Beobachtungen, die zunehmend als „Kundschaften“ im Sinne von Nachrichten verstanden wurden. Von der Tätigkeit des Auskundschaftens, besonders zu Kriegszeiten, rührt die lateinische Variante des Explorators her. Im Sinne des Spähers nannten die Zeitgenossen die Kundschafter auch Anzeiger und Ansager.96 Als Spion definierte Zedler jemanden, der „auf eines andern Thun und Lassen heimlich und ihm zum Schaden Achtung giebet; anderns derjenige insbesondere, der heimliche Kundschafft von dem Feinde einbringt, oder dem Feind verräth“, wobei die Doppelspione am ärgsten seien.97 Die meisten Spione handelten im Auftrag und wurden angeworben. Nur in seltenen Fällen sammelte jemand, der beispielsweise als Kanzlist an der „Quelle“ saß, blindlings Nachrichten und bot sie selbst dem Feind an, um Geld zu verdienen. Bereits für das Spätmittelalter ist belegt, dass Spione versuchten, sich Zugang zu den Inhalten politischer Briefe zu verschaffen und diese kopieren zu lassen.98 Infolge der Nachstellungen musste die eidgenossenschaftliche Versammlung ihre Briefe teilweise als Liebesbriefe tarnen und berief 1500 eine Sondersitzung ein, um zu klären, wie man die „Lägerherren […] loswerden möge“.99 Die Überfälle auf Gesandte mit gültigem Geleitsschutz durch einen Geleitsbrief waren im Mittelalter „durchaus häufig“, so dass die Fürsten sich verpflichteten, Schadensersatz an die Betroffenen zu zahlen, weil sie deren Sicherheit kaum garantieren konnten.100 Beispielhaft sei hier erwähnt, dass der niedersorbische Dichter Johannes Bokatius als Rektor von Kaschau 1599 vom ungarischen Fürsten Bocskaj zur Verständigung mit den protestantischen Fürsten nach Deutschland gesandt wurde. Als er ohne kaiserliches Geleit aufgegriffen wurde, verhaftete ihn Herzog Heinrich Julius von BraunschweigLüneburg als Spion und übergab ihn Kaiser Rudolf II., wo er fünf Jahre im Weißen Turm zu Prag verbringen musste.101 94

Picus war der römische Gott des Feldes und des Waldes und besaß eine Gabe der Weissagung. Der Specht ist der heilige Vogel des Mars. Im 14. Buch der Metarmorphosen war Picus mit der Nymphe Canens verheiratet und wurde von Circe in einen Specht verwandelt, als er sie verschmähte und lieber seiner Frau treu bleiben wollte. In einer alternativen Tradition, der Vergil in seiner Aeneis folgt, war Picus mit Circe verheiratet. Vgl. Philipps, C. Robert: „Picus“, in: Der neue Pauly, Band 9, Stuttgart 2000, Sp. 1008. 95 Vgl. hierzu das Kapitel „Bildquellen“, S. 61. 96 „Kundschafter“, in: DRW, Bd. 8, Weimar 1991, Sp. 100. 97 „Spion“, in: Zedler, Bd. 39, S. 61. 98 Vgl. Würgler 2003, S. 307 f. 99 Ebd., S. 308. 100 Kintzinger 2003, S. 348. 101 Seine Frau schlich sich angeblich als Köchin ein und korrespondierte mit ihrem Mann durch in Brot gebackene Briefe. Schließlich kam er wohl mit einem eingebackenen Strick frei. Vgl. Bülau 1850, S. 401 ff.

1.2 Begriffe im zeithistorischen und aktuellen Verständnis

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Verrat an den Feind gilt gemeinhin als Landesverrat. Nach heutigem Verständnis versteht die Justiz (§ 9 StGB) darunter die Weitergabe oder Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen und Nachrichten, die die öffentliche Sicherheit gefährden, während Hochverrat Treuebruch gegenüber dem Staat beinhaltet.102 Demgegenüber beging in der Frühen Neuzeit jemand Hochverrat, der „aus feindlichem Gemüte“ etwas zum Schaden der Regierung unternahm oder verschwieg.103 Dazu gehörten Teilnahme an Kriegshandlungen gegen das eigene Land, Systemsturz oder Mord am Herrscher. Der Hochverrat richtet sich demzufolge gegen den inneren Bestand eines Landes, der Landesverrat bedroht hingegen die äußere Sicherheit. An dieser Unterscheidung hat sich seit dem 18. Jahrhundert nichts geändert. Weit verbreitet ist die Gleichsetzung von Geheim- und Nachrichtendienst. Sie ignoriert allerdings, dass mit dem Begriff des Geheimdienstes alle staatlichen Organisationen bezeichnet werden, die politische Gegner im In- und Ausland aktiv beeinflussen, während Nachrichtendienste nur zur Sammlung und Auswertung von Informationen dienen.104 Hier ist bereits die Trennung in aktive und defensive Arbeit ersichtlich, auf die später noch zurückzukommen sein wird. Die Einrichtung eines ständigen Geheimdienstes wurde bereits vor Beginn des 17. Jahrhunderts von Politiktheoretikern thematisiert.105 Der Fürst müsse genaue Kenntnis von der Meinung der Untertanen haben und auch auf die ständige Bedrohung seitens der Feinde vorbereitet sein. Der politische Druck wuchs parallel mit der Mächte-Rivalität, so dass die Beobachtung zugleich dazu diente, im europäischen Wettbewerb der Fürsten mithalten zu können. Die Spionage diente dazu, politische selbsterhöhende Träume und Visionen wahr werden zu lassen. In der Frühen Neuzeit kann das moderne Verständnis eines Nachrichtendienstes nur partiell greifen. Eine zielgerichtete, zentral gesteuerte und von Arbeitsteiligkeit geprägte Informationssammlung und -auswertung ist beispielsweise beim „Cabinet noir“ des Kardinal Richelieu, beim Secret Service unter Sir Francis Walsingham, in der Wiener Ziffernkanzlei und sächsischerseits bei der Herzogin von Rochlitz und dem Grafen von Brühl anzutreffen. Der Begriff des Maulwurfs für untergründlerische Arbeiter wird in Grimms Wörterbuch mit der Erwähnung bei Theodor Mommsen in Verbindung gebracht, der die gegen Pompejus gerichteten Umtriebe als „maulwurfsthätigkeit“ bezeichnete.106 In Frankreich gelten „taupes“ als clandestine Agenten, die in einem Ministerium oder in der Administration eingeschleust sind und beste Informationen liefern können.107 Außerhalb von hochrangigen Einsatzplätzen, mitten in der Bevölkerung, wurden Spione „mouches“, 102 Vgl. Höfling 1989, S. 43. 103 „Hochverrat“, in: Zedler, Bd. 13, Sp. 318. 104 Vgl. König, Marco: Trennung und Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten (= Schriften zum Recht der inneren Sicherheit. 7), Stuttgart, München, Hannover u. a. 2005, S. 24. 105 Vgl. Weber 2008, S. 272; Pelzhoffer 1710, S. 247, 511, 556; Keckermann, Bartholomäus: Systema disciplina politicae, 1616, S. 167, 306 ff.; Reinhard 1702, S. 1452 ff. 106 Vgl. „Maulwurf “, in: Grimm, Bd. 12, Sp. 1813 mit Verweis auf Mommsen, Theodor: Römische Geschichte, Bd. 3, 1856, S. 183. 107 Vgl. „Taupe“, in: Aumale, Faure 1998, S. 430.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

also Fliegen genannt, da sie wie Fliegen an den Wänden des Cafés säßen und still zuhörten.108 Dementsprechend ist ein Buch, das als heimlicher Ratgeber für Räte und Militärs angekündigt wurde, unter dem Pseudonym „Mouchemberg“ veröffentlicht worden.109 Auch der Spitzel hat einen Bezug zur Tierwelt. Da die gleichnamige Hunderasse als besonders wachsam gilt, prägte sich Anfang des 19. Jahrhunderts die Verkleinerungsform für „Spitz“ für „Aushorcher“ heraus.110 Ein Gegenspion hat die Aufgabe, Spione zu entlarven oder ihnen zuvorzukommen.111 Ein „Agent provocateur“ ist ein Gegenspion, der in eine Gruppe von Spionen eingeschleust wird und diese zu kriminellen Akten animiert, auf deren Grundlage die Gruppe verhaftet werden kann. Der Begriff des Agenten hat in der Frühen Neuzeit eine andere Semantik besessen, die nicht zwangsläufig geheimdienstliche Tätigkeit beinhaltete. Vielmehr galt der Begriff für einen Amtsträger oder Vertreter, der zeitlich begrenzt auswärts im Sinne des Auftraggebers handelte und korrespondierte und auch einen niedrigen diplomatischen Rang haben konnte.112 Der erste für Kursachsen tätige so bezeichnete „Agent“ war Hans Zeidler in Wien, der auch den Decknamen „Hoffmann“ führte.113 Mit der Konnotation des heimlichen Kundschafters wurde der Agentenbegriff parallel ab Mitte des 17. Jahrhundert verwendet, allerdings ungleich seltener als der Begriff „Spion“. Sekretäre hatten bisweilen heimlich mehrere Agentschaften inne, bekamen also von verschiedenen Dienstherren für ihre Arbeit Geld. Diese inoffiziellen „Mehrfachloyalitäten“114 im heutigen Sinne einer Agentur wurden jedoch von dem Dienstpersonal nicht vordergründig eingegangen, um Spionage zu betreiben, sondern um einen Nebenverdienst durch mehrfachen Verkauf ihres Wissens zu erlangen. Insofern waren sie für den direkten Dienstherrn als Kanzlist o. ä. angestellt und wurden zugleich als Informanten von anderen ausgenutzt. Ihnen wurde Anonymität zugesichert, die sich in allgemeinen Formulierungen über sichere Quellen oder vertrauenswürdige Leute wiederfand. Auf die Anonymität mussten sich die Informanten verlassen können, da Spionage und Beihilfe aus staatserhaltenden Gründen unter Strafe stand. Über die Gefährlichkeit, als potentielle Spione entlarvt zu werden, waren sich die risikobereiten Hofangestellten sehr wohl bewusst und legten in den Verhören Wert darauf, dass sie in erster Linie Kanzlisten in Geldnot seien und keineswegs gegen ihren Herrn agieren wollten. Heutzutage unterscheidet man gekaufte Agenten an einflussreichen Positionen, infiltrierte Agenten, Schläfer, Doppelagenten mit Mehrfachloyali108 109 110 111 112

113 114

Vgl. Burke 2000, S. 156. Vgl. Mouchemberg 1645. Vgl. „Spitzel“, in: Grimm, Bd. 16, Sp. 2597. Vgl. „Counterspy“, in: Buranelli, Buranelli 1982, S. 72. Vgl. „Agent“, in: Zedler, Bd. 1, Sp. 769; „Agent“ in: Köbler, Gerhard: Deutsches Etymologisches Wörterbuch, Tübingen 1995, S. 9. Der kursächsische Resident Emanuel Wille wurde in einem Jahr als Resident, im nächsten Jahr als Agent bezeichnet. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8246/4; Loc. 8248/1; Parma 2013, S. 149; Müller 1997, S. 100 f. Vgl. SächsHStA, 10024 GR (GA), Loc. 8239/1. Johanek 2003, S. 373.

1.3 Methoden und Problematik der Erforschung von Geheimdiplomatie

35

tät, clandestine Agenten mit Doppelidentität einer dritten Nationalität, den Agenten provocateur, der gesetzeswidrige Handlungen provozieren soll, den Agenten für Falschinformation des Gegners und den einfachen Agenten.115 Die seit dem 18. Jahrhundert so genannten „Abgefangenen Briefe“ hießen in der latinisierten Schreibweise der Unterbrechung von Kommunikation im 17. Jahrhundert Interzepte bzw. „intercipierte Schreiben“. Im Schmalkaldischen Krieg stand hingegen der Akt des Überfalls auf den Boten im Vordergrund, so dass dieselbe Quellensorte unter dem Begriff „niedergeworffene Boten“ aufzufinden ist. Im Siebenjährigen Krieg, etwa 200 Jahre später, wurden die Interzepte unter der Bezeichnung „Abschriften aufgefangener Briefe“ archiviert. Es ist somit bei den Akteuren ein Bewusstseinswandel von der personellen Ebene hin zur materiellen Ebene festzustellen. Die Methode, an fremde Briefe heranzukommen, trat in den Hintergrund, während das Ergebnis, feindliche Post zu besitzen, betont wurde. Im Zusammenhang mit Arkanpolitik wurden häufig außerordentliche Gesandte beauftragt. Der um 1700 gängige Begriff der Gesandtschaften schloss Botschafter bzw. Ambassadeure, Residenten und Envoyes ein, die hauptberuflich einer diplomatischen Tätigkeit nachgingen. Prokuratoren und Faktoren hingegen betrieben Vertretungen nur im Nebenverdienst.116 Nachdem dieser Überblick zur Begriffsgeschichte deutlich gemacht hat, auf welche historischen Semantiken bei der Quellenkritik Rücksicht genommen werden muss, kann eine Analyse des Phänomens erfolgen. 1.3 Methoden und Problematik der Erforschung von Geheimdiplomatie Angesichts mangelnder Studien über die vorindustrielle, klassische Geheimdiplomatie ist es notwendig, existierende Ausführungen für die Praktiken im 20. Jahrhundert für den frühneuzeitlichen Kontext zu transformieren.117 Selbstverständlich sind auch die Methodenprobleme eines vormodernen Beobachtungsfeldes teilweise andere als jene, die sich Historikern der Gegenwartsgeschichte unter den Intelligence-Forschern stellen. Diese Untersuchung richtet in doppelter Hinsicht den Blick auf die zweite Reihe: der Schritt zurück weit hinter den Monarchen, um möglichst viele der an den Entscheidungen Beteiligten zu sehen, und der Schritt auf die Ebene der Schwellen- und Mittelmächte. Es ist ein Blick in die Randzone der Politik der Großmächte, die dennoch organisiert und reflektiert wurde und deshalb Quellen hervorbrachte. Die absichtsvolle Exklusion anderer Personen hat leider auch zur Folge, dass die Geschichtswissenschaft 115 116 117

Vgl. „Agent d’influence“, „Agent de Pénétration“, „Agent dormant“, „Agent double“, „Agent clandestine“, „Agent provocateur“, „Agent retourné“, „Agent simple“, in: Aumale, Faure 1998, S. 15–18. Vgl. Legutke 2010, S. 90. Beispielhaft vgl. Johnson 2007a, S. 5 ff.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

sich über die Grenze des Geheimen hinein in die Sphäre des kaum Verschriftlichten, Verdeckten und Verschlüsselten, in dunklen Andeutungen Kommunizierten und mit Täuschung und Tarnung Versehenem vortasten muss. Der Historiker ist gleichsam ein Ausgeschlossener, der sich über das Wissensverbot hinwegsetzt und die Quellen ausleuchtet. Dabei hat er zahlreiche Perspektiven einzunehmen, denn in dem Themengebiet begegnen sich mehrere Antagonismen: Geheimnis und Öffentlichkeit, die Differenzierung zwischen Eigenem und Fremdem, der Gegensatz von Wahrheit und Lüge, richtige Perzeption und Fehlwahrnehmung. Zugleich offenbart sich eine Situation in mehreren Schichten, da Personen Mehrfachidentitäten besaßen, Parallelwelten aufgebaut wurden, offizielle und inoffizielle Beziehungen parallel bestanden und zugleich das Bewusstsein vom Wissen Anderer die Lageeinschätzung beeinflusste. Um diesen komplizierten Sachverhalt nachzuvollziehen, ist eine systematische Herangehensweise unverzichtbar. Nachdem sich institutionelle Flächenstaaten konstituiert hatten, transformierte sich die Herrschaftsordnung und richtete sich an der Territorialität aus.118 Die in der Forschung diskutierten Positionen zum „Motor“ der politischen Ratio und Staatsbildung divergieren stark und stellen einmal die Diplomatie ins Zentrum, ein andermal die Patronage. Unzweifelhaft bestimmte der Aktionsradius der politischen Akteure vom Sekretär bis zum Fürsten unter den jeweiligen zeremoniellen, sozialen und hierarchischen Bedingungen die (geheim-)politischen Möglichkeiten. Die Vernetzung der gelehrten Diplomaten ist im Kontext der Verflechtungsanalyse zu betrachten und dabei eine Abgrenzung zwischen Vernetzung, Patronage- und Korruptionsbeziehungen vorzunehmen. Im Zentrum der Geheimdiplomatie steht das Wissen. Durch Inklusion und Exklusion entschieden die Akteure über Wissensstand und -verbreitung sowie Zugang zu oder Ausschluss von Wissensgesellschaften. Der Einbezug und Ausschluss von Mitlesern und -wissern ist besonders in Fällen von Chiffrierung und Steganographie deutlich sichtbar. Oftmals sind es trianguläre Relationen, auf denen die geheimen Netzwerke im Wesentlichen beruhen (Grafik 3). Wenn die Korrespondenzpartner A und B miteinander vertrauliche Informationen austauschen und die Postroute über das Territorium der Gegenpartei C verläuft, werden beide die Post steganographisch oder kryptographisch vor C geheimhalten. Diese Partei jedoch ist am Inhalt der Briefe interessiert und wird versuchen, zu interzipieren, zu dechiffrieren und zu spionieren, um die Exklusion zu überwinden. Hier ist die von Georg Simmel beschriebene Interaktionstriade des Geheimnisses und die Spannung dieser Beziehung in der Praxis nachweisbar.119 Michael Warner formulierte als grundlegende Methode der Intelligence Studies: „drafting of a reliable chronology for the activity or organization under scrunity“.120 118 Vgl. Press 1989. 119 Vgl. Simmel 1908a. 120 Warner 2007, S. 24.

1.3 Methoden und Problematik der Erforschung von Geheimdiplomatie

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Grafik 3: Trianguläre Relation

Neben der Chronologie ist die Erforschung der organisatorischen Hierarchie mit ihrer Kontroll- und Kommandostruktur wesentlich. Ein Kriterienkatalog hilft, Ereignisse mit ihren Merkmalen einzuordnen. Einbezogen sind die verschiedenen Ausprägungen auf persönlicher, sozialer sachlicher und politischer Ebene sowie Handlungsoptionen und Folgewirkung. Tabelle 3: Multiperspektivität der Betrachtung von Überlieferungsfällen Rahmenbedingungen

Innenperspektive der beteiligten Personen Aktivität der beteiligten Personen

Folgen

Politische Lage Relevanz der Inhalte Interessen und Ziele Theoretische Handlungsoptionen Zahl der Auftraggeber, Beteiligten und Mitwisser Beziehung der (unmittelbar und mittelbar) beteiligten Personen zueinander Souveränität der Handelnden Bewusstsein geheimer Vorgänge Bewusstsein der Folgen der Handlung Reflexion des Handelns Anderer Misstrauen und Verdacht gegenüber Anderen Kenntnis der Außenperspektive (Fremdperzeption) Gewissen und Verantwortung Nützlichkeit für die Erreichung eigener Ziele Vermeidung von öffentlicher Wahrnehmung Wahrheitssuche/Entlarvung Geheimnis/nicht öffentlich ausgeführte Handlung Manipulation der Öffentlichkeit Falschinformation Interpretation und Fehlinterpretation Handlungsmuster (Aktionismus vs. Zurückhaltung) Nachhaltigkeit und Wirkungskreis Schadenspotential für verschiedene Personengruppen Handlungsalternativen Einfluss auf die Perzeption Anderer Beitrag zum Fortschritt/Erfolg Veränderung der Position: Abhängigkeit, Stabilität, Versetzung usw.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

Somit erfolgt die Untersuchung eines Spionagefalles von verschiedenen Seiten. Zugleich kann herausgearbeitet werden, wodurch bestimmte Entscheidungen und Handlungen beieinflusst wurden und welche Ergebnisse davon ausgingen. Die Arkanpolitik bediente sich sowohl Schrift- wie auch Mündlichkeit und Bildsprache, was sich u. a. in der Vielseitigkeit von dunklen Andeutungen, Metaphern oder Propagandazeichnungen ausdrückt. Die Besonderheit der Sprachebene in diesem Kontext kommt z. B. darin zum Ausdruck, dass Wissensträger mit Festungshaft buchstäblich zum Schweigen zu bringen waren, in Kanzleien heimlich etwas abgeschrieben wurde, chiffrierte Schreiben mehr oder weniger lesbar waren und mündliche Informationsübermittlung die Geheimhaltung garantieren sollte. Es bestand eine Spannung zwischen Gesagtem und Ungesagtem, Verdächtigungen, Leugnungen und Misstrauen einerseits und Geständnissen und schriftlichen Beweisen andererseits. Die Geheimdiplomatie war in eine soziale Evidenz überführt und ist vielfach auffindbar,  allerdings im Verborgenen. Die Quellenlage ist in dieser Hinsicht sehr kompliziert. Wurde ein Soldat zu einer Mission abberufen, sind dessen Spuren kaum schriftlich überliefert, denn bei heiklen Unternehmungen wurden Aufträge und Berichte meist mündlich kommuniziert. Das galt besonders an der Front, um dem Feind keine Gelegenheit zu geben, Hinweise auf Spionage, Diversion und Sabotage aus abgefangenen Briefen oder entwendeten Papieren der Kriegskanzlei zu erhalten – „nam littera scripta manet“.121 Um praktizierte Geheimdiplomatie nachzuweisen, muss die Suche nach Spionen stets von der Gruppe ausgehen, die von der Spionage betroffen ist. Allerdings kommt erschwerend hinzu, dass Spione oder korrupte Hofangestellte oft Mehrfachidentitäten bzw. Decknamen verwendeten. Zudem ist meist von Spionage nur dann eine Spur auffindbar, wenn sie gescheitert ist und der Spion oder Gegenspion entlarvt wurde. Sehr selten sind Erwähnungen in vertraulichen Briefen über laufende oder geplante Missionen. Nach Kriegsende haben in ihren Kriegserinnerungen manche Generäle oder Fürsten sich der erfolgreichen Spionagemethoden gebrüstet. Jedoch ist bei dieser Quellensorte größte Vorsicht geboten, da es sich vielfach um subjektive und schönfärberische Beschreibungen und Selbstrechtfertigungsschriften handelt. Des Weiteren ist die Quellenlage für Thüringen sehr dünn, da sich für Fürsten der Einsatz von Methoden der Geheimdiplomatie nur ab einer gewissen außenpolitischen Bedeutung lohnte. Somit erklärt sich, warum für die kleinen Mittelstaaten selbst in Kriegsereignissen kaum Nachrichten über Geheimschriften, Spione, Interzeption usw. aktenkundig sind. Hingegen hat die kursächsische Diplomatie im Zuge der Sächsisch-Polnischen Union die Intelligence zu einer Blüte geführt, da August II.

121

ThStAG, GA, WW Nr. 6, Hofrat Zapf an Hofrat Thumbshirn, Leipzig 4. Mai 1704, f. 130.

1.3 Methoden und Problematik der Erforschung von Geheimdiplomatie

39

und August  III. im Zentrum großer internationaler Konflikte standen. Die politische Lage machte geheime Techniken in so großem Maße notwendig, dass umfängliche Bestände zur  Überlieferung gelangt sind. Insofern ist bei der Betrachtung des sächsisch-thüringischen Raumes eine Schieflage zu Gunsten der Albertiner nicht zu vermeiden. Methodisch bietet sich für das Thema die wissenschaftliche Netzwerkanalyse und eine statistische Aufbereitung der Daten an, um eine „Geographie des Wissens“ entstehen zu lassen. Die soziale Netzwerkanalyse hat bei Georg Simmels Untersuchung von Beziehungen zwischen Menschen und ihren Wechselwirkungen in Gruppen ihren Ursprung.122 Mit dem Durchbruch der Strukturalisten um Harrison White entwickelte sich die Netzwerkanalyse zu einer Methode der empirischen Sozialwissenschaft, um Netzwerke zu erforschen.123 Seit 2009 nimmt sich eine Forschergruppe um Marten Düring der Adaption der Methode für die Geschichtswissenschaft an, die in der Fachwissenschaft zunehmend Anwendung findet.124 Die (vermeintlichen) Geheimorganisationen beruhten auf oft grenzüberschreitenden und transkulturellen Netzwerken für Nachrichtenaustausch, Infrastruktur, Propaganda usw. Angesichts der vielfältigen Kontexte von Netzwerken und ihrer Begrifflichkeit als historisches Phänomen wie als Metapher ist eine „unbedingte Flexibilität dieser Denkfigur“ vonnöten.125 Im Zusammenhang mit Informationstransfer ist die Kontaktierbarkeit gleichsam soziales Kapital, und jeder Kontakt kann als eine Ressource gelten.126 Die Stärke einer Beziehung bemisst sich an Dauer, Frequenz, emotionaler Intensität, Intimität sowie dem Austausch von Leistungen.127 Im vorliegenden Kontext können diese Leistungen materieller Art (Geld, Geschenke) und immaterialler Art (Informationen, Vertrauen) sein. Um das situative Potential von Netzwerken im Kontext von Geheimdiplomatie adäquat beschreiben zu können, sind die von Wolfgang Reinhard angeführten Kategorien128 anzupassen. Als Verflechtungskategorien können angeführt werden: – Vertrauen, das sich in Mitwisserschaft, Informationsteilhabe, weitreichenden Befugnissen und einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit spiegelte – Zweckdienlichkeit, die Dauer und Intensität von Beziehungen steuerte und sich an Position, Profession, Kenntnisstand, Verfügbarkeit und Handlungs- bzw. Einflussmöglichkeiten bemaß

122 Vgl. Jansen 2006, S. 47. 123 Vgl. White, Harrison C.: Identity and control. A structural theory of social action, Princeton 1992. 124 URL: http://www.historicalnetworkresearch.org; Sonderausgabe „Netzwerkanalyse und Geschichte“, in: Zeitschrift für österreichische Geschichtswissenschaft, 23 (2012), H. 1. 125 Cvetkovski 2012. 126 Vgl Stegbauer 2008a, S. 19 f. 127 Vgl. ebd. 128 Freundschaft, Landsmannschaft, Patronage und Verwandtschaft. Vgl. Reinhard 1979, S. 36.

40 –

1. Der dunkle Gang der Geschichte

Patron-Klient-Verhältnis, das eine asymetrische Machtbeziehung zwischen Wissensträger und Mangelinformiertem beinhaltet, die auch umgekehrt zur sozialen Hierarchie gestaltet sein kann

Ausgehend von chiffrierten Quellen über Spione lassen sich die Themen, Personen und Orte kategorisieren und grafisch auswerten. So können regionale, personelle oder thematische Schwerpunkte, Scharnierpositionen oder Isolationslagen herausgearbeitet werden. Grafisch aufbereitet werden die Daten u. a. in Grafiken, Tabellen, Diagrammen, Netzwerkdarstellungen oder Koordinatensystemen. Mit Hilfe von Netzwerkanalyse und Soziogrammen ist eine Verdeutlichung komplizierter Beziehungslagen möglich. Parallel verlaufende Stränge offizieller und inoffizieller Beziehungen in Netzwerken lassen sich übersichtlich darstellen. Allerdings ist vor einer Überschätzung der Möglichkeiten zu warnen, da evolutionäre Prozesse nur bedingt darstellbar sind.129 Da sich Netzwerke als Nebenprodukt sozialen Handelns bilden, handelt es sich bei Spionage und Informationspolitik eindeutig um soziale Netzwerke: Als typisch für Netzwerke gelten eine relative Gleichrangigkeit und Autonomie der Akteure, eher horizontale als vertikale Beziehungen und die vertrauensvolle Kooperation der Akteure. Die zentralen Fragen sind, unter welchen Bedingungen diese netzwerkartige Kooperation zwischen den Akteuren möglich ist, wie Vertrauen aufgebaut und stabilisiert werden kann.130

Meistens bestand das Spionagenetz aus einer genau definierten Menge von Akteuren, was sie als soziale Netzwerke ausweist.131 Die Interaktion wird in verschiedenen Formen von Verlaufsnetzwerken dargestellt, wobei nur Personen und Beziehungen visualisiert sind, die a) im Kontext des Einzelfalles eine Funktion oder Rolle innehatten und b) zum Verständnis des thematisierten Falles notwendig sind. Quellenbasis der Graphen ist in jedem Fall eine Datenbank mit den erfassten Metadaten aus den zitierten Archivalien. Zum Verständnis der Netzwerkdarstellungen ist an dieser Stelle eine kurze Einführung in die Begriffe der Graphentheorie erforderlich.132 Innerhalb der abstrakten Struktur eines Netzwerkes wird von „Knoten“ und „Kanten“ gesprochen, die die einzelnen Punkte und deren Verbindungslinien darstellen. Wenn eine Beziehung eine klare Richtung aufweist, z. B. bei einseitiger Kommunikation, wird die Kante mit einem orientierenden Pfeil versehen und von einem „gerichteten Graphen“ gesprochen. Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit sind die Knoten- und Kantenattributte angepasst und einheitlich dargestellt worden, wie die untenstehende Legende ausweist.

129 130 131 132

Vgl. Hertner 2011, S. 77 f. Jansen 2006, S. 12; Liepelt 2008, S. 21. Vgl. Trappmann, Hummel, Sodeur 2005, S. 14. Vgl. Diestel, Reinhard: Graphentheorie, Berlin 2010.

1.3 Methoden und Problematik der Erforschung von Geheimdiplomatie

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Tabelle 4: Legende zu den grafischen Darstellungen offizielle Kommunikation geheime Kommunikation explizit mündliche Kommunikation weitere geheime Kommunikationsbeziehung in Unabhängigkeit zur ersten rekonstruierter Kontakt intendierte Weitergabe gerichteter Graph Gerichtetheit unsicher Konflikt/Opposition zwischen Akteuren

Wenn bestehende Lücken im Netzwerk durch Kombination ergänzt wurden, werden sie durch eine punktierte Linie hervorgehoben. Da die Netzwerkdarstellungen nur auf der Basis der überlieferten Quellen beruhen, stellt jede Netzwerkvisualisierung einen Ausschnitt der tatsächlich existierten Beziehungen dar. Zusätzlich sind weitere Markierungen zu nennen: Die Stärke der Kanten stellt die Intensität des Kontaktes dar, während die Knotengröße auf die Hierarchieebenen abhebt. Die Entfernungen zwischen den Akteuren können, wenn nicht geographische Entfernungen zu Grunde liegen, auch Hinweise auf die Nähe oder Ferne der Akteure zueinander liefern. Die Färbung der Label unterscheidet die einzelnen Gruppen innerhalb eines Falles. Somit ist mit den Methoden der Netzwerkanalyse eine Vielzahl von Aussagen über die Graphen möglich. Die Kriterien für die Zuschreibung eines Kontakts als „geheim“ oder „offiziell“ lehnen sich an den Katalog im Kapitel zur Systematik der Geheimdiplomatie an. An dieser Stelle sei auch auf das methodische Problem der Gefahr der Interpretation aus der ex-post-Perspektive hingewiesen. Auf der Suche nach einem Muster der Geheimdiplomatie ist zu vermuten, dass dieses Muster – also die Konzentration verdeckter Operationen – bereits sichtbare Orientierungen der Politik nachzeichnet. So ist in der für Sachsen bedrohlichen Feindschaft mit Preußen im 18. Jahrhundert wahrscheinlich eine erhöhte Nervosität am Dresdner Hof vorhanden gewesen, was die Ausrichtung der Geheimdiplomatie auf preußische Vorgänge erwarten lässt. Andererseits weisen die Anwendungsbeispiele eine Streuung auf, die deutlich macht, dass man sich in der Politik um ein breites Sichtfeld bemühte und geheime Maßnahmen nicht nur gegenüber erklärten Gegnern anwandte, sondern auch zur Kontrolle von anderen Höfen und zur Vorbereitung politischer Projekte. Es sind besonders die Fälle von gescheiterter Politik oder nicht zu Ende geführten Verhandlungen von Interesse, um den offenen Ausgang historischer Ereignisabläufe darzulegen. Die Zeitgenossen zogen auch heute unwahrscheinlich und abstrus erscheinende Möglichkeiten ernsthaft in Erwä-

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

gung.133 Gleichfalls kommt mehrfach die psychologische Komponente der Politik zur Sprache, da der Einfluss des Persönlichen auf den Geschichtsverlauf in der Diplomatie nicht unterschätzt werden darf. Geschichte als menschliches Handeln in der Vergangenheit impliziert auch menschliche Fehler, die sich im Kontext der Geheimdiplomatie besonders gravierend auswirken und deshalb mehr als nur Fußnoten verdienen. Der Charakter unterschiedlicher Persönlichkeiten, die in der Politik aufeinandertrafen, nahm mitunter auf die Informationsverarbeitung so großen Einfluss, dass der Ereignisverlauf eher von seelischen Antriebskräften (Begierden, Wünschen, Emotionen) als von kühler Intelligenz gesteuert wurde. Insofern bestätigt sich die Notwendigkeit, in die Untersuchung der Art und Weise, wie Informationen verarbeitet und interpretiert wurden, auch die psychologische Perspektive einzubeziehen. Dabei muss die Balance gewahrt werden, um nicht in eine Überinterpretation zu verfallen. Im Kontext der aktuellen Debatte um eine „internationale Kulturgeschichte“ bzw. einen „cultural approach“ in der Diplomatiegeschichtsforschung entspricht das zu behandelnde Thema in mehrfacher Hinsicht den geforderten neuen Perspektiven und einer Verbindung von Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft.134 Einerseits kommen bei der Erforschung der Kommunikationswege und deren Nutzung die kulturellen Einflüsse politischer Strategien zum Tragen, andererseits werden Institutionen frühneuzeitlicher Machtpolitik in ihren Prozessen vorgestellt. Die Kosten eines Agentennetzwerkes und der Einbezug der Gesellschaft lassen Fürst und Untertanen nicht mehr als Gegensatzpaar erscheinen, sondern vielmehr deren gegenseitige Wahrnehmung und Inanspruchnahme feststellen. Somit kommen die Formen, in denen politische Entscheidungen erwogen und gefällt wurden, zum Vorschein, und es stehen nicht nur die Inhalte im Blickpunkt. Ausgehend von den Akteuren, ihren Aktionsformen, diskursiven Strategien und Sprachformen erscheint die Geheimdiplomatie als Element der politischen Kultur. Die politische Dynamik in Form von Konflikten im Rahmen der Bedingtheiten zu erklären, folgt der „Neuen Politikgeschichte“, die nach Grenzen des Wiss- und Sichtbaren in politischen Räumen fragt und auch die Wechselwirkung von Inszenierung und politischem Handeln in den Blick nimmt.135 Bei Betrachtung der Männer aus der zweiten Reihe (Geheime Räte, Minister, Gesandte) und der kaum sichtbaren Beteiligten für Sonderaufgaben (Chiffreure, Kanzlisten, Spione, Informanten, Sondergesandte, Unterhändler, Abenteurer) entsteht eine Perspektive der dezentralisierten Politik. Um Entscheidungen nachvollziehen zu können, muss die Forschung die begrenzte Gruppe im Zirkel der Macht, bestehend aus wenigen Entscheidungsträgern, auf die Zuträger und ausführenden Kräfte erweitern, 133 134 135

Vgl. Ulbert 2010, S. 293 f. Vgl. Marcowitz 2005, S. 84. Zur These von Akira Iriye über die internationalen Beziehungen als interkulturelle Beziehungen vgl. Lehmkuhl 2001, S. 409 f. Vgl. Haupt 2005.

1.4 Forschungsstand

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da diese Personen wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung und Realitätswahrnehmung genommen haben. Die Ritualisierung der Politik hinsichtlich des Einsatzes von Kryptologie und Spionage blieb bis jetzt allerdings ein Desiderat der Forschung. Die Kommunikation im Milieu des politischen Untergrundes verdient eine mehr als periphere Behandlung und ist durch die Arbeit des Forschungszentrums Gotha auf die Bühne der Forschung gerückt worden.136 Die Kommunikation unter Abwesenden ist jüngst auch mit Hinblick auf die Abwesenheit der tatsächlichen Identität thematisiert worden, wobei der Brückenschlag von der Kommunikationsgeschichte zur Politikgeschichte nur ansatzweise gelang.137 Die vorliegende Fallstudie zur Geheimdiplomatie rührt indes an den Fragen der Neuen Politikgeschichte, die sich zur Aufgabe gemacht hat, frühere Zeiträume unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, welche Vorstellungen des Politischen jeweils kursierten […] welche Verhaltensweisen als politisch wahrgenommen wurden und welche nicht […] Machtbeziehungen zu entdecken, Ein- und Ausschlussregeln zu identifizieren […] und vor allem aber danach zu fragen, in welchen Medien und unter welchen Kommunikationsstrukturen Soziales, Ökonomisches, Religiöses, Kulturelles, Moralisches in Politisches transformiert wird und wie die Grenzen der Transformierbarkeit bestimmt werden – […] in den Modalitäten und Mechanismen von Grenzziehungen.138

Perzeptionsfragen, Praktiken und Kommunikation des Politischen sind Kernpunkte der vorliegenden Arbeit. Bezüge zu geheimen Methoden in der Politik haben sich u. a. auch in der zeitgenössischen Malerei, Schriftstellerei und Architektur erhalten. Indem diese Perspektiven in die Untersuchung einbezogen sind, spannt sich ein Bogen zwischen der handlungsleitenden Dimension des Kulturbegriffs139 und der Freilegung von Hintergründen historischer Entscheidungen. Es geht um den „Nachweis der äußeren wie inneren Bedingungen und Bedingtheiten außenpolitischen Handelns und internationaler Beziehungen“.140 Das internationale System erscheint angesichts der vielfältigen Einflüsse, von denen Politik geprägt war und ist, weniger als Staatenwelt denn als „sozio-kulturelles System“.141 1.4 Forschungsstand Die Erforschung der Geheimdiplomatie richtet ihr Interesse sowohl auf Sicherheitspolitik wie auf Informationspolitik und Diplomatiegeschichte. Aktuell hat die Geschichts136 137 138 139 140 141

Vgl. Mulsow 2014. Vgl. Parma 2013. Frevert 2005, S. 24. Vgl. Lehmkuhl 2001, S. 420. Vgl. Marcowitz 2005, S. 80. Lehmkuhl 2001, S. 419.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

wissenschaft die Sicherheitsgeschichte als neues Forschungsfeld entdeckt.142 Gerade die im angelsächsischen Raum verbreitete New Diplomatic History versteht Diplomatie als „entrepreneurial art“143 nimmt auch die „private international relations“ mit in den Blick: New Diplomatic History looks to broaden and deepen the analysis of international interactions along three planes: spatially, in the sense of granting more importance to the role of individuals and non-governmental institutions; temporally, since the examination of a wider field of diplomatic ,actors‘ challenges the standard periodisations; behaviorally, in that the very nature of diplomatic practice and the role (indeed the very notion) of the diplomat is being transformed in an ever-more-dynamic global context of multilateral agreements and transactions. Once the frame of ,diplomacy‘ is altered, so the kinds of actors who become visible change with it  – and the designations ,diplomacy‘ and ,diplomat‘ become more fluid.144

In der jüngsten Publikation von 2016 wird zugestanden, die Geheimdiplomatie sei theoretisch unzureichend ausgebaut, aber die einzelnen Beiträge des Sammelbandes diskutieren Teile des Phänomens, bilden aber kein kohärentes Modell.145 Selbst die theoretischen Ansätze zeigen Lücken, indem sie nur die Öffentlichkeit und die eigene Regierung als Zielpunkte der Geheimhaltung thematisieren146, nicht aber den Gegner und ebensowenig die Spiegelungen des (Nicht-)Wissens und der Intentionen, wie ich sie in dem von mir entwickelten Perzeptionsschema (vgl. Grafik 11) diskutiere. Die immerhin sehr interessanten Ansätze des genannten Bandes kranken jedoch an der  fehlenden Quellenbasis und einer Gewichtung auf die Zeit nach 1800 mit  starkem Gegenwartsbezug, so dass sie für die Zeit davor nur bedingt anwendbar sind. Die deutschen Forschungen zur Diplomatiegeschichte sind durch die Debatte zur „Kulturgeschichte des Politischen“ zwar vorangeschritten, blenden die geheime Ebene aber häufig aus, da es andere Schwerpunkte gibt.147 Innerhalb der Zunft wird verschiedentlich über Desiderate geklagt: Cornel Zwierlein meint, die meisten Ansätze sind bislang unverbunden gewesen und ex negativo von Krise, Angst, Risiko usw. ausgegangen, wohingegen die Erforschung des Sicherheitskonzeptes im Zusammenhang mit den sich entwickelnden Territorialstaaten nun an Bedeutung gewinnen müsse. Dorothea Nolde führt aus, dass die informelle Diplomatie von Männern „noch nicht einmal als Desiderat erkannt wurde“, und Gudrun Gersmann klagte, die Geschichte der Spitzel des Ancien Régime sei bisher noch nicht geschrieben worden und bedürfe einer Ver142 143 144 145 146 147

Vgl. Zwierlein 2012; Kampmann, Niggemann 2013. Weisbrode 2013, S. 11. Darüberhinaus vgl. Watkins 2008. Scott-Smith 2014, S. 1 Vgl. Bjola, Murray 2016. Vgl. Holmes 2016; Murray 2016. Vgl. den Forschungsüberblick von Köhler 2013.

1.4 Forschungsstand

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knüpfung von Individuen und Institutionen.148 Diesem Desiderat könnte durch das in Aussicht stehende Handbuch der europäischen Diplomatiegeschichte nunmehr abgeholfen werden.149 Die Spionagegeschichte hat bereits eine unüberschaubare Menge vor allem englischsprachiger Gesamtdarstellungen und Wörterbücher hervorgebracht.150 Besonders die Geheimdiplomatie des Ersten und des Zweiten Weltkrieges des Kalten Krieges regte das Forschungsinteresse an. Entsprechend existieren für diese Phasen zahlreiche Studien zur Geheimdiplomatie im 20. Jahrhundert.151 Zu den Geheimschriften und zur Steganographie wurde besonders um die Jahrhundertwende und in den 1930er Jahren geforscht.152 Der Erste Weltkrieg war ein wesentlicher Anstoß auch für themenbezogene Publikationen im populärwissenschaftlichen Bereich.153 Bereits damals hatte der 148 Nolde 2013, S. 181; Gersmann 2006, S. 349. 149 Vgl. Goetze, Oetzel 2021. 150 Vgl. Gunzenhäuser 1968, Bibliographie C 0; Thompson, Padover 1965; Ind 1965; Norman 1973; Buranelli, Buranelli 1982; Piekalkiewicz 1988; Aumale, Faure 1998; Singh 2003; Krieger 2003. 151 Zuletzt fand in Rostock eine Tagung über die Spionage in der Ära des Imperialismus statt. Vgl. „Kampf um Wissen. Spionage, Geheimhaltung und Öffentlichkeit zwischen Nationalstaat und Globalisierung; 1870–1940“, veranstaltet vom Historischen Institut der Universität Rostock, 2013. Über den Ersten Weltkrieg vgl.  Hanson, Arnold: Geheimdiplomatie. Anlage: Wortlaut der in Rußland veröffentlichten Geheimdokumente in geordneter Folge nebst drei Karten, Bern 1918. Schwabe, Klaus: Die amerikanische und die deutsche Geheimdiplomatie und das Problem eines Verständigungsfriedens im Jahre 1918, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 19 (1971), H. 1, S. 1–52. Stieve, Friedrich: Im Dunkel der Europäischen Geheimdiplomatie. Izvolskijs Kriegspolitik in Paris 1911–1917, Berlin 1926. Zur Geheimdiplomatie im Zweiten Weltkrieg vgl. Launay, Jacques de; Hoess, Fritz: Geheimdiplomatie 1939–1945, Wien, Berlin, Stuttgart 1963. Kunert, Dirk: Hitlers kalter Krieg. Moskau, London, Washington, Berlin: Geheimdiplomatie, Krisen und Kriegshysterie 1938/39, Kiel 1992. Für den Kalten Krieg vgl. Buchstab, Günter: Geheimdiplomatie zwischen zwei bequemen Lösungen. Zur Ost- und Deutschlandplitik Kiesingers, in: Staat und Parteien (1992), S. 883–902. Elzer, Herbert: Das Auswärtige Amt und der „neue Kurs“ in Saarbrücken 1953–1955. Vom Scheitern der Geheimdiplomatie Rudolf Thierfelders und Rolf Lahrs mit der Hoffmann-Regierung, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 52 (2004), S. 164–259. Nitz, Jürgen: Unterhändler zwischen Berlin und Bonn: nach dem Häber-Prozeß. Zur Geschichte der deutsch-deutschen Geheimdiplomatie in den 80er Jahren, Berlin 2001. Bernstein, Carl: Seine Heiligkeit: Johannes Paul II. und die Geheimdiplomatie des Vatikans, München 1997. Beschloss, Michael R.: Auf höchster Ebene. Das Ende des kalten Krieges und die Geheimdiplomatie der Supermächte 1989–1991. Düsseldorf 1994. Hoff, Klaus: Planspiele zur Deutschen Frage: ein Kapitel Adenauerscher Geheimdiplomatie, Sendemanuskript vom 25.11.1975, Köln 1975. Pohl, Karl Heinrich: Der „Münchner Kreis“. Sozialdemokratische „Friedenspolitik“ als Geheimdiplomatie, Berlin 1992. Schöneberger, Markus: Öffentliche Geheimdiplomatie. Informationspolitik des Auswärtigen Amtes (= Berichte und Studien der HansSeidel-Stiftung. 27), Berlin 1981. Stehle, Hansjakob: Die Ostpolitik des Vatikans: Geheimdiplomatie der Päpste von 1917 bis heute, Bergisch Gladbach 1983. Ders.: Geheimdiplomatie im Vatikan: die Päpste und die Kommunisten, Zürich 1993. 152 Vgl. Wagner 1884; Ders. 1886–88; Weber 1891; Rockinger 1891; Ders. 1892; Sickel 1894; Susta 1897; Meister 1896; Ders. 1902; Ders. 1906; Stix 1936; Ders. 1937; Ders. 1939; Gerlich 1948; Lerville 1972; Beker, Henry; Piper, Fred: Cipher systems, London 1982; Mielke 1976; Franz 1987/88; Strasser 1988; Ernst 1992; Hartmann 1995; Samsonow 1997; Strasser 2010. 153 Vgl. Boucard 1926; Ders. 1929; Ders. 1929a; Ders. 1930; Ders. 1933; Ders. 1934; Ders. 1937. Robert Boucard setzte gewissermaßen die Arbeit von Ernest Daudet fort, der um die Jahrhundertwende zwei Bücher über die politische Polizei in der Ära Napoleon veröffentlichte. Vgl. Daudet 1895; Ders. 1912.

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europaweit bedeutende Experte auf diesem Gebiet, Franz Stix, die Forschungsaufgabe ausgerufen, „eine Aufnahme und Zusammenstellung des Materials der Kanzleien“ vorzunehmen.154 Sein Ruf verhallte lange ungehört; erst in jüngerer Zeit nimmt man sich der Kryptologiegeschichte an.155 Nach 1939 waren weniger die Geheimschriften als vielmehr die Geheimdienste von Interesse. Max Gunzenhäuser legte 1968 eine Bibliographie zu deren Geschichte vor.156 Zur deutschen Nachrichtendienstgeschichte des 20. Jahrhunderts entstand 2008 ein Sammelband, der den aktuellen Forschungsstand zusammenfasst und auch auf das Desiderat der Vormoderne hinweist.157 Die Geheimdiplomatie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit wurde u. a. am Beispiel der Niederlande, der Kurie, Savoyens, Habsburgs, Burgunds und Venetiens sowie der Eidgenossenschaft erörtert.158 Für Spanien liegen gleichfalls gründliche Untersuchungen vor.159 Als besonders gut erforscht kann die Geschichte des Secret Service in England mit ihrem Begründer Francis Walsingham gelten.160 Auch für die Geheimpolitik der Amerikanischen und der Französischen Revolution mit den Hauptspionen Benedict Arnold und Karl Ludwig Schulmeister gibt es zahlreiche Veröffentlichungen.161 Zum 19. Jahrhundert sind je ein Aufsatz zur Sattelzeit und zum Kaiserreich erwähnenswert.162 Die aktuelle Forschung widmete sich der 154 155

Stix 1939, S. 459. Seit 1977 existiert die Fachzeitschrift „Cryptologia“. Mehrere Tagungen beschäftigten sich zuletzt mit Geheimschriften: „Cryptology in War and Peace: Crisis Points in History,“, veranstaltet vom NSA, Johns Hopkins University Applied Physics Lab, 2011; „Geheime Post. Kryptologie und Steganographie der diplomatischen Korrespondenz europäischer Höfe während der Frühen Neuzeit“, veranstaltet vom Forschungszentrum Gotha, 2013. 156 Vgl. Gunzenhäuser 1968. 157 Vgl. Schmidt 2008. 158 Vgl. Finot 1902; Bischoff 1954; Braubach 1962; Ernst 1992; Sickerl 1894; Meister 1896; Ders. 1906; Susta 1897; Mayr 1935; Carter 1964; Pretsch 1970; Bernard 1991; De Leeuw 2000; Weiß 2003; Cauchis 2008; Walter, Bastian: Informationen, Wissen und Macht. Akteure und Techniken städtischer Außenpolitik: Bern, Straßburg und Basel im Kontext der Burgunderkriege (1468–1477), Stuttgart 2012; Léthenet, Benoît: Espions et pratiques du renseignement. Les élites mâconnaises au début du XVe siècle, Straßburg 2019; Reimann, Jörg: Spionage und Gegenspionage in Italien der Renaissance 1450–1650, Hamburg 2020. 159 Vgl. Navarro Bonilla 2004; Ders. 2005; Ders. 2007, Ders. 2010; Perez 2010. 160 Vgl. Gribble, Leonard: The first real Spymaster. Francis Walsingham, in: Ders.: Stories of famous spies, London 1964, S. 13–28; Houbart, Jacques: L’espion d’Elisabeth. Sir Francis Walsingham, in: Ders.: Guerres sans drapeau, Paris 1966, S. 34–37; Ind, Allison: Walsingham, in: Ders.: A history of modern espionage, London 1965, S. 32–35; Read, Conyers: Mr. Secretary Walsingham the policy of Queen Elizabeth. Vol 1–3, Oxford, Cambridge 1925; Rowan, Richard Wilmer: Walsingham, in: Ders.: The story of secret service, New York 1937, S. 76–82; Seth, Ronald: The Spy-master Sir Francis Walsingham, in: Ders.: Anatomy of spying, London 1961, S. 109–113. 161 Vgl. hierzu Gunzenhäuser 1968, Bibliographie C. 1.2 und C. 1.3. Darüber hinaus Elmer, Alexander: Napoleons Leibspion, Karl Ludwig Schulmeister, Berlin 1931; Douay, Abel; Hertault, Gérard: Schulmeister. Dans les coulisses de la Grande Armée, Paris 2002; Sparrow 1999. 162 Vgl. Müller, Philipp: Die neue Geschichte aus dem alten Archiv. Geschichtsforschung und Arkanpolitik in Mitteleuropa 1800–1850, in: HZ 1 (2014), S. 36–69; Kuo, Raymond: Secrecy among friends, in: Journal of conflict resolution 64 (2020), S. 63–89.

1.4 Forschungsstand

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Spionagegeschichte der Frühen Neuzeit zu speziellen einzelnen Aspekten in England und Österreich.163 Für Frankreich wurde das Schwarze Kabinett von Kardinal Richelieu schon mehrfach in den Blick genommen.164 Beachtenswert ist eine große Studie zur französischen Geheimdienstgeschichte vom 17. bis zum 21. Jahrhundert.165 Kürzlich legte Stéphane Genêt seine Dissertation über die Spione unter Ludwig XV. vor.166 Darin unternahm er den Versuch, aus seinen Beobachtungen allgemeine Prinzipien abzuleiten, aber die einzelnen Aspekte bleiben unsortiert und teilweise unvollständig reflektiert nebeneinander stehen. Dieser Umstand wird in der selbstgewählten Zuschreibung eines „Mosaiks“ deutlich.167 Die hier nun vorgelegte Arbeit geht darüber hinaus, indem sie beispielweise hinsichtlich des Zusammenhangs von Spionage und Religion nicht nur die Juden thematisiert und Informationspolitik deutlicher differenziert. Genêts Verdienst besteht freilich darin, dass er an Beispielen aus der Regierungszeit Ludwigs XV. viele Aspekte aufzeigt und eine Lücke in der französischen Historiographe schließt. Somit folgt er den internationalen Forschungsperspektiven, die Arbeiten zu bilateralen Beziehungen, Fallbeispiele aus einzelnen Ländern und Perzeptionsforschung anregen. Unter dieser Prämisse sind u. a. auch spanische Spionagenetzwerke in Italien im 16. Jahrhundert und die kaiserlichen Bestrebungen in Rom um 1700 analysiert worden.168 Auch zur Großmacht Preußen ist für den Zeitraum von Friedrich II. und seinen Nachfolgern schon eine Forschungsarbeit publiziert worden.169 Für eine Mittelmacht wie Sachsen trotz der für Europa höchst bedeutsamen Geschichte die Geheimdiplomatie ebenfalls noch unerforscht. Lediglich der Siebenjährige Krieg ist ein intensiv bearbeitetes Forschungsfeld.170 Die sächsische Informationspolitik nehmen bislang nur die Untersuchungen von Judith Matzke und Daniel Legutge im Rahmen des Gesandtschaftswesens im 17./18. Jahrhundert in den Blick.171 Das korrespondiert damit, dass derzeit die Diplomatie- und Gesandtschaftsgeschichte zu Mittelalter und Neuzeit eine Hochkonjunktur erlebt.172 Zu sächsischen Spionen sind 163 Vgl. Frank 2002; Marshall 2003; Laube 2006. 164 Vgl. Malettke 2003; Haehl 2006; Soll 2008; Schultz 2009. 165 Vgl. Forcade, Olivier: Dans le secret du pouvoir. L’approche française du renseignement, XVIIe– XXIe siècle: actes du colloque international organisé les 4 et 5 mars 2016 par les Archives nationales et l’Université Paris-Sorbonne, Paris 2019. 166 Vgl. Genêt 2013. 167 Ebd., S. 31. 168 Levin 2005; Bertomeu Masiá, María José (Hrsg.): Cartas de un espía de Carlos V: la correspondencia de Jerónimo Bucchia con Antonio Perrenot de Granvela, Murcia 2006; Dies.: La guerra secreta de Carlos V contra el Papa. La cuestión de Parma y Piacenza en la correspondencia del cardenal Granvela, Murcia 2009; Polleroß, Friedrich: Die Kunst der Diplomatie. Auf den Spuren des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653–1706), Petersberg 2010. 169 Vgl. Rink, Martin: Vom „Partheygänger“ zum Partisanen. Die Konzeption des kleinen Krieges in Preußen 1740–1813 (= Europäische Hochschulschriften. 851), Frankfurt am Main 1999. 170 Vgl. Anklam 2007; Externbrink 2010. 171 Vgl. Matzke 2005; Dies. 2005a; Dies. 2011; Salisch 2009; Legutke 2010. 172 Vgl. Schwinges, Wriedt 2003; Babel 2005; Levin 2005; Schütz 2007; Aulinger 2008; Grypa 2008; Holzapfel 2008; Roll 2010.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

vereinzelte Erwähnungen zu finden oder Nachrichten publiziert worden, so z. B. zu einem hussitischen Spion aus Böhmen.173 Während in Amerika und England die Erforschung der Intelligence seit 09/11 blüht und bereits theoretische Konzepte entworfen wurden, ist für den deutschsprachigen Raum die Theorie der Geheimpolitik noch gänzlich unerforscht.174 Dies ist umso bedauerlicher, als die englischsprachige Literatur sich zumeist auf Zeitgeschichte fokussiert und fast ohne Archivquellen auskommt, während Europa ein großes Betätigungsfeld für vormoderne Anwendung von Intelligence liefert. Das belegen die soeben erstellten Arbeiten von Benjamin Bühring, Stéphane Genêt und Charlotte Backerra, die Hannover-Großbritannien, Frankreich und Österreich in den Blick nehmen.175 Christoph Kampmanns kleine Studie über eine hessische Geheimmission von 1688 thematisiert, wie „virtuos die Diplomatie mit Geheimhaltung umging“.176 Die Briefspionage auf dem Westfälischen Friedenskongress wird noch untersucht.177 Für die Vermittlung in die breite Öffentlichkeit konnte Uwe Klußmann an Christopher Andrew andocken.178 Moderne Bezüge finden sich in aktuellen Publikationen zum Thema der Staatsgeheimnisse im Kontext von Demokratie und Terrorismus.179 Eine theoretische Unterfütterung der exemplarischen Untersuchungen und Beispielanalysen für die Zeit vor 1700 oder eine Mittelmacht steht jedoch noch aus. Die vorliegende Studie will diese Lücke schließen und Forschungstendenzen aufzeigen, wie die deutschen Forschungsschwerpunkte sich mit dem angloamerikanischen Fokus vereinbaren lassen. Dass Geheimdiplomatie ein Machtphänomen ist, das nur ab einem gewissen Grad politischer Größe eine Rolle spielt, zeigt sich auch darin, dass die einzigen Forschungen 173 174

175

176 177 178

179

Vgl. Richter, Otto: Ein hussitischer Spion 1430, in: NASG 7 (1886), S. 145–146. Betts, Mahnken 2003; Scott, Len; Jackson, Peter (Hrsg.): Journeys in Shadows. Understanding Intelligence in the Twenty-First Century, New York 2004; De Leeuw, Bergstra 2007; Johnson 2007; Bjola, Murray 2016; Prunckun, Hank: Counterintelligence. Theory and practise, Lanham 2019; Ders.: Scientific methods of inquiry for intelligence analysis, Lanham 2019; Andrew, Christopher (Hrsg.): Secret Intelligence. A Reader, New York 2020; Gill, Peter; Marrin, Stephen; Pythian, Mark (Hrsg.): Developing Intelligence Theory. New Challanges and competing perspectives, London, New York 2020; Ebben, Maurits; Sicking, Louis (Hrsg.): Beyond Ambassadors. Consuls, Missionaries and Spies in premodern diplomacy, Leiden, Boston 2021. Vgl. Genet 2013; Bühring, Benjamin: Die hannoversche Deutsche Kanzlei als Trägerin der Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover 1714–1770, Diss. Göttingen 2013; Backerra, Charlotte: Relations between Great Britain- Hanover and Austria in the early 18th century. The second Vienna contract of 1731, Diss. Mainz 2014. Kampmann 2013, S. 174. Vgl. Walter, Maren: Dissertationsprojekt „Die Kommunikationsstrukturen auf dem Westfälischen Friedenskongress“, Lehrstuhl für Frühe Neuzeit, Universität Bonn. Vgl. Andrew, Christopher: Secret world. A history of Intelligence, New Haven 2018; Klußmann, Uwe: Geheimdienste: Von 1500 bis heute. Die Schattenwelt der Spionage (= Der Spiegel. Geschichte 5/2019; Ders.; Schnurr, Eva-Maria (Hrsg.): Die Macht der Geheimdienste. Agenten, Spione und Spitzel vom Mittelalter bis zum Cyberwar, München 2020. Vgl. Voigt, Rüdiger: Staatsgeheimnisse. Arkanpolitik im Wandel der Zeiten, Wiesbaden 2017; Smagh, Nishawk: Intelligence, Surveillance and Reconnaisssance Design for Great Power Competition (= CRS Report), Washington 2020.

1.5 Quellen

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zur frühneuzeitlichen Geheimdiplomatie bislang Großmächte wie Venedig, England, Frankreich, Österreich behandelten. Das Schwellenland Sachsen stand zeitweise im Zentrum der europäischen Konflikte und hat deshalb auch rege geheimdiplomatische Aktivitäten erlebt, die aber bislang höchstens peripher wahrgenommen wurden.180 Eine Verallgemeinerung oder Übertragung von bereits veröffentlichten Forschungsergebnissen ist aus mehreren Gründen nicht angebracht. Um der auf regionale Besonderheiten sensibel reagierenden Geheimdiplomatie gerecht zu werden, ist eine Untergrundforschung für politische Geschichte notwendig, welche die Differenzierungen zwischen den Höfen berücksichtigt. Angesichts konfessioneller, dynastischer und kultureller Unterschiede entwickelte sich die Methodik unterschiedlich; zudem ließen die geographische Lage, politische Orientierung und der Aktionsradius der Fürsten eine individuelle Ausprägung entstehen. Das schlägt sich in den verschiedenartigen Spuren der Geheimdiplomatie, auch jenseits der diplomatischen Quellen, nieder. 1.5 Quellen Hinsichtlich der Quellen soll an dieser Stelle auf verschiedene Probleme eingegangen werden. Von der erfolgreichen Geheimhaltung politischer Pläne und Methoden hing das Wohl des Staates ab, so dass die Schriftlichkeit vermieden wurde und nur in Ausnahmefällen Akten zur Geheimpolitik vorliegen. Häufig kommt das Geheime erst dann zum Vorschein, wenn das System nicht reibungslos funktioniert und Korrekturen erforderlich sind. Diese Korrekturen schlagen sich dann in Akten zu verschiedenen Themen nieder: über Verletzung des Dienstgeheimnisses durch Kanzleibeamte, außergewöhnliche vertrauliche Korrespondenz, Umgang mit entlarvten Spionen, Zusammenkünfte zu „gewissen Angelegenheiten“ usw. Die Sichtbarkeit und Verschriftlichung von geheimen Prozessen ist unerwünscht, aber stellenweise unvermeidlich. Entsprechend sorgfältig muss die Quellenrecherche erfolgen. Abweichungen und Auffälligkeiten im organisatorischen Ablauf der Kanzleien der sächsischen Kurfürsten und Herzöge sind nur durch gute Kenntnis der jeweiligen Institution und ihrer Arbeitsprozesse möglich.181 Geheimnisse sind oftmals höchstens bruchstückhaft bekannt, so dass kein komplettes Bild der Situation vorliegt. Die Geheimhaltung ließ sich nur durch Vernichtung von Material garantieren, und häufig sind Spuren davon zu finden. So notierte ein Sekretär auf dem Deckblatt einer Akte von 1758, die anderen Blätter sei er „genöthiget gewesen zu verbrennen“.182 Ab dem 18. Jahrhundert etablierte sich die Praxis, zur Sicherung des Briefgeheimnisses die Schriften zu verbrennen: die Bitte „au feu“ war die radikale Forderung zur Geheimhaltung der Inhalte.183 180 181 182 183

Vgl. Pretsch 1970, Jürgas 1984, Hanke 2006, Pons 2006, Weiß 2008, Kuhlbrodt 2015. Vgl. Ohnsorge 1940; Stix 1937; Hofmann 1920. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 959/8, f. 2; Susta 1897, S. 371. Vgl. Bohn 1997, S. 51.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

Durch Kombination kann versucht werden, die Lücken zu schließen, wobei man sich der Unsicherheit solcher Rekonstruktionen bewusst sein muss.184 Mit den Worten von Stéphane Genêt kann nur ein „Mosaik“ der Militärspionage entstehen.185 Gerade das Hinterfragen der Absicht eines Autors und der Überlieferungszusammenhänge ist unverzichtbar und lässt manche Quelle in diffusem Licht erscheinen. Die Intelligence-Forschung sei eine Wanderung zwischen den Spiegeln, so Michael Warner, auf der man nur mit kritischer Prüfung der Absichten des Autors und des Überlieferungszusammenhanges sowie mit Objektivität und Vergleich zum Ziel kommt.186 Somit ist bei gründlicher Recherche die Spitze eines Eisberges erkennbar, dessen vollständiger Umfang allenfalls zu erahnen ist. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf Quellen, die laut Aktentitel geheime Vorgänge vermuten lassen.187 Diego Navarro Bonilla hat die relevanten Dokumenttypen zur Geheimdiplomatie herausgearbeitet und den einzelnen Etappen der Informationspolitik in einem Zyklus zugeordnet.188 Tabelle 5: Zyklus und Quellen der Intelligence 1 Bedarf an Intelligence

1.1. Formulierung der notwendigen Informationen 1.2. Übersetzung des notwendigen Bedarfes an Intelligence 1.3. Übermittlung des Bedarfes an die Agenten 2 2.1. Suchen und Sammeln von Informationen Prozess der Generierung 2.2. Informationsmanagement, Schreiben und von Intelligence Umwandeln in Intelligence 2.3. Schutz und Entsendung in der Intelligence 3 3.1. Empfang, Analyse und Bewertung Evaluation der Intelligence

Instruktionen

Mitteilungen, Berichte und Beziehungen Korrespondenz, Notizen und Fragen

Da dies nur eine Grobrasterung ist, erfolgt hier eine andere Feingliederung der Quellen, die sich an den Akteuren orientiert.

184 Dem Leser werden die Rekonstruktionen und Spekulationen als theoretische Möglichkeit angeboten. Mancherorts ist durch weitere Forschung später eine Klärung möglich, an anderen Stellen wird die Wahrheit mangels Quellen stets im Dunkel bleiben müssen. 185 Genêt 2013, S. 32. 186 Vgl. Warner 2007, S. 25. 187 Als Schlüsselwörter gelten „geheim“, „secret“, „Spion“, „Espion“, „Landesverrat“, „Arrestierung“, „Chiffre“, „cipher“, „Code“, „Interzeption“, „interzipiert“, „intercept“, „abgefangen“ in verschiedenen Variationen und Sprachen. 188 Vgl. Navarro Bonilla 2004, S. 102, übersetzt von Anne-Simone Rous.

1.5 Quellen

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Tabelle 6: Quellensorten mit Zuordnung zu Akteuren Akteure Auftraggeber (Fürsten, hohe Amtsträger, Gesandte, Offiziere und Generäle) Auftragnehmer (Spione, niedere Amtsträger, Personen mit niedrigem militärischem Rang, Untertanen) Dritte (Beobachter, auswärtige Mächte, nicht direkt beteiligte Untertanen)

Quellen (Gedächtnis-) Protokolle von Sitzungen und Gesprächen, Korrespondenzen, Gutachten, Erlasse, Instruktionen, Kanzleiordnungen, Propagandaschrifttum, Interzepte, Siegel Korrespondenzen, Spionageberichte, Nomenklatoren, chiffrierte Briefe, Rechnungen, Quittungen, Prozessakten, Interzepte Korrespondenzen, Enthüllungsliteratur, Romane, Kryptologieliteratur, Kunstwerke

In den einschlägigen Beständen zur sächsischen und thüringischen politischen Geschichte189 sind die Abteilungen über Handschreiben, Gesandtschaften, Militärwesen, Kanzlei-und Archivwesen, Regierungssachen sowie Hofjournale herangezogen worden, wo Quellen zur Spionage, Kryptologie und Interzepte aufzufinden waren, die sich den von Navarro Bonilla genannten Dokumentengattungen zuordnen lassen. Deshalb versteht sich diese Arbeit als erste Systematisierung für die Beschäftigung mit umfangreichem Quellenmaterial zu Einzelpersonen und Ereignissen. Die Forschungen in den sächsischen und thüringischen Archiven können nur ein Anfang sein und den Anstoß liefern, die Geheimdienstgeschichte der deutschen Mittelstaaten in der Frühen Neuzeit zusammenzutragen. Dabei wird man sicherlich stets wieder Überraschungen erleben, und selbst ein anerkannter Experte wie Christopher Andrew räumt ein, dass die Geheimdienstgeschichte nie eine exakte Wissenschaft sein wird.190 Oftmals stößt man auf Spuren von versteckten Abläufen und gegenseitige Vernetzung an unerwarteten Stellen. 1.5.1 Gedruckte Quellen Die Forschungsbibliothek Gotha mit ihrer langen Sammlungsgeschichte birgt in ihrem Bestand einen vorzüglichen Fundus zum Themenkreis Kryptologie, Geheimkommunikation und Spionage. So konnten mehrere, für die sächsische Geschichte relevante Handschriften und viele gedruckte frühneuzeitliche Quellen gefunden werden. Klassischerweise wird bei der vormodernen Geschichte der Spionage bei dem chinesischen 189

Vgl. SächsHStAD, Bestände Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Geheimes Kabinett, Geheimes Kriegsratskollegium, Gouvernement Dresden, Geheime Kriegskanzlei, Hausmarschallamt; GStA PK, Bestände Geheimes Archiv, Geheimes Zivikabinett; ThHStAW, Bestände Ernestinisches Gesamtarchiv, Geheimes Archiv; THStAG, Geheimes Archiv; HHSTAW, Bestände Staatskanzlei, Informationsbüro, Interioria, Interzepte, Diplomatische Korrespondenz. 190 Vgl. Andrew 1992, S. 15.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

Militärtheoretiker Sun Tsu begonnen, der als Autor des ältesten Strategiewerkes als Vater der Kriegskunst gilt.191 Das knappe Buch über die 36 Stratagemen ist allerdings bis zum 20. Jahrhundert nicht von den Politikern rezipiert worden: von einem Jesuitenpater 1772 erstmals in Europa publiziert, soll es Napoleon unbestätigten Gerüchten zufolge im Reisegepäck mitgeführt haben.192 Insofern kann Sun Tsus Buch für die Erklärung frühneuzeitlicher europäischer Geheimdiplomatie nicht dienen. Die eindringliche Verurteilung von Gewalt passt auch nicht zu den Praktiken der Kriegführung im bellizistischen Zeitalter. Vielmehr sind die in Europa gedruckten Werke über Praktiken der Geheimdiplomatie einschlägig. Besonders die zeitgenössische Literatur über das Geheimschriftwesen ist zahlreich überliefert. Seit der Renaissance bildete sich ein Zweig der Arkanliteratur, die sich zumeist abwertend über die politischen Praktiken und die Unchristlichkeit der Herrschaft äußerte.193 Die Flugschriften des 17. Jahrhunderts illustrierten die Geheimdiplomatie mit Metaphern wie „Macchiavellischer Hocus Pocus“, „unbetrügliches Staats-Oracel“, „Veränderlicher Staats-Mantel“ oder „Subtile Staats-Architektur“.194 Auch in der Dichtung kamen Staatsräson und Arkana in diesem Jahrhundert (ca. 1580–1680) vermehrt zur Sprache und zeigen, dass sich die breite Öffentlichkeit dem Thema widmete. Eine sachliche Auseinandersetzung mit Macchiavelli kam nur vereinzelt vor, da Sympathie angesichts der öffentlichen Meinung nur verdeckt möglich war. Allerdings hatte Macchiavellis „Il Principe“ „jeder deutsche Durchschnittsfürst als letztes Notmittel im arcana-Giftschrank stehen“.195 Nach dem Westfälischen Frieden und der nunmehr unbeschränkten Souveränität der Fürsten blühten die juristischen Dissertationen über die Ratio Status. Die Herrschenden zogen für die Regierungspraxis Fürstenspiegel zu Rate, die sich im 16. Jahrhundert zu Regierungshandbüchern wandelten und im Wesentlichen bis zuletzt ihre mittelalterliche Zielsetzung der Friedenswahrung und Rechtssicherung behielten.196 Das macchiavellistische Primat des persönlichen Vorteils rückte erst im absolutistischen Zeitalter wieder verstärkt in den Vordergrund, als sich der Wettkampf um Prestige und Kronen auf den Höhepunkt zubewegte. In ihren politischen Testamenten forderten die Fürsten, der Nachfolger möge sein Land um dessen Wohlfahrt willen „alzeitt in gutter postur“ stehen haben, wohlkalkulierte Allianzen schließen und auf die äußere Sicherheit achten.197 191 192 193 194

Vgl. Sun Tsu 2011. Vgl. ebd., S. 124. Einen Überblick findet man bei Stolleis 1980. Auf der britischen Insel trat besonders William Prynne mit seinen polemischen Schriften hervor. Vgl. Prynne 1648. 195 Vgl. Zwierlein 2010, S. 24. 196 Vgl. Stolleis 1980, S. 24. 197 Politisches Testament Fridrich Wilhelms von Brandenburg, des Großen Kurfürsten, in: Dietrich, Richard: Die politischen Testamente der Hohenzollern, Köln 1986, S. 188.

1.5 Quellen

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Für die Zeitgenossen besaß wegen ihrer besonderen Aura und wegen des Respekts vor der Person des Herrschers zunächst besonders die Steganographie bzw. Kryptographie eine große Faszination. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erschienen die ersten Publikationen über die Geheimschreibkunst, was möglicherweise mit dem Dreißigjährigen Krieg in Zusammenhang gebracht werden kann. Daniel Schwenter schrieb 1620 unter den Pseudonym Jan Hercules de Sunde sein Werk Steganologia und Steganographia „auff vielfältiges einer hohen Person begern“ und wurde von Freunden zu weiteren Auflagen gedrängt.198 Er beschrieb nicht nur die Geheimschrift, sondern auch Regeln zur optischen oder akustischen Informationsübermittlung in der freien Natur zwischen einer halben Meile bis drei Meilen. Bei Entfernungen bis zu 1000 Meilen listete er verschiedene Möglichkeiten auf, die Nachricht zu verbergen. Ein Kapitel widmete sich der Frage, wie eine Mitteilung in einer Speise verborgen werden könne, z. B. in Brot gebacken, in gebratene Hasen eingelegt oder in Haselnüssen bzw. Obst transportiert. Es folgten Hinweise über verborgene Tinte und Tricks mit Papier. Seine umfangreichen Ausführungen über Verschlüsselungstechniken machen das Werk zum ersten Meilenstein der Handbücher für Agenten. Johann Balthasar Friderici veröffentlichte im Jahre 1684 ein neues, reich illustriertes Kompendium über die Kunst der Geheimkorrespondenz.199 Herzog August  II. von Braunschweig-Lüneburg verfasste sogar eigens unter seinem Pseudonym Gustav Selenus ein Handbuch über Geheimschriften.200 Die „Praktische Logik“ von Hennings aus dem Jahr 1764 streift kurz die Kryptologie im Zusammenhang mit der Kombinatorik.201 Eine weitere Publikationswelle zu diesem Thema ist um 1800 zu verzeichnen, als zahlreiche, teils anonyme Veröffentlichungen über Geheimschriften erschienen, auf die noch näher eingegangen wird. Einhundert Jahre zuvor verlagerte sich der Fokus der Publizisten jedoch auf die Interzeption. Das Verstellen und Verbergen, zu einem gesellschaftlichen Stil geworden, schlug sich auf dem Buchmarkt in verschiedenen Formen nieder. Um 1700 veröffentlichte der seines Lehrstuhls enthobene Leipziger Theologieprofessor Andreas Stübel 57 Bände „aufgefangener Briefe“.202 Diese umfangreiche Sammlung gefälschter Briefe kam dem Verleger laut seiner Legende „par aventure“ in die Hände.203 Bereits im Titel entlarvte sich aber die Fälschung, da auf das allseitige Vergnügen abgezielt wurde. Zedler gab Stübel keinen guten Leumund, sondern schrieb, er „behauptete unterschiedliche bedenckliche Dinge“.204 Es wäre dem in Ungnaden Entlassenen unmöglich gewesen, in 198 199 200 201

De Sunde 1622, Dedicationsschrift. Friderici 1684. Vgl. Cryptomenytices et Cryptographiae 1624. Desw. Strasser 1988a. Vgl. Hennings 1764, S. 81–83. Es wird beispielhaft gezeigt, wie die Zahl der möglichen Positionsänderungen bei der Substitution berechnet werden kann. 202 Stübel 1699–1701; Ders. 1704–1709; Ders. 1710–20. 203 Stübel 1699, S. 2. 204 Vgl. „Stübel, Andreas“, in: Zedler, Bd. 40, S. 664, Sp. 1301.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

den Besitz hochbrisanter Nachrichten aus allen Gegenden der politischen Welt zu gelangen und diese Depeschen noch jeweils zum Jahresende zum Druck zu bringen, ohne dafür belangt zu werden. In der Tat hat das Internationale Zeitungsmuseum bei einer Ausstellung 2011 einige dieser Briefe präsentiert und als Fälschungen deklariert.205 Stübel war wegen seiner theologischer Ansichten 1697 als Privatdozent der Universität Leipzig seines Lehrstuhls enthoben worden und hat danach als selbsterklärter Prophet mit dieser Geschäftsidee seinen Lebensunterhalt verdient. Die Verkaufszahlen erklären sich durch das menschliche Interesse an Sensationen, das auch Publikationen anderer Autoren über Devianz mediale Verbreitung finden ließ.206 Auch die Publizistik der Frühen Neuzeit war auf Gewinn orientiert. Der Umstand, dass seine „abgefangenen Briefe“ mehrmals den Titel ändern mussten und in der dritten Serie sogar anonym erschienen sind, deutet auf die Verschleierungstaktik Stübels hin. Zudem ist als Verlag stets ein Pseudonym angegeben: Johann Georg Freymund in Wahrenberg bzw. Johann Georg Wahrmund in Freyberg standen für den Leipziger Verleger Friedrich Groschuff, der unter dem Pseudonym Guardino di Boschi in Astura auch schon die „Des Träumenden Pasquini kluger Staats-Phantasien“ für kuriose Gemüter von Philipp Sinold von Schütz und deren Nachfolgebände herausbrachte.207 Von diesem gut verkäuflichen Pasquini-Oraculum profitierte auch der Schriftsteller Heinrich Anselm von Ziegler und Klipphausen, ein Sohn des Rittergutsbesitzers von Schloss Klipphausen bei Meißen. Groschuff war intensiv in diesem Geschäft vertreten und wusste, dass er kaum ein Risiko einging, wenn er Stübels Schriften gegen Rechnung vertrieb, obwohl sie bei Henckel in Halle gedruckt worden waren.208 Im ersten Band wird neben Stübel auch der fürstlich-anhaltische Kammersekretär und Herausgeber Gottfried Zenner genannt, der bei Groschuff – diesmal unter dem Verlegernamen A. Boethius – 1701 bis 1705 die Monatsschrift „Geheime Briefe“ veröffentlichte.209 Nun ist der Begriff der Fälschung nicht recht zutreffend, da die Autoren zu jener Zeit davon ausgehen konnten, dass die Leserschaft die Fiktion durchschaute und gerade dieses Genre als Mischung aus Schriftstellerei und Journalismus schätzte. Die Verfasser solcher „intimer Briefwechsel“ konnten ihre entfernten Leser mit Vertraulichkeit und noch dazu mit Fortsetzungsgeschichten einer scheinbar öffentlichen Historie locken.210 Stübel war in jenem Jahrzehnt, als diese Literaturgattung en vogue war, nicht der einzige Autor.211 Olaf Simons nannte sie „vorgeblich wahre Historien – tatsächlich Romane, 205 Vgl. Gasper, Margret: Spektakuläre Enthüllungen – und alles erfunden, in: Aachener Nachrichten vom 9. März 2011. 206 Vgl. Bellingradt 2011, S. 289. 207 Vgl. Schütz 1697–1704; Ziegler und Klipphausen 1703; Schütz 1708; Ziegler und Klipphausen 1710. 208 Vgl. Historische Kommission 1882, S. 106. 209 Vgl. Zenner 1701. 210 Simons 2001, S. 617. 211 Vgl. Harris 1684; Cabinet 1692; Berndt 1697; Schütz 1697–1704; Aufgefangene Brieffe 1699–1701; Courtilz 1700; Ziegler und Klipphausen 1703; Schwedische und sächsische Staats-Cantzley 1708; Schütz 1708; Ziegler und Klipphausen 1710; Gildon 1719.

1.5 Quellen

55

Fiktionen“.212 Im Weiteren wird der Kürze halber von fiktionaler Literatur gesprochen werden. Als Beleg dafür, dass ein Bewusstsein für die Fiktion bestand, kann hier das Vorwort einer Briefsammlung von 1746 angeführt werden, die tatsächlich originale Korrespondenzen beinhaltete: Es würde mir […] gantz leicht seyn, dasselbe darüber mit eben dergleichen Romanen-mäßigen Erzehlungen abzuspeisen, als man insgemein dieser Art von Schriften vorzusetzen pflegt. Allein, es kann und wir dem Leser gleich viel seyn, auf was vor Art ich zu diesen Briefen mag gekommen seyn […] als solche würcklich ihren angezeigten Urhebern aus der Feder geflossen.213

Die Lust an diesen Büchern ist nach einigen Jahrzehnten also abgeebbt. Während Stübel zu den Pionieren zählt, ist Maranas „Spion an den Höfen der Christlichen Potentaten“ als ein Spätwerk der fiktionalen Literatur einzustufen. Die Legende der Quellenauthentizität in diesem Fall lautet folgendermaßen: ein Italiener (Marana) reiste nach Paris und wohnte bei einem Wirt, wo er durch einen widrigen Zufall in ein anderes Zimmer umziehen musste. Er fand dort eine verriegelte Tür vor, hinter der ein großer Haufen Briefschaften lag, die er in sichere Verwahrung nahm, übersetzte und als Hinterlassenschaften des Gesandten des Großsultans in Paris erkannte.214 Die gedruckten und bald in englischer, französischer und deutscher Sprache übersetzten acht Bücher machten den „Spion“ bald berühmt. Die Fiktionalität entlarvt sich formell und inhaltlich durch fehlende Charakteristika der diplomatischen Briefkommunikation sowie durch eingestreute Gesellschaftskritik, Satire und allgemeine Plaudereien. Das Titelkupfer zeigt einen bärtigen Mann vor einem Bücherregal am Schreibtisch beim Briefschreiben; auf dem Tisch sind neben Briefpapier und -umschlag noch Sanduhr, Winkelmaß, Zirkel und Siegelring zu sehen, während daneben drei Säcke voller Geldstücke, heruntergefallene Papierbögen und ein Globus stehen. Hier zeigt sich die zeitgenössische Vorstellung eines Schriftstellers von einem Spion. Auch bei einem anderen Werk, der „türckischen Correspondenz“ spiegelt sich das Interesse am Fremden.215 Für den Leser wurde es aber zunehmend schwerer, Fiktion und Wahrheit auseinanderzuhalten. Ein verwandtes Genre ist der Schlüsselroman, der unter dem Anschein eines Romans wahre Historien darlegte. Christian Friedrich Hunold alias Menantes nutzte diesen Typus, um Geschichten der sächsischen Herrscher und ihrer Skandale zu verkaufen.216 Er war von Weißenfels wegen Geldnot weggezogen und hatte schließlich in Hamburg begonnen, seine „Grillen“ vom Weißenfelser Hof aufzuschreiben.217 Die Grenze zwischen 212 213 214 215 216 217

Simons 2001, S. 614. Vockerodt 1746, S. 1. Vgl. Marana 1733, Besondere Vorrede, d2. Vgl. Senckenberg 1749. Vgl. Hunold, Christian Friedrich: Die verliebte und galante Welt, Hamburg 1702; Ders. 1705D. Vgl. Hunold 1731, S. 14.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

Realität und Fiktion verschwamm, indem der Autor die wirklichen Personen unter Pseudonymen handeln ließ. Diese „verschlüsselte Tagespolitik“ erhielt schon damals das Etikett „Secret history“ und entführte die Leser in ein Labyrinth der Verwirrungen.218 Hunold selbst publizierte noch zu Lebzeiten den „Schlüssel“ zur Interpretation, mit dem die Seiten verständlich wurden.219 Fazit: Echte politische Geheimnisse wurden nicht ohne Schleier auf dem Buchmarkt publiziert. Unverschlüsselt kamen sie als Historia mit einer Nachlaufzeit von mehreren Monaten bis Jahren zum Druck und waren dann keine Geheimnisse mehr. Hinter dem Deckmantel der eigenen Pseudonymität und dem fernen Druckort Hamburg war der Verfasser Hunold relativ sicher vor Verfolgung und konnte mit der Freude an offenen Geheimnissen Geld verdienen. Allerdings ließ man ihn von Weißenfels aus wegen Verleumdung suchen, mehrfach musste er sich seiner Verfolger erwehren. Zwischen den Kollegen kam es wegen der lukrativen Einnahme zu einem Konkurrenzkampf, wodurch viele Publikationen entstanden. Es wird deutlich, dass die fiktiven Geschichten aus der politischen, kuriosen und gelehrten Welt zu dieser Zeit wahre Bestseller waren.220 Oft finden sich in den Vorworten Hinweise darauf, dass die Drucklegung dieser Geschichten eilte, damit niemand dem Verleger zuvorkam. Der Buchmarkt erlebte eine regelrechte Blase um Galanterien, Briefromane und sonstige fiktive Literatur. Als Anfänge von Wikileaks hat Michael Nagel diese Pseudo-Enthüllungen aus den Jahren um 1700 in der Wochenzeitung „Die Zeit“ bezeichnet.221 Seit der ersten Zeitung 1605 in Straßburg war das Staatsgeheimnis nicht mehr gänzlich vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Mit der Neugier der Menschen konnte der Buchhandel gut verdienen. War am Anfang noch eine unparteiische Berichterstattung gegeben, so hat seit den 1670er Jahren zunehmend die Einbindung des Lesers stattgefunden und der aufkommende Journalismus den „Geheimbezirk des politischen Handelns“ in seiner Exklusivität relativiert.222 Die Enthüllungen von Zenner, Stübel und den anderen Autoren befriedigten das Interesse der gebildeten Schichten an den arkanen Räumen und bekamen dadurch, dass die Beiträge von Fachleuten herausgebracht wurden, die Aura des Authentischen. Trotz des respektvollen Umgangs mit der Obrigkeit schimmerte bereits die Aufklärung hindurch, da der Blick in die Werkstatt der Politik eine Desillusionierung einleitete. Ende des 18. Jahrhunderts wurde die ernsthafte Auseinandersetzung mit realer Geheimdiplomatie en vogue, da der Ruf nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit bedeutete, dass auch Transparenz eingefordert wurde. Die säkularisierte Dichotomie des Bürgerlichen-Zivilisierten und der dunklen Mächte ersetzte die frühere Dichotomie des Kamp218 Vgl. Cibber 1710; Simons 2001, S. 214. 219 Hunold 1731, S. 177 ff. 220 Auf dem britischen Buchmarkt vgl. u. a. Gildon 1719. Schriftstellerische Ausarbeitung vgl. Plumptre 1801. 221 Vgl. Nagel 2010. 222 Ebd.

1.5 Quellen

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fes zwischen wahrer Kirche und dem Antichrist als „Mastermind“.223 Als eines der ersten Druckwerke erschien in Frankreich eine siebenbändige Biographie über Friedrich II. von Preußen.224 Die Veröffentlichung der Geheimnisse seiner Politik versprachen größte Aufmerksamkeit bei den gebildeten Leserkreisen. Gleichermaßen wurde in Paris die geheime Geschichte der Zarin Katharina II. und ihrer Liebschaften publiziert.225 Das erste Interesse richtete sich auf die Frage nach dem Mord an Zar Peter III. sowie den moralischen Abgründen der Zarin. Grundlage war ein „gefundenes“ Manuskript des früheren Außenministers, das vom französischen Geheimagenten in St.  Petersburg zu einem verkaufsträchtigen Text arrangiert wurde. Ebenfalls in diesem Umbruchsjahrzehnt erschien in Hamburg auf französisch – für den frankophonen Buchmarkt – „Informationen über Amerika“ von einem pseudonymen Engländer, der „ci-devant“, aus der Nähe von Manchester.226 Hamburg erwies sich einmal mehr als Druckort clandestiner Literatur. Die Entlarvung der Arcanae Statu beinhaltete auch, dass der Blick auf die verdächtigste politische Methode fiel – die Geheimschreiberei. Kein Bürger sollte mehr durch Geheimnisse von der Wahrheit ausgeschlossen sein – die Schriftsteller machten die geheimen Praktiken der Diplomatie öffentlich und desavouierten die höfische Kommunikation. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts ist die Geheimschrift regelrecht zum Objekt der Forschung geworden. Hintergrund dieser Publikationswelle war die nach der Französischen Revolution nachgelassene Akzeptanz von Geheimnissen. Offenheit und Ehrlichkeit sollten herrschen. In den Büchern wurden regelmäßig die von Trithemius und anderen erdachten Alphabete und Verschlüsselungs- und Verbergungsmethoden erörtert sowie eigene Versuche für eine unlösbare Chiffre angestellt. Ebenfalls 1808 erschien ein Handbuch, in dem der anonyme Autor verschiedene Chiffrensysteme erläuterte und eine eigene angeblich unauflösbare Chiffre vorstellte. Man müsse nur mit verschiedenen Alphabeten arbeiten, also einem Zeichen eine immer wechselnde Bedeutung geben, wobei die Briefpartner über die Modi des Wechselns unterrichtet seien.227 Anschließend beschrieb er die üblichen Maßnahmen zur Visualisierung unsichtbarer Tinte und fügte seinem Buch noch die Geheimschriften der schottischen Ritterorden, der Freimaurer und der Rosenkreuzer an. Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlichte Wostrowitz in seinem Handbuch etliche, für Dechiffrierer sehr hilfreiche Wortlisten, die nach doppelten Buchstaben sortiert waren.228 Die bei ihm beschriebene Lochkartenmethode verweist bereits auf die technischen Neuerungen der Industrialisierung. Sein Buch bildete die Basis für den abermaligen Aufschwung der Kryptologie und deren verbreiteten Einsatz im Ersten Weltkrieg. 223 224 225 226 227 228

Vgl. Zwierlein, De Graaf 2013, S. 20. Allerdings widersetzen sich Illuminaten und Jesuiten sowie Sekten diesem Denkschema, wie die Autoren selbst einräumen. Vgl. ebd., S. 22 f. Vgl. Laveaux 1789. Vgl. Laveaux 1799. Vgl. Cooper, Thomas: Renseignemens Sur L’Amerique, Hamburg 1795. Vgl. ebd., S. 114 f. Vgl. Wostrowitz 1881, S. 108–124.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

1.5.2 Ungedruckte Quellen Die verdeckten Operationen der Herrscher wurden soweit geheim gehalten, dass die Überlieferung bis heute brüchig und unvollständig ist. Dennoch gibt es archivierte Quellenbestände, in denen zuverlässig Nachrichten gesammelt wurden oder wo zumindest Spuren von geheimen Aktivitäten zu finden sind. Leider sind für Sachsen nicht eigene Bestände zur geheimen Korrespondenz im Krieg angelegt worden wie im Archiv des französischen Außenministeriums.229 Somit kann das vorliegende Rechercheergebnis für Sachsen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Die Arbeitsweise des politischen Apparates kommt der Forschung insoweit entgegen, als selbst bei größter Geheimhaltung ein Mindestvolumen von Schriftlichkeit erforderlich war. Die Geheimen Räte erstellten nach Informationslage Gutachten über die politische Lage oder holten solche bei anderen Experten ein.230 Höfische Lagerbildung und Intrigen verursachten Mitteilungen unter der Hand, die als Gerüchte weitergereicht wurden.231 Das verbreitete Misstrauen und die gegenseitige Konkurrenz brachten Kompetenzstreitigkeiten hervor, die sich in Beschwerden und Beschuldigungen bis auf die Sekretärsebene niederschlugen.232 Die Praxis, alle Papiere für eventuelle spätere Verwendung zu archivieren, ließ Konvolute veralteter Chiffren und interzepierter Post entstehen.233 Betriebene Geheimdiplomatie wurde durch die chiffrierten Gesandtschaftsberichte sichtbar.234 Besonders zahlreich vertreten sind Quellen aus dem Dreißigjährigen und dem Siebenjährigen Krieg. Dieser Umstand ist möglicherweise der gesteigerten geheimdienstlichen Aktivität geschuldet, kann aber auch auf Überlieferungsvorteilen wie sicherer Archivierung beruhen. Da auch Brandenburg gegen Schweden Krieg führte und mit Sachsen-Gotha229 Für die Jahre 1703–13 und 1733–35 vgl. Archives du Ministère des Affaires étrangères, Paris, Correspondance Politique, Allemagne, Nr. 346–352; Nr. 382–387, Correspondance secrète. 230 Beispielhaft vgl.  SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc.  9692/14, Bitte des Kurfürsten Johann Georgs II. von Sachsen um ein Gutachten bei seinen Räten, 28. Dezember 1665, unfol. Die Räte lieferten das Gutachten am 15. Januar 1666. Aus dem 18. Jahrhundert ist überliefert, dass August II. von Polen die Geheimen Räte bat, sie mögen „Deliberation pflegen“. Der König hat über diese Sache vor der Abreise dem Grafen von Flemming seinen Willen „entdecket“ und seine Gedanken eröffnet. Flemming sollte darüber nur dem Prinzen Eröffnung tun, aber jetzt auch die Grafen Manteuffel, Seebach und Bernhard von Zech dabei zu Rate ziehen und das Werk in reifliche Erwägung ziehen. Er erwarte das Gutachten schnellstmöglich. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc.2090/36, August II. an Flemming, 31. Januar 1728, f. 40. 231 So berichtete der preußische Geheimgesandte 1733 nach Berlin: „Son Favorit Solkowffsky n’est pas un genie. qu’on croit propre pour cela. et ceux que l’Electrice pourroit mettre sur les rangs luy parroissent suspects, car suivant dce dont on m’assure son credit de même que celuy de ses adherents, n’est pas des mieux etablis. Une personne, qui peut scavoir quelque chose des intrigues de la cour, m’assure, que tout e conseil privé ’aujourdhuy a l’exception d’un ou deux membres, mais qui n’ont guerres de voix en chapitre, est devoué à la cour de Vienne“. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 60, Depesche vom 21. Februar 1733, unfol. 232 Beispielhaft der Fall Sebastian Dehn, vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9686/17. 233 Aus den fast 80 Chiffrenakten und etwa 20 Interzeptionsakten im Dresdner Archiv siehe beispielhaft SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8233/5; Loc. 8236/10; Loc. 9270/22; 10026 GK, Loc. 3656/1. 234 Vgl. beispielhaft SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3424/6.

1.5 Quellen

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Altenburg in engem Kontakt stand, sind aus dem Schwedisch-Brandenburgischen Krieg gleichfalls vertrauliche Korrespondenzen erhalten.235 Die intensivere Geheimdiplomatie im Absolutismus schlug sich in einer stark ansteigenden Zahl von chiffrierten Gesandtschaftsberichten, Instruktionen zur Spionage und Briefinterzeption nieder. Das Thema der Geheimdiplomatie lässt sich durch regierungsamtliche Dokumente wie Instruktionen, Berichte, Rechnungen usw. erschließen. Parallel dazu sind sozial- und kulturhistorische Quellen in die Arbeit einzubeziehen, da private Briefe gelegentlich Hinweise auf geheime Vorgänge erwarten lassen. Den Hauptfundort der Quellen stellt das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden dar. Hier konnte in den Beständen „Geheimer Rat (Geheimes Archiv)“ und „Geheimes Kabinett“ ein großer Fundus an themenrelevanten Akten gefunden werden. Überlieferungen geheimer politischer Korrespondenzen verraten einzelne Aktentitel im Bestand der Handschreiben.236 Die Recherche von Wortfeldern rund um abgefangene Briefe, Interzepte, Spionage, Entführungen, secret, Gerücht usw. ließen mehrere Aktenkonvolute zum Vorschein kommen. Diese sind jedoch besonders quellenkritisch zu betrachten, da die Untersuchungskommissionen oft eine Vorverurteilung der Angeklagten zu bestätigen suchten. Gelegentlich lässt sich durch korrespondierende Quellen nachweisen, dass Deliquenten zur Unterschrift der Verhörprotokolle gezwungen oder diese nachträglich gefälscht wurden. Zu speziellen brisanten Themen sind die Gutachten der herrschaftlichen Berater und die Protokolle des Kabinetts ebenso heranzuziehen wie die private bzw. geheime Korrespondenz der Kabinettsmitglieder und der zuständigen Gesandten. Im Bestand „Landesregierung“ fanden sich bei den Regierungssachen und den Bestallungen interessante Akten zu den Sekretären und deren Instruktionen. Im Bestand „Geheimer Rat (Geheimes Archiv)“ ist unter dem Punkt „Gesandtschaften“ ein eigener Bestand von Chiffrensammlungen entdeckt worden, aus dem eine Übersicht aller überlieferten Chiffren zusammengestellt werden kann.237 Leider sind zwei Akten mit vermischten Gesandtschaftssachen und Beilagen verloren gegangen und nur noch im Findbuch als ehemals existent deklariert.238 Im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar wurde in den Beständen „Ernestinisches Gesamtarchiv“ und „Herzogtum und Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach“ nach Strafsachen, Kammerrechnungen, Kanzleiordnungen, Dienstbestallungen, Postwesen und Militärangelegenheiten gesucht. Es konnten u. a. Akten ausfindig gemacht werden über Schriftwechsel, welcher den Boten und anderen Personen „abgenommen“ worden war (1546–53). Ebenso sind eine Akte über einen Postwagenüberfall und mehrere Agentenbestallungen für das Thema relevant.

235 Vgl. ThStAG, GA, C IX, Nr. 3; C III, Nr. 4; C IX, Nr. 1. 236 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3241/1; Findbuch „Handschreiben“, f. 189, 197, 424. 237 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Findbuch „Gesandtschaften“, Abschnitt „Sächsische Gesandtschaften“ und „Chiffres“. 238 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8236/21; Loc. 8236/22.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

Das Thüringische Staatsarchiv Gotha besitzt im Bestand „Geheimes Archiv“ etliche vertrauliche Korrespondenz mit Schweden während des Dreißigjährigen Krieges und des Nordischen Krieges. Ebenso ist die Inhaftierung des Geheimrats von Mühlpfordt wegen Geheimnisverrates mit einer dicken Untersuchungsakte erwähnenswert. Listen mit Decknamen aus dem Jahr 1737 und chiffrierte Agentenberichte zu Kriegsereignissen 1635 konnten gleichfalls gefunden werden. Wegen der sächsisch-preußischen Gegnerschaft ist besonders das Preußische Staatsarchiv in Berlin in die Untersuchung einzubeziehen, denn einige Spionagefälle sind im Dresdner Hauptstaatsarchiv nur dünn überliefert (Menzel, Erfurth, Padra, Avenarius, Borck, Geyer, Fritzsche, Scharnau, Lebau, Löhnig, Hayn). Daneben verdient der Fall Christian Friedrich Hertzers wegen seiner herausragenden Bedeutung – Sachsen war jahrelang diesem preußischen Spion auf der Spur – eine Quellenrecherche. Nicht zuletzt kann durch preußische Akten nachgewiesen werden, wie Preußen der Geheimen Expedition von Brühl auf die Spur kam und dass es neben Menzel und Erfurth weitere sächsische Informanten für den preußischen Hof gab. Im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt konnten in den Beständen über die Sekundogenituren Weißenfels, Merseburg und Zeitz keine geheimdiplomatischen Aktivitäten nachgewiesen werden.239 Ein thematischer Bezug findet sich bei der in Dresden aktenkundigen Entführung des Zeitzer Leibmedicus und der geplanten Entführung des Prinzen von Sachsen-Zeitz. Darüber hinaus war der Herzog von SachsenWeißenfels stark in den Chiffrennetzwerken verankert, und nicht zufällig kam ein Spion aus Weißenfels. Nicht zu vergessen ist die Arretierung des Merseburgischen Geheimrates Brand und die Merseburgische Warnung vor einer Entführung des Zeitzer Prinzen. Abgesandten kam aufgrund ihrer Weisungsgebundenheit ein Sonderstatus zu, der sie unverletzlich machte.240 Nicht selten wurden geistliche Würdenträger für die Überbringung von Nachrichten und Auskundschaftung eingesetzt, da sie relativ unverdächtig neben missionarischer Tätigkeit auch diplomatisch aktiv sein konnten. Um die Immunität der Gesandten zu schützen, wurden ihnen häufig Geleitsbriefe, Instruktionen und Vollmachten ausgehändigt. Von Italien ausgehend, institutionalisierte sich der diplomatische Verkehr ab Mitte des 15. Jahrhunderts. Dieser ging mit der enger werdenden Verflechtung von Innen- und Außenpolitik einher.241 239 Am Standort Wernigerode liegen nur einzelne geheimdiplomatische Quellen im Nachlass des Freiherrn Johann Christoph von Urbich, ein Vertrauter des sächsischen Ministers von Zech. Er war in dänischen und russischen Diensten in Wien als Gesandter tätig. Am Standort Magdeburg enthalten die Bestände des Erzstifts Magdeburg und des Bistums Halberstadt nur sehr vereinzelte relevante Quellen. Die meisten Funde im Landeshauptarchiv behandeln jedoch den anhaltinischen Bereich (Abteilungen Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen, Anhalt-Zerbst) und sind somit für die auf Sachsen konzentrierte Studie nicht einschlägig. 240 Vgl. Wicquefort 1682, S. 567. 241 Vgl. Art. „Gesandte“, in LMA IV, Sp. 1363–1382, München 1989.

1.5 Quellen

61

1.5.3 Bildquellen Die gestärkten Territorialherrschaften des 16. Jahrhunderts maßen der Kunst einen großen politischen Stellenwert bei. Am sächsischen Fürstenhof zählte Lucas Cranach d. Ä. zu den führenden Künstlerpersönlichkeiten, die Politik und Kunst zusammenführten.242 König Friedrich II. von Preußen war der Ansicht, das Terrain sei das erste Orakel, welches man befragen müsse. Danach könne man die Disposition des Feindes aus den allgemeinen Kriegsregeln erraten.243 Um die geographischen Gegebenheiten in die Feldzugskonzeption einbauen zu können, waren Zeichnungen von Spionen notwendig. Dabei geriet auch Landschaftsmalerei oft in den Verdacht der Spionage. Die zeitgenössische Problematisierung von spionierenden Künstlern führte zur typischen Ikonographie des Sujets.244 Dieser Kontext erklärt die Bedeutung von Bilddarstellungen militärisch wichtiger Orte als relevante Bildquelle zum Verständnis frühneuzeitlicher Kriegführung. Daneben zeichnen sich einige Titelkupfer einschlägiger Druckwerke der Kryptologie- und Spionageliteratur durch großen Detailreichtum aus.245 So zeigt der Bestseller von Stübels „Aufgefangenen Briefen“ realistische Darstellungen von Überfällen auf Boten (Abbildung 1). 1.5.4 Abstrakte Überreste Der Umstand, dass eine Stelle am Dresdner Festungswerk „die Horche“ hieß, und dass sich um einen hingerichteten Spion die Sage vom „Grauen Mönch“ spann, hat bis heute die städtische Geheimdiplomatie lebendig gehalten. Auch Ortsnamen haben zur Überlieferung geheimer Vorgänge in Sachsen beigetragen. Genannt sei zum einen die im Elbsandsteingebirge nach einem verurteilten Spion benannte „Galgen242 Vgl. die Ausstellung „Apelles am Fürstenhof. Facetten der Hofkunst um 1500 im Alten Reich, 22. August bis 7. November 2010, Veste Coburg. 243 Vgl.: Friedrich II., König von Preußen: Gedanken und allgemeine Regeln für den Krieg, 1755, § 7 Gefechte und Schlachten, in: Volz, Gustav Berthold (Hrsg.): Die Werke Friedrichs des Großen. Bd. 6: Militärische Schriften, Berlin 1913, URL: http://friedrich.uni-trier.de/de/volz/6/text/ < 91>; [19.06.2012; ASR]. 244 Vgl. Pfaffenbichler, Matthias: Das Schlachtenbild im ausgehenden 16. und 17. Jahrhundert, Diss. Wien, 1987; Boskamp, Ulrike: The Artist as Spy – Artistic Mobility and the Power of the Image, in: Hepdinçler, Tolga; Johnson, Lewis (Hrsg.): Mobility and Fantasy in Visual Culture. Akten des Colloquiums am 20./21.05.2011, Bahçeşehir University, Istanbul (im Druck); Dies.: „Märtyrer des Zeichenstifts“ – Reisende Künstler aus Großbritannien, Zeichenverbot und Spionageverdacht im habsburgischen Lombardo-Venetien des 19. Jahrhunderts, in: Fleckner, Uwe; Steinkamp, Maike; Ziegler, Hendrik (Hrsg.): Der Künstler in der Fremde. Wanderschaft – Migration – Exil (= Mnemosyne. Schriften des Internationalen Warburg-Kollegs. 3) (in Redaktion); Dies.: Kunst oder Spionage? Kippbilder zwischen Ästhetik und Militär, in: Assmann, Jan und Aleida (Hrsg.): Aufmerksamkeiten, (= Archäologie der literarischen Kommunikation VII), Paderborn 2001, S. 151–169. 245 Beispielhaft: Friderici 1684, Marana 1733, Dlandol 1793 sowie die Bände von Stübel 1699–1704.

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1. Der dunkle Gang der Geschichte

schänke“ beim Papststein. Zum anderen ist die Goldtschmidthöhle erwähnenswert, wo der Papiergeldfälscher Friedrich Eduard Goldschmidt aus dem Anhaltischen 1854 Unterschlupf fand und seine geheime Fälscherwerkstatt solange weiterbetrieb, bis er durch eine Spiegelung im nächtlichen Regen von der Festung Königstein aus entdeckt wurde. Der unweit von Magdeburg liegende Hügel „Spionskopf “ erinnert daran, dass bei Belagerungen der Stadt von dieser Anhöhe aus das Geschehen innerhalb Magdeburgs  ausgespäht wurde. Eine besondere Bedeutung soll der Hügel bei der Eroberung durch Tilly im Jahr 1631 gehabt haben. Die auf dem Spions-

Abbildung 1: Aufgefangene Brieffe, welche zwischen etzlichen curieusen Personen über den ietzigen Zustand der Staats- und gelehrten Welt gewechselt worden. Erste Ravage, 1699, Frontizpiz, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, H 8° 5412 (1)

1.5 Quellen

63

kopf  gefundenen  Skelette  ließen sich archäologisch der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zuordnen. Zu den abstrakten Quellen zählen auch die in den Schriftquellen mitunter hervorgehobenen Verzögerungen bei der Post oder gar die Klage über den nachweislichen Aufbruch des Briefes bis hin zu dem Fall, dass manche Zustellungen ihren Empfänger nie erreicht haben. 1.5.5 Sachquellen Von den Fälscherwerkstätten sind kaum Werkzeuge überliefert. Die Chiffrenmaschinen, Chiffrierscheiben und Schablonen berichten von den technischen Neuerungen der Kryptologie während der Frühen Neuzeit. Im Mathematisch-Physikalischen Salon der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wird der einzig erhaltene Dresdner Geheimschriftzirkel von 1633 aufbewahrt.246 Über dessen Gebrauchsweise sind sich die Experten bis heute nicht einig. Der Oberkonservator Michael Korey kann aus dem Gerät etwa ein Dutzend Anwendungsmöglichkeiten zur Chiffrierung herleiten.247 Gleichermaßen zu den Sachquellen zählen die verschiedenen Vorkommen von Geheimarchitektur (verborgene Treppen und Türen, Geheimgänge, Verstecke, doppelte Böden, etc.). Die in spezieller Falttechnik und Einschnürung überlieferten chiffrierten Briefe aus Wien zeugen von dem Bemühen, die Briefspionage zu behindern. Speziell zur Brieffaltung sind hier einige Anmerkungen nötig. Die kanzleimäßige Faltung erfolgte von links und rechts und bei größeren Papieren auch zuvor von oben nach unten. Auch die Schließung des Briefes mittels Papierschlaufe oder Siegel folgte einem standardisierten Verfahren. Abweichungen davon hatten besondere Gründe. Wie bereits Julian Holzapfel feststellte, waren vertrauliche Korrespondenzen und Gesandtenberichte prinzipiell kleinformatiger gefaltet, um sie unauffälliger zu verschicken.248 Die an den regulären Brief angehängten Zettel enthielten vergessene oder in letzter Minute eingetroffene Informationen, konnten aber auch zur Geheimhaltung dienen, um persönliche oder spezielle Inhalte nur einer bestimmten Person zukommen zu lassen. So war eine Überschrift wie „tibi soli“ oder „secret“ ein Signal, um den Text zu kennzeichnen, der beim Vorlesen des Briefes nicht vor allen Anwesenden vorgetragen werden sollte. Diese Zettel waren vom Brief abtrennbar und konnten dem Herrn sofort vorgelegt werden und gegebenenfalls auch rasch weitergegeben und kopiert werden.249

246 Geheimschriftzirkel von Joachim Deuerlein, 1633, vergoldetes Messing mit Silber Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Mathematisch-Physikalischer Salon, Inventarnr. A I 10. 247 Vgl. Korey 2015. 248 Vgl. Holzapfel 2008, S. 99, 185; König 1875, S. 102. 249 Vgl. Holzapfel 2008, S. 278.

2. Aspekte der Geheimdiplomatie 2.1 Versuch einer Systematik der Geheimdiplomatie Innerhalb der Politik wurde auf die Geheimdiplomatie nicht wahllos, sondern gezielt an gewissen Punkten zugegriffen. Die Vermessung des diplomatischen Koordinatensystems ergibt eine klare Bestimmung dieser Punkte. Sie ergeben sich aus einem bestimmten Grad der Perspektivität, Kontextualität, Intentionalität, Funktionalität sowie der Perzeption und Antizipation. 2.1.1 Perspektivität, Kontextualität, Funktionalität und Intentionalität Die Nachrichtenbeschaffung diente dem obersten Ziel, aus einer Situation gewisse Vorteile oder zumindest keine Nachteile in der Informationslage im Vergleich zum Gegner zu ziehen. Prinzipiell ist die Geheimdiplomatie stets der Dialektik zwischen dem Eigenen und dem Fremden bzw. den Anderen unterworfen. Dabei können sich die Gegner im unmittelbaren Umfeld, im eigenen Land oder auch im Ausland befinden. In der Frühneuzeit gewann die Geheimdiplomatie zumeist in bestimmten Zusammenhängen an Bedeutung: – im Kontext von Krieg und Frieden (militärisches Gleichgewicht, Gefahrenlage, Friedensbereitschaft, Kriegsrüstung) – im Kontext von Verhandlungen und Sondierungen (Heiratspolitik, Wirtschaftsverträge, Wahlen, politische Positionierung) – im religiösen Kontext (Reformation, Konversion, Aufklärungskritik) – im innenpolitischen Kontext (Spionageabwehr, Kontrolle, Zensur, Intrige) – in Zusammenhang mit Abenteurerei/Alchemie/Mystik Verschiedene Bipolaritäten, u. a. zwischen Protestanten und Katholiken, Bourbon und Habsburg, Dänemark und Schweden, Sachsen und Polen, Ernestinern und Albertinern bestimmten die Politik der Frühen Neuzeit sowohl sichtbar als auch unterschwellig.

66

2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Neben der Kontextualisierung hinterfragt eine Analyse von Geheimdiplomatie die Funktionalität der getroffenen Maßnahmen. Nach aktuellem Verständnis sind Geheimdiensten vier Funktionen zugeordnet, die man in die passive Informations- und Schutzfunktion sowie die aktiv ausgerichtete Gegenspionage und Angriffsfunktion unterscheiden kann. Doch greift reine Unterteilung in Passivität und Aktivität zu kurz. Vielmehr muss die Aktivität zusätzlich in offensive und aggressive Formen unterteilt werden, da sich beide in Methoden und Zielen unterscheiden. Tabelle 7: Defensive, offensive und aggressive Geheimdiplomatie Form der AußenZiele Geheimpolitische diplomatie Einstellung defensive passiv Sicherung der Staatsform, Sicherung der Herrschenden, Sicherung des Friedens, Spionageabwehr offensiv aktiv politische, wirtschaftliche und soziale Vorteile, Kriegsvorbereitung, Feindaufklärung aggressiv

aktiv

vorsätzliche Schädigung des Gegners

Methoden

Perspektive

Geheimschrift, Steganographie, Verstellung

das Eigene

Spionage, Interzeption, Simulation, Abhöranlagen, Ablenkung Sabotage, Falschinformation, Doppelspione

der Andere

der Andere

Wie Lucien Bély bemerkte, macht sich die Perspektivität auch in der Sprachwahl bemerkbar, wenn etwa die eigenen Leute als Agenten gewürdigt, die fremden aber als Spione diffamiert werden.1 Konkurrenz, Prestigekampf und Gleichgewichtsstreben im Mächtesystem waren die bewegenden Kräfte der Außenpolitik. Ihnen waren einzelne Ziele untergeordnet: Weil ein Fürst mehr Prestige hinzugewinnen wollte, war er um politische Vorteile bemüht, die er mit Hilfe von Informationspolitik und Geheimdiplomatie zu erlangen suchte. Soziale Vorteile wie Steigerung des Prestiges, der Glaubwürdigkeit oder der Ehre dürfen nicht geringer erachtet werden als handfeste wirtschaftliche oder territoriale Gewinne, da sich die Gesellschaft in der Frühen Neuzeit bekanntlich stark an diesen Mustern ausrichtete.

1

Bély 1990, S. 51.

2.1 Versuch einer Systematik der Geheimdiplomatie

67

2.1.2 Informationspolitik Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass Informationspolitik in all ihren Facetten die Grundlage jeder Geheimdiplomatie bildet. Um eine Asymetrie im Kenntnisstand zu vermeiden, zielt die Geheimdiplomatie auf Informationsgewinn. Die Informationspolitik, folglich die Sammlung, Analyse und Verwertbarmachung von Informationen, wird gemeinhin als „Intelligence“ bezeichnet. Die Informationssammlung erfolgt durch Wahrnehmung und Kommunikation. Diego Navarro Bonilla differenziert die Analyse in drei Komponenten, die auf Wissen, Organisation und Aktivität gründen: Inhaltsanalyse, Strukturanalyse und Prozessanalyse.2 Im Hintergrund stehen die Fragen: Welche Information wird geliefert? Welchen institutionellen Ursprung hat sie? In welcher Phase ist sie gewonnen, transportiert und empfangen worden? Dabei ist zu beachten, dass in der Politik das Interesse des Empfängers über die bloße gezielte Briefbeförderung hinausgeht und auch die Art und Weise berührt, wie die Nachricht beim Empfänger eintrifft: möglichst rasch, vollständig und ungeöffnet. Dabei war die Informationspolitik stets Chefsache. König August III. verlangte im Polnischen Thronfolgestreit in den Allianzgesprächen mit Wien und den Verhandlungen um die Pragmatische Sanktion, es müsse „zuverläßige Communication geschehen“, der Envoyé habe „authentisch […] um gleichmäßige vorgängige beglaubte Communication anzusuchen“, und „ungesäumte Communication“ leisten.3 Darüber hinaus „hat man unter der Hand schon so viel Nachricht“ erlangt, die „vertraulich zu communicieren“ sei, wobei „keine Zeit verabsäumet werden“ dürfe.4 Abgewandelte Formulierungen, die in einigen Fällen noch mit Hinweisen auf zu verwendende Chiffren ergänzt waren, finden sich in nahezu allen Instruktionen und belegen die hohe Bedeutung der verdeckten Sammlung und Sendung von zuverlässigen Nachrichten. Der Wert der Informationen bemisst sich demnach an folgenden Kategorien: – Schnelligkeit und Pünktlichkeit (Zeit) – Vollständigkeit und Relevanz (Inhalt) – Zuverlässigkeit und Authentizität (Quelle) – Sicherheit und Exklusivität (Geheimhaltung) Die Notwendigkeit einer Interpretation von Informationen ist von den Zeitgenossen reflektiert worden, wenngleich sie nicht systematisch erfolgte, sondern zumeist nur die Glaubwürdigkeit und Sicherheit der Quelle betraf.5 Die heutigen Geheimdienste klassifizieren diesen Aspekt unter fünf Stufen von „komplett sicher“ bis „nicht glaubhaft“.6 2 3 4 5 6

Vgl. Navarro Bonilla 2004, S. 96. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3426/5, Friedrich August II. an die Gesandten von Lützelburg und von Zech, 13. April 1733, f. 36 f. Ebd., f. 37 f. Vgl. Callière 1757, Bd. 2, S. 141 f. Vgl. „Source“, in: Aumale, Faure 1998, S. 413.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Allerdings sollten gerüchteähnliche Informationen, die Genêt alle unter dem Begriff „windige Geheimnisse“ fasst, differenziert werden.7 Als Gerüchte gelten zirkulierende unbestätigte, relevante Informationen. Sie verbreiten sich meist in bedrohlichen Situationen, da sie dem Menschen zur Sinngebung und zum Risikomanagement hilfreich sind.8 Klatsch und Tratsch unterscheidet sich davon, dass er nicht in bedrohlichen Situationen, sondern zum Aufbau oder zur Strukturierung sozialer Systeme, zur Unterhaltung und Verleumdung dient und prinzipiell unwichtig ist. Wie DiFonzo und Bordia herausfanden, veränderten Gerüchte das Verhalten und die Einstellung derjenigen, die sie hören, ganz unabhängig davon, ob sie diese glauben oder nicht.9 Aber die Stärke des Einflusses hinge vom Erzähler, dem Rezipienten und der Beziehung beider zueinander ab. Somit ist ein grundlegendes Misstrauen in Kombination mit guter Menschenkenntnis der beste Schutz davor, sich von Gerüchten beeindrucken zu lassen. Gerade auch die allgemeine Verfügbarkeit des Gerüchts macht sie zu einer schlechten Informationsquelle für Diplomaten, doch in der Bevölkerung wurde dem „Raunen“ mehr Glauben geschenkt als persönlichen Aussagen eines Einzelnen.10 Die übrigen Aspekte, die den Wert von Informationen ausmachen, geraten in der Erforschung geheimer Kommunikation erst dann ins Blickfeld, wenn sich Unregelmäßigkeiten einstellten, also der Empfänger sich nicht pünklich und ausreichend informiert fühlte oder am sicheren Nachrichtentransfer zweifelte. Der Zeitdruck, der sich aus der Dynamik in bilateralen Beziehungen ergeben konnte, ist an dem von Volker Laube präsentierten Beispiel der österreichisch-bayerischen Geschichte erkennbar, als Spionage infolge von verspätet eingetroffenen und irrelevanten Informationen, die noch dazu früh öffentlich wurden, scheiterte.11 Besonders in kritischen Zeiten wurde die Notwendigkeit von Garantien und Glaubhaftigkeit immer wieder betont. Es kann Friedrich L. Bauer nicht zugestimmt werden, dass die Authentisierung von Informationen „erst neuerdings zu größerer Bedeutung gelangt“ sei. Vielmehr war die Herkunft von Informationen stets in der Nachrichtenübermittlung thematisiert und interpretiert worden, um dem Empfänger die Einordnung zu erleichtern. Als besonders geeignetes Beispiel sind hier die Briefe der Herzogin Elisabeth von Rochlitz zu nennen, auf die später noch zurückzukommen sein wird und die stets die Qualität ihrer Informationen beurteilte. Ebenso war den Zeitgenossen durchaus bewusst, dass die Aussagen von Deserteuren im Verhör teilweise unbrauchbar waren.12 Im Dreißigjährigen Krieg ließ der sächsische Kurfürst die Kundschaften von gefangenen Schweden unbeantwortet.13 Wenn er ihnen größeren Wert beigemessen 7 8 9 10 11 12 13

„Secrets éventés“. Vgl. Genêt 2013, S. 199. Vgl. DiFonzo, Bordia 2007, S. 13. Vgl. ebd., S. 43. Vgl. Hüchtker 2006, S. 179. Vgl. Laube 2006. Vgl. Anklam 2012, S. 224. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10721/5.

2.1 Versuch einer Systematik der Geheimdiplomatie

69

hätte, wären sicher Instruktionen zu zielgerichteter Befragung erfolgt. Jedoch konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Kriegsgefangenen wahrheitsgemäße Schilderungen lieferten. Auch Genêt zählt sie zu den „Zwangsinformanten“.14 Die Truppen waren aber auf zuverlässige „Teilinformationen von temporärem Nutzen“ angewiesen.15 Die Qualität und die Quantität von Informationen können nur in Kombination mit optimalen Transferbedingungen, die die Öffentlichkeit ausschließen, die Basis einer nützlichen Nachricht sein. Neben dieser Einteilung werden Informationen auch hinsichtlich ihrer Geheimhaltung untergliedert.16 Üblicherweise gelten als „top secret“ solche Informationen, deren Publizierung einen außergewöhnlich gravierenden Schaden nach sich zöge. Das Label „secret“/„geheim“ beinhaltet brisante Informationen mit potentiell ernsthaften Schäden, wenn sie in falsche Hände geriete. Unter „confidential“/„vertraulich“ ist eine Information einzustufen, deren Bruch der Geheimhaltung schädlich sein könnte. Vor der Informationssammlung ist eine Einteilung der Informationen entsprechend des Bedarfes empfehlenswert, um dringende, nötige, nützliche und ergänzende Informationen mit einer entsprechenden Priorität zu versehen und zeitnah mit den wichtigsten versorgt zu werden. In der Analyse wird gleichfalls die Spreu vom Weizen getrennt. Der Informationssammlung stand im Kriegsfall zu Propaganda- und Täuschungszwecken die Informationsstreuung gegenüber. Hierbei war nicht Wahrheit oder Falschheit das entsprechende Kriterium, sondern Wirksamkeit.17 2.1.3 (Fehl-) Perzeption und Antizipation Ein zentrales Element in der Politik ist die Prognostizierbarkeit des Verhaltens der Gegenseite. Die Antizipation beziehungsweise die Erwartung einer bestimmten Aktion bestimmt die eigenen Entscheidungen. Prognose und Wahrnehmung hängen eng zusammen. Das Kommunikationsmodell des „Johari-Fensters“ zeigt die Bedeutung nicht-öffentlicher Bereiche der Persönlichkeit und des Verhaltens für die zwischenmenschlichen (bzw. auf dieses Thema angewendet: die internationalen) Beziehungen.18

14 15 16 17 18

„Informateurs sous la contrainte“. Genêt 2013, S. 52–55. Anklam 2012, S. 230. Vgl. Shulsky 2002, S. 100. Vgl. Horn 2001, S. 57. Vgl. Luft, Joseph; Ingham, Harry: The Johari Window, a graphic model for interpersonal relations. Western Training Laboratory in Group Development, Los Angeles 1955.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Tabelle 8: Kommunikationsmodell nach Luft und Ingham („Johari-Fenster“) anderen bekannt anderen unbekannt

mir bekannt Öffentliche Seite Geheimnis

mir unbekannt Blinder Fleck Unbekanntes

Mit der Geheimdiplomatie versuchten nun die Fürsten, den Bereich des Blinden Flecks zu verkleinern, die öffentliche Seite zu kontrollieren, das Geheimnis zu bewahren und Unbekanntes in Erfahrung zu bringen, um einen Vorteil gegenüber den Anderen zu gewinnen. Dabei kommen stets offene und verdeckte Aktionen zum Einsatz, je nachdem, ob der Gegner bzw. die Öffentlichkeit die Maßnahme wahrnimmt oder nicht, verbunden mit dem Aspekt, ob dies intendiert war oder nicht. So lässt sich hinsichtlich der Perzeption eine Dreidimensionalität der Ebenen feststellen. Daran anschließend ist zu klären, inwieweit die Kenntnis von mehr oder weniger richtigen und vollständigen Informationen die gegenseitige Perzeption beeinflusst. Ob relevante Nachrichten pünktlich, vollständig, verschlossen und aus sicherer Quelle an den Adressaten gelangten und ob dieser Kenntnis von eventuellen Mitwissern hatte, ist mit ausschlaggebend für sein Bild von einer Situation. Auch macht es einen Unterschied, ob ein Informationsvorteil bewusst wahrgenommen wird oder ob sich eine Partei trotz eines Infomationsgleichstandes benachteiligt fühlt. Das Johari-Fenster ist

Grafik 4: Perzeptionsschema

2.1 Versuch einer Systematik der Geheimdiplomatie

71

somit noch um einige Dimensionen zu erweitern, um folgende Situationen mit abzudecken: Weiß der Andere (A = Alter), dass ich (E = Ego) weiß, was er (nicht) weiß? Weiß ich, dass der Andere weiß, was ich weiß? Positiv formuliert: „Wer reflexiv geheimhalten will, muss sein Verhalten an einer doppelstufigen Reflexivität der Erwartungsstruktur orientieren.“19 Die folgende Grafik verdeutlicht dieses gegenseitige Sich-Spiegeln. Im Zentrum steht das Johari-Fenster in verkürzter Darstellung (A = Alter, E = Ego, + = Kenntnis, – = Unkenntnis). Daran jeweils anschließend die Bezugnahme des Anderen und schließlich die eigene Perspektive auf den Wissensstand des Anderen. Diese Weiterentwicklug des Johari-Fensters ist ein Schema zur Veranschaulichung von Perzeptionen mit zwei Reflexionsebenen (Grafik 4). Angesichts klammer Kassen und mangelndem Verständnis für die Notwendigkeit einer guten Intelligence sind im Zusammenhang mit Kriegen immer wieder Fehlperzeptionen vorgekommen. Um die Tragweite versäumter Chancen und Missverständnissen zu veranschaulichen, wird im Folgenden ein Beispiel angeführt (Grafik 5). Eine Aktion wurde nicht geheimgehalten, sondern offen ausgeführt (z: 1). Der Gegner nahm sie dennoch nicht wahr (y: 0), was mangels Wahrnehmung dieses Sachverhalts allerdings nicht ausgenutzt wurde (x: 0). Im konkreten Beispiel wird die Tragweite einer solchen Fehlperzeption deutlich, wenn man zwei Reflexionsstufen einbezieht. 1756 bereitete Friedrich der Große den Angriff auf Sachsen vor. August III. ließ alle Warnungen an sich abperlen, so dass er vom Einmarsch der Preußen überrascht wurde. Nichtwahrhaben-Wollen kam in diesem Fall der Unwissenheit gleich.

Grafik 5: Anwendungsbeispiel (3-D-Modell)

19

Sievers 1974, S. 84.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Auf das erweiterte Johari-Fenster angewendet, kann die Lage aus der Perspektive Friedrichs II. (Ego = Friedrichs, Alter = August III.) so dargestellt werden, wie die rot markierten Felder aufzeigen: Friedrich hatte in der ersten Ebene Wissen von dem Feldzug, der August III. verborgen blieb (E+ A-). Doch August III. nahm diese Realität nicht wahr – die Situation war selbst in der Reflexionsebene noch ein Geheimnis des preußischen Königs (E+ A-). August III. wusste nicht einmal, dass Friedrich II. diesen Wissensvorsprung hatte. Inwieweit war Friedrich II. über diese Unwissenheit in Sachsen informiert? Er ist sich darüber sehr wohl bewusst gewesen, denn es war ihm klar, dass er Sachsen völlig unvorbereitet traf. Entsprechend gespiegelt sieht die Verortung aus der Perspektive Augusts III. aus, wie die grüne Markierung verdeutlicht. Was aus Friedrichs Perspektive ein dreifaches Geheimnis war, ist für die Generäle um Rutowski nichts Unbekanntes gewesen. Nimmt man Rutowski als Ego und Friedrich II. als Alteri an, ergibt sich ein anderes Bild, das die gelben Markierungen hervorheben: E+ A+ in der Wahrnehmungsebene. Auch wusste Friedrich  II., dass die Generäle ihn ausspioniert hatten. Um zu verhindern, dass August III. ihnen Gehör schenkte, bevor der Einmarsch vollzogen war, drängte er zur Eile. Die Generäle waren sich allerdings nicht darüber im Klaren, dass Friedrich II. ihre Spionage

Grafik 6: Anwendung des Perzeptionsschemas auf den Beginn des Siebenjährigen Krieges 1756

2.1 Versuch einer Systematik der Geheimdiplomatie

73

bemerkt hatte, weshalb in der zweiten Perzeptionsebene ein Blinder Fleck zu verorten ist (Grafik 6). In welchem Maße die Geheimdiplomatie auf den verschiedenen Ebenen zur (Fehl-) Wahrnehmung der europäischen Mächte und den sich daraus ergebenden Folgen beigetragen hat, soll später an konkreten Fallbeispielen aufgezeigt werden.20 Neben der statischen Perzeption ist die dynamische Antizipation zu betrachten. Im Beziehungsgeflecht des Geheimnisses antizipieren die Akteure stets die Möglichkeit des Verrats, Seitenwechsels, der Geheimnisvariation, der Erweiterung des Mitwisserkreises. Die Vorhersage, was der Andere als nächstes tut, wird bestimmt von Fähigkeiten, Charakter und Intentionen der Akteure sowie den gegebenen Umständen, was an späterer Stelle noch eingehend erörtert wird.21 Durch die Unsicherheit über das Denken und Handeln der Anderen entsteht eine Labilität, die eine Organisierung und Professionalisierung im Umgang mit dem Geheimnis nach sich zieht.22 Zur Kontrolle von Mitwissern sind im historischen Kontext etliche Quellen entstanden: Dienstvorschriften für Kanzlisten, Instruktionen. Auch die Institutionalisierung in Form von Schwarzen Kabinetten, Nachrichtendiensten und Geheimpolizeibehörden war bedingt durch das Streben nach Professionalität. Die erfolgte Rationalisierung und Berechenbarkeit begünstigte ihrerseits eine bessere Geheimhaltung, wie Georg Simmel darlegte.23 Ein weiterer Effekt war die Vergesellschaftung, da in den Institutionen mittels Arbeitsteilung und Teamarbeit an Geheimhaltung und Enthüllung, Antizipationsszenarien, Analyse und Bewertung gearbeitet wurde. Je größer der Mitarbeiter- und damit der Mitwisserkreis war, desto schwieriger war aber auch die Geheimhaltung und die Kontrolle. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Institutionalisierung kritisch zu bewerten. 2.1.4 Erklärungsversuche für den Einsatz geheimdiplomatischer Mittel Einige Prinzipien sind im Phänomenbereich der Geheimdiplomatie nicht von der Hand zu weisen. Wenn der Andere vom eigenen Wissen oder Nichtwissen Kenntnis hat, bedeutet das prinzipiell einen Nachteil. Das Ego der Politiker muss sich oft wesentlich am Stand des Anderen orientieren, da das politische System über die Grenzen des eigenen Herschaftsbereiches funktioniert. Das Selbstbewusstsein steigt mit dem Gefühl der eigenen Überlegenheit. Bereits im Bewusstsein, einen Informationsgleichstand zu haben, sind manche Menschen geneigt, nach einem – und sei es noch so kleinen – Vorteil Ausschau zu halten. Andere sehen keinen Handlungsbedarf und sind in einer solchen

20 21 22 23

Siehe Kapitel „Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit“, S. 297. Siehe Kapitel „Fähigkeiten, Charakter und Intentionen der Protagonisten im Konzept von Entscheidungsfaktoren“, S. 76. Vgl. Nedelmann 1995, S. 10. Vgl. ebd., S. 12 in Anlehnung an Simmel 1908a.

74

2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Pattsituation zufrieden. Die wenigsten werden aber die Hände in den Schoß legen, wenn sich ihre Situation so darstellt, dass andere mehr wissen als sie. In der Politik wäre ein solches Desinteresse sträflich und hat sich 1756 für Sachsen bitter gerächt. Doch die Kombination aus Realitätsferne (August III.) und Selbstüberschätzung (Graf Brühl) war in der Geschichte eher selten. Vielmehr ist die Politik gespickt mit Charakteren, denen ein Unentschieden keine Genugtuung gibt und die eilfertig um die Verbesserung ihrer Position bemüht sind. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Methoden der Geheimdiplomatie wurden immer dann gewählt, wenn folgende Aspekte zusammentrafen: – entwickelte Konkurrenzsituation oder Gegnerschaft – hohes Schutzbedürfnis seitens des Fürsten und des Landes – hoher Bedarf an Informationen der genannten vier Kriterien – großer Chancenreichtum für den Fürsten hinsichtlich seiner politischen Ziele – hohe Affinität zur Bedrohungsperzeption – großes Bedürfnis eigener Bevorteilung und Benachteiligung des Gegners Eine angespannte Situation und Persönlichkeiten mit vorausdenkendem, planendem Charakter waren Voraussetzung für den Einsatz von Geheimdipomatie. Da es sowohl defensive wie offensive Methoden gab und sie aus Berechnung, Angst, Feindschaft oder Vorsicht eingesetzt wurden, ließ angewandte Geheimdiplomatie keine Rückschlüsse auf den Charakter der Auftraggeber zu, sondern in ihrer Intensität und Professionalität allenfalls auf deren Weitblick, Befähigung, Souveränität und Kassenlage. Erfolg und Scheitern von Geheimdiplomatie – soviel sei vorweggenommen – trat im Wesentlichen dann auf, wenn ein überdurchschnittlicher Professionalitätsgrad bzw. ein komplettes Versagen der geheimdienstlichen Organe zu konstatieren war. Zu weitreichenden Konsequenzen konnte die Geheimdiplomatie nur führen, wenn sie besonders gut oder besonders schlecht war. Stark beeinflusst wurde die Diplomatie von dem Nebeneinander mehrerer Handlungsebenen, dem Überlappen von Netzwerken und dem nicht immer durchschaubaren Ineinandergreifen von Geheimnis und Offenheit. Mary Lindemann brachte es auf den Punkt, indem sie konstatiert: „a dense thicket of secret, semi-secret, or amateur diplomacy paralleled or disrupted official actions.“24 Mehrere Paradoxe kamen in der Praxis der Geheimdiplomatie zusammen.25 Alles hing von der Fähigkeit der Entscheidungsträger ab, welche die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente sachgerecht einzusetzen wissen müssen. Auf dem höchsten Stand der Technik zu stehen, war allein kein Garant für Erfolg. Neue Methoden oder Doktrinen konnten nur durch den praktischen Versuch ihren Wert beweisen und schufen oft genug ihrerseits neue Angriffspunkte und Verwundbarkeiten. Hochriskante Manöver hingegen verloren ihr Risiko auf dem Weg von der Theorie zur Praxis, da sie meist vom 24 25

Lindemann 2006, S. 212. Vgl. Lowenthal 2003, S. 200 f.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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Gegner nicht erwartet wurden und einen Überraschungseffekt mit sich brachten. Trotz aller Versuche, Politik berechenbar zu machen, war den Akteuren eine Grenze gesetzt: die Unsicherheit in Lageeinschätzungen, die Clausewitz als „Nebel“ bezeichnete: Der Krieg ist das Gebiet der Ungewissheit; drei Vierteile derjenigen Dinge, worauf das Handeln im Kriege gebaut wird, liegen im Nebel einer mehr oder weniger großen Ungewissheit. Hier ist es also zuerst, wo ein feiner, durchdringender Verstand in Anspruch genommen wird, um mit dem Takte seines Urteils die Wahrheit herauszufühlen.26

Unsicherheit konnte nur vermindert, nicht eliminiert werden.27 Die Auftraggeber von Spionage waren stets im Paradox von Vertrauen und Misstrauen gefangen. Das höchste Ideal der „unsichtbaren Macht“28 war die labyrinthartige Vernetzung von Sichtbarkeit, Informationsfluss und Lüge. Das Panoptikum von Jeremy Bentham konzipierte eine Anlage, von deren Mitte alles gesehen werden konnte, ohne selbst sichtbar zu sein, während alle anderen sich ihrer Überwachung bewusst sind, aber selbst keine Sicht haben.29 Dieses Prinzip ließ sich nach Michel Foucault, auf andere Institutionen übertragen, wo es um Beaufsichtigung ging, z. B. um die Führung der Berater innerhalb eines Hofes oder mit größerem Blickwinkel um die Kontrolle der Situation im unübersichtlichen Mächtesystem. Der nicht überwachte oberste Wächter eines solchen Systems konnte ein absoluter Fürst sein wie Ludwig XIV. von Frankreich, Katharina II. oder auch schon Iwan IV. von Russland, ein autokratischer Minister wie Graf Heinrich von Brühl oder Kardinal Richelieu ebenso wie ein oberster Berater wie Thomas Cromwell. Erst durch die Volkssouveränität und Demokratie wird der Wächter für die Anderen (zumindest in der Theorie) sichtbar, indem sie ständige „Inspektionen“ von Seiten der Öffentlichkeit vornehmen.30 2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren In der Gegenwart ist die Selbsteinschätzung und die Einschätzung der Gegenseite Grundbedingung einer Lageanalyse, um eine Fehlperzeption möglichst zu vermeiden. Auch ist heute ein Worst-Case-Szenario und eine Exit-Strategie Bestandteil einer umfassenden Analyse im Vorfeld einer wichtigen politisch-militärischen Entscheidung. Diese Vorgehensweise ist allerdings das Ergebnis vieler Fehlschläge, die in der Vergangenheit verarbeitet wurden. Die Entscheidungsträger vor 400 oder 250 Jahren 26 27 28 29 30

Vgl. Clausewitz, Carl von: Hinterlassene Werke des Generals Carl von Clausewitz über Krieg und Kriegsführung, Bd. 3: Vom Kriege, Teil 3, Berlin 1834, S. 23. Vgl. Lowenthal 2003, S. 200. Vgl. Bobbio 1988, S. 86–112. Vgl. Foucault 1977, S. 256–268 Vgl. Bobbio 1988, S. 103. Wo in Autokratien das Staatsgeheimnis die Regel sei, müsse es in der Demokratie eine Ausnahme bleiben. Vgl. ebd., S. 105.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

waren in ihrer Lageanalyse bei weitem nicht auf dem heutigen Stand. Aus ihren Fehlern hat die Politik gelernt, so dass sie heute auf einem völlig anderen Niveau agiert als zu der Zeit, die diese Studie abdeckt. Dessen eingedenk kann an die Akteure dennoch eine Messlatte angelegt werden, um ihre Entscheidungen über geheimdiplomatisches Handeln untereinander abzugleichen. Welche Faktoren aber sind Grundlage für Entscheidungen pro oder contra Geheimdiplomatie, für die Wahl der Praktiken und für den Ereignisprozess? 2.2.1 Fähigkeiten, Charakter und Intentionen der Protagonisten im Konzept von Entscheidungsfaktoren Wie der Intelligence-Forscher Michael Handel ausgeführt hat, steht hinter der Intelligence ein komplexes Gefüge von den eigenen Voraussetzungen und Fähigkeiten und denen des Gegners. Zu den Voraussetzungen zählen seiner Ansicht nach politische Ziele, die Risikobereitschaft und Perzeption beider Seiten; die Fähigkeiten werden von Quantität und Qualität der „Hardware“ (Personal und Ausrüstung) sowie von Doktrinen, Moral, Organisationsgrad usw. bestimmt, so Handel.31 Die Fähigkeiten der Akteure prägen allerdings darüber hinaus auch die geistige Reife, der Charakter und Stärken und Schwächen, wie z. B. Realitätssinn, Kritikfähigkeit, Weitblick, Scharfsinn. Auch sind die Intentionen zu ergänzen, um die Ausgangslage vollständig beurteilen zu können. Insofern ist eine Unterscheidung von persönlichen Voraussetzungen, sozialen Faktoren einerseits und Bedingungen der Sachebene andererseits vorzunehmen. Auf der Sachebene kann die Geheimdiplomatie mit ihren Praktiken eine relevante Funktion ausüben, nämlich entscheidungsrelevante Informationen zu gewinnen. Erst jüngst widmete sich die Geschichtsforschung dieser Vielzahl von Faktoren, aus denen sich eine Entscheidung ableitet und fand heraus, dass jene informationsgenerierenden Verfahren oft vom herrschaftlichen Zentrum an die Peripherie weisen.32 Diese Beobachtung trifft auch auf die frühneuzeitliche Geheimdiplomatie zu, da entscheidungsrelevante Informationen von Spionen, Informanten, Gesandten und aus informellen Netzwerken – die allesamt ein Merkmal des Randständigen trugen – an die Zentrale gelangten. Die Akteure befanden sich in einer Sonderrolle im politisch-gesellschaftlichen System und bereicherten die Entscheidungsfindung um ihre persönlichen Interessen, Einsichten und Nachrichten, so dass ein Spektrum von Kompetenzen, Kommunikation und Kooperation sowie zugleich eine Spannung mit den nichtkooperativen Kräften entstand. Die Betrachtung aller Faktoren zusammen bewirkt, dass Entscheidungen eine Eigenlogik zukommt. Insgesamt tragen mehrere Faktoren zur Entscheidungsfindung und somit zum Handeln bei. 31 32

Vgl. Handel 2003, S. 13. Vgl. Holenstein 2010, S. 381.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

77

Tabelle 9: Einflussfaktoren auf Entscheidungen im Bereich der Geheimdiplomatie Persönliche Voraussetzungen der Protagonisten

Soziale Faktoren

Bedingungen der Sachebene

Intentionen

Geistige Reife Charakter und Temperament Stärken und Schwächen Selbsteinschätzung und Perzeption der Lage und des Gegners Menschenkenntnis Moralisches Verständnis Persönliche Voraussetzungen des sozialen Umfelds Grad und Wirksamkeit der Einflussnahme Politische Situation Beziehungen zwischen den Akteuren Doktrin Usus offener bzw. heimlicher Praktiken wie Täuschung, Lüge, List Usus von Kontrolle, Überwachung, Korruption Qualität und Quantität an Material und Personal Politisch-militärische Lage Geographische Voraussetzungen Wissensstand Position der Justiz Politische, wirtschaftliche, soziale Zielstellungen Vermeidungsziele Persönliche Ziele

Die nach Prioritäten gestaffelten Intentionen sind bei den Entscheidungen die Schranken, zwischen denen changiert wird. Je nach Charakterstärke des Protagonisten spielen soziale Voraussetzungen eine mehr oder minder starke Rolle. Die Bedingungen der Sachebene ließen sich im idealen Fall durch ausreichende Aufklärung, sorgfältige Netzwerkarbeit und Anpassung der finanziellen Ausgaben an die Gegebenheiten kontrollieren. Hingegen sind es oft die persönlichen Voraussetzungen, die den Ausschlag für eine bestimmte Entscheidung geben. Reinsch hat nachgewiesen, dass „politische Instinkte“, wie er die Gefühlsebene nannte, in den internationalen Beziehungen wenig hilfreich sind und, wenn ihnen nachgegeben wird, aggressives Verhalten zeitigten.33 Generalisiert werden sollten die Emotionen jedoch nicht, sondern stets in einem konkreten Zusammenhang erörtert werden, denn eine „präzise Historisierung von Gefühlen im Kontext wechselnder Gefühlsregime erscheint über lange Zeiträume kaum möglich und führt zu fragwürdigen Thesen.“34 Wegen ihrer Tragweite erscheint es sinnvoll, die wichtigsten handlungsleitenden Faktoren im Weiteren etwas genauer zu analysieren, um ihre Kräfte und Einflüsse einordnen zu können. Deshalb soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, unter Berücksichtigung der Kontextualisierung die Komponenten der Politik näher 33 34

Vgl. Reinsch 1922, S. 215. Biess.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

zu beleuchten und dabei die wesentlichen Begriffe zu erörtern: Macht und Ohnmacht, Geheimnis und Öffentlichkeit, Wissen und Neugier, Kontrolle und Überwachung, Aggression und Hass, Risiko und Angst, Zeit und Raum. Implizit eine Rolle spielt das von Ute Frevert aufgeworfene Konzept der vier Elemente von Gefühlen: (1) unmittelbare Wahrnehmung einer Situation, (2) Veränderung körperlicher Empfindungen, (3) Demonstration expressiver Gesten und (4) kultureller Code zur Deutung dieser Gesten.35 Die Abhängigkeit der Ausprägung der Gefühle von der persönlichen Werte- und Toleranzskala führt dazu, dass situative Reaktionen individuell interpretiert werden müssen.36 Unter Berücksichtigung der vielen methodischen Schwierigkeiten der Emotionsforschung konnten in den Quellen deutliche Signale entdeckt werden, dass Gier, Angst, Misstrauen und Hass starke Triebkräfte für den Einsatz geheimdiplomatischer Methoden waren. Somit kreuzen sich im Themenfeld der Geheimdiplomatie verschiedene Sachlagen der angewandten Ethik, die als Prinzipien moralischen Handelns große Relevanz für die Beurteilung der Geheimdiplomatie haben. Die Relevanz dieser Aspekte hat jüngst auch die Intelligence-Forschung betont und das noch bestehende Desiderat systematischer Studien zum Verhältnis von Ethik und Informationspolitik beklagt.37 Selbst der jüngste Beitrag von Bjola kann die Kluft zwischen Geheimdiplomatie und Verantwortung nur skizzieren.38 Neben Fragen nach individuellen Tugenden wie Ehrlichkeit und Loyalität muss der Handlungsrahmen gesellschaftlich-politischen Tuns abgesteckt werden und die Wertebasis zwischen Regeln, Vertrauen und Verantwortung erörtert werden. Die Geheimdiplomatie orientiert sich u. a. zwischen utilitaristischen Positionen und Verantwortungsethik und verweist auf die Friedensethik. Hauptsächlich wird jedoch die Politische Ethik berührt, die politisches Handeln als situationsbedingt einstuft und die verschiedenen Interessen der Beteiligten mit dem Gemeinwohl zu vereinbaren sucht.39 2.2.2 Macht und Ohnmacht Die Geschichtsphilosophie erkennt im Problem von Macht und Ohnmacht die Gefahr der Entfremdung.40 Die Unausweichlichkeit geschichtlicher Prozesse lässt die einzelne Existenz inmitten von Traditionen, Situationen und Kommunikationsformen handeln. Aber zugleich erfährt das Bewusstsein auch die Grenzen des eigenen Handelns, da 35 36 37 38 39 40

Vgl. Frevert, Ute: Angst vor Gefühlen? Die Geschichtsmächtigkeit von Emotionen im 20. Jahrhundert, in: Nolte, Paul u. a. (Hrsg.): Perspektiven der Gesellschaftsgeschichte, München 2000, S. 05–111, 98. Vgl. Bormann, Freiberger, Michel 2010a, S. 24. Vgl. Scott, Jackson 2004, S. 16. Vgl. Bjola 2016. Vgl. Sutor, Bernhard: Kleine politische Ethik, Bonn 1997. Vgl. Schaeffler 1980, S. 38 ff.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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die Geschichte bestimmt wird von der Irreversibilität der Entscheidungen, von der Zukunftsausrichtung und der Anthropozentrik.41 Durch unverständlich gewordene Traditionen und das Abwerfen überlieferter Kulturformen droht ein Identitätsverlust, dem eine Entfremdung von der Realität und der Gesellschaft nachfolgt, was zum Kommunikationsverlust führt.42 Diese Zerstörung der Vernunft könne, so die Aufklärer, nur durch Emanzipation, Kritikfähigkeit und Bildung therapiert werden. Allerdings bildet sich durch die Erkenntnis von Irrtum und dem Welt- und Selbstverständnis des Anderen eine Überheblichkeit aus, da der Verstehende ein höheres Recht auf Wahrheit für sich beansprucht.43 Die Geheimdiplomatie kann dementsprechend als Praxis in einer Phase der gescheiterten Kommunikation verstanden werden, wenn Realitätsverlust und Ideologisierung herrschen. Diese Situation tritt vor allem bei Despoten auf, wobei auch sogenannte Aufklärungsdespoten wie Friedrich II., Katharina II. oder Joseph II. zu erwähnen sind.44 Hintergrund der Geheimdiplomatie ist in letzter Konsequenz der Selbsterhaltungstrieb, der die Herrscher zur Macht über Güter zwingt und zur Durchsetzung ihrer Ziele auch Methoden wählen lässt, die mit ihrer aufgeklärten Einstellung eigentlich unvereinbar sind. Grundlage des Machtproblems sind die Knappheit an Gütern und die natürlichen Leidenschaften des Menschen. Der Mensch hat, so Thomas Hobbes, ein rastloses „Verlangen nach immer neuer Macht“ – die Krux besteht darin, dass jede erreichte Macht einer zusätzlichen Macht bedarf, um sich zu erhalten.45 Die dadurch zwischen Menschen auftretenden Konflikte ließen sich durch Strategien der Machtteilung vermeiden, doch auch hier ist zu konstatieren, dass der Mensch über keine natürliche Bereitschaft zum Teilen verfügt, sondern präventive Schutzmaßnahmen zur Selbsterhaltung trifft. Ungeachtet dessen, dass Spionagemethoden von der demokratischen Gesellschaft als inakzeptabel eingestuft werden, diente Geheimhaltung in verschiedenen Fällen dem diplomatischen Erfolg, z. B. für die Friedensverhandlungen zum Frieden von Kötzschenbroda. Dennoch sind diese Beispiele Ausnahmen, die verdeutlichen, dass es ein Gebot der Vernunft sein kann, vor der Öffentlichkeit zurückzuweichen und ein Geheimnis zu wahren. 2.2.3 Geheimnis und Öffentlichkeit Öffentlichkeit drückt sich durch allgemeine Sicht- und Hörbarkeit aus, so dass die Inhalte bezeugt, angefochten oder verhandelt werden können.46 Die Voraussetzungen 41 42 43 44 45 46

Vgl. ebd., S. 18. Vgl. ebd., S. 39–44. Vgl. ebd., S. 70 f. Vgl. Beales, Derek: Enlightenment and reform in eighteenth-century Europe, London 2005. Hobbes, Thomas: Leviathan, I. II., zit. in: Hartmann 1994, S. 409. Vgl. Nowotny 2005, S. 66.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

und Beschränkungen der öffentlichen Sphäre sind von Bernhard Peters als symbolische, soziale, zeitliche und dynamische Strukturen analysiert worden.47 Die von ihm beschriebenen Probleme der Peripherie, der Asymmetrien und der Reziprozität kommen in der vorliegenden Arbeit am praktischen Beispiel immer wieder zum Vorschein. Im Unterschied zu Peters wird aber nicht von der Öffentlichkeit, sondern vom Geheimnis ausgegangen. Die Öffentlichkeit besaß über verschiedene Quellen Kenntnis von den geheimen Praktiken der Fürsten: durch Druckwerke über Kryptologie, Gefangenentransporte zu den Festungen, Erlasse gegen Kundschafterei und Mund-zu-Mund-Propaganda. Zwischen dem Öffentlichen und dem Geheimen existiert, wie Stefan Nowotny ausgeführt hat, wegen Publikationsbedürfnissen eine mehrdimensionale interne Verknüpfung, z. B. ein notwendiges Schwanken zwischen Ausgrenzung und Einbeziehung.48 Das Geheimnis war eine „durchaus anerkannte und notwendige Dimension politischen Handelns“.49 Denn die Intensität der Geheimhaltung hängt davon ab, wie bedrohlich eine Umwelt erlebt wird.50 Definiert ist es als eine „grenzziehende Ordnungskraft, die durch Vorenthaltung und Ungleichverteilung Sinn, Struktur und Zusammenhang produziert“ oder, einfacher gesagt, als „Modus potentieller oder aktueller Mitteilungen“.51 Es ist kulturstiftend und sozial produktiv, da Grenzen den Wunsch nach deren Überschreitung auslösen. Je höher die Hürde ist, desto wertvoller ist deren Überwindung. Die Attraktivität der Exklusivität des Geheimnisses konkurriert mit der Attraktivität durch Verrat.52 Zudem knüpft das geteilte Geheimnis ein starkes Band zwischen den Mitwissenden, die für die Binnenkommunikation Techniken der Geheimhaltung erfinden wie z. B. Geheimsprachen, Codes und Chiffren.53 Niklas Luhmann unterscheidet drei Dimensionen des Geheimnisses: die Sachdimension des Undurchdringlichen, die Sozialdimension des Informationsentzuges und die Zeitdimension des zeitlich begrenzten Ausschlusses. Dementsprechend kann in zeitlicher, sachlicher und sozialer Dimension geheimgehalten werden. Während der Begriff der Geheimhaltung die Einschränkung des Mitwisserkreises und eine Schließung der Gruppe beinhaltet, ist die Verheimlichung an einen Kommunikationsverzicht gekoppelt.54 Geheimgehalten wird bereits Mitgeteiltes, verheimlicht wird bislang noch nicht Kommuniziertes. Menschenkenntnis und Affektbeherrschung sind die zwei Kardinaltugenden der Geheimniskrämer.55 Mit 47 48 49 50 51 52 53 54 55

Peters 2007, S. 18. Vgl. Nowotny 2005, S. 67. Hölscher 1979, S. 7. Vgl. Sievers 1974, S. 60. Assmann, Assmann 1997a, S. 8 f.; Sievers 1974, S. 24. Vgl. Nedelmann 1995, S. 6 in Anlehnung an Simmel 1908a. Vgl. ebd., S. 5. Vgl. Assmann, Assmann 1997a, S. 10 ff. Vgl. Hahn 1997, S. 26 f.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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der Konnotation von „Redlichkeit“ moralisch aufgeladen, wurde der Begriff um 1813 zum Schlagwort.56 Als Antonym galt die „mit dem Makel des Mißtrauens behaftete“ Heimlichkeit.57 Als geheim gilt alles, was nicht öffentlich ist und von solcher Relevanz, dass es über das Private hinausgeht. Im politischen Zusammenhang ist allerdings die Dichotomie „offen  – verborgen“ bzw. „sichtbar  – heimlich“, „offiziell  – inoffiziell“ eher angebracht. Die Anstrengung, etwas zu verheimlichen, ist der Gradmesser des Geheimnisses. Umgekehrt stellt das Bemühen, etwas nicht offen Zugängliches zu erlangen, also nicht offene Quellen anzuzapfen, die Schnittstelle zwischen Heimlichkeit und Offenheit im politischen Betrieb der Frühen Neuzeit dar. Die Verletzung einer Intimsphäre wäre nur dann ein Einbruch in ein Geheimnis, wenn dabei eine bewusst aufgebaute Grenze verletzt wird. Geheimhaltung erfordert also eine besondere Aktivität, die mehr oder wenig Erfolg hat, während das Fehlen einer solchen, gleichsam eine Laisser-faire-Haltung vor der politischen Öffentlichkeit, eben die Offenheit, also den Gegenpol zum Geheimnis generiert. Somit ist das Geheime eine relationale Größe. Dabei muss stets bewusst bleiben, dass Geheimnisse im Wissen um die Öffentlichkeit generiert werden und sich auch durch Entlarvung auflösen, also nicht statisch existent sind, sondern befristet sind über die Dauer ihrer Bewahrung. Geheimnis und Offenheit stehen somit im Wechselspiel, und die Öffentlichkeit ist das Publikum, das offene Politik beobachten kann. Diesem Verständnis wird die rechtshistorische Definition des militärischen Geheimnisses des bedeutenden Straftheoretikers und Völkerrechtlers Franz von Liszt gegenübergestellt: Militärische Geheimnisse sind die von der Militärverwaltung im Interesse der Landesverteidigung getroffenen, von ihr mit Erfolg geheimgehaltenen Anordnungen und Vorkehrungen, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist. Die Anordnungen und Vorkehrungen sind mit Erfolg geheimgehalten, wenn sie außerhalb des Kreises derjenigen Personen, die von ihnen kraft ihrer amtlichen oder dienstlichen Stellung oder infolge eines amtlichen Auftrages Kenntnis haben, nicht bekannt geworden sind.58

Dem Geheimnis maß er wesentliche Kriterien zu: zum einen muss der Wille der Geheimhaltung nach außen erkennbar sein, zum anderen geht es um Tatsachen, die dem (künftigen) Gegner (noch) nicht bekannt sind.59 Auch für Ewa Anklam bilden Geheimnis und Publizität die zwei wesentlichen Elemente des militärischen Informationswesens. Einerseits fand eine operationale Kommunikation innerhalb der Armee zumeist mündlich und durch leichte Truppen statt, die mobil waren und schnell agieren konnten, andererseits wurde die Publizistik zur Feindpropaganda gegenüber der 56 57 58 59

Vgl. ebd., S. 120 ff. Ebd., S. 123. Liszt 1914, S. 230. Vgl. ebd., S. 214, 220.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Bevölkerung genutzt.60 Öffentlichkeit zu generieren bedarf ebenfalls einer gewissen Anstrengung. Geheimhaltung und Verrat zu Grunde liegt eine deutliche Unterscheidung des Eigenen und des Fremden.61 Der Enthüller muss wissen, dass ein Geheimnis besteht, wer die Geheimnisträger sind und dass er ein Ausgeschlossener ist.62 Erst dann kann er die Schranke offensiv attackieren. In diesem Zusammenhang gilt: Techniken der Geheimhaltung und der Enthüllung tendieren dazu, sich nach dem Modell der Dynamik von Rüstungsspiralen gegenseitig aufzuschaukeln.63

Wie noch im Wettlauf zwischen Kryptologen und Dechiffreuren, Diplomaten und Spionen zu zeigen sein wird, ist dieses Prinzip in der Geheimdiplomatie unterschwellig stets präsent gewesen. Eine gepflegte Geheimniskultur werde, so Birgitta Nedelmann, fortschrittlicher, technologisierter, industrialisierter und rationalisierter.64 Eine Geheimmission in einer brisanten Situation konnte auch dem gemeinsamen Wunsch zweier Verhandlungspartner entspringen, jegliche Festlegung zu vermeiden und nicht zur Eskalation beizutragen.65 Oder auch, gegebenenfalls alles in Abrede stellen zu können. Aber Geheimnisse sind von kurzer Dauer, und die Gegenseite war meistens zeitnah unterrichtet. Erneut zeigt sich: Der Zeitfaktor ist von zentraler Bedeutung in der Geheimdiplomatie. Daneben bestimmen andere Faktoren die unterschiedliche Wahrnehmbarkeit von Geheimhaltung (Grafik 7). Verdeckte Operationen gehen einher mit Unehrlichkeit, möglichst viel Gewaltfreiheit und langfristigem Denken. Um eine Sache geheim zu halten, ist es nötig, die eigenen Ziele und das eigene Auftreten möglichst unsichtbar zu machen und die wahre Identität zu verschleiern. Da Gewalt durch ihre Spuren eine Sichtbarkeit vor der Öffentlichkeit produziert, bemüht sich jeder Geheimagent oder Spion um spurlose und unsichtbare Ausübung seiner Tätigkeit. Diesen unehrlich erworbenen Informationen im Zuge verdeckter Operationen steht die gewaltsame Aneignung von Informationen mit einem hohen Grad an Öffentlichkeit entgegen. Die moralische Kategorie der Ehr-

Grafik 7: Modell zu Abhängigkeiten vom Maß der Geheimhaltung 60 61 62 63 64 65

Vgl. Anklam 2012, S. 214 f. In Anlehnung an Reinhard Koseleck vgl. Anklam 2007, S. 19. Vgl. Nedelmann 1995, S. 8 in Anlehnung an Simmel 1908a. Ebd., S. 9. Vgl. ebd. Beispielhaft vgl. Kampmann 2013, S. 167.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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lichkeit verhält sich umgekehrt proportional zur Offenheit. Ein mit Lügen operierender Spion kann indes langfristiger Informationen erlangen, als ein offen vorgetragener Überfall auf einen Boten, in dessen Folge der Briefabsender Maßnahmen ergreifen wird, die eine wiederholte Interzeption erschweren oder unmöglich machen, z. B. Wegeänderung oder Geleitschutz. Zur größeren Sicherheit des Transfers sind zunehmend aufwändige Mittel nötig. Das Maximum an Sicherheit bedeutet die Unsichtbarmachung des Transfers durch unverdächtige Mittel wie z. B. die Musikchiffre, die glauben macht, man transportiere nur ein Notenblatt. In Wirklichkeit verbarg jede Platzierung auf oder zwischen den Notenlinien, jeder Wert der Viertel oder Achtel, jede Punktierung, jeder Bogen einen Buchstaben oder eine Silbe (Abbildung 2).

Abbildung 2: Notenchiffre, aus: Schwenter, Daniel: Steganologia & Steganographia aucta, 1622, S. 303, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Buch 8° 154/6 (1)

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Thomas Hobbes und Francis Bacon zufolge sollte der Monarch über das Wissen eines Staates wachen und sich ein streng kontrolliertes Informationsdepot anlegen sowie für dessen Aktualität und Geheimhaltung sorgen.66 Bacon nannte diese Einrichtung, die auch wissenschaftlichen Studien diente, das Haus Salomon. Den absolutistischen Politikern kam die Verschleierung ihrer Absichten entgegen, da sie mit Mysterien ihre Herrschaft besser inszenieren konnten.67 Geheimnisse galten als göttliche Basis der Regierung: „arcanum est divinum“, so Pelzhoffer in seiner Staatsschrift.68 Die Furcht vor dem Unbekannten und die menschliche Eigenart, alles Geheimnisvolle für wichtig zu erachten, ließen um den Herrscher eine Aura der Mystik entstehen69 – und ihn neben anderen Rollenspielern maskiert auf der Bühne der Politik im großen Welttheater agieren, bei dem die Bevölkerung die Zuschauerrolle übernahm. Die Maskenmetapher findet sich auch in der zeitgenössischen Kryptonymität wieder.70 Alain Dewerpe war gleichfalls in diesem Sprachbild verhaftet und erörterte die dramatische Rolle des Spions mit Maskerade und Kulissen innerhalb des „clandestinen Theaters“.71 Der Spion lebt, so Dewerpe, im Widerspruch, Freude daran zu haben, ein anderer zu sein, und zugleich das Unglück zu haben, nicht er selbst sein zu können.72 Zieht man zeitgenössische Publikationen über Kryptographie und Geheimdiplomatie sowie aktenkundige Spionagefälle in Betracht, ist folgende mentalitätsgeschichtliche Beobachtung zu machen. Das Geheimnis hatte verschiedene Konjunkturphasen, die meist mit Krisen und Kriegen einhergingen und von einer sinkenden Akzeptanz in der Bevölkerung begleitet waren. Die schon von Andreas Gestrich aufgestellte These, dass sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Akzeptanz hin zur Ablehnung wandelte, deckt sich mit einer Auswertung der gedruckten Quellen und der Archivalien.73 Interessanterweise verlagerte sich das Interesse bei den Druckschriften in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von der Geheimdiplomatie hin zur Kryptographie. Die Verbreitung von Zeitungen erlaubte zeitgleich den Aufstieg der Karikatur, so dass sie einer Enthüllungs- und Verspottungskultur Bahn brach. Eine Welle von fiktiver Historienliteratur, Galanterien und Schlüsselromanen überschwemmte den Buchmarkt. Im KryptologieHandbuch von Friderici fand sich bereits im Titelkupfer eine auch für Analphabeten lesbare Zusammenfassung aller denkbaren Formen geheimer Kommunikation, z. B. durch Stickerei, Blumenarrangements, Fahnen, Fackeln, Noten, Karten oder Gesten. (Abbildung 3)74 Als Patron hervorgehoben schwebt Merkur, der Gott der Boten und 66 67 68 69 70 71 72 73 74

Vgl. Bacon, Francis: Neu-Atlantis, zit. in: Soll 2009, S. 48. Vgl. Hartmann 2002, S. 438. Pelzhoffer 1710, zit. in: Hartmann 2002, S. 439. Vgl. Simmel 1908a, S. 409. Vgl. Mulsow 2007, S. 217 ff. Dewerpe 1994, S. 339. Vgl. Dewerpe 1994, S. 357 f. Vgl. Gestrich 1994, S. 36. Vgl. Friderici 1684; Mysterienbuch 1797.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

Abbildung 3: Friderici, Johann Balthasar: Cryptographia oder Geheime schrifft-, mündund würkliche Correspondentz, 1684, Titelkupfer, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Buch 8° 155a/1

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

der Diebe über dem Ensemble. Sie standen mit der populär gewordenen Verstellung in engem Zusammenhang. In den Handbüchern wurde Schweigen und Dissimulation als Mittel der Klugheit empfohlen: Auß offener Karte spielen, ist weder nützlich noch erfreulich. Wer an sich halten kan, der hat das Mittel, die Gemüther anderer Leute in suspenso zu halten, in Händen, vornehmlich wenn es wichtige Sachen, auf welche jederman ängstlich wartet, betrifft. Wer das kan, der machet daß man alle seine Sachen vor Geheimnisse hält, und das erweckt eine Hochachtung.75

Man sollte also die innersten Gedanken verbergen, ohne das Gegenüber zu belügen.76 Dazu gab es zwei Varianten: einerseits die Diskrepanz zwischen Gesagtem und Gedachtem (reservatio mentalis) und andererseits die zweideutige Sprache (amphibologia).77 Jon Snyder zufolge gibt es die Dissimulation als Tugend mit Potential der sozialen Distinktion, als Verstellung im höfischen Kontext und als politisches Mittel für die Geheimhaltung der Arkana.78 Die zeitgenössischen Theoretiker erkannten die Dimension der „shadowy statescraft“, in der Geheimnisse wie Messer zur Waffe werden konnten.79 Das Geheimnis war als Handlungsspielraum en vogue und brachte im Roman auf vier Stufen große Spannung hervor: (1) das Geheimnis, dessen man sich selbst nicht bewusst ist, (2) das Geheimnis, das niemand ausspricht, (3) die Entdeckung des Geheimnisses und (4) das Geständnis des Geheimnisses.80 Die Literatur bildete das Spiel der Welt ab, das sich um Fiktionalität drehte. Der Moralist Gracián entwarf ein Pendant, das Konzept der Welt als Chiffre. In seinem Roman „El Criticón“ setzte er sich damit auseinander, dass sich nicht mehr Gott vor den Menschen verbarg, sondern die Menschen ihr Handeln voreinander versteckten.81 Ein Weltmann müsse die Entschlüsselung dieser Chiffren auch dazu betreiben, um zu verhindern, dass einige ihre Fähigkeiten ausnutzten, um über andere Macht auszuüben. Die moralische Komponente enthielt demnach das zu lösende Problem, dass einige die Chiffren des menschlichen Handelns nicht lesen können und Dechiffreure benötigen. In diesem Sinne rechtfertigten auch die Autoren der Enthüllungsliteratur ihre Werke, die wegen ihrer Verbreitung zunehmend Einfluss auf das politische Handeln nahmen. Ohnehin wurden Kriege in der Frühen Neuzeit immer auf zwei Schlachtfeldern geführt, da die Kämpfe auf dem Felde von einem „Krieg der Federn“ flankiert wurden.82 75 76 77 78 79 80 81 82

Homme de cour 1711, S. 3. Snyder 2009, S. 6. Vgl. Reinhardt 2007, S. 172. Vgl. Snyder 2009, S. 20 ff. Snyder 2009, S. 132 in Anlehnung an Ammirato, Scipione: Della segretezza, Venedig 1599, S. 24 und an Il Principe 2011, Kap. XVIII. Vgl. Simons 2001, S. 200 ff. Vgl. Deffis de Calvo 1993; El Criticón 1985, 3. Teil, Crisi IV; Blumenberg 1983, S. 111–114. Gestrich 2000, S. 24.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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Grafik 8: Zeitgenössische Publikationen zur Geheimdiplomatie

In diesem Sinne beeinflussten Kriege, wie Andreas Gestrich betonte, nicht nur die Informationsmenge ,von oben‘, sondern steigerten auch die Nachfrage ,von unten‘83 Die hier erstellte Grafik (Grafik 8) enthält nur eine Auswahl aus 75 zeitgenössischen Publikationen, die unterschiedliche Aspekte der Geheimdiplomatie thematisieren, zeigt aber die Dimension der vielbändigen Publikationen von Andreas Stübel über „Abgefangene Briefe“ und von Marana über den „türkischen Spion“.84 Infolge der Aufklärung sank die Akzeptanz des Geheimnisses radikal ab, während im Gegenzug die Transparenz stetig zunahm. Die Veröffentlichungsmenge blieb aber stets unter dem tatsächlichen Niveau der Geheimhaltung  – es wurden niemals alle geheimen Verträge, Absprachen oder Aktionen aufgedeckt. Aber die Öffentlichkeit störte zunehmend den Kreis des Geheimnisses. Die Aufmerksamkeit der Theoretiker wandte sich von der Dissimulation ab.85 Doch auch in die andere Richtung gab es eine Durchbrechung der Arkana, denn die öffentlichen Personen selbst benutzten vielfach absichtsvoll die politische Öffentlichkeit in ihren Abstufungen.86 Von beiden Seiten angegriffen, kamen in mehreren Wellen die aufgetürmten Arkana schließlich zum Einsturz. Die Wissbegierde der aufgeklärten Bevölkerung um die politischen Geheimnisse brach sich Bahn. Nach der Aufklärung war eine Arkanpolitik nicht mehr legitimierbar.

83 84 85 86

Vgl. ebd., S. 28. Vgl. Stübel 1699–1701; Ders. 1704–1709; Ders. 1710–20; Marana 1733. Vgl. Snyder 2009, S. 176. Vgl. Körber 1998, S. 163.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

2.2.4 Wissen und Neugier Die interpretationsbedürftigen Zeichen in Politik (Symbolik und Zeremoniell), Kunst (Allegorien) und Kirche (Bibelmetaphorik) verweisen auf die Macht des Wissens.87 Die Kryptologie legitimiert durch ihre Symbole und deren Kraft der Exklusion die Herrschaft über das Wissen. Indem Geheimschriften verwendet wurden, signalisierte der Machtzirkel seine herausgehobene Stellung. Geheime Kommunikation kann Anwesende ausschließen und ebenso dazu dienen, eine Abwesenheit zu überbrücken. Macht und Wissen sind untrennbar miteinander verbunden, denn Macht konstituiert Wissensfelder und bringt Wissen hervor, während ebenso Wissen ohne Machtstrukturen nicht denkbar ist.88 Allerdings sind die Foucaultschen Begriffe von Autorität und Macht undifferenziert und auf den vorliegenden Themenkomplex schwer anwendbar. Die Geheimdiplomatie beinhaltet kein geschlossenes Wissensfeld, sondern wechselnde Methoden und Wissensarten. Die Vernunft operiert, so Hobbes, als Kundschafter der inneren Wünsche des Menschen.89 Jedoch ist der Spion gewissermaßen kurzsichtig, da er nicht die langfristigen Folgen im Auge behält, sondern die aktuell zu befriedigenden Bedürfnisse bedient. Die Selbstbestimmung ist, wie Spinoza erkannt hat, sowohl Merkmal der Natur als auch „Kennzeichen der zur Freiheit gelangten Vernunft“.90 Wissen entsteht in Gesellschaften in bestimmten Kontexten zur Bewältigung von Realitäten und hat einen zeitlichen Gültigkeitsrahmen.91 Innerhalb der Wissenschaft ist es inzwischen Konsens geworden, die Kategorie des Wissens pluralistisch zu denken, da es vielfältige Kontexte für Wissenserfahrungen und -produktionen gibt. Die Kommunikation über Wissen ist mehrdimensional und konfiguriert Verflechtungen und Räume. Neben dem mehr oder weniger geheimen Austausch von Wissen bestand mit den Zeitungen ein öffentliches Forum für nicht geheimes Wissen. Spezielle Wissenskontrollen übte jeder Fürst durch seine Ordnungen und Instruktionen sowie einen abgestuften Zugang zu Informationen aus. Die Grenzziehung erfolgte auf der Basis der jeweiligen Relevanz des Wissens. Die militärische Wissenskultur durchlief im Verlauf der Frühen Neuzeit eine Entwicklung hin zur Verwissenschaftlichung. Dabei kumulierten und verdichteten sich die Wissensbestände auch über die Zivilbevölkerung. Aus der Kenntnis, über die der Mensch verfügt, entscheidet er, in welcher Weise zu handeln ist. Die Wahrnehmung und Verfügbarkeit von politischem Wissen wird wesentlich von Machtpositionen be87 88 89 90 91

Vgl. Hartmann 2002, S. 439. Vgl. Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M. 1977, S. 39 f. Vgl. Hobbes, Thomas: Leviathan, I. 8., zit. in: Hartmann 1994, S. 414. Schaeffler 1980, S. 151. Landwehr, Achim: Wissensgeschichte, in: Schützeichel, Rainer (Hrsg.): Handbuch Wissenssoziologie und Wissensforschung, Konstanz 2007, Seite 802.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

89

einflusst, so dass dieses Wissen nicht frei und unkontrolliert vorliegt. Nach Ewa Anklam sind vier Wissensarten zu unterscheiden92: – Wissen des Archivs = allgemeines Vorwissen, Schriftgedächtnis, Erfahrung – geostrategisches Wissen = räumliche und strategisch verwertbare Informationen – publikumswirksames Wissen = publiziertes und öffentlich diskutiertes Wissen – Habitus = zeitgenössische Haltung, Werte, Verhalten Aus der ungenauen Kenntnis dessen, was der Andere weiß, resultiert eine ebenso diffuse Vorstellung seiner zukünftigen Handlungen. Auch geht die Wissensakkumulation mit einer Vergrößerung der Mitwisserschaft einher – Wissen hat seinen Preis (Grafik 9). Das schränkt auch die eigene Entscheidungskraft ein. Ein hoher Kenntnisstand liefert Optionen für eine Vielzahl von Handlungen, kann aber ebenso lähmen wie zu wenige Informationen. Welche Handlungsunfähigkeit sich aus einer zu großen Menge einlaufender Informationen ergeben kann, hat Michael Kempe am Beispiel der überforderten Aufklärung Englands vor der spanischen Invasion 1588 eindrucksvoll dargelegt: obwohl der Doppelagent Walsinghams die Falschinformationen mit einem Geheimzeichen markierte, war die Flut an Informationen nicht mehr beherrschbar.93 Da in einem Konflikt beide Seiten ein gewisses Risiko für ihren Vorteil einzugehen bereit sind, existiert eine Grauzone, in dem keiner genau Kenntnis davon hat, was der Andere weiß. Wie Ralf-Peter Fuchs analysierte, wurden Entscheidungen und Aktionen durch gezielte situationsabhängige Dosierung von Wissensverbreitung beeinflusst. Zudem zeugten das Einlassen auf Kompromisse und das Agieren mit einer Restunsicherheit über die Folgen auf dem diplomatischen Parkett von Friedensbereitschaft.94 Unwissenheit ist in der Politik von großer Wirkmächtigkeit und konnte konstruktiv sein: fehlende Sachinformation, Verheimlichungen und Wunschdenken sind Faktoren, die Fehlperzeptionen befördern, welche in die Entscheidungen mit einfließen.95 Martin Kintzinger hat den Hundertjährigen Krieg als „Laboratorium für die Ausformung von Strategien und Taktiken des Nichtwissens, der Täuschung und des Misstrauens“

Grafik 9: Wissen und Geheimhaltung 92 93 94 95

Vgl. Anklam 2007, S. 18. Vgl. Kempe 2013, S. 376. Fuchs 2013, S. 74 f. Vgl. Rohrschneider 2013, S. 107.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

bezeichnet und somit die Wurzeln jener Praktiken im Spätmittelalter verortet.96 In den Korrespondenzen spiegelte sich das Wissen auch in codierten Elementen des Briefzeremoniells wider: Kurze Briefe galten als Ausweis von Schwierigkeiten, lange Briefe zeugten von Wünschen, die Inhaltswiedergabe der erhaltenen Briefe diente zum Einstimmen auf die Konversation und demonstrierte den Wissensaustausch und die Meta-Ebene der Aussagen ließ den/die Leser(in) die Bedeutung, Kompetenzbereiche, Handlungsspielräume und Forderungen des/der Schreiber(in) wissen.97 Das in Briefen zur Schau getragene Wissen wie auch die als Neugier kritisierten Fragen dienten der Kontaktpflege, Information, Selbstinszenierung und auch Legitimation der Verbindung. Somit besaßen beide Kategorien eine soziale und politische Funktion. 2.2.5 Kontrolle und Überwachung Aristoteles, dessen Bücher zum festen Kanon der fürstlichen Bildung gehörten, beschrieb in seiner Staatsschrift „Politik“ den Menschen als „zoon politicon“, also ein gemeinschaftbildendes Lebewesen. Seine Staatsformenlehre betrachtete den Eigennutz der Herrscher als schädlich, da so das Ziel verfehlt wird, dem Allgemeinwohl zu dienen.98 Eine Person kann nicht isoliert von Anderen Politik betreiben. Der König müsse sich „viele Augen, Ohren, Hände und Füße“ herstellen, um herrschen zu können, so Aristoteles.99 Mit dem Anwachsen der Macht nahmen diese Mittler zu, denen der Herrscher vertrauen können musste. Die Kontrolle über den Korridor zur Macht war heiß umkämpft, was ein weiteres Problem verursachte: die Wünsche der Diener prägten die Beratung und blendeten den Fürsten.100 Objektive Information wurde durch subjektive Interessen gestört; eine rationale Entscheidungsfindung war nur scheinbar gegeben. In diesem fragilen System, bei dem sich der Ausgleich zwischen den Parteien regulierend auswirkte, besaß der Fürst nicht mehr die Kontrolle über Informationen und seine Entscheidungen. Im Zuge der Bildung fester Residenzen änderte sich die politische Kommunikation, denn die Regelung der sozialen Verhältnisse organisierte sich fortan über das Zeremoniell. In den ca. 300 Residenzen im Alten Reich stellte die abgestufte Ordnung eine Selbstkontrolle des Hofes dar. Zugleich schützten Beamte den Herrscher vor den Zudringlichkeiten aus der Peripherie. Eine „Aura der Unbestechlichkeit“ und die Offenheit gegenüber subjektiven Interessen legitimierte das politische System.101 Indes ist die Kontrolle auch über das Machtzentrum hinaus nötig. Herrschaft kann 96 97 98 99 100 101

Kintzinger 2013, S. 38. Vgl. Bastian 2013, S. 338 f. Vgl. Politeia 1990. Ebd., Buch 3, Kap. 16. Vgl. Schmitt, Carl: Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber, Berlin 1994, zit. in: Brendecke 2009, S. 36. Die folgenden Ausführungen vgl. Brendecke 2009. Brendecke 2009, S. 40.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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nur dann ausgeübt werden, wenn zu diversen Gelegenheiten auf die Bedürfnisse der Untertanen eingegangen wird und wenn die Zentrale mit Informationspolitik und einem Straf- und Belohnungssystem die Gesellschaft kontrolliert. Die Politikberatung kanalisiert verschiedene Interessen, während der Fürst im Zentrum Strenge und Milde walten lassen und dazu die gebotenen Entscheidungsspielräume nutzen kann. In einem Staat ist die Kontrolle der Einhaltung der Gesetze und Vernunftsregeln erforderlich. Selbst der von Montesquieu postulierte Gesellschaftsvertrag bedarf einer Aufsicht, um seinen Bestand zu sichern. In undemokratischen Staaten wird die Kontrolle zum Wohl Aller pervertiert und wandelt sich in eine systematische Überwachung. Misstrauisch beäugte auch der sizilische Tyrann Hieron  I. von Syrakus (gest. 466/65 V. Chr.), was in seinem Machtbereich vorging. Aristoteles schilderte, worauf es bei der Despotenherrschaft ankam: Für den Tyrannen gilt es, möglichst dafür Sorge zu tragen, dass nicht verborgen bleibt, was einer von den Untertanen sagt oder tut; vielmehr also Späher eingesetzt werden, wie in Syrakus die so genannten ‚Zuträger‘ und wie Hieron die ‚Ohrenkriecher‘ ausschickte, wo irgendein Treffen oder eine Zusammenkunft stattfand.102

Manche Historiker, wie der Berliner Althistoriker Volker Fadinger, sehen darin eine Frühform des totalitären Überwachungsstaats, wie ihn George Orwell 2500 Jahre später in seinem Roman „1984“ prophezeite. Kontrollmechanismen der Mächtigen sind allerorten und zu allen Zeiten in vielen Variationen auffindbar. In Sachsen war während der Neuzeit die Kontrolle von ungebührlicher Korrespondenz „üblich“, und um die Mitte des 18. Jahrhunderts sprach man ganz offiziell von Briefzensur.103 Die Sächsisch-Polnische Union beeinflusste diese Praxis. Ein auch in Sachsen genutztes Mittel war die Zensur, der theologische, juristische, historische und literarische Werke zum Opfer fielen. Einige Schriften über König August II. wurden konfisziert, da sie an unerwünschte Begebenheiten seiner Politik erinnerten.104 Von der Zensurbehörde beobachtet wurden auch die „Gespräche im Reiche derer Todten“. Der Begründer dieser Reihe, David Fassmann, wusste seine Protagonisten in Szene zu setzen und die Leser durch interessante, teils auch zivilkritische Auseinandersetzungen zu unterhalten. Man störte sich u. a. an der manchmal preußenfreundlichen Darstellung oder dem aufklärerischem Gedankengut.105 Ebenfalls zensierte man in Sachsen Publikationen und Schmähschriften, die sich gegen Bundesgenossen richteten.106 Kritik an der Politik und am Herrscher waren ebenso verboten wie die Erwähnung missliebiger Personen wie Patkul oder Stanislaus Leszczyński.107 Die konfessionellen Unterschiede 102 103 104 105 106 107

Zu Hieron vgl. Treiber 1700, S. 16. Kobuch 1988, S. 231. Vgl. ebd., S. 143 ff. Vgl. ebd., S. 167–174. Vgl. ebd., S. 184. Vgl. ebd., S. 191 ff.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

beider Länder durften öffentlich ebensowenig thematisiert werden wie politische Probleme in Polen. Agatha Kobuch resümiert für die Ära der Sächsisch-Polnischen Union: Auf Schriften, die den status publicus und das ius publicum betrafen, reagierten die Zensurbehörden meistens ohne Anstoß und recht empfindlich. […] Grundsätzlich durfte nichts ohne Zensur gedruckt werden.108

Die Kontrolle des Weltbildes der Öffentlichkeit geschah in allen Formen der Zensur – von der Präventivzensur bis zur Nachzensur und dem Abverkauf ganzer Auflagen.109 In der Aufklärung wurde postuliert, das Machtstreben des Menschen müsse unter Kontrolle gehalten werden. Anderenfalls entwickele sich eine entartete Staatsform, in der nicht Vernunft, sondern Aggression und Angst regieren. Angesichts der Interzeption unterwarfen sich die Briefkorrespondenten und Gesandten nicht selten einer Selbstzensur und wichen auf mündlich transferierte Informationen aus. In der Ära Metternich kam der Begriff der „Briefzensur“ auf. Die anonym oder pseudonym erschienenen Bücher zur Entlarvung von Kryptologie oder politischen Geheimnissen erweisen auch die Schutzbedürftigkeit der Autoren vor dem Zugriff des Staates, der sich ungern entblößen lassen wollte. 2.2.6 Aggression und Hass Die Geheimdiplomatie diente der Kriegführung und konnte in ihrer offensiven Form auch von aggressiven Gefühlen begleitet werden. Aggression als „desorganisierende Kraft“ ist unkontrolliertes Ausleben von Zorngefühlen.110 Dabei geht Aggression über den Selbstschutz hinaus und verliert die Wahrnehmungsschärfe sowie das Maß der Angemessenheit an die Bedrohungslage. Damit verknüpft sich die Frage, ob der Mensch die Aggression in sich trägt und von Grund auf böse ist. Hobbes zufolge muss der Gesellschaftsvertrag zum Schutz des Menschen vor sich selbst geschlossen werden. Zu dem irrationalen Zorn bildet nach Aristoteles der rational seine Ziele verfolgende Hass das Gegenstück.111 Hass bindet den Hassenden an den gehassten Feind und lässt ihm keine freien Gedanken und Handlungen mehr, da der Hass „leiblich starr auf den Gehassten ausgerichtet“ ist und ihn „von allen Seiten […] umgreift“.112 Dem Gehasstwerden kann man durch Rückzug ausweichen oder den Hass mit gleichem Hass begegnen.113 In der frühneuzeitlichen Konkurrenz der Staaten sind verwurzelte Feindschaften häufig anzutreffen, und um den eigenen Staat und die 108 109 110 111 112 113

Ebd., S. 232. Zur Zensur vgl. Haefs, Mix 2007. Vgl. Demmerling, Landweer 2007, S. 290. Vgl. ebd., S. 295. Ebd., S. 309. Vgl. ebd., S. 295.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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eigene Person überleben zu lassen, war eine defensive Strategie undenkbar, da sie als Schwäche gedeutet worden wäre. Mehr noch, der Überlebensfähigkeit war alles anere untergeordnet.114 Somit waren Hassbeziehungen zwischen Staaten immer beiderseitig. Hintergrund ist zumeist eine potentielle Schädigung oder die Erfahrung, dass der Andere in der Vergangenheit bereits Schaden zugefügt hat. Zudem beruht der Hass auf Ohnmacht, die sich darin ausdrückt, dass die Situation für einen Unterlegenen nur gewaltsam gelöst werden kann, während der Andere Machtmittel und Handlungsoptionen besitzt.115 Im Umkehrschlusss bedeutet dies, dass das Gefühl der Überlegenheit in Verachtung des Gegenübers umschlagen und diesen aus Angst um seine Position zu Zorn und Aggression herausfordern kann. Konflikte als Formen von Rangkämpfen sind von den Variablen der Anerkennung und des Risikos abhängig und haben Auswirkungen auf die Raumaufteilung und Stabilität der politischen Gemeinschaft.116 Die psychologischen Modelle lassen eine Adaption für die frühneuzeitliche Geheimdiplomatie zu. Es ist gleichgültig, ob es sich um eine Konkurrenz zwischen Fürsten, Parteien oder einzelnen Personen handelt – stets bemühte man sich, Schwächen des Gegners oder günstige Situationen auszunutzen, um die eigene Position oder das Prestige aufzuwerten. Wirtschaftsspionage z. B. im Kontext der Porzellanmanufakturen oder bei Rüstungstechnik geschah aus ökonomischen Gründen. Die offenen Überfälle auf Boten waren Ausdruck einer aggressiven machtorientierten Politik. Aggressives Ausspähen von Post und Intrigen erfolgte im Rahmen der sich verschärfenden Konkurrenz unter den Fürsten. Kulturelle Motive und Feindbilder traten während der Neuzeit vorwiegend im Kontext der religiösen und konfessionellen Auseinandersetzungen auf. Der Marquis de Langallerie initiierte ein Projekt, das mit Hilfe der Osmanen den Papst in Rom zu stürzen beabsichtigte.117 Für Sachsen können die Pack’schen Händel als aggressive Verschwörung zur Vernichtung eines konfessionellen oder politischen Gegners angeführt werden. Im Dreißigjährigen Krieg verhinderte die doppelte Anbindung des Kurfürsten an Union und Kaiser ein tiefes Hassgefühl gegenüber den Katholiken bei ihm, wenngleich das Feindbild bei seiner Gemahlin und den Untertanen durchaus vorhanden war. Erst der persönliche Hass sächsischer Herrscher gegenüber ihren politischen Gegnern wie Stanislaus Leszczyński oder Friedrich II. von Preußen beförderte die Spionagetätigkeit.

114 115 116

117

„Survival and security are considered primal and supreme.“ Murray 2016, S. 22. Vgl. Demmerling, Landweer 2007, S. 298. Vgl. Hemelrijk, Charlotte: Risk sensitiv and Ambiguity Reducing Dominance Interactions in a Virtual Laboratory, in: Pfeifer, Rolf; Blumberg, Bruce (Hrsg.): Proceedings of the fourth international conference on simulation of adaptive behaviour. (= From Animals to animats. 5, 1), Cambridge 1998, S. 255–262. Vgl. Boislisle 1898.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

2.2.7 Risiko und Angst Ein Risiko ist dann gegeben, wenn zu erwartende Nachteile einer Handlung in Kauf genommen werden. Neben dem finanziellen Risiko, das Kosten und Aufwand in Relation zum Erfolg setzt, ist das politische Risiko des Fürsten in seinen Handlungen sehr hoch gewesen. Schließlich musste er Ehrverlust und Herabstufung in der Hierarchie des Fürstekollegiums fürchten und verteidigte seinen Rang mit geheimen Aktionen und vertraulichen Verhandlungen. Dabei hinterging er zwangsläufig andere Herrscher und hatte unkalkulierbare Positionen im Machtspiel zu berücksichtigen, die das Risiko eines Fehlers steigerten. Die Spione und Agenten gingen ein persönliches Risiko ein, indem sie ihre Unverletzlichkeit aufs Spiel setzten und für ihre verbotenen bzw. unehrenhaften Tätigkeiten Strafen fürchten mussten. In der Geheimdiplomatie wurde mit Vertrauen, Zeit, Geld und Informationen gespielt. Bei einer Addition von Fehlschlägen stieg das Risiko eines gravierenden Ehr- oder Machtverlustes in der Politik exponentiell. Allein die zu erwartenden Vorteile bei geheimdiplomatischen Erfolgen ließen zu, dass die Höfe eine solche Risikobereitschaft besaßen. Die grundsätzliche Risikobereitschaft der Fürsten drückt sich darin aus, dass sie bestimmten Untertanen Vertrauen schenkten und die Kontrolle über die Politikorganisation ihren Beratern überließen. Genaugenommen ist auch schon die Kommunikation selbst als ein Risiko zu betrachten, da das Öffnen von Kanälen Spionage ermöglicht. Insofern ist das Risiko ein immanenter Bestandteil der Diplomatie, und damit einher geht auch der Einfluss von Angst auf die Politik. Die Emotionsforschung hat inzwischen eine verallgemeinernde Verwendung der Begriffe „Angst“ und „Furcht“ in Zusammenhang mit der Geschichte problematisiert.118 Wie seit Sören Kierkegaard bekannt ist, stellt Furcht eine Emotion dar, die auf etwas Konkretes ausgerichtet ist, während die Angst ein diffuses Gefühl ist.119 Außerdem ist nach Niklas Luhmann die Gefahr als etwas von außen Kommendes, das Schaden verursacht, vom Risiko, das einer inneren Entscheidung entspringt, zu trennen.120 Man sollte auch in der Geschichte zwischen langanhaltenden Ängsten, wie der französischen Angst vor der habsburgischen Umklammerung, und kurzen Furchtmomenten unterscheiden, mahnt Jörg Ulbert.121 Zudem stehen die Phänomene Angst und Hoffnung zueinander in Beziehung, da die Angst eine Vorstellung von Übel impliziert, während die Hoffnung beinhaltet, dass die Befürchtung sich auflöst.122 Die Existenz der Angst beruht, so Schelling, auf der Freiheit des Menschen zum Bösen bzw., um mit Kierkegaard zu sprechen, auf der Sündhaftigkeit.123 Die Angst führt somit dazu, dass der vereinzelte Mensch sich auf 118 Vgl. Biess 2011. 119 Vgl. Kierkegaard, Sören: Der Begriff Angst, hrsg. von Hans Rochol, Hamburg 1984, S. 42. 120 Vgl. Luhmann, Niklas: Soziologie des Risikos, Berlin, New York 1991, S. 30 f. 121 Vgl. Ulbert 2010, S. 291. 122 Vgl. Demmerling, Landweer 2007, S. 76. 123 Vgl. ebd., S. 81 ff.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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seine Optionen besinnt und bereits für bevorstehende Gefahren plant, was der Angst einen Zukunftsbezug verleiht, den Heidegger als „Sich-vorweg-sein“ bezeichnet hat.124 Die Handlungen des Menschen sind demnach von Angst vor künftigen Übeln und Hoffnung auf zu erwartendes Gutes geleitet. Die Spannung zwischen diesen beiden Polen bestimmt, gepaart mit dem Bewusstsein um die große Bedeutung der Entscheidungen, auch die Politik. Um individuelle Extreme der Angst oder Furchtlosigkeit und die daraus resultierenden Gefahren auszuschalten und größtmögliche Sicherheit für die eigene Perspektive zu gewinnen, sind Gremien und beratende Institutionen an den Beschlüssen beteiligt. Für den Einzelnen konnte ein Geheimnis eine Bürde wie auch ein Schatz sein, so Genêt.125 Zu ergänzen wäre der Hinweis: Ob diese Person ihr Geheimnis als Last oder Chance wahrnahm, hing wiederum von den individuellen Fähigkeiten und dem Charakter sowie den konkreten Rahmenbedingungen ab. Sicherheit stellt keine universale Kategorie dar, sondern wird unter konkreten RaumZeit-Bedingungen konstituiert.126 Das bedeutet, dass die verfügbaren Mittel in begrenzten Räumen ein Sicherheitsgefühl etablieren können. Da die staatliche Sicherheit das Problem der individuellen Sicherheit in sich barg, musste eine Sicherheitsarchitektur geprägt werden, die auf beiden Ebenen die „Dynamik von Bedrohungen, Gefahren und Dringlichkeit“ berücksichtigte.127 Zur Begrenzung von Gewalt sind meist gewaltsame Praktiken gewählt worden, und die militärischen Räume mit ihrer disziplinierenden und zugleich bewusst verwirrenden Struktur schufen sowohl Ordnung als auch Unordnung. Die (Un-)Sicherheit wurde standesspezifisch unterschiedlich wahrgenommen. Im Militär wird vor zu großer Sorglosigkeit gewarnt und Wachsamkeit jeglichem Sicherheitsgefühl vorgezogen.128 Zwischen Sicherheit und Geheimdiplomatie zieht sich ein unsichtbares Band, das die folgenden Ausführungen etwas beleuchten sollen. Wesentlicher Antriebsmotor der verdeckten politischen Kriegführung und Aufklärungsarbeit war das bestehende Sicherheitsbedürfnis von verschiedenen Seiten. Das Sicherheitsbedürfnis der Fürsten beinhaltete den Schutz des Staates, der Dynastie, des Friedens und der eigenen Person. Einerseits konnte den Herrscher ein Mehr an Informationen beruhigen und das sichere Gefühl von Überlegenheit vermitteln. Andererseits suchten die Untertanen in der ungesicherten harten Welt der Vormoderne nach Verbesserungsmöglichkeiten ihrer Situation. So sind vom unteren Ende der Gesellschaftspyramide her gleichermaßen nicht zu unterschätzende Einflüsse auf die Politik spürbar, denn die in der Frühen Neuzeit bei breiten Bevölkerungsschichten beständige Sorge ums Überleben hat direkt in das Getriebe der Geheimpolitik eingegriffen. Die Geldknappheit verleitete manchen 124 Zit. in: ebd., S. 90. 125 „Le secret militaire un fardeau si pesant et si fragile, un trésor précieux et convoité“. Vgl. Genêt 2013, S. 183. 126 Vgl. Kampmann, Niggemann 2013a, Externbrink 2013, Kroll 2013, Nolde 2013a. 127 Buzan, Hansen 2011, S. 12. 128 Vgl. Schertel von Burtenbach 1791, S. 236.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Sekretär oder Kammerdiener angesichts der nur 50 Gulden Jahreslohn zur Spionage.129 Andererseits konnte die Furcht der Untertanen vor feindlichen Truppen, vor Not und Tod im Krieg aus einfachen Bauern und Soldaten untreue Untertanen machen. So hat es in der Bevölkerung immer wieder Fälle der Kollaboration mit dem Feind gegeben, bei denen die Hoffnung auf Verschonung handlungsleitend war. Dabei gingen die Untertanen das Risiko ein, als Landesverräter bestraft zu werden. Sowohl die Strafe als auch die gesellschaftliche Stigmatisierung hinterließen das Gefühl, nicht mutig genug gewesen zu sein, um trotz drohender Konsequenzen dem Landesherrn die Treue zu halten. Dieser fehlende Mut resultierte indes auch aus der Perspektive der einfachen Bevölkerung, die nur auf ihre Lebenserhaltung bedacht war und kein gesteigertes Interesse besaß, unter welchem Herrscher sie ihr Dasein fristete. Ganz anders handelten die risikobereiten und vielfach angstfreien professionellen Spione. Während sie ihre Tätigkeit ausübten, lastete auf ihnen der Druck, nicht entlarvt zu werden. Die Furcht vor Entdeckung verwandelte sich bei vielen, wenn sie auf der Flucht die Verfolger fürchten mussten. Während im ersteren Fall ein Untertauchen und Stillhalten unter dem Deckmantel einer falschen Identität geboten war, bedingte eine Verfolgung Mobilität und ließ die Flüchtigen ihr Heil in allerlei Finten und Schleichwegen suchen. Bei diesen Überzeugungstätern kamen keine Schuldgefühle auf, und in den Aussagen gefangener Spione ist vielmehr das Bemühen sichtbar, aus der Situation einen doppelten Nutzen zu ziehen und sich als Doppelspion anzubieten. Das dadurch gestiegene Risiko wurde durch verbesserte Entlohnung kompensiert. Da sich die Praxis der Geheimdiplomatie unter den Fürsten stark etabliert hatte, konnte der Inhaftierte aber damit rechnen, nach angemessener Dauer der Gefangenschaft frei zu kommen. Unter den Herrschenden gab es eine auf Vertrauen basierende Abmachung, die wertvollen Wissensträger und Versteckkünstler zu verschonen. Das Potential der Geheimnisträger war zu groß, als dass man durch die Ermordung eines gegnerischen Spions den Tod des eigenen riskieren wollte. Die sich in den Spionen spiegelnden Möglichkeiten des Wissenserwerbes und des Wissensverrates führten zur Praxis der Folterung, der Einkerkerung und zur Korrumpierung. Angst vor der Todesstrafe mussten die Spione kaum haben. Allerdings starb mancher Spion bei langjähriger Haft wegen der widrigen Bedingungen im Gefängnis. Mehr als bei den Spionen ist mitunter in der höfischen Elite und bei den Herrschern das Gefühl der Angst handlungsleitend gewesen – sei es die Angst vor feindlichen Überfällen, die Angst um die eigene Position oder die Angst vor dem Abstieg. Auf Machterhaltung und -ausbau richtet die Herrschaft ihre Politik aus, wobei Verlustängste eine negative Antriebskraft freimachen. Ein überbordendes Misstrauen konnte sich zu einer Furcht vor Falschinformationen, Postinterzeption und Maulwürfen bis zur Spionagehysterie ausweiten. Das gefürchtete Phantom einer großen Verschwörung oder eines 129

Vgl. SächsHStAD, 10079, Landesregierung, Loc.  30436, Entlohnung einer Kanzlistenstelle, 16. Juni1623, f. 66.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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sich als Feind entpuppenden engen Vertrauten ist keine Phantasie, die aus der heutigen Perspektive rückprojiziert wird, sondern ein nicht selten auftretendes Denkmuster bei Hofe in krisenhaften oder riskanten Kontexten.130 In dieser Paranoia erhält Belangloses eine andere Bedeutung und „[…] im Blick des Geheimdienstes verdoppelt sich so die Welt zu einer verschlüsselten Nachricht […].“131 Allerdings konnte Angst auch in Friedenszeiten aufkommen.132 Die Fürsten entwickelten eine Strategie, mit ihrer Angst umzugehen: das Kompilieren. Sie umgaben sich mit Experten und praktizierten die Wissensaneignung durch Sammeln von Schriften. Ein Wissensvorsprung sollte sie vor unliebsamen Überraschungen schützen. Heinrich Graf von Brühl, der mehr als nur gesunde Skepsis gegenüber jedermann empfand und alle Fäden bei sich zusammelaufen ließ, könnte hierbei als gutes Beispiel gelten – wenn er nicht im gleichen Zuge dem gerissenen Abenteurer Maubert de Gouvest Vertrauen geschenkt hätte.133 Auf höherer Ebene wirkte sich die Furcht der protestantischen Fürsten vor einer spanischen Universalmonarchie sogar soweit aus, dass sie die europäische Geschichte entscheidend beeinflusste. Für die Neueste Geschichte hat die Forschung das Thema besonders für zwei Ereignisse ausgiebig analysiert: die Krieg-in-Sicht-Krise im Vorfeld des Ersten Weltkrieges und das Gleichgewicht des Schreckens im Kalten Krieg. Wie im 20. Jahrhundert ist auch in der Frühen Neuzeit eine gezielte Instrumentalisierung von Angst in der Politik nachweisbar. An erster Stelle ist die Feindbildpflege der Fürsten und Kirchen in Zusammenhang mit der Religion gegen Protestanten, Katholiken, Reformierte oder den Islam an zahlreichen Beispielen zu erwähnen. Die Erfahrung von Angst wurde in allen Gesellschaftsebenen von einer zur nächsten Generation weitergegeben und somit das Feindbild auch von den unteren Schichten geschürt. Es ist ein schmaler Grat, bis eine gewisse Angstschwelle, die noch integrierend wirken kann, in allgemeine Panik umkippt.134 Deshalb ist Spionagehysterie in Kriegszeiten häufig auf politischer Ebene zu finden und erweckt den Anschein, als ob hinter der Angst sämtliche sittliche Werte auf der Strecke blieben. Eine Überwindung der Angst ist nur dann möglich, wenn beide Seiten eine gewisse Risikobereitschaft mitbringen und sich um Vertrauen bemühen, das in direktem persönlichem Kontakt gefestigt wird.135 Insofern hängen Risiko, Angst, Vertrauen und Ehrlichkeit in den internationalen Beziehungen eng miteinander zusammen. 130 131 132 133 134 135

Friedrich Wilhelm I. fürchtete in der Klement-Affäre eine große Verschwörung, und die bohrenden Verhöre der Spionageverdächtigen sprechen eine deutliche Sprache. August II. hat während des Nordischen Krieges allerorten polnische, französische oder schwedische Spione vermutet. Horn 2002, S. 147. Vgl. Bormann, Freiberger, Michel 2010a, S. 15. Vgl. Rous 2014c. Zu Maubert de Gouvest siehe Kapitel „Spionagehysterie in Europa Mitte des 18. Jahrhunderts“, S. 525. Vgl. Biess 2011. Vgl. Loth 2012, S. 33 f.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

2.2.8 Vertrauen und Misstrauen Da die Geheimdiplomatie auf Informationspolitik beruht und diese nur mittels vertrauenswürdiger Informanten in einem Klientenverhältnis funktionieren kann, ist Vertrauen einer der ersten Affekte, auf denen die Geheimdiplomatie beruht. Ute Frevert zufolge muss zwischen dem hier berührten vertikalem, asymmetrischen politischen Vertrauen einerseits und dem horizontalem „Bürgervertrauen“ einer unzensierten gewaltfreien Kommunikation andererseits unterschieden werden.136 Nachdenkenswert ist auch die These von Eva Jobs, dass im Kontext von Geheimdiensten Zusammenarbeit und Vertrauen in einer Qualität existieren, die es ausschließlich unter Männern zu geben scheint. Dieses Urvertrauen müsse von der „Rhetorik des Vertrauens“ im Rahmen der offiziellen Kooperation unterschieden werden.137 Die „geheimen Männerbünde“ resultierten aus diesem ihrer Meinung nach typisch maskulinen Vertrauensgeflecht, wie Jobs mit einem Zitat von Don DeLillo belegt: Männer mit Geheimnissen scheinen sich gegenseitig anzuziehen, nicht, weil sie teilen wollen was sie wissen, sondern weil sie die Gesellschaft der Gleichgesinnten, der Mitgequälten brauchen.138

Neue Studien zum Phänomen des Vertrauens zeigen, dass große Vertrauensleistungen nicht erst in der modernen, ausdifferenzierten Gesellschaft erbracht werden müssen, sondern auch in Mittelalter und Früher Neuzeit existenziell waren.139 Betrachtet man die Abhängigkeit des Fürsten von der Loyalität der Subalternen und umgekehrt das Vertrauen des Spions in die Zusage seines Auftraggebers, ihn bei Gefahr an den eigenen Hof zu holen, bildet Vertrauen in der Diplomatie gewissermaßen den unsichtbaren zentralen Faktor des Handelns. Vom Vertrauen hängt die Wahrnehmung der eigenen Lage wie der des Gegenübers ab, und aus dieser Perzeption leiten sich Sicherheitsgefühl, Kontrollbedürfnis und Risikobereitschaft ab, die dann Intentionen, Strategien und Operationen nach sich ziehen. Ein oberster Minister dürfe, so Pelzhoffer in seinem Handbuch zur Staatsklugheit, „nicht leicht, wenig oder gar nichts glauben“.140 Vertrauen ist Folge eines Gewaltmonopols und zugleich dessen Bedingung.141 Das oberste Prinzip des Vertrauens ist die Freiwilligkeit; beide Seiten sind responsiv autonom und entsprechend verletzbar.142 Der Vertrau136 137

Vgl. Frevert 2003a, S. 20, 35. Jobs, Eva: Geheime Männerbünde. Bedeutung und Praxis von Netzwerken in Geheimdiensten, Vortrag auf der internationalen Tagung „Geheimdienste: Netzwerke, Seilschaften und Patronage in nachrichtendienstlichen Institutionen“, Erfurt, 4.–6. September 2014. 138 DeLillo, Don: Libra, New York 1988, S. 16. 139 Vgl. Frevert 2003a, S. 62. 140 Pelzhoffer 1710, S. 239. 141 Vgl. Reemtsma 2009, S. 98. 142 Vgl. Hartmann 1994, S. 405. Zur religiösen Ebene des Vertrauens und zu psychologisch-soziologischen Theorien vgl. Grön, Arne; Welz, Claudia (Hrsg.): Trust, Sociality, Selfhood, Tübingen 2010; Frevert 2003.

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ende kapituliert gewissermaßen und benötigt von Anderen auf einem bestimmten Feld Unterstützung. Jener nimmt die Kapitulation an und erkennt die Erwartungen, die an ihn gerichtet sind. Er verpflichtet sich, den Vertrauenden nicht zu enttäuschen, selbst wenn es für ihn selbst vorteilhaft wäre. Somit beschreibt Thomas Hobbes das Vertrauen als eine Empfindung auf einen Gegenstand, von dem man auf der Basis vergangener positiver Erfahrungen zukünftig etwas Gutes erwarten kann.143 Dennoch besteht auch in den intimsten Vertrauensbeziehungen eine Differenz, die „die Quelle von Gefahren ist, die uns in diesen Beziehungen vom je anderen drohen“.144 Wo Hobbes davon ausgeht, dass die Menschen aus ihrer Freiheit heraus gegeneinander opponieren, postuliert John Locke verbindliche reziproke Verpflichtungen und eine natürliche „Neigung zur Sozialität“ wegen des Bestrebens um einen guten Ruf.145 Insgesamt ist aber unbezweifelbar, dass Vertrauen eine ständige eindeutige Bekräftigung benötigt, um nicht zu schwinden.146 Diese Kontrolle und Rückkopplung erfolgt nach Luhmann durch klar definierte „Schwellen“, die vom Vertrauensmann nicht überschritten werden dürfen.147 Je nach Höhe dieser Schwellen kann mehr oder weniger vertraulich kommuniziert werden. Die Gesandten stellten die Basis für vertrauliche Kommunikation her, indem sie gezielt Informationen preisgaben und Visiten und Komplimente machten, wofür sie als Gegenleistung eine reziproke Höflichkeit erwarten konnten. Wurden besonders sensible Informationen als „riskante Vorleistungen“ geliefert, entstand der Anspruch auf Eintritt in eine besondere Vertrauensbeziehung.148 Interkulturelle Unterschiede über die Reichweite solcher basalen Höflichkeiten konnten zu Missverständnissen führen.149 Das Übermitteln vertraulicher Mitteilungen kann demnach nicht nur als Indikator übereinstimmender Interessen, sondern auch in der Vorstufe dazu als Zeichen für ein bestehendes Interesse am Aufbau einer solchen Vertrauensbeziehung gewertet werden. Mit Hinblick auf eine für den eigenen Hof positive Bilanz beim Informationsaustausch blieb auch in den engen Beziehungen ein Minimum an Egoismus jedes einzelnen Hofes bestehen. Eine Restunsicherheit konnte selbst in engen Bündnissen nicht ausgeräumt werden. Jeder war sich im Klaren darüber, dass die politischen Beziehungen lediglich temporär bestanden. Dennoch haben Nichtkommunikation, Intrigen und Feindbilder dermaßen abgrenzend gewirkt, dass ein rascher Wechsel zu einer Vertrauensbeziehung mit dem bisherigen Gegner nicht möglich war. Vice versa erfolgte auch der Zusammenbruch vertraulicher Beziehungen etappenweise über mehrere Enttäuschungen sowie auch das Überschreiten von Schwellen. Am 143 Vgl. Hobbes, Thomas: The Elements of Law, Natural an Politic, I. 9. 9, zit. in: Hartmann 1994, S. 412. 144 Ebd., S. 431. 145 Vgl. Locke, John: An Essay concerning human understanding, II.28.10, zit. in: Hartmann 1994, S. 440. 146 Vgl. Reemtsma 2009, S. 36. 147 Vgl. Luhmann, Niklas: Vertrautheit, Zuversicht, Vertrauen. Probleme und Alternativen, in: Hartmann, Martin; Offe, Claus (Hrsg.): Vertrauen. Die Grundlage des sozialen Zusammenhalts, Frankfurt a. M. 2001, S. 142–160, 137. 148 Vgl. Haug 2012, S. 228. 149 Vgl. ebd., S. 227.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Beispiel des Frontenwechsels des Herzogs und späteren Kurfürsten Moritz von Sachsen ist zu sehen, dass die protestantische Seite im Verlauf des Jahres 1547 lange haderte, bevor der Vertrauensvorschuss aufgebraucht war und Moritz zum Feind erklärt wurde. Dieser Ablösungsprozess erklärt sich dadurch, dass, wenn sich jemand in einem Anderen täuscht bzw. in den eigenen Erwartungen enttäuscht wird, eine besondere Distanz erzwungen wird. Die neue Einschätzung muss dann erst die Schranke der Akzeptanz passieren. Für beide Seiten bedeutet dieser Prozess Anstrengung. Der Täuschende entfremdet sich von seiner Natur, der Misstrauende beginnt an den lauteren Absichten seines Gegenübers zu zweifeln und bedarf mehrerer Kontrollmechanismen.150 Diese bestehen in Vertrauenstests: Es kann keine Sicherheit darüber erlangt werden, ob das Misstrauen berechtigt ist – wenn man sich nicht überwindet, zu vertrauen.151 An dieser Stelle sieht Thomas Hobbes den Scheidepunkt zwischen Naturzustand und Zivilisation bzw. Kultur. Die Geheimdiplomatie eines Souveräns ist indes eindeutig in der Zivilisation zu verorten, da sie zwar auf Misstrauen gegenüber dem Gegner beruht, aber nur mit Hilfe von Vertrauen funktioniert. Denn selbst der Aufbau eines Überwachungsapparates hat Vertrauen als Grundlage, da der Auftraggeber den Kundschaftern und Spionen Vertrauen schenken muss. Enttäuschte Erwartungen sind andererseits auch Ursprung und Quelle für Spionage in den Fällen, wo Rachegelüste aus nicht in Erfüllung gegangenen Vorstellungen keimen und eine vorsätzliche Schädigung des Anderen geplant wird. In diesen Fällen des Hyperbolischen ist die Einbildungskraft (ingenium) im Übermaß und die Urteilskraft (iudicium) nur mangelhaft ausgeprägt.152 Soziale und psychologische Auswirkungen dieser Kontrolle und Überwachung können beim Anderen somit in ein „Ur-Misstrauen“ münden.153 Das Gefühl der eigenen Verletzbarkeit rückt in den Vordergrund, Risiken werden überhöht und eine Fehlwahrnehmung von Situationen kann die Folge sein. Wenn auf der einen Seite sich eine solche Abwärtsspirale in Bewegung setzt, ist die gegenüberliegende Seite im Aufwind und kann ihr Selbstbewusstsein steigern und damit großzügig im Vertrauen werden. Denn einem von sich selbst überzeugten Menschen ist es ein Leichtes, Anderen zu vertrauen, die er im Täuschungsfall mit den eigenen Mitteln auch in Schach halten kann. Er kann sich seine Verletzbarkeit leisten, da er wehrhaft ist. Insofern benötigen selbstbewusste Staaten keine übermäßig einschüchternde Geheimpolizei gegenüber der Bevölkerung oder dem Gegner, sondern eine halbtransparente Kontrolle der Systemfeinde, wie sie die Nachrichtendienste in einer Demokratie ausüben sollten. Erst der Machtwille oder eigene Schwäche lassen den Bedarf nach starker Kontrolle spürbar werden. Dieser Punkt erklärt, warum die meisten Spionagefälle im Umkreis von Kriegen und Krisen anzutreffen sind. 150 151 152 153

Vgl. Hartmann 1994, S. 406. Vgl. Hobbes Thomas: On the Citizen, III.26, zit. in: Hartmann 1994, S. 417. Vgl. dazu das Dissertationsprojekt von Dorit Messlin: Übertreibung, Abweichung, Übermaß. Studien zur Kulturgeschichte des Hyperbolischen (Universität Erfurt), in dem Positionen von Platon, Aristoteles, Quintilian, Cicero und Pico della Mirandola analysiert werden. Erik Erikson: Kindheit und Gesellschaft, Stuttgart 1971, S. 242.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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2.2.9 Identität, Anonymität und Xenophobie Das Verständnis einer wandelbaren Identität des Menschen und der Möglichkeit von Einflussnahme auf die innere Welt Anderer setzt voraus, dass die menschliche Identität nicht von vornherein festgelegt ist (negative Anthropologie). Der Schutz des eigenen Seins steht bei der Selbstgestaltung der Persönlichkeit im Vordergrund. In der Auseinandersetzung mit sich selbst gelangt der Mensch über Reflexion und Kritik zur Selbsterkenntnis, kann aber auch der Selbsttäuschung, Über– oder Unterschätzung erliegen. Wesentliches Merkmal der Identität sind die Loyalitäten:154 Im Verrat zeigt sich die Wahrheit unserer Loyalitäten, in unseren Loyalitäten zeigt sich die Wahrheit unserer Identität.155

Um andere über die wahren Absichten zu täuschen, ist eine Verstellung notwendig. Während der Renaissance und verstärkt im Barockzeitalter gab es jedoch keine nach außen sichtbare Identität, sondern die Selbstdarstellung einer Fassade, die zur Erfüllung einer sozialen Rolle im Rahmen der „Art de Plaire“ notwendig war.156 Eine Verstellung anderer Form begegnet uns auch in zeitgenössischen Schriften brisanten Inhalts, die anonym oder unter Pseudonym veröffentlicht wurden.157 Ein Teil besteht in der Publizierung scheinbarer Geheimnisse und kritischer Äußerungen, ein anderer in fingierten Briefen zur getarnten Veröffentlichung von Standpunkten und gezielten Attacke auf den Gegner.158 Geradezu „virtuos“ nutzten die Diplomaten das Geheimnis und setzten dabei auch bewusst fakes ein und brachten sie kalkuliert in Umlauf.159 In jedem Fall dient verdeckte Autorschaft dem Eigenschutz. Parallel zu dieser Ich-Bezogenheit steht eine oft feindliche Perspektive auf das Gegenüber. Dieses kann sich auf höherer Hierarchieebene, im gegnerischen politischen Lager, jenseits der Grenze, aber auch im eigenen Kabinett befinden. Am häufigsten ist aber die gegen den starken äußeren Feind gerichtete Identitätsverstellung anzutreffen. Eine starke Teilung in Eigenes und Fremdes ist deutlicher Begleitumstand dieser Methode. Nicht selten fließt in die tendenziösen Schriften eine Form von Fremdenhass ein. Die Sorge um den eigenen Besitz ließ Angst vor dem Fremden aufkommen. Die Dynamik einer sich steigernden Xenophobie lässt sich am Beispiel Frieslands während der sächsischen Besatzungszeit um 1500 beobachten.160 Zwar präsentierte sich Herzog 154 155 156 157

Vgl. Schlink 2007, S. 27. Ebd., S. 31. Asch 2007, 186 194. Daniel Bellingradt identifiziert für die Zeit 1702–1708 unter 259 Flugdrucken 77 Pseudonyme, 53 fingierte Drucker- oder Verlegerangaben. Vgl. Bellingradt 2011, S. 242 f. 158 Bestes Beispiel dafür ist der Publikationskrieg zwischen Sachsen und Friedrich II. von Preußen im Jahr 1756. Eine Sammlung von 61 zeitgenössischen Quellen vgl. Allerneueste Acta Publica 1757. Desw. vgl. Kampmann 2013, S. 170. 159 Kampmann 2013, S. 174. 160 Vgl. Baks 2006.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Albrecht von Sachsen anfangs als Verbündeter der Rebellen und wollte nicht als Besatzer, sondern als Potestat auftreten, verlor aber infolge der Niederschlagung des friesischen Aufstandes so sehr an Sympathie, dass auch die vorsichtige vertrauensbildende Politik Herzog Georgs den Widerstand nicht zu brechen vermochte. Neben diesem situativ erklärbaren Fremdenhass gegenüber einem Besatzer existiert auch eine unterschwellige generelle Furcht vor fremden Kulturen. In der Reformationszeit pervertierte die Xenophobie zu einem von Luther und dem Papsttum beförderten Antijudaismus oder einer Angst vor den Türken, die sich durch die Expansion des Osmanischen Reiches erklärte. Beides ist jedoch getrennt zu beurteilen, da äußere Bedrohungen nach innen befriedigend wirkten und eine Solidarisierung der Gesellschaft zu erreichen vermochten, der Antijudaismus sich dem gegenüber aber auf einen vermeintlichen inneren Feind richtete.161 Somit orientierte sich die Geheimdiplomatie besonders des Wiener Hofes und der Bourbonen an der Politik der Osmanen, während ein Zusammenhang zwischen jüdischer Religion und Geheimdiplomatie jenseits der Verschwörungstheorien in der Praxis nicht erkennbar ist. Latente Xenophobie trat jedoch immer dann in den Vordergrund, wenn Krisen und Katastrophen den Selbsterhaltungstrieb weckten. So wurden für das verheerende Feuer in London 1666 ausländische Agenten, Katholiken oder politische Gegner der Monarchie verdächtigt.162 Die Angst und Wut gipfelte in der Hinrichtung verdächtiger Personen, u. a. eines französischen Uhrmachers, obwohl dieser erst zwei Tage nach Ausbruch der Feuersbrunst in London eingetroffen war. Die Angst vor dem Fremden prägt das Verhalten und kann bei einer Steigerung in eine irrationale Angst zu einer Sozialphobie oder einer Neurose ausarten. Grundlage der Furcht ist das Gefühl des Bedrohtseins, das dadurch entsteht, dass ein Subjekt einem ihm Unbekannten ein Quantum Macht unterstellt und Sorge hat, diese Macht könnte größer als die eigene sein.163 Dieser Allmachtsunterstellung entsprechend ist dem Subjekt sich selbst gegenüber ein Gefühl der Ohnmacht, ein Machtdefizit, vorherrschend. Bei der Fremdenfeindlichkeit (Xenomisie) bzw. beim Fremdenhass kehrt sich diese Positionierung um, doch wäre jeglicher Aktionismus des sich nach außen überlegen präsentierenden Fremdenhassers überflüssig, wenn nicht versteckt doch die Angst gegenüber dem Fremden bestehen würde, was wiederum jenen eine gewisse Macht zuschreibt.164 Die Fremdenangst beruht auf Informations- und Kommunikationsbeziehungen jeglicher Art: Migrationen, Reisen, Nachrichten, Gerüchte usw.165 Wirtschaftliche Abhängigkeiten oder politische Konkurrenzsituationen um ein „limited good“ wirken verstärkend. Die Verhaltensbiologie folgt der These, dass Fremdenangst 161

Vgl. Marquardt, Bernd: Staatsbildung. Geschichte einer Dreifachrevolution. Von der vorstaatlichen Gesellschaft zum Staat der Industriegesellschaft, Stuttgart 2006, S. 103. 162 Vgl. Münch, Paul: Pest und Feuer. Die Londoner Doppelkatastrophe 1665/66, in: HZ 288 (2009), H.1, S. 93–122, 112. 163 Vgl. Seitter 1999, S. 12. 164 Vgl. ebd., S. 13. 165 Vgl. ebd., S. 17.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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sich aus der Evolution erklärt, weil in frühen Entwicklungsstadien des Homo sapiens das Leben in kleinen Gruppen stabile soziale Verhältnisse und damit ein sichereres Überleben garantierte.166 Die gleiche Ursache wird für einfache Denkmuster wie Schwarz-Weiß-Denken und Vorurteile angenommen. Die Kategorie des Fremden ist jedoch ein Produkt der Entdeckungsreisen, die zum Ziel hatten, ein weltumspannendes Imperium zu begründen und dabei die Unterwerfung anderer Völker erzwangen.167 2.2.10 Loyalität und Untreue Im Alten Reich verstand man unter Loyalität das do ut des, also ein Tausch von Gabe und Gegengabe. In einem quasivertraglichen Verhältnis waren die Gegengaben sogar einforderbar. Im ethischen Handeln erwies sich die Loyalität als Ausdruck eines gewissenhaften Tuns. Das Gewissen war in Zusammenhang mit der Vorstellung von Fegefeuer und himmlischem Paradies handlungsleitend. Die regelmäßige Bestätigung der persönlichen Beziehungen habe überlappende oder auch konkurrierende Loyalitäten zur Folge gehabt, so das Ergebnis einer Tübinger Konferenz.168 In der Geschichte hat sich in diesem Punkt wenig geändert. Je nach sozialem Stand, Karrierechancen, Rahmenbedingungen und individueller Einstellung verhalten die Einen sich streng loyal und passen Andere dem Pragmatismus folgend ihre Loyalitäten an. Es wurde jedoch unterschiedlich darüber geurteilt, je nachdem, ob Fürsten oder Hofbedienstete so agierten. Aus der Vielzahl der Rollen resultierte für politisch Handelnde in der Neuzeit eine viel höhere Wahrscheinlichkeit für Loyalitätskonflikte. Dynastische Verwandtschaften, traditionelle Bündnisse, nachbarschaftliche Beziehungen, religiöse Lagerbildungen, wirtschaftliche Abhängigkeiten usw. ließen selten eine eindeutige Loyalität der Fürsten zu. Die Loyalitätsaufkündigung von Fürsten gegenüber ihren Königen und Kaisern oder von Offizieren gegenüber ihren Generälen und Fürsten hatte mehrfach Einfluss auf die welthistorische Entwicklung. Das Verständnis der Reziprozität ist in der Frühen Neuzeit tief verankert gewesen. So hat Markgraf Albrecht von BrandenburgAnsbach seine Konversion mit der für seine Kaisertreue ausgebliebenen Gegengabe legitimiert.169 Auch die Seitenwechsel und Winkelzüge Herzog Moritz’ von Sachsen im 166 Vgl. Schäfer, Karin; Atzwanger, Klaus: Xenophobie – aus verhaltensbiologischer Sicht, in: Etzersdorfer, Ley 1999, S. 33–49, 45. 167 Vgl. M’bedy, L. J. Bonny Duala: Die Genese und Anwendungsmöglichkeiten der Xenologie. Betrachtungen im Kontext der Xenophobie, in: Etzersdorfer, Ley 1999, S. 61–77, S. 62. 168 Vgl. Binkert, Tobias; Wimschulte, Sonja: Tagungsbericht „Brüder, die wir sein sollten. Loyalitätskonflikte und Gewissensentscheidungen im Alten Reich und in Alteuropa“, Tübingen, 25./26. November 2011, in: H-Soz-u-Kult, 22.02.2012, URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=4086 [27.02.2012; ASR]. 169 Vgl. Hirschheydt, Magnus von: Die Apologien Herzog Albrechts in Preußen. Legitimation einer Säkularisation vor Kaiser, Dynastie und eigenem Gewissen. Vortrag auf der Tagung „Brüder die wir

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Schmalkaldischen und Kurfürst Johann Georgs I. im Dreißigjährigen Krieg wurden durch fehlende Gnadenbeweise gerechtfertigt. Auf diese Weise konnten politische Strategien unter dem Mantel der berechtigten Loyalitätsaufkündigung verschleiert werden. Die von den Zeitgenossen als „Verräter“ gebrandmarkten Menschen sind im aufgeklärten Sinne lediglich Nutzer ihrer Freiheit und Ritter ihres Glücks ungeachtet aller althergebrachten Bindungen. Aus heutiger Perspektive erscheinen diese Personen gar als Visionäre, denen von ihren Zeitgenossen Unrecht getan wurde.170 Illoyale historische Vertreter gelten der Geschichtsforschung zumeist als Ausweis des modernen Denkens. Dagegen erreichen loyale Diener den Rang einer Symbolfigur nur, wenn sie ihre Identität entsprechend nach außen präsentieren. Das den Loyalitätsaufkündigungen innewohnende Streben nach einem Gut wurde vielfach als Machtgier missinterpretiert, ohne den europäischen Zusammenhang des Prestigewettlaufs der Fürsten in die Beurteilung einzubeziehen. Selten strebten die Fürsten durch ihre „Untreue“ eine Weltherrschaft an, sondern waren vielmehr gezwungen, das zeremonielle und diplomatische Aufrüsten mitzuspielen, wenn sie ihr Territorium nicht aufkündigen wollten. Hofangestellte besaßen noch weniger Freiheiten als Fürsten, da sie nicht nur ihren Besitz, sondern ihr Leben einbüssten, wenn sie der Illoyalität überführt wurden. Insofern standen die Hofsekretäre und -diener unter noch größerem Druck, dem aber eine große Verführung gegenüberstand, denn die politischen Gegner ihrer Fürsten wussten sie durch finanzielle Verlockungen zu korrumpieren. War der Adel bei Ländereien, Titeln und Erbansprüchen käuflich, so genügten beim Hofstaat meist wenige hundert Reichstaler pro Jahr, ein bescheidener Posten oder ein Titel, um ihre Loyalität zusammenbrechen zu lassen. Das hohe Risiko der schweren Strafe bei Geheimnisverrat ging mancher risikobereite Hofdiener ein, der seine kärgliche Existenz durch ein Zweiteinkommen verbessern wollte. Neben finanziellen Aspekten waren auch Erwartungen an Anonymität, Verschwiegenheit Anderer und persönlicher Schutz seitens der Auftraggeber „Enthüllungsgeneratoren“, also Motive, Geheimnisse zu verraten.171 Demgegenüber stehen Heilsinteressen, Berufsethik, Solidarität oder Angst vor weltlichen und jenseitigen Sanktionen einem Geheimnisverrat im Wege und begründen Loyalität sein sollten“. Loyalitätskonflikte und Gewissensentscheidungen im Alten Reich und in Alteuropa, Tübingen, 25./26. November 2011. 170 Vgl. den Forschungsstreit um Herzog Moritz als „Judas von Meissen“ oder um August II. als weitsichtigen Politiker oder vergnügungssüchtigen und machtbesessenen Barockfürsten: Haug-Moritz, Gabriele: Judas und Gotteskrieger. Kurfürst Moritz, die Kriege im Reich der Reformationszeit und die „neuen“ Medien, in: Blaschke, Karlheinz (Hrsg.): Moritz von Sachsen  – ein Fürst der Reformationszeit zwischen Territorium und Reich (= Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte. 29), Leipzig 2007, S. S. 235–259; Pommerin, Reiner: Königskrone und Mächstesystem. Perzeption und Systemzwänge des Erwerbs der polnischen Königskrone durch Friedrich August I. im Jahr 1697, in: Groß, Reiner (Hrsg.): Sachsen und Polen zwischen 1697 und 1765. Beiträge der wissenschaftlichen Konferenz vom 26. bis 28. Juni 1997 in Dresden, Dresden 1998, S. 78–91. 171 Hahn 2002, S. 24.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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bzw. zuverlässige Geheimhaltung.172 Verrat zu rechtfertigen, ist unter den Herrschaftsbedingungen der Frühen Neuzeit kaum möglich gewesen. Um seinen Hof unter Kontrolle zu behalten, war der Fürst zu einer rigiden Strafverfolgung genötigt. Illoyale Fürsten wurden auf dem europäischen Parkett geächtet, bis sie sich ihren Rang wieder erarbeitet hatten. Untreuen Hofdienern wurde die Leibesstrafe für Hochverrat zuteil, die von lebenslanger Kerkerhaft bis zur Hinrichtung reichte. Während der Kaiser auf ehemals untreue Fürsten in Kriegszeiten nicht verzichten konnte, konnte der Fürst einen Verräter in den eigenen Reihen jederzeit ersetzen und an ihm ein Exempel statuieren. Diese Ausführungen zeigen, dass Loyalität in der Frühen Neuzeit von sehr unterschiedlicher Ausprägung war und deshalb nur schwer in einer semantischen Begriffsklärung zu fassen ist. Loyalität wirkte sich auch auf höchster Ebene im Bereich der Bündnistreue aus. Ein formelles Bündnis war keine Bedingung für informelle Kommunikation, denn auch unter eng Befreundeten, die keine schriftliche Allianz verband, konnte ein vertraulicher Ton herrschen. Sachsen hat beispielsweise mit den Wittelsbachern sehr gute Beziehungen geführt und sich über militärische Angelegenheiten und sogar Waffentechnik ausgetauscht.173 Andererseits bot eine Allianz keine Gewähr für unbedingtes Vertrauen. 2.2.11 Neid und Gier Neid und Zorn richten sich auf ein konkretes Gegenüber. Dem passiven Neid verwandt ist die Gier, die aus dem Gefühl des Neides eine offensive Handlung extrahierte. Beide beruhen darauf, dass der Mensch sich mit anderen auf der Basis des sozialen Status oder Lebensumständen vergleicht.174 Die Perspektive einer möglichen Gleichheit und der Erreichbarkeit jener Güter, auf die sich der Neid richtet, löst eine soziale Dynamik aus. Aristoteles bewertete den Neid als niedrige Emotion, während er dem Eifer auf der Basis eines gerechten Unwillens „etwas Edles“ einräumt, da hier der „Schmerz über unverdientes Glück“ des Anderen vorherrscht.175 Da der Neid, wie Thomas von Aquin und Spinoza beobachtet haben, Schmerz- oder Hassgefühle beinhaltet, lenkt der Mensch seine Stimmung entweder nach innen oder nach außen.176 Die Zielrichtung der Handlungen deutet auf eine Selbsterhöhung hin, die zunächst die Gleichheit mit dem Konkurrenten zu erreichen sucht, im nächsten Schritt aber aus fehlender Selbstgenügsamkeit den weiteren Vorsprung ins Auge fasst. Aus Neid wird so Eifer und schließlich Gier. Die Selbsterhöhung ist durch zwei Wege erreichbar:

172 173 174 175 176

Vgl. ebd., S. 26. Vgl. BayHStAM, Abt. IV Kriegsarchiv, Zivil- und Strafsache, Bund 397; Bund 398; Bund 400. Vgl. Demmerling, Landweer 2007, S. 197. Zit. in: ebd., S. 204. Vgl. ebd., S. 205 f.

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den eigenen Aufstieg oder den Fall des Gegners. Gleichermaßen beruht der Wunsch, anderen Schaden zuzufügen, auf Rache für die erlebte Ungleichheit. Nietzsche beschreibt Ressentiments als verfehlte Formen des Neides.177 Vom Neid zu unterscheiden ist die Eifersucht, die mit Verlustängsten zusammenhängt. Während der Neider sein Interesse auf noch nicht erreichte Objekte richtet, befürchtet der Eifersüchtige, sein nicht teilbares Eigen zu verlieren.178 Daraus resultieren meist je nach persönlicher Disposition steigerungsfähige Handlungsweisen wie Kontrollwahn, Drohungen oder Aggression. Diese Normabweichungen bieten Angriffspunkte für Polemiken, jedoch sind viele politische Entscheidungen auf der Basis dieser Gefühle getroffen worden, beispielsweise der Angriff Friedrichs II. von Preußen auf Schlesien aus Neid und Gier heraus, die Begründung der Schwarzen Kabinette aus dem Kontrollbedürfnis heraus mit der Angst im Hintergrund, die Macht zu verlieren. Gier spielt auch im Kontext der Korruption eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Sowohl der Bestechende als auch der Bestochene verlangen so stark nach etwas, dass sie Regeln übertreten. Dabei sind materielle und immaterielle Güter zu bedenken. Macchiavelli nannte die Korruption ein Charakteristikum entarteter Staaten mit dem Untergang geweihten Verfassungen.179 Wegen der moralischen Disqualifizierung um des sozialen Friedens willen konnte Korruption grundsätzlich nur im Schutz des Geheimnisses funktionieren, was eine bedauerliche Quellenarmut zur Folge hatte.180 Zur Umgehung des Korruptionsverbotes wurden oftmals statt pekuniärer Mittel immaterielle Güter angeboten, z. B. Ämter, Titel, Heiratsversprechen, Güter, Anwartschaften, Pfänder etc. Dennoch blieben derlei Praktiken anstößig und wurden bei Aufdeckung gerügt und bestraft. 2.2.12 Ehrlichkeit und Lüge Der Begriff der Aufrichtigkeit hat eine religiöse Konnotation, bezieht er sich doch auf die Wiederaufrichtung des Menschen als Ebenbild Gottes nach dem Sündenfall.181 Neben der körperlichen Aufrichtigkeit bezieht die lutherische Orthodoxie die geistliche Aufrichtigkeit auf die Gegen- und Wechselbeziehung des gläubigen Menschen zu Gott und folgert daraus das christliche Lügenverbot. Thomas von Aquin und Augustinus empfahlen, um diesem Verbot nicht zuwiderzuhandeln, das beredte Schweigen.182 Im 17. Jahrhundert wurden Einschränkungen zum strikten Lügenverbot möglich, das nur noch situationsabhängig und an bestimmte Bedingungen gekoppelt galt.183 Die Demut 177 178 179 180 181 182 183

Ebd., S. 208. Vgl. ebd., S. 212. Vgl. Il Principe 2011, 1, 2; 1, 18; 3; 28. Vgl. ebd.; Suter, Andreas: Korruption oder Patronage? Außenbeziehungen zwischen Frankreich un der Alten Eidgenossenschaft als Beispiel (16.–18. Jahrhundert), in: Grüne, Slanicka 2010, S. 167–203, 176. Vgl. Steiger 2006. Vgl. Danneberg 2006, S. 50. Vgl. ebd., S. 91.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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Gottes habe im Hochmut des Menschen einen Widerhall.184 Die Beziehung zwischen Glauben und Affekten evoziert ein Streben in die Höhe und eine berechtigte Fröhlichkeit angesichts der Sündenbefreiung durch Jesus Christus. Weniger der Frühen Neuzeit angemessene Termini sind Authentizität, Natürlichkeit oder Echtheit, da in den Druckwerken des 16. bis 19. Jahrhunderts eher von „auffrichtig“, „wahrhafft“, „treu“, „redlich“ oder „ehrlich“ die Rede ist. In antiken Moralphilosophien und Rhetoriken tauchen die Begriffe „sinceritas“ und „veracitas“ auf.185 Dabei ist die „Doppelstruktur von Aufrichtigkeit des Berichterstatters und Wahrheit des Berichteten“ zu beachten.186 Selbst wenn ein Kundschafter stets wahre Dinge berichtete, war er nicht automatisch aufrichtig, da er möglicherweise einige Aspekte verheimlichte. In dem Maße, wie sich neue Kommunikationsmedien verbreiteten, setzten sich Schnelligkeit, Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit als „Leitprinzipien“ durch.187 Im Barock waren die unverstellten Reden gleichsam „Nischen der Aufrichtigkeit in der auf Inszenierung bedachten Kultur“.188 Die Bedeutung von rhetorischer Aufrichtigkeit auch für den Erfolg eigener Ziele hob Hans Sachs hervor: Also noch heut, wer frei aufrichtig wandelt und sich hüt vor verreterischen tücken, treulich gen feinden und gen freunden handelt, dem muß sein sach aus billikeit gelücken; wer aber sich untreuer art helt, der entget dem unglück hart – hort man die weisen sagen.189

Dennoch wurde in den Staatshandbüchern eher von Aufrichtigkeit abgeraten, da sie nicht notwendigerweise Vorteile bringe. Kardinal Mazarin erschien das Schweigen an geeigneter Stelle ebenso wie das Simulieren als Pflicht.190 Wenn der Fürst eine große Aufrichtigkeit nach außen zeige, verwirre er diejenigen, die er hintergehe. Das Paradoxon von der Wahrheit als bester Lüge fand im 17. Jahrhundert weite Verbreitung. Je nachdem, ob der Autor eine christliche oder eine politische Verhaltenslehre propagierte, stellte er Aufrichtigkeit oder Dissimulation in den Vordergrund. Wicquefort stellte der Staatsklugheit die Arglistigkeit gegenüber und befand, letztere sei eine niedrige, „gantz an der Ernden klebende Geist- und Gemüths-Geburt“, wäh184 185 186 187 188 189

Vgl. ebd., S. 37. Vgl. Benthien, Martus 2006a, S. 3. Scholz Williams 2006, S. 345. Ebd., S. 346. Ebd. Sachs, Hans: Dichtungen, Erster Teil. Geistliche und weltliche Lieder, hrg. von Karl Goedeke, Leipzig 1870, S. 58, zit. in: Benthien, Martus 2006a, S. 5. 190 Kardinal Mazarin, Jules: Bréviaire des politiciens, übers. aus dem Lat.von Francois Rosso, hrsg. von Umberto Eco, Paris 1997, S. 76, 83, zit. in: Benthien, Martus 2006a, S. 6.

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rend die Scharfsinnigkeit zusammen mit List, aber ohne Betrug und Hinterlist, große Reputation bringen.191 Als Beispiel nennt er die Täuschung, etwas für nichtswürdig und gering zu achten, was man doch am allermeisten verlangt.192 Listen seien vielleicht als Galanterien auszulegen, aber sie seien gefährlich, da sie zu größeren Betrügereien verführten, warnte er weiter.193 Das aus Lügen entstehende Misstrauen würde Reputation und schließlich das Amt kosten, weshalb Redlichkeit und Standhaftigkeit die zwei wichtigsten Elemente der Staatsklugheit seien.194 Man dürfe sich mit zuviel Ehrlichkeit nicht selbst schaden, aber durch zuviel Lüge könne man leicht an den selbst aufgestellten Fallstricken zu Sturz kommen. Auch bei Zedler findet sich noch das Prinzip, Aufrichtigkeit dürfe nicht eigenen Schaden hervorrufen.195 Jedoch gab es eine Grenze, bei der keine politische List erlaubt war, denn bei heimtückischem Friedensbruch wurde mit den Aggressoren keine Nachsicht geübt.196 Während auf höchster politischer Ebene somit die Täuschung weitgehend legitimiert war, ist eine schichtenabhängige Aufrichtigkeitsnorm zu beobachten. Die soziale Orientierung fordert bis heute prinzipielle Aufrichtigkeit im Dienstverhältnis gegenüber den Höhergestellten. Dieser hierarchiesierten Aufrichtigkeit stand die Idee einer redlichen Gesellschaft gegenüber, die seit dem 17. Jahrhundert diskutiert wurde. Oftmals wurde die Unaufrichtigkeit dem französischen Hof zugesprochen, wogegen sich die „deutsche“ Aufrichtigkeitsnorm abhob – eine nationale Konnotation, die sich bis in die Propaganda des Dritten Reiches zog. Die „Abwertung jeglicher mit dem höfischen und politischen Bereich verbundenen Künstlichkeit und Verstellungskunst“ hatte verschiedene Ausprägungen, u. a. Sprache, Gesten, Kleidung, Verhalten.197 Auch der Nikodemismus ist als versteckte Religionsausübung in gewisser Weise verlogen. Der Kommunikation wird mit zunehmender Distanz eine wachsende Unaufrichtigkeit zugeschrieben, so dass die direkte Interaktion – trotz aller (Dis-)simulationsoptionen – die authentischsten, weil durch mehrere Sinneseingänge prüfbaren Signale zugesprochen werden. In der Zeit des Empirismus betonten u. a. René Descartes und Francis Bacon die Notwendigkeit der „Wahrhaftigkeit“. Indem die Aufklärung der früheren Epoche ihre Unaufrichtigkeit und Verstellung vorhielt, verstrickte sie sich in Widersprüche, denn die bis zum Extremen gedachte Ehrlichkeit ist in einer Gesellschaft eine „Zumutung“.198 Falls es dazu eines Beweises bedürfte, könnte Friedrich Gottlieb Klopstocks Essay „Über die Freundschaft“ herangezogen werden.199 191 192 193 194 195 196 197 198 199

Wicquefort 1682, S. 756. Vgl. ebd., S. 761. Vgl. ebd., S. 766. Vgl. ebd., S. 770 ff. „Aufrichtigkeit“, in: Zedler, Bd. 2, Sp. 2164. Vgl. Althoff 2008, S. 22. Benthien, Martus 2006a, S. 8. Ebd. S. 14. Vgl. Klopstock, Friedrich Gottlieb: Ausgewählte Werke, hrsg. von Karl August Schleiden, München, Wien 1981, S. 938 f., zit. in: Benthien, Martus 2006a, S. 12.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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Wallenstein wurden die Lügen seiner untreuen Gefolgsleute zum Verhängnis. Angesichts der Prestigekonkurrenz zwischen den Fürsten war der Hof zunehmend ein Hort von Verstellungen. Um seinen Rang sichtbar zu machen oder gar zu übertreiben, scheuten die Fürsten weder Kosten noch Mühen. Die Anmaßung einer Machtstellung durch einschüchternde und Bewunderung erregende Repräsentation und selbsterhöhendes Zeremoniell wurde in Fürstenspiegeln geradezu empfohlen.200 Differenzen mit den Ansprüchen Anderer schlugen sich in vielen Präzedenzstreitigkeiten nieder. Die übertriebene Selbstdarstellung wirkte dennoch oft wie eine self-fulfilling prophecy. Im politischen Ehrgeiz trieb Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen die architektonische Repräsentation in Dresden zu einer Blüte, von der sein Enkel Friedrich August, der spätere August II., dermaßen beeindruckt war, dass er selbst ein ins Extreme gesteigertes Engagement an den Tag legte und Dresden zur Barockmetropole emporsteigen ließ. Als König von Polen spielte er sprichwörtlich in der oberen Liga bald schon erste Geige, aber die von ihm anvisierte Kaiserkrone, die er im Dresdner Zwinger mehrfach thematisierte, erhielt er nicht. Baukunst und Zeremoniell können demnach als absolutistische Geheimsprache der Diplomatie betrachtet werden. Unter dem Deckmantel von Sandsteinputti, Kaskaden und Pavillons übermittelte die barocke Architektur dem zeitgenössischen Betrachter, der in die Lesart der Zeichen eingeweiht war, eine unmissverständliche Nachricht. Auch Prinz Eugen von Savoyen repräsentierte prunkvoll wie ein Kaiser, um seine Machtbefugnisse zu zeigen, ordnete sich aber in der Diplomatie stets dem Staatsinteresse unter.201 Hätte er sich angemaßt, wie ein König zu bauen, wäre ihm das Schicksal des französischen Finanzministers Nicolas Fouquet zuteil geworden, der einen Garten von den Ausmaßen Versailles für sich schaffen ließ und damit König Ludwig XIV. vor den Kopf stieß, der ihn für dieses Staatsverbrechen lebenslang einkerkern ließ.202 Die Falschheit war dem absolutistischen Hof innewohnend, so dass auch die diplomatische Lüge üblich war und dem Verständnis von korrekter Politik entsprach. War die Lüge der frühneuzeitlichen Diplomatie so systemimmanent, dass sie von demjenigen, der auch Teil des Systems war, schwerlich zu entdecken war? In der griechischen Mythologie sind die Lügen die Kinder des Zanks und haben keine besonderen Attribute erhalten.203 Eine Tagung zum Thema Lüge und Täuschung versuchte, die Begriffe mit Arbeitsdefinitionen schärfer zu umreißen: Eine Person lügt, wenn sie bewusst etwas behauptet, das sie zur gleichen Zeit selbst nicht glaubt. […] Eine Person täuscht eine andere, wenn es ihr gelingt, in der anderen einen falschen Glauben zu erzeugen. Das kann nicht nur (wie beim Lügen) mittels Sprache, sondern durch sonstige interpretierbare Zeichen oder Handlungen geschehen. […] Eine Person

200 201 202 203

Vgl. Schweinitz 2000, S. 84 f. Vgl. ebd., S. 90. Vgl. ebd., S. 91. Vgl. Hochadel, Kocher 2000a, Einleitung, S. 1.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

betrügt eine andere, wenn zu der Täuschung eine (materielle) Schädigung der betrogenen Person hinzukommt, die intendiert ist oder doch zumindest in Kauf genommen wird.204

Kurz gefasst ist die Lüge eine „sprachliche Form des Betrugs“, wenn man jemandem etwas Glauben macht, das man selbst für falsch hält.205 Ihr Antonym bildet die Wahrhaftigkeit, bei der etwas für wahr gehalten wird, nicht die Wahrheit, die bei einer Deckungsgleichheit von Denken und Sein vorliegt.206 Jemand kann unbewusst die Unwahrheit sagen und dabei wahrhaftig handeln, wenn er falsch informiert ist. Der Bezugspunkt zur Wahrheit ist demnach immer der Wissensstand des Anderen, nicht seine Aussage. Doch in welcher Beziehung stehen Lüge und Täuschung zueinander? Aus soziologischer Sicht dienen beide dazu, aus der Antizipation heraus die Haltung des Gegenübers zu modifizieren. Verstellung als nichtsprachliches Handeln steht der Lüge als sprachliches Handeln zur Seite.207 Der Politologe John Mearsheimer hat die Lüge zusammen mit der Schönfärberei und der Verheimlichung unter dem Oberbegriff der Täuschung eingeordnet.208 Täuschung definiert er als vorsätzliches Handeln, um einen anderen von der Erkenntnis der ganzen Wahrheit eines Sachverhaltes abzuhalten. Hier weicht die Definition von der oben zitierten von Hochadel und Kocher ab: jene beziehen sich auf den Eindruck, den jemand von einem Sachverhalt bekommt, Mearsheimer hingegen spricht von der Erkenntnis. Jedoch ist seine Definition der Lüge differenzierter: Lügen kann bedeuten, Fakten zu erfinden, von denen man weiß, dass sie falsch sind, oder Fakten zu leugnen, von denen man weiß, dass sie wahr sind.209

Mearsheimer zufolge geht es bei der Lüge um eine aktive Handlung, um etwas als wahr erscheinen zu lassen, von dem man weiß, dass es unwahr ist. Weiterhin analysiert er, der Bluff sei fast mit der Lüge gleichzusetzen, werde euphemistisch für den Begriff der Lüge gebraucht, und beinhalte doch eher indirekte Lügen für Vorspiegelungen, „Muskelspiele“ und Irreführungen.210 Bei der Schönfärberei ihrerseits steht die Interpretation von Sachverhalten im Vordergrund, die je nach eigenem Gutdünken unterschiedlich gewichtet vorgetragen werden. Sie unterscheidet sich von der Lüge darin, dass in diesem Fall Fakten verzerrt, aber nicht die Wahrheit verdreht wird.211 Die nach Lüge und Schönfärberei dritte Form der Täuschung, die Verheimlichung, besteht im Verbergen von Fakten, die die eigene Position schädigen könnten. Gegen die letzteren beiden könne sich der Zuhörer leichter schützen als gegen die Lüge, so die These 204 205 206 207 208 209 210 211

Ebd., S. 3. Ossa 2000, S. 10. Vgl. ebd., S. 16. Vgl. Siever 1974, S. 88. Vgl. Mearsheimer 2011, S. 21 ff. Ebd., S. 22. Ebd., S. 135. Vgl. ebd., S. 23.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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Mearsheimers.212 Denn sie könnten bei der Schönfärberei fehlende Argumente durch Nachdenken oder Recherchieren selbst ergänzen, und bei der Verheimlichung durch spezifische Nachfragen stellen, um Antworten zu erhalten oder den anderen zu einer Lüge zu verführen. Das Problem bestünde hierbei jedoch im Unwissen über die eigene Unwissenheit: Schließlich hat man manchmal keine Ahnung, was man alles nicht weiß, und weiß deshalb auch nicht, welche Fragen man stellen soll. An diesem Punkt hat Mearsheimer die Krux der Geheimdiplomatie auf den Punkt gebracht. Der unbekannte Grad des (Un-)Wissens ist gleichsam der Nebel, in dem die Politik miteinander kommuniziert. Als Begriff ist Unwissenheit ebenso wie Missverstand, Vergessen, Vorurteil und Uninformiertheit der Ignoranz zuzuordnen.213 Missverständnisse sind sowohl intendiert als auch unbeabsichtigt häufig in der Diplomatie anzutreffen gewesen. In seiner Analyse der politischen Lüge kam er zu dem Schluss, dass Staatsführungen andere Länder wesentlich seltener belügen als ihre eigene Bevölkerung. Das liege daran, dass im Staatensystem keine höhere Autorität existiert und die Regierungen sich „in einer Welt der Selbsthilfe bewegen“, ohne dass moralische Prinzipien einem besonderen Schutz unterliegen.214 Innerhalb einer Gesellschaft jedoch wird die Lüge aus gutem Grund geächtet, um das Gemeinwesen vor der schädlichen Wirkung der Korrumpierbarkeit zu schützen.215 Auch stellte er eine gewisse Akzeptanz der Lüge fest, wenn sie aus pragmatischen Gründen benutzt wurde, um das Volk zu schützen. Zudem seien sich die Politiker einig, dass Lügen zum Spiel dazugehört und keine Seite behaupten kann, sie habe einen unfairen Nachteil gehabt.216 Mit anderen Worten: eine Unwahrheit hört auf, eine solche zu sein, wenn sich alle Beteiligten ihrer bewusst sind.217 Zunächst kann man sagen, dass häufig taktische Lügen fünf Zwecken dienen: zum Zeitgewinn, zur Erreichung eines konkreten Zieles, zur Desinformation des Gegners, zur Verleumdung des Gegners, zur Anstiftung zu Meuterei oder Aufstand und zur Ablenkung von eigenen Fehlern. So ist die Lüge als diplomatisches Mittel wie auch für Propagandazwecke eingesetzt worden. Der Gegner kann sowohl außerhalb des eigenen Landes als auch innerhalb des eigenen Hofes zu finden sein, dann wird die Lüge im Kontext einer Intrige benutzt. Der Informationsfluss an einem frühneuzeitlichen Hof verlief wie in einem Kreislauf, in dem nicht nur Wahrheiten, sondern auch Lügen ihren Platz hatten. Die Informationen der Gesandten wurden durch Informanten und die öffentliche Meinung erzeugt. 212 213

Vgl. ebd., S. 25. Vgl. Geisenhanslüke, Achim; Rott, Hans: Vorwort Ignoranz, in: Dies. (Hrsg.): Ignoranz. Nichtwissen, Vergessen und Missverstehen in Prozessen kultureller Transformation (= Literalität und Liminalität. 3), Bielefeld 2008, S. 7–14. 214 Mearsheimer 2011, S. 12 f. 215 Vgl. ebd., S. 19. 216 Vgl. ebd., S. 26. 217 Zitat von Henry Taylor, zit. in: Mearsheimer 2011, S. 26.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Von den Gesandten wurden die Informationen weiter an die Geheimen Räte gegeben, die als Speicher und zugleich als Filter dienten. Der Fürst wandelte die Informationen in Entscheidungen um und signalisierte den zuständigen Ressorts und dem Militär, welche politische Handlung ausgeführt werden musste. Störfaktoren wie korrupte Sekretäre oder auch Spione der gegnerischen Seite konnten an entscheidenden Positionen absichtlich in den Informationsfluss eingreifen. Mit eingestreuten Lügen war es möglich, eine Irreführung zu bewirken, den Informationsfluss zu bremsen oder auch eine schrittweise Änderung der Sichtweise voranzutreiben. Andererseits entstehen Lügen auch systemimmanent, wenn der Hof seinerseits die Gegner täuschen will. Dann wurden Lügen von Fürsten und ihren Beratern erdacht, und meist über Gesandte oder andere Hofbeamte verbreitet, wobei die Gesandten stets den Spagat zwischen Betrug und Verstellung einerseits und ihrer Reputation und der Zweckrationalität andererseits bewältigen mussten. Durch zu häufiges und vom Gegenüber entdecktes Lügen macht man sich unglaubwürdig und hat mit Prestigeverlust zu kämpfen. Der ungünstigste Fall wäre, wenn eine Lüge öffentlich bekannt würde. Die Lüge wurde deshalb nur dann eingesetzt, wenn ein anderer davon überzeugt werden musste, bei der Verwirklichung der eigenen Pläne mitzuhelfen und etwas gegen seine eigenen Ziele zu unternehmen. Gefährliche Sachen seien selten nützlich für den Fürsten, hieß es in Callières Handbuch für Botschafter. Während der Verhandlungen müsse der Botschafter versuchen, mit Finesse den Geist der Wahrheit mit dem Erfolg der Aufgabe zu verknüpfen und darauf zu achten, dass kein Verdacht auf den Fürsten falle. Die Gesandten mussten entsprechend der Klugheitslehre ein gewisses Maß an geheimen Praktiken einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen. Ihr Orientierungspunkt war dabei die eigene Reputation, die nach Möglichkeit keinen Schaden nehmen durfte: Zweckrationalität und Ansehenswahrung waren die Pole, zwischen denen sich die gesandtschaftliche Tätigkeit nach den Verhaltensmaximen der Traktate nun zu bewegen hatte.218

Wenigstens äußerlich sollten sie für ehrlich angesehen werden, schrieb Wicquefort in seinem Handbuch für den Ambassadeur. Die Informationsbeschaffung durch unlautere Mittel war soweit erlaubt, wie die Integrität der Gesandten keinen Schaden litt. Es wurden Geschenke, Gratifikationen und der Kontakt zu den Damen des Hofes empfohlen. Gesandte dürften ihren Rang nicht durch arglistige Täuschung und Desinformation verspielen. Häufig waren die Gesandten jedoch zur Lüge gezwungen, da ihnen die Fürsten keine Instruktionen gaben, um Zeit zu gewinnen.219 Dadurch wurde auch die Position als Verhandlungspartner gefährdet. 1698 schrieb der sächsische Gesandte aus Paris, wenn man 218 219

Matzke 2011, S. 259. Vgl. ebd., S. 272.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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continuiren solte mich ohne Zeitungen, instructionen und ordres zu abandonniren, darf ich fast, weder zu Hofe noch in conference mich mehr finden laßen, indehme ich mich eine Zeithero mit lügen und trügen beholffen, nunmehro aber keine mehr zu erfinden weiß, und sitze ich unter die andren Herrn ministris, alß ein rechter außseziger …, der nichtes zusagen weiß, und mercke ich auch mit der Zeit, daß mein credit wohl fallen möchte, wann man mercken wirdt, daß all mein an- undt vorbringen nur lauter inventiones undt keine Suite haben.220

Aber in der ausführenden Ebene unter den Fürsten sind meist die Bauernopfer der politischen Lüge zu finden. Ein Beispiel: Das Titelbild der zeitgenössischen Druckschrift „Gespräche im Reiche derer Todten“, die sich mit zwei hingerichteten Landesverrätern befasst, zeigt inmitten einer idyllischen Landschaft, wie Charon den enthaupteten Baron von Görtz ans andere Ufer bringt, wo bereits der gevierteilte Johann Reinhold Patkul auf ihn wartet. Beide Männer waren vom schwedischen König Karl XII. im Nordischen Krieg Anfang des 18. Jahrhunderts wegen Landesverrat und Spionage verurteilt und hingerichtet worden. Mahnend steht unter dem Bild: Wohl dem, der seine Ehr und sein Gewissen liebet, Auch seine Haupt-Maxim läst allzeit diese seyn: Im Recht und Löblich thun, wird niemand leicht betrübet, Wer aber intriguant, büst öfters schrecklich ein.

Der holsteinische Minister Görtz hatte freie Hand in der Innen- und Finanzpolitik beim schwedischen König besessen, alle Kontakte zum König liefen über ihn. Er stürzte darüber, dass der König starb, und eine höfische Gegenpartei das Heft des Handelns übernahm.221 Da er sich dem König verschrieben hatte und die innenpolitischen Gegner immer wieder belogen hatte, wurde für ihn das Todesurteil gefällt. Angesichts seiner allgemeinen Generalvollmacht und begonnenen Verhandlungen in Holland sah man seine Schuld als erwiesen an.222 Auch Patkul hatte verpasst, sein Fähnlein in den Wind zu hängen. Beide waren Opfer von Intrigen, die sich immer zwischen den Hofparteien entwickelten und noch viele weitere prominente Opfer hervorbrachten. Begleitet werden Intrigen durch Verleumdungen, deren innerer Kern Lügen sind. Peter von Matt hat die Intrigen analysiert und festgestellt, dass es immer eine Notsituation, ein Ziel sowie die Verstellung als Intrigenpraxis gibt.223 Die Verstellung kann meist nicht geheim gehalten werden, da die Personen meist von einem früheren Bekannten erkannt werden. Nicht nur die Verstellung beinhaltet eine Lüge, sondern auch das Benutzen von Personen zu unfreiwilligen Intrigenhelfern. Dies kann nur durch 220 221 222 223

Zit. in: ebd., S. 272. Vgl. 1717; Defoe 1719. Vgl. Gründliche Antwort 1717. Matt 2006.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Belügen funktionieren. Insofern sind die zahlreich an den Höfen auffindbaren Intrigen alle mit Lügen behaftet. Sie gehören in die Kategorie der innenpolitischen diplomatischen Lüge, während die Lügen zwischen Staaten auf dem Feld der Außenpolitik zu finden sind. Der Lügner begibt sich in eine kognitive Dissonanz. Dieser innere Widerspruch ist gekennzeichnet von dem Bewusstsein, freiwillig gelogen zu haben und deshalb ein physiologisches Unwohlsein zu verspüren. Dieses Unwohlsein wird durch Stressanzeichen auch von außen sichtbar (Gesichtsausdruck, Emotionen: Freude, Angst oder Schuld). Da es meist nicht bei einer Lüge bleibt, ist lügen mit Stress verbunden. Schon Martin Luther wusste: „Eine Lüge ist wie ein Schneeball; je länger man ihn wälzet, je größer er wird.“224 Nicht nur der Lügner erlebt eine Dissonanz. Augustinus deutete auch auf den inneren Widerspruch der Lüge selbst hin, denn diese setzt Vertrauen in die Wahrheit menschlicher Rede voraus, wenn sie erfolgreich sein will. Zugleich aber zerstört sie dieses Vertrauen, indem sie dem natürlichen Sprachzweck zuwiderläuft. Wegen der spürbar negativen Wirkung versucht der Lügner, seine Dissonanz aufzulösen, indem er verschiedene Taktiken anwendet: Er spielt die Lüge herunter, stellt sie als erzwungene Notwendigkeit dar oder lenkt ab. 2.2.13 Zeitlichkeit und Räumlichkeit In der Geschichte verändern sich Zeitwahrnehmung und Zeitkonzepte beständig, da eine Anpassung an gesellschaftliche und technische Neuerungen erfolgt. Unverändert gilt aber, dass Geheimnisse untrennbar verbunden sind mit einer bestimmten Zeit – zum Geheimhalten und zum Aufdecken. Für ersteres gibt das sprichwörtliche Wachsen des Grases über eine Sache einen ungefähren Zeithorizont. Für letzteres spielte Erasmus von Rotterdam mit seinem Satz „Tempus omnia explorator“225 darauf an, dass jedes Geheimnis eine gewisse Halbwertzeit bzw. ein Verfallsdatum hat und nicht immer unentdeckt bleibt. Im 17. Jahrhundert wurde kriegsbedingt die „Autorität der Vergangenheit gesenkt“ und die Gegenwart aufgewertet, was Achim Landwehr unter dem Begriff der „Pluritemporalität“ subsummiert.226 Apokalyptische Deutungsmuster verloren am Ende des Dreißigjährigen Krieges an Bedeutung, während die Idee eines ewigen Friedens die Zukunftsorientierung versinnbildlicht.227 Die neue Prospektive schlug sich auch in einem anderen Verständnis beim Memoriakult nieder: in einem zweckgebundenen Memorial224 225 226 227

Vgl. Luther, Martin: Tischreden, hrsg. von Kurt Aland, Stuttgart 1987, Nr. 340. Zit. in: Treiber 1700, S. 8. Landwehr 2012a. Vgl. Fuchs 2012.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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wesen, das am Nutzen für die Nachfahren orientiert war.228 Im Josephinismus habe man, so Sebastian Hansen, die Zukunft aus der Gegenwart heraus zu gestalten beabsichtigt und dazu eine staatliche Vereinheitlichung vorgenommen.229 Die Retrospektive wurde allerdings noch für politische Zwecke instrumentalisiert, wenn beispielsweise im Zuge der Erbfolgekonflikte auf frühere Vermählungen und Verträge hingewiesen wurde und eigene Handlungsweisen bzw. Ansprüche durch Traditionen legitimiert wurden. Im Kontext der Geheimdiplomatie ist diese Vorausschau gegeben, indem Methoden ergriffen werden, um den Gegner vor potentiellen Einbrüchen in das Geheimnis künftiger Vorhaben abzuhalten bzw. im Umkehrschluss um beim Gegner ebensolche Geheimnisse zu entdecken. Die Politik war ein Wechselspiel von kurzfristigem Reagieren auf Geschehnisse und langfristiger Planung in Verbindung mit Antizipation des Verhaltens der Gegenseite. Für die Fürsten der Frühen Neuzeit ging es um Einbußen und Vorteile für ihr persönliches oder dynastisches Wohl. Wegen dieses hohen Einsatzes griffen sie zu den für sie besten Mitteln. Zeitraffung und -dehnung durch zeremonielle Möglichkeiten spielen in der Diplomatie eine wichtige Rolle. Häufig zu beobachten ist die Verschleppung von Verhandlungen, um Zeit für parallele politische Projekte zu gewinnen. Ein weiterer Zeitaspekt ist die Wartezeit im Briefverkehr. Der Takt der Postbeförderung mit den maximal am Tag zurückzulegenden 150  km war die „kleinste Zeiteinheit für politisch-diplomatisches Handeln“.230 Die Sorge um Sicherheit und Nachhaltigkeit ist um 1700 vermehrt laut geworden, was auf ein neues Wachstums- und Fortschrittsdenken hinweist.231 Ein moderneres Zeitmanagement kommt in der Neuorganisation der Geheimsekretariate während des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck. Dem entspricht auch, dass bei Gesandten die Flexibilität in den Vordergrund rückte, da sie aus Zeitersparnisgründen zunehmend mehr Handlungsspielraum erhielten und autorisiert wurden, ohne spezielle Direktive zu bestimmten Verhandlungsgegenständen die Position des Fürsten darzulegen. Diese Blankovollmachten waren Praktiken, die Nachteilen vorbauen sollten, die durch verzögertes Handeln eingetreten wären. Da diese Praxis aber nur im Ausnahmefall eingesetzt wurde, bestanden die Weisungen zumeist auf einem überholten Faktenstand. Während die Information über eine Situation zum Zeitpunkt t1 von A nach B transportiert wurde 228 So hat z. B. August II. von Polen für sein Reiterstandbild zu Lebzeiten keinen geeigneten Standort gefunden. Erst sein Sohn hat zu Beginn seiner Herrschaft das kupferne Modell, das August II. eigentlich für ein massives Standbild als Vorlage diente, feuervergolden und am Neustädter Markt in Dresden errichten lassen. Damit stellte sich August III. in die Tradition seines Vaters und verdeutlichte durch die Ausrichtung nach Polen der Öffentlichkeit zugleich auch seine Orientierung. Vgl. Sponsel, Jean Louis: Das Reiterdenkmal Augusts des Starken und seine Modelle, in: NASG 22 (1901), S. 102–150, S. 144. 229 Vgl. Hansen 2012. 230 Pohlig, Matthias: Infrastructuring the English Postal Service to the Low Countries during the War of the Spanish Succession, Vortrag auf der Tagung „The War of the Spanish Succession. New Perspectives“, London, 22.–24. März 2012, unveröff. Ms., S. 18. 231 Vgl. Zwierlein 2012a.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

und entsprechende Anweisungen zurückliefen, hatte sich die Situation bereits verändert, und schlimmstenfalls war der Befehl auf Grundlage des Wissensstandes von t1 zum Zeitpunkt t2 nicht mehr anwendbar. Tabelle 10: Verzögerter Informationsstand durch Transportdauer Ort A zum Zeitpunkt tx

Informationstransport t1

Ort B zum Zeitpunkt tx

t1+x Reaktion Informationsstand von t1

t2 Reaktion t2+x Reaktion Informationsstand von t2 t3 Reaktion … …

t3+x Informationsstand von t3 …

Dem Problem der Synchronität von Ereignissen begegnete man durch eine Vergrößerung des Personalbestandes bzw. eine Verringerung von Zwischenetappen, um effektiver arbeiten zu können. Mehr Personal ermöglichte eine schnellere Bearbeitung, weniger Instanzen zwischen Befehlshaber und Informant brachten ebenfalls Zeitgewinn. Um 1800 führte man für aristokratische Botengänge sogar Laufgesellenprüfungen durch.232 Gleichfalls änderte sich die Zeitmessung, die früher durch den Lauf der Gestirne bestimmt war und nun von Uhren übernommen wurde. In diesem Zusammenhang ist eine Hinwendung von der Natur zur Technik zu beobachten. Die Dynamisierung der Frühen Neuzeit ist, wie die hier angesprochene Tagung zu Zeitkonzepten offenbarte, in verschiedenen Kontexten nachweisbar. Daneben ist die Räumlichkeit im Kontext der Spionage entscheidend, da sich Entfernungen und Gegebenheiten von natürlichen Räumen auf die Prozesse auswirken, andererseits aber auch Handlungen Räume erschaffen.233 Räume können Handlungen begrenzen und ebensogut ermöglichen. Beispielhaft seien die frühneuzeitlichen Konflikte unter der Perspektive des Raumes betrachtet. Die Internationalen Beziehungen kennen eine Reihe von Themen, beispielsweise Nachbarschaftskonflikte, Exulanten 232 233

Vgl. Mallinckrodt 2012. Zur Raumtheorie vgl. Löw, Martina;Steets, Silke; Stoetzer, Sergej: Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie, Opladen 2007.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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und Exilregierungen, geopolitische Kriegsgründe, Grenzkonflikte, Bedrohungsperzeptionen, Expansionsbestrebungen, Spannungsfelder zwischen Regionalbezug und Globalinteressen, (versuchten) Eroberungen zentraler Metropolen, Stellvertreterkriege an der Peripherie, Einflusszonen und vieles mehr. Die räumlichen Dimensionen der Geheimdiplomatie können entsprechend der Raumforschung auch im Abstrakten gefunden werden.234 Erstens war die Notwendigkeit der Informationsübermittlung über lange Distanzen hinweg die Grundlage für Postinterzeption und Chiffrierung. Die Kryptologieliteratur greift dieses Problem regelmäßig in der Gliederungsweise auf, indem einzelne Kapitel überschrieben sind, wie man „über 3, 4, 50, 100, 1000 Meilen weiter oder näher“ Nachrichten austauschen könne.235 Zweitens eröffneten das Abhören von Gesprächen und entsprechende Vermeidungsstrategien Möglichkeiten für kreative Lösungen. Drittens gelang den Spionen die Identitätsverschleierung nur durch den Aufenthalt in der Fremde, an einem entfernten Ort. Viertens ist die Organisation der Geheimdiplomatie strikt in einen Innen- und einen Außendienst geteilt. Fünftens zogen Doppelagenten ihren Profit aus konkurrierenden Räumen. Sechstens fanden die politisch-militärischen Aktivitäten im naturräumlichen Umfeld statt, so dass Lageerkundung und Aufklärung neben der Wegweisung durch Einheimische einen Bogen zwischen Handlung und Ort schlagen. In der Staatstheorie umstritten ist, ob geographische Gegebenheiten wie Fluss- und Küstenverläufe, Furten, Hoch- und Tiefebenen, die Lage von Waldgebieten, Wüsten, Stränden und Buchten an sich als militärisches Geheimnis zu betrachten sind, oder ob sich dieser Begriff nur auf Ergebnisse menschlicher Tatkraft erstreckt, also auf Brücken, Wege, Häfen, Bahnstrecken usw.236 Der Völkerrechtler Franz von Liszt vertrat die These, dass nur die zur Landesverteidigung von der Militärverwaltung getroffenen Vorkehrungen ein militärisches Geheimnis darstellen können, und auch nur dann, wenn sie nicht öffentlich behandelt werden, da anderenfalls der Begriff uferlos wird. Insofern unterliegen menschliche Eingriffe in den Raum, die in Friedenszeiten von zivilen Organen zur zivilen Nutzung vorgenommen wurden – wie z. B. Brücken und Bahnstrecken – nicht dem Spionagerecht. Da die Aufklärungsdienste sich aber auch für Brückenstandorte oder das Eisenbahnnetz interessierten, wäre zu Liszts Definition zu ergänzen, dass im Verteidigungs- und Kriegsfall auch zivilgenutzte Anlagen und naturräumliche Gegebenheiten mit einer militärischen Bedeutung ein militärisches Geheimnis sein können, wenn sie dem Gegner noch nicht bekannt sind. So war im Schmalkaldischen Krieg 1547 eine Furt durch die Elbe den Verfolgern von Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen nicht bekannt, bevor sie von Einheimischen davon erfuhren und diesen Vorteil zu nutzen wussten, was das Kriegsende wesentlich beeinflusst hat. Zu Recht hat der Kurfürst nach seiner Niederlage den Verrat am Landesherrn beklagt, denn ein in Friedenszeiten strafloser Hinweis für Reisende auf eine 234 Vgl. Rau 2013. 235 De Sunde 1622, Kap. 3. 236 Zur Diskussion vgl. Liszt 1914, S. 227 f.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Furt in der Nähe bildet in Kriegszeiten gegenüber Fremden einen Straftatbestand. Die Frage, wo die Grenze der Spionage verläuft, ist demnach juristisch sehr differenziert zu betrachten und benötigt die Einbeziehung der Konstellation von Räumlichkeit und Zeitlichkeit. Die Raumtheorie hat in ihrer frühen Tradition den Raum von Materie getrennt und Räume entweder als leer oder als gefüllt betrachtet. Das relativistische Konzept geht von Beziehungsverhältnissen zwischen Körpern oder Objekten aus. Die relationale Raumtheorie hingegen bezieht die Manifestation der Raumsituation im Denken, Wahrnehmen und Erinnern mit ein. Nietzsche wollte die Trennung zwischen Innen und Außen zu Gunsten einer Rücksicht auf Variationen des Raumes im Verlauf von Zeit überwinden.237 Diese ganzen Implikationen deuten an, wie komplex die Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Politik und Raum ist. Die Interpretation des Raumverständnisses der Neuzeit zeugt von einem anderen Weltbild als heute. Für die Neuzeit ist nach einer Phase der religiösen Aufladung von Orten eine Orientierung auf die räumliche Ausdehnung zu beobachten, als Imperien eine Vergrößerung ihrer Territorien anstrebten.238 Foucault bezeichnet Spionage als Heterotopie, also als wirksamen Ort an den Rändern der Gesellschaft, wo sich gesellschaftliche Verhältnisse reflektieren.239 In den Zivilisationen ohne Schiff versiegen die Träume, die Spionage ersetzt das Abenteuer und die Polizei die Freibeuter.240

Fortschritt, Mobilität und die neue Ebene des Möglichen sind drei Dimensionen der Moderne, die in ihrem Charakter der Offenheit wiederum Zeit und Raum in Beziehung setzen. Die Rede von der Offenheit von Gesellschaft und Zukunft, der Beschleunigung durch Technik, der Grenzenlosigkeit der Forschung sind nur drei Beispiele, die zeigen, wie begrifflich eng Zeit und Raum zusammenhängen. Ebenso ist zu erwähnen, dass so, wie der menschliche Wahrnehmungsapparat fehlende Teilstücke bekannter Formen ergänzt, auch fehlende Informationen durch Imagination hinzugefügt werden und somit bisweilen Fehlurteile entstehen. Aus dem Umstand heraus, dass immer wieder Versatzstücke des kompletten Bildes verdeckt oder verschattet sind, neigt der Mensch zu Vermutungen, die seine Handlungen beeinflussen. Auch sind individuelle Perspektiven auf eine Situation relevant, da es zu Unterschieden zwischen der Wahrnehmung und der Realität kommen kann, was Größe, Relation, Position und Bewegung betrifft. Diese psychologischen Aspekte sind bei der Analyse dessen, wie Protagonisten eine Situation beurteilen und dieser Beurteilung eine Entscheidung folgen lassen, von großer Tragweite. 237 Vgl. Günzel, Stephan: Geophilosophie. Nietzsches philosophische Geographie, Berlin 2001. 238 Vgl. Foucault, Michel: Andere Räume (1967), in: Barck, Karlheinz (Hrsg.): Aisthesis: Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik; Essais. 5., durchgesehene Auflage. Leipzig: Reclam, 1993, S. 34–46. 239 Vgl. ebd. 240 Vgl. ebd.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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Im militärischen Kontext spielen Zeit und Raum z. B. bei heimlichen Vorbereitungen von Angriffen und Truppenverlagerungen eine bedeutende Rolle. Allgemein sind Überraschungen des Gegners auf mehreren Ebenen möglich: Zeitpunkt, Ort, Geschwindigkeit, Technologieeinsatz bzw. Waffensysteme und Strategiewechsel.241 Notwendige Bedingung ist allerdings die erfolgreiche Geheimhaltung des beabsichtigten Manövers. In der vorindustriellen Ära war, wie Michel Handel nachgewiesen hat, die Möglichkeit, dass eine strategische Überraschung gelang, wegen der langsamen Mobilität sehr gering.242 Noch bevor die Befehlskette durchlaufen war und sich die Truppen in Gang gesetzt hatten, konnte der Gegner durch Spionage oder Beobachtung die Absicht erkennen und Abwehrmaßnahmen treffen. Der vermeintliche Zeitvorteil von Eilmärschen konnte durch kurze Meldewege leichter Truppen auf der anderen Seite ausgeglichen werden. Dass die Feldherren oft nicht wussten, wo ihr Gegner stand, entsprang nicht einer gut geplanten Überraschung, sondern vielmehr einer unterbesetzten Aufklärungsabteilung und Vernachlässigung der Beobachtung des Gegners. Da allerdings so gut wie keine Informationssammlung über den Wissensstand des jeweils Anderen stattfand, konnte kein Vorteil aus dem Informationsmangel des Gegners gezogen werden. Dieser Aspekt berührt wieder die Perzeptionsproblematik, die bereits oben erörtert wurde. Insgesamt ist aber Martin Mulsow zuzustimmen, dass die „Ungleichzeitigkeit von vielfältigen Wissens- und Machtstrukturen […] in der Umbruchsphase des 17. Jahrhunderts Strategien von Simulation und Dissimulation hervortreibt“, demzufolge temporäre Schieflagen im Bereich Wissen und Macht zu Praktiken des Verstellens und Täuschens führten.243 2.2.14 Moral und Unmoral Die bisherigen Überlegungen haben erwiesen, dass Geheimdiplomatie auf Konfrontation beruht und die Handelnden zumeist nur dem Impuls der Selbsterhaltung folgen. Wenn dazu noch angeführt wird, dass mit geheimdiplomatischen Methoden Angriffe verhindert oder Friedensunterhandlungen begonnen werden können, müsste die moralische Beurteilung von Spionage milde ausfallen. Soweit die Maßstäbe der je eigenen Zeitumstände angelegt werden, ist es möglich, anachronistische Wertungen zu vermeiden, die heutige Normen auf fremde Epochen übertragen und damit der Vergangenheit nicht gerecht werden.244 Zunächst ist zu konstatieren, dass es zur moralischen Perspektive der Aufrichtigkeit und Dissimulation seit dem Mittelalter einen breiten Diskurs gab.245 Die Brechung des Briefgeheimnisses wurde mindestens seit dem 16. Jahrhundert als Unsitte thematisiert.246 241 242 243 244 245 246

Vgl. Handel 2003, S. 4. Vgl. ebd., S. 7. Mulsow 2007, S. 236. Vgl. Schaeffler 1980, S. 81; Boucher 2011. Vgl. Danneberg 2006. Vgl. Bohn 1997, S. 49.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Die Fürsten rechtfertigten ihr Handeln bei Entdeckung aber nicht, sondern leugneten es. Die Aktionen in der Geschichte moralisch einzuschätzen, bedeutet, sich auf das Denken der Protagonisten einzulassen, die „mit der Gestaltung der äußeren Verhältnisse auch über die eigene Würde entschieden“ haben.247 Deren über bloße Kritik des Gegners hinausreichende Gestaltungskraft beruht auf einer moralischen Reflexion: Befangenheiten und Vorurteile können nur durch einen ausgeprägten Willen zur Umgestaltung von Gesellschaftszuständen überwunden werden, wobei systemimmanente Verbesserungen nur das Bewusstsein täuschen bzw. „korrumpieren“, den aufwändigeren Weg des größeren Widerstands zu gehen.248 Historisches Handeln und historische Normen sind aufeinander bezogen und bedingen sich gegenseitig, so dass Idealität und Realität im Geschichtsprozess zusammengehören. Demnach bedarf, so Richard Schaeffler im Abschnitt über Geschichte und Sittlichkeit, eine angemessene Beschreibung historischer Phänomene eine Analyse des Ethos geschichtswirksamen Handelns. Bis heute gilt die Spionage nicht als völkerrechtswidrige Handlung.249 Wie steht es nun mit der Beurteilung der Spionage durch die Zeitgenossen? Wer waren die Helden, wer die Schurken? Bei der moralischen Beurteilung von Unaufrichtigkeit wird unterschieden zwischen aktivem Handeln (Vorspiegeln; simulatio) und Unterlassen (Verbergen; dissimulatio).250 In die erstere, wegen Übertretung moralisch unzulässige, Kategorie gehören sämtliche Praktiken der Verstellung und Verheimlichung, die Aktivität erforderten, also auch Chiffrierung, Steganographie, Verkleidung, Verstellung usw. Vom moralischen Standpunkt aus betrachtet, ist nur das beredte Schweigen erlaubt gewesen. Doch ist dieses Ideal nicht praktikabel gewesen, so dass über das, was moralisch zulässig war, bald situativ entschieden wurde, wie sich in den Staatshandbüchern nachlesen lässt. In seiner Abhandlung über Spione hat Johann Philipp Treiber festgestellt, dass die Absendung von Spionen die Möglichkeit liefert, um auf rechtlicher Basis zu herrschen und einen „bellum silentium“, einen stillen Krieg, führen zu können.251 Durch die Spionage könne, so seine These der Krieg gekürzt und Menschenleben bewahrt werden. Anders urteilte Erasmus von Rotterdam, der in der Riege der oppositionellen Denker einen prominenten Platz einnimmt: Ein Tyrann regiert mit Furcht, List und Intrigen, ein König mit Weisheit, Redlichkeit und Wohltätigkeit.252

Sein gegen Macchiavelli gerichtetes Buch Institutio Principis Christiani stellt die Vorbildwirkung des Fürsten für die gesamte Gesellschaft heraus. Er habe seine Entscheidungen 247 248 249 250 251 252

Schaeffler 1980, S. 82. Ebd., S. 82. Vgl. Buchheit 1967, S. 14. Vgl. Danneberg 2006, S. 61. Treiber 1700, S. 15, 17. Vgl. Institutio Principis Christiani 1968, I, 2, S. 81.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

121

nach dem Allgemeinwohl auszurichten und könne seine moralischen Grundsätze der Herrschaft nicht an den eigenen Bedürfnissen messen. Der Krieg sei nur im äußersten Fall zur Verteidigung akzeptabel, wenn alle Friedensmittel ausgeschöpft seien. Damit steht Erasmus in der Tradition des Bellum Iustum. Seine Friedensphilosophie präzisierte er in weiteren Schriften. Nur die einstimmige Befürwortung eines Krieges durch die Bevölkerung rechtfertige einen Krieg. Auch mahnte er, dass Rache weitere Rache hervorrufe und dass aus einem Scheinkrieg ein offener Krieg entstünde.253 Eine Abwägung zwischen Kosten und Nutzen war für den Pazifismus des Erasmus irrelevant. Vor allem die protestantischen Autoren wie Seckendorff und Thomasius kritisierten die Legitimation der Arkana auf Grund der Staatsräson als Freibrief für fürstliche Willkür.254 Das in die Umgangssprache eingezogene Prinzip der Machtpolitik „Der Zweck heiligt die Mittel“ wird gemeinhin Macchiavelli zugeschrieben. Dieser umschrieb zwar kompromisslose fürstliche Herrschaftsmethoden, hatte jenen Satz aber nicht geprägt. Der Jesuitenpater Hermann Busenbaum 1652 erörterte ihn in seiner „Moraltheologie“, so dass der Satz oft irrtümlich als Motto des Jesuitenordens bezeichnet wird, obwohl das Kollegium sich von den Ausführungen Busenbaums über Königsmord usw. distanzierte.255 Immerhin hat das Handbuch der Jesuiten aber die „Meisterregel“ von Gracián übernommen, die lautete, man solle die menschlichen Mittel anwenden, als gäbe es keine göttlichen, und die göttlichen, als gäbe es keine menschlichen.256 Objektive und subjektive Zwecke müssen getrennt betrachtet werden, um den Einzelfall beurteilen zu können.257 Über die Zwecke einer Handlung ist eine hierarchische Aufstellung möglich. Nach Immanuel Kant ist der Mensch und sein Wille der höchste Zweck. Entsprechend der menschlichen Gesinnung sind die Handlungen nach dem Kategorischen Imperativ zu bewerten. Gemäß seiner Forderung, Menschen immer nur als Zweck, nie als Mittel zu behandeln, lehnte er die Geheimdiplomatie gänzlich ab: Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.258

Immanuel Kant forderte, dass kein Friedensschluss gültig sein solle, der in sich den „geheimen Vorbehalt des Stoffes zu einem künftigen Kriege“ enthalte.259 Durch einen Friedensschluss, der dem Anspruch des Ewigen anhaften solle, müssten alle Ursachen 253 Vgl. Querela Pacis 1986. 254 Vgl. Hölscher 1979, S. 133 f. 255 „… wenn der Zweck erlaubt ist, (sind) auch die Mittel erlaubt“ in der „Moraltheologie“. Busenbaum, Hermann: Medulla theologiae moralis, facili ac perspicua methodo resolvens casus conscientiae, IV, cap. 3, dub. 7, art. 2. 256 Handorakel 1967, Nr. 151, S. 106. 257 Vgl. Berger, Davi: Thomas von Aquin’s „Summa theologiae“, Darmstadt 2012, I/II, 90. 258 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, hrsg. von Christoph Horn, Frankfurt a. M. 2007, AA IV, 429. 259 Zum ewigen Frieden 1981, Erster Abschnitt, welcher die Präliminarartikel zum ewigen Frieden unter Staaten enthält, S. 196.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

für künftige Kriege vernichtet sein und selbst durch „Ausspähungsgeschicklichkeit“ in Archiven nicht auffindbar sein. Dass Kant diesen Artikel an den Anfang seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ setzte, unterstreicht die Bedeutung, die Kant der Ehrlichkeit und Unbedingtheit für einen Friedensschluss zuschreibt. Einzig einen geheimen Artikel läßt Kant zu. Diesen hat er erst in seiner zweiten Auflage eingefügt. Er enthält die Aufforderung an die Politiker, Philosophen zu Rate zu ziehen, um die Maximen der Kriegführung und Friedensstiftung zu hören.260 Das Geheimnis jenes Paragraphen ist auch nur deswegen zulässig, weil es die Autorität des weisen Staates herabsetzen würde, wenn er bei Untertanen Belehrung suche. In allen weiteren Punkten der Politik lehnt Kant Geheimnisse strikt ab und folgt dem Leitgedanken: „Ehrlichkeit ist besser denn alle Politik“.261 In Paragraph 6 heißt es, es sollten auch alle Staatsmänner vertrauliche Beziehungen mit Anderen pflegen, besonders im Krieg, um einen Friedensschluss zu ermöglichen. Entsprechend sei von Mord, Giftmischerei, Wortbruch und Anstiftung des Verrats abzusehen.262 Derlei niederträchtige Ehrlosigkeiten, zu denen Kant ausdrücklich auch den Gebrauch der Spione zählt, würden das Vertrauen gänzlich unmöglich machen, das für einen Frieden nötig ist. Um einen Ausrottungskrieg auszuschließen, seien diese Mittel unerlaubt, da sie sich „nicht lange innerhalb der Grenze des Krieges halten“ würden, sondern auch auf den Friedenszustand übergingen.263 Später geht Kant auf die griechische Weisheit ein, derzufolge der Krieg deshalb schlimm sei, weil er mehr böse Leute mache als er deren wegnähme.264 Hiermit sind nicht zuletzt die langfristigen Begleiterscheinungen von Kriegen – Misstrauen, Hass und Wut – angesprochen, sondern auch die gesellschaftspsychologischen Folgen eines Krieges, wie das falsche Verständnis von Ehre und Beschönigung des „Kriegesmutes“ mit all seinen Applikationen.265 Wenn der Mensch seine Freiheit missbraucht und wider die Vernunft handelt, weil er durch seinen selbstsüchtigen Neigungen zur Praxis des Friedenhaltens nicht imstande ist, so kommt ihm, wie Kant weiter ausführt, die Natur zu Hilfe. Es komme nur auf die gute Organisation des Staates an, die der Mensch in einer republikanischen Verfassung selbst einrichten könne, so dass alle zerstörerische Wirkung aufgehalten werde.266 Diese Postulate gehören zu einem von Kant konzipierten Völkerrecht, dem sich alle Staaten unterwerfen müssten. Die Illusion eines Friedens durch das Gleichgewicht der Mächte habe sich durch wiederholtes Scheitern erwiesen. Das menschliche Streben nach Macht und die Gewaltbereitschaft seien zu groß für einen ewigen Frieden, wenn er nicht konsequent mit den zur Verfügung stehenden Machtmitteln durchgesetzt werde. 260 261 262 263 264 265 266

Vgl. ebd., B 67, S. 227. Ebd., A 68, S. 229. Vgl. ebd., A 13, S. 200. Ebd. Vgl. ebd., A 58, S. 222. Ebd. Vgl. ebd., A 60, S. 223 f.

2.2 Das Handeln beeinflussende Faktoren

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Dazu benötigte man moralische Politiker, der die Ideen der Vernunft allen Selbstsüchten Vorrang einräumt.267 Bis zu jenem optimalen Zustande sei eine Zwischenphase gestattet, da von einem Staat nicht verlangt werden könne, dass er seine, wenn auch despotische, Verfassung ablegt, wenn er dann von anderen Staaten „verschlungen“ werden würde.268 Kant stellt fest, dass die Politiker mit Praktiken umgingen, die den Maximen folgten, günstige Gelegenheiten zu Eigenmächtigkeiten zu nutzen, Taten und eigene Schuld abzustreiten und Zwist zu säen, um „unter dem Schein des Beistandes des Schwächeren“ einen nach dem anderen zu unterwerfen.269 Diese Maximen seien hinlänglich bekannt und zwischen den Staaten abgesprochen, als dass dadurch jemand hintergangen würde und man müsse sich ihrer auch nicht schämen, sondern allenfalls ihres Misslingens.270 Für einen ewigen Frieden indes müssten die Staaten der „Schlangenwendungen einer unmoralischen Klugheitslehre“ abschwören und sich eingestehen, dass sie nicht durch das Recht zu Macht gelangen, sondern durch Gewalt.271 Zudem müssten sich alle auf das Recht anderer Menschen bezogenen Handlungen mit der „Publizität“ vereinbaren, also öffentlich akzeptiert sein.272 Mit anderen Worten: erst, wenn ein Staat oder Volk seine Vorhaben öffentlich erklären kann, ohne damit seine Absicht zu vereiteln, sei sein Handeln rechtmäßig. Kant erörtert diese Maxime an den Beispielen der Volkserhebung gegen Despoten, der Verweigerung versprochener Hilfeleistungen, der Angriffe gegen übermächtige Nachbarn und der Absorption territorialabrundender kleiner Territorien – und erklärt alle Fälle gemäß der Maxime der Staatsklugheit für unrechtmäßig.273 Insofern stellt Kant die moralische Politik unter das Diktum der unbedingten Ehrlichkeit und Transparenz. Es wird deutlich, dass die Geheimdiplomatie, verstanden als informelle Kriegführung bzw. als Stellvertreterkrieg mit den Waffen der Spionage, vom moralischen Standpunkt betrachtet, die Frage des gerechten Krieges in sich birgt. Die absolute Pflicht, in erster Linie das Recht des Menschen zu berücksichtigen, stellt die Politik vor Schwierigkeiten. Entsprechend hoch ist der Anspruch, dem Kant zufolge die ehrliche Herrschaft folgen muss. Nur jene Absichten, die der Veröffentlichung bedürfen, um ihren Zweck zu erreichen, würden der Glückseligkeit entsprechen, da nur 267 268 269 270

Vgl. ebd., A 72, S. 233. Ebd., A73, S. 234. Ebd., A 79, inS. 236 f. „[…] denn in Ansehung der Moralität der Maximen kommen sie alle unter einander überein […]“. Ebd., A 79, S. 237. 271 Ebd., A 81, S. 237 f. 272 „Denn eine Maxime, die ich nicht darf laut werden lassen, ohne dadurch meine eigene Absicht zugleich zu vereiteln, die durchaus verheimlicht werden muß, wenn sie gelingen soll, und zu der ich mich nicht öffentlich bekennen kann, ohne daß dadurch unausbleiblich der Widerstand aller gegen meinen Vorsatz gereizt werde, kann diese notwendige und allgemeine, mithin a priori einzusehende, Gegenbearbeitung aller gegen mich nirgend wovon anders, als von der Ungerechtigkeit her haben, womit sie jedermann bedroht.“ Ebd., A 94, S. 245. 273 Vgl. ebd., A 98–101, S. 247 f.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

im Publikum die Vereinigung der Zwecke aller möglich sei.274 Anders gesagt: gerechte Politik ist messbar an der der Zufriedenheit der Öffentlichkeit. Moralisch betrachtet ist demnach nicht der Erfolg von Politik Maß der Dinge, sondern ihre Rechtmäßigkeit. Höchste Instanz dafür ist die Öffentlichkeit Aller. Dass seine Idee einer Utopie nahekommt, gestand Kant ein, da er es zur Aufgabe der Politik erhob, eine „ins Unendliche fortschreitenden Annäherung“ an den Zustand der moralischen Politik inmitten eines ewigen Friedens zu beginnen und die begründete Hoffnung darauf zu erfüllen.275 Die Dynamik des Wandels sollte schließlich dazu führen, dass Krieg unzeitgemäß werden würde und Konflikte überwunden sind. Die eigenen Egoismen in verträglichen Grenzen zu halten, wäre Teil des moralischen Fortschritts der Menschheit, der das notwendige Ziel des Zivilisationsprozesses darstellt.276 Durch die sozialpolitischen Erfahrungen der Französischen Revolution verlor binnen weniger Jahrzehnte das Geheime seine Legitimität  – während im 18. Jahrhundert die Geheimhaltung noch als notwendige Voraussetzung erfolgreicher Politik betrachtet wurde, feierte die Öffentlichkeit 1848 das Ende aller politischen Geheimnisse als Fortschritt: Im Geheimen brütet das Verbrechen, der Verrat, im Geheimen wetzt der Mord seine Dolche, lauern Molch und Schlange auf ihre Opfer, im Geheimen feierte die Inquisition ihre blutigen Henkersorgien, im offenen Tageslichte dagegen wandelt die Rechtschaffenheit, die überzeugungsvolle Gesinnung, wandelt ein freies Volk.277

Doch erst durch die Überwindung von Feindbildern und Ideologien setzte sich ein Prozess der Veröffentlichung in Gang, der im 20. Jahrhundert viele Gesellschaftsbereiche erfasste. Die derzeitige Herausforderung besteht darin, durch einen verantwortungsvollen Umgang mit Geheimhaltung und Offenheit die Kontrolle über die Dynamik zu gewinnen und einer ins Abseits gedrängten Privatsphäre wieder Raum zu geben. Wünschenswert wäre eine die Skandale begleitende Debatte über sinnvolle und erforderliche Barrieren in Gesellschaft und Politik, die nicht zur Abgrenzung dienen, sondern auf die wegen ihrer Schutzfunktion Rücksicht genommen werden kann. Daran ließe sich die Reife und Qualität der modernen Gesellschaft im Umgang mit Geheimnissen ermessen.

274 Vgl. ebd., A104, S. 250. 275 Ebd., B 112, S. 251. 276 Vgl. Burgio, Alberto: Die Zeit für den Krieg, die Zeit für den Frieden. Zur Geschichtsphilosophie von Kants „Zum ewigen Frieden“, in: Bialas, Volker; Häßler, Hans-Jürgen (Hrsg.): 200 Jahre Kants Entwurf „Zum ewigen Frieden“. Idee einer globalen Friedensordnung, Würzburg 1996, S. 57–65, 59. 277 „Öffentlichkeit“, in: Meyer, Joseph: Das große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände, 1.2.1., Hildburghausen 1848, S. 201.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie Der Beziehung zwischen der Diplomatie im Normalbetrieb und der Geheimdiplomatie in Krisen- und Kriegssituationen ist das folgende Kapitel gewidmet. Die an Geheimdiplomatie Beteiligten bilden eine sehr große Gruppe, bestehend aus dem Fürsten und seiner Gemahlin, den Geheimen Räten und Ratgebern, den Botschaftern und Gesandten, den Sekretären und Boten, den hohen Militärs und einfachen Soldaten, den Agenten und Spionen und sogar Personen aus dem Hofstaat und der Bevölkerung, die sonst gar nichts mit Politik oder Diplomatie zu tun hatten. Im Unterschied zum Normalbetrieb der gewöhnlichen Diplomatie verschob sich in einigen Fällen der Handlungsbereich. Sekretäre waren nicht nur Verfasser von Schriftstücken, sondern eventuell auch Kopisten der Gegenseite. Hofangestellte konnten Spione werden, Händler und Kaufleute zu Boten, Soldaten zu Kundschaftern, Bauern und Reisende zu Informanten, Offiziere zu Chiffreuren. Die moderne Soziologie fand heraus, dass eine solche Rollenvielfalt nur realisierbar ist, wenn der Betreffende die einzelnen sozialen Kreise und Rollensegmente „wasserdicht voneinander abtrennen kann“ und sich eine Intimsphäre aufbaut.278 Auf gesellschaftlicher Ebene wurde bei besonderen Herausforderungen die Multifunktionalität des Personals und der Untergebenen aktiviert. Die im Normalbetrieb durch beständige Kommunikation gepflegte Beziehung gewährleistete eine ständige Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft für den Ernstfall. Fehlende Positionen oder gestörte Kommunikation ersetzte man durch externes Personal, das mittels persönlicher Netzwerke akquiriert werden konnte.279 Je nach Anwendungskontexten wurde das entsprechende Personal und seine Aufgaben bestimmt und gegebenenfalls erweitert oder verkleinert. Die Funktionsweise der fürstlichen Geheimdiplomatie richtete sich an den Netzwerken aus, die vom Hof organisiert waren. Die Kanzleien als Produktionsorte von Geheimschriften, aber auch als Zielpunkt gegnerischer Korruption standen mehr noch als der Geheime Rat oder der Fürst im Zentrum der Geheimdiplomatie. Die schriftlichen Beweise als notwendige Ressourcen ließen Kanzlei und Archiv in den Mittelpunkt rücken, während die Sitzungen der Räte von Angriffen weitgehend verschont blieben. Als große Hürden für eine Ausspionierung dieser Beratungen erwiesen sich Loyalität, Mündlichkeit, Abschottung und gegenseitige Kontrolle. Die Analyse und Bewertung der vom Außendienst gesammelten Informationen schlug sich allerdings wiederum schriftlich nieder. Die Beschlüsse der Verwertung wurden der Exekutive zugeleitet: den Gesandten und Militärs. Neben der Kanzlei waren diese Transportwege Hauptangriffspunkte des Gegners. Das System der Akquise und Informationsbeschaffung wurde u. a. gestützt von wirtschaftlichen Netzwerken der Hofjuden und Händler, vertraulichen 278 Vgl. Nedelmann 1995, S. 13 f. in Anlehnung an Simmel 1908a. 279 So wurde in der Geheimen Expedition das Personal durch persönliche Bekannte der verpflichteten Teilnehmer ergänzt. Vgl. Kapitel „Brühls Geheime Expedition“, S. 554.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Beziehungen der Hofprediger und Fürstin. Innerhalb des Militärs fanden während eines Krieges eigene Hierarchien Anwendung, so dass ein spezifisch eigenständiger Kommunikationskreislauf existierte, der mit dem parallel laufenden diplomatischen Kreislauf der Informationspolitik abgeglichen werden musste. Hinsichtlich der Akteure gelten einige Prinzipien, die bereits von der Forschung beschrieben wurden.280 Erstens war die Geheimdiplomatie geprägt von grenzüberschreitenden Netzwerken, da die personale Verflechtung nicht an Landesgrenzen Halt machte. Zweitens operierten die diplomatischen Akteure in einem Milieu der Unsicherheit und orientierten sich flexibel an der Tagespolitik, soweit sie entsprechende Freiheiten besaßen. Tragfähige Kontakte und wichtige Entscheide sind oft informell erarbeitet worden. Die Akteure standen vor der Herausforderung, „in einem Geflecht multipler Interdependenzen und widersprüchlicher Interessen“ zu arbeiten.281 Die Geheimdiplomatie, jenes sehr komplexe Phänomen der politischen Kultur, besitzt Ambivalenzen, die oft erst bei einer Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven hervorscheinen. 2.3.1 Kanzlei, Kabinett und Hofangestellte Wegen seines „Reichweitenproblems […] als einzelner Mensch“ war der Herrscher auf die Zusammenarbeit mit loyalen Dritten angewiesen.282 In Ratssitzungen wurden entsprechend der Nachrichtenlage die politischen Richtlinien festgelegt. Herzog Ernst der Fromme von Sachsen-Gotha hielt immer montags im kleinen Gemach Rat mit seinen drei, später sechs Ratsmitgliedern.283 Die sächsischen Zentralbehörden am Dresdner Hof erfuhren unter August II. eine Ausdifferenzierung, und der oberste Minister übernahm die Kontrolle und Arbeitsverteilung.284 Er empfing auch alle Schreiben und übernahm die Sortierung. Das sollte verhindern, dass unkontrolliert Briefe geöffnet oder vorenthalten werden konnten.285 Auch die Vollständigkeit der Akten unterlag einer Prüfung in den einzelnen Unterinstitutionen, so dass die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt war. Zur Vermeidung von Unterschleif waren bei der ersten Durchsicht der eingegangenen Post drei Sekretäre und ein Archivar anwesend.286 Auf der Grundlage der eingegangenen Informationen begann dann die Aufgabe der Informationssichtung und -analyse. Im Bereich der auswärtigen Beziehungen war es nötig, die Länder 280 281 282 283 284 285

Vgl. Schläppi 2010, S. 103. Ebd., S. 109. Brendecke 2009, S. 35. Vgl. Hess 1962, S. 52. Vgl. Dürichen 1930, S. 23 ff. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, L 12, fasc. 2, Reglement 12. November 1751, f. 51. 286 Vgl. Dürichen 1930, S. 41.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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nach ihrer Lage, Stärke und Schwäche, ihren Vortheilen, ihren Rechten, ihren Ansprüchen, ihren natürlichen Nutzen, u. d. g. genau und vollkommen zu kennen.287

Nach der Analyse und Beratung im Kabinett und mit dem Herrscher ergingen Erlasse, Instruktionen, Antworten usw. an die Zuträger. Den Schriftverkehr übernahmen die Kanzleien, die als oberste Verwaltungsbehörden eine Koordinierungs- und Archivierungsfunktion innehatten. Sie expedierten, konzipierten, kopierten und mundierten.288 Es sind stationäre Kanzleien z. B. einer Residenz oder einer Botschaft von mobilen Kanzleien im Felde und auf Reisen (Kriegskanzlei, Reisekanzlei) zu unterscheiden.289 Jede Institution auf jeder Hierarchiestufe konnte in einer eigenen Schreibstube Sekretäre beschäftigen, wie z. B. in der Reichshofkanzlei, Hofkanzlei, Reichskammergerichtskanzlei, Reichstagskanzlei, städtischen Kanzlei, Gerichtskanzlei usw. Infolge des Ausbaus der Diplomatie wurden die Kanzleien Zentrum und Angriffspunkt von Spionage.290 Beispielsweise wuchs die Gothaer Hofkanzlei im 18. Jahrhundert auf 15 Angestellte an. Ebenso ist in der Dresdner Kanzleiordnung von 1736 zu lesen, dass die Arbeit zugenommen habe und deshalb mehr Personen als 1730 im Kriegskollegium beschäftigt wären.291 Nun waren beinahe tägliche Beratungen erforderlich, und liegen gebliebene Sachen mussten dem Herzog sonnabends vorgelegt werden.292 In der Kanzlei herrschte ein geschäftiges Treiben. Die Kontrolle über seinen Hof bewahrte sich der Fürst durch ein ausgeklügeltes System verschiedener Maßnahmen. Das Misstrauen betraf Personen wie Nachrichten gleichermaßen. Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit konnten nicht vorausgesetzt werden, sondern mussten sich in verschiedenen Etappen erst erweisen. François Callière verwendete 1757 in seinem Handbuch für Botschafter die Metapher, man müsse mehr als einmal die Türen prüfen, durch die man gehe.293 Die Hofangestellten waren stets ein Sicherheitsrisiko, da sie ihre oft unzureichende Bezahlung bisweilen durch Geheimnisverrat aufstockten. Für seine Tätigkeit erhielt ein Sekretär 1539 zwischen fünf und zehn Gulden im Quartal zuzüglich Kost und Kleidung.294 In anderen Fällen kam auch ein Malter Korn und vier Klafter Holz dazu.295 Als Einstellungsvoraussetzungen galten Sprachkundigkeit, insbesondere des Französischen, Welschen und Lateinischen, ein lesbares Schriftbild, Fleiß sowie unbedingte Zuverlässigkeit und Loyalität. Von Rechenqualitäten war bei den Bestallungen keine Rede, 287 288 289 290 291 292 293 294 295

Bielfeld 1768, 3. Hauptstück, S. 11. Vgl. „Kanzleiwesen“, in: DRW, Bd. 7, Weimar 1983, Sp. 254. Vgl. Ohnsorge 1997, S. 177. Vgl. Kugeler 2006, S. 134. Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Nr. 820. Vgl. Hess 1962, S. 59. Callière 1757, S. 133. Vgl. ThHStAW, Abt. A, Reg. Rr, Pag. 317, No. 1, 2b, f. 5; Pag. 1–316, No. 1345. Vgl. ThHStAW, Abtl. A, Rr, Pag. 1–316, No. 1053.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

nur wiederholt von „Geschicklichkeit“.296 Auch sonst werden in den sächsischen Kanzleiordnungen und Bestallungsakten weder (De-)Chiffrierung noch die Verwahrung der Nomenklatoren erwähnt, während organisatorische Belange anderer Art (Unterschriftsberechtigungen, Arbeitszeit, Reinigung der Kanzleiräume, Kassenverwahrung, Berichtspflicht gegenüber dem Kontrolleur etc.) geregelt wurden.297 Abmahnungen gab es wegen Müßiggang oder anstößigen Lebenswandels, wenngleich diese Klagen seitens des Arbeitgebers deutlich seltener waren als Klagen der Arbeitnehmerseite über zu geringen Lohn, der kaum zum Lebensunterhalt einer Familie reiche. Ganz offenbar traf man zum Geheimschreibwesen in Dresden nur mündliche Absprachen. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin hingegen ist ein Reglement zu finden, das fünfzehn Paragraphen enthält.298 Die einzelnen Aspekte zeugen von der höchsten Geheimhaltungsstufe in der Berliner Kanzlei. § 1 Geheimhaltung; § 2 Schnelligkeit; § 3 Konzepte am Abend abzugeben; § 4 besondere Geheimhaltung; § 5 Laufzettel; § 6 Verbot des Umgangs mit fremden Ministern usw.; § 7 Verbot von Korrespondenz außer Privatkorrespondenz; § 8 Verbot von Teamarbeit; § 9 Sorgfalt; § 10 Abgabe der Arbeit; § 11 geschlossene Schranktüren und Annäherungsverbot an Schränke ohne Behuf; § 12 Zutrittsverbot für Fremde; § 13 besondere Aufsichtspflicht; § 14 Reglement des Einpackens, Verschnürens und Versiegelns; § 15 Vertrauen des Königs

Wieviele Sekretäre, die als Chiffrensekretäre in Betracht kommen, besaß der Dresdner Hof überhaupt? Der Nachweis dazu ist schwierig zu führen. Obwohl der Hof z. B. im 17. Jahrhundert „allerhand Chiffren“ in Dresden sammelte und auch eine Geheimrats-Chiffre benutzte, taucht in den Bestallungsakten für Sekretäre nirgendwo ein Anhaltspunkt für entsprechend qualifizierte Sekretäre auf – weder die Erwähnung von Dechiffrierung bzw. Verdeutschung noch die Betonung mathematischer Kenntnisse.299 Die Geheimschreiberei war ein solch großes Arkanum, dass es nicht einmal in der Aufgabenbeschreibung auftauchte. Hingegen sind um die Belehrung über Schweigepflicht, Geheimhaltung und entsprechende Verbote viele Worte gemacht worden. Offenbar schenkte der Hof sein Vertrauen auch bevorzugt Verwandten bewährter Subalterner. So sind Söhne, Brüder, Cousins und Neffen bestallter Kanzlisten immer wieder in den Akten zu finden.300 Um beim Schreiben höchstgeheimer Dinge einen Sekretär überflüssig zu machen, erfand der Graf von Neipperg 1762 eine Apparatur, in der mehrere Feder296 SächsHStAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 9673/11, f. 33. 297 Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Nr. 795; 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 9673/11; Desw. vgl. SächsHStAD, 10079, Landesregierung, Loc. 30436, Verzeichnis der Hof- und Justizkanzlei, 13. März 1671, unfol. 298 Vgl. GStA PK,  I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, L 12, fasc. 2, Renovirtes Reglement, 4. April 1750, f. 44. 299 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8236/12; Loc. 8236/5; Loc. 7171/7; Loc. 7171/8; 10079, Loc. 30669; GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, L 9, fasc. 3. 300 Vgl. ebd.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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kiele parallel angebracht waren.301 Während des Schreibens entstand der Text zugleich auf drei oder mehr Blättern. „Jedermanns geheimer Copist“, wie die Maschine genannt wurde, erlangte aber nie die Produktionsreife, sondern geriet wieder in Vergessenheit. Die sich ausbildende Hierarchisierung auf der Sekretärsebene mag ein Hinweis auf besondere Qualitäten geben. In den Sächsischen Staatshandbüchern finden sich unter all den Sekretären, Kopisten, Registratoren usw. immer wieder „Geheime Sekretäre“. Möglicherweise ist dieser Titel den Chiffrensekretären zugemessen worden. Der älteste Sächsische Staatskalender für das Jahr 1728 ergibt folgendes Bild.302 Das Geheime Kriegsratskollegium verfügte über acht Geheime Kriegsräte und eine siebenköpfige Geheime Kriegskanzlei, bei der aber nur ein „Geheimer Kriegssekretär“ beschäftigt war. Demgegenüber war im Geheimen Ratskollegium bei 24 Geheimen Räten die Kanzlei mit 20 Personen besetzt, davon 14 Kanzlisten und ein „Geheimer Sekretär“. Ebenso verfügte auch die Generalität in der Stabskanzlei nur über einen „Generalstabssekretär“. Innerhalb der Abteilung Regierung & Appelation arbeitete ein „Geheimer und Lehngerichtssekretär“, im Kammerkollegium ein „Geheimer Kammersekretär“, der als „verlängerte Hand des Kanzlers“ fungierte.303 Unter Kurfürst August verwahrten der Kammersekretär und sein Vertreter bei sich in einer Art Sonderabteilung der Kanzlei diejenigen Sachen, die der Kurfürst geheim wissen wollte.304 Anfangs drückte der Zusatz „geheim“ im Titel eine besondere Vertrauensstellung zum Fürsten aus, doch im 18. Jahrhundert geriet das Beiwort zu einem völlig farblosen und massenhaft verliehenen Titel.305 Im Steuerkollegium war der „Extra-Ordinair-Secretariat-Expedition-Secretär“ Müller „zwar verpflichtet, aber zur Zeit an keine Expedition gewiesen“.306 Es ist somit festzuhalten, dass in jeder Behörde ein eigener „Geheimer Sekretär“ beschäftigt wurde und ihre Zahl etwa fünf bis sechs betrug. 1757 sah die Situation anders aus.307 Das Personal war im Zuge der Ausdifferenzierung der Behörden angewachsen. Das Geheime Kabinett hatte für jede Abteilung (Domestiquen-, Militär- und Etrangeraffären) jeweils zwei Geheime Sekretäre. Das Geheime Konsilium verfügte über vier, die Geheime Kriegsratskollegium wie auch die Stabskanzlei über zwei Geheime Sekretäre. In den wichtigsten Institutionen war also die Zahl Geheimer Sekretäre personell verdoppelt worden. Alle übrigen Behörden waren wiederum mit je einem Geheimen Sekretär versehen. Erheblich angewachsen war die Zahl von Angestellten im Postamt. Waren es 1728 zehn Personen, dienten 1757 zwölfmal 301 Vgl. Allgemeine deutsche Bibliothek, Bd. 9, H. 2, Berlin, Stettin 1769, S. 269–272. 302 Die Staatshandbücher etablierten sich im Alten Reich 1700–1730. Vgl. Königl. Polnischer und Churfürstl. Sächsischer Hoff- und Staats-Calender auf das Jahr 1728, Leipzig 1728. 303 Ohnsorge 1940, S. 165. 304 Vgl. Oehlke 1997, S. 175. 305 Vgl. ebd., S. 202. 306 Vgl. Königl. Polnischer und Churfürstl. Sächsischer Hoff- und Staats-Calender auf das Jahr 1728, Leipzig 1728, Abschnitt Steuer-Collegium. 307 Vgl. Königl. Polnischer und Churfürstl. Sächsischer Hoff- und Staats-Calender auf das Jahr 1728, Leipzig 1757.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

soviel – im Oberpostamt Leipzig 81 und im Oberpostamt Dresden 41 Personen. Für den Krieg wurde weder bei Post noch in den Behörden eigens neues Personal eingestellt, da bereits 1755, also vor Ausbruch des Krieges, ebensoviele Angestellte verzeichnet waren. Eine personelle Nachrüstung zu Kriegszeiten fand also nicht statt. Der gestiegene Arbeitsaufwand wurde vom bestallten Personal bestritten. Bei der Beschreibung des Aufgabengebietes in der Kanzlei wurde die Verschwiegenheit besonders hervorgehoben: […] das er Schreiben willig und mit Vleis fertige das er die alteren hendel und briffe in Registrauren und ordenung bringe und darinnen erhalte das er niemandes nichts heraussen gebe, zustelle noch eroffne das er alles das was er schreiben, lesen oder erfaren wirdet und heimlichen gehalden werden sollte, niemandes offenbaren, sondern bis zu seinem Gruben heimlichen und vorschweigen halten solle […].308

Mehrere Fälle der Missachtung dieser Vorschrift sind in Gerichtsakten überliefert. Dass die Kanzleien oft mit Blankounterschriften arbeiteten, kam Betrügern entgegen.309 Auch wenn die Dunkelziffer höher liegen mag, so sind doch die meisten Kanzlisten und Sekretäre loyal geblieben. Offensichtlich wirkte die drohende Strafe abschreckend und hat nur Überzeugungstäter oder unzufriedene Hofangestellte nicht daran gehindert, dem Gegner Vorschub zu leisten. Über die Jahrhunderte hinweg gab es keine größeren Schwankungen. Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts sind in Gotha Untersuchungen wegen Verletzungen des Dienstgeheimnisses überliefert.310 Zur Geheimnissicherung oblag dem Fürsten eine Vielzahl von Möglichkeiten. Zunächst wurde bei wichtigen Angelegenheiten alles Schriftliche nach Möglichkeit vermieden und mündlich besprochen.311 Dennoch waren Instruktionen und Berichte zwangsläufig mit der Feder zu notieren, wobei gleichfalls hohe Sicherheitsstandards galten. Die Gesandten und Informanten schrieben ihre Berichte fast immer in Chiffren, um die Inhalte vor den Gegnern geheimzuhalten.312 Entsprechend erhielten sie Papierbögen mit Nomenklatoren, während das Pendant dazu in der Kanzlei verblieb, um die eingehende Post dechiffrieren zu können. Gelegentlich wurden um der größeren Sicherheit Willen die Chiffren verändert. Die Übergabe erfolgte entweder direkt in der Geheimen Kanzlei oder ein Bote überbrachte den neuen Nomenklator. Dazu nutzte man oft die Gelegenheit, dass ein Gesandter oder Offizier in die entsprechende Richtung reiste und die Chiffre mitnahm.313 308 309 310 311 312 313

Ebd. Vgl. Hess 1962, S. 77. Vgl. ThStAG, Staatsministerium Departement I, Loc. 4 III, Dienstangelegenheiten, Nr. 11. Vgl. Hess 1962, S. 70. Siehe hierzu Kapitel „Die defensive Geheimdiplomatie“, S. 227. „[…] envoyé à S. E. M. le Comte de Riaucour par le Piqueur Haacke passant par Manheim“. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/7, unfol.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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Die Ziffernsekretäre waren „déchiffreurs célèbres“, da es von ihrer Arbeit abhing, ob Staatgeheimnisse bewahrt werden konnten oder nicht, ob man hinter die „méchans chiffres“ der Gegner kam oder nicht.314 Wenn ein Sekretär „seinen Schlüssel verkaufte“, bedeutete das außerordentliche Nachteile für die Belange des Fürsten.315 Die Strafen für solche Verbrechen waren entsprechend hart und betrugen mehrere Jahre Festungshaft, in Einzelfällen bis hin zur Todesstrafe. Die Vorsichtsmaßnahmen zur Geheimhaltung brisanter Informationen innerhalb der Kanzlei waren vielfältig. Gemäß der Rats- und Kanzleiordnung Kurfürst Johann Friedrichs I. von 1539 durften Briefe nur vom Kanzler, Torwärter oder Boten geöffnet werden, und wenn es sich um fürstliche Briefe handelt, war nur der Kanzler dazu berechtigt.316 Das Ratssiegel zur Beglaubigung von Urkunden und amtlichen Schreiben lag in einem Kasten, der nur mit zwei Schlüsseln zu öffnen war. Wie wichtig die Schlüsselgewalt über die Kanzleien, Archive und Dokumentenschränke war, wird daran ersichtlich, dass Graf von Wackerbarth-Salmour nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges alle Schlüssel der Königin Maria Josepha persönlich überreichen musste.317 In Listen waren alle Schlüsselinhaber verzeichnet. Darüber hinaus wurde notiert, welche Aktenkonvolute in den geheimen Raum unter dem Ratszimmer gebracht wurden und 1759 auf die Festung Königstein gingen: Spezialreskripte, unexpedierte Konzepte sowie geheime Ratsinstruktionen. Da die Fürsten aber auch den höchsten Beamten und Räten nicht unbedingt vertrauten, wird verständlich dass Herzog Ernst der Fromme von Sachsen-Gotha die allerwichtigsten Papiere sogar in seinem Schlafgemach aufbewahrte.318 Niemand durfte von Räten, Hofgesinde oder Fremden in die Kanzlei geführt werden. Ein Kanzleischreiber musste sich beim Ausscheiden aus dem Amt zur Verschwiegenheit bis ins Grab verpflichten, wie die Personalakte von 1571 festhält.319 Je nach Bedrohungslage und Intentionen stellte der Fürst einen organisierten Geheimdienst auf. Ein militärischer Geheimdienst musste in einer Konfliktlage widersprechende Informationen sondieren und für die Zentrale eine Übersicht erstellen, die bestenfalls noch einzelne Handlungsoptionen enthielt. Dazu gehörte auch, den Konzessionsspielraum der Gegenseite und den „Widerstandspunkt“ auszuloten.320 Oberstes Gebot war es, die Pläne nicht zu kompliziert werden zu lassen, um flexibel agieren zu können. In Paris war durch die Academie der Gebrüder Dupuy ein Informations- und Forschungszentrum entstanden, das Gelehrsamkeit und Politikberatung verknüpfte.321 314 315 316 317 318 319 320 321

Callière 1757, Bd. 1, S. 136. Ebd., Bd. 1, S. 138. Vgl. ThHStAW, Abt. A, Reg. Rr, Pag. 317, No. 1, 2b, f. 3 ff. Vgl. SächsHStAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482/4. Vgl. Hess 1962, S. 57. Vgl. ThHStAW, Abt. A, Reg. Rr, Pag. 321 III 2.8.a (Urk. 5622). Craig 1988, S. 216. Vgl. Soll 2009.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Die Mitglieder – Hüter des Staatsschatzes, Archivare, Bibliothekare, Juristen, Wissenschaftler und Gelehrte – trafen sich täglich und bildeten einen einflussreichen Kreis von Experten, auf deren Wissen und Netzwerke der König gern zugriff. Die Kontrolle über das staatliche Archiv entzog Ludwig XIV. jedoch nach dem Ende der Herrschaft Kardinal Richelieus den Rechtsgelehrten und zentralisierte die staatliche Informationspolitik, indem er durch seinen Minister Colbert ein internes bürokratisches Institut mit einer neuen königlichen Bibliothek einrichten ließ. Mit oftmals geistlichen Experten schulte er einen Kader kontrollierter staatseigener Gelehrter, auf deren Loyalität er sich im Tagesgeschäft verlassen konnte. Das Verfassen und die Redaktion der ausgehenden Hofnachrichten sowie die Prüfung und Kopie der eingehenden Informationen bildeten das Kerngeschäft in den Kanzleien. Den Ministern und Geheimräten kam die wichtige Aufgabe des Politikmanagements zu. Zur Vermeidung von Kompetenzschwierigkeiten konzentrierten sie sich auf bestimmte Ressorts. Im 18. Jahrhundert ist in der Außenpolitik angesichts der forcierten Konkurrenz unter den Höfen eine gestiegene Sensibilität zu beobachten, die ein erhöhtes Arbeitspensum mit sich brachte. Wegen des hohen Arbeitsaufwandes konnte die politische Korrespondenz nicht mehr von einem Außenminister allein bewerkstelligt werden. So hatte sich eine Arbeitsteilung am Dresdner Hof zwischen August Christoph von Wackerbarth und dem Grafen Flemming nach geographischen Gesichtspunkten ergeben, die den sprachlichen und politischen Kenntnissen entsprach: Österreich, Italien und Spanien und Westeuropa übernahm August Christoph von Wackerbarth, während die übrigen Beziehungen dem Grafen von Flemming oblagen, der 1728 von Heinrich von Brühl beerbt wurde.322 Während seiner Auslandsreisen ließ sich Wackerbarth von seinem Freund, dem Grafen von Manteuffel, über alles Wichtige aus Dresden per Chiffre informieren.323 Nur so konnte er seine einflussreiche Position am Hof verteidigen. Wackerbarths Sohn, Graf Joseph Anton Gabaleon von Wackerbarth-Salmour, wurde später in einigen Dingen der Nachfolger des Vaters aber zwischen ihm und dem Grafen Brühl bestanden unterschiedliche politische Auffassungen, so dass Wackerbarth-Salmour 1740 von seiner Funktion im Geheimen Rat zurücktrat.324 Zuvor hatten beide noch eine respekvolle, heimliche Korrespondenz geführt, die sich aber auf das Notwendigste beschränkte.325 Diese Inneneinsichten lassen ansatzweise einen Blick hinter die Kulissen des Kabinetts Augusts II., des Starken, zu. Die Minister ließen sich nicht nur von den Gesandten berichten, sondern auch von auskunftsbereiten Geistlichen und Adeligen. Einige Agenten berichteten dem sächsischen Hof wie auch der Rzeczpospolita, so dass es zu einigen Überschneidungen kam.

322 Matzke 2005, S. 90. 323 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3424/6. 324 Vgl. „Wackerbarth-Salmour, Joseph Anton Gabaleon Graf von“ von Judith Matzke, in: SäBi, URL: http://www.isgv.de/saebi/ [8.4.2014; ASR]. 325 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 722/8.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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Erst in den 1740er Jahren etablierte August III. eigene sächsische Agenten. Für militärische Angelegenheiten war die Generalität zuständig, während die Landesverteidigung den Gouvernements Dresden bzw. Leipzig oblag. In Kursachsen bestand seit 1634 das Geheime Kriegsratskollegium, welches bis 1814 Bestand hatte.326 Durch dieses institutionelle Dickicht ergaben sich personelle Dopplungen – z. B. waren die Gouverneure August Christoph von Wackerbarth und Jacob Heinrich von Flemming auch Geheime Räte, Minister und Generalfeldmarschälle. Eine solche Ämterhäufung sprach für das besondere Vertrauen des Königs, führte aber auch zu Intransparenz und einer Parallelherrschaft über das Informationssystem. Die Zahl der im engeren Vertrauenszirkel des Herrschers eingeschlossenen Personen variierte je nach Hofgröße, aber selbst August II. zog für die Pläne zur Wiedererlangung der polnischen Krone nur sieben Hofangestellte ins engste Vertrauen.327 Wackerbarth stand ihm besonders nahe, wie man den gegenseitig zugesandten Rätselspielen nach vermuten kann.328 Auch ließ sich Graf Wackerbarth mehr als Flemming auf die Tarnnamen der geselligen Societé des antisobres ein. Jener tauchte nur in der Vorschlagsliste als „L’Enseigne“ („Das Aushängeschild“) auf und gehörte der Gesellschaft später nicht an, in die Wackerbarth eng eingebunden war.329 In ihrer Funktion als Gouverneur entschieden Flemming bzw. Wackerbarth über den Grad der Geheimhaltung bei Verhaftung, Transport und Entlassung von Gefangenen. Hieß es das eine Mal, bei Arrestanten müsse die Überführung oder Freilassung in größter Stille erfolgen, um den Feind im Unklaren zu lassen, erschien es ein anderes Mal geboten, die Verhaftung eines Abenteurers zur Abschreckung offen sichtbar durchzuführen.330 Ebenso planungsvoll und weitsichtig agierten die Gouverneure, wenn sie bei der Ortswahl für die Haft ins Kalkül zogen, dass sich bestimmte Gefangene besser nicht begegneten und deshalb auf verschiedenen Festungen einsaßen. Beide waren einander in vertrauensvoller Kollegialität zugetan. So konnte sich Wackerbarth erlauben, Flemmings Post zu öffnen, was dieser nachträglich goutierte und sogar mit einem Freibrief versah: Übrigens haben Ew. Excell. gahr wohl gethan, dass Sie den vom Kapit. Junghanns an mich abgelassenen Brief erbrochen haben und stehet demselben frey in dergleichen presanten Fällen alle meine Brieffe zu eröffnen.331 326 Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Nr. 792; 10036, Geheimes Finanzarchiv, 32642, Rep. 52, Gen., Nr. 0422. 327 Vgl. Czok, Karl: Ein Herrscher – zwei Staaten: Die sächsisch-polnische Personalunion als Problem des Monarchen aus sächsischer Sicht, in: Rexheuser 2005, S. 103–119, 114. 328 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3425/10, August II. an Graf Wackerbarth, 19. April 1732, f. 211. 329 Vgl. GStA PK, BPH Rep. 46, Friedrich Wilhelm I. Nr. F. 3; SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3058/1; Rous 2014b. 330 So sollte der Abenteurer Baron Klettenberg öffentlich verhaftet werden, der Spion Stanislaus Leszińskys aber heimlich entlassen und Christoph Löwenburg heimlich auf eine andere Festung verlegt werden. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 712/6, Wackerbarth an Flemming, 25. Juni 1716, f. 127; Loc. 3517/3, Entlassung, 27. Oktober 1725, unfol.; 11254 GD, Loc. 14512/6. 331 SächsHStAD, 11237 GKRK, 10922/1, Flemming an Wackerbarth, 18. Oktober 1724, unfol.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Um Zeit zu gewinnen, griff Wackerbarth auf diese Möglichkeit zuweilen zurück. Andererseits erlaubten sich Verantwortliche auch Nachlässigkeiten, die dem Gegner den Zugriff auf brisante Informationen erleichterten. Hier ist die nicht immer sorgfältige Aufbewahrung von Schlüsseln, Nomenklatoren und Briefschaften, schlechte Einlasskontrollen sowie die mangelnde Aufsicht und Kontrolle Untergebener zu nennen. Anders ist nicht erklärbar, dass von Einbrüchen in Schränken, verbotenen Abschriften in der Kanzlei, Besuchen Fremder in Diensträumen und Diebstählen aller Art zu lesen ist. 2.3.2 Der Außendienst und sein Netzwerk Mit dem Aufkommen von ständigen Gesandtschaften ausgangs des Mittelalters begann der Aufbau fortwährender bilateraler Beziehungen zwischen zwei Staaten.332 Die stehende Diplomatie bildete sich parallel mit dem Staatensystem heraus. Die Präsenz der Gesandten hatte eine Verdichtung der Kommunikation zur Folge. Die Entwicklung verlief langsamer als vielfach angenommen – der Kaiser hatte Mitte der 1660er Jahre erst ein Dutzend Residenten, und erst im späten 17. Jahrhundert ist die Entwicklung europaweit fortgeschritten. Ende der 1720er Jahre war für Sachsen mit zwölf Posten innerhalb und ebensovielen Posten ausserhalb des Reichs ein „voll ausgeformtes, ganz Europa überziehendes Gesandtschaftsnetz“ erreicht worden.333 Fast alle Vertreter an anderen Höfen hatten sich auf der Karriereleiter hochgedient. Dem Ambassadeur bzw. Botschafter nachgeordnet waren die Residenten, die als Gesandtschaftssekretäre aus zweitrangigem Adel zusammen mit den Envoyés und den Agenten, die als „Gesandte zweiter Klasse“ galten, auf einer Stufe standen.334 Residenten und Agenten eigneten sich wegen ihrer größeren zeremoniellen Freiheiten besser für geheime Aufträge. Sie bekamen ihre Posten oft, nachdem sie bereits als Sekretäre von Gesandten im diplomatischen Dienst Erfahrung gesammelt hatten.335 Da sie nicht nur mit ihrem Auftraggeber, sondern auch mit den Kollegen an den anderen Höfen in Kontakt standen, besaßen sie einen großen Bekannten- und Korrespondentenkreis. Pelzhoffer empfahl eine direkte Kommunikation zwischen dem Gesandten und seinem Fürsten, um zu verhindern, dass Räte und Minister den Wissensstand des Fürsten manipulierten.336 Somit konnten fast 25 % des Gehaltes auf ausgelegte Postgelder entfallen.337 Die Gesandten waren, wie bereits erwähnt, mehreren Dienstherren verpflichtet und arbeiteten auf der Basis dieser Mehrfachloyalität. Da das Salär niemals die Ausgaben für den zeremoniellen Aufwand deckte, mussten die Gesandten oft Geld vorstrecken und bei ihrem Dienstherrn oft zu332 333 334 335 336 337

Vgl. Krauske 1885; Schaube 1889. Matzke 2005a, S. 5; Kretzschmar 1932. Krauske 1885, S. 154, 165. Vgl. Matzke 2005, S. 180. Vgl. Pelzhoffer 1710, S. 362. Vgl. Legutke 2010, S. 291.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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sätzliche Mittel beantragen. Somit stellte der diplomatische Dienst ein Armutsrisiko dar und ließ die Gesandten eine mehrfache Verwertung ihrer Dienste anstreben. So wurde ein Gesandter der vogtländischen Reußen in Wien auch von Dresden für seine Berichte bezahlt. Umgekehrt war der Reuße am Wiener Hof zugleich das „Ohr Österreichs“, denn der Kaiser behielt durch „Sponsoring“ kleiner Herrschaften Sachsen im Auge.338 Der Reuße sammelte also relevante Informationen in Wien und berichtete zugleich am Kaiserhof über die Vorgänge in der Heimat. Auf diese Weise konnte durch geschicktes Lavieren und dreifache Entlohnung ein Gesandter aus seiner Arbeit ein lohnendes Geschäft machen. Solange er keine größeren Geheimnisse eines der Brotherrn verriet, kam er auch nicht in Misskredit. Diese Grenze eindeutig überschritten hatte allerdings der Wolfenbütteler Gesandte in Den Haag, Abraham de Wicquefort, der 1675 wegen Korrespondenz mit dem Feind und Geheimnisverrat verhaftet wurde.339 Jahrelang hatte er Kontakte nach Brandenburg und England unterhalten, und die Generalstaaten warfen ihm vor, als auf die Republik vereidigter Übersetzer vertragsbrüchig geworden zu sein. Wicquefort führte an, nur öffentlich bekannte Informationen weitergegeben zu haben. Dem widerspricht allerdings die Praxis des do ut des. Knapp entkam er der Todesstrafe und floh aus der lebenslänglich verhängten Haft. Im Exil verfasste er ein Handbuch für Botschafter, auf das noch zurückzukommen sein wird. Daniel Legutke hat gezeigt, dass Wicqueforts Anklage kein Einzelfall war. Im Jahr 1713 erschien anonym ein kompromittierender 15seitiger Bericht über gewisse Zustände in Regensburg.340 Der Bericht wurde von den Kurfürsten als Schmähschrift verurteilt und vom Scharfrichter verbrannt. Es tauchten jedoch auch später noch Nachdrucke auf. In dem Text heißt es, es solle 1710 einen Gesandten gegeben haben, der 15 Voten führte und deshalb „der Fünfzehner“ genannt wurde. Die anderen Gesandten hätten bei dem Tod eines solchen „vielköpfigen Gesandten“ um die gehabten Voten „tausendfache Intriquen“ verübt. Auch sei es am Regensburger Reichstag verbreitet, dass die Gesandten das Geld von Mehrfachloyalitäten nicht mit den Sekretären teilen wollten und lieber ihre billigen Kammerdiener und Lakaien damit beauftragten oder gleich selbst schrieben. Andere Gesandte, denen dahingehend kein Vorwurf gemacht werden könne, würden die Aufsicht über ihr Personal vernachlässigen, so dass es den Schreibern leicht sei, geheime Schriften zu kopieren und zu verkaufen. „Alles, was schreiben kann“, verdiene an den Geheimnissen des Reichstages. Die Begierde nach den nächsten Neuigkeiten und Arkana lasse es zu, dass man sein Wissen, das kaum einen Weißpfennig wert sei, für einen Reichstaler verkaufen könne. So sei unter den Korrespondenten des Reichstages ein Preiskampf ausgebrochen. In jedem Regensburger Kaf338 Bloethner 2007, S. 15; Aretin, Karl Otmar: Das Alte Reich 1648–1806, Stuttgart 1997, S. 74. 339 Vgl. Legutke 2010, S. 126 f.; Ders. 2005, S. 67. 340 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 30107/5, Pflichtmäßger Bericht von dem Secreto Comitiali, 1713, unfol.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

feehaus könne für einen Kreuzer die Regensburgische Korrespondenz gelesen werden. Wenn diesen Angaben Glauben zu schenken ist, dann hat sich aus dem Geheimnis um die Politik in Regensburg ein Markt entwickelt, der dazu führte, die Arkana ans Licht zu befördern. Drittens führt der anonyme Autor aus, die Katholiken wüßten alles von den Sitzungen der evangelischen Konferenz und umgekehrt, da sie sich gegenseitig „genau observieren“. Dennoch, so heißt es weiter, gäbe es auch Bereiche völliger Geheimhaltung, wenn Geheimnisse in der Tat zu zweit oder dritt bewahrt blieben, was der Autor zur Behebung jener Irregularitäten empfahl. Die Darstellung ist zweifellos deutlich übertrieben. Doch ist die so oft in den zeremoniellen Streitigkeiten vorgeschobene Ehre der Gesandten offenbar nicht immer so hochgehalten worden. Völlige Transparenz hat es in Regensburg aber ebensowenig gegeben wie völlige Geheimhaltung. Gerade die Fremdsprachigkeit machte häufig Dolmetscher erforderlich, die allerdings wegen ihrer Einblicke in die Arkana mit dem Generalverdacht der Spionage belegt waren.341 Die Chiffren der Gesandten ergeben in diesem Licht eine weitere Rechtfertigung. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Fremdsprachigkeit, Übersetzungsunschärfen und politischen Missverständnissen hat es aber offenbar nicht gegeben, und es können keine absichtsvollen Übersetzungsfehler benannt werden, die von heimlich operierenden Dolmetschern getätigt wurden und einen Konflikt schürten.342 Abschottung schien ein wirksames Mittel zur Bewahrung der fürstlichen Interessen zu sein. Aber auch das Gegenteil – Weitergabe von Nachrichten und Methoden der Informationspolitik an vertrauensvolle Personen – war diesem Zweck zuträglich. Schon in der Frühphase der modernen Geheimdiplomatie scheinen sich einzelne Fürsten untereinander über ihre Maßnahmen ausgetauscht zu haben. So riet Herzog Wilhelm von Sachsen dem brandenburgischen Kurfürst Albrecht Achilles, das Olmützer Treffen 1479, das den Frieden zwischen Polen und Matthias Corvinus von Ungarn besiegelte, durch einen heimlichen Kundschafter beobachten zu lassen.343 Gemäß ihrer Instruktionen waren die Gesandten aufgefordert, alle wertvollen Informationen an ihrem Standort zu sammeln, was ihnen den Ruf einbrachte, ein „hônnete Espion“ zu sein.344 Dabei waren sie auf Informanten angewiesen und gaben auch ihrerseits Hinweise an Bekannte weiter. Die Gesandten mussten eine Vertrauensbasis finden, aber zugleich auch einen wachen Blick behalten. Die „im Vertrauen“ gegebenen Informationen wurden weitergereicht, was teilweise einkalkuliert und jedem erfahrenen Gesandten bewusst war. Bisweilen führten sie Kollegen der gegnerischen Seite auch in die Irre, indem sie Gerüchte streuten, die Unwahrheit sagten oder Unwissenheit vor341 Vgl. Schmidt-Rösler 2013, S. 188. 342 Vgl. ebd., S. 201. 343 Vgl. Johann von Redwitz an Abrecht Achilles am 3. Januar 1479 in: Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles, Bd. 2 (1475–1480), hrsg. v. Felix Priebatsch (= Publicationen aus den Königlich-Preußischen Staatsarchiven. 67), Leipzig 1897, Nr. 484; Müller 2009. 344 Callière 1757, Bd. 2, 131 und Bd. 1, S. 125 f.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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täuschten.345 Nachweislich sind im Vorfeld des Siebenjährigen Krieges von Diplomaten bewusst Gerüchte zum eigenen Vorteil in Umlauf gebracht worden.346 In Instruktionen sollen Gesandte sogar dazu aufgefordert worden sein, die Räume ihrer Agenten einmal zu durchsuchen, um deren Loyalität zu überprüfen.347 Die Nachrichtengewinnung der Gesandten beruhte auf einem Informationsnetz, das in folgender Quelle recht gut beschrieben ist. 1702 schrieb der sächsische Reichstagsgesandte aus Regensburg, Georg Graf von Werthern an seinen Dienstherrn: Ew. Königl. Mt. habe ich tiefster Unterthänigkeit zu berichten auch nicht Umbgang nehmen können, wasgestalten der Schwed. Brehmische Abgesandte sich gegen ein gewiße und glaubwürdige Person sole haben verlauten laßen: wie er die sichere Nachricht von ihrem Ministro Palmquist aus Pariß hätte, wasgestalten der vor einiger Zeit an den Französ. Hof Fürstl. Sachsen Gothaischen Abgeschickte unter andern an- und inproposition gebracht […].348

Die Informationskette durchlief mithin vier Stationen, bevor sie Graf von Werthern erreichte. Eine Reaktion auf diese Nachricht ist leider nicht überliefert, da nach dieser Meldung nur eine Seite chiffrierter Notizkritzeleien ohne Daten oder Namen zu finden ist, bevor die Akte endet. Um die relevanten Informationen zu erhalten, musste der Gesandte seine Informanten steuern bzw. führen. Ein gut organisiertes Beziehungsgefüge konnte einen Gesandten in die Lage versetzen, durch einen Informationsvorsprung entscheidende Vorgänge kontrollieren und beeinflussen zu können.349 Abram Shulsky bezieht Kontrolle, Expertise und Menschenkenntnis in sein Konzept von Management der Intelligence ein.350 Insofern benötigt gute Informationspolitik stets ein ausgesprochen gutes Controlling. Im Rahmen des Zeremoniells mussten sie darauf achten, niemanden zu brüskieren und selbst als kultivierter und interessanter Gesprächspartner zu gelten. Die beste Möglichkeit, Informationen zu erhalten, war selbst etwas preiszugeben. In seinem Handbuch für Botschafter und Gesandte bezeichnete Callìere das Geheimnis als Seele der Verhandlung („l’ame de la négociation“).351 Oft trafen sich die Gesandten mit ihren Informanten auf neutralem Boden, um den zeremoniellen Zwängen zu entgehen. Gärten dienten gern solchen konspirativen Treffen.352 Durch die verschlungenen Wege 345 346 347 348

Vgl. Espenhorst 2013a, S. 216. Vgl. Anklam 2007, S. 42. Vgl. Rothenberg 1992, S. 101. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8572/11, Frankreich möchte die Chur Sachsen von der Albertinischen auf die Ernestinische Linie und zwar auf Sachsen Gotha bringen, 28. August 1702, f. 964. 349 Bestes Beispiel ist der Fall von Abel Servien und Graf D’Avaux. Vgl. Tischer, Anuschka: Diplomaten als Patrone und Klienten: Der Einfluss personaler Verflechtungen in der französischen Diplomatie auf dem Westfälischen Friedenskongress, in: Babel 2005, S. 171–197, 197. 350 Vgl. Shulky 2002, S. 129 ff. 351 Callière 1757, Bd. 1, S. 136. 352 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 138.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

ließ sich eine gewisse Abgeschiedenheit nutzen, und während des Spaziergangs war ein Belauschen kaum möglich. Nichts kann die vertrauliche Unterhaltung besser gewähren als ein ständiger Ortswechsel unter freiem Himmel. Um ihre Berichte geheimzuhalten, auch wenn die Briefe von anderen gelesen wurden, verwendeten die Gesandten Chiffren.353 Den Botschaftern wurde in den Instruktionen nahegelegt, die Schreiben selbst zu chiffrieren und ihre Sekretäre keine Depeschen ohne Chiffre lesen zu lassen. Desgleichen sollten die Briefe vollständig chiffriert werden und nicht in Teilen Klarschrift enthalten, da sonst hier bei interzipierter Post ein Dechiffreur des Gegners Hinweise auf die verwendete Sprache erhielte und umso rascher hinter den Schlüssel käme.354 Jede Nachlässigkeit könne bestraft werden. Zusätzlich mussten die Briefe durchnummeriert werden, um das Fehlen eines Briefes erkennen zu können.355 Die Gesandten dürften in Ausübung ihrer Tätigkeit auch Täuschung und Verheimlichung einsetzen, außer bei der Religion, um die Göttlichkeit nicht zu betrügen, so Callière.356 Aber gefährliche Sachen seien selten nützlich für den Fürsten. Während des Verhandelns müsse der Botschafter versuchen, mit „Finesse“ den Geist der Wahrheit mit dem Erfolg der Aufgabe zu verknüpfen und darauf zu achten, dass kein Verdacht auf den Fürsten falle.357 Diesem und der eigenen Person dürfe kein Schaden beigefügt werden und dem eigenen Fürsten sollte das Ergebnis nach Möglichkeit mehr Reputation bringen. Die Wahl der Mittel müsse sich daran ausrichten.358 Diesem Grundsatz folgte beispielsweise der Gesandte Kaiser Karls V. in Rom, Juan de Vega, der in Eigenverantwortung Truppen sammelte, den Papst und die Venetianer einschüchterte und dadurch eine Allianz beider mit Frankreich verhinderte.359 Nach dem siegreichen Heereszug gegen Frankreich kehrte er von der Spitze der Armee auf den Posten in Rom zurück. Wenn es nur eine überschaubare Nachrichtenmenge gab, mussten die Korrespondenten nicht auswählen, sondern konnten alles, was ihren Adressaten interessierte, ungefiltert der Schaltstelle am Fürstenhof weiterleiten.360 Die erste Informationssortierung erfolgte meistens aber schon bei den Gesandten, die nur die relevantesten Informatio353

354 355

356 357 358 359 360

Beispielhaft vgl.  SächsHStAD, 10026 GK, Loc.  3107/8, Instruction pour le Conseiller Privé de Guerre Comte de Bolza allant à la Cour d’Espagne, Warschau 27. Dez. 1738, § 11; Loc. 2999/1, Instruktion, § 9, unfol.; Loc. 2995/2, Instruktion, § 3, f. 15; Loc. 2991/5, Instuktion, § VII; Loc. 3021/1, Instruktionen, unfol.; Loc. 2740/5, Instruktion, unfol. An dieser Stelle sei Judith Matzke für ihre Hinweise herzlich gedankt. Vgl. Callière 1757, Bd. 1, S. 138; SächsHStAD, 10026 GK, Loc.  937/7, Neues Kabinettsreglement, 13. Juli 1728, f. 120–157. Vgl. SächsHStAD, 10026, GK, Loc. 384/1, Instruktion für den Geheimagenten Toder Horst, f. 502b. Die Durchnummerierung notierte sich beispielsweise auch Herzog Friedrich von Sachsen-GothaAltenburg in seinen Tagebüchern. Vgl. Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg: Die Tagebücher 1667–86, bearb. von Roswitha Jacobsen, 3 Bde., Weimar 2000, Bd. 1, S. 343. Vgl. Callière 1757, Bd. 2, S. 24. Ebd., S. 26, 131. Vgl. ebd., S. 132. Vgl. Busto 1938, S. XV II. Vgl. Wilke, Jürgen: Korrespondenten und geschriebene Zeitungen, in: Arndt 2010, S. 59–72, 71.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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nen an ihre Zentrale schickten. Ein solcher Apparat funktioniert jedoch nur, wenn die Emissäre mit dem Sekretariat des Fürsten reibungslos kooperierten. Dann besaßen sie eine Gatekeeper-Funktion und konnten von der Vielzahl von Personen profitieren, die aus der „Sogwirkung“ der „enormen Dynamik ihres öffentlichen Diskurses“ heraus zu Kontaktleuten wurden.361 In der Frühen Neuzeit waren die Nachrichtendienste noch stark personenbezogen, so dass die Netzwerke zusammenbrachen, sobald die Zentrale schwach wurde bzw. wegfiel. In dieser Hinsicht machte sich die fehlende Balance innerhalb von Netzwerken sofort bemerkbar. Der französische Nachrichtendienst ließ in seiner Effektivität schlagartig nach, als das „Schwarze Kabinett“ des Kardinals Richelieu nach dessen Tod nicht am Laufen gehalten wurde und sich als wichtigste französische Station der Haag etablierte.362 Gleichermaßen kollabierte die Informationspolitik bei Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen nach dem Ende des Rochlitzer Nachrichtendienstes, von dem er seine zuverlässigsten Informationen erhalten hatte. Gute Netzwerkarbeit und -pflege in ruhigen Zeiten bewährte sich in Konfliktsituationen, aber schwersten Angriffen konnte kein noch so stabiles Netzwerk standhalten. Die zu Friedenszeiten ruhende Geheimdiplomatie ist nicht gleichbedeutend mit nichtexistenter Netzwerkarbeit. Vielmehr lieferten auch die wirtschaftlich-zivilen Netzwerke und auch Gelehrtennetzwerke ein „Grundrauschen“363 aus stetigen, mehr oder weniger regelmäßigen Berichten über Vorfälle oder Gerüchte. Auch Mitteilungen, dass sich nichts Mitteilenswertes ereignet habe, wurden versandt. Diese Briefe symbolisierten eine Aufwartung bzw. eine Gabe an den Abwesenden und signalisierten Wertschätzung.364 Der Sozialwissenschaftler Michael Giesecke hat den Zweck solchen Verhaltens folgendermaßen umrissen: Die Sicherung der Aufrechterhaltung der funktionalen Beziehungen von sozialen Systemen erfordert nicht nur die permanente Behandlung von Arbeitsaufgaben und damit die Entwicklung der kooperativen Struktur, sie verlangt auch soziale Thematisierungen. Jedes soziale System muss zumindest manche Aufgaben ,als lösbare Aufgaben‘ behandeln und sozial repräsentieren.365

Somit übt sich die Gruppe der „Akteure von Außenbeziehungen“366 durch die stetige Kontaktpflege in der Aufgabenlösung und Kooperation für den Ernstfall. Bei Bedarf konnten dann die Netzwerke aktiviert werden und gewissermaßen vom Standby-Modus in den Aktionsmodus überführt werden. Im Kontext von Korrespondenzen zwischen

361 362 363 364 365 366

Vgl. Burgdorf, Wolfgang: Der intergouvernementale publizistische Diskurs, in: Arndt 2010, S. 75–97, 79. Vgl. Rothenberg 1992, S. 103. Benjamin Bühring auf dem Workshop der International Intelligence History Association. Vgl. Droste 2013, S. 82. Giesecke 1988, S. 51. Thiessen 2010.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Frauen der höfischen Gesellschaft ist dieses Phänomen bereits von Corina Bastian beschrieben worden.367 Wohlgemerkt: Es gab nicht nur ein Netzwerk, sondern ein Ineinandergreifen von Diplomaten-, Gelehrten-, Wirtschafts- und bürgerlichen Netzwerken. Zwischen den Agenten bestand ein Kontaktnetz, das für verschiedene Zwecke genutzt wurde. Als beispielsweise der Gothaer Hof einige Leute für den Rats- und Hofmeisterdienst suchte, schrieb er den Wiener Agenten an, der sich nach qualifiziertem Personal umschauen möge und auch den kursächsischen Agenten fragen sollte.368 Diese Vernetzung der Agenten war beruflich bedingt von sehr starkem Vertrauen untereinander und einer klaren Abschottung nach außen gekennzeichnet. Die üblichen Bekanntschaften und Freundschaften von Vertretern anderer Berufe, wie z. B. der Legations- und Kanzleisekretäre, waren naturgemäß von größerer Offenheit, da es kein Geheimnis sein musste, bei welcher Gesandtschaft oder Kanzlei man diente. Die Gothaer Bestallungsakten für Geheime Legationsräte nennen deren vorige Wirkungsstätten und weisen auf besondere Qualitäten hin.369 Besonders Devotion, Geschicklichkeit, Treue und Fleiß wirkten sich karrierefördernd aus. Wer sich mehrere Jahre des fürstlichen Vertrauens würdig erachtet hatte, konnte Protektion, Aufstieg und Vergünstigungen genießen. Die Schnittstelle zwischen denjenigen, die Informationen sammelten und denjenigen, die sie transportierten, war besonders sensibel, da hier eine Besoldungsschwelle lag, die Zuverlässigkeit aber gleichermaßen auf beiden Ebenen gegeben sein musste. Die Boten mussten ebenso verschwiegen sein wie die Agenten, waren aber finanziell schlechter gestellt und potentiell für Korruption anfälliger. Herzog Ernst der Fromme von Sachsen-Gotha-Altenburg ließ 1656 geeignete Leute für den Posten als Amtsbote in seinem gesamten Territorium durch Schösser, Amtmänner und Rentmeister suchen.370 Parallel dazu erließ er eine Botenordnung, die strenge charakterliche Maßstäbe anlegte, genaue Verhaltensweisen vorschrieb und auch die Verschwiegenheit hervorhob.371 Es war ein personales Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Boten, das später abgelöst wurde von dem Systemvertrauen in die Post.372 2.3.3 Die Agenten, Informanten und Spione Balzac schrieb, der „Beruf des Spions“ sei eine großartige Sache, weil er die Aufregung eines Diebes mit der ehrsamen Rolle eines Bürgers kombinieren könne.373 Peter Burke 367 368 369 370 371 372 373

Vgl. Bastian 2013, S. 435. Vgl. ThStAG, GA, AAA (A3) III. Nr. 3. ThStAG, OHMA, Nr. 145. ThStAG, GA, UU, Nr. 7, unfol. Vgl. ebd. Vgl. Bohn 1997, S. 45. Zit. in: Höfling 1989, S. 40.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

141

zufolge waren Spione aber nur „semi-professionals“, weil sie ihre Fähigkeiten bei der Arbeit entwickelten, Teilzeit arbeiteten und keine lebenslange Karriere möglich war.374 In der Tat war im Untersuchungszeitraum Spionage eine befristete Tätigkeit, und es gab keine Ausbildungsstätten. Der Begriff der „Profession“ trifft allerdings nicht zu, da er für akademische oder Handwerksberufe mit hohem Prestige verwandt wird. Deshalb ist dafür zu plädieren, den Spion eher als Person mit Sonderauftrag, gleichsam als Sonderbeauftragten zu betrachten. Eine treffendere Zuschreibung seitens der Soziologie steht noch aus. Auch in der jüngsten historischen Publikationdes bezeichnete Stéphane Genêt seinen Abschnitt als „Versuch einer Definition“ und wies darauf hin, dass die bisherigen Begriffsbestimmungen zu vage sind, um die Komplexität zu erfassen.375 Die organisatorische Arbeit in einem Geheimdienst, das Führen von Agenten und das Planen von Aktionen sowie deren Auswertung kann immerhin als „planvoll angelegte und durchdachte Berufsarbeit“ bezeichnet werden.376 Der Teamarbeit in der Zentrale steht somit Einzelgängertum der Spione und auch der Abenteurer entgegen. Nach heutigem Stand unterteilt die Intelligence ihren vier Bereichen (Informationssammlung, -analyse, -bewertung und –verwertung) vier Spiontypen und eine Steuerungsperson zu: Collectors, Analysts, Operators, Managers und Policymakers.377 Diese Unterteilung kann für die Frühe Neuzeit nicht übernommen werden, da nur die „im Felde“ arbeitenden Kräfte mit dem Akt des Spionierens bezeichnet wurden. Das mit den Planungen und Auswertungen betraute Personal war zwar in den Spionageprozess eingebunden, galt aber vordergründig als Amtsträger. Für den spanischen Geheimdienst des 16. Jahrhunderts hat Diego Navarro Bonilla extrahiert, dass beim Staatssekretär die Operationen zusammenliefen und es eine zweite Ebene zur Koordination und Direktion der Spione gab, während eine Ebene darunter die Agenten rekrutiert, geschützt und die Chiffren bewahrt wurden.378 Er traf für Spanien eine Unterscheidung in „hauptberufliche“ Spione und gelegentlich eingesetzte Agenten. Diese begriffliche Differenzierung kann so nicht generell übernommen werden, da sich, wie eingangs beschrieben, der zeitgenössische Agentenbegriff über den geheimdienstlichen Kontext hinaus erstreckte und den Amtsträgern für auswärtige Belange zukam. In der jüngeren Forschung wurde die Titulatur „Agent“ für „Privatbotschafter“ eingesetzt, wenn es sich um Abgesandte von nicht souveränen Auftraggebern handelte.379 Spione agierten oft in zivilen Kreisen in größter Nähe zum Zentrum des Gegners, und ihnen sah man durch die oft gute Tarnung ihre Absichten nicht an. Statt Schlapphut 374 375 376 377 378 379

Vgl. Burke 2008, S. 53. Genét 2013, S. 8. Buchheit 1967, S. 16. Vgl. Andregg 2007, S. 52. Vgl. Navarro Bonilla 2004, S. 67. Kühner 2010, S. 74.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

und Mantel trugen sie die Livree des treuen Dieners oder die Kutte des Hofsekretärs. Diese Spione kamen aus verschiedenen Berufen: Advokaten, Kanzlisten und Papierhändler kamen dicht an die Kanzleien heran, Jäger, Barbiere sowie Kammerdiener konnten Fürsten und Geheime Räte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit belauschen, und Kaufleuten war es unkompliziert möglich, Grenzen zu überschreiten. Im Dreißigjährigen Krieg tarnten sich Spione als Wein- und Kornhändler.380 Besonders häufig waren Spione im militärischen Umfeld, da die Spionage besonders in kriegerischen und konfliktreichen Zeiten Hochkonjunktur hatte und viele Angehörige der Armee mit ihrem Wissen über Aufstellungen und Ausrüstung Geheimnisträger waren. Sie wurden aus den Reihen der Soldaten entsprechend ihrer besonderen (Sprach-) Fähigkeiten oder Ortskenntnisse für bestimmte Missionen rekrutiert. Auffällig ist eine große Zahl an Geistlichen unter den Spionen. Nicht selten wurden geistliche Würdenträger, Hofprediger, Beichtväter und ehemalige Mönche mit Sonderaufgaben betraut. Hintergrund dessen war einerseits die Vertrauensstellung bei Hofe und ihre scheinbare Integrität. Zum anderen eigneten sich Mönche besonders für geheime Missionen, da sie durch die Arbeit in den Klosterbibliotheken ein großes Wissen angehäuft und Verschwiegenheit bewiesen hatten. Auch konnten sich entlaufene Mönche einen regelmäßigen Unterhalt sichern, während sie relativ unauffällig spionierten. Nicht zuletzt waren auch finanzielle Gründe ausschlaggebend, da man Kleriker leicht mit Pfründen statt mit harter Währung bezahlen konnte.381 Als die Geistlichen Mitte des 18. Jahrhunderts aus der Geheimpolitik wieder allmählich verschwinden, nehmen Militärs ihre Positionen ein. In der Traktatliteratur wird der Zusammenhang mit dem in der Bedeutung steigenden Zeremoniell erklärt: Männer vom Degen sind geeigneter als andere, sich bei den Damen einzuschmeicheln, die an den meisten Höfen viel zu gelten pflegen.382

Quer durch alle Jahrhunderte sind aber auch Schriftsteller in den Spionagenetzwerken zu finden, z. B. Christopher Marlowe bei Sir Francis Walsingham in den 1580er Jahren und Daniel Defoe Anfang des 18. Jahrhunderts für die Vereinigung Englands mit Schottland. Während bei ersterem reiner Pragmatismus und finanzielle Bedürfnisse handlungsleitend waren, ist Defoe aus politischer Überzeugung durch persönliche enge Beziehungen mit Staatssekretär Robert Harley zum Geheimagenten geworden, nachdem er wegen Bankrott und Schulden 1703 im Gefängnis gesessen hatte. Von den Zeitgenossen wurden wegen ihrer Wanderungsbewegung und ihres schlechten Leumunds auch die „Zigeuner“ heimlicher Spionage verdächtigt. 383 Herzog Johann Friedrich der Mittlere von Sachsen ließ die „Landleuffer“ warnen, sie würden bei Wiederbetreten des 380 381 382 383

Vgl. ThStAG, GA, F O II c Nr. 3. Vgl. Krauske 1885, S. 225. Callière 1757, S. 218. Vgl. Betreffend die Ausweisung 1621; ThStAG, Coburger Festungsarchiv, Nr. 70.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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Landes aufgehängt werden.384 Die Furcht war verbreitet, aber es lässt sich für Sachsen kein wirklich tätiger Kundschafter aus diesem Milieu nachweisen. Dieses Vorurteil weist aber auf das Sozialprestige der Spione hin. Die öffentliche Meinung über den Spion fasste Montesquieu folgendermaßen zusammen: Die Spionage wäre vielleicht erträglich, wenn sie von Männern von Ehre ausgeübt würde. Die Schändlichkeit, die sich ganz unvermeidlich an den Agenten heftet, ist ein Kriterium für die Schändlichkeit seiner Tätigkeit.385

Spionagetätigkeit war demzufolge wenig angesehen. Abfällig sprachen die Betroffenen von „Banditen“, „Criminellen“.386 Da sie ihre „Ehren-verleumterische diffamationes“ begingen, somit ehrenrührig und ehrvergessen handelten, standen die Kundschafter in der sozialen Hierarchie weit unten.387 Sie galten gemeinhin als arglistige, verschlagene Verräter und waren keines Vertrauens würdig, während den Abenteurern eine gewisse Achtung oder gar Bewunderung entgegengebracht wurde, da sie als „Filou“ galten.388 Für die Auftraggeber hingegen waren die Spione natürlich nützliche, „tüchtige Subjekte“.389 Das galt solange, wie sie ihren Auftrag unauffällig ausführten. Doch im Fall der Enttarnung wurde ein für seine Kundschafterei bezahlter Spion verleugnet und seinem Schicksal überlassen. Das sah zumeist eine längere Haftzeit mit anschließendem Landesverweis vor. Im Stift Würzburg wurden zehn Spione mit Staupenschlägen „ausgestrichen“.390 Eine Hinrichtung oder einen Austausch von Spionen wie im 20. Jahrhundert hat es in der Frühen Neuzeit fast nie gegeben, wohl aber Auslieferungen.391 Ein seltener Fall von Enthauptung wegen Verrates war die Enthauptung von Feuquières, dem Schwager Kardinal Richelieus, der mit Wallenstein und mit dem spanischen Kardinal-Infanten Geheimverhandlungen geführt hatte.392 Enttarnte, professionelle Spione suchten sich nach ihrer Entlassung andernorts neue Tätigkeitsfelder. Verräter endeten statt dessen fast immer in den Händen des Henkers 384 385 386 387 388

ThStAG, Coburger Festungsarchiv, Nr. 70, Befehl, 10. Mai 1553, unfol. Montesquieu 1817, XII. Buch, Kap. 23., S. 173. La Decouverte 1691, S. 3, 72. ThStAG, GA, F O II c, Nr. 10. SächsHStAD, 10036 Finanzarchiv, Loc. 35631, Rep 31, Lit. P, Nr. 54, Vortrag beim Kammerkollegium, 25. September 1756, unfol.; 11237 GKRK, Loc. 10839/39, Aussage, undat., unfol.; GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1441, Order von Friedrich II., 7. November 1746, unfol. 389 SächsHStAD, 10026 GK, Nr. 121, Vortrag von Erblehnrichter Böhme, 12. Dezember 1811, unfol. 390 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 103. 391 Den Austausch von Spionen statt deren langjährige Inhaftierung oder gar Hinrichtung begann erst im Kalten Krieg, als beide Seiten geheimdienstlich hochgerüstet waren und erkannten, dass die Rückholung eigener Spione wichtiger war als die Hinrichtung der gegnerischen Kundschafter. Während für Deserteure wechselseitige Auslieferungen schon in der Frühen Neuzeit bekannt sind, fand der erste Transfer von Spionen erst 1962 statt. Vgl. „Espionage Revolution“, in: Buranelli, Buranelli 1982, S. 112. Zum gegenseitigen Austausch von Deserteuren z. B. im Siebenjährigen Krieg vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 598, Nr. 609, Nr. 611. 392 Vgl. Schultz 2009, S. 283 f.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

bzw. bis zu ihrem Tod im Kerker. Zumindest wurden sie von der Stadt geächtet und mussten sie verlassen. Bis zu ihrem Weggang gehörten sie in die Kategorie „Henkersmäßige Leute“ (Abdecker, Kloakenreiniger, Hundeschläger, Aussätzige, Spielleute).393 Diesen Randgruppen zugerechnet wurde nur der enttarnte Spion, während der Erfolgreiche Ansehen genoss. Dieser Tanz zwischen den Welten macht den Mythos des Spions bzw. Agenten aus. Im Roman wurde die Spionage geradezu heldenhaft überhöht. Ihr oberstes Gebot, nicht aufzufallen, verlieh ihnen die Aura eines Chamäleons. Wie sah die Realität in der Frühen Neuzeit aus? König Friedrich  II. von Preußen schrieb eine Klassifikation seiner Feldagenten im Siebenjährigen Krieg, deren Berichte bei seinem Generalleutnant Hans Karl von Winterfeldt zusammenliefen.394 Diese Liste erlaubt einen Blick in die soziale Gruppe der Informationszuträger: – Gemeine Agenten, Arme, billige Kräfte – Doppelagenten und Zuverlässige zum Verbreiten von Informationen – Spione von Höflingen und Offiziere mit regelmäßiger Bezahlung – Personen, die zur Spionage gezwungen wurden In die letztere Kategorie gehörten auch erpresste Einwohner, die Territorialinformationen preisgaben, wenn man ihnen drohte, das Haus niederzubrennen oder Frau und Kinder zu ermorden. An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass jeder Bauer die Landschaft seiner Region anders wahrnimmt als ein Handwerker oder Köhler. So muss man bei der Auswahl der Agenten berufsspezifisch vorgehen. Ein Schäfer wird kaum befriedigende Auskunft über Sümpfe in Waldgebieten geben können, ein Pferdehändler aber eine gute Kenntnis der Furten eines Flusses haben. Bei der Besetzung von Agentenstellen war es also nötig, dass Zivilpersonen mit militärischen Geheimdienstmitarbeitern kooperierten  – dass sozusagen „Kleider“ und „Uniform“ Hand in Hand gingen, denn ein militärischer Geheimdienst konnte isoliert nicht erfolgreich sein.395 Dabei ist immer wieder beobachtet worden, wie sich innerhalb der Agentenschaft Netzwerke bildeten und sich in bestimmten Städten Europas sogar „Drehscheiben“ für Spionageaktivitäten bildeten, wie z. B. im 16. Jahrhundert in Calais.396 Die Rekrutierung qualifizierten Personals für die Spionage erwies sich oft als schwierig, da es hohe Einstellungshürden gab. Die Anwärter sollten höfisch sozialisiert, mehrsprachig, vertrauenswürdig, unkorrupt, fromm und unauffällig sein.397 Einblick in die 393 Irsigler, Franz; Lassotta, Arnold: Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker. Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt, München 1991, S. 270. 394 Vgl. Rothenberg 1992, S. 107. 395 Andrew 1992, S. 14. 396 Kempe 2013, S. 371. 397 Vgl. Laube 2006, S. 224.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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Bewerbungsakte eines solchen Agenten gewährt ein Schreiben von 1744, mit dem sich Henry de Riconius bei Herzog Ernst August I. als Agent anbot.398 Er habe bei der Eisenacher Landesregierung als Sekretär gearbeitet und sei danach vom König in Preußen als Hofrat in auswärtigen Kommissionen, besonders in London, berufen worden. Verschiedene Höfe hätten ihn als Berichterstatter für England genutzt. Durch seinen langjährigen Aufenthalt habe er Freunde procuriert, durch welche ich Gelegenheit habe Sachen zu erfahren, welche entweder gar nicht oder zuweilen zu späte zu jedermanns Wißenschaft kommen.

Als Beispiel für sein Talent, Informationen zu gewinnen, liefert er in seiner Bewerbung vom 7. Oktober 1740 Nachrichten, die von der feindlichen Atmosphäre zwischen den Kolonialmächten Frankreich und England zeugt und den hinterrücks geführten Kampf um den nordamerikanischen Kontinent in einer offiziell als ruhig geltenden Phase der Franzosen- und Indianerkriege markiert.399 In der verschärften Lage erwartete der englische Gesandte in Holland, dass dort auch Krieg gegen Frankreich proklamiert werde, aber verschiedene Leute würden das nicht glauben, zeigt Riconius sich gut informiert. Er wisse, dass das Parlament 1,2 Mio Pfund Sterling bewilligte und 600.000 Pfund Sterling durch eine Lotterie aufbringen wollte. Zudem habe er „sichere Nachricht“ von Paris, dass Moritz von Sachsen mit 40.000 Mann Marschall von Frankreich werde und ins Kurfürstentum Hannover eindringen solle. Es folgten detaillierte Angaben über die militärische Aufstellung Hannovers und Österreichs, die Herkunft seiner Söldner, die Schuldenlast der Engländer bei drei namentlich genannten Reichsstädten und die Kosten der englischen Flotte. Zuletzt gab er Nachricht über eine Konvention zwischen Holland und dem Herzog von Sachsen-Gotha, derzufolge Gothaer Truppen in holländische Dienste gehen würden. Er könnte noch die Rede des Königs aufzeichnen, müsse den Brief allerdings wegen ausgehendem Papier schließen, endete Riconius und versuchte den Herzog von Braunschweig mit dieser zurückgehaltenen Information zu ködern, um in die begehrte Agentenposition zu kommen. Die Bestallung eines Agenten und seine Aufgabenbeschreibung liest sich zumeist wie das folgende Beispiel vom Weimarer Hof. 398 Vgl. ThHStAW, Auswärtige Angelegenheiten, Beziehungen zu Großbritannien D 500. 399 Der Kommandant der französischen Flotte sei aufgefordert worden, gegen einige englische Schiffe vorzugehen (in Verbindung mit Spanien oder allein), und auf Mittel und Wege zu sinnen, mit den Feinden Englands zu „concertieren“, um eine principale Landschaft in Amerika zu attackieren. Riconius habe Kenntnis davon, da ein Duplikat der Order in die Hände des Chefkommandanten von Escadre in Westindien gefallen sei, zu dem er Kontakt halte. Riconius berichtete weiter: Tatsächlich habe der französische König 1741 Schiffe englischer Gegner im Mittelmeer protegiert, Dünkirchen befestigt und die Kanalflotte aufgerüstet. Als Vorwand habe ihm die Unterstellung gedient, dass die englischen Schiffe Räuberungen und Grausamkeiten begangen hätten. Daraufhin reagierte England mit antifranzösischer Politik, die in die Auseinandersetzungen des „King George’s War“ mündete. Vgl. ThHStAW, Auswärtige Angelegenheiten, Beziehungen zu Großbritannien, D 500.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Von Gottes Gnaden Wir Wilhelm Ernst Herzog zu Sachßen p. tot. tit. Uhrkunden und bekennen hiermit gegen Männiglich, demnach Wir Johann Friedrich Nicolai, wegen seiner durch langwierige Reisen erlangten Erfahrung und anderer guten Qvalitäten, zu unserm Agenten dergestalt angenommen haben, daß Er zu Hamburg, wo Wir Ihme sonst Commission ertheilen werden, unser von Zeit zu Zeiten vorfallende Angelegenheiten treulich beobachten, auch/was notables vorgehet, und Er in Erfahrung bringen wird/derhalben mit denen unsrigen fleißig correspondiren soll: Alß haben wir derhalber demselben gegenwärtiges Decret unter unserer eigenen Send-Unterschrift und von gedachtem Hz. Canzley- Secret in gnaden ertheilet. So geschehen Wey. d. 19. Oct. 1709.400

Mit demselben Wortlaut erhielt Tobias Eckholt 1713 seine Bestallung zum Agenten in den Vereinigten Niederlanden.401 Während bei Nicolai die Reiseerfahrung hervorgehoben wurde, erwähnte Eckholt in seinem Einstellungsgesuch seine siebenjährige  Berufserfahrung, Sprachkenntnisse und ein Jurastudium als besondere Fähigkeiten.402 Die nicht zielgerichtete Beobachtung vieler Agenten zeigt, wie vergleichsweise naiv die Informationssammlung organisiert worden ist, wenn weder Kriegsläufte noch Bedrohungsperzeptionen den Fürsten unter Druck brachten. Während im Nordischen Krieg die Kriegsparteien eine gezielte und professionelle Spionage durchführten, begnügte sich Sachsen-Weimar damit, diesen Informanten nur gelegentliche Berichte allgemeiner Beobachtungen abzuverlangen. Jedoch waren Nicolai und Eckholt nicht die Einzigen, von denen der Weimarer Hof Nachrichten bezog. Aus dem Jahr 1721 ist bekannt, dass der kursächsische Kanzlist Vogel, von dem zwölf „verschiedene Agentschafften“ bekannt sind, auch das Fürstenhaus Weimar mit Informationen belieferte.403 Demnach besaß der Herzog durchaus verschiedene Informanten und wusste wohl auch, dass der größte Nutzen aus Berichten unterschiedlicher Kanäle und durch Informationskontrolle zu ziehen ist. So, wie manche Agenten in ihrer Tätigkeit viel Freiheit genossen, gab es auch andere, die einen strengen Dienstherrn zu befriedigen hatten. Graf Flemming trug seinem Agenten Jacques Puchet in Rom konkrete Tätigkeiten auf, lobte und kritisierte ihn deutlich. Er gab Empfehlungen, mit wem eine nützliche Freundschaft aufgebaut werden müsse und wem nicht zu trauen sei.404 Auch ging er recht hart mit ihm ins Gericht, 400 ThHStAW, Auswärtige Angelegenheiten, Beziehungen zu Hamburg, D 511. 401 Vgl. ThStAG, Auswärtige Angelegenheiten, Beziehungen zu den Niederlanden, D 1442, Bestallung, 22. August 1713, f. 3. 402 Vgl. ebd., Gesuch, 4. August 1713, f. 1 403 Vogel diente dem Hof Sachsen-Weimar, den Städten Bautzen, Görlitz, Zittau, Lauban, Kamenz, Regensburg, Leipzig, das Domkapitel Merseburg, dem Kreis-Amtmann zu Tennstedt, dem Grafen von Stolberg und dem Kanzleidirektor von Schönburg, wobei einige Agentschaften nur kurz bestanden. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9686/9, Verhör Vogels, f. 32. 404 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 744/6, Flemming an Puchet, 26. August 1724 und 4. November 1724, unfol.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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kritisierte ihn wegen überflüssiger Ausgaben und verspäteter Berichterstattung.405 Auch habe er versäumt, sich wegen der noch nicht erhaltenen Chiffre bei der Kanzlei nochmals in Erinnerung zu bringen.406 Offenbar betrachtete Puchet, anders als Flemming, die Möglichkeit der Verschlüsselung als nicht bedeutsam, denn in all seinen Rapporten chiffrierte er nie, obwohl er einen Nomenklator besaß.407 Solange keine Zwischenfälle geschahen, hatte Flemming auch keinen Grund zur Klage. An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass zwei Typen von Agenten zu unterscheiden sind: jene, die wie Nicolai als ständige Beobachter aus ihrem Beruf heraus über einen längeren Zeitraum hinweg den Auftraggeber informierten und jene, die im eigentlichen Sinne spionierten, indem sie kurzzeitig konkreten Fragestellungen folgten, zu bestimmten Sachverhalten Informationen sammelten und ggf. ausstreuten und somit befristet eine bestimmte Mission erfüllten. Wegen ihrer unterschiedlichen Perspektive war bei beiden Typen ein unterschiedliches Ergebnis zu erwarten. Nach Auskunft der Soldbücher wurden häufig Legationssekretäre zu besonderen Missionen an Höfe ausgewählt, während im Feld meist Offiziere als Kundschafter tätig waren. Zeitungsschreiber, die ihre wöchentlichen Nachrichten an viele Höfe verkauften, zählen zur Kategorie der offiziellen Berichterstatter.408 Bei den inoffiziellen Informanten, zu denen die angeworbenen Agenten und Spione gehören, wurde eine Loyalität nur zu einem Herrn und keine Neutralität vorausgesetzt. Für Sachsen ist eine sehr detaillierte Instruktion für den Agenten Hauptmann aus dem Jahr 1731 überliefert, die alle Aspekte von Pseudonymität, Legende, Verstellung, Korrespondenzvorschrift und Verschickung des „Passagiers“ enthält (Abbildung 4).409 Unter dem Pseudonym Toder Horst erhielt er für eventuelle Notfälle einen Pass, der ihn als geheimen Gesandten des polnischen Königs auswies. Unter dem Vorwand, eine seiner üblichen Reisen ins Niedersächsische zu unternehmen, reiste er bis Leipzig unter seinem regulären Namen und ab Leipzig verkleidet unter fingiertem Namen über Umwege an die gehörigen Zielorte. Ihm wurde eine Chiffre mitgegeben, die er entsprechend erweitern konnte. Sämtliche Briefe sollten „couvertiert“ über das Oberpostamt Leipzig an die Deckadresse „Seketair und Controlleur Körner“ in Dresden geschickt werden. Diese Instruktion verdeutlicht nochmals, dass Agenten mit einer konkreten Aufgabe betraut wurden und gewissermaßen ein bestimmtes Beobachtungsfeld abdeckten. Entsprechend ihres Einsatzgebietes bildeten sich in Preußen später Begriffe wie „Kommerzagenten“ oder „Hofagenten“ heraus.410 405 „Vous étes cependant payé regulierement, aussi je ne sais à quoy attribues ce retardement de nouvelles.“ Vgl. ebd., Flemming an Puchet, 15. April 1724, unfol. 406 Vgl. ebd., Flemming an Puchet, 2. Juli 1723, unfol. 407 Vgl. 10026 GK, Loc. 701/4, Flemming an Puchet, 20. Dezember 1724, f. 268. 408 Für Sachsen ist für den Zeitraum 1500–1700 von 15 namentlich bekannten Zeitungsschreibern auszugehen. Dazu kamen noch länderspezifische Journale. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Bestand „Zeitungen“. 409 SächsHStAD, 10026, GK, Loc. 384/1, Instruktion für den Geheimagenten Toder Horst, f. 501 ff. 410 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, Angelegenheiten preußischer Vertreter im Ausland, 1770–1810, Z, L fasc. 6.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Abbildung 4: Instruktion für den Geheimagenten Toder Horst, 1731, SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 384/1, Bl. 503

Georg Hauptmann, der sich in vielen Geheimoperationen verdient gemacht hatte, stieg um 1730 zum Feldkriegskommissar auf und koordinierte vor Ort militärische und geheimdienstliche Operationen. Als er starb, wurden mit seinem Geld offene Rechnungen beglichen. Unter anderem erhielt die Artillerie 16 Groschen für eine „Machine zur Geheimen Correspondenz“ und circa 500 Reichstaler an diverse „Kundschaffter und Espions“.411 2.3.4 Der Geheime Rat und der Fürst Die Geheimen Räte und Minister organisierten den flüssigen Nachrichtenverkehr und analysierten die Informationen soweit, dass sie dem Herrscher eine knappe Übersicht geben bzw. ein Gutachten erstellen konnten, aus dem eine Handlungsempfehlung hervorging. Den zugetragenen Informationen musste mit Misstrauen begegnet werden,

411

Vgl. SächsHStAD, 11237, Loc. 10861/07.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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so dass erst bei mehreren übereinstimmenden Nachrichten einer Neuigkeit Glauben geschenkt wurde. Doch nicht nur die Hofräte hatten die sorgfältige Abwägung all dessen, was sie hörten und lasen, verinnerlicht. Auch ihr Dienstherr musste ihnen gegenüber Misstrauen walten lassen, wollte er seine Macht nicht leichtfertig aus der Hand geben. In Indien kontrollierte der Herrscher seine Hofräte durch Fehlinformationen und Intrigen und nutzte Bucklige und Zwerge als Vertrauenspersonen, da ihre Auffälligkeit jede Konspiration verhinderte.412 In Europa waren die Narren als Spione des Fürsten bekannt, da sie ungezwungen mit Anderen in Kontakt kamen und rasch Vertrauen gewannen, so dass sie Informationen leichter sammeln konnten als offizielle Hofräte. Im Verlauf der Frühen Neuzeit zentralisierte sich die Herrschaftsausübung im Zuge einer Behördenorganisation. Während dieser Prozess an den ernestinischen Höfen ohne besondere Brüche vonstatten ging, ist für den albertinischen Teil eine komplexe institutionelle Entwicklung zu konstatieren.413 1547 trat der Geheime Rat als „Gremium von Spezialratgebern“ ins Leben.414 Ausgangs des 16. Jahrhunderts etablierten sich zwei Kanzleien für die außen- bzw. innenpolitische Korrespondenz, die Geheime Kanzlei und die Kammerkanzlei.415 Der Fürst und die Geheimen Räte trafen regelmäßig im Audienzgemach im Schloss zusammen, wo die schriftlich niedergelegten Gutachten und Bedenken vorgetragen und besprochen wurden.416 Im 17. Jahrhundert änderte sich der Geschäftsgang dahingehend, dass der Kurfürst die außenpolitische Korrespondenz nun nicht mehr nur mit dem Kammersekretär durchging, sondern sie auch den Geheimen Räten zeigte.417 Dieser Vertrauensbeweis Johann Georgs I. für seine Räte zog allerdings den freiwilligen Verzicht auf selbstständige Herrschaft nach sich. Es erfolgte eine Verzahnung von Kammer und Geheimem Rat. Nach Maßgabe absolutistischer Herrschaft rief Johann Georg III. das Kriegsratskollegium und das stehende Heer ins Leben. August II. setzte nach Beginn seiner Doppelherrschaft über Sachsen und Polen einen Statthalter ein und führte eine Reisekanzlei. Ab 1702 wurden Departements eingeführt und das persönliche Regiment durch das neugeschaffene Geheime Kabinett verstärkt.418 Die verschiedenen Gremien wurden jeweils mit mindestens zwei Sekretären versehen. Die personelle Verbreiterung bedeutete zugleich einen Verlust an Intimität, die Abwesenheit des 412 Vgl. Wilhelm 2003. 413 Unter Herzog Georg von Sachsen war das Ratskollegium noch nicht formiert, die Namen wechselten und die straffe Behördenorganisation setzte erst mit Kurfürst Moritz ein. Zunächst bestand eine Konkurrenz zwischen dem Kammersekretär, der den Schriftverkehr erledigte, und dem Kanzler als Regierungsbevollmächtigem. Vgl. Kluge 1960, S. 4 ff. 414 Ohnsorge 1943, 37. 415 Vgl. Kluge 1960, S. 64; Kretzschmar 1937, S. 186. 416 Zwischenzeitlich ging der Kurfürst im 17. Jahrhundert auch in den Geheimen Rat, um an dessen Sitzungen teilzunehmen. Vgl. Kluge 1960, S. 74, 97. 417 Vgl. ebd., S. 77. 418 Vgl. ebd., S. 126 ff.; Otto 1936, S. 14 f.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Herrschers ein kaum zu beherrschendes Sicherheitsrisiko für die Geheimhaltung im Geschäftsgang. 1712 begann Brühls Premierministerzeit. Diese Verbindung von Kabinett und König hatte sich allmählich abgezeichnet. Die in den ernestinischen Ländern zu beobachtende Konstanz und Ruhe in den Kanzleien und Ratsgremien ist für Kursachsen nicht zu beobachten. Immer wieder störten Konkurrenzen, Kompetenzstreitigkeiten, Umbauten und Neuordnungsprozesse den Behördenalltag und machten eine wirksame Kontrolle der Akteure seitens des Fürsten unmöglich. Einzig die Verengung des Kreises der Mitwisser um die geheimsten politischen Vorgänge schien eine gewisse Sicherheit zu bieten. So hat Albrecht der Beherzte in Friesland den Personalbestand des Hofgerichts reduziert, weil zu wenige vertrauenswürdige Personen darin waren.419 Der Einsatz von Mündlichkeit diente hingegen vorrangig dem Ausschluss Fremder.  Für brisante auswärtige Angelegenheiten reisten die Fürsten zu Vieraugengesprächen mit den Herrschern anderer Staaten. Gleichermaßen besprachen sich auch die fürstlichen Vertreter bei geheimen Treffen. In Vertretung empfingen die Fürsten Räte anderer Höfe, die mit Creditiven ausgestattet, bevollmächtigt waren, bestimmte Dinge auszuhandeln oder auszurichten.420 Oft liest man von persönlichen Treffen, da etwas der Post oder „der Feder nicht anzuvertrauen“ war.421 Die mit dieser Mündlichkeit einhergehende Überlieferungsproblematik mag ein beispielhaftes  andeutungsreiches  Creditiv des brandenburgischen Kurfürsten verdeutlichen: Unßerm freundlichen Dienst und was wir mehr liebes und gutes vermögen zuvor, hochgeborener Fürst, freundlicher lieber Vetter und Gevatter, Nachdem wir der nothdurfft befunden, unserm Kriegsrath, Obristen und Schloßhaubtmann alhier, auch lieben getreuen, Otto Wilhelm von Berlepschen, in angelegenen Verrichtungen und mit gewißer instruction an Ew. Lbd. abzufertigen; Alß ersuchen wir dieselbe freundvetterlich, Sie geruhen Vorgemelte Unsern Kriegsrath auf sein gebührendes Anmelen nicht allein zur Audienz zuverstatten, sondern auch auf deßen Anbringen sich dergestalt zu erclehren, wie es der Sachen nohtdufft erfordert, und unser freundvetterlcihes Vertrauen zu Ew. Lbd. gerichtet ist. Dero wir hinwiederumb zu allen freundvetterlichen Diensten allestets gefleißigen verbleiben. Geben zu Cölln an der Spree, 15. May ao. 1672.422

Nicht nur ist die Sendung Berlepschens aus der Not heraus veranlasst worden, sondern auch die Angelegenheit  – der bevorstehende Kriegszug  – so delikat, dass sie nicht 419 Vgl. Baks 2006, S. 146. 420 Herzog Friedrich  I. von Sachsen-Gotha notiert beispielsweise, er habe Erffa vom sächsischen Herzog Johann Georg empfangen, „umb etzliche sachen mündlich zu gedencken, deswegen ich ihn gleich wieder abfertigte“. Jacobsen, Roswitha (Bearb.): Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg. Die Tagebücher 1667–1686, Bd. 2, 2000, S. 190. 421 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9668/14, f. 5. 422 ThStAG, GA, F O III d, Nr. 10.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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benannt werden kann. Die Dringlichkeit kommt in der Bitte um unverzügliche Beantwortung zur Sprache. Der Mündlichkeit als Methode der Geheimhaltung standen die mündlich weitergegebenen Gerüchte in der Bevölkerung gegenüber, die sich über kurz oder lang in den Artikeln der Zeitungen wiederfanden. Von dem sich in der Frühen Neuzeit etablierenden Zeitungswesen schottete sich der Hof ab, denn höfische Repräsentation und das ökonomisch orientierte Mediensystem waren inkompatibel.423 Die regelmässigen Berichte entzauberten die Dynastien und ließen ihre Herrschaft in der Wahrnehmung der Bevölkerung zu einem Alltagsgeschäft werden. Zugleich wurden die gedruckten Nachrichten ein Hort des kritischen Räsonnierens. Somit begnügten sich die Fürsten im 17. Jahrhundert damit, während der Mahlzeiten aus den Blättern vorlesen zu lassen und diese Unterhaltung an Stelle von Musik zu genießen.424 Nicht nur in Preußen wird sich die Rezeption der Nachrichtenmedien darauf konzentriert haben, festzustellen, „was die Welt raisonniret, redet und schreibet“, da der Fürst ja ohnehin Zugang zu Informationen und Geheimnissen hat, die „nimmermehr in die Zeitungen kommen“.425 Hiermit wird deutlich, dass die geheime Politik von der Öffentlichkeit sehr streng ferngehalten wurde. Erst später begann die Manipulation der Wahrnehmung durch Befeuerung der öffentlichen Debatte mit entsprechenden Informationen. Dass die öffentliche Meinung strategisch manipuliert wurde, ging einher mit der Hinwendung zur Bevölkerung, als diese den Mut fand, sich ihres Verstandes zu bedienen und für den Herrscher zur Gefahr seiner Position avancierte. 2.3.5 Das Militär Das Militärwesen erfuhr im Verlauf der Frühen Neuzeit einen gewaltigen Umbruch. Agierten im 16. und 17. Jahrhundert noch Söldnerführer und Unternehmer, so waren im 18. Jahrhundert die Fürsten und ihre Generäle Organisatoren disziplinierter Heeresaufstellungen und ambitionierte Feldherren der exakten Kriegführung. Die Veränderungen in der militärischen Organisation zwischen 1540 und 1660 werden von der Forschung wegen ihrer technischen Neuerungen, der steigenden Ausgaben und der neuen Taktiken als „militärische Revolution“ betrachtet.426 Das hierarchische System des Militärs bildete sich heraus.427 Im Kontext häufiger Dienstwechsel ergab sich das 423 424 425 426

Vgl. Bauer 2010, S. 191. Vgl. ebd., S. 189. Jacob Paul von Grundling, zit. in: Bauer 2010, S. 189. Vgl. Mann, Michael: Geschichte der Macht. Vom Römischen Reich bis zum Vorabend der Industrialisierung, Frankfurt a. M., New York 1991, S. 324 ff. 427 Fähnrich, Seconde-Lieutenant, Premier-Lieutenant, Stabskapitän/-rittmeister, Kapitän/Rittmeister, Major, Obrist-Lieutenant, Obrist, Brigadier, Generalmajor, Generallieutenant, General, Generalfeldmarschall. Vgl. Winkel 2013, S. 68.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Problem von Mehrfachloyalitäten.428 Hinsichtlich einer möglichen Spionage hätte ein Wechsel ins andere Lager aber auch Chancen eröffnet, die allerdings in den politischen Streitigkeiten nicht diskutiert wurden, da die Lösung des Interessenskonfliktes im Vordergrund stand. In dieser Zeit befanden sich die Großstaaten zueinander in einer Pattsituation, so dass es in den großen europäischen Kriegen kaum zu nennenswerten territorialen Verschiebungen kam.429 Je schwieriger es war, einen größeren Erfolg über die Konkurrenz zu erringen, desto dringlicher waren geheimpolitische Operationen, die einen gewissen Vorteil erbrachten. Diesem Umstand kam entgegen, dass infolge der Zentralisierung und Ausweitung der Koordinationsfunktion des Fürsten Konflikte zwischen den adeligen Parteigängern am Hof entstanden waren. Unzufriedenheit, Gegnerschaft und intrigantes Spiel beförderten das Klima des Misstrauens, unter dem Spionage gedieh. Da bei den Kontinentalmächten der Adel sehr viel stärker in die Armeen eingebunden wurde als dies bei Seemächten der Fall war, gab es innerhalb der Adelscliquen ideale Einfallstore für Geheimdiplomatie.430 Die Verdichtung von Adel, Hof und Militär und das Fehlen einer Kontrollinstanz konnte, wie die zahlreichen Fälle inhaftierter adeliger Hof- und Militärangestellter zeigen, sich somit gegen die eigenen Ambitionen kehren. Es setzten also bereits vor Ausbruch von Kriegen im militärischen Apparat eifrige Aktivitäten zu dem Zweck ein, frühestmögliche Vorteile für die eigene Seite zu sichern und von Rüstungen des Gegners rechtzeitig Kenntnis zu erlangen. Für militärische Erfolge war aber auch die eigene Armee im Auge zu behalten. Als schlechtes Beispiel kann Alexander der Große dienen, der die Stimmung in seinem Heer nicht kannte, sich von Fehlinformationen beirren ließ und mißtrauische Soldaten befehligen musste, die sich durch auffällige Überwachung kontrolliert fühlten.431 In noch stärkerem Maße als die eigene Armee musste in Kriegszeiten die Gegenseite beobachtet werden, um strategisches Wissen zu erlangen und über Stellungen usw. informiert zu sein. In den Militärhandbüchern wie denen von Veit Wolff von Senftenberg gab es umfassende Kapitel über Kundschafterei und einige Ausführungen über Kriegslisten.432 Nach seinem 1564 eingereichten Band „Geheimte Kriegsanschlege“ verfasste der Danziger Zeugmeister noch weitere Kriegsfibeln, worin er als geeignete Kundschafter Juden, Zigeuner, Geistliche und in Ungnade gefallene deklarierte.433 Auch wies er auf die Notwendigkeit des abgestuften Wissens hin. In dem Werk des Grafen Raimund 428 429 430 431 432 433

Vgl. ebd., S. 178 f. Vgl. Mann 1991, S. 328. Vgl. ebd., S. 335. Vgl. Seibert 2003. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 9126/5, § 9 bis § 11, S. 359–400. Vgl. „Newe unerfarne treffenliche vortheile zu allerhand Kriegsübungen im veld und bevestungen, durch Veitt Wolffen vom Senfftenberg aus Österreich itzo der von Dantzig Czeugmeistern fürgegeben“, 1568; „Kriegserfindungen“, um 1570.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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von Montecuccoli waren Ausführungen über die Steganographie und Kryptologie im Felde enthalten.434 Die Kundschafterei oblag meist den leichten Truppen mit Soldaten bürgerlicher Herkunft, die Erkundungen von Einwohnern, Gefangenen und Überläufern einzogen und Korrespondenzen abfingen.435 Die militärische Aufklärung hat Ewa Anklam als „kulturelle Praxis der Aneignung, Verarbeitung und Anwendung von den Feind betreffenden Informationen“ definiert.436 Der so genannte „Kleine Krieg“ dieser zahlenmäßig dünn besetzten Einheiten umfasste die Aufrechterhaltung von Sicherheit, Nachrichtenverbindungen, Schutz von Nachschubwegen sowie Überfälle und Vorpostengefechte. Als wichtigste Merkmale der Nahaufklärung arbeitete Anklam am Beispiel des Siebenjährige Krieges die häufigen Seitenwechsel von Kundschaftern, der eklatante Mangel an Geländedetails und Kartenmaterial sowie die Spezialisierung der Ingenieurgeographen heraus.437 Die Ingenieurgeographen besaßen „an der Schnittstelle zwischen Nahaufklärung und Armeeversorgung“ ein geheimes „räumlich geordnetes Wissen“.438 Gehilfen des Ingenieurs zeichneten Risse und stachen diese in Kupfer. Obwohl sie bedeutsame Wissensträger waren, waren sie in der Rangabfolge nachgeordnet und finanziell schlechter gestellt. Wegen ihres niedrigen Gehaltes waren sie für Korruption empfänglich. So ließ beipielsweise Friedrich II. von Preußen 1760 einen Conducteur und einen Kupferschmied arretieren, die die Beschaffenheit der Festung Küstrin an Russland verraten hatten.439 Schertlin von Burtenbach notierte in seinem Buch über Kriegswissenschaft, es seien Jäger und Dragoner aus den Freikorps am besten für Patrouille, Auffangen von Briefen, Überfälle, Sabotageakte, Ablenkungsmanöver, Anwerbung von Spionen und ähnliche „Entreprisen“ geeignet.440 Der „stille Krieg“ der Spionage und Aufklärung wurde im kleinen Maßstab aus großer Nähe ausgetragen. Neben der Aufklärung durch eigenes Personal war es im Krieg auch erforderlich, von der gegnerischen Seite Kundschafter zu erhalten. Wenn Mangel an Deserteuren war, riet die Kriegswissenschaft dazu, mit einem starken Verband beim nächsten feindlichen Posten Ober- und Unteroffiziere gefangen zu nehmen und durch eine Flasche Wein gefügig zu machen.441 Auch zur Einnahme einer Stadt sei es angemessen, die Magistrate und Einwohner mit Alkohol betrunken zu machen oder gleich die Nacht der Trinkfeste für einen Angriff zu nutzen, um einen Überfall zu erleichtern.442 434 Vgl. HHSTAW, AT-OeStA/HHStA KA StR , Nachlass Lacy, I-1–13. 435 Der Begriff der „Feindaufklärung“ für die Erkundung der taktischen Lage des Feindes kam als Begriff erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Zuvor wurde es mit Hinblick auf die Erkundung der Straße „Battre l’estrade“ genannt. Vgl. Anklam 2007, S. 19; Dies. 2012, S. 215. 436 Vgl. Anklam 2012, S. 217. 437 Vgl. ebd. 438 Ebd., S. 220. 439 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 49 Fiscalia, L 1 Nr. 4. Für Hinweise auf den Bestand danke ich Herrn Utpatel vom Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz sehr herzlich. 440 Schertel von Burtenbach 1791, S. 242 ff. 441 Vgl. ebd., S. 206. 442 Vgl. ebd., S. 235.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Die Gefahr von Spionage ist dem Umstand geschuldet, dass das Heer oft weit entfernt von seinen Kriegsherren operierte. Nur selten führte im 17. Jahrhundert noch ein Herrscher seine Truppen persönlich in die Schlacht. Die räumliche Trennung habe, so Kaiser, zu einer „Bürokratisierung des Krieges“ geführt, da sich die militärische Exekutive in Abhängigkeit von der politischen Führung befand.443 Die Feldherren benötigten Sekretäre und führten eine Feldkanzlei. Die Übermittlung von Befehlen bedeutete einen Zeitverlust und war zugleich gefährlich. Nicht nur aus dem Dreißigjährigen Krieg sind mehrere Botenüberfälle aktenkundig – immer wieder haben sich Fürsten über ausbleibende Berichte beschwert oder umgekehrt der Feldherr die Nachsendung einer Handlungsanweisung angefordert.444 Neben unpolitischen Botenüberfällen in unruhigen Landstrichen war noch mehr die planmäßige Interzeption des Gegners gefürchtet. So hat Tilly wiederholt der Post misstraut und einen Vertrauten zum Kurfürsten Maximilian I. von Bayern geschickt, der ihn mündlich unterrichten sollte.445 Man bemühte sich, dieses Problem in den Griff zu bekommen, indem in festgesetzten Abständen Berichte erwartbar waren und Anordnungen parallel auf verschiedenen Wegen zum Empfänger gesandt wurden.446 So ist 1631 mancher Brief in dreifacher Ausfertigung auf den Weg von Tilly nach München geschickt worden, um wenigstens eine sichere Ankunft zu gewährleisten.447 In dringenden Fällen nutzten die Fürsten auch die mündliche Nachrichtenübermittlung. Um 1750–1850, als das Chiffrenwesen ausgereift war, vertrauten die Fürsten verstärkt dieser neuen Geheimhaltungsmethode und stellten die Feldkorrespondenz auf Schriftverkehr um.448 Jedoch hat die Chiffrierung keine kriegführende Partei davon abgehalten, dennoch die Post zu interzipieren, da Geheime Ziffernsekretäre eventuell doch die Codes aufdecken konnten.449 Bereits die Aussicht auf diesen Vorteil beließ militärische Nachrichten weiterhin im Fokus der Spionage. Ein weiterer Problempunkt stellte die Feldherren gleichermaßen vor schwere Aufgaben, denn die Entfernung zwischen Absender und Empfänger ließ sie manchmal wochenlang auf Antwort warten, während wichtige Zeit für ein Manöver oder einen Angriff verstrich. Wegen gefährlicher Passage durch einige Landstriche mussten die Boten häufig weite Umwege in Kauf nehmen. Da lange Korrespondenzwege einen deutlichen Nachteil mit sich brachten, war schon Kurfürst Maximilian von Bayern dazu übergegangen, seinen Generalleutnant Tilly gewisse Entscheidungen allein treffen zu lassen.450 443 444 445 446 447 448

Kaiser 1999, S. 45, 49. Beispielhaft beschrieben: ebd., S. 49 f. Ebd., S. 44. Vgl. Beyrer 2007, S. 47; Schertel von Burtenbach 1791, S. 444. Vgl. Kaiser 1999, S. 50. Vgl. Anklam 2007, S. 38; Kaufmann, Stefan: Kommunikationstechnik und Kriegführung 1815–1945. Stufen telemedialer Rüstung, München 1996, S. 58. 449 Beispiel: SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9273/1; Loc. 9281/6. 450 Vgl. Kaiser 1999, S. 48.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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Die Feldherren und Söldnerführer hatten von der Mobilmachung an eine besondere Vertrauensstellung bei ihren Kriegsherren. In ihrer Person bündelte sich die politische mit der ökonomischen Perspektive auf den Krieg. Die Verantwortung der Mobilmachung delegierten die Fürsten an jene, die Geld für die Truppen, Waffen und Versorgungswege verfügbar hatten. Die Inhaber eines Regiments waren nach heutigem Verständnis Kriegsunternehmer, die im Auftrag der kriegführenden Fürsten auf eigene Rechnung Söldner warben und ausrüsteten. Durch Mengenrabatte bei Uniformröcken, Waffen und Lebensmitteln einerseits und geringen Sold andererseits konnte der Söldnerführer beträchtliche Gewinne einstreichen. Somit bestanden Geschäfte zwischen Offizieren, Heerführern und Herrschern, die auf Gegenseitigkeit beruhten.451 Durch die einheitliche Ausrüstung eines Heeres erschien die Truppe zunehmend homogen, so dass auch die Unterscheidung in Freund und Feind leichter fiel und das gefürchtete friendly fire besser vermieden werden konnte. Zahlreiche Söldnerführer sind durch militärische und finanzielle Erfolge in die Geschichte eingegangen.452 Es ist längst erwiesen, dass auch über die Ära der Kriegsunternehmer hinaus „die Staatsfinanzen tatsächlich durch Kriege mit fremden Mächten bestimmt“ wurden, so dass die Militärausgaben eine Säule der Staatsbildung darstellten.453 Jedoch konnten sich diese aufwändige Kriegführung in der Tat nur Großstaaten und Schwellenmächte leisten, während kleinere Mittelmächte (wie die Ernestiner) immer mehr zu Mitläufern in großen Allianzen wurden. Das Ende des Kriegsunternehmertums verlief genau zwischen Albrecht von Wallenstein und Tilly: wie Michael Kaiser herausgearbeitet hat, arbeitete Tilly mit zwei Kriegskommissaren auf einer neuen Loyalitätsbasis, während Wallenstein noch als Kriegsunternehmer tätig war und wenig Verständnis für das neue Militärbeamtentum besaß.454 Maximilian von Bayern konnte indes von den doppelten Berichten seiner Kriegskommissare und seines Feldherrn profitieren. Er besaß „Auge und Ohren“ im Felde, wusste Tilly unter Beobachtung und sicherte die Durchführung seiner Anordnungen ab.455 Auch wurden Übereinstimmungen und Abweichungen in den Berichten deutlich, und die Nachrichtenweitergabe ließ sich gut koordinieren. In Ausnahmesituationen war der alternative Kommunikationskanal gleichermaßen von Vorteil. So hat Tilly durch den Kriegskommissar Ruepp an den bayerischen Kurfürsten den Wunsch verstärken lassen, gegen Kursachsen einen entscheidenden Schlag zu führen.456

451 Vgl. Parrott 2012. 452 Beispielsweise die Landsknechtführer Georg von Frundsberg (1473–1528), Hilmar von Münchhausen (1512–1573), Sebastian Schertlin von Burtenbach (1496–1577), Ritter Mark Sittich I. von Ems (1466–1533), Ludwig Pfyffer von Altishofen (1524–1594), Graf Peter Ernst II. von Mansfeld (1580–1626), Dodo Freiherr von Innhausen und zu Knyphausen (1583–1636), der Generalissimus Albrecht von Wallenstein und Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel (1599–1626). 453 Mann 1991, S. 376. 454 Vgl. Kaiser 1999, S. 36. 455 Ebd., S. 32. 456 Vgl. ebd., S. 35.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Diese moderne Institution der kontrollierenden Kriegskommissare bestand in Kursachsen noch nicht. Hier verlief die Kommmunikation zwischen Kriegsheer und Feldherr bzw. Söldnerführer mitunter über einen Generalfeldwachtmeister, der das Scharnier bildete. So erteilte der sächsische Kurfürst einem Generalwachtmeister Wolff von Wrzesowicz einen Verweis, dass er ein Schreiben des Militärunternehmers Ernst von Mansfeld an den Kurfürsten „erbrochen und so lange zurückgehalten“ habe.457 Als Ernst von Mansfeld an der Garnison Eger vorübermarschieren wollte, erkundigte er sich bei dem sächsischen Generalwachtmeister höflich, welche Befehle vom Kurfürst gegeben seien und ob man Freund- oder Feindschaft zu erwarten habe.458 Mit der Gründung des Kriegsratskollegiums entstand ein Gremium, das die Brücke zwischen Landesherr und Militär bildete. Um 1700 standen dieser Institution mit sechs Angestellten ein Geheimer Kriegsrat und der Generalinspekteur vor.459 Im Zuge der Herausbildung stehender Heere lösten Soldaten den Söldner ab. Dadurch ergab sich eine veränderte Situation, denn der Soldat war ein regulärer Angehöriger seiner Armee, was einen gelegentlichen Frontenwechsel sehr erschwerte. Statt der Militärunternehmer wurde nun der General als Zwischenglied zum Kriegsherrn maßgeblich. In Polen-Litauen hießen die zwei Oberbefehlshaber Großhetman. Deren Befehlsgewalt reichte aber nur bis zu den Grenzen des polnischen Königreiches. In Friedenszeiten verwalteten sie vom Hofe des Königs die Armee. Die Organisation der Personalunion zwischen Sachsen und Polen wurde dadurch noch verkompliziert. Die stehenden Heere verursachten das Sicherheitsdilemma, demzufolge das Sicherheitsstreben einzelner Staaten ein Wettrüsten auslöste und zu einer Instabilität führte.460 Das Exerzieren der Soldaten und die häufige Anwendung der Manöverstrategie im 18. Jahrhundert waren darauf ausgerichtet, durch Täuschung und Verbergen eine Schlacht mit einem gegnerischen Heer zu vermeiden. Die Armeeaufstellung konzentrierte meist ihre stärksten Teile im Zentrum und schützte sie durch leichte Truppen. Dazu kamen noch nicht fest stationierte Beobachter und Kundschafter. Kriegslisten waren ein probates Mittel für Überraschungsangriffe mit einer breiten Palette von Möglichkeiten. Eine Anthologie der Kriegswissenschaften nennt vier Beispiele: das Einschleusen verkleideter Soldaten in eine zu erobernde Stadt, das durch Spione arrangierte Einverständnis mit Bürgern, Soldaten etc., das Einschlüpfen durch Kanäle, Keller oder unterirdische Gänge sowie Brandstiftung und Aufruhr.461 Auch gehörten vorgetäuschte Blockaden, Märsche, simulierte Retiraden und

457 458 459 460

Ütterodt zu Scharffenberg 1867, S. 730. Vgl. Schreiben Mansfelds an Wolff von Wrzesowicz, 19. April 1621, zit. in: ebd., S. 745. Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Nr. 792, Extract, f. 119. Vgl. Herz, John: Idealistischer Internationalismus und das Sicherheitsdilemma, in: Ders.: Staatenwelt und Weltpolitik, Hamburg 1974, S. 39–56. 461 Vgl. Schertel von Burtenbach 1791, S. 206 f., 213.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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Angriffe sowie Hinterhalte zu den Techniken, um den Feind aus Verstecken zu locken oder günstig zu positionieren.462 Im Siebenjährigen Krieg setzte Friedrich II. von Preußen mit der schiefen Schlachtordnung und Scheinangriffen in der Militärtaktik Täuschungen und Überraschungen ein, die nur bei vorheriger Geheimhaltung erfolgreich waren. Diese Beispiele nehmen Bezug auf Spionage, Simulation, Dissimulation und vorsätzliche Schädigung. Jegliche Maßnahme gründet aber auf einer erfolgreichen Aufklärung. Diese musste auch sicherstellen, dass den Offizieren und Generälen stets der Standort des Gegners bekannt war, denn einer Kriegsregel zufolge war nicht den Feind in der Nähe zu fürchten, sondern der in der Ferne.463 Bei einem heimlichen Vorrücken, das „geheime Expedition“ genannt wurde und auf der Basis der ausgekundschafteten Informationen erfolgte, war eine absolute Stille erforderlich.464 Für erfolgreiche Hinterhalte wurden acht Voraussetzungen genannt, zu denen Geheimhaltung, Kenntnis, Zeitberechnung, günstige Ortswahl, Vorsicht, begleitende Spionage mit eventueller Korrektur der Maßnahmen und eine Exit-Strategie zählen.465 2.3.6 Die Untertanen Widerstand und Anpassung an die fürstliche Politik Für die Frühe Neuzeit ist nicht von einer bloßen „top-down-Vermittlung herrschaftlicher Botschaften“ auszugehen, sondern von einem komplexen Gefüge zwischen Herrschaft, Medienmarkt und Untertanen.466 Durch Informationstransfers zum Fürsten hin unterstrichen die Untertanen ihre Loyalität. Angesichts der nachweisbaren Fälle von Kundschaften, Denunziationen und Botentätigkeit durch Untertanen ist Neithard Bulsts These zu widersprechen, dass Herrschaftsunterworfene „keinesfalls Akteure […] politischer Kommunikationsprozesse“ gewesen seien.467 Dennoch  – die Bevölkerung war für den Fürsten eine unsichere Größe, denn die Bauern und Händler lebten am Rande der Existenz und waren wegen der hohen Belastungen und Frondienste keineswegs gut auf ihren Herrscher zu sprechen. Eines der unangenehmen Begleiterscheinungen des fürstlichen Kontrollstrebens war der Straßenzwang. Um die Wege, auf denen Post, Waren und Truppen transportiert wurden, kontrollieren zu können und wirtschaftliche Vorteile für bestimmte Städte zu erlangen, nötigten die Fürsten jeden, nur bestimmte Straßen zu nutzen. Gegen diesen Zwang erhob sich regel462 463 464 465 466 467

Vgl. ebd., S. 83 f. Vgl. ebd., S. 79. Ebd., S. 81. Vgl. ebd., S. 237, 245 ff. Brendecke, Friedrich, Friedrich 2008a, S. 32. Bulst 2009a, S. 9.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

mäßig Widerstand. Oftmals versuchten die Boten und Fuhrleute den Brückengeldern bzw. dem Stapel- und Niederlagerecht auszuweichen oder den kürzesten Weg zu gehen. Doch diese Praxis war nicht nur bei Untertanen verbreitet. Der Kurfürst von Brandenburg, Joachim I., wehrte sich gegen das Magdeburger Brückengeld gar, indem er seinen Schutz für die Stadt aufkündigte  – demgegenüber klagte Magdeburg, die Fuhrleute würden „Schleich- und Beiwege […] an der Stadt vorbey gebrauchen“, was dringend abgestellt werden müsse.468 Da Straßenräuber auf unbelebten Nebenstraßen leichtes Spiel hatten, lag die Benutzung von Schleichwegen auch aus Sicherheitsgründen nicht im Interesse der Fürsten, die eine Missachtung des Straßenzwangs entsprechend bestraften. Als zusätzliche Belastung für die Bevölkerung ist zu erwähnen, dass sie sich nicht immer wirksam vor feindlichen Heerscharen, die häufig das Land verwüsteten und mordend die Dörfer heimsuchten, schützen konnten. Sie waren gefährdet, für einen Schutzbrief dem Gegner in die Hände zu spielen und zum Verräter an ihrem Herrn zu werden. Gelegentlich bemühten sich die Herrscher deshalb, die Untertanen in ihre Politik einzubinden, indem sie verarmte Bauern und Handwerker sowie entflohene Mönche mit der Akquise neuer Agenten beauftragten.469 In Sachsen gebrauchte die Obrigkeit für ihre Geheimdiplomatie aus der Bevölkerung insbesondere Kaufleute und Handwerker. Diese wurden gern zur Verschleierung von Kommunikation als Boten eingesetzt. Es ist ein dunkler Pool von Beteiligten der Geheimdiplomatie. Quellenmäßig belegt sind entdeckte Briefe auf Karren, die zum Markt fuhren, im Gepäck von Gesellen und Bergleuten, in Stiefeln von Fleischern und Schuhen von Bäckern. Aus Gerichtsakten sind mehrere Fälle überliefert, die eine gegnerische Bevorteilung durch Hilfe einheimischer Untertanen als Landesverrat ausweisen. Die harte Bestrafung der Habhaftgewordenen sollte zur Abschreckung dienen. Allerdings konnte in Kriegszeiten die leidende Bevölkerung den lockenden Belohnungen kaum widerstehen, wenn sie ihre geographischen Kenntnisse dem Feind ihres Landesherrn preisgaben und dafür von Feuer und Tod verschont blieben oder gar klingende Münzen bekamen. Daneben sind als Motive noch Ideologie und Stärkung des Egos zu finden. So hat ein Doktor Lüders im Dreißigjährigen Krieg mehrfach die Konfession gewechselt und u. a. den Schweden die Einkünfte seines Amtes verraten, so dass der Erzbischof von Magdeburg, Leopold Wilhelm von Österreich, überlegte, „wie man dieses unbestendigen und schädlichen Mans im Stifft ledig werden möchte“.470 Doch auch der Landesherr bezahlte die Bürger, die zu einem Sieg beigetragen haben. So erhielt der Bürger Hans Kung 1408 von Landgraf Friedrich zu Thüringen 970 Schock und 37 alte Groschen für den Sieg gegen den Grafen Heinrich von Honstein.471

468 469 470 471

GStA PK, I. HA Rep. 52 Magdeburg, Nr. 45. Vgl. Wilhelm 2003. LHASA, MD, A1, Nr. 1145, Brief Erzherzog Leopold Wilhelms, 12. August 1641, unfol. Vgl. Kuhlbrodt, Peter (Bearb.): Spezialinventar von Quellen zur Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen in auswärtigen Archiven, Nordhausen 2012, S. 44.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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Opfer der Geheimdiplomatie Die Politik als Gesamtheit der Interaktionen zur Steuerung von Staat und Gesellschaft geriet bei den unteren Gesellschaftsschichten durch die Verdichtung und Inszenierung an den Machtzentren häufig in Misskredit. Das lag daran, dass die Bevölkerung oft wahrnahm, dass die aus ihrer Perspektive wichtigste Aufgabe der weltlichen Obrigkeit nicht immer optimal gelöst wurde – die Sorge um das irdische Wohl der Untertanen.472 Zusätzlich wurden die Herrschaftsunterworfenen von der politischen Kommunikation ausgeschlossen. Aus Gründen der Informationskontrolle war es Nürnberger Handwerkern sogar verboten, Briefe zu senden oder empfangene Post zu öffnen, ohne sie vorher dem Rat der Stadt vorzulegen.473 Die politischen Handlungsziele – Schutz, Rechtspflege, Ordnungserhaltung, Kulturpflege zu steuern – beinhalteten auch die „gute Policey“, durch welche nicht das Individuum, sondern das Gesamtsystem in innerer Ordnung erhalten werden soll.474 Die zur Vermeidung von Missbrauch und Einhaltung der Regeln notwendige Kontrolle und Überwachung führte zu einer Binnendifferenzierung hinsichlich Sitten, Religion, Bildung usw., wobei in der ersten Kategorie auch die Beeinflussung der mentalen, moralischen und intellektuellen Struktur der Untertanen inbegriffen war.475 In Bedrohungssituationen bei Unruhen und Kriegen schoben die Herrscher die Disziplinarfunktion verstärkt in den Vordergrund ihrer Politik, so dass die Ausprägung einer heimlichen Kontrolle der Untertanen um sich griff. Kritik an dieser Praxis konnte anfangs nur verborgen geäußert werden, bevor sie in der Aufklärung unter dem Ruf nach Transparenz laut wurde. In den vorigen Jahrhunderten missbilligte die Bevölkerung eher die Lebensführung der Herrscher, die den Eindruck erweckte, als kreise der Hof um sich selbst. Die politischen Ziele verlagerten ihren Schwerpunkt von der Kontrolle der moralischen Ordnung der Gesellschaft hin zur Durchsetzung des inneren Friedens und zur Maximierung des Wohlstandes.476 Die Bevölkerung errang allerdings nur in Friedenszeiten Teilhabe an den Genüssen und klagte oftmals über Unsicherheit, Schutzlosigkeit und Unfrieden, mithin über verfehlte Politik. Auch die veränderte Hofkultur des barocken Spiels mit Falschheit und Camouflage wurde von den Untertanen durchaus kritisch wahrgenommen. Entsprechend war die Semantik des Wortes „politisch“ belegt mit Begriffen wie listig und verschlagen. 1759 war in dem Werk „Heutige Welt-Kunst“ zu lesen: Anders seyn, und anders scheinen anders reden, anders meynen Alles loben, alles tragen 472 473 474 475 476

Vgl. König 2012, S. 452. Vgl. Huntebrinker 2009, S. 78. Vgl. Simon 2004, S. 111 ff.; Schwerhoff 2006. Vgl. Simon 2004, S. 120. Vgl. ebd., S. 533.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Allen heucheln, stets behagen Allem Winde Segel geben Bösen, Guten dienstbar leben Alles Thun und alles Dichten Bloß auf eignen Nutzen richten Wer sich dessen will befleißen kann politisch heuer heißen.477

Von der Unehrlichkeit fühlte sich die Bevölkerung bedroht, während der Fürst sich seinerseits von Zeit zu Zeit ihrer Loyalität nicht sicher war und zur Gefahrenabwehr von Aufständen und Verschwörungen die Geheimdiplomatie nach innen richtete. Diese Methode war etwas Anderes als die militärischen Kundschaftsberichte im Kontext von Kriegen. Während jene Situationsberichte aus bestimmten Regionen lieferten, war die Ausspionierung bestimmter Bevölkerungsgruppen nicht regional, sondern sozial bedingt und richtete sich gegen einzelne Individuen. 1792 begann in Sachsen und Thüringen diese Praxis damit, dass der Weimarer Herzog auf die Jenaer Studentenunruhen reagierte, indem er die Studenten ausspionieren ließ. Ziel war es, durch Kenntnis ihrer Vorhaben die Kontrolle über das Geschehen zurückzuerlangen und die Aufrührer namentlich zu überführen. Es ist ein Vorspiel für die spätere Überwachung demokratischer Kreise im Vormärz. Wahrnehmbarkeit der Geheimdiplomatie An dieser Stelle soll auch der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Bevölkerung von der Geheimpolitik ihres Fürsten Kenntnis hatte. Durch Flugblätter, Zeitungen und später Zeitschriften besaßen die Zeitgenossen die Möglichkeit, sich über Kriegsereignisse allgemein zu informieren. Dem unterschiedlichen Wissenshorizont der Gesellschaftsschichten wurde im 18. Jahrhundert durch unterschiedlich anspruchsvolle Lektüreangebote – vom einfachen Nachrichtenblatt bis zu intellektuellen Periodika – Rechnung getragen, und die mündliche Weitergabe trug die wichtigsten Nachrichten auch zu den noch nicht alphabetisierten Bevölkerungskreisen. Im 17. Jahrhundert war das Informationsmedium Zeitung bereits unverzichtbar geworden und in die Alltagskultur eingegangen.478 Die historisch-politische Zeitschrift lieferte dem akademischen Publikum zudem einen Zusammenhang verschiedener Aspekte eines Kernthemas. Diese Vermittlungsform ist bis heute als Hintergrundberichte in den Zeitungen zu finden. Dem gemeinen Mann blieb jedoch vieles verborgen, so dass durch das Schriftgut nicht die Gesamtheit der Bevölkerung erreicht werden konnte. Der 477 Zit. in: Hartmann 2002, S. 438. 478 Vgl. Blome, Astrid: Historia et Venditio, in: Arndt 2010, S. 207–226, 225.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

161

Zeitungsvorleser im Gasthaus machte seinen Zuhörern mit seinen Kommentaren die Ereignisse verständlich.479 Als weitere Multiplikatoren dienten Pfarrer und Lehrer. Johannes Arndt kommt zu dem Schluss, dass bereits nach dem Spanischen Erbfolgekrieg 1701 die bürgerliche Öffentlichkeit als „virtueller Informationsraum“ zur Verfügung stand.480 In der Spätaufklärung wurden Privatheit, Geheimnisse und Öffentlichkeit im Bürgertum problematisiert.481 Doch wie verbreitet war die Kenntnis der geheimen Diplomatie? Einzelne Druckschriften und Satiriken belegen, dass unter dem Deckmantel der Anonymität am Ende des Ancien Règime durchaus Kritik an dieser Praxis geübt wurde. In England erschien 1782 eine Schrift, die eine fiktive geheime Korrespondenz eines Schusters mit dem König und dessen Ministern enthielt und bezeichnenderweise unter dem Pseudonym „Thomas Boot“ veröffentlicht wurde. Der Schuster klagt darin über Sklaventum, verspottet das gesamte Kabinett und beschuldigt den königlichen Erzieher John Stuart Earl of Bute, dieser habe den König vergiftet und verdorben. Der König nimmt in der Gegenrede sein Kabinett in Schutz und betitelt seine Minister als „Gibraltar der Finanz, der Marine und Kriegswesen, im Betracht der Politik“.482 Darüber hinaus klagt Boot, Bestechung sei der Hauptgrundsatz der Regierung, und die Spione des Ministers David Murray, 3. Earl of Mansfield und Viscount of Stormont, kosteten wöchentlich 3300 Pfund Sterling.483 Unter ihnen sei in Den Haag der Jude Pinko, der meldete, dass die Niederländer sich von der englischen Bedrohung mit 30 Tonnen Gold freikaufen wollten, solange der Krieg mit Frankreich währte. Er als Frankreich bereisender Schuster habe besseres Wissen als alle bezahlten Spione des Marineministers John Montagu Earl of Sandwich. So hege der französische Minister Sartine den Plan, England unter Frankreich, Spanien und dem amerikanischen Kongress aufzuteilen und danach geheime Befehlsbriefe zur allgemeinen Sicherheit und Ruhe einzuführen.484 Diese Publikation spiegelt den Wunsch des Autors nach Transparenz und demokratischem Mitspracherecht. Die Kritik an der korrupten Amtsführung des Earl of Sandwich, der Gelder unterschlug und seeuntaugliche Schiffe in den Kampf schickte, war sehr verbreitet. Seine Entlassung 1782 wurde von der Öffentlichkeit begrüßt. Lord Stormont heiratete in seiner Dienstzeit als englischer Gesandter in Dresden 1755–64 Henrietta Frederica, die Tochter Heinrichs von Bünau. Nach der Einkesselung der sächsischen Armee soll er Friedrich II. von Preußen wegen seiner Sympathien für Sachsen gebeten haben, die Armee „entwischen zu lassen“.485 479 480 481 482 483 484 485

Vgl. Arndt, Johannes: Die historisch-politische Zeitschriften, in: Arndt 2010, S. 139–169, 168. Ebd., S. 169. Vgl. Lüsebrink 1997, S. 116 f. Boot 1782, S. 35. Vgl. ebd., S. 42. Vgl. ebd., S. 161. Zimmermann, Johann Georg von: Fragmente über Friedrich den Großen zur Geschichte seines Lebens, seiner Regierung und seines Charakters Band 1, Leipzig 1790, S. 270.

162

2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Der Buchtitel „Le Pot aux roses“ beruht übrigens auf der französischen Redewendung „découvrir le pot aux roses“, was übersetzt heißt jemandem auf die Schliche kommen. Die Rosenmetapher findet sich als Bild auch in der deutschen Redewendung wieder, wenn etwas versteckt „durch die Blume gesagt“ wird. „Sub Rosa“ als Bezeichnung für Vertrauliches geht auf den Brauch der Römer zurück, bei geheimen Zusammenkünften eine Rose unter der Decke hängen zu lassen, die alle Anwesenden zur Verschwiegenheit mahnte. Diese Formulierung findet sich auch bisweilen in den Akten: „NB Sub Rosa“ stand wie das „PS Tibi soli“ vor einer besonders vertraulichen Mitteilung.486 Somit erklärt sich auch, warum Beichstühle mit geschnitzten Rosen verziert sind.487 Die Bedeutung bestimmter Blumen wurde besonders im 18. Jahrhundert als Blumensprache zur Kunst erhoben und ist in Form von Blumenbinderei zur geheimen Dichtung als Zeitvertreib von morgenländischen eingekerkerten Frauen benutzt worden. Von dieser Praxis berichtete Mary Montagu, die Gemahlin des englischen Botschafters an der Hohen Pforte, in ihren Briefen aus Istanbul.488 Die Kryptologie fand in der aufkommenden Romantik vor dem Hintergrund der Französischen Revolution und der nachfolgenden Kriege zunehmend mehr Liebhaber. Einer der ersten, Carl Kortum, legitimierte sein Handbuch 1782 noch mit Denksport und Liebhaberei.489 Einige versuchten sich darin, eine möglichst sichere Geheimschrift für ihren Fürsten zu entwickeln. Der königliche Fechtmeister Heinrich Christoph Ranis wagte keine Publikation seines Manuskripts über die „Deziffer-Kunst“.490 1802 bot ein Prediger dem preußischen König eine neue Methode an.491 Die Freiräume auch auf dem Buchmarkt wuchsen, bald konnten sogar offen politische Gründe angeführt werden. Während der Revolutionskriege entstand gar ein kleiner Wettbewerb unter den Autoren. 1793 erschien „Le contr’espion“, um mit dieser Veröffentlichung aller Chiffren der geheimen Korrespondenzen die feindliche geheime Armee niederzuschmettern.492 Scherber publizierte ein Übungsbuch mit beigegebenen Lösungen.493 Ein „Mysterienbuch“ lieferte als Beigabe die Blumenchiffre der Morgenländerinnen.494 In der Zeit der Frühromantik fiel die Blumenchiffre auf fruchtbaren Boden. Diese Geheimsprache änderte sich auf dem Kontinent hin zu einer geheimen Verständigung zwischen Verliebten und kann als Gegenbewegung zur offiziellen Kryp486 Beispielhaft vgl.  SächsHStAD, 10026 GK, Loc.  722/8, Brief vom 11. Juli 1740, f. 4; Loc.  1393/4, Bishopsfield an Kriegsrat Born, 10. Februar 1749, f. 14; Loc. 2999/9, f. 29. 487 Vgl. Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände: Conversations-Lexikon, Bd. 1, Leipzig 1827, S. 940 f. 488 Vgl. Allgemeines deutsches Conversationslexikon für die Gebildeten eines jeden Standes, hrsg. von einem Vereine Gelehrter, Band 2, 1834, S. 206. 489 Vgl. Kortum 1782. 490 SächsHStAD, 13540 Materialien zur älteren Landes- und Ortsgeschichte Sachsens, Nr. 51. 491 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, L 12, fasc. 16. 492 Dlandol 1793, f. 4. 493 Vgl. Scherber 1795. 494 Vgl. Mysterienbuch 1797, S. 104 ff.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

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tologie der Politik verstanden werden. Doch das Interesse an der Verbindung von Mathematik und Politik erlahmte keineswegs. Nachdem Gregorius LeMang 1797 ein Übungsbuch für Laien mit 16 Textbeispielen herausgebracht hatte, verfasste Johann Baptist Andres ein „Gegenstück“ dazu und hob hervor, er habe sogar Trithemius’ Chiffrenwerk verbessert und „in ein haltbares System gebracht“.495 Johann Friedrich Bohn zog „gegen eine Parthie Schurken zu Felde“ und gab für die Allgemeinheit den Ratgeber heraus „Wie sichert man sich vor Brief-Erbrechung und deren Verfälschung?“, in dem er u. a. ein neues Tintenrezept mit nicht zu tilgender Schwärze sowie eine Anleitung zur Siegelnachbildung lieferte.496 1808 veröffentlichte ein anonymer Autor für Diplomaten und Beamte ein Geheimschriften-Handbuch mit dem Hinweis darauf, dass in Kriegszeiten Spione umherschlichen und geheime Bündnisse bestanden, so dass es ein „wahres Bedürfnis“ sei, Briefe von öffentlichen und heimlichen Feinden zu entziffern.497 Ein Jahr darauf verwies Klüber auf die Geheime Expedition des Grafen Brühl, um den Sinn seines Buches vor Augen zu führen.498 Im 19. Jahrhundert ist das Geheimdienstwesen sehr wohl von der Bevölkerung wahrgenommen und das Symbol der Rose interpretiert worden. 2.3.7 Die Hofjuden Oft sind die Hofjuden im Visier der Spionjäger gewesen, denn, wie Daniel Jütte herausgearbeitet hat, besaßen Juden qua ihrer Vernetzung eine „Arkankompetenz“.499 Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert nutzten die Fürsten Juden oftmals als Hoffaktoren, also Kaufleute, für finanzielle und politische Zwecke. Wesentlicher Grund für die Anstellung von Juden für die Beschaffung von Geldmitteln war das Zinsverbot für Christen und das Ausübungsverbot für Juden hinsichtlich christlicher Berufe. Auf ihrem notwendigerweise auf die Geldleihe beschränkten Arbeitsgebiet, das ihnen den Ruf als Wucherer einbrachte, sammelten die Juden im Laufe der Jahrhunderte eine große Berufserfahrung, die sie für die schier unersättliche Geldgier der barocken Fürsten besonders interessant machte. Zwar waren die Hoffaktoren abhängig von ihnen, aber durch ihre umfänglichen Finanzierungen von Kriegen und anderen politischen Unternehmungen, durch ihr großes Korrespondenznetz mit Handelspartnern und durch ihre internen Kenntnisse sämtlicher Börsenplätze Europas besaßen sie auch Macht über Informationen und damit Einfluss sowie gewisse Gestaltungsfreiräume in der Politik. Diese Position hob sie von den übrigen jüdischen Bewohnern Sachsens ab, die in den

495 496 497 498 499

Le Mang 1797; Andres 1799, S. XI. Bohn 1797, S. XIII. Geheime Schriften 1808, S. III. Vgl. Klüber 1809. Jütte 2011, S. 19.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Städten nicht geduldet waren und mit der Judenordnung von 1682 nur während der Leipziger Messe ein eingeschränktes Aufenthaltsrecht erhielten. Nach dem Hubertusburger Frieden wies Leipzig die ansässigen Juden aus. Ausgangs des 17. Jahrhunderts handelte der Wiener Hofjude Lebl Hösch für den Hofkriegsrat, die Orientalische Kompanie und für die Beglerbegs in Ofen – drei Dienstherren – mit Tuch, Steinsalz, Sprachkenntnissen und zuverlässigen Nachrichten, die er für das Kaiserhaus in ganz Europa einsammelte. Seine Beziehungen reichten von Amsterdam über die Leipziger Messe, Prag, das ungarisch-slowakische Komárom bis nach Ofen, Belgrad und Konstantinopel.500 Offiziell deklarierte Übersetzungsdienstleistungen boten gute Möglichkeiten, um eine mündliche Informationsweiterleitung zu verschleiern. Zur größeren Sicherheit verschlüsselte Lebl Hösch, der keine offizielle Chiffre bekam, seine Nachrichten in hebräischer Schrift und jiddischer Sprache, die offenbar in der Hofkriegskanzlei zurückübersetzt wurden.501 Sein Motiv war rein wirtschaftlicher Art, nicht ideologischer, denn für sein hohes persönliches Risiko kam ihm der Hofkriegsrat bei seinen Tuchexporten nach Ofen finanziell entgegen.502 Lebl Hösch war wegen seiner Handelskontakte zum Informanten rekrutiert worden. Allerdings stand er wegen seiner guten Kontakte zum Ofener Wesir und zum Wiener Hofkriegsrat im Verdacht, ein Doppelspion zu sein.503 Er wurde von den Türken nicht enttarnt, sondern im unsicheren Grenzgebiet von Wegelagerern überfallen und erschlagen. 1734 stellte der württembergische Herzog dem Juden Joseph Süß Oppenheimer das Patent aus, als Resident in Frankfurt am Main tätig zu sein. Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen verpflichtete sich 1696, vor seiner Wahl zum polnischen König, den Juden Behrend Lehmann, der ihm millionenfach Vorschüsse lieferte und damit die Bestechungen und Entschädigungen im Kontext der polnischen Königswahl 1697 und die kulturellen Errungenschaften wie Dinglingers Meisterwerke finanzierte.504 Er organisierte, um Geld für die polnische Krone zu erhalten, mehrere Verpfändungen und den Verkauf verschiedener Rechte wie der Lauenburger Erbansprüche, war Heeres- und Geldlieferant. Als Dank erhielt er dauerhaftes Wohnrecht, die freie Religionsausübung sowie als niedersächsischer Resident einen Diplomatenstatus und wurde zudem im Nordischen Krieg Schatzmeister der Krone. Durch den Juwelenhandel sowie Geldleihgeschäfte und Unteragenten erarbeitete er sich ein vergleichsweise großes Imperium, das 1721 duch den Konkurs zweier Verwandter in Hannover zu schwanken begann. Dennoch wurde er 1726 nochmals mit einem großen Auftrag bedacht, als er für Moritz von Sachsen, illegitimen Sohn Augusts II., die Herrschaft über Kurland gesichert werden sollte. Er brachte nochmals 20.000 Reichstaler für militäri500 501 502 503 504

Vgl. Buchberger 2004. Vgl. ebd., S. 231. Vgl. ebd., S. 234, 238. Vgl. ebd., S. 231. Vgl. „Lehmann, Behrend (Issacher Halevi Bermann)“ von Jochen Vötsch, in: SäBi, URL: http:// www.isgv.de/saebi/ [18.02.2012; ASR]; Bürgel 2007.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

165

sche Aktionen auf, jedoch konnte sich Moritz nicht durchsetzen. Cathleen Bürgelt hat das erstaunliche personelle Netzwerk Behrend Lehmanns herausgearbeitet. Es reichte von August  II. und seinen Mätressen über den preußischen König, den Kurfürsten Georg Ludwig von Hannover, den Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel und den polnischen Gegenkönig Stanislaus I. Leszczyński bis zum mächtigen Minister Flemming, dem Kanzler von Beichlingen, dem Kriegsrat von Bose und zum unehelichen Sohn, Maurice de Saxe.505 Damit war der Hoffaktor Lehmann mit den allerwichtigsten Personen der sächsischen Außenpolitik eng verwoben, was erklärt, dass die Zeitgenossen ihn als ihren „glänzendsten Stern“ bezeichneten.506 Durch ihre Handelsbeziehungen unterlagen reisende Juden häufiger dem Verdacht, nicht nur Waren, sondern auch Informationen zu transportieren. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Osmanischen Reich und den Habsburgern waren mit einer religiösen Komponente des Kampfes zwischen „Christen“ und „Heiden“ ideologisch aufgeladen. Beide Seiten vermuteten gleichermaßen die größten Verräter unter Juden.507 1539 erschienen dem ungarischen Palatin mehrere aus Frankfurt in die Türkei reisende Juden mit großen Sprachkenntnissen verdächtig. Ein türkischer Spion nutzte die Verkleidung als Jude, um unerkannt nach Venedig zu gelangen, kam allerdings nur bis Skopje. Die „Welthauptstadt der Spione“ war jedoch Konstantinopel.508 Mehrere jüdische Ärzte aus dem Umkreis des Großwesirs versorgten im 16. Jahrhundert die Oratoren (Botschafter) der Habsburger an der Hohen Pforte mit geheimen Nachrichten und ließen sich großzügig bezahlen. Die Spione kamen, so der Wiener Historiker Reinhard Buchberger, aus allen gesellschaftlichen und ethnischen Gruppen und waren auch weiblichen Geschlechts.509 Um der strengen Kontrolle osmanischer Behörden zu entgehen, mussten die Briefe, natürlich unauffällig verpackt, ins 240 km entfernte Edirne an einen Rabbiner und Arzt gebracht werden, der sie einem christlichen Kaplan übergab, in dessen Kirche sie dann ein weiterer Kurier oder Handelsreisender abholen konnte.510 Offenbar rekrutierten die kaiserlichen Vertreter in Konstantinopel aus jüdischen Netzwerken das Personal für die jüdischen Stafetten.511 Auch sonst wurden jüdische Bankiers und Kaufleute für diplomatische Missionen und Finanztransaktionen genutzt, wofür sie ihr Auftraggeber mit kleinen Ämtern, Ländereien oder Sonderprivilegien bezahlte.512 Da sie unauffällig Nachrichten sammelten und Briefe transportieren konnten, waren sie für die Spionage prädestiniert. Genau diese Unauffälligkeit machte sich auch der 505 Vgl. Bürgelt 2007, S. 6. 506 Ebd., S. 3. 507 Vgl. Buchberger, Reinhard: Zwischen Kreuz und Halbmond. Jüdische Spione im Zeitalter der Türkenkriege, in: Nicht in einem Bett. Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit (= Juden in Mitteleuropa. Jahresheft 2005), S. 66–71. 508 Vgl. ebd., S. 67. 509 Vgl. ebd., S. 68. 510 Vgl. ebd., S. 69. 511 Vgl. ebd., S. 71. 512 Vgl. Stern, Selma: Einleitung, in: Stern, Sassenberg 2001, S. 6–17, 11.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

englische Secret Service zunutze, als er zwei Juden an die Spitze des Geheimdienstes stellte: Antonio Fernandez Carvajal und Simon von Careeres.513 In Preußen wurden im Siebenjährigen Krieg etliche Juden wegen Spionageverdachtes verhaftet.514 Drei von ihnen saßen in der Festung Magdeburg ihre Strafe ab. Die besondere Beobachtung der Juden führte dazu, dass einige sich ein unauffälligeres Pseudonym zulegten. Obwohl der österreichische Spion Israel Joab sich zu Michael Grassenbach umbenannte, entging er der preußischen Aufklärung nicht.515 2.3.8 Die Abenteurer Die Verfügbarkeit politischer Details über Journale boten etliche Chancen für gerissene Kriminelle, aus der emotionsgeladenen Lage Kapital zu schlagen. Diese Gruppe der Abenteurer spaltet sich auf in Hochstapler, Verleumder, Adepten und Alchemisten. Sie konnten mit Angst und Misstrauen der Fürsten spielen, indem sie diese Gefühle schürten und dadurch Vertrauen erschlichen, sich als Retter inszenierten oder scheinbare politische bzw. esoterische Geheimnisse verkauften. Bisweilen gingen diese Methoden Hand in Hand mit dem Vortäuschen, als Adepten die Goldmacherei zu beherrschen. Die Glückssucher versuchten, aus dem Aberglauben der Fürsten Profit zu ziehen. Sie reisten durch Europa und täuschten beispielsweise Transmutation, den Weg zum Stein der Weisen, das Mittel der ewigen Jugend und Weissagung, vor, um an die Höfe zu gelangen und mit allerlei Betrügereien Reichtümer zu verdienen. Die Alchemie konnte durch ihre Symbolkraft und Kreditwürdigkeit in der Diplomatie auch funktional eingesetzt werden.516 Die Netzwerke der Alchemisten waren zeitlich gebunden und immer prekär, so dass früher oder später ihre Zeit an einem Hof abgelaufen war. Die Abenteurer sind abzugrenzen von denjenigen, die sich sich Titel und Ämter anmaßten und nur „aus Schelmerey“ als angebliche Geheime Räte, Minister, Adelige oder Herrscher unterwegs waren.517 Neben mehreren Männern sind auch einige Frauen aktenkundig, die mit Gift hantierten, Goldmacherei betrieben, als Mann verkleidet waren und sich für Adelige ausgaben.518 Politische Ziele wurden ihnen nicht unterstellt, sondern nur eine Betrugsabsicht. Die Abenteurer profitierten von einem fehlenden Warnsystem und konnten unerkannt entschwinden und beim nächsten Landesherrn ihr Spiel aufs Neue treiben. Am Hof Johann Friedrichs des Mittleren fanden sich nacheinander eine Vielzahl von 513 514 515 516 517 518

Vgl. Kissel 2011. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 49 Fiscalia, L 1 Nr. 2; L 1 Nr. 3; L 1 Nr. 6. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 49 Fiscalia, L 1 Nr. 8. Vgl. Krampl 2006, S. 142; Krampl 2000, S. 109. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9706/24, Brief an Kurfüst Johann Georg I., 9. August 1605, f. 24; Loc. 9705/14. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9719/27; 9719/28; 9705/18.

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

167

Alchemisten ein. Sie trugen wohlklingende Namen wie Liprand von Güllhorn, Valentin Haschenbach, Hans Rudolf Plumenecker, Hans Tyrol, Hans Föhrenschild, Matthias Friedrich, Abel Scherdiger zu Hohenkirchen, Philipp Sömmering, Therocyclus zu Schönau.519 Valentin Merbitz kam 1562 als überführter Betrüger, der sich als Silbermacher ausgegeben hatte, auf die Burg Hohnstein. Seine Freiheit erlangte er nach 25 Jahren wieder, als die Kurfürstin Anna nach einer schweren Entbindung eine Amnestie erließ.520 Obwohl diese Gaukelkunst in Mode war, fielen nicht alle Fürsten auf die Verheißungen der Alchemisten herein – so schrieb Kaiser dem Plumenecker: könnt ihr die Kunst, Gold zu machen, so macht euch vor allen Dingen selbst reich; darnach leiht mir das Geld auf Pension, oder lehret mich eure Kunst, so will ich mich gegen euch in kaiserlichen Gnaden erkennen. Es ist eitel Betrug und Träume von goldenen Bergen, daraus darnach kaum Kothhaufen werden.521

Johann Friedrich  II. war jedoch weniger skeptisch, sondern schenkte Wilhelm von Grumbach schließlich volles Vertrauen und soll an die 10.000 Gulden für die Alchemisterei ausgegeben haben.522 Zu Beginn ihres Plans versuchten die Abenteurer, eine Vertrauensbasis zu schaffen, indem sie fingierte Denunziationen anbrachten oder den Herrscher aus einer Gefahrensituation holten, die sie selbst kreiert hatten. Die Naivität der Fürsten ausnutzend, konnten sie dann mit deren Dankbarkeit und dem Wunsch rechnen, einen solch scheinbar fähigen Kopf als Mitarbeiter zu gewinnen. Im 16. Jahrhundert kamen Abenteurer noch eher selten vor, konnten aber weitreichende Folgen haben, denkt man an die Packschen Händel und die Grumbachschen Händel. Im Zeitalter des Barock erlebte Mitteleuropa dann zahlreiche dreiste Abenteurer, die erworbenes oder gefälschtes clandestines Wissen in klingende Münze umwandeln wollten und gewissermaßen mit Informationen und ihrer Kunst der Führung und Manipulation von Menschen handelten. Die individualisierte Beschäftigung, Selbstorganisation und Selbstmarketing verleiht ihnen einen Typus, der vergleichbar mit heutigen Freiberuflern und „Arbeitskraftunternehmern“ ist.523 Manche Abenteurer verfolgten nicht nur finanzielle Ziele, sondern auch Rachegedanken oder Wünsche der Prestigesteigerung. Von den Spionen unterscheiden sie sich dahingehend, dass sie ungerufen kamen, also keinen Auftrag eines Dienstherrn ausführten und freiwillig ihre Methoden wählten, während Spione bzw. Kundschafter mit bestimmten Missionen beauftragt und teilweise auch gezwungen wurden. Die Abenteurer bedienten sich einer schauspielerischen Begabung in Kombination mit 519 520 521 522 523

Vgl. Beck 1858, S. 22 f. Vgl. Bülau 1887, S. 32. Zit. in: Beck 1858, S. 19. Vgl. ebd., S. 21. Voß, Günther; Pongratz, Hans: Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeit, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 50 (1998), S. 131–158.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

gelungener Verstellung, die dem barocken Lebensstil inhärent war. Die meisten enttarnten Abenteurer, Hochstapler oder Lügner konnten sich einer Bestrafung durch Flucht entziehen. Zu den wenigen in Sachsen Inhaftierten gehören Maubert de Gouvest, Valvasor und der Graf von Klettenberg.524 Sie zeichnen sich allesamt durch eine besondere Begabung in puncto Verstellung, Weitsichtigkeit, Empathie, flexibles Denken und Kreativität aus. Ihr Kenntnisstand über die politischen Fakten und das soziale Gefüge am Hofe war hoch, und sie konnten aus dem Dunkel eines Pseudonyms oder einer doppelten Identität realistische Bedrohungsszenarien entwerfen. Den Schlichen der Betrüger war nur durch eine Kooperation der Höfe beizukommen. Dem erfolgreichen Zugriff auf den Valvasor ging eine Warnung Hannovers und des Prinzen Eugen voraus. Maubert de Gouvest hingegen konnte jahrelang sein Unwesen in Europa treiben. Die Zeitgenossen nannten sie Betrüger, Spieler, Lügner, Bösewicht, Spitzbube und Hochstapler.525 Die Fürsten waren oft doppelt geschädigt, denn sie gingen ein Stück weit ihrer Ehre verlustig und waren oft genug komplett überfordert, Fiktion und Realität sauber zu trennen, so dass sie sich in einen Strudel des Misstrauens bewegten. Hinter einem Einzeltäter vermuteten sie aus guten Gründen ein Komplott, hinter einer gefälschten Mitteilung ein Fünkchen Wahrheit. Nur sehr eng Vertraute waren in der Lage, bei ihrem Herrn die Verwirrung wieder aufzulösen. Die folgende Aufstellung listet alle aktenkundigen Abenteurer, die im Untersuchungszeitraum ihr Unwesen trieben, mit ihren speziellen Methoden auf. Nur wenige Fälle haben politische Bedeutung erlangt, da sie die Höfe bisweilen an den Abgrund eines Krieges trieben. Über das Schicksal etlicher Abenteurer schweigen sich die Quellen aus.

524 Beispielhaft genannt seien der Schreiber des sächsischen Obristen Wolfframsdorff, der sich 1651 zur Aufbesserung seines Ranges als Malteserritter und italienischer Graf Carlo Spinola ausgab, Johann Michael Klement, der 1719 Flemming einer Verschwörung bezichtigte und Maubert de Gouvest, der sich in den 1740er Jahren das Vertrauen des Grafen Brühl erschlich. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9705/12. Für Klement vgl. Gutzkow, Karl: Chevalier Clement. Novelle, in: Morgenblatt für gebildete Stände, Bd. 22, Bd. 27, 199–209 (1833), 20. August-31. August 1833 sowie Hiltl, Adolf: Jakob Clement, in: Die Gartenlaube 28 (1863), S. 440–444. Für Maubert de Gouvest vgl. Saint-Flour 1759. 525 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 58, Baron Ilgen, 30. September 1719, unfol.; SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9705/12, Brief aus Regensburg, 23. April 1651, unfol.; 10026 GK, Loc. 1392/1, Brief Wackerbarths und Brief Geiers,11. Januar 1715, f. 15, 31.

169

2.3 Die Akteure der Geheimdiplomatie

Tabelle 11: Abenteurer in Sachsen 1500–1763 Name(n) Michael Titel

Wirkungsfeld Dresden

Zeitraum Methode 1515 Hochstapelei

Otto von Pack

Dresden, Leipzig, Kassel Gotha

1528

Altenburg

1645

gefälschtes Komplott betrügerische Al- Hinrichtung chemie, politische Verheißungen Hochstapelei ?

Regensburg, Leipzig

1651/52

Hochstapelei

Amtsverlust

Frauenprießnitz, Schleusingen

1711

betrügerische Alchemie

?

Sachsen-Zeitz

1712

Hochstapelei

?

Erzgebirge

1715/16

Hochstapelei, Betrug

Ungarn, Wien

1673

Hochstapelei

Rutenschläge, Pranger, Zuchthaus Waldheim ?

Weimar, Leipzig, Dresden

1707–20

Wien, Dresden, Hannover, Paris

1714/15

betrügerische Alchemie, Hochstapelei betrügerische Alchemie, gefälschte Denunziation, Hochstapelei gefälschtes Komplott Hochstapelei, Erpressung Geheimnisverrat, Hochstapelei

Wilhelm von Grumbach & Consorten Von Gersdorff aus dem Haus Reithen in der Niederlausitz Carl Spinola, Julius Spinola, Henrico Maier, Ritter des Malteserordens verwitwete Gräfin von Petersdorff, Gräfin von Herbersstein, Gräfin von der Natta Magd, Gräfin von Petersdorf Sophie Sabina Apitzsch, Prinz Lieschen Carl Christian Kühlewein Johann Hektor Baron von Wi(l)deck, Baron von Klettenberg Georg Sigmund Valvasor, Baron Franz Anton Premei von Lemberg Johann Michael Klement Jean Pierre Biellet Jean-Henri Maubert de Gouvest

1558–67

Ungarn, Wien, Berlin, 1715–20 Dresden, Den Haag Liebenwerda, 1733 Dresden 1747–67 Madrid, Dresden, Warschau, Rom, Lyon, Genf, Den Haag, London, Lüttich

Bestrafung Landesverweis Hinrichtung

Hinrichtung ?

Hinrichtung 50 Prügel, Stadtverweis Fünfjährige Haft

170

2. Aspekte der Geheimdiplomatie

2.4 Querschnitte 2.4.1 Finanzieller Aufwand Die Kosten dieser Geheimdiplomatie lassen sich schwer ermitteln. Nur selten haben die Kanzlisten Rechnungen und Quittungen für Spionage oder Chiffrierung hinterlassen. Wenn in den Kassenbüchern nicht Begriffe auftauchen, die eindeutig auf Geheimdiplomatie hinweisen – wie „spion“, „spionieren“, „kundschaft“, „chiffre“, „intercipieren“ – ist lediglich eine Vermutung über Ausgaben für solche Zwecke möglich. Diese Annahmen können in vier möglichen Kontexten getroffen werden. Erstens bei der Erwähnung einer „geheimen“ Verrichtung, zweitens die Verschleierung einer „besonderen“ oder „gewissen“ Angelegenheit, drittens die Erwähnung eines Incognitos oder Pseudonyms, viertens der Hinweis, dass ohne Quittung gezahlt wurde. An diese Kriterien gekoppelt ist die schon zu Beginn erörterte These, dass neben dem Tagesgeschäft die Geheimdiplomatie als Besonderheit bzw. Seltenheit Bestand hatte und als solche auch in den Akten behandelt wurde. In der vergleichenden Perspektive erscheinen auf den ersten Blick die überlieferten Ausgaben für „Kundschaften“ sehr gering gewesen zu sein: der Kriegszahlmeister in Ungarn soll 1570 nur 0,02 % dafür ausgegeben haben, allerdings mit steigender Tendenz bis zum Jahr 1600, als die Quote 0,5 % erreichte.526 Im Jahr 1623 war bei einer Gesamtausgabe von über vier Millionen Gulden für Kundschaften nur die Summe von fünf Gulden ausgegeben worden.527 Der Grund für diese niedrigen Zahlen liegt in der Zersplitterung des österreich-habsburgischen Intelligence-Systems. Der genannte Kriegszahlmeister war nur für die Grenze zum Osmanischen Reich zuständig, während den südlicheren Teil der so genannte Innerösterreichische Hofkriegsrat bearbeitete. Der Hofkriegsrat in Wien seinerseits nutzte mehrheitlich seine Gesandten für die Informationspolitik und zog die entsprechenden Gelder aus der Hofkammer.528 Eine Zusammenstellung der Ausgaben der Habsburger für Intelligence steht noch aus. Für das Jahr 1583, als im osteuropäischen Raum ebenfalls kein größerer Konflikt bestand, haben jüngste Forschungen eine deutliche geheimdiplomatische Aktivität ergeben. Wie Tobias Graf herausfand, waren dennoch 16 Renegaten als Spione und Kuriere für die Habsburger tätig, elf Renegaten für die Osmanen, drei Renegaten für die Republik Venedig und fünf Renegaten als Doppelagenten.529 Der Zusammenhang zwischen Konversion vom Christentum zum Islam und einer Spionagetätigkeit ist ebenso evident wie die Überlappung der Intelligence des spanischen mit dem habsburgischen Zweig.

526 Vgl. Kenyers, István: Die Kriegsausgaben der Habsburgermonarchie von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum ersten Drittel des 17. Jahrhunderts, in: Rauscher 2010, S. 41–80, 57, 68. 527 Vgl. ebd., S. 80. 528 Vgl. Graf 2013, S. 210. 529 Vgl. ebd., S. 224.

2.4 Querschnitte

171

Die Habsburger gaben im Zeitraum von März bis August 1583 rund 5.250 Reichstaler für Intelligence aus – das waren 26 % der Gesamtausgaben der Gesandtschaft in Istanbul.530 Die spanische Botschaft in Wien gab 1635 über 28.041 Gulden für „Gastos Secretos“ aus, das entsprach 2 % der Gesamtausgaben.531 1636 waren es 56.305 Gulden (3 %).532 Hildegard Ernst musste hier aber 438.000 Gulden als „unbestimmbar“ deklarieren, was die schwierige Quellenlage einmal mehr deutlich macht. Für Ungarn ist mangels Feingliederung „übriger Kriegsausgaben“ keine genaue Aussage über die Kosten für Kundschafter möglich.533 Auch sonst krankt die wirtschaftshistorische Forschung an zu grober Rasterung hinsichtlich der Kriegsausgabenlisten.534 Insgesamt muss leider konstatiert werden, dass aus dieser Perspektive die Kriegskosten noch nicht hinreichend analysiert wurden, um die folgenden sächsischen Zahlen in Bezug zu setzen. In den Kassenbüchern machen den größten Teil die „gewöhnlichen Cantzley-Gebühren“ aus.535 In den Ausgabebüchern der Geheimen Kriegskanzlei sind unter den „extraordinairen“ Aufwendungen zumeist außergewöhnliche Reisekosten und Geschenke und nur selten Ausgaben für Spionage aufgeführt. Falls hier eine Verschleierung in den Kassenbüchern geschah und tatsächliche Spionagekosten unter falschem Namen abgerechnet wurden, so ließe sich das jedenfalls nicht mehr nachweisen. Auch wenn ein solches Vorgehen prinzipiell denkbar wäre, ist es wahrscheinlicher, dass der Geldtransfer ganz ohne schriftliche Belege erfolgte, da aus anderen Zusammenhängen bekannt ist, dass auf Quittungen verzichtet wurde. Festzuhalten bleibt aber, dass von den Zeitgenossen eine Unterscheidung in gewöhnliche Alltagsverrichtungen und ungewöhnliche Aufgaben und Ausgaben gemacht wurde. In Sachsen zählten in diese Kategorie während der Personalunion auch die Kosten für regelmäßige Dienstreisen zwischen Dresden und Warschau. Die Sonderausgaben des diplomatischen Dienstes (Extraordinaires) schwankten, wie David Horn errechnet hat, an europäischen Höfen zwischen 300 und 600 Pfund pro Jahr.536 Zum Vergleich – der Marktpreis für ein Pferd betrug in den 1630er Jahreen 62 Gulden, ein Sekretär verdiente in der spanischen Botschaft monatlich 73 Gulden, und die Sonderkuriere für die Strecke Wien-Madrid waren 800 Gulden teuer.537 Die Finanzakten des Geheimen Kriegskollegiums enthalten für den Dreißigjährigen Krieg leider gar keine Erwähnungen von Kundschaftern, geheimen Korrespondenzen

530 531 532 533

An dieser Stelle sei Tobias Graf (Heidelberg) herzlich für seine Hinweise gedankt. Vgl. ebd., S. 219. Vgl. Ernst 1991, S. 273. Vgl. ebd., S. 274. Vgl. Oross, András: Die für Ungarn zuständigen Kammern und die Kriegsfinanzierung der Habsburgermonarchie an der Wende vom 17. Zum 18. Jahrhundert, in: Rauscher 2010, S. 289–310, 309 f. 534 Vgl. Wilson, Peter H.: The Holy Roman Empire and the problem oft he armed estates, in: Rauscher 2010, S. 487–514, 513 f. 535 SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1446/1, f. 98b. 536 Vgl. Horn 1928, S. 606. 537 Vgl. Ernst 1991, S. 302 f.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

o. ä.538 Die Zehr- und Unterhaltsgelder für diejenigen, die an die Grenzen geschickt und zur „Kriegsexpedition gebraucht“ wurden, bilden allesamt nur offizielle Botengänge ab und geben keine Hinweise auf außergewöhnliche oder gar geheime Aktionen.539 In der Regierungszeit der Kurfürsten Johann Georg II. und Johann Georg III. fällt lediglich die intensive Beobachtung der Vorgänge in Wien durch mehrere Agenten auf.540 Während des Feldzuges 1695–97 im Rahmen des Großen Türkenkrieges ist an einigen Stellen von Gnaden- und Diskretionsgeldern als Teil der extraordinairen Ausgaben die Rede, was auf Verheimlichung hindeutet.541 Diese Methode wurde jedoch nur punktuell eingesetzt, da in verschiedenen Monaten keine Diskretionsgelder erwähnt wurden, während die Ausgaben in anderen Monaten schwankten. Möglicherweise stehen diese Gelder in Zusammenhang mit den 16 Interzepten türkischer Briefe, die Friedrich August I. in diesem Feldzug gelangen.542 Tabelle 12: Sächsische Diskretionsgelder im Großen Türkischen Krieg Zeitraum

1. Juni– 31. Oktober 1695 Februar 1696

Gesamtausgabe

171.828 RT 6 gr 10 dz 20.140 RT 3 gr 10 dz 1. Mai– 651.610 RT 31. Dezember 1696 19 gr 3 dz 16.–26.Juni 1696 29.367 RT 22 g 7 dz 1.Januar 1697– 128.634 RT 30. Juni 1697 23 gr 3 dz

Extraordinaire Ausgabe 34.476 RT, 8 gr, 10 dz 2.538 RT, 19 gr 4 dz 415.155 RT 19 gr 3 dz 3.564 RT 14 gr 7 dz 122.926 RT 1 gr 3 z

20,06

Anteil an Anteil extraordinairen an Ausgaben gesamt (in %) (in %) 453 RT, 8 gr 0,26 1,31

12,60

6 RT

0,03

0,24

63,71

1,95

3,07

12,14

12.746 RT 7 gr 3 dz 162 RT

0,55

4,55

95,56

650 R

0,51

0,53

Anteil Diskretions(in %) gelder

Zeitlich decken sich die Ausgaben mit bekannten Ereignissen. Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen hatte im Juli 1695 den Oberbefehl des kaiserlichen Heeres in Ungarn übernommen. Im Oktober endete der Feldzug mit der Schlacht bei Asow. Im Februar 1696 starb der russische Zar Iwan V., dessen Nachfolge Peter I. antrat. Der Tod des polnischen Königs Jan III. Sobieski am 17. Juni 1696 erklärt die Ausgaben im Juni, die aber auch auf die Vorplanungen Augusts II. für die (gescheiterte) Einnahme der

538 539 540 541 542

Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10838/26; Loc. 10838/19. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10838/26, unfol. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10472/8, f. 100–123. Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10822/19, unfol. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9333/25.

2.4 Querschnitte

173

osmanischen Festung Temesvar zurückgeführt werden könnten. Die umfangreichen Ausgaben der ersten Jahreshälfte 1697 hängen zweifellos mit dem Erwerb der polnischen Krone zusammen. Die Prozentzahlen machen deutlich, dass nur ein Bruchteil der extraordinairen Ausgaben eindeutig zuzuordnen ist und je nach Aktenlage nur 0,2 bis 5 % der extraordinairen Ausgaben nachvollziehbar sind. Die unvollständige Überlieferung ist auch angesichts einer weiteren Liste mit einem Auszug von Diskretionsgeldern der Jahre 1695/96 in Höhe von 4433 Reichstalern offenkundig. Selbst diese Quelle ist nur ein Teil des Gesamten, da sie nur die auf Rechnung bezahlten Gelder aufführen. Das wird daran deutlich, dass der Kurfürst die aufgeführten Posten als „selbige gehörigen Orths in Rechnung verschrieben“ billigte.543 Darüber hinaus erteilte er den Befehl: Ihr wollet bei vorfallenden Gelegenheiten und wenn ihr dadurch euern Pflichten gemäs unserer Armée gnugsam Vortheil verschaffen vermeinet, fernerhin einige Praesente anzuordnen nicht anstehen.544

Auch ist anzuhnehmen, dass häufig auftretende nebulöse Formulierungen in den Kassenbüchern auf Spionage hinweisen, wenn es beispielsweise heißt, daß „zu einem gewissen, ihrer Königl. Majest. wohl bekannten besondern Behuf “ eine Summe ausgezahlt worden sei, oder daß es sich um Extraspesen „zu einer gewißen Ausgabe“ handele.545 Somit sind ohne schriftlich gestellte Rechnung etliche Bestechungsgelder gezahlt und Spione bezahlt worden. Sie tauchen in keiner Gehaltsliste auf. Friedrich August I. setzte demnach in diesem Feldzug Bestechung in größerem Maßstab ein und legte Wert auf eine ordentliche und geheime Buchführung. In den Instruktionen für die Kriegskasse ist natürlich nur zu lesen, dass auf eine ordentliche Rechnungslegung zu achten sei.546 Im Jahr 1718 wurden „zu Unterhaltung gewißer Emissarien, so wir an auswärtige Orthe zu verschicken der Nothdurfft befinden“ monatlich 500 Reichstaler geordert, die „damit alles in desto größerer Geheim tractiret werden möge“, vom Obersteuereinnehmer an den Geheimen Kämmerer Starcke gezahlt wurden, der das Geld dann an die bestimmten Personen auszahlte.547 Dem Geheimen Kriegsrat De la Sarraz wurden ab 1719 jährlich für geheime Korrespondenz 600 Reichstaler „gereicht“.548 Als der Envoyé extraordinaire in Den Haag, Wolf Abraham von Gersdorff, starb, wurden die übrig gebliebenen 6.000 Reichstaler unter den Geheimräten und Gesandten verteilt.549

543 544 545 546

Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10822/19, Befehl Friedrich Augusts I., 27. April 1696, unfol. Ebd. Vgl. SächsHStAD, Loc. 1447/10, f. 49, 184. „Alle Jahr soll ordentliche Rechnung gefertiget, in derselben die einnahme richtig angegeben, die Außgabe nach ihren Capiteln geführet und in solchen anders nicht alß was mit Verordnungen zu belegen, gebracht werden.“ SächsHStAD, 11237 GKRK, Nr. 792, Project über Administration der Kriegscassa, um 1700, f. 106. 547 SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1453/2, Flemming an Obersteuereinnehmer, 12. März 1718, f. 2. 548 Ebd., 8. Mai 1719, f. 11. 549 Vgl. ebd., f. 13.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Bei den Spionen und heimlichen Agenten kamen nicht zu verachtende Summen an. Ein für Preußen tätiger Kundschafter, Saloman Brolßky, erhielt im Dreißigjährigen Krieg 40 Mark, acht Scheffel Korn, zwölf Scheffel Malz, 30 Scheffel Hafer und jeweils vier Fuder Heu und Stroh, um dem Hauptmann von Olezky aus dem Amt zu berichten.550 Einige für Mordbrennerei bezahlte Leute bekamen vierfachen Lohn, der bestochene Koch in der preußischen Kanzlei vier Dukaten im Monat.551 Ein Mordbrenner von Nordhausen gab an, er habe zehn Gulden verdienen wollen, ein anderer erhielt vier Schneeberger Taler.552 Die Geheimhaltung des Skandals um den Major Siegfried war Sachsen-Gotha ein Präsent von 100 Gulden und ein größeres Douceur von wenigstens 2.000 Dukaten wert.553 Gern wurden immaterielle Werte angeboten: ein höherer Rang, wohlklingende Titel, eine lebenslange Anstellung.554 Auch Präsente wie Porzellan, Uhren oder Pferde waren beliebt.555 Bestechung im diplomatischen Dienst ist, wie sich zeigt, nicht leicht nachzuweisen und bislang nur wenig erforscht. 1928 publizierte David Horn eine kleine wirtschaftshistorische Studie über die Kosten des diplomatischen Service. So sind für England Bestechungsgelder des britischen Botschafters in Russland für die Jahre 1745–49 bekannt.556 Zwei Sekretäre erhielten während dieser Zeit „for services“ 50 Pfund bzw. 25 Pfund und eine goldene Uhr im Wert von 23 Pfund. Zum Vergleich: an der Spitze der Lohnpyramide der britischen Gesandschaft stand der Botschafter mit zehn Pfund pro Tag.557 Bestechung orientierte sich meist an den Kanzlisten, die unterbezahlt und korrumpierbar waren, wie ein Blick auf die Gehälter der Kriegskanzlei von SachsenGotha im Jahr 1702, nach einer Militärreform 1734 „Kriegs-Collegium genannt“, verdeutlicht.558

550 Vgl. GStA PK, XX. HA EM 83d, Nr. 11. 551 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9713/20, Brief aus Leipa, 29. Juni 1689, unfol.; 10026 GK, Loc. 3596/1, Graf Brühl an Kriegsrat Simonis, 5. April 1738, unfol. 552 Vgl. Kuhlbrodt 2015, S. 158 f. 553 Vgl. ThHStAG, GA, D II, Nr. 75, Hofrat Gotter an den Herzog von Sachsen-Gotha, 5. Juni 1723, f. 93. 554 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, Z E 1, fasc. 5, Vortrag Schreiber in Berlin, 22. August 1738, unfol.; Schlözer 1791, S. 134. 555 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2999/9, holländ. Chargé d’affaires von Marteville angebrachte Inculpationes und Denunciata wider Siepmann, f. 1e; Loc. 384/1, f. 333; GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 846, Brief von Mylius, 18. Februar 1749, unfol. 556 Diese Geldleistung wurde in der Kategorie „Extra extraordinaries“ aufgeführt, wo sie zwischen den Wein-, Bier-, Likör- und Cydergeschenken an Kanzler, Generäle und Prinzen und den Schmuckpräsenten für Hofdamen und Prinzessinnen auffallen. Der Wert dieser Bestechungsgelder ermisst sich daran, dass Prinzessin Cantimire ein Pferd für 20 Pfund erhielt. Vgl. Horn 1928, S. 610. 557 Ihm folgte der außerordentliche Gesandte mit Vollmachten (acht Pfund), der außerordentliche Gesandte ohne Vollmachten (fünf Pfund), die Minister (drei bis fünf Pfund), der Resident (drei Pfund) und der Botschaftssekretär (zwei Pfund). Vgl. ebd., S. 606. 558 Vgl. ThStAG, GA, WW Nr. 6, f. 108; WW V (u) Nr. 1.

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2.4 Querschnitte

Tabelle 13: Gehaltsliste der Kriegskanzlei Sachsen-Gotha 1702 und des Kriegskollegiums 1734 Name resp. Geheimrat Avemann Oberkommissar Witzmann Kommissar und Oberkassierer Kessel Rentmeister und Oberkommissar Hertel Rat Ulrici Kriegskanzlist Blumenau

Jahresgehalt Name 378 RT 18 gr. Generalmajor und Kriegsrat 400 RT Obristleutnant 300 RT Oberkassierer 240 RT Sekretär 100 RT Registrator 74 RT Botenmeister Actuarius (Protokollant) Kanzlist Kanzleidiener

Jahresgehalt 478 RT 18 gr. 600 RT 250 RT 224 RT 200 RT 175 RT 175 RT 150 RT 60 RT

Am Sächsisch-Polnischen Hof waren die Lohnkosten noch deutlicher gestaffelt, wenngleich auf dem Niveau eines Königshofes. Der Geheime Kriegssekretär Hensel erhielt 1.056 Reichstaler, ein Kriegsrat 4.800 Reichstaler, der Generalfeldzeugmeister Heinrich VI. Graf von Reuß 7.200 Reichstaler.559 Am bescheidenen Hof Friedrichs II. von Preußen lag der Lohn für einen einfachen Kanzlisten bei jährlich 50 bis 100 Reichstalern, für einen geheimen Kanzlisten bei 150 Reichstalern und für einen Kammerkanzlisten bei 200 Reichstalern, zudem konnte man z. B. durch Dolmetschen oder zusätzliche Aufgaben Zulagen in Höhe von 50 oder 100 Reichstalern dazuverdienen.560 Somit verdienten die rangniedrigsten Mitglieder einer Kanzlei nur etwa 20 % von dem, was der Ranghöchste in der Kanzlei erhielt. Die eklatanten Gehaltsunterschiede ließen die Geringverdiener für einen illegalen Nebenverdienst empfänglich werden. Das Beispiel der Geheimen Expedition zeigte, dass Gesandtschaftspersonal mit 200 bis 400 Reichstalern jährlich bestochen werden konnte. Im 19. Jahrhundert trat in der Gehaltsstufung eine leichte Besserung ein, denn die Subalternen rückten etwas näher zusammen: 1826 verdiente ein Hofsekretär am Dresdner Hof 700 Reichstaler im Jahr und erhielt nach der Bitte um eine Gehaltserhöhung zusätzlich 100 Reichstaler, während dem Hofexpeditor nur 400 Reichstaler und den Kopisten 350 Reichstaler für den älteren bzw. 300 Reichstaler für den jüngeren ausgezahlt wurden.561 Daraus ergibt sich, dass der jüngere Kopist 37,5 % des Gehalts eines Hofsekretärs bekam. 559 Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10822/19, Ausgabe monatliche Gage, unfol. 560 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, L 9, fasc. 3, Zulage für das Dolmetschen des Geheimen Kanzlisten Johann Casimir Ruxen in Höhe von 100 Reichstalern, 20. März 1696, unfol.; Besoldung des Geheimen Kammerkanzlisten Camphausen, 23. Januar 1702, unfol.; Besoldung der Kanzlisten Brannsberg und Frantz, 5. Dezember 1712, unfol. 561 Vgl. SächsHStAD, 10006 OHMA, Rep. Lit. K XII, b, Nr. 12, f. 24b.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Die Vergrößerung des Personalbestandes und die Ausgabensteigerung des Militärischen ging einher mit der allgemein Anfang des 18. Jahrhunderts einsetzenden Militarisierung, Bürokratisierung und Professionalisierung.562 Jedoch bedeutete die personelle Aufstockung innerhalb der Kanzlei auch eine Vergrößerung des Mitwisserkreises um militärische Geheimnisse und damit eine breitere Angriffsfläche für Korruption. Der seiner Verantwortung entsprechend hoch bezahlte Kassierer hob sich von dem mit wertvollem Wissen ausgestatteten, aber nicht adäquat entlohnten Sekretär, Protokollant und Kanzlisten ab. Die Gehälter richteten sich eher nach Rang, Herkunft und Ausbildung als nach dem Wert der erlangten Kenntnisse und der Abwehr von Korruption. Dauerhafte Informanten, die neben ihrer Profession regelmäßig über ihre Beobachtungen berichteten, sind offenbar nur mit einem Zubrot zum täglich erarbeiteten Arbeitslohn versehen worden. Dem Weimarer Agenten Appunis zu Dresden wurde 1753 das spärliche Gehalt von jährlich 20 Reichstaler auf 32 Reichstaler aufgestockt.563 Von regelmäßigen Nachrichtendienstleistungen konnte ein Freiwilliger in Gotha und Weimar kaum leben. Erst die gezielte Spionage in Kriegszeiten machte Informationen so wertvoll, dass für Bestechungen und Spione von den größeren Höfen gewaltige Summen ausgegeben wurden. Dass auch August III. von Polen die Kunst der Korruption beherrschte, ist daran zu sehen, dass er einige Mitglieder der preußischen Gesandtschaft über Jahre hinweg bestach. Mit einer jährlichen Pension von 200 bis 400 Reichstaler ließen sie sich zum Geheimnisverrat bewegen.564 Der preußischerseits erfolgreiche Einbruch in die Geheimnisse der sächsischen Kanzlei durch die Bestechung des Sekretärs Menzel war etwas kostenintensiver, denn dieser erhielt monatlich 100 Reichstaler zuzüglich Zulagen. So dürfte der preußische König diesem über die Jahre 1752–57 hinweg zu etwa 7–8.000 Reichstaler verholfen haben. Die Früchte seiner Arbeit konnte Menzel nach seiner Verhaftung jedoch nicht genießen. In den Verhören ist der Verbleib der Ersparnisse leider nicht thematisiert worden. Noch schwerer als Ausgaben für Spionage sind die Kosten der Kryptologie zu ermitteln. Die Chiffrensekretäre bleiben in den Quellen bis auf ihre Arbeitsergebnisse geradezu unsichtbar. Ob der Zuschuss für den Geheimen Kriegssekretär Hensel 1697 in Höhe von 210 Reichstalern für drei Monate in Zusammenhang mit einer Chiffrierung gezahlt wurde, ist spekulativ.565 Fazit: Geheimdiplomatie war im Vergleich zu anderen Posten nicht so kostenintensiv, wie allgemein angenommen wird. Jedoch beinhaltete diese Ausgabe das Risiko, im Falle eines Scheiterns das Geld und das Gesicht zu verlieren. Andererseits entsprachen Geheimmissionen auch dem herrschaftlichen Willen, durch kalkuliertes Vermeiden 562 563 564 565

Vgl. Malettke 2013. Vgl. ThHStAW, Dienersachen, B 26514. Vgl. Rous 2014c. Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10822/19, 1.–31. Juli 1697, unfol.

2.4 Querschnitte

177

offizieller Wege vorsichtig zu agieren und sich nicht verfrüht festzulegen. Das Bewusstsein für die Relevanz eines klugen Umgangs mit Risiken und Geld schien im Verlauf der Frühen Neuzeit gewachsen zu sein. Soweit es in den Quellen nachweisbar ist, haben die Entscheidungsträger jedoch nur zu Kriegszeiten und bei deutlich sichtbar zu erwartenden Folgen finanzielle Mittel für die Intelligence zur Verfügung gestellt. Ansonsten war der Apparat gewissermaßen stillgelegt, und die zivile bzw. ökonomische Nutzung gewährte die Aufrechterhaltung des Netzwerkes, das im Krieg als Informationsgenerator fungierte. Das lässt sich an der hohen Beteiligungsrate von Kaufleuten und Bankiers an geheimpolitischer Kommunikation ermessen. 2.4.2 Religion und Geheimdiplomatie Für die Frühe Neuzeit ist es kaum möglich, das Politische vom Religiösen zu trennen, da religiöse Aspekte oft Katalysatoren von politischen Veränderungen waren.566 Im Zuge der zunehmenden Aufwertung des Geheimnisses „geriet das Arkanum zum Symbol der Gottesähnlichkeit des Monarchen“.567 Die rätselhaften und mysteriösen politischen Methoden begründeten die Autorität, und jeder Versuch des Einbruchs in die Arkana galt als „friedensbedrohendes Sakrileg“.568 Das klerikale Personal bei Hofe genoss angesichts der Schweigepflicht eine besondere Vertrauensstellung, was den geistlichen Würdenträgern besondere Bedingungen im Informationsnetzwerk zumaß. Eine Sonderstellung nahmen die Jesuiten ein, die über die Jahrhunderte hinweg als Spione und Staatsfeinde wahrgenommen wurden, da sie angeblich einen Staat im Staate bildeten.569 In einem persönlichen Gespräch in Weida konnte August Hermann Francke den Zeitzer Herzog Moritz Wilhelm 1718 von der Rekonversion zum Protestantismus überzeugen. Er gab seinem ehemaligen Studenten Johann Philipp Hartmann in Chiffren vertrauliche Mitteilung davon und schrieb ihm auf Nachfrage einen ausführlichen Bericht über die Konversionsumstände.570 Auch der erste Minister Augusts II. von Polen, Graf von Flemming, notierte sich die Äußerungen des Königs über die Religion und vermerkte auf dem Deckblatt: „Darf niemals in die Hände von Fremden kommen!“ Auf den einzelnen Blättern finden sich Notizen u. a. über ein „Project, wie das Pabstthum zu aboliren“: […] das Papsttum verursacht Heucheley und Atheisterey, es veruhrsacht Krieg und Perpleutiones in der Christenheit. […] Man könte mit der Zeit aus den Kirchen und Klöstern die überflüßigen Silbergeschirre und Donaria hinwegnehmen und gold drauß prägen laßen,

566 567 568 569 570

Vgl. Bulst 2009a, S. 11. Wegener 2006, S. 118. Ebd., S. 119. Vgl. Zwierlein, De Graaf 2013, S. 23. Vgl. AFSt, August Hermann Francke an Johann Philipp Hartmann, 1. November 1718, AFSt/H C 787: 7.

178

2. Aspekte der Geheimdiplomatie

zu nuzen der Armen unterthanen und des Staats, solches aber nciht zu vanitäten anwenden, denn sonst ein Fluch drauff erfolgen dörffte.571

Die Religionspolitik war von solcher Brisanz, dass sie oftmals geheime Maßnahmen erforderte. Aber auch im Rahmen der Internationalen Beziehungen sind religiöse Aspekte anzutreffen. Aus der kaiserfreundlichen Politik Sachsens mutmaßten die Zeitgenossen immer wieder einen Glaubenswechsel. Solches wurde schon bei Kurfürst Moritz geraunt, und gleiches hat man 1652 vom Kurprinzen gerüchteweise verbreitet, wie auch 1659 der Engländer John Dury, der sich im Auftrag Oliver Cromwells für eine protestantische Union einsetzte, für nahe Zukunft den Übertritt Sachsens voraussah.572 Die wechselhafte Politik der Wettiner ließ einige Zeitgenossen demnach immer wieder an der konfessionellen Standhaftigkeit der Wettiner zweifeln, auch wenn beispielsweise Friedrich Wilhelm, der „Große Kurfürst“ von Brandenburg, nie an einen Glaubenswechsel der Wettiner glaubte.573 Indes hat erst Kurfürst Friedrich August I. für die polnische Krone 1697 diesen Schritt unternommen. Seine Konversion wie die seines Sohnes geschah allerdings insgeheim und wurde erst nachträglich publik, als der erhoffte Gewinn greifbar war. Hofprediger Aus dem ungarischen Aufstand gegen die Habsburger 1703–11 ist ein Briefwechsel des preußischen Hofpredigers Daniel Ernst Jablonski mit Pál von Rádai, dem Kanzler des siebenbürgischen Fürsten Franz II. Rákóczi überliefert. Gegen jenen Rädelsführer des Aufstandes hatte Kaiser Leopold I. ein Kopfgeld ausgesetzt, seine Familie als Geisel in Wien gehalten und ihn in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Der Aufstand wurde von Frankreich finanziell getragen, und Rákóczi fand Aufnahme im französischen Gesandtenquartier in Warschau.574 Jablonski unterstützte ihn, indem er ihn in chiffrierten Briefen verschiedene Mitteilungen zukommen ließ. So informierte er ihn im Juni 1704 über einen schottischen Händler in Krakau, der Beziehungen zu Ungarn unterhalte und möglicherweise Dinge organisieren könne.575 571 572

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3309/9. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9716/21; GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1612; Dury, John: The Interest of England in the Protestant Cause, London 1659, S. 15–18. 573 „wie wohl wir nun von diesem allem ganz und sonder nichts halten und volkommen glauben, daß es alleinig ein erdichtetes wesen sey, zweiffeln auch gahr nicht er werde seine leute sich darzu nimmer […] könten betragen laßen[…].“ GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1612, Friedrich Wilhelm von Brandenburg an Lorenz von Hofkirchen vom 6. August 1652, f. 1. 574 Edition zur diplomatischen Korrespondenz Rákóczis vgl. Toth, Ferenc (Bearb.): Correspondance diplomatique relative á la guerre d’independence du Prince Francois Rákóczi. 1703–1711 (= Bibliothèque d’études de l’Europe Centrale. 9), Paris 2012. 575 Vgl. AFSt, Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 24. Juni 1704, Stab/F 11,2/14: 62.

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Im gleichen Brief schreibt der Prediger, er hätte Goldmünzen für Rákóczi hinterlegt. Da die Post offenbar interzipiert wurde und der Schlüssel zur Geheimschrift nicht beim Adressaten angekommen war, musste Jablonski einige Monate später den Inhalt seiner bisherigen Briefe zusammenfassen.576 Er schilderte die militärische Lage nach der Schlacht von Höchstädt und empfahl Friedensangebote der Ungarn an den Kaiser. Zudem sandte er denselben Brief in Kopie mit einem erneuten Nomenklator per Post über Wien. Auch die Briefe im November und folgenden März stellen deutlich heraus, dass Preußen die Vermittlung zwischen Habsburg und Rákóczi übernahm: er fasste die preußische Position zusammen und schickte die kaiserlichen Bedingungen.577 Er thematisierte die Notwendigkeit des geheimen Briefverkehrs, mahnte zur Eile und berichtete über vergebliche Versuche der Franzosen in Italien und Gibraltar und über Neuigkeiten aus dem Nordischen Krieg.578 Ein Dank des Predigers für eine Geschenklieferung zeigt, dass die Vermittlungsarbeit mit ungarischem Wein honoriert wurde und im Gegenzug preußische Mathematikprofessoren nach Ungarn gehen sollten. Auch leitete Jablonski schwedische Anfragen über den Stand der Verhandlungen weiter.579 Plötzlich wurden diese unterbrochen durch Störangriffe der Jesuiten und des Militärs, worüber der preußische König sich sehr bestürzt zeigte.580 Man möge noch vor einem österreichisch-französischen Friedensschluss zueinander finden und brauchte vor der sächsischen Armee keine Furcht zu haben, wohl aber vor der kaiserlichen.581 In diesem letzten überlieferten Brief unterzeichnete Jablonski mit dem Pseudonym Ernestus Petersonius. Ein Beispiel für Hofkritik seitens der Geistlichkeit, die nicht das Amt eines Hofpredigers bekleidete, ist der französische Kanonikus der Kathedrale von Tournai, Abbé Vincent Ragot de Beaumont. Er scheute keinen Konflikt und bekämpfte korrupte Beamte ebenso wie die Gewalt und steuerliche Bevorteilung des Adels. Da seine Widerstände den Kriegsminister Louvois zunehmend störten und Ragot zudem einem Freund Louvois für dessen Karriere im Weg war, wurde Ragot eingekerkert, bis der Festungsbaumeister Sébastian de Vauban ihn als Sekretär aus der Haft holte und mit ihm die Steuerreform vorbereitete. Die Idee eines allgemeinen – auch den Adel einschließenden – Zehnten traf bei der Regierung wiederum auf Kritik, so dass beide ihr Projekt anonym drucken lassen und beständiger Verfolgung ausweichen mussten. Nach dem Tode Vaubans floh Ragot.582 576 Vgl. AFSt,Halle, Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 4. Oktober 1704, Stab/F 11,2/14: 71. 577 Vgl. AFSt,, Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 8. November 1704 und 13. März 1705 Stab/F 11,2/14: 75 und Stab/F 11,2/15: 8. 578 Vgl. AFSt, Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 18. April 1705, Stab/F 11,2/15: 13. 579 Vgl. AFSt, Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 11. September 1705, Stab/F 11,2/15: 3. 580 Vgl. AFSt, Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 7. Dezember 1706, Stab/F 11,2/16: 42. 581 Vgl. AFSt, Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 14. Februar 1707, Stab/F 11,2/16: 44. 582 Vgl. Virol, Michèle: Un ecclésiastique dans l’ombre du pouvoir sous Louis XIV.: Vincent Ragot, abbé de Beaumont (c. 1624–1714), in: Bertrand, Régis; Duma, Jean (Hrsg.): Les Oubliés de l’histoire. Édition électronique, Bordeaux 2009, S. 93–101, URL: http://cths.fr/ed/edition.php?id=5840 [10.03.2012; ASR]

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Theologen Die Reformatoren konnten sich der Einflussnahme auf die Politik nicht entziehen. Martin Luther brachte seinen Hass gegenüber dem sächsischen Herzog Georg verschiedentlich zum Ausdruck, warf ihm vor, er wolle nur den Ruhm davontragen, die neue Lehre gedämpft zu haben: Überall, wo er etwas von der Unterdrückung seiner Lehre hörte, war er geneigt, irgendwie Georg von Sachsen dahinter zu wittern. Dieser Verdacht stand ihm allmählich fest wie ein Glaubenssatz […].583

1528 war Herzog Georg von Sachsen auf bisher ungeklärte Weise ein Brief zugespielt worden, in dem Luther sich am 21. Juni 1528 gegenüber seinem Wittenberger Amtskollegen Wenzelslaus Linck äußerst scharf und höhnisch über den altgläubigen Herzog äußerte und ihn als „monstrum“ titulierte.584 Als der Herzog ihn zur Rede stellte, setzte sich ein zorniger Briefwechsel fort, der dazu führte, das Herzog Georg sich beim sächsischen Kurfürsten beschwerte. Kurfürst Johann der Beständige wurde nun zur Vermittlungsinstanz, konnte aber die Eskalation nicht vermeiden. Am 19. Dezember trat der Herzog mit einer Streitschrift an die Öffentlichkeit, in der er die Verleumdungen offenlegte.585 Luther klagte in seiner Gegenschrift „Von heimlichen und gestolen brieffen, sampt einem Psalm ausgelegt widder Hertzog Georgen zu Sachsen“, dass Georg sich Briefe widerrechtlich angeeignet und zudem noch „an die Öffentlichkeit gezerrt“ habe.586 Am Beispiel von August Hermann Francke kann gezeigt werden, wie das Korrespondenznetzwerk der geistlichen Elite im Reich auch für die Übermittlung von Kriegsnachrichten und Informationen über Spione genutzt wurde. Die Geistlichen thematisierten natürlich die Vorgänge in ihrer Umgebung und gaben ihren Bekannten davon Bericht. Es fiel ihnen nicht schwer, reisende Prediger als Spione zu entlarven. So schrieb der Thüringer Hofdiakon Heinrich Gottlieb Leutholf 1704 aus Regensburg an August Hermann Francke, dort halte sich ein selbsternannter Prediger Huber aus Bern auf, den er als Spion erachte.587 Als der Theologe Christoph Friedrich Tresenreuter den aus dem Wiener Jesuitenkloster entflohenen und zum Protestantismus konvertierten Franz Ignazius Burkhard von Pfetten mit einer Empfehlung und Geld zum Halleschen Waisenhaus schickte, nutzte in Halle offenbar ein anderer diese Situation aus.588 Tresenreuter warnte Gotthilf August Francke in einem weiteren Brief vor einem Spion in 583 584 585 586 587

Luther 1902, S. 10. Ebd. Vgl. Welcher Gestalt 1528. Ebd., S. 11. Vgl. AFSt, Brief von Heinrich Gottlieb Leutholf an August Hermann Francke, 19. März 1704, AFSt/H C 295: 16. 588 Vgl. AFSt, Brief von Christoph Friedrich Tresenreuter an Gotthilf August Francke, 24. Juli 1736, AFSt/H C 348: 1.

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Halle, der sich als von Pfetten ausgebe.589 Ob die in den Franckeschen Stiftungen erhaltenen zwei Schriftproben des verarmten Konvertiten mit diesem Doppelgänger zu tun haben, ist bislang unklar.590 Möglich wäre jedoch, dass von Pfetten sich durch diese Schriftproben identifizieren musste. Die dänische Missionsarbeit in Ostindien wurde offenbar argwöhnisch von Frankreich beäugt, wie aus einem Schreiben des Halleschen Missionars Johann Christian Breithaupt an seinen Förderer Christian Ernst, Graf zu Stolberg-Wernigerode, hervorgeht, dem er wegen dessen finanzieller Unterstützung der Mission regelmäßige Berichte zukommen ließ.591 Schon Joseph Vaz, der katholische Hauptmissionar in Sri Lanka, musste sich vor den Holländern verstecken und wurde 1692, angeblich auf Betreiben der dortigen Calvinisten, wegen Verdacht auf Spionage für die Portugiesen zusammen mit 300 weiteren Katholiken verhaftet; er kam nach vier Jahren frei, als während einer Dürreperiode offenbar dank seiner Gebete wundersam Regen einsetzte.592 Die Gefahr für Missionare, dem Spionageverdacht zu unterliegen, war nicht neu – 997 starb der Bischof von Prag während einer Mission bei den Prußen, die ihn als polnischen Spion ansahen.593 Gleichermaßen wurde der kaiserliche Berater Marco d’Aviano sowohl von Ungarn als auch von Türken der Spionage verdächtigt.594 1683 trug dieser Kapuzinermönch entscheidend bei der Befreiung Wiens von den Türken bei. Ein während dieser Belagerung entdeckter 15jähriger Junge wurde als angeblicher Spion geköpft, was einmal mehr die Hysterie und Nervosität in solchen Entscheidungssituationen deutlich macht. Glaubensflüchtlinge Die Geschichte der Verfolgung von Religionsgruppen in Europa besitzt verschiedene Facetten. Sowohl Protestanten als auch Katholiken und Calvinisten sahen sich während der Frühen Neuzeit verschiedentlich bei Religionsverbot und Zwangskonversionen genötigt, in den Untergrund zu gehen, wenn sie ihren Glauben weiter ausüben wollten. Das wohl bekannteste Beispiel sind die Hugenotten. 589 Vgl. AFSt, Brief von Christoph Friedrich Tresenreuter an Gotthilf August Francke, 28. November 1736, AFSt/H C 348: 7. 590 Vgl. AFSt, AFSt/H C 348: 4 und AFSt/H C 348: 5. 591 Vgl. AFSt, Brief von Johann Christian Breithaupt an Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode, 26. September 1748, AFSt/M 1 D 18: 39. 592 Vgl. „Josef Vaz“, in: Ökumenisches Heiligenlexikon, URL: http://www.heiligenlexikon.de/ BiographienJ/Joseph_Vaz.html [25.02.2012; ASR] 593 So beschrieben in der Biographie Bischof Adalberts von Prag von Brun von Querfurt. Vgl. Machilek, Franz: Der hl. Adalbert von Prag und der hl. Bruno von Querfurt im Vergleich. Leben – Historiographie – Missionsgedanke – Verehrung, in: Kopiczko, Andrzej: Święty Brunon. Patron lokalny czy symbol jedności Europy i powszechności kościoła ; praca zbiorowa, Olsztyn 2009, S. 391–432. 594 Vgl. Spindler, Karl.: Kapuzinerfahrt, in: Ders.: Herbstviolen. Erzählungen und Novellen, Erster Band, Stuttgart 1834, S. 274 ff.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Zum einen haben die Hugenotten eine deutliche Spur geheimdiplomatischer Quellen hinterlassen. So ist bekannt, dass die Belagerung der Hugenotten in Realmont 1626 durch das Abfangen einer chiffrierten Nachricht nach Montauban entschieden wurde. Antoine und Bonaventure Rossignol gelang binnen kurzem die Entzifferung, und nachdem man den Hugenotten ihre dechiffrierte Post wieder in die Stadt zurückgeschickt hatte, ergaben sie sich bedingungslos.595 Zwei Jahre später wurden die Kryptologen als erste ihrer Art fest in den Dienst von Ludwig XIII. angestellt. Die Hugenotten ihrerseits mussten nach der Aufhebung des Edikts von Nantes, 1685, ihre Religion im Untergrund ausüben und gründeten eine „Kirche in der Wüste“. Für ihre in der Abgeschiedenheit von Steinbrüchen und Höhlen gefeierten Gottesdienste nutzten sie Versteckspiegel für Bibeln, faltbare Abendmahlskelche und transportable hölzerne Kanzeln, die bei herannahender Polizei rasch in Fässer und Sitzgelegenheiten umgebaut werden konnten. Zahlreiche dieser Zeugnisse sind noch im „Musée du Desert“ zu besichtigen.596 Von 1702–1710 kämpften die verfolgten Protestanten auch in den Cevennen einen erbitterten Partisanenkrieg, den Camisardenkrieg. Erst als Ludwig XVI. den Protestanten 1787 wieder die freie Religionsausübung gewährte, fanden die Geheimgottesdienste, die Leiden der Märtyrer unter freiem Himmel ein Ende.597 Eine ähnliche Untergrundkirche bildete sich in Österreich, wo die heimlichen Protestanten in Bauernhöfen ihre Gottesdienste feierten und ein Schmuggel mit Bibeln, Gesangbüchern und dergleichen etablierten.598 Auf den Spuren des österreichischen Kryptoprotestantismus ist heute ein 529 km langer Pilgerweg begehbar, der jenen alten Schmuggelrouten folgt.599 In England praktizierten unter Königin Elisabeth I. die Katholiken ihren Glauben geheim. In vielen Herrenhäusern gibt es noch so genannte Priesterlöcher, also Verstecke für Geistliche und heilige Altäre. Der Kryptokatholizismus ist darüber hinaus auch dem Helmstedter Theologen Georg Calixt vorgeworfen worden, als er mit seinem Versuch, eine für alle Konfessionen gültige Universalkirche zu schaffen, von der lutherischen Orthodoxie im Synkretistenstreit des 17. Jahrhunderts als Verräter gebrandmarkt wurde.600 595 Vgl. „Rossignol“, in: Iselin, Jacob Christoff: Neu-vermehrtes historisch- und geographisches Allgemeines Lexikon, in welchem das Leben, die Thaten, und andere Merkwürdigkeiten […] zusammen gezogen, Band 4, Basel 1747; Strasser, Gerhard F.: The rise of cryptology in the European Renaissance, in: De Leeuw, Karl; Bergstra, Jan: The history of information security. A comprehensive handbook, Amsterdam u. a. 2007, S. 277–326, 305; Laszlo, Schmidt, Schulze 2005. 596 URL: http://www.museedudesert.com [10.03.2012; ASR] 597 Vgl. Dölemeyer, Barbara: Die Hugenotten, Stuttgart 2006, S. 27. 598 Vgl. Tropper, Christine: Glut unter der Asche und offene Flamme. der Kärntner Geheimprotestantismus und seine Bekämpfung 1731–1738, Wien, München 2011; Eichmeyer, Hansjörg: Geschichte der Evangelischen Superintendenz Oberösterreich, URL: http://www.evang-ooe.at/de/index. php?option=com_content&view=article&id=123&Itemid=69 [10.03.2012; ASR]. 599 Vgl. URL: http://www.wegdesbuches.at/cms/ [10.03.2012; ASR]. 600 Vgl. „Calixt, Georg“ von Wilhelm Gaß, in: ADB, Bd. 3, Leipzig 1876, S. 696–704.

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Für Sachsen von besonderer Bedeutung ist der Kryptocalvinismus. Zwar scheiterten die Versuche der Gegenreformation im Mutterland des Protestantismus, aber eine Wittenbergische Partei von Calvinisten am kursächsischen Hof bekam Einfluss, obwohl Kurfürst August, ein Verfechter der lutherischen Orthodoxie, hart gegen diese Kryptocalvinisten vorging und seine Attacken nach der Bartholomäusnacht noch verschärfte. Mit der Konkordienformel mussten neuberufene Professoren an der Universität Leipzig 1580 dem Calvinismus abschwören. Sogar seinen Leibarzt, den Philippisten Caspar Peucer, ließ er zwölf Jahre wegen Verdachts auf Kryptocalvinismus in Rochlitz und später in Einzelhaft auf der Leipziger Pleißenburg inhaftieren.601 Erst die Wiedervermählung des Kurfürsten mit der jungen Prinzessin Agnes Hedwig von Anhalt führte zu seiner Freilassung, da die Braut sich diese als Geschenk ausbedang, so dass Peucer bis zu seinem Tod als Leibarzt in Dessau tätig sein konnte. Unter Kurfürst Christian I. und seinem Kanzler Nikolaus Krell drehte sich zwischenzeitlich der religionspolitische Kompass, und der reformierte Glaube wurde für fünf Jahre am Hof geduldet. Nach dem Tod des Kurfürsten wurde die alte Ordnung mit Visitationen wiederhergestellt und Krell nach zehnjähriger Festungshaft zum Tode verurteilt.602 Der ehemalige Oberhofprediger von Halberstadt und Superintendent Christoph Gundermann hatte, als er 1591 von der Verhaftung Krells gehört hatte, versucht, „sich in aller Stille von Leipzig wegzubegeben“.603 Jedoch konnte er in Naumburg gestellt werden und saß sechs Monate in der Pleißenburg ein, was seine Frau in den Selbstmord trieb. Gundermann kam nach seinem Widerruf nach sechs Monaten frei, verlor sein Amt und starb als Privatmann. Die Verfolgung der Calvinisten wurde durch heftige Unruhen und den Leipziger Calvinistensturm begleitet, eine Erstürmung einiger Bürgerhäuser im Jahr 1593. Der Gegenreformation gelang es, aus den Differenzen zwischen Protestanten und Reformierten ihren Vorteil zu ziehen, so dass sich die Kräfte polarisierten und schließlich zur Lagerbildung von Union und Liga entschlossen. Die Reihe der verfolgten Religionsanhänger ließe sich beliebig fortsetzen, betrachtete man noch die Gnesiolutheraner, die Böhmischen Brüder, die Waldenser oder die Puritaner mit ihrer notgedrungenen Auswanderung nach Amerika. Diese Beispiele beweisen, dass in Europa wie auch am anderen Ende der Welt die gegenseitige Verfolgung der politischen und religiösen Parteien nicht aufhörte und sich Geistliche auch der Spionage bedienten. Die Konfessionsmigration über drei Jahrhunderte umfasste nahezu alle Konfessionen, Religionen und Denominationen der europäischen Christenheit und betrafen

601 Vgl. „Peucer, Caspar“ von Julius August Wagenmann, in: ADB, Bd. 25, Leipzig 1887, S. 552–556. 602 Siehe Kapitel „Konfessionspolitik im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts“, S. 366. Vgl. Richard, August Victor: Der kurfürstlich sächsische Kanzler Dr. Nicolaus Krell, Dresden 1859; Nimczyk 1986; Krell, Hartmut: Das Verfahren gegen den 1601 hingerichteten Kanzler Dr. Nicolaus Krell, Frankfurt am Main 2006. 603 Vgl. „Gundermann, Christoph“ von Gotthard Lechler, in: ADB, Bd. 10 (1879), S. 125–126.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

etwa eine Million Menschen.604 Dieser Wanderungsbewegung wurde in fast allen Fällen von einer Untergrundkirche begleitet, die je eigene Methoden der Geheimhaltung entwickelte und mit Mitteln der Geheimdiplomatie aufgedeckt werden sollte. Auf jene Fälle wird sich die vorliegende Arbeit jedoch nicht richten, da sie sich weniger der Religionspolitik als vielmehr den internationalen politischen Konflikten zuwendet. Das hier kurz aufgeworfene Themenfeld bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für die weitere Forschung. 2.4.3 Kunst und Spionage Auf der administrativen wie auf der künstlerischen Ebene bestand ein gewisser Zusammenhang zwischen Kunst und Spionage, der sich angesichts der Bedeutsamkeit von Kunst in der Frühen Neuzeit stärker auswirkte als heute vorstellbar. Kunstagenten waren international unterwegs und konnten unter dem Vorschein, Gemälde oder andere Objekte zu erwerben, politische Beziehungen knüpfen. Für Sachsen wirkte z. B. Karl Heinrich von Hoym durch seine Beobachtung des Pariser Kunstmarktes als „Bindeglied zwischen Sachsen und Frankreich“.605 Eine Multifunktionalität war auch bei Samuel De Brais gegeben, der als Botschaftssekretär auch ständiger Kunstagent in Paris war. Jedoch unterbrach er immer seine diplomatischen Berichte, wenn er als Kunstagent arbeitete.606 Dass die auswärts agierenden Kunstexperten und Galeriedirektoren aber nicht automatisch für diplomatische Zwecke benutzt wurden, beweisen deren fehlende Chiffren. Auch deckte sich das personelle Netzwerk der Agenten nicht mit dem Netzwerk der Gesandten.607 Kunst und Diplomatie blieben auf dieser Ebene weitgehend eigenständige Bereiche. Jedoch konnte Kunst als Bestechungsmittel eingesetzt werden. So wurde dem Hofrat Siepmann vorgeworfen, er habe den holländischen Charge d’affaires, Marteville, mit Porzellan beschenkt.608 Neben diesen Aspekten ist der Akt des Zeichnens und Malens an sich eine Tätigkeit, die sowohl Künstler als auch Spione beherrschten, da letztere in ihrer Ausbildung ein Kunsttraining absolvierten, um Landschaften und militärische Anlagen skizzieren zu können.609 Die in den Archiven überlieferten Skizzen enthalten Häfen, Tore, Wege, Wälle und Festungen, aber auch Berge, Strände, Wüsten, Wälder und Flüsse. 604 Vgl. Schilling, Heinz: Die frühneuzeitliche Konfessionsmigration. Calvinisten und sephardische Juden im Vergleich, in: Jürgens, Henning P.; Weller, Thomas: Religion und Mobilität. Zum Verhältnis von raumbezogener Mobilität und religiöser Identitätsbildung im frühneuzeitlichen Europa, Göttingen 2010, S. 113–136, 117. 605 Spenlé 2008, S. 154. 606 Vgl. ebd., S. 156. 607 Die Kunstnetzwerke in Frankreich und Italien im 18. Jahrhundert enthalten keine Namen, die in der Diplomatie, z. B. als Inhaber von Nomenklatoren, auftauchen. Vgl. ebd., S. 161, 236 608 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2999/9, f. 1e; Loc. 1399/4, f. 184. 609 Vgl. Boskamp, Ulrike: The Artist as Spy – Artistic Mobility and the Power of the Image, in: Hepdinçler, Tolga; Johnson, Lewis (Hrsg.): Mobility and Fantasy in Visual Culture. Akten des Colloquiums am 20./21.05.2011, Bahçeşehir University, Istanbul (im Druck).

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Die militärische Bedeutung des Wissens über geographische Gegebenheiten kollidierte allerdings mit dem Wunsch der Fürsten nach repräsentativen künstlerischen Darstellungen von Landschaften, Städten und Festungen in ihrem Herrschaftsbereich. Die optische Wirkung von Festungsanlagen und ihr Potential für Bildkompositionen war allgemein bekannt, denn viele Fürsten legten in der Porträtmalerei Wert auf einen ansprechenden landschaftlichen Hintergrund, der zugleich von ihrer Macht und ihrem Reichtum kündete. Somit entstanden zahlreiche Herrscherporträts vor Burgen und Häfen, die von den beauftragten Hofmalern vor Ort skizziert werden mussten. Seit dem Mittelalter waren auch Landschaftsbilder in Kalendarien oder zur Illustration von biblischen Szenen genutzt worden wie die Rückkehr der Kundschafter Kaleb und Josua aus dem gelobten Land. Künstler als Spione Spione mussten ebenso wie die Künstler geographische Besonderheiten skizzieren. Da sie sich gern als Landschaftsmaler tarnten, waren jene kaum von getarnten Spionen zu unterscheiden. Die lokalen Herrschaftsträger fühlten sich von dieser unberechenbaren Art der Spionage bedroht. Somit erging ein Verbot, Festungen zu malen und sich ihnen näher als einen Kilometer zu nähern, was die Künstler und Spione zwang, von der Ferne im Versteck hinter Büschen und Bäumen nur halbfertige Skizzen zu zeichnen oder auf ein Taschentuch zu kritzeln. Viele unter Verdacht stehende Künstler wurden nach intensiver Befragung und längerer Haft wieder freigelassen. 1548 wurde der englische König gewarnt, dass ein Maler namens Nicholas dem französischen König Bilder von allen englischen Häfen übergeben habe, mit deren Hilfe eine Eroberung leichthin möglich sei.610 Im 17. Jahrhundert unternahm der französische Kupferstecher Roger de Piles verschiedene Missionen als angeblicher Gesandter nach Venedig, Portugal und Spanien.611 Im deutschen Gebiet war er 1685 offiziell zu Studienzwecken als Kunsthändler für Ludwig XIV. für vertrauliche Verhandlungen im Auftrag des Kriegsministers unterwegs. Ein Jahr später wurde de Piles in Den Haag mit einem falschen Pass ergriffen und fünf Jahre inhaftiert, während der er seine Hauptschrift verfasste. Spionierende Maler waren den Engländern im Siebenjährigen Krieg hilfreich, als sie die Schiffsskizzen der Franzosen stehlen konnten.612 Viele Kunstagenten waren auch diplomatisch tätig, wie beispielsweise Gotzkowsky, der 1760 für Friedrich II. mit Russland verhandelte.613

610 Vgl. Warnke 2005, S. 69. 611 Vgl. Skliar-Piguet, Alexandra: „Roger de Piles“, in: Turner, Jane (Hrsg.): The Dictionary of Art. London, New York 1996. 612 Vgl. Bradley 1992. 613 Vgl. Schepkowski 2009, S. 265 ff.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

So ist es kein Wunder, dass das Thema der Verquickung von Kunst und Spionage in den älteren Kunsthandbüchern zur Sprache kam. Francesco de Holanda widmete in seinem Buch über die Kunst des Zeichnens von 1571 ein Kapitel dem Thema Spionage und Kriegführung.614 Auch in Palladios Architekturführer von 1556 waren bereits einige Seiten über das Festungszeichnen und seine Gefahr enthalten.615 1577 beriet Ignazio Danti junge Künstler, wie sie Festungen zeichnen konnten, ohne Verdacht zu erregen.616 Natürlich gingen Castiglione und Macchiavelli in ihren Traktaten auf die Spionagemalerei ein.617 Es gibt allerdings Kriterien, die es möglich machen, Spionagezeichnungen von Landschaftsmalerei abzugrenzen. Für ersteres spricht vieles, wenn für das Bild die Perspektive von einem erhöhten Standpunkt oder gar die Vogelperspektive gewählt wurde, wenn sich geometrische Linien im Stile der kartographischen Vermessung durch das Bild ziehen, wenn der Maßstab angegeben ist oder einzelne Bildelemente mit Ziffern und Buchstaben für eine Legende markiert sind. Ebenso ist die schachbrettartige Aufteilung, die analytische Zerlegung von Strukturen oder die Hervorhebung von Entfernungen ein deutliches Indiz für Spionageskizzen.618 Besonders verdächtig waren Stadtansichten, Festungsmalerei, Schiffsgemälde und -modelle. Andererseits haben auch die Höfe ihrerseits die Kunst für die eine odere andere Täuschung genutzt. Am bekanntesten ist wohl das Trojanische Pferd. Aus der Neuzeit sei als Beispiel genannt, dass am aragonesischen Hof um 1500 die Gegner durch bemalte Pappmauern über den tatsächlichen Mauerverlauf getäuscht wurden.619 Im friedlichen Kontext feierte der Dresdner Hof 1719 die große Hochzeit des Prinzen mit der Kaisertochter im noch nicht fertig gestellten Zwinger teilweise inmitten von Illusionsarchitektur. Zumindest in der Theorie sind steganographische Verschlüsselungen beschrieben worden. So konnten bei der Punktierchiffre Gemälde Nachrichtenträger sein, bei denen die Position der Augen von Tieren oder Früchte von Bäumen mithilfe einer Schablone in Text umwandelbar waren.620 Auch Blumenarrangements oder Stickereien könnten bestimmte Verschlüsselungen enthalten. Dass diese Verschlüsselungsmethoden in der Praxis Anwendung fanden, ist für die Frühe Neuzeit kaum nachweisbar. Erst außerhalb des Untersuchungszeitraumes, seit dem 19. Jahrhundert, als sich die Spionagehysterie gegenüber Künstlern verbreitete, finden sich Beweise für Steganographie mit künstle614 Vgl. Holanda, Francisco de: De quanto serve a ciência do desenho e entendimento da arte da pintura, na república christâ assim na paz como na guerra, Lissabon 1571. 615 Vgl. Palladio, Andrea di Pietro della Gondola: Vitruvius, Venedig 1556. 616 Vgl. Ribouillaut, Denis: Drawing the Landscape in Renaissance Italy: Seductions and Dangers. Vortrag auf der Tagung „Treading the Border. Topographical Drawing, Military Scetching and Visual Espionage in Europe from the 16th to the 20th Century.“, Berlin, 3. Februar 2012. 617 Vgl. Castiglione, Baldassare: Der Hofmann. Lebensart in der Renaissance, übers. von Albert Wesselski, Berlin 1999, § XXIV. 618 Vgl. Warnke 2005, S. 70. 619 Vgl. ebd., S. 69. 620 Das früheste Beispiel von 1583 vgl. Leighton 1974, S. 830.

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rischen Mitteln.621 Das Kunstwerk diente als Mantel, um die Spionage des Künstlers zu verschleiern.622 Auch forderte die Verfolgung von Künstlern wegen Spionageverdachtes bald ihre Opfer. Darstellung von Spionen Vereinzelt haben die Künstler auch Spionagedarstellungen gefertigt, meistens in Auftragswerken von Fürsten mit einem mythisch-religiösen Hintergrund. Die Sage von Dolon, der im trojanischen Krieg als Spion durch Odysseus entlarvt und getötet wurde, gehört der Ilias-Serie an, die der Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig 1613 fertigen ließ.623 Auch Sinon, der die Griechen als angeblicher Deserteur überzeugte, das Trojanische Pferd als Geschenk anzunehmen und nachts das Pferd öffnete, war schon früh Gegenstand der Kunst.624 In alttestamentarischen Szenen ist die Auskundschaftung von Kanaan durch Kaleb und Josua häufig anzutreffen, u. a. als Titelblatt für die „Biblischen Szenen“ von 1670.625 Daneben sind aber auch historisch verbürgte Szenen der Geheimdiplomatie von Künstlern mit sehr hintergründiger Symbolik dargestellt 621

622

623 624 625

William Hogharth wurde in Calais als vermeintlicher Spion verhaftet und malte darüber sein antifranzösisches Gemälde „O the Roast Beef of Old England“, bei dem die hageren Franzosen gierig auf ein großes englisches Roast Beef schauen, das am Hafen für einen englischen Hotelgast angeliefert wird. Über diese häufigen Verdachtsfälle im Kontext der Spionagehysterie verfasste Richard Doyle in den 1850ern ein Comic, bei dem einige Europareisende beim Malen in Verona von der österreichischen Armee als Spione verhaftet werden, weil sie durch den Calabrese-Hut Garibaldis verdächtig aussahen. Die Geschichte hatte einen wahren Kern. Der Architekt Harry R. Newton hatte die Befestigung Veronas gezeichnet und war inhaftiert worden, was den Protest der Briten hervorrief und allgemein Schlagzeilen machte. Vgl. Doyle, Richard: Brown, Jones and Robinson – The Foreign Tour of Messrs. Brown, Jones and Robinson. Being the History of what they saw and did in Belgium, Germany, Switzerland and Italy, London 1854, S. 58 ff. Den Hinweis auf dieses Comic verdanke ich Ulrike Boskamp von der FU Berlin. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg finden sich viele kreative Anwendungen. Nachweisbar ist u. a. ein Festungsplan, der in einem Kunstglasfenster versteckt eingraviert war, ebenso Skizzen auf einem Ahornblatt oder eine Landschaftszeichnung, bei der sich durch Invertierung, also Farbenumkehr, eine Garnison an einem Hafen zeigt. Vgl. James Fox: Artists an Espionage during the First World War. Vortrag auf der Tagung „Treading the Border. Topographical Drawing, Military Scetching and Visual Espionage in Europe from the 16th to the 20th Century.“, Berlin, 3. Februar 2012. Bekannt ist die Geschichte, dass Igor Strawinsky mit einem Porträt, das Pablo Picasso bei einem Treffen in Italien 1917 von ihm gezeichnet hatte, an der Schweizer Grenze aufgehalten wurde, da man die Skizze als militärischen Plan ansah. Der Musiker kam durch Hilfe der britischen Botschaft wieder frei und erhielt nach der Identifizierung sein Porträt zurück. Vgl. Portrait of Igor Stravinsky, 1920, Mussee Picasso, Paris. URL: http://artsalive.ca/en/mus/greatcomposers/stravinsky.html [28.02.2012; ASR] Im Zweiten Weltkrieg setzte sich die kreative Steganographie in der Kunst fort. So wurde durch die Länge der Grashalme eine Botschaft, in Morsezeichen versteckt, übermittelt, die den Besuch des Colonel Shaw in San Antonio im Mai 1945 zum Inhalt hatte. Vgl. Bauer 1997, S. 12. Vgl. Der Kampf des Diomedes, Kupferstich, 1613, HAB, Inventar-Nr. C Geom. 2° (217). Vgl. Acquanegra sul Chiese, Kirche, San Tommaso, Bodenmosaik, 1001/1200. Vgl. Clemens Ammon: Biblische Szenen, Kupferstich, 1670, HAB, Graph. A1, 59a.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Abbildung 5: Spion, aus: Ripa, Cesare: Nova Iconologia, 1618, S. 493, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Math 4° 585/1 (1)

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worden. So wurde 1672 im Palazzo Borghese in Rom das Ausspähen des Feindes in ein Deckengemälde integriert.626 Stefano Torelli, Hofmaler in Dresden 1739–59, schuf für den Audienzsaal im Lübecker Rathaus zu seinem Einstand zehn Allegorien, unter denen sich auch eine Darstellung der Verschwiegenheit findet.627 Ein männlicher Krieger in römischer Uniform hält einen Schlüssel empor, und neben einem Putto wird er von einer Eule und einem treuen Windhund begleitet, der ihm einen Knochen apportiert. Ein Steinmedaillon kennzeichnet Späher und Lauscher. Mit dieser Allegorie wird auf die Schweigepflicht der Ratsherren im Amtsschwur Bezug genommen. Für den betrügerischen Politiker ist in der Ikonographie der Wechselbalg auffindbar.628 Cesare Ripa hat in seinem 1593 erschienenen ikonographischen Wörterbuch den Spion als einen verhüllten adeligen Mann gezeichnet, dessen Mantel mit Ohren, Augen und Mund bestickt ist (Abbildung 5).629 Flügel an den Füßen weisen auf seine Schnelligkeit hin, die Erleuchtung wird durch eine in die Höhe gehobene Laterne symbolisiert. In seiner Begleitung findet sich ein schnüffelnder Cockerspaniel als Zeichen der Neugierde. Als Holzplastik ist diese Figur im Kapitularsaal der Scuola Grande de San Rocco in Venedig wiederzufinden.630 Die Ikonographie des Mantels findet sich wieder im so genannten „Rainbow-Porträt“ der Königin Elisabeth I. von England, was sie als Gründerin des Secret Service ausweist.631 Aus dem Krieg Persiens gegen Russland um die Herrschaft über das Schwarze Meer in den 1730er Jahren hat der niederländische Kupferstecher Pieter Tanjé die Entdeckung eines Spions vom persischen Schah Thams Kouli-Kan durch die Russen in einer Radierung gezeichnet (Abbildung 6).632 Durch die Waage wird auf die gerechte Kriegführung hingewiesen. In der rechten Hand der Politica wird eine Schale emporgehalten. In diesem Kontext soll es sich wohl um das Gefäß handeln, das die empfangenen Nachrichten enthielt und nun leer präsentiert wird, um zu zeigen, dass die Informationsfülle sich zu Ende geneigt hat. So kann die Schale als Symbol des verborgenen Wissens verstanden werden. Neben dem Deckmantel, der mit Ohren und Augen gemustert ist, sind der Fuchs und zahlreiche Schlangen als Symbole für Verrat und Bösartigkeit zu finden. Das netzartige Gewebe in der Bildmitte kennzeichnet die Falschheit. Im Mantel und dem Ohren- und Augen-Muster finden sich demzufolge wiederkehrende Ikonographien. Dass die Spione zumeist in den Reihen der Staatsdiener zu finden 626 Vgl. Fumagalli, Elena: Palazzo Borghese – committenza e decorazione privata, Rom 1994, S. 75. 627 Vgl. Liebsch, Thomas: Stefano Torelli, Hofmaler in Dresden. Sein Werk in Sachsen, Bayreuth, Lübeck und St. Petersburg, Berlin 2007, S. 126 f. 628 Vgl. Stolleis 1980, S. 10. 629 Vgl. Ripa, Cesare: Iconologia, Rom 1593, Fig. 290. 630 Vgl. Pianta, Cesare: EspÍa y Furia, Schnitzerei, ca. 1670. Abb. in: Navarro Bonilla 2010, S. 32. 631 Vielen Dank an Christopher Andrew für seinen Hinweis. Vgl. Oliver, Isaac: Porträt Elisabeth I., Öl auf Leinwand, 1600, Hatfield House, Hertfordshire. 632 Vgl. Pieter Tanjé: La Russe couvre l’Espion de Kouli-Kan, la Politique et le danger l’accompagnent, Radierung 1726/61, HAB, Graph. A1, 2673.

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Abbildung 6: Die Enttarnung eines persischen Spions durch die Russen, Pieter Tanjé, 1730er Jahre, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Graph a1–2673

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waren, zeigt das Emblem „Administri principum“ in Andres Mendos Fürstenspiegel von 1662. Dem thronenden König ist ein Mantel übergeworfen, der mit Augen, Ohren und Händen bestickt ist und somit seine wachsamen Minister versinnbildlicht.633 Zu ergänzen ist die Ikonographie der Tiersymbolik. Wie oben bereits ausgeführt, wurden von den Künstlern der Specht und die Elster angeblich manchmal als Erkennungsmerkmal über den Köpfen von Spionen platziert.634 Diese Vögel eigneten sich besonders wegen ihrer Verhaltensweisen: klopft der Specht tief verborgene Insekten unter der Rinde heraus und erkennt dabei auch in scheinbar gesunden Bäumen einen modrigen Kern, wird der Elster ein diebischer und geschwätziger Charakter zugesprochen. Somit kann der Specht, dem auch das Normale verdächtig ist, für die Informationsgewinnung mit dem Instinkt für reiche (Nahrungs-) Quellen stehen. Die Auffälligkeit seines Tuns mit dem weithin hörbaren Klopfen widerspricht jedoch dem möglichst unauffälligen Handeln der Kundschafter, so dass eher der Interpretation zuzustimmen ist, den Specht als Symbol der Geschwätzigkeit und des Verrats zu betrachten.635 Gleichermaßen ist auch die Elster um Aufmerksamkeit bemüht, tönt unentwegt und tanzt mit ihrem Elsterschwanz, so dass jedermann ihren Aufenthalt leicht erraten kann.636 Insofern taugt die Elster höchstens für zur Schau gestellte Arroganz und das Kokettieren des Sich-nicht-verstecken-Müssens, das dann wiederum schon verdächtig erscheinen musste. Graf Heinrich von Brühl hat beispielsweise seine Geheime Expedition dadurch verraten, dass er prahlerisch mit gestohlenen Informationen um sich warf. Ihm ist ein solcher, der Elster zugesprochener Charakter, in diesem Fall durchaus beizumessen. Hätte er besser heimlich wie der Maulwurf weiter seine Gänge gegraben, oder – um das französische Bild zu verwenden – wie eine Fliege still an der Wand gesessen und weiter zugehört, wäre die Postabfangstation womöglich nie entdeckt worden.637 Die Karikatur eines Papstes zeigt diesen vor Fliegen fliehend als kopflosen Kopf der römischen Geheimpolitik.638 Aus dem 18. Jahrhundert ist das Porträt eines unbekannten Herrschers mit Fliegensymbolik überliefert, deren Interpretation noch nicht geklärt ist.639 Normalerweise wurde auf eine symbolische Darstellung der militärischen, oft 633 Vgl. Werner, Stefanie Christina: Staatsräson, in: Fleckner, Uwe; Warnke, Martin; Ziegler, Hendrik (Hrsg.): Handbuch der politischen Ikonographie. Band 2: Imperator bis Zwerg, München 2011, S. 381–387, 384. 634 Vgl. den Abschnitt zur Spionage im Kapitel „Begriffe im zeithistorischen und aktuellen Verständnis“, S. 25. Vgl. „Picus“, in: Georges, Heinrich: Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, 2. Bd., Basel, Stuttgart 1969, Sp. 1702. 635 Vgl. Breysig, Adam: Wörterbuch der Bildersprache oder kurzgefaßte und belehrende Angaben symbolischer und allegorischer Bilder und oft damit vermischter konventioneller Zeichen, Leipzig 1830, S. 784. 636 Vgl. „Elster“ in: Grimm, Bd. 13, Sp. 418. 637 Zu den Tierbildern des Maulwurfs und der Fliege vgl. den Absatz „Maulwurf “ im Kapitel „Begriffe im zeithistorischen und aktuellen Verständnis“, S. 25. 638 Vgl. Dezprez, François: Karikatur eines Papstes, Holzschnitt, 1565, HAB, Inventar-Nr. 39 Geom., fol. A7r° und fol. G10v°. 639 Vgl. Porträt eines Herrschers im Profil, Radierung, 1726/1800, HAB, Inventar-Nr. Graph. C: 13.

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unmoralischen Methoden verzichtet, sondern vielmehr das Ideal eines tugendhaften Fürsten präsentiert.640 Die Kaiser, Könige und Fürsten rühmten sich nicht öffentlich ihrer Winkelzüge und Geheimoperationen, sondern hielten sie verborgen. Zur Aufrechterhaltung ihrer Ehre ließen sich die Fürsten auch bei einer Niederlage nicht als Opfer von Verrat und Spionage abbilden. Das erklärt, warum es so gut wie keine Spionagedarstellungen in situ gibt. Außer der Tiersymbolik wurde die rote Farbe als Warnsignal und Zeichen des Verrats mehrfach bewusst eingesetzt. Der Fuchs als Symbol ist wegen seiner roten Fellfarbe ebenso wie das Eichhörnchen oft für listige Umtriebe und Verrat verstanden worden, denn auch Judas zeichnete man im Mittelalter meist mit roten Haaren. So setzte Lucas Cranach d. Ä. auf seinem Stadtkirchenaltar von Wittenberg das letzte Abendmahl Christi ins Zentrum und stellte Judas mit einem Gewand in „zwielichtiger Farbe“ mit Geldbeutel dar, der im Begriff ist, die Runde zu verlassen.641 Lucas Cranach d. J. hat für das Porträt des Kurfürsten Moritz von Sachsen von 1548 eine rote Schärpe  und rote Pailetten gewählt. Die hintergründige Bedeutung der roten Farbe steht hier aber zurück, denn es handelt sich hier um ein Siegerbild über den Schmalkaldischen Bund, und Cranach kennzeichnete den Kurfürsten als kaisertreu, da die Feldbinden im  Schmalkaldischen Krieg für die Protestanten gelb, für die Kaiserlichen aber rot waren.642 Insofern lohnt sich bei der Interpretation der Farbe rot ein doppelter Blick. Innenansicht einer geheimen Kanzlei? Ein besonders seltenes Beispiel ist die bildliche Darstellung eines Chiffrierbüros. Geheimsekretäre sind nie bei ihrer Arbeit abgebildet worden, denn zum Arkanum bekamen die Hofmaler keinen Zutritt. Erst in dem anonym erschienenen Buch „Le contr’espion“ von 1793 ist als Titelbild folgende Szene zu sehen (Abbildung 7). Eine Frau mit Kleid und Nachtmütze sitzt in einem abgeschlossenen Raum an einem Tisch vor einem Brief. Neben ihrer Hand ist der Briefumschlag sowie ein Tintenfass mit Feder und eine leere Schachtel zu sehen. Im Hintergrund erheben sich bis zur Decke Regale mit einzelnen Fächern. Auf der obersten Reihe stehen Glasflaschen ver640 Vgl. Menzel 2003, S. 49 ff. 641 Steinwachs, Albrecht; Pietsch, Jürgen M.: Der Reformationsaltar von Lucas Cranach d. Ä. in der Stadtkirche St. Marien Lutherstadt Wittenberg, Spröda 1998, S. 8. Da der Altar aus dem Jahr 1547 stammt, drängt sich die Frage auf, ob Cranach mit der zentrierten Darstellung des Judas auf den angeblichen Verrat des „Judas von Meißen“, Moritz von Sachsen angespielt haben könnte, der 1547 in der Lochauer Heide seinen ernestinischen Vetter besiegte. Aber erste Entwürfe zu dieser Abendmahlsdarstellung stammen aus den 1530er Jahren, so dass ein Zusammenhang zwischen Entstehung und politischen Ereignissen ausgeschlossen ist. 642 Vgl. Horstmann, Harry: Der Soldat in Sprache und Tradition. Ein Handbuch, Bad Salzungen 2010, S. 26.

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schiedener Größe, die für „encres simples liquid et occulte“ – einfache und geheime Tinten gedacht sind. Die Schrankfächer sind beschriftet mit regionalen Bezeichnungen (obere Reihe v. l. n. r.: Angleterre, Russie, Suede, Pologne, Prusse; darunter: Danemarc, Austriche, Espagne, Savoye, Suisse) und in der untersten Reihe mit Kategorien (Republiques, Affaires secretes, lettres arrived en chiffrer, lettres a dechiffrer) und ein extra Fach für „interieure“ neben drei sehr großen unbeschrifteten Kästen. Auf dem Tisch

Abbildung 7: Dlandol, Le Contr’espion, Ou Les Clefs De Toutes Les Correspondances Secrettés, 1793, Titelkupfer, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Buch 8° 157/3

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steht eine große längliche Tafel aufrecht, die sich als „Table a chiffrer“ selbst erklärt. Hinter der Frau steht ein Mann mit einer zusammengerollten „Table a dechiffrer“ in der Hand und legt den Zeigefinger der anderen Hand an die Lippen. Welche Szene wird hier beschrieben? Sicher sind das alles Fächer für Nomenklatoren. Der Raum könnte eine Kanzlei sein, ist aber dafür zu sparsam möbliert, denn es fehlen eine Kerze, mehrere Federhalter und Papierbögen, Stempel, Siegel und Bücher. Deshalb scheint der Raum nur als Andeutung zu fungieren, nicht als exakt wiedergegebener Ort. Es geht weniger um das WO, sondern mehr um das WAS. Die Interpretation wird dennoch nicht einfacher. Es kann nicht genau festgestellt werden, ob die Frau liest oder schreibt. Aber mit großer Wahrscheinlichkeit ist letzteres anzunehmen. Wenn die Frau den geöffneten Brief lesen würde, hieße das, dieser wäre nicht verschlüsselt, da sie nur die Chiffriertafel vor sich hat und nicht die Dechiffriertafel. Die Überraschungsszene würde somit keinen Sinn machen. Es ist ungeklärt, warum sie ganz offenbar im Nachtgewand vor dem Tisch sitzt. Und es ist zu fragen, ob der Mann sich über die Chiffriertafel oder über die Frau am Schreibtisch wundert. Dazu wäre die Information nötig, ob der Mann die Chiffriertafel zum ersten Mal sieht oder – wie man wegen der zusammengerollten Tafel in seiner Hand eher vermuten kann – üblicherweise mit ihr arbeitet. Demnach können über die Situation verschiedene Interpretationen angestellt werden: – Sie schreibt einem Verehrer und benutzt dafür die Chiffre ihres Mannes. Er entdeckt ihren heimlichen Briefverkehr. (private Lesart) – Die Frau soll Marie Antoinette oder die symbolische Figur Frankreichs (Marianne) sein, und der Citoyen kommt hinzu, um dem Geheimschreibwesen in Frankreich ein Ende zu setzen (aufklärerische Lesart) – Die Frau schreibt die Chiffrentafel ab, um sie dem Gegner zuzuspielen. Er entdeckt ihre Spionage. (geheimpolitische Lesart) – Die Frau emanzipiert sich und erlernt deshalb die Geheimschreibkunst. Ihr Mann ist erstaunt über Ihre Fähigkeiten. (emanzipatorische Lesart) Unklar ist, warum eine Frau Zugang zu einem so sensiblen Bereich wie einem Chiffrenbüro hat. Es ist nirgendwo überliefert, dass Sekretäre zu Hause bei sich Nomenklatoren aufbewahren durften. Und keineswegs war es erlaubt, Nomenklatoren offen herumliegen zu lassen. Gänzlich unsinnig ist die Anordnung der Kästen: die Republik der Vereinigten Niederlande, die Schweiz und Savoyen waren längst nicht so relevant, dass sie in besserer Griffhöhe verortet werden müssten als Preußen oder Russland, die ganz weit oben liegen. Eine Ordnung nach politischer Bedeutung ist allerdings auch nicht zu erkennen, da Schweden ganz oben, Österreich aber nur in der dritten Reihe von oben zu finden sind. Auch war für die Schweiz oder für Dänemark kaum eine geheime Korrespondenz geführt worden, die eine Kiste dieser Größe benötigte. Die Lagerung

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der Tinte in großen Flaschen unter der Zimmerdecke und die Verwendung von nur einem Federhalter scheint völlig unpraktikabel. Möglicherweise entsprach dieses Bild aber der falschen Vorstellung der Zeitgenossen. Dem würde auch der vage Hinweis auf noch größere, unbekannte Postadressaten entsprechen. Da der Blick des Mannes auf die Tafel und nicht auf die Frau gerichtet ist, scheinen die Interpretationen Nr. 1 und Nr. 4 weniger wahrscheinlich. Dass die Frau die Chiffrentafel kopiert, ist ebenfalls nicht anzunehmen, da der Brief dann eine tabellarische Aufteilung haben müsste. Somit liegt eine revolutionäre Lesart nahe. Nimmt man an, dass sich unter der Nachtmütze eine aufgetürmte Rokoko-Frisur verbirgt, so könnte man zuerst an Marie Antoinette denken – die tatsächlich Geheimschriften, geheime Tinte sowie Steganographie mittels Pralinenschachteln verwendet hat.643 Andererseits ist die Kleidung für Marie Antoinette völlig unpassend. Insofern ist es am wahrscheinlichsten, dass am Tisch das personifizierte Frankreich sitzt, eine nicht ganz typische Marianne mit einer Nacht- statt einer phrygischen Mütze. Das Titelkupfer steht im Kontext zu dem Inhalt des Buches: Darin wird dem Leser eine angeblich sichere Chiffre, die „Chiffre par excellence“, vorgestellt. Das Bild zeigt sozusagen die Enthüllung jener angeblich bestmöglichen Chiffre durch die Marianne. Der aufklärerische Autor, der sich „Citoyen Dlandol“ nannte, konnte eine gewisse Ironie nicht verbergen. Über ihn ist nichts weiter bekannt, als dass unter seinem Pseudonym nur dieses eine Buch von 1793 herausgegeben wurde. Die Apelles-Thematik Die Thematik des Verrats ist z. B. von Sandro Botticelli aufgegriffen worden, der in seinem Gemälde „Die Verleumdung des Apelles“ (um 1495) verschiedene Personifikationen vereint.644 Neben der nackten Wahrheit, die auf das Tageslicht weist, steht das schlechte Gewissen bzw. die Reue in der Figur einer verschleierten Alten. Die personifizierte Verleumdung mit der Fackel in der Hand wird begleitet von den Damen Verrat und Täuschung, die gerade dabei sind, die Verleumdung mit Haarschmuck herauszuputzen. An den Haaren gezogen sitzt der die Unschuld verkörpernde Jüngling zu ihren Füßen, 643 Bauer 1997, S. 130; Frenz, Thomas u. a.: Die Geheimkorrespondenz der Königin Marie Antoinette während der Französischen Revolution, URL: http://wwws.phil.uni-passau.de/histhw/TutKrypto/tutorien/marie-antoinette.htm [28.03.2013; ASR]. 644 Bildbeschreibung vgl. Battistini, Matilde: Bildlexikon der Kunst, Bd. 3: Symbole und Allegorien, Berlin 2003, S 286. Ein Vergleich der Beschreibung Lukians mit Boticellis Werk offenbart: Boticelli hat in seinem Gemälde die Figur des Neides ausgelassen, den ein bleicher, hässlicher, ausgemergelter Mann mit stechendem Blick darstellte. Auch wurde die Verleumdung nicht im Hintergrund gemalt, sondern in der Bildmitte platziert. Zudem wirkt die Verleumdung nicht erregt und erhitzt, wie Lukian sie beschreibt.

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der die Götter zu Zeugen anruft. Auf dem Thron am rechten Bildrand lauscht der an seinen Eselsohren erkennbare König Midas mit gesenkten Lidern den Einflüsterungen von Unwissenheit und Argwohn und streckt die Hand nach der Brandfackel der Verleumdung aus. Das Gemälde geht auf den antiken Maler Apelles zurück, der von seinem Gegenspieler Antiphilos denunziert worden war, an einer Verschwörung gegen Alexander den Großen beteiligt zu sein. Nachdem sich seine Unschuld erwiesen hatte, rächte sich Apelles mit einer Midas-Darstellung, die verschollen ist, deren Existenz durch Lukian aber überliefert wurde und in der Renaissance mehrfach von Künstlern aufgegriffen wurde, u. a. von Albrecht Dürer und Sandro Boticelli.645 Dürer verwendete 1521–30 das Thema bei der Ausmalung des Ratssaales vom Nürnberger Rathaus. Leider sind von dieser Ausmalung nur Fragmente erhalten, jedoch bezeugt eine Federzeichnung in der Wiener Albertina diese Darstellung.646 Dürer bezog sich mit dem Motiv und dem beigefügten Spruch „Nemo unquam sententiam ferat, priusquam cuncta ad amussim perpenderit“ auf die Nutzung dieses Raumes. Da an jener Nordwand der Sitzungsraum des Stadtgerichtes durch ein Gitter getrennt war, sollte mit „einem abschreckenden Beispiel zur wahren Pflege des Rechts aufgefordert werden“.647 Der Gruppe um die Verleumdung hat Dürer noch die Personifikationen der Eile, des Irrtums und der Strafe angefügt. Dürers andeutungsreiche Arbeiten atmen den Geist des Humanismus, so dass er als zweiter Apelles bezeichnet wurde.648 Die Apelles-Thematik steht auch im Zusammenhang mit den anonymen Ausstellungskritiken im 18. Jahrhundert und mit der Sitte, dass der Maler einen Spion in die Ausstellung schickte, um von der Kritik an seinen Werken zu hören, ohne sich der Öffentlichkeit stellen zu müssen.649 Die Anwendung der Ausspionierung der öffentlichen Meinung ist daran gescheitert, dass die Art und Weise der Ausstellungskritik sich unvereinbar mit den Intentionen des Künstlers erwies. Eine Störung 645 Bei Lukian ist es das einzige so ausführlich beschriebene Gemälde von Apelles. Über das Werk und die Beschreibung von Apelles’ Verleumdungsbild vgl. Krenkel, Werner: Apelles bei Petron und Lucilius, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock. 17 (1968), H. 7/8, S. 689–695. 646 Abdruck in: Böckem, Beate: Jacopo de’ Barari: Ein Apelles am Fürstenhof? Die Allianz von Künstler, Humanist und Herrscher im Alten Reich, in: Müller, Weschenfelder, Böckem 2010, S. 23–33, 28 f. 647 Mummenhoff, Ernst: Das Rathaus in Nürnberg, Berlin 1891, S. 95. 648 Vgl. das Relief „Allegorischer Zweikampf Albrecht Dürers mit Apelles“ von Hans Daucher, 1522. Erasmus von Rotterdam soll gelobt haben, Dürer könnte die höchste Naturtreue, die Apelles mit Farben vermochte, allein durch die Kraft der Linie erzeugen. Vgl. Habenicht, Georg: Die ungefassten Altarwerke des ausgehenden Mittelalters und der Dürerzeit, Diss. Göttingen 1999, URL: http:// webdoc.sub.gwdg.de/diss/2002/habenicht/habenicht.pdf [17.11.2011; ASR], S. 49. 649 Vgl. Jean-Philippe Le Bas nach François Boucher, Die Malerei, verspottet von Neid, Dummheid und Trunkenheit, Radierung, Frontispiz zu: Jean-Bernard Le Blanc, Lettre sur l’exposition, Paris, 1747, zit. in: Kernbauer, Eva: Der Platz des Publikums. Kunst und Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert, Diss. Trier 2007, URL: http://ubt.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2008/487/pdf/online_publikation_kl.pdf [22.11.2011; ASR], S. 217.

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des Kommunikationskanals der Kunst zwischen Sender und Empfänger ließ die Kluft entstehen, die mangels geeigneter Methoden nicht zu überbrücken war. Der Künstler als Spion inmitten des Publikums vernahm die Missinterpretation und war angesichts der Übermacht der Öffentlichkeit nicht in der Lage, seine Position zu stärken. Während die Kritik aus der Sicherheit der Anonymität heraus agieren konnte, besaß der Künstler keinen Schutz außer den Versuch, mittels Spionen unbemerkt Informationen zu erlangen, die im Schein der Öffentlichkeit zurückgehalten worden wären. Die politische Karikatur Die satirische Behandlung der Beziehung zwischen Kunst und Publikum leitet zur politischen Karikatur über, die in den Flugschriften des 16. Jahrhunderts beginnt und im 19. Jahrhundert ihre gesellschaftskritische Ausprägung fand. Die wichtigste Funktion der Flugschriften war der Kommentar des Zeitgeschehens, der den Rezipienten bei der Einordnung helfen sollte bzw. ihre Meinungsbildung beeinflussen wollte.650 Auf Grund von Auflagenhöhe, Preisen und Verbreitung könne hier bereits von Massenmedien gesprochen werden, so Ulrich Rosseaux.651 Um 1800 wurde in der politischen Karikatur auch das buchstäbliche Einsacken von Korruptionsgeld und das Bereithalten von „secret service money“ und Zuckerpflaumen dargestellt.652 Ganz offen wurden nun die Praktiken des Geheimen und Betrügerischen in der Politik zur Schau gestellt. Die Säule der vierten Gewalt der Medien mit ihrer Kontroll- und Informationsfunktion hatte sich etabliert. 2.4.4 Ansätze zu einer Geschlechtergeschichte der Geheimdiplomatie Seit einigen Jahren hat die Genderforschung auch das Gebiet der Diplomatiegeschichte für sich entdeckt. Der offiziellen Diplomatie stand eine höfische Diplomatie zur Seite, die durch informelle Formen internationaler Beziehungen geprägt war und mit der sie verwoben war.653 Da die offizielle Diplomatie als männlich geprägt wahrgenommen wird, schreibt die Forschung mangels Studien über informelle Tätigkeiten von Männern und offizielle Diplomatie von Frauen das Informelle fast immer den Frauen zu.

650 Vgl. Rosseaux, Ulrich: Flugschriften und Flugblätter im Mediensystem des Alten Reiches, in: Arndt 2010, S. 99–114, 107. 651 Vgl. ebd., S. 113. 652 Vgl. Charles Fox als Verräter Englands, 1806, aus der Serie Talleyrand, SLUB, Deutsche Fotothek, Inv.-Nr.: Tall.Graf.II,6,10. 653 Vgl. Nolde 2013, S. 181.

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Dadurch entsteht, wie Dorothea Nolde bereits festgehalten hat, eine verzerrte Wahrnehmung und eine falsche Darstellung der Aufteilung von Geschlechterräumen.654 Die Kategorie des Geschlechts wurde aber nivelliert, wenn eine politische Situation ausweglos erschien, da in solchen Fällen der Wert von Netzwerken in den Vordergrund rückte und es zweitrangig war, ob die vermittelnde Person ein Mann oder eine Frau war.655 Als sich die Diplomatie ab Mitte des 18. Jahrhunderts verstärkt auf Amtsträger konzentrierte und die Gesandten nicht mehr den gesamten Hof überblicken und in ihre Verhandlungen integrieren mussten, sank der Einfluss nicht-staatlicher Akteure und der höfischen Diplomatie. Mit der Professionalisierung einher ging eine Vermännlichung. Die Einsätze von Frauen in der männlichen Domäne der Diplomatie gingen schlagartig zurück. Die erste offizielle Diplomatin agierte wohl auf dem Berliner Kongress 1878.656 Es muss konzediert werden, dass die Quellenproblematik für weibliche Überlieferung bei der Fokussierung auf politische Geheimnisse noch verschärft wird. Da die Endprodukte von Wissensproduktion und -verbreitung in Form von Handschriften meist von Männern verfasst wurden, ist der Prozess der Ansammlung und des Transports von Informationen über weiblich geprägte Netzwerke kaum in den Quellen sichtbar.657 Frauen trugen auch zum Entstehen autoritativen Wissens bei, das zusammengetragen  wurde und als anerkannte Basis für Handlungsentscheidungen diente.658 In den Quellen der Geheimdiplomatie sind Begegnungen mit Frauen nicht selten. Einerseits wurden Korrespondenzwege von Frauen zur Verschleierung benutzt, andererseits nutzten Staatsmänner gezielt Informantinnen, da diese andere Zugangsmöglichkeiten zu Vertrauenspositionen besaßen als Männer. Diese Praxis, Frauen als Vermittlerinnen einzusetzen, ist bereits bei Callières Handbuch von 1757 als Empfehlung zu finden. Darin wird geraten, sich an die Damen der Hofgesellschaft zu wenden, wenn man bedeutsame Dinge beim Fürsten erreichen wolle.659 Diese Interaktion innerhalb des Systems von Hoffaktionen war Teil der Verhandlungsstrategie von Gesandten, so Nolde.660 Bereits früher wurde die Öffentlichkeit einer Instrumentalisierung von Frauen gewahr, die diesen nicht bewusst war. Dabei nutzten geschickte Kavaliere die Eigenschaft aus, dass Frauen gern reden, und nahmen ihnen einige politische Geheimnisse ab: Ludwig XIV. engagierte manierliche Gentilhommes, um

654 655 656 657 658 659 660

Vgl. ebd., S. 181. Vgl. ebd., S. 194. Vgl. McCarthy 2014. Vgl. Arenfeldt 2012, S. 28. Vgl. ebd., S. 5. Vgl. Callère 1757, S. 80. Vgl. Nolde 2013, S. 187.

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den Weibern der General-Staaten fleißig die Cour zu machen und aufzuwarten, weil man durch dieselbe entweder die Männer gewinnen oder doch viele heimliche Sachen kan gewahr werden.661

Diesen Frauen war ihr Verrat nicht bewusst, vielmehr fehlinterpretierten sie die offensiven Aktionen ihres Gegenübers und bemerkten nicht, dass sie ein Opfer geschickter Spionage waren. Auf der anderen Seite fungierten Frauen oft als Vermittlerinnen im Patronagesystem und bauten sich auch eigenes Klientel auf.662 Im Rahmen des ihnen anvertrauten Aufgabenbereichs der Beziehungspflege informierten sie sich gegenseitig im Rahmen eines Korrespondenznetzwerkes und kontrollierten gewissermaßen über Bande den jeweils anderen Hof. Ganz selbstverständlich verhandelten Frauen am Hof auch politische und militärische Themen, wobei sie die Nachrichtenquelle als sicher, unsicher oder als Gerücht reflektierten.663 Sie verstanden sich als Vertraute des Königs, als Beraterin und Patronin, inszenierten aber ihre Ohnmacht im Vergleich zu der männlichen Macht.664 Da sie in zwei Hofsystemen verankert waren, sahen sie sich oft im Konflikt einer doppelten Loyalität. Entsprechend ihres Charakters, ihrer Position und ihres sozialen Umfelds verhielten sich manche in dieser Positon passiv, andere konnten diese Chance zur eigenen Profilierung nutzen und partizipierten an der Herrschaft. Insofern sind Frauen bekannt, die auf der Gegenseite aktiv geworden sind und teilweise auch mit Missionen betraut wurden. Zwar ohne ausdrücklichen Auftrag, aber gern genutzt, wirkte manche Frau nach ihrer Vermählung oder Verschickung am neuen Hof als Agentin ihres Herkunftslandes. Corina Bastian hat entsprechend die Princesse des Ursins als „Agentin“ und „Informantin“ des französischen Königs und als „Kollegin“ des Botschafters bezeichnet.665 Dergleichen Aktivitäten mussten die Frauen oft gegen die Vorwürfe von Herrsucht, Einmischung, Intriganz und Böswilligkeit verteidigen.666 Der Topoi der heimlich agierenden Frau am Hofe mit großen Einflussmöglichkeiten lässt sich bei Sachsen auf die Gräfin Brühl und bei Preußen auf die Gräfin Camas übertragen. Diesen Frauen wurde eine ähnlich große informelle Macht zugeschrieben wie dem Günstlingsminister, und auf all jene wurde die Kritik am Herrscher und seinen Entscheidungen projiziert.667 Die Konstruktion von verborgenen Netzwerken und die Stereotype der intriganten Person tauchen geschlechtsunabhängig auf, denn ausschlaggebend war die Position gegenüber dem Herrscher. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass auch von Frauen Kritik an der weiblichen Einflussnahme 661 662 663 664 665 666 667

Vgl. Cabinet 1692, S. 20. Vgl. Bastian 2013, S. 102. Vgl. ebd., S. 338. Vgl. ebd., S. 261 ff. Ebd., S. 291, 294. Vgl. ebd., S. 300 ff. Vgl. ebd., S. 321 f.

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geäußert wurde, z. B. von Lieselotte von der Pfalz, wenn es der Selbstinszenierung als untergeordnetes Dynastiemitglied und Opfer der Staatsräson nützlich erschien.668 Jene Zuschreibungen sind später unreflektiert übernommen und wiederholt worden, so dass sie sich verfestigten. Diejenigen Akteure, die die politischen Aktivitäten der Frauen sachlich darstellten, zeigen aber, dass zur Macht befähigte Frauen mit einer natürlichen Autorität „in die Außenbeziehungen […] wie selbstverständlich integriert wurden“.669 Ludwig XIV. praktizierte Politik häufig über den Umweg der „Familiendiplomatie“ und veranlasste zum Zweck von politischer Vermittlung Treffen von Frauen, die als Verwandtschaftsbesuch getarnt waren und somit offiziell dem weiblichen Handlungsbereich entsprachen.670 Die von Nolde „verdeckte Diplomatie“ genannte Form entspricht gewissermaßen der defensiven Geheimdiplomatie im vorliegenden Modell. Die geheimen Missionen von weiblichen Hofmitgliedern geschahen mit Wissen der Gegenseite und wurden vor Dritten verheimlicht. Auch die als Bäderreise getarnte Tour der Kurfürstinnen von Berlin aus nach Aachen, Brüssel und Den Haag zur Einholung der Zustimmung für die Krönung Friedrichs zum König von Preußen671 hatten nicht Auskundschaftung zum Ziel, sondern Vermittlung. Selbst die Handlungsspielräume von Frauen, die in der sozialen Hierarchie weiter unten platziert waren, konnten von Botendiensten bis zur Einflussnahme auf politische Perzeptionen durch die Produktion und Weitergabe von Gerüchten oder das Lancieren einer Intrige reichen.672 Ihre „Unsichtbarkeit“ prädestinierte sie für einen unverdächtigen Nachrichtentransport. Um von der Befehlsempfängerin zur Akteurin zu werden, musste allerdings ein Quantensprung überwunden werden, für den Risikobereitschaft, etwas kriminelle Energie und eine geeignete Positionierung erforderlich waren. In die hohe Diplomatie brachen die untergeordneten Frauen aber nach heutigem Wissensstand selten ein. Callière schrieb 1757, die Frauen wären für das Botschafteramt nicht minder talentiert als die Männer, aber es sei sehr ungewöhnlich, sich ihrer zu bedienen.673 Er führt den Damenfrieden von Cambrai 1529 als Beispiel an und dass Margarethe von Österreich für Karl V. tätig war. Auch erwähnt er die Madame Rénée Crespin du Bec, die Frau des Marschalls von Guébriant, die von Polen geschickt wurde, um 1645 zu verhandeln, als Luisa Maria Gonzaga König Wladiwlaw IV. heiratete. Allerdings sind auch im Hundertjährigen Krieg Frauen als Spione eingesetzt worden.674

668 669 670 671 672 673 674

Vgl. ebd., S. 322. Ebd., S. 329. Nolde 2013, S. 192. Vgl. ebd., S. 192. Vgl. Kühn 2012. Vgl. Callière 1757, Bd. 2, S. 5. Vgl. Allmand 2003.

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Unter Maria von Medici war Mademoiselle du Tillet tätig.675 Von Kardinal Richelieu ist aber bekannt, dass er mit Frauen in der Spionage lieber arbeitete, da sie in delikaten Angelegenheiten subtiler vorgingen.676 Deshalb nahm er Madame de Vigneau, die ihm einige Verschwörer denunzierte, ebenso unter Vertrag wie Marion Delorme, die Favoritin Buckinghams, Mademoiselle de Clémérault und Mademoiselle de Mussy vom Hof des Herzogs Albert von Luynes.677 König Ludwig XIV. von Frankreich beschäftigte Louise de Kérouaille als Doppelagentin in London als Mätresse am Hof Karls II. sowie Catherine de Watteville.678 Nicht zu vergessen, dass die Mätresse de Pompadour infolge ihrer politischen Funktionalität als informelle Vermittlerin tätig war und damit den in sie gesetzten Erwartungen entsprach, wobei sie für sich vorrangig eine Absicherung der eigenen Position intendierte. Als Mitverhandlerin im Vertrag zu Westminster trat ihr Können vor aller Augen. Sie wurde von ihrem männlichen Umfeld jedoch kaum in ihrer Weiblichkeit wahrgenommen, wie Eva Kathrin Pollmann hervorhob.679 Ludwig XVI. von Frankreich ließ sich auch von Madame Chauvel informieren, Gemahlin seines Botschafters in London, die über die britische Botschaft berichtete.680 In Dortmund ist bis heute der Verrat der Agnes von der Vierbecke im Zusammenhang mit der Dortmunder Fehde um Pfandrechte in lebendiger Überlieferung geblieben. Die Witwe schmuggelte 1378 Soldaten des Grafen von Dinslaken in die Stadt und lenkte die Torwachen mit einer Bitte um ein Rindfleischgericht ab – die lokale Spezialität des Pfefferpotthast. Der gescheiterte Überfall brachte Agnes von der Vierbecke und ihre Mitverschwörer vor Gericht, wo sie zum Tode verurteilt wurden. Da diese Geschichte mit der ruhmreichen Verteidigung Dortmunds gegen eine Streitmacht von 1.200 Rittern verbunden ist, wurde sie von einer zur anderen Generation weitergetragen und bietet alljährlich Anlass, das Pfefferpotthastfest auf dem Alten Markt zu feiern. Ludwig XV. begann die Travestie für die Spionage zu nutzen und schickte den Chevalier d’Eon, der ihn mit einer Spaßverkleidung als Frau auf die Idee gebracht hatte, in Damenkleidern als Mademoiselle Lia de Beaumont nach St. Petersburg, um die russisch-englischen Verhandlungen beobachten zu lassen und Informationen über die russische Heeresstärke zu erhalten.681 Angeblich gefiel Zarin Elisabeth die Mademoiselle so gut, dass sie zur französischen Vorleserin der russischen Monarchin wurde und sogar zum Renversement des Alliances beitrug.682 Nach Bekanntwerden des Transgender 675 676 677 678

Vgl. Boucard 1934, S. 8. Vgl. ebd., S. 9. Vgl. ebd, S. 9, 11, 13. Vgl. Castelot, André: Louise de Kéroualle la plus charmante des espionnes, in: Historia 607 (1997), S. 90–93; L’espionne du Roi-soleil, in: Blog des Musée national suisse Zürich, URL: https://blog. nationalmuseum.ch/fr/2018/05/lespionne-du-roi-soleil/ [13.07.20; ASR]. 679 Pollmann 2006, S. 109. 680 Vgl. ebd., S. 16; Boucard 1937, S. 52 ff. 681 Vgl. Kissel 2011; Horn 2002, S. 144. 682 Bély 2011.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

war d’Eon als Mann in London tätig. Es war ein seltenes Spiel der Diplomaten mit dem Geschlecht. Ebenfalls im „Secret du Roi“ Ludwigs XV. eingebunden war Anna Maria Romellini, die das Netz zwischen Frankreich, Polen und Sachsen spann, indem sie als Mätresse des Bruders von Stanislaus II. August und als Geliebte von Adam Poniński in Dresden und Warschau operierte.683 Berühmt geworden ist die englische Bildhauerin Patience Wright, die ihre hohe Gunst, in der sie bei König George III. von England stand, riskierte und aus Sympathie für die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung heimlich Briefe mit militärischen Informationen in Wachsfiguren nach Amerika schmuggelte sowie Kriegsgefangene unterstützte.684 Nicht in diese Kategorie politisch motivierter Nutzerinnen von Kryptologie gehört die Fürstin Luise von Anhalt-Dessau, die nur in ihren privaten Tagebüchern passagenweise verschlüsselt schrieb.685 Bei ihr war die in der Romantik verbreitete Liebhaberei alles Geheimnisvollen handlungsleitend. Mühevoll wird das Puzzle der in der internationalen Diplomatie tätigen Frauen weiter ergänzt.686 Für die sächsische Geschichte ist Elisabeth von Rochlitz ein herausragendes Beispiel für Frauen, die ihre politischen Handlungsräume ausnutzten. Sie unterstützte den Schmalkaldischen Bund mit einem Nachrichtendienst und nutzte dafür auch eine Geheimschrift.687 Für die spätere Zeit ist Aurora von Königsmarck zu nennen, die in das Lager Karls XII. von Schweden gesandt wurde.688 Eine andere Mätresse, die Gräfin Cosel, hat wegen ihrer Eingriffe in politische Belange traurige Berühmtheit erlangt. Die Mätresse Augusts II. fiel 1712 nach neun Jahren aus ihrer Position und wurde lebenslang auf der Festung Stolpen inhaftiert. Sie hatte ihr Blatt als Mätresse „überreizt“ und versäumt, sich ein personales System von Vertrauten am Hofe zu schaffen.689 Während ihrer Favoritenrolle hatte sie Einblicke in die Arkana der Politik erhalten und war durch ihre Einmischung in politische Angelegenheiten dem dirigierenden Minister Flemming zunehmend eine Last. Die Gegenfraktion etablierte, unbemerkt von der in Dresden zurückgebliebenen Gräfin Cosel, in Warschau eine Nachfolgerin, Gräfin von Dönhoff. 683 Vgl. Lindemann 2006, S. 213. 684 Vgl. Sparks, Jared: The works of Benjamin Franklin; containing several political and historical tracts not included in any former edition, and many letters, official and private, not hitherto published; with notes and a life of the author, Boston 1836, S. 343. Als ausführliche Biographie vgl. Shea, Pegie Dietz; Andersen, Bethanne: Patience Wright. America’s First Sculptor and Revolutionary Spy, New York 2007; Sellers, Charles Coleman: Patience Wright. American Artist and Spy in George III’s London, Middletown 1976. 685 Vgl. Pfeifer, Ingo; Quilitzsch, Uwe; Schlansky, Kristina (Hrsg.): Die originalen Tagebücher der Fürstin Louise Henriette Wilhelmine von Anhalt-Dessau. Auszüge aus den Jahren 1795 bis 1811, 2. Bde, Halle/S. 2010; Hartung, Ulrich: Die Entzifferung der Geheimschrift in den Tagebüchern der Fürstin Luise, späteren Herzogin von Anhalt-Dessau, in: Dessau-Wörlitz-Beiträge, 4–7 (1991/1994), S. 58–60. 686 Vgl. Sluga, James 2016. 687 Rous 2014a. 688 Vgl. Krauske 1885, S. 228 f. 689 Göse 2003, S. 119.

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Die Rahmenbedingungen der Personalunion mit dem regelmäßigen Wechsel des Hofes zwischen den beiden Residenzen waren für diese Bemühungen von Vorteil. Als August II. der Cosel seine Gunst versagte, floh sie ausgerechnet in Richtung Preußen, was einen Geheimnisverrat befürchten ließ. Somit musste der König sie unverzüglich verfolgen, festnehmen und inhaftieren lassen. Wiederholte Fluchtversuche und der Einfluss der Minister auf August III. führten dazu, dass die Gräfin Cosel auch nach seinem Tode nicht freikam. Sie ist demnach als prominentes Opfer einer Ära zu bezeichnen, in der das Gefüge am Sächsisch-Polnischen Hof sehr instabil war und sie dem Geheimen Kabinett nicht als verlässliche Vertraute des Königs, sondern durch ihr politisches Engagement eher als eine Bedrohung erschien, die bei nächster Gelegenheit aus dem Weg geräumt werden musste. Sie war insofern eine Geheimnisträgerin, die aus Sicherheitsgründen auf der Festung Stolpen festgehalten wurde. Das bildet eine Ausnahme zu den Fällen, wo Amtsträger wegen erwiesenen Landesverrates arretiert wurden. Im Rahmen weiblicher Geheimdiplomatie in Sachsen ist auch die Reichsgräfin Catharina von Wackerbarth herauszuheben. Als ihr Gemahl, der sächsische Gesandte am Wiener Hof, wegen seiner militärischen Talente 1708 in den Feldzug nach Flandern eintreten sollte, wählte man sie zur inoffiziellen kursächsischen Gesandtin und überließ es ihr auch, per Chiffre mit Graf Flemming in Dresden zu korrespondieren.690 Der König dürfte ihre bereits zehn Jahre zuvor geleisteten „wichtigen Dienste“ für den Prinzen Eugen gekannt haben und zeigte sich mit ihrer Tätigkeit sehr zufrieden.691 Somit fungierte sie mehrere Monate als „Scharnier“ zwischen Dresden und Wien, wenngleich sie von Dritten als Diplomatin wenig ernstgenommen wurde.692 Gerade dadurch, dass Frauen eigentlich von der Praxis der Außenpolitik ausgeschlossen waren und ihnen nur die dynastiespezifischen Bereiche der Außenbeziehungen oblagen, gelang es ihnen durch informelle Wege, diplomatisch aktiv zu werden.693 Besonders die fehlende Trennung von „privat“ und „öffentlich“ bereitete den Raum, in dem die Fürstinnen Handlungsmöglichkeiten besaßen.694 Im Zeitalter der Französischen Revolution erschien vielen das Ancièn Régime als „goldenes Zeitalter“ für weibliche Einflussnahme auf die Diplomatie.695 Besonders die vertrauensvollen und oft freundschaftlichen Beziehungen der Fürstinnen zu den Botschaftergattinnen besaßen Einwirkungspotential auf die politischen Entscheidungen.696 Um 1800 begann man, die Frauen für repräsentative Zwecke zu instrumentalisieren und ihren Verhandlungsfrei690 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 714/1; Loc. 711/8, Graf von Wackerbarth an Graf von Flemming, 2. Apri 1710, f. 75; Pons 2006. 691 Hartwig, Paul Rudolf: Quellenstudien zur Person der Reichsgräfin von Wackerbarth, Cottbus 1995, S. 43/11. 692 Pons 2006, S. 76, 95. 693 Vgl. Bastian, Dade, Thiessen, Windler 2013. 694 Vgl. Keller 2013. 695 Vgl. Opitz-Belakhal 2013. 696 Als Beispiel für solche Beziehungen vgl. Norrhem 2013.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

raum einzuschränken.697 In diesem Zusammenhang ist einmal mehr zu bedauern, dass die Briefwechsel von Fürstinnen erst spät als Editionsprojekte in Angriff genommen wurden. Die Forschungslage zu Spioninnen des 20. Jahrhunderts ist dagegen schon etwas besser.698 2.4.5 Geheimdiplomatie aus interkultureller Perspektive Die Europäer waren nicht die Erfinder von Geheimschriften, und Spionage hatte bereits eine lange Tradition, bevor ihre Praktiken sich zur Zeitenwende in Italien etablierten. Da die kulturellen Unterschiede der Intelligence bislang nicht erforscht wurden, können die folgenden Ausführungen nur ein Streiflicht sein. Im arabischen Raum erschien bereits 855 das erste Buch über die Kryptologie.699 Heimliche Kommunikation via Steganographie oder Geheimsprache ist bei Frauen im Serail und bei unterdrückten Frauen in China nachweisbar.700 Über die Knotenschriftsprache der Inka und die Frage, ob es sich dabei um eine Geheimschrift handelt, streiten sich die Gelehrten noch.701 Insofern wurde das Potential des Verheimlichens durch Schrift in den verschiedensten Kulturen ausgeschöpft. Da Geheimhaltung und Ausspähung der Geheimnisse Anderer als anthropologische Konstante zu betrachten ist, finden sich geheimdienstliche Praktiken gleichermaßen zu allen Zeiten und in verschiedenen Kulturen. Das Forschungsfeld der interkulturellen Diplomatie hat die Geheimdiplomatie bei einer jüngst stattgefundenen Tagung allerdings nur kurz gestreift.702 Die wenigen europäischen Forschungsarbeiten zu Spionage in anderen Kulturkreisen legen nahe, dass die in Europa relativ homogene Praxis gleichermaßen in China und Indien verbreitet war.703 In China gab es neben einem „routine track“ auch einen „confidential track“ für den Informationsfluss zum politischen Zentrum.704 Die indischen Praktiken der Kundschafterei, Informationsprüfung und Spionage führten zu einem Informationsüberfluss, sind aber zugleich Ausweis eines 697 Vgl. Waquet 2013. 698 Vgl. Dietl, Wilhelm: Spy ladies. Frauen im Geheimdienst, Berlin 2006; Hirschfeld 2003; Boucard 1930. 699 Vgl. Al-Kindi: Abhandlung über die Entzifferung kryptographischer Botschaften; Singh 2000, S. 33 f. 700 Vgl. Wadley, Susan: Women who de-silence themselves: Male-illegible literature (Nushu) and female-specific songs (Nuge) in Jiangyong County, Hunan Province, China, Diss. Syrakus 1997; McLaren, Anne E.: Women’s Voices and Textuality. Chastity and Abduction in Chinese Nushu Writing, in: Modern China 22 (1996), H. 4, S. 382–416. 701 Vgl. Cunow, Heinrich: Geschichte und Kultur des Inkareiches, Hamburg 2012, S. 67. 702 Vgl. Tagungbericht von Eberhard Crailsheim über die Tagung „Interkulturelle Diplomatie im Historischen Vergleich“, Wien 20./21. Dezember 2013, URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ tagungsberichte/id=5278 [22.03.2014; ASR]. 703 Vgl. Schmidt-Glintzer 2003; Wilhelm 2003. 704 Burke 2008, S. 52.

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stärkeren Kontrollbedürfnisses der Moguln.705 Beispielsweise prüften sie ihre Minister durch bewusst gestreute Falschinformationen, entließen Beamte zum Schein, um ihre Glaubwürdigkeit und Treue zu testen und besaßen viele Sicherheitskordons im Palast. Somit hatten die Moguln ein tiefes Misstrauen gegenüber ihren Untergebenen verinnerlicht. Auch in China arbeiteten die Kaiser mit Fehlinformationen, abgeworbenen Feindsoldaten und einer ausgeklügelten Spionagemaschinerie, die ins eigene Volk gerichtet war. Die Chinesen kannten 36 verschiedene geheime Kriegsstrategien, darunter das Vortäuschen einer Schwäche, um den Feind heranzulocken und zu überwältigen.706 Neben der (Dis-) simulation waren auch Ablenkungsmanöver beliebt. Somit könnte man einen Trend erkennen, dass im asiatischen Raum bei Spionage mehr Täuschung im Vordergrund stand als in Europa, wo die Informationssammlung möglichst unsichtbar erfolgte. Das beruhte auf dem Ehrenkodex des mittelalterlichen Rittertums, der List und Hinterhalt verpönte. Aus der Zeit der Türkenkriege ist die osmanische Sitte bekannt, derzufolge Gesandte und Botschafter des Gegners zum Kriegsausbruch gefangen genommen wurden, um schädliche geheimdienstlichen Aktivitäten zu unterbinden.707 Istanbul als Zentrum des frühneuzeitlichen Nachrichtenverkehrs war gleichsam ein Schmelztiegel der Kulturen und der Informationen.708 Insgesamt war die Vorsicht der Osmanen gegen über den Habsburgern aber übertrieben, da die Habsburger defensive Intelligence im Sinne von Informationssammlung und Kriegsprävention, und keine offensive Spionage betrieben.709 Mangels weiterer Studien ist derzeit jedoch keine generelle Feststellung hinsichtlich kultureller Unterschiede in den Praktiken zu treffen. 2.4.6 Wirtschaftsspionage – Von Arkanisten und Zollschmugglern Politische Kommunikation beinhaltet in der Vormoderne oft ökonomische Aspekte mit Geheimhaltungspraktiken. Wie Jan Willem Huntebrinker aufgezeigt hat, übten die städtischen Obrigkeiten eine starke Informationskontrolle über Herrschaftswissen aus. Zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile bewahrten sie das Wissen über Herstellungsprozesse von Handwerksproduktion innerhalb der Stadtgrenzen und innerhalb der oberen Hierarchieebene.710 So ist die Erfindung des ersten europäischen Porzellans untrennbar mit der Sächsisch-Polnischen Union verbunden. Der Aufstieg Augusts II. 1697 mit der polnischen Königskrone bewirkte eine politische Neuausrichtung. Der gestiegene Prestigedruck ließ es unumgänglich erscheinen, sich wirtschaftlich und 705 706 707 708

Vgl. ebd., S. 52. „Blessure“, in: D’Aumale, Faure 1998, S. 62. Vgl. Graf 2013, S. 248. Ghobrial, John-Paul: The Whispers of Cities. Information Flows in Istanbul, London, and Paris in the Age of William Trumbull, Oxford 2008. 709 Vgl. Graf 2013, S. 2. 710 Vgl. Huntebrinker 2009, S. 86 ff.

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militärisch stark zu präsentieren. Das Porzellan war eine Stütze der Macht der Sächsisch-Polnischen Union. Die neue Macht knüpfte an die Europapolitik Albrechts des Beherzten und Kurfürst Moritz’ an. Die Berühmtheit Dresdens wuchs auf dem Fundament der Meißner Geschichte. Das Meißner Porzellan bekam als erstes europäisches corporate identity nicht zuletzt deshalb die gekreuzten Kurschwerter aus dem Wappen der Mark Meißen. In der Geschichte der sächsischen Wirtschaft hat wohl keine Branche solche Spionagefälle erlebt wie eben die Herstellung des weißen Goldes. Nachdem 1709 Johann Friedrich Böttger das erste europäische Porzellan entdeckt hatte, richtete der König ihm in der Albrechtsburg Meißen eine Manufaktur ein, die Sachsen erheblichen Reichtum einbrachte. Entsprechend angestrengt versuchten die anderen Höfe, das Arkanum in ihren Besitz zu bringen. Natürlich war Preußen besonders daran interessiert, da man jenen Erfinder Böttger seinerzeit als Apothekerlehrling nicht in Berlin hatte halten können, als er mit seinen Ankündigungen, Gold zu schaffen und den Stein der Weisen zu finden, Aufsehen erregte und sich nach Wittenberg gewandt hatte. Etliche Arkanisten konnten auch der Versuchung nicht widerstehen, ihr Wissen zu Geld zu machen. Zahlreiche Mitarbeiter der Porzellanmanufaktur Meißen versuchten, heimlich eigenes Porzellan an fremde Höfe zu verkaufen und sich zur Gründung neuer Ofenstätten anzubieten, aber sie konnten weder von Arnstadt noch von Ansbach aus Böttgers Fabrik gefährlich werden. Etliche geflohene Arkanisten haben es zu Ruhm gebracht. Die 1713 in Plaue a. d. Havel gegründete Manufaktur für braunes Porzellan ist als erste Konkurrenz der Meißner Porzellanmanufaktur zu betrachten. Wesentlichen Beitrag dazu hatte Samuel Kämpffe (auch Kempe) geliefert, der ein abenteuerliches Leben vorzuweisen hat. Ursprünglich Bergmann, war er wegen Diebstahls auf der Flucht und kam zu Tschirnhaus’ Labor im Fürstenbergschen Haus. Nach dem Tode von Ehrenfried Walter von Tschirnhaus ließ Böttger ihn wegen Betrügereien verhaften und nach zweijähriger Festungshaft als einsichtigen Sünder 1711 in seiner Fabrik für Handarbeit arbeiten. 1713 gelang es den Preußen, die offenbar gut informiert waren, diesen leicht zu bestechenden Arbeiter zur Flucht aus Meißen zu überreden. Nun sollte er in Plaue dazu verhelfen, die Rezeptur der weißen Masse herauszufinden, schien aber zu wenig davon zu verstehen, da die Plauesche Manufaktur kein weißes Porzellan fabrizieren konnte.711 Wegen Kränklichkeit wurde Kämpffe entlassen und wandte sich mit Empfehlungen ausgerechnet der sächsischen Kurfürstin Christiane Eberhardine nach Bayreuth, wo er gleichfalls eine Fabrik braunen Porzellans errichtete, jedoch wiederum mit zahlreichen gestohlenen Sachen fliehen wollte. Er konnte gefasst werden und saß bis zu seinem Lebensende auf der Festung Kulmbach. Der für Sachsen entstandene Schaden war sehr groß. 711

Vgl. Zimmermann, Ernst: Die ehemalige Porzellanmanufaktur in Plaue a. d. Havel, in: Chemischtechnische Übersicht. Berichte über das Gesamtgebiet der reinen und angewandten Chemie 32 (1908), S. 469. Ausführlich zur Spionagegeschichte zwischen Meißen und Plaue vgl. Engelhardt 1837, S. 542 f. sowie Vogel 2003, S. 185.

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Die erste Nachricht von dem Konkurrenzunternehmen in Plaue erreichte Sachsen 1715 durch den Gesandten in Berlin, Ernst Christoph von Manteuffel. Böttger wurde gefragt, ob Arbeiter der Manufaktur entlassen worden oder welche geflohen seien. Bald wurde dem ehemaligen Böttgerschen Arbeiter Mehlhorn von Plaue aus die geheime Bitte überbracht, einige gute Dreher und Former zu senden. Böttger, „dem der Zufall den Plaueschen Brief in die Hände gespielt hatte“, erdachte zusammen mit August II. eine List: Mehlhorn, weder des Lesens noch des Schreibens mächtig, antwortete, er wolle selbst kommen, und reiste im April 1715 mit 20 Reichstalern Reisegeld und der eidlichen Verpflichtung zur baldigen Rückkehr als offizieller Spion nach Preußen.712 In Plaue schloss er mit dem Manufakturinhaber Görne und dem Maler Promnitz einen Vertrag, floh aber nach vier Tagen zurück nach Sachsen und erstattete ordnungsgemäß Bericht. Der König erfuhr nun vom Verrat Kämpffes, den vorhandenen Öfen und Massen, und dass Görne bei ausreichender Summe die schlecht laufende Fabrik auch abgekauft werden könnte. Zugleich war auch Michael Nehmitz, dem Direktor der Meißner Manufaktur, von Görne ein Angebot unterbreitet worden, für 13.000 Reichstaler unter sächsischer Leitung die Manufaktur fortzuführen. Sachsen ging nicht darauf ein, und es zeigte sich, dass die Plauer Fabrik ohne ausgebildete Arbeiter und geeignete Rohstoffe nicht konkurrenzfähig war. Die Erde musste aus Halle teuer importiert werden, die Formen der Produkte waren nur mittelmäßig und verkauften sich auf der Leipziger Messe schlecht. Österreich konnten durch Abwerbung in Wien eine eigene Manufaktur gründen.713 Ein paar in Meißen lebende Franzosen, der Musiker La France und der Billardhalter Dupin, kauften 1717 den Goldschmied Christoph Conrad Hunger, der in Meißen die Porzellane vergoldete und emaillierte. Bei der Porzellanherstellung gab es erhebliche technische Mängel, so dass Mehlhorn 1718 mit Versprechungen von 1.000 bis 1.500 Gulden Verdienst nach Wien gelockt werden sollte. Als das fehlschlug, profitierte Österreich vom Unglück eines von Böttgers Arkanisten. Samuel Stöltzel, der wegen Schwängerung beim Superintendenten verklagt worden war, ging für gutes Geld 1719 nach Wien. Sein Aufenthaltsort konnte erst nach einem dreiviertel Jahr durch den sächsischen Legationssekretär aufgespürt werden. 1720 versuchte dieser, Stöltzel zur Rückkehr zu bewegen. Man versprach ihm Vergebung, Gnade und eine gute Position, wenn er sich mit Perücke in fremden Kleidern kommenden Sonntag beim dänischen Gesandten einfinde und Wien heimlich gen Dresden verlasse. Stöltzel war schließlich unter einer weiteren Bedingung dazu bereit – dass der König für ihn 300 Gulden Schulden bezahle. Er hinterließ vor seiner Abreise die Wiener Manufaktur noch in Unordnung und brachte den aus Jena gebürtigen Porzellanmaler Johann Gregor Höroldt mit. Österreich forderte die Auslieferung oder wenigstens die Bestrafung Stöltzels, der der Manufaktur 15.000 Gulden Schaden zugefügt habe. Stöltzel musste zunächst 712 713

Vgl. Engelhardt 1837, S. 542. Zur Wirtschaftsspionage zwischen Wien und Meißen vgl. ebd., S. 545 ff.

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in einem abgelegenen Gewölbe allein arbeiten und wurde vom Porzellanherstellungsprozess ferngehalten, aber er rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen. Dennoch war der Schaden jener entflohenen Arkanisten auch hier enorm, denn durch den Aufstieg der Wiener Manufaktur war den Meißnern ein erheblicher Absatzmarkt genommen – Österreich, Ungarn und das Osmanische Reich. Auch andere sächsische Einwohner sahen Möglichkeiten, an dem Arkanum Geld zu verdienen. So versuchte der Chemnitzer Kaufmann Rudolf 1719, die zur Porzellanherstellung bestens geeigneten Rohstoffe Schnorrsche Erde und Colditzer Ton nach Wien zu schmuggeln.714 Zar Peter I. bemühte sich darum, heimlich Arbeiter aus Meißen abzuwerben. Einen der ersten Gehilfen Böttgers, Paul Wildenstein, konnte er nicht in seine Dienste ziehen, obwohl er ihm statt der 9 Reichstaler im Monat 20 Reichstaler und Wildensteins Frau eine Schankwirtschaft anbot.715 1717 wurde die Fabrikkommission davon unterrichtet, dass „die Mocoviter nach dem Porzellan trachteten und ihr Envoyé zu Dresden Töpfer annehmen wolle“.716 Durch den Advokaten Heydenreich sollten Bergleute in Moskauer Dienste gezogen werden. Nachdem Heydenreich gefangen genommen wurde, fand ein umfangreiches Verhör statt. Da er glaubhaft machen konnte, den Russen nur Wissen mitgeteilt zu haben, die „in Freiberg jedem Kind bekannt“ seien, wurde er mit Landesverweis gen Moskau entlassen.717 Es schlugen also sämtliche Versuche Russlands fehl. Den größten Verrat am Arkanum beging aber der stets verschuldete und oft betrunkene Johann Friedrich Böttger selbst, da er aus Eitelkeit als Geschenke für seine Brüder die Brennöfen zeichnen und in Pappe modellieren ließ, Führungen durch das Brennhaus veranstaltete und im Alkoholrausch verschiedenen Zechgenossen mehrfach das Arkanum verriet. Dem brandenburgischen Leibarzt Jägwitz und dessen Bruder soll er das Geheimnis sogar für 2.000 Gulden angeboten haben, wie aus einem Briefwechsel hervorgeht, der Manteuffel durch Jägwitz’ Buchhalter in die Hände gespielt worden war. Nun sammelten sich viele Anklagepunkte an. Auch beschuldigte man Böttger, Arbeiter zur Auslandsreise veranlasst zu haben. In der beruflichen Konkurrenz mit dem Porzellandirektor Michael Nehmitz und seinen Mitarbeitern Bartholomäi und Irming versuchte er, jenen sämtliche Fehler zuzuschieben. Selbst Nehmitz’ Position war nicht sehr gefestigt, da er in Warschau als Spion des Statthalters und in Dresden als Spion des Königs galt.718 Die mehrfachen Versuche der Preußen, Böttger gewaltsam aus Sachsen zu holen, gipfelten in einem dreisten, aber gescheiterten Versuch durch einen gewissen Posch, der angeblich später als preußischer Spion in Erscheinung trat.719 Allerdings ist er in den 714 715 716 717 718 719

Vgl. ebd., S. 550. Vgl. ebd., S. 551. Zit. in: ebd., S. 551. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9686/12, Aussage Heydenreichs, 1721, unfol. Vgl. Engelhardt 1837, S. 88. Vgl. ebd., S. 76.

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Akten heute nicht mehr auffindbar. Böttger wurde 1714 aus der Haft entlassen und starb bereits fünf Jahre später an den Folgen der giftigen Experimente. In der Affäre Hoym wurde der gestürzte Minister 1731 beschuldigt, als Oberleiter der Meißner Porzellanmanufaktur dem französischen Händler Le Maire die Ansiedlung in Meißen zu ermöglichen und mit der Manufaktur zu kooperieren. Aus dieser Bevorteilung zog Le Maire den Vorteil Kopien herzustellen, die man „ohne weiteres als Fälschung hätte weiter verkaufen können“.720 Der Franzose kam aber mit dem Sturz Hoyms ebenfalls zu Fall, wurde zeitweise verhaftet und dann verbannt. Johann George Heintze und Johann Gottlieb Mehlhorn mussten 1748–1750 auf der Festung Königstein einsitzen, weil sie im Ausland die Geheimnisse der Porzellanherstellung verraten wollten.721 Sie genossen die Vorteile des „weiten Arrests“, konnten gegen Lohn in einem separaten Raum im Brunnenhaus ihrer Porzellanmalerei nachgehen und durften sich auf der Festung frei bewegen.722 Die somit erlangte Ortskenntnis verhalf ihnen dazu, aus dem Brunnenhaus ein Seil zu stehlen und in der Nacht vom 26. zum 27. April vom Keller unter der Friedrichsburg aus durch eine Schießscharte unter dem „Pagenbett“ an der nördlichen Steilmauer hinab zu entkommen.723 In Folge ihrer Flucht gründeten sie in Berlin eine Porzellanmanufaktur. Auch spätere Arkanisten, die das Vertrauen missbrauchten, wurden mit Festungshaft bestraft.724 Wilhelm Kaspar Wegely besaß 1751–57 in Preußen das Monopol der Porzellanherstellung.725 Sein Niedergang war u. a. darin begründet, dass Friedrich II. nach der Eroberung Sachsens seinen Porzellanbedarf selbst decken konnte.726 Der Versuch des Königs, den Porzellanmaler Kändler zu gewinnen, scheiterte trotz glänzender Angebote.727 Ebensowenig hatte er aus dem bestochenen Kanzlisten Menzel das Arkanum herauslocken können.728 Die Wirtschaftsspionage, in Sachsen zuvor nur hinsichtlich der Porzellanfabrikation betrieben, nahm zunehmend größere Ausmaße an. 1742 wurde Karl Gottlob Brand wegen Weitergabe von Berggeheimnissen inhaftiert.729 1767 nahm man den Spion Christian Friedrich Hertzer fest, der für die Preußen in Kupferberg Kobalterze suchte und verdächtigt wurde, hiesige Blaufarben außer Landes zu bringen, Fabrikanten nach Preußen 720 721 722 723 724 725 726 727 728 729

Spenlé 2008, S. 147. Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 43 und Nr. 44. Vgl. Pawluschkow 2000, S. 37. Vgl. Scholze 1999, S. 30. U. a. Brennmeistergehilfe Johann Gottlieb Traugott Wunderlich 1809/10. Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 162. Vgl. Zick, Gisela: Berliner Porzellan der Manufaktur von Wilhelm Caspar Wegely 1751–57, Berlin 1978, S. 9–36. Vgl. Siebeneicker, Arnulf: Offizianten und Ouvriers, Berlin, New York 2001, S. 22. Vgl. Boroviczény, Aladár von: Graf von Brühl – der Medici, Richelieu und Rothschild seiner Zeit, Zürich 1930, S. 188. Vgl. SächsHStD, 10026 GK, Loc. 1406/5, f. 99. Vgl. Bergarchiv Freiberg, 40013 Bergamt Marienberg, Nr. 62.

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abzuwerben und das Porzellangeheimnis auszukundschaften.730 Gleichermaßen soll 1771 der Probierer Johann Heinrich Otto aus Zellerfeld am Harz versucht haben, Erz zu stehlen und Produktionsmethoden zu spionieren.731 1764 kam Carl Friedrich Kaden aus Olbernhau wegen Abwerbung von Strumpfwirkern in Haft.732 Die Reihe ließe sich weiter fortsetzen. Wo Wirtschaft und Spionage zusammentrafen, waren in der sächsischen Geschichte stets die höchsten Stellen alarmiert. Im Jahr 1747 vermutete Graf Brühl hinter der Idee zu einer Lotterie – einem einfachen Instrument zur Bereinigung ökonomischer Fehler, z. B. Schulden – eine ganze Verschwörung. Brühl arretierte den Sekretär Seyfert 1749 im Amtshaus ebenso wie den Leipziger Bürgermeister Stieglitz, da sie einem gewissen Alexander Mackphail de Bishopsfield bei dessen Finanzplänen Vorschub geleistet haben sollen.733 Man beschuldigte Bishopsfield einer unzulässigen Einmischung in die letzten Landtagsangelegenheiten mit dem Ziel, die Landes- und Steuerverfassung zu verändern. Scheinheilig fragte Brühl, ob es nicht der Hauptzweck der Verschwörer gewesen sei, die Gemüther sowohl auswärtiger als Einheimischer, durch widrige impressiones gegen Uns, unsere Regierung, un unser Ministerium zu praeoccupiren, ja gar an ein- und anderm Orte im Lande, wo nicht einen Aufstand, dennoch wenigstes wiedersetzliche Bestrebungen zu erregen?734

Es ließ sich beweisen, dass Bishopsfield zu Begleichung der königlichen Schulden bereits 1747 bei Stieglitz eine erste Leipziger Ratslotterie angeregt hatte, wofür durch Seyfert ein Entwurf zur Einreichung beim Landtag aufgesetzt worden ist. Der Plan sah eine Kapitaliennegotiation vor, auf welche jährlich Leib- und Familienrenten festgestellt werden sollten. Die Bezahlung der Tontine sollte von einigen Personen in Den Haag und Amsterdam geleistet werden.735 Brühl stieß sich eben daran, dass die Notwendigkeit von Anleihen und Pasquillen über seinen persönlichen Luxus verbreitet wurden, wodurch das Prestige des Hofes Schaden nahm. Die umstrittene wirtschaftspolitische Maßnahme war bloß das Feigenblatt, um den Hof gründlich auszukehren und die eigene Position zu festigen. Der Kreis der Verdächtigen war groß: zu ihm zählte auch der Akziseinspektor Christoph Gebauer, der Oberkriegskommissar Christian Schüßler, der Kriegsrat Christian Ludwig Liscow, der Kreissteuereinnehmer Matthaus Boden, Oberpostkommissar Gottlieb Morgenstein, der Geheime Kriegsrat August Siegmund von Zeutzsch, Kammerherr Carl Metzsch, Landkammerrat Carl Friedrich von Beust, Obrist Louis de Maillard und 730 731 732 733 734 735

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/7, Bericht, 9. März 1770, f. 76–107, 77. Vgl. SächsHStAD, 10047 Amt Dresden, Nr. 4199. Vgl. Staatsarchiv Chemnitz, 30764 Patrimonialgericht Olbernhau, Nr. 357. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1393/4. Ebd., Leitfaden zum Verhör, 3. Oktober 1749, f. 101–106, 104. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 530/3.

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die nicht näher bezeichneten Johann Georg Kaulfuß, Christoph Heinrich Mauckisch, Hans Philipp Schlichting.736 Graf Brühl organisierte die Aufdeckung des eigentlich ungefährlichen Netzwerkes so, dass er sich vor dem König als Retter vor einem Verschwörerkreis inszenieren konnte. Dazu diente auch, dass Brühl heimliche Kontakte zwischen dem erwähnten Maillard und seinem früheren ärgsten Feind, dem Grafen Sułkowski rekonstruierte, der 1738 in Ungnade gefallen und entlassen worden war.737 Die Verhöre führte Brühls bester Sekretär durch – ebenjener Friedrich Wilhelm Menzel, der später von Friedrich II. von Preußen bestochen wurde und Sachsen 1752–57 ausspionierte. Die Akten zu diesem Fall belaufen sich auf ein Dutzend und harren noch einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Die Angeklagten versuchten, vor dieser ungeahnten Reaktion ihre Haut zu retten. Bishopsfield gab „aus purer Rache gegen des Olearii Persohn“ zu Protokoll, dieser Sekretär Olearius hätte verbreitet, dass der Graf Brühl „jährlich über vierzehn Tonnen Goldes verthäte und allein über eine Million Thaler Porcellain hätte“.738 Doch Olearius kam davon. Seyfert hingegen litt zwölf Jahre im Zuchthaus Leipzig und in einem Prager Gefängnis, Bishospsfield blieb jahrelang auf der Festung Sonnenstein, bis er 1753, „seiner Sinnen beraubt“, starb.739 Um diesem Schicksal zu entgehen, hatten sich einige Angeklagte mit einer größeren Summe von etwa 5.000 Reichstalern freikaufen können: Da hingegen, wann er solche [Gnade] in Zeiten unterthänigst anruffen möchte, wir uns vielleichtentschließen würden, ihn aller Verantwortung und Ahndung dieserwegen, gegen baare Vergnügung einer Summe von Sechs- aber doch wenigstens Fünfftausend Thalern zu unserer Schatoulle ohne einige weitere Nachforschung gänzlich zu entschlagen.740

Diese Maßnahme belegt hinreichend, dass der Seyfert-Fall nicht an Aufklärung interessiert war, da es nichts Gefährliches aufzuklären gab. Die Jagd auf eine Verschwörung war bloß ein Schattenspiel, aus dem der Graf Brühl als einziger gestärkt hervorging und dem Hof und den Untertanen Furcht und Respekt eingeflößt worden waren. Spionage als Mittel, wertvolles Wissen zu erlangen oder in den eigenen Reihen zu bewahren, wurde bisweilen auch angewandt, um sichtbare finanzielle Werte abzuschirmen, wie der folgende Fall zeigt. Eine dünne Akte aus dem Jahr 1750 berichtet von Spionen, die einem holländischen Obristen namens Tottleben nachgeschickt wurden, der mit einer reichen 16jährigen Waisen verlobt war und eine Dienstreise nach Sachsen nutzte, um sie von ihren Vormündern wegzuführen und anderswo zu heiraten.741 Wegen 736 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1394/1; Loc. 1394/2. 737 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, , Loc. 1393/4, Puncto, worüber der Obrist-Lieutnant de Maillard zu vernehmen, f. 179 ff. 738 Ebd., Protokoll, 9. Dezember 1749, f. 132. 739 Vgl. ebd., Festungskommandant Buchner an Brühl, 27. April 1753, f. 295; Entlassung Seyferts, 12. Januar 1762, f. 306. 740 Vgl. ebd., Angebot für die Bürgermeister Born und Stieglitz zu Leipzig, 17. April 1750, f. 218. 741 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1392/5.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

ihres Vermögens von einer Million Reichstalern ließ der Magistrat von Amsterdam den Obristen von Tottleben unterwegs in Weimar arretieren. Preußen, das durch die Gerüchte in den Zeitungen davon erfuhr, schickte einige Emissäre nach Weimar, um Tottleben verschiedene Angebote zu unterbreiten, nach Preußen zu ziehen. Das junge Paar erwehrte sich des Vorwurfs der gewaltsamen Entführung und lieh der sächsischen Steuer 100.000 Reichstaler auf sechs Jahre. Im Gegenzug erhielten sie einen Protektionsbrief und wurden nicht ausgeliefert. Die holländischen „Spione“, die von den Vormündern für 6.000 Gulden gekauft waren, um die Weimarer Regierung mit allerlei Unwahrheiten zur Arretierung zu nötigen und Tottleben mit seiner Frau nach Holland zurückzuholen, mussten unverrichteter Dinge wieder abreisen.742 Aus heutiger Sicht wäre die Bezeichnung „Agent“ oder „Vermittler“ wohl passender für jene „Spione“ gewesen. In der Verwendung von „Spion“ erweist sich die mangelnde Differenzierung der Zeitgenossen. Wegen den juristisch nicht einwandfreien Methoden wurden die Akteure als Spione betrachtet, was wiederum ein bezeichnendes Licht auf deren Ansehen wirft. Ein Feld, in dem sich Politik und Wirtschaft ebenfalls berührten, war die Handelssperre Napoleons gegen England 1806–14. Das Embargo sollte der antinapoleonischen Allianz die Kraft der Handelsmacht England rauben, da Napoleon es nicht gelang, den Kanal zu überqueren und auf der Insel zu landen. Gezielt sollte die Insel wirtschaftlich geschwächt werden, indem keine englischen Waren auf den von Frankreich beherrschten Territorien vertrieben oder in sie eingeführt wurden. Allerdings schädigte die Kontintentalsperre die einheimische Wirtschaft enorm, da es zu Verteuerungen kam. Manche Händler versuchten, ihren wirtschaftlichen Nachteil auszugleichen, indem sie insgeheim doch mit England Handel trieben. Auf Helgoland sollen zeitweise über 150 Schmuggler und Spione gelebt haben.743 Die Umgehung der Kontinentalsperre mit England wurde von der französischen Besatzung hart sanktioniert. Jede Gemeinschaft mit den Engländern galt als Spionage. Wegen Verstößen gegen die Kontinentalsperre wurde George Küster, ein Kaufmann aus Leipzig, 1811 zu einer viereinhalbmonatigen Festungshaft in Königstein verurteilt; ebenso traf es Isaak Tobias aus Hamburg und einen Kaufmann aus Breslau.744 Der Schriftsteller Heinrich von Kleist war 1800–1806 in geheimen Missionen für das preußische Wirtschaftsministerium tätig. Im Januar 1807 wurde er von französischen Behörden unter Spionageverdacht festgenommen und eine Reihe von Monaten im Fort de Joux und im Kriegsgefangenenlager in Châlons-sur-Marne inhaftiert.

742 Ebd., Johann Friedrich Schneidewein, Bevollmächtigter Tottlebens an Graf Brühl, 3. Dezember 1750, unfol. 743 Vgl. Pott, Richard: Die Nordsee – eine Natur- und Kulturgeschichte, München 2003, S. 278. 744 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 174 bis 176.

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2.4.7 Die sächsischen Staatsgefängnisse und ihre Insassen Spuren von Spionen lassen sich häufig erst entdecken, wenn die Entlarvung sie zu Häftlingen gemacht hatte. Somit beschränkt sich die historische Überlieferung oft auf Justizakten und nur selten auf die ausgeübte Tätigkeit, über deren Anfang und Verlauf meist nichts Schriftliches überliefert wurde. Dennoch sind die Erwähnungen der in Sachsen gefangenen Spione recht zahlreich und werfen viele Schlaglichter auf die im Untersuchungszeitraum zunehmende Geheimdiplomatie. Kursachsen verfügte über eine Anzahl von Staatsgefängnissen auf der Burg Hohnstein und der Burg Stolpen, in Senftenberg und Rochlitz, in der Pleißenburg Leipzig, auf dem Sonnenstein in Pirna und auf der Festung Königstein.745 Dazu kamen noch Zuchthäuser wie Waldheim und die verschiedenen Amtsstockhäuser und kommunalen Anstalten in den Städten. Wegen geringerer Vergehen wurde meist eine Zuchthausstrafe für einige Monate oder auch Jahre in Waldheim verhängt.746 Die höchstrangigsten Staatsgefangenen kamen entweder nach Pirna oder Königstein. Die Festung Sonnenstein diente der Sicherung des Elbverkehrs und der nach Böhmen führenden Straßen, so dass dort seit 1736 eine ständige Besatzung von 114 Mann mit ihren Familien stationiert war.747 Die Anlage wurde als Ausweichgefängnis für minder schwere Fälle mit kurzen Haftzeiten ebenso genutzt wie zu dem Zweck, Komplizen enfernt voneinander in Pirna und Königstein zu inhaftieren.748 Nach dem Siebenjährigen Krieg wurden die meisten Festungen aufgegeben (Wittenberg, Stolpen, Pleißenburg, Sonnenstein).749 Der Königstein, die stärkste Festung Sachsens, erwies sich als beste Unterbringungsmöglichkeit für Staatsgefangene. Bereits 1567 hatte Kurfürst August ein Gutachten des kaiserlichen Baumeisters Ferrabosco darüber in Auftrag gegeben, ob das Felsmassiv sich für eine Festungsanlage eigne.750 Der militärische Nutzen, von der Höhe aus das Elbtal kontrollieren zu können, ist aber nur selten in der Praxis angewandt worden. Vielmehr diente die Festung als Auslagerungsort für Archivalien und Kunstschätze sowie als Zufluchtsort und Gefängnis. In mehreren Bauabschnitten war der Königstein zu einer uneinnehmbaren Bergfestung ausgebaut worden. In der Johann-GeorgenBurg saßen Isolationshäftlinge, potentielle Geheimnisträger und Gefangene höheren Standes, während für die unteren Volksschichten Straftäter im Kasemattenhof untergebracht waren.751 Den Königstein verstand man auch als Besserungsanstalt.752 In Ge745 746 747 748 749

Vgl. Bülau 1887, S. 30. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9686/17; Loc. 9705/18; ; ebd., Loc. 9688/3. Vgl. Böhm, Boris: Die Festung Sonnenstein um 1750, in: Schmidt 2000, S. 27–29. Vgl. Bülau 1887, S. 109. Zur Vollstreckung von Festungsbaustrafen standen danach nur noch die zwei Bastionsgefängnisse in Dresden und die Festung Königstein zur Verfügung. Vgl. Bretschneider, Falk: Gefangene Gesellschaft. Eine Geschichte der Einsperrung in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert, Konstanz 2008, S. 293. 750 Vgl. Pawluschkow 2000, S. 33. 751 Vgl. ebd., S. 37. 752 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14611/12.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

fahrensituationen wie dem schwedischen Einmarsch 1706 kamen Häftlinge aus anderen Gefängnissen zur Sicherheit auf den Königstein. 1723 wehrte sich der Kommandant der Festung, einen Wahnsinnigen namens Wetterstrohm aus der Festung Sonnenstein aufzunehmen, um nicht aus der „weltberühmten […] Curiosität“ der Festung Königstein ein „Tollhaus“ zu machen.753 Einige Insassen mit der Diagnose „Melancholia“ fanden sich aber dennoch auf der Festung ein. Der Königstein besaß höchste Sicherheitsstandards. Selbstverständlich wurden alle Anwesenden auf der Festung namentlich erfasst und genau visitiert. Die Existenz einer ständigen Garnison auf der Bergfestung sorgte für einen geregelten Wachalltag. Um einem durch Johann Friedrich Böttger bekannt gewordenen Fluchtkomplott 1706 zu begegnen, verschärfte der Gouverneur Wackerbarth die Bedingungen noch und erschwerte damit den Garnisonsalltag ganz erheblich. Es durften keine Aufsichten mehrere Tage nacheinander durch dieselbe Person gehalten werden, kein unerlaubter Dienst- und Postentausch der Soldaten erfolgen, keine Beurlaubung genommen werden, kein Kontakt zu den Arrestanten bestehen. Weiterhin waren die wöchentlichen Bestellungen für den Königsteiner Stadtmarkt von einem jedesmal neu zu bestimmenden Offizier zu erledigen. Die Einkäufe mussten von Soldaten oder Soldatenweibern heraufgetragen werden. Das Ziel jener Maßnahmen war es, jede geheime Korrespondenz der Arrestanten zu unterbinden. In der Tat scheiterte der bewusste Ausbruchsversuch. Um weitere zu verhindern, wurden die Maßnahmen nicht aufgehoben. Gegen diese Störung des geregelten Ablaufs wehrte sich der Festungskommandant mehrere Jahre bis 1710 und erreichte bei der höchsten Instanz, dass den Händlern das Feilbieten wenigstens am Gatter direkt unter dem Horn erlaubt wurde. Trotz dieser Sicherheitsstufen gelang es wohl gelegentlich, Post zu den Gefangenen durchzuschmuggeln: so wurde bei einer unangekündigten Kontrolle der Postboten ein unadressierter und undatierter Brief beim Königsteiner Festungsboten gefunden.754 Ab 1753 wurde deshalb die Magd Maria Dorothea Paulin als loyale Botin durch das Gouvernement-Kriegsgericht verpflichtet. Hier saß nicht nur der wegen Kryptokalvinismus angeklagte und später hingerichtete Kanzler Nikolaus Krell ein, sondern auch andere Calvinisten in Gesellschaft von vielen Kritikern der Fürsten, unbeugsamen Theologen, Steuerhinterziehern, Duellanten, Mördern usw. Der Leipziger Bürgermeister Franz Conrad Romanus saß wegen Veruntreuung der Stadtgelder ein, und der Alchemist Johann Friedrich Böttger wegen des Verrat des Arkanums zum ersten europäischen Porzellan. Als Romanus’ Fluchtversuch mit anderen Inhaftierten (Graf von Beichlingen, sein Vertrauter von Einsiedel, Johann Friedrich Böttger, Patkul und Hofrat Ritter) scheiterte, da Böttger die Flucht vorzeitig verraten hatte, musste Romanus 40 Jahre auf der Festung Königstein bleiben.755 Soweit bekannt, ist über die aktenkundigen Staatsgefangenen, die sich der Spionage bzw. dem 753 Zit. in: Scholze 1999, S. 28. 754 Vgl. ebd., S. 29. 755 Vgl. ebd., S. 25; FAK, Staatsgefangenen-Liste.

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heimlichen Paktieren mit dem Feind verdächtig gemacht hatten, folgende Informationsübersicht erstellbar. Tabelle 14: Bekannte Staatsgefangene (Spione und Landesverräter) Name

Wolf Dietrich von Beichlingen Hofrat Georg Gottlieb Ritter Johann Reinhold Patkul Franz Conrad Romanus

Zeitraum der Haft

Haftende durch Informationen zu Herkunft und Beruf Ent- Flucht Tod lassung 1703–09 X ehemaliger sächs. Oberstkanzler, Oberhofmarschall 1703- mind. Hofrat, Vizekanzler, 1709 Vertrauter Beichlingens 1704–07, (bis X Livland 9.9.1706 auf Sonnenstein) 1709–47 X Geheimrat und Bürgermeister zu Leipzig 22. August X Paladin von Russland, 1713 bis 10. Woiwode und KronfähnFebruar 1717 rich von Polen

Jan Stanisław Jabłonowski in Begleitung seines Sekretärs Valerian Wojecinsky und sechs Dienern Hans Hieronymus Nagel Christan Friedrich von Brand Michael Raack Gottlieb Vogel Comte de Saint-Hilaire

1716 1716–22 1724–35

Christian Heinrich von Watzdorf

1733–1741 oder 1747

Melchior Gurowski

1734

X

Franciszek Poniński

1735

X

Johann Daniel Trützschler Johann Georg Fritzsche Gottlob Geyer Herr von Heinicken Padra

1735–41

1715 1715–16, 1720

1747 1747 1756 1757

X

1. X

2. X X X

X

Schwedischer Kapitän Geheimer Kriegsrat von Sachsen-Merseburg Schweden oder Moskau Geheimer Kriegskanzlist französischer Schiffsadmiral Kammerherr, Hof- und Justizrat unter Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen Fähnrich von Kalisch und Starost von Kosten Stolnik von Posen und Starost von Kopanice aus Sachsen-Weißenfels Kesselsdorf Landsoldat aus Reichstädt

X

Preußischer Rittmeister

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Name

Zeitraum der Haft

Haftende durch Ent- Flucht Tod lassung

Avenarius

1757–

Benjamin Erfurth

1757, 1763–72

1. X

2. X

Friedrich Wilhelm Menzel Christian Friedrich Hertzer Albrecht Friedrich von Wilmsdorf-Prebendow Gotthelf Balthasar Hübler Dankgott Friedrich von Obernitz

1757, 1763–96

1. X

2. X

Johann Gottlieb Fischer Baron Borck von Wallenstein

1760–62, 1767–70 1760–63 (in Dresden) 1768–77

XX X X

1773–74 oder X 1778–79 1778–79 1807–08

X X

Informationen zu Herkunft und Beruf preußischen Advokat oder Resident in Mühlhausen Goldschmied, Schwager von Menzel sächs. Geheimer Kabinettskanzlist bei Graf Brühl Barbier aus Plauen/V. preuß. Generalmajor in sächs.Diensten Sekretär von Hertzer Sous-Leutnant beim Graf Solmschen InfanterieRegiment Vagabund Preuß. Hauptmann

Die Frage, wie ein solcher Staatsgefangener auf einer Festung gelebt hat, ist nicht verallgemeinernd zu beantworten. Es gab einerseits annähernd luxuriöse Aufenthalte, andererseits auch sehr harte Bestrafungen. Die Festungskommandanten unterschieden zwischen „weitem Arrest“ und „strengem Arrest“. Viele erhielten Schreibverbot, das bisweilen gelockert wurde. Ein Häftling vermutete, man wolle sich dadurch nur seiner Briefe und Gedanken bemächten.756 Die Verpflegungskosten beliefen sich auf meist vier bis sechs Reichstaler pro Monat, in Sonderfällen auch eine Einmalzahlung von 200 Reichstaler.757 Für adelige Gefangene konnten täglich zehn bis zwanzig Groschen ausgegeben werden, für die übrigen drei bis vier Groschen. Für den Großkanzler von Beichlingen standen monatlich 76 Reichstaler zur Verfügung, für seinen Bruder Gottlob Adolph, den Oberfalkenmeister, 64 Reichstaler, für den Hofrat Ritter 57 Reichstaler, und sie durften sogar mit am Tisch des Kommandanten speisen.758 Die Krankengeschichten der Häftlinge (Durchfall,

756 „Man hat mir schon zwey mahl verbothen, Briefe zu schreiben, und mir solches wieder erlaubet, vielleicht, um sich solcher zu bemächtigen.“ SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1389/8, Brief Linsingens, 12. Juli1800, unfol. 757 So beim Geheimen Kommerzienrat Wernicke 1762. Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 62. 758 Vgl. Bülau 1857, S. 229.

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Übelkeit, Magenschmerzen, Zahnschmerzen, geschwollene Beine, Delirium) samt der Behandlungsmaßnahmen (Pulver, Bäder, Elixiere, Aderlässe) sind teilweise dokumentiert, besonders gut im Fall Christian Friedrich Hertzers, der nach seiner Entlassung den Feldscherer einer versuchten Vergiftung bezichtigte.759 Der Verdacht bestätigte sich nicht, insgesamt bestand für die Häftlinge eine recht gute medizinische Versorgung. Betrachtet man nun die Fälle im Einzelnen, werden bald Parallelen zwischen den einzelnen Biographien sichtbar: Meist war es Abenteuerlust oder Gier, die jene Häftlinge ins Verderben stürzten. Ein Staatsgeheimnis war der anonyme französische Schiffskapitän, der von 1724 an mehr als zehn Jahre bis zu seinem Tod aus unbekannten Gründen einsaß und mit wenig Verpflegung auskommen musste. Man vermutet wegen des Begräbnisses an der Friedhofsmauer ein „gemeines Verbrechen“. Johann Friedrich von Wolfframsdorff saß über ein Jahr auf dem Königstein „wegen Abfassung des Portrait de la cour de Pologne“, das nicht die politischen Ziele Augusts II. beinhaltete.760 Wegen unterschlagener wichtiger Briefe, die in einem Lehnstuhl versteckt waren, kam der Hofrat Dr. George Samuel Ludovici gemeinsam mit seiner Frau 1735 in Haft. Da es aber nicht möglich war, die Kommunikation nach außen zu unterbinden und Ludovici in Wäschestücke genähte und mit Geheimtinte auf Teller geschriebene Mitteilungen erhielt, musste er mehrfach verlegt werden und saß in Dresden, Stolpen, Sonnenstein, Waldheim und Leipzig in Haft.761 Dennoch fanden Ludovicis Verwandte immer neue Wege, so dass es beinahe wie ein Sport anmutet, die Aufseher zu überlisten. Die vom König verfügte Umquartierung aus dem Dresdner Amtsstockhaus auf die Burg Stolpen stellte den Gouverneur vor erhebliche Probleme. Denn auf der Burg, die zu jener Zeit in großen Teilen noch von der Gräfin Cosel bewohnt wurde, fand sich kein Zimmer, das eine sichere Verwahrung ermöglichte. Stattdessen berichtete der Obrist, es seien die Fenster, Öfen und Schlösser ruiniert und reparaturbedürftig, und beim letzten Besuch der Gräfin Moszyńska seien zwei Pferde durch das morsche Holz der Zugbrücke gebrochen und hätten nur mit Mühe gerettet werden können.762 Auch das „Behältnüß“, in dem der Arrestant sicher und heil transportiert werden sollte, befand sich in keinem guten Zustand und war „nicht von der vorgeschriebenen Beschaffenheit“.763 Ludovici wurde mit einer Sicherheitspatrouille in ein Notzimmer der Burg geschafft, das zur Kommandantenwohnung gehört hatte und beräumt wurde. Mit dem Arrestanten war jegliche Kommunikation strikt untersagt; er erhielt weder Tinte noch Feder, Bleistift oder Papier. Ludovici wurde gemeinsam mit seinem Bedienten eingeschlossen und erhielt zum Essen unter Beobachtung Messer und Gabel. Sein Brot 759 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/7, Hertzer an Kurfürst Friedrich August III., 27. Juni 1770, f. 161. 760 FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 19. 761 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9687/2. 762 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14503/9, Bericht des Kommandanten Boblick vom 17. Dezember 1733, unfol. 763 Ebd., Bericht vom 21. Dezember 1733, Loc. 14503/9, unfol.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

musste jedesmal „wohl visitiret“ werden.764 Nachdem der Gouverneur Graf Wackerbarth die baulichen Schwierigkeiten dem König vor Augen geführt hatte, klärte sich ein Irrtum auf, da Ludovici eigentlich auf die Festung Sonnenstein gebracht werden sollte, was dann auch geschah.765 Wackerbarth regte an, die Schäden in Stolpen zu beheben. Eine Untersuchung über die sächsischen Gouverneure ließe weitere aufschlussreiche Entdeckungen erwarten. Auch eine vergleichende Studie über Staatsgefängnisse steht noch aus. 2.4.8 Orte und Räume des Klandestinen Der urbane Raum, also die von Stadtmauern umgebene städtische Lebenswelt, diente als Kommunikationsraum für offizielle wie auch inoffizielle Nachrichten.766 Einige Orte haben sich im Rahmen der Studie als besonders bemerkenswert herausgestellt. Zirkulierende Flugblätter, Gerüchte oder zensierte Literatur waren Ausweis einer an ihre Grenze gekommenen staatlichen Überwachung. Innerhalb des städtischen Milieus waren soziale Level vom Kanzleiboten bis zum Bürgermeister, vom Koch der Gesandtschaft bis zum Geheimrat und vom Fleischer bis zum Goldschmied in die geheimdiplomatische Praxis involviert. An verschiedenen sozialen Räumen und geographischen Orten innerhalb der Stadt verfing sich die ausgeübte Spionage immer wieder. Korrupte Bediente oder Abenteurer öffneten in Kanzleien und Archiven der Regierungsgebäude verschlossene Truhen und Schränke, um Abschriften wichtiger Papiere machen zu können oder gleich die Originale zu entwenden. Ertappte oder Verdächtige warf man in Stockhäuser und Gefängnisse zum Arrest, bevor sie entweder wieder auf freien Fuß kamen oder eine längere Haft in einer Festung antraten. Angesichts der klandestinen Vergesellschaftung sollte der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden, dass die von Geheimgesellschaften genutzten Salons und von Räuberbanden zur Operationsbasis umfunktionierten Keller diese Studie nicht weiter tangieren, weil Spionage sich nicht mit Kooperation in der Gruppe verträgt.767 Vielmehr ist ein Zusammenlaufen verschiedener Kanäle in der Zentrale zu beobachten, wo die Auswertung der Informationen erfolgte. Die Zielrichtung der sogenannten Geheimgesellschaften, das soziale Gefüge von innen heraus zu erneuern, war von anderer Natur als die Funktion der Geheimhaltung in diplomatischen Kreisen.768 Die Freimaurerlogen haben durch intensive Forschung auch einen Großteil ihres Mythos’ verloren und gelten nunmehr als „diskrete Gesellschaften“.769 764 Ebd., Puncta welche nechst guter Verwahrung bey dem Arrestanten Dr. Ludovici annoch zu observiren sind, unfol. 765 Vgl. ebd., Wackerbarth an Castell, undat., Loc. 14503/9, unfol. 766 Vgl. Bellingradt 2011, S. 28. 767 Zur Geschichte der Räuberbanden in Sachsen vgl. Gerstenmayer 2013. 768 Vgl. Schorn-Schütte 2006, S. 182. 769 Müller, Helmut: Die Meininger Loge „Charlotte zu den drei Nelken“ und ihre Einflussnahme auf das Bildungswesen im Herzogtum Sachsen-Meiningen, in: Meininger Museen (Hrsg.): Herzog

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Die Städte waren ein „medialer Resonanzraum“. Bereits ab den 1660er Jahren kann von einer städtischen Öffentlichkeit mit einer öffentlichen Meinung gesprochen werden, denn aus der Passivität der Bürger wurde eine „aktive Haltung des medialen Operierens“ auch der Illiterati.770 Während die Produktion und Verteilung von Flugpublizistik im Untergrund erfolgte, referierten die Blätter selbst auf die soziale Lebenswelt der Städte.771 Einige Städte stechen bei der Studie hervor, da klandestine Nachrichtenrouten sie verstärkt berührten. Als Knotenpunkte des Untergründischen können folgende Städte gelten: Dresden, Warschau, Leipzig, Hamburg, Berlin und Den Haag. Dresden und Warschau waren als Residenzen Ausgangs- und Zielpunkt von Spionage sowie Produktionsund Archivierungsorte von Geheimschriften der ansässigen Kanzleien. Leipzig besaß angesichts seiner Mittellage und hervorragenden Postanbindungen beste Ausgangsbedingungen, eine mächtige Messestadt mit einem dynamischen Druckmarkt zu werden. Die Hafenstadt Hamburg hatte sich allmählich als Drehscheibe des Untergrundes etabliert, da sie eine weitere „deutsche Pressehauptstadt“ war und mit dem dänischen Altona noch beste Möglichkeiten des überseeischen Verbreitens von Nachrichten und Versteckens von Heimlichkeiten bot.772 Nicht umsonst wurde dort 1691 ein französischer Spion enttarnt, der den kaiserlichen Hof von Hamburg aus auskundschaftete.773 Berlin stand als Hauptstadt des gefährlichen Nachbarn und ärgsten Gegners unter häufiger Beobachtung der Sachsen und war zugleich Ausgangsort massiver Spionageattacken gegen Sachsen. In Den Haag wurde ein „offener Handel mit Nachrichten“ getrieben.774 Da oft diplomatische Reisen als Bäderreisen getarnt wurden, waren die entsprechenden Orte wie Teplitz oder Karlsbad „inoffizielle Drehscheiben internationaler Beziehungen“.775 Durch die Langsamkeit bei Informations- und Truppentransfers bei der Überbrückung von Entfernungen gab es vielfältige Möglichkeiten, unterwegs eine Bevorteilung für sich bzw. Benachteiligung des Anderen herbeizuführen und die Angriffe abzuwenden. Der Weg wurde entsprechend als gefährliche Strecke wahrgenommen. Außerhalb der Städte waren Straßen, abseitige Wege und der Wald Schauplätze von Überfällen auf Boten und Postkutschen. An regulären Poststationen und extraordinären Positionen der Feldpostmeister fand rege Interzeption statt. In Wirtshäusern, die zum Pferdewechsel und zur Rast dienten, erfolgten versuchte und erfolgreiche Bestechung. Sie bündelten „wie in einem Brennglas“ die Ordnungsprobleme der frühneuzeitlichen Gesellschaft.776 Viele Wirte weigerten sich, für ihre Gäste Meldezettel auszufüllen und

770 771 772 773 774 775 776

Georg I. von Sachsen-Meiningen. Ein Präzedenzfall für den aufgeklärten Absolutismus?, Meiningen 2004, S. 96–101, 98. Schorn-Schütte 2006, S. 371. Vgl. Bellingradt 2011, S. 374. Ebd., S. 131. Vgl. La Decouverte 1691. Vgl. Legutke 2005, S. 64. Nolde 2013, S. 193. Schwerhoff 2006, S. 356.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

wollten keine „Hilfssherriffs“ sein, was die Arbeit der Fremdenpolizei an ihre Grenzen stießen ließ.777 Im Umkehrschluss kristallisieten sich die Gasthäuser mit ihren einigermaßen toleranten Wirten als ideale Treffpunkte für Untergründler heraus. Die Dörfer jedoch spielten bei Spionage, Interzeption und Kryptologie keine Rolle und wurden höchstens als Zwischenstationen auf dem Wege erwähnt. Da aber 80 % der Bevölkerung des Reiches außerhalb der Städte lebte, ist eine breitenrezeptive Wahrnehmung dieser Praxis nicht anzunehmen. In der Anlage von Gebäuden hat die Geheimdiplomatie in Form von Geheimarchitektur ihren Niederschlag gefunden. Versteckte Türen, Treppen, Gänge und Räume waren verbreitet. Im Dresdner Schloss ließ Kurfürst Moritz im neuen Westflügel eine „geheime Verwahrung“ für den Staatsschatz einrichten.778 Der Raum besaß einen separaten Zutritt, wurde aber auch von Kanzlisten und Dienern betreten. Hier verwahrte Kurfürst August in 14 Kästen höhere Geldbeträge verschiedener Währungen.779 Später wurde es ein „Hochsicherheitstrakt“, zu dem der Hof keinen Zugang mehr erhielt.780 König August II. richtete im Westflügel die Kunstkammer unter dem Namen „Grünes Gewölbe“ ein. Es ist heute der Öffentlichkeit als Museum zugänglich. Gleichermaßen zur Geheimhaltung vorgesehen war ein Raum im Obergeschoss des Georgenbaues, in dem König August II. eine „Confidentz-Tafel“ installieren ließ. Er konnte ungestört Gespräche führen und benötigte keine Diener, da der Tisch durch den Fußboden nach oben mittels einer von Hofmodel-Meister Andreas Gärtner geschaffenen mechanischen Konstruktion in den Raum gelangte.781 Bis heute sichtbar sind Geheimgänge im Herrenhaus Rossewitz bei Güstrow und in Sachsen beispielsweise in Zeitz und Geithain.782 Legenden zufolge soll das Zeitzer Gangsystem auf einem Gewölbegang zwischen dem Benediktiner- und dem Franziskanerkloster beruhen, der aber aus statischen Gründen gar nicht möglich war.783 Auch die These, dass die Keller und Tunnel der Bevölkerung in Notzeiten (Stadtbrände, Seuchen, Unwetter, Krieg) als Flucht- und Schutzbunker dienten, ist nicht haltbar, da anfangs kein geschlossenes Gangsystem bestand, sondern einzelne Gänge, die später miteinander verbunden wurden. Vielmehr scheint der Zeitzer Untergrund auf Räume für die 777 Ebd., S. 366. 778 Vgl. Sächsisches Staatsministerium der Finanzen (Hrsg.): Der Wiederaufbau des Dresdner Schlosses. Eine Baudokumentation, Dresden 2008, S. 17. An dieser Stelle sei den Herren vom Sächsischen Landesamt für Denkmalpflege und allen hilfreichen Denkmalpflegern herzlich für die Hilfe gedankt, insbesondere Winfried Werner und Norbert Oelsner. 779 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc 8693/29 sowie Loc. 8694/2. 780 Eckardt, Emanuel: Genie und Gier. Dresdens Grünes Gewölbe in neuem Glanz: Deutschlands größte Schatzkammer erzählt eine beispiellose Geschichte, in: Die Zeit, Nr. 36 (2006) vom 1. September 2006, URL: http://www.zeit.de/2006/36/A-Gewoelbe [12.08.2014; ASR]. 781 Vgl. Oelsner, Norbert; Henning Prinz: Die Residenz Augusts des Starken, in: Das Dresdner Schloss. Monument sächsischer Geschichte und Kultur, Dresden 1992, S. 72–78. 782 Den Hinweis auf Herrenhaus Rossewitz verdanke ich Herrn Winfried Werner. 783 Vgl. Drößler 2010, S. 7.

2.4 Querschnitte

221

Lagerung von Bierfässern um 1600 zurückzuführen sein.784 Somit besitzen unterirdische Gangsysteme nicht immer politische Hintergründe. Wie Funde ausweisen, wurden aber schon vorher tiefe Keller für Heimlichkeiten genutzt, z. B. als Andachtsstätte in der Zeit der Gotik, als Versteck für Jakobakannen aus dem 15. Jahrhundert, einen Münzschatz und Waffen oder als Mikwe in Zeiten der Judenverfolgung.785 Die Geithainer legten in der Frühzeit ihrer Stadt gleichermaßen einzelne Flucht- und Lagerräume an, die sie später miteinander verbanden. Es ist keine zielgerichtete Anlage eines Tunnelsystems anzunehmen, aber der vom Zollhaus durch die Stadtmauer ins Stadtinnere führende Gang dürfte für den Fall einer Belagerung angelegt worden sein, um einen Ausfall zu ermöglichen.786 In Coburg besteht die Legende von einem verdeckten Gang zwischen der Ehrenburg und der Veste. Es konnten jedoch bei mehreren Ausgrabungen keinerlei Spuren dieses Ganges entdeckt werden.787 Diese Gangsysteme wurden als Fluchtwege angelegt und konnten bisweilen auch als Weg für heimliche amouröse Abenteuer dienen. Die Festung Dresden verfügte an der Venusbastion über eine – wahrscheinlich unbewusst eingebaute – Abhörstelle, an der die Kurfürsten Moritz und August einmal belauscht worden waren, was ihr den Namen der „Horche“ verlieh.788 Aus Görlitz ist ebenso der Flüsterbogen als akustisches Phänomen der Portalarchitektur zu erwähnen. Der Wunsch, geheime Gespräche mitzuhören, hat die Menschen verschiedene Methoden ersinnen lassen. Ausgangs des 15. Jahrhunderts machten Venetianer ein Loch ins Dach des Dogenpalastes, um die vertraulichen Gespräche mitzuhören und das Neueste aus Konstantinopel zu erfahren.789 Bereits Mitte des 17. Jahrhunderts war die Idee einer Abhöranlage nicht unbekannt. In einem Werk zur Musiktheorie entwickelte Athansius Kircher 1650 eine „mira fabrica acustica“ genannte Abhöranlage mit einem schneckenförmigen Hörrohr, das in den Nachbarraum führte und hinter einer Büste getarnt war. Mit einer nach außen geleiteten Anlage sei sogar Gemurmel vom Markt vernehmbar.790 Er überarbeitete seine Idee für die „Neue Hall- und Thonkunst“ nochmals, die 1684 erschien (Abbildung 8). Durch ein Rohrsystem in den Wänden könnten die Gespräche aus verschiedenen Zimmern in einem Raum abgehört werden.791 Desweiteren beschrieb er auch die Möglichkeit, wie sich zwei Personen in weit entfernten 784 785 786 787 788 789 790 791

Vgl. ebd., S. 22. Vgl. ebd., S. 46 f., 55. Vgl. URL: http://www.altenburg-tourismus.de/node/427 [04.03.2014; ASR]. Vgl. URL: http://coburg-life.de/2011/02/der-geheimgang-von-der-veste-zur-stadt-teil-1/, http://coburg-life.de/2011/02/der-geheimgang-von-der-veste-zur-stadt-teil-2/, http://coburg-life. de/2011/02/der-geheimgang-von-der-veste-zur-stadt-letzter-teil/ [23.03.2012; ASR] Vgl. Papke, Eva: Festung Dresden. Aus der Geschichte der Dresdner Stadtbefestigung, Dresden 2007, S. 53. Vgl. Burke, Peter: A Map of the Underground: Clandestine Communication on Early Modern Europe, in: Gawlick, Günter; Niewöhner, Friedrich (Hrsg.): Jean Bodins Colloquium Heptaplomeres, Wiesbaden 1996, S. 59–71, 62. Vgl. Kircher 1650 f. 303, Abb. XVII.; Kircher 1684, S. 65. Vgl. Kircher 1684, S. 64.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

Abbildung 8: Abhöranlagen, aus: Kircher, Athanasius, Neue Hall- und Thonkunst, 1684, S. 114, SLUB, MB.4.3570

Zimmern heimlich miteinander unterreden können, sofern zwischen beiden ein im Mauerwerk versteckter ovaler Kanal besteht.792 Eine gute Akustik über größere Entfernungen, um etwa außerhalb eines Hauses Gespräche im Innern mitzuhören, sei durch einen längeren höhlenartigen gekrümmten Gang möglich.793 Allerdings hielt Athanasius Kircher seine „Kunstwerke“ selbst für „künstliche inventiones“ und konnte angesichts fehlender Vorarbeiten nur Hinweise geben, „wie solche schöne Erfindung zu Kriegs-Zeiten nutzlichen könne“.794 Er empfahl Bauleuten, die Anlagen versuchsweise nach seinen Zeichnungen zu errichten und diese für Konsilien, bei Fürstentreffen, bei Belagerungen oder in Gefängnissen zu nutzen.795 Aus einer belagerte Stadt heraus könne ein Code über akustische Signale dem Entsatzheer wichtige Informationen liefern und die Belagerer überwinden. Nicht zuletzt sei erwähnt, dass Kircher etliche in der Natur vorkommende Orte mit einer besonderen Akustik erwähnt hat, deren Wirkung den Einheimischen bewusst war und ihnen im Kriegsfall einen Vorteil einräumte.796 Die moderne Akustik bestätigt, dass das Abhören über sehr kleine Schlitze und einen 792 793 794 795 796

Vgl. ebd., S. 72. Vgl. ebd., S. 60. Ebd., S. 117, Titel. Vgl. ebd., S. 59, 73, 100. Beispielsweise Berg bei den Abyssinern, Berg in Persien, Britannischer Berg, ein Fluss in der Provinz Candora, Cucumern-Berg, Dalmatische Höhle, Eustachi-Berg, Gestade der Ägais usw., Vgl. ebd., Register.

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mehrere Meter langen Kanal funktioniert: das Gewölbe breche den Schall und bewirke eine Brennpunktbildung, wie sie auch in der Optik existiert.797 Um Lauschern keine Chance zu lassen, hielt der Fürst streng vertrauliche Unterredungen in seinem Arbeitszimmer ab, das in der Appartementfolge meist zwischen dem Audienzzimmer und dem Ankleidezimmer lag –im geschützten Kern des Schlosses. Gleichfalls empfahl sich die Besprechung bei einem Spaziergang im Garten des Schlosses, wo unter freiem Himmel weniger Lauscher zu vermuten waren. Seitens der Protagonisten sind mehr oder weniger beschränkte Handlungsräume und imaginierte Räume zu benennen. Illusionen von sicheren Räumen, einem ehrlichen Gegenüber und einem erlaubten Zugriff auf fremdes Eigentum lagen in der Perspektive der Herrschenden. Aber Heimlichkeiten in Abwesenheit und in Anwesenheit der Opfer und die Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit von Geheimnissen und Kommunikation legen die disparate Logik der Geheimdiplomatie offen. Der Horizont der Fürsten war auf seine politischen Pläne und ferne Regionen gerichtet, während die Denkräume der Angestellten allzuoft an der Unbezahlbarkeit des alltäglichen Lebens endeten. Zur Überwindung von Hindernissen überschritten sie die Grenze der Loyalität, um von einem anderen Ort ihren Sold aufgestockt zu bekommen. Dafür mussten Kontrollen überwunden und „kommunikative Umwege“798 geleistet werden. Unbeobachtetes Durchschreiten von Korridoren, Aufbau eines Lügengerüstes und Leugnen von Anwesenheit gehörten zum Repertoire von Spionen. Gerade die Abwesenheit ist ein Strukturmerkmal der Geheimdiplomatie. Zur Überbrückung von räumlicher Distanz ist das Einstehen eines Anderen, Vertrauenswürdigen erforderlich. Die Notwendigkeit von Vertrauen ergibt sich daraus, dass ohne körperliche Nähe und Sichtbarkeit eines Gegenübers „Löcher in der Interaktion und Kommunikation“ entstehen, die durch einen Stellvertreter nivelliert werden müssen.799 In der diplomatischen Kommunikation wurden die tatsächlichen Interessen mehr oder weniger verborgen, so dass oft die Wahrheit abwesend war. Durch Alkoholkonsum konnte eine Aufrichtigkeit „stimuliert“ werden, die nicht den Anwesenden galt, sondern den Abwesenden.800 In der doppelten Semantik des Agententums spieglte sich dieses Phänomen. Die als Prokuratoren tätige Agenten waren in ihrer tatsächlichen Identität gegenwärtig und kontrollierbar, während die als Kundschafter wirkenden Agenten ihre wahre Identität verbargen. Unsichtbar, aber dennoch im Raum aktiv, waren diese Spione abwesende Anwesende. Erst bei ihrer Enttarnung wurde ihre doppelte Identität sichtbar. 797 Vgl. Költzsch, Peter: Von der Antike bis ins 20. Jahrhundert – Ein Streifzug durch die Geschichte der Akustik (= Schriftenreihe zur Geschichte der Akustik. 1), S. 81–129. 798 Reinhard 2007. 799 Vgl. Schlögl, Rudolf: Vergesellschaftung unter Anwesenden. Zur kommunikativen Form des Politischen in der vormodernen Stadt, in: Ders. (Hrsg.), Interaktion und Herrschaft. Die Politik der frühneuzeitlichen Stadt, Konstanz 2004, S. 9–60. 800 Vgl. Martus 2006, S. 264.

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2. Aspekte der Geheimdiplomatie

2.5 Zusammenfassung An der Geheimdiplomatie beteiligt waren Gesellschaftsmitglieder verschiedener Schichten, Berufe, Nationalitäten, Religionen, Geschlechter sowie Bildungsgrade. Hier zeigte sich ein Schmelztiegel einerseits ambitionierter, risikobereiter Personen, die von Grenzüberschreitungen fasziniert waren und andererseits angstgeleiteter, in ihre Rolle gezwungener Akteure. Wegen der Vielgestaltigkeit ihrer Mitglieder gab es keinen typischen Habitus dieser Personen, sondern nur bestimmter Akteursgruppen. Einzig die Geheimhaltung der Praktiken, eine angestrebte Unauffälligkeit und die Intention, das Eigene zu beschützen, sind in allen Kontexten zu beobachten. Einige Akteure richteten ihr Handeln an Prestigegewinn, anderere an Einkommenssteigerung und dritte an Sicherheitszuwachs oder an ihrer inneren Überzeugung aus. Ein alle Akteure umfassendes Netzwerk bestand nicht, sondern vielmehr ein Ineinandergreifen verschiedener loser Netzwerke. Faktoren, die das Handeln beeinflussten, waren auf persönlicher, sozialer, sachlicher und intentionaler Ebene zu finden. Je nach Kontext traten bestimmte Faktoren in den Vordergrund. Vertrauen war ein zentraler Faktor für die Praxis der Geheimdiplomatie. Grundlage von Entscheidungen konnte bestenfalls eine Situationsanalyse auf der Basis aller Faktoren unter Einschluss einer reflektierten Perzeption sein. Das Problem der Abwesenheit war als Strukturmerkmal häufige Ursache dafür, geheimpolitische Methoden zu wählen. So war das Fehlen von Sicherheit, ausreichenden Informationen oder einer richtigen Perzeption ausschlaggebend für informelle Aktivitäten. Die Geheimdiplomaten produzierten ihre Risiken selbst, und sowohl Fürsten als auch Subalterne befanden sich in sozialen Gefährdungslagen. Durch die unterschwellig wirkenden Faktoren in der Diplomatie, die vor der Bevölkerung verborgenen Regeln und Strukturen sowie die von der Öffentlichkeit abgelehnten Praktiken ist auch der Begriff einer politischen Halbwelt angebracht. Es wurde sowohl beauftragte Geheimdiplomatie als auch durch Abenteurer nicht staatlich gelenkte Geheimdiplomatie betrieben und ergab ein Dickicht von in Umlauf befindlichen Informationen, undurchschaubaren Intentionen und verborgenen Identitäten. Die Informationspolitik bemaß sich an Wahrheit, Falschheit, Wirksamkeit sowie an Pünktlichkeit, Vollständigkeit und Exklusivität. Der finanzielle Aufwand für Geheimdiplomatie ist mangels Quellen nur in Einzelfällen genau ermittelbar. Religion bildete eine wichtige Kategorie bei der Akquise und in der Informationspolitik, da sich viele Anknüpfungspunkte an Personen und Orte der Geistlichkeit finden lassen. Die Geheimdiplomatie war ein Phänomen, das hauptsächlich in der Stadt und auf den Verbindungswegen zwischen Städten bzw. Orten auftrat. Naturgemäß konzentrierte sich die Geheimdiplomatie auf Knotenpunkte (Residenzen, Nachrichtenzentren, Kurorte, Messestädte). Dörfer kamen weniger damit in Berührung. Innerhalb der Orte waren Festungen, Gesandtschaftsgebäude, Kanzleien und Gasthäuser zentrale Stätten der Geheimdiplomatie.

2.5 Zusammenfassung

225

Eine Kooperation zwischen der diplomatischen und der militärischen Ebene bestand nicht, da die obersten Amtsträger die Informationszentrale des Hofes bildeten. Die Außenpolitik war präzise so organisiert, dass von außen Informationen einliefen und verarbeitet wurden, während von innen Informationen gezielt nach außen getragen wurden, um die Nachbarn, Verwandten und anderen Höfe über bestimmte Ereignisse in Kenntnis zu setzen. Unter besonderen Umständen, wie schweren politischen Krisen oder in Kriegen, wurde der Hof gezwungen, dieses System anzupassen. Dann wurden außen und innen gezielte Informationen gesammelt, analysiert und verwertet, Fremde beobachtet oder von bestimmten Informationen ausgeschlossen. Militärisches rückte deutlich in den Vordergrund, und es erfolgte eine Abschottung nach außen, indem der Informationsfluss weitgehend intern ablief. Nachrichten, die an Personen außerhalb des Zentrums gerichtet waren, gelangten vorwiegend verschlüsselt oder über gesicherte Kanäle dorthin.

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie Die bereits zu Beginn eingeführte Unterteilung des Methodenspektrums der Geheimdiplomatie soll nun im Weiteren detailliert erörtert werden. Die einzelnen Maßnahmepakete der defensiven, offensiven und aggressiven Form der Geheimdiplomatie kommen mit ihren Möglichkeiten und Grenzen, Vor- und Nachteilen zur Sprache. An dieser Stelle können die Anwendungsfelder umrissen werden; für spezielle Beispiele sei auf das Kapitel über Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit verwiesen. 3.1 Die defensive Geheimdiplomatie 3.1.1 Geheimschriften und Geheimsprachen Die Geheimhaltung durch Chiffrierung und Verbergen gehört der defensiven Form der Geheimdiplomatie an, da sie sich auf den Schutz des Geheimnisses eigener Wissensbestände ausrichtet. Die Kryptologie (griech. „kryptos“ – versteckt, verborgen, geheim) ist die Wissenschaft der technischen Methoden zur Informationssicherheit. Sie unterteilt sich in Kryptographie, der Lehre der Geheimschriften, und in Kryptoanalyse, der Wissenschaft des unbefugten Entschlüsselns. Beides wird noch ergänzt durch die Steganographie (griech. „steganós“ – bedeckt), der Wissenschaft, seine Gedanken derart zu notieren, „daß sie gegen unsren Willen Niemand zu entdecken vermag“, also gar nicht wahrgenommen wird, dass ein Austausch besteht.1 Die Klassifizierung nach Friedrich L. Bauer gibt einen Überblick über die Methoden der Kryptologie (Grafik 10).2 In der frühneuzeitlichen Diplomatie sind offene Geheimschriften, Tinten, Schablonen sowie Sondersprachen eingesetzt worden; Semagramme hingegen waren eher

1 2

Andres 1799, S. 1. Vgl. Bauer 1997, S. 26.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Grafik 10: Klassifizierung der Kryptologie

Verschlüsselungsmethoden von Amateuren.3 Die Unterscheidung in diplomatische Praxis und Liebhaberei ist an der Zielstellung der Autoren festzumachen: chiffrierten sie um der politischen Notwendigkeit der Geheimhaltung willen oder um sich wichtig zu machen und dem Rätselspaß zu frönen?4 Durch das Bestreben, Geheimes zu entdecken, und die darauffolgende Weiterentwicklung der Methode überholten sich Kryptographie und Kryptoanalyse im Verlauf der Geschichte einander mehrfach. Die Geheimschriften basieren auf mathematisch-kombinatorischen Sprachschemen, was gute Chiffreure zu ausgezeichneten Mathematikern und Logikern macht.5 Es bildete sich für die (De-) Chiffrierung ein spezialisierter Zweig innerhalb der Sekretäre und Offiziere heraus. Die Chiffrierung 3 4 5

Vgl. ebd., S. 10. Vgl. Wenzel 1997, S. 53. Vgl. Strasser 1992, S. 91; Hennings 1764, S. 81–83.

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

229

(arab. „sifr“ = nichts) kennt im Wesentlichen die folgenden verschiedenen Grundverfahren6: – Substitutionsverfahren = Buchstaben des Klartextes werden durch andere ersetzt. – Monoalphabetische Substitution = einzelne Buchstaben werden immer durch die gleichen Chiffren ersetzt. – Altbasch-Verschlüsselung = Chiffrierung besteht in der Umkehrung des Alphabets – Klopf-Methode = tabellarische Anordnung des Alphabets in 5×5 Felder – Raster/Würfel = Vertauschen von Zeilen und Spalten/Drehraster – Polyalphabetische Substitution = Der gleiche Klartextbuchstabe wird durch unterschiedliche Chiffren ersetzt und es kommen mehrere Alphabete zum Einsatz – Alberti-Methode = Chiffrierung durch zwei Alphabete – Vigenère-Chiffre = wechselnde Chiffre aus Buchstaben eines Schlüsselwortes – Chiffrierzylinder nach Thomas Jefferson = parallele Chiffren – Transpositionsverfahren = Die Buchstaben des Klartextes werden beibehalten, aber ihre Reihenfolge wird vertauscht. – Nomenklatoren Die sicherste und Mitte des 18. Jahrhunderts am weitesten verbreitete Methode war die polyalphabetische Substitution. Sie war in der Theorie bereits sehr lange bekannt, als sie in der Praxis Einzug hielt. Der große Kryptologe Alberti war in seinem Buch von 1466 nach drei bis vier Worten zum nächsten Alphabet übergegangen, Trithemius hatte 1518 bereits nach jedem Buchstaben ein neues Alphabet verwendet. Beide Varianten der periodischen polyalphabetischen Chiffrierung waren sehr sicher, aber auch sehr aufwändig. Deshalb hatten sie es schwer, sich gegen die Nomenklatoren der Monoalphabetischen Substitution durchzusetzen. Dennoch fanden sie Eingang in die politische Korrespondenz: 1590 in der Päpstlichen Kurie, 1654 durch die Aufständischen der Fronde, 1791 durch Marie Antoinette.7 Die Möglichkeiten der militärischen und diplomatischen Geheimhaltung wurden im Laufe der Geschichte immer ausgereifter. Die Kanzlisten professionalisierten ihre Methoden, und aus den anfänglich leicht zu durchschauenden Geheimschriften, bei denen das Alphabet verschoben wurde, Buchstaben umgekehrt und Worte vertauscht wurden, entsprang im Verlauf der Neuzeit ein schwer zu brechendes Codesystem aus Phantasiezeichen, Zahlenchiffren, Punkt- und Zeichenalphabeten mit eingestreuten Nonvaleurs, die keine Bedeutung besaßen.8 Die tatsächliche Anwendung kryptologisch 6 7 8

Vgl. die Website vom Projekt Kryptologie der TU Chemnitz, URL: http://www-user.tu-chemnitz. de/~uste/krypto/sources/bed.htm [10.03.2012; ASR]; Laszlo, Schmidt, Schulze 2005. Vgl. Bauer 1997, S. 130. Vgl. Art. „Geheimschriften“, in: LMA IV, Sp. 1172–1174, München 1989.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

möglicher Methoden in der Frühen Neuzeit ist, abgesehen von Einzelstudien, weithin unbearbeitet geblieben.9 Kürzlich wurde aus den überlieferten zahlreichen Bänden mit veralteten Nomenklatoren (den Auflösungstabellen zur Chiffrierung bzw. Dechiffrierung) eine Geschichte der Geheimschriften in sächsischen Akten publiziert.10 Die Geschichte der Kryptologie ist allerdings sehr gut erforscht, und es würde den Rahmen sprengen, hier eine ausführliche Darstellung zu liefern. Statt dessen mag es genügen, die wesentlichen Etappen im Verlauf der Neuzeit nachzuverfolgen. Die häufigste Form der Chiffre bestand zum einen aus der tabellarischen Aufstellung des Alphabets bzw. der Silben mit den dazugehörigen Ziffern oder Zeichen. Für mögliche Ergänzungen war genügend Freiraum gelassen worden. Vorgegeben waren alle Buchstaben oder auch Silben in deutsch, italienisch oder französisch (später auch mehrsprachig). Der Chiffrentyp wurde oft an den Besonderheiten der jeweiligen Sprache ausgerichtet, denn häufig sind für das vokalreiche italienisch Silbenchiffren verwandt worden. Auch konnten die Kanzlisten bis ins 17. Jahrhundert hinein auch noch Rücksicht auf die Vorlieben der Sekretäre nehmen und eine Chiffre mit Zahlen oder Zeichen wählen.11 Dazugehörig war bei größeren Chiffren fast immer ein Nomenklator, „noms propres“ oder „nomenclator“ genannt, der für die wichtigsten Personen jeweils eine eigene Verschlüsselung anzeigte. Der Nomenklator enthielt Nationen und Länder, Meere und Seen, Flüsse, Münzen, Wochentage, Monate, politische Persönlichkeiten des Reiches vom Kaiser über die Kurfürsten, Landgrafen, Bischöfe und Reichsstädte bis zu Militärs und den Funktionsträgern einzelner Staaten. So konnte man für England neben König und Königin auch den Prinzen von Wales, den Lord, das Parlament, das Oberhaus und die Whigs und Torys verschlüsseln. Zur besseren Handhabung erhielt man zwei Varianten desselben Inhalts: einmal alphabetisch sortiert zum Chiffrieren und einmal nach Nummern gelistet zum Dechiffrieren. Knapp die Hälfte der Chiffren enthalten auf der Rückseite den Namen des Inhabers bzw. eine Ortsbezeichnung oder eine Jahresangabe, selten alles gemeinsam. Auf einigen Nomenklatoren ist auch eine interne Nummer für den jeweiligen Adressaten angegeben bzw. weist die Ziffer des Deckblattes auf eine Durchnummerierung der Chiffren hin. Ein großer Anteil (geschätzt 60 %) ruht ohne jegliche Angabe in den Akten und ist leider für die Forschung beinahe unmöglich zu identifizieren, wenn man nicht alle Chiffren einzeln in eine Datenbank überträgt und miteinander abgleichen will. Die Konzentration auf einzelne Höfe oder Personen, die Sprache der Chiffre oder auch der Kontext des Beispielsatzes vermag eventuell zu einer Datierung einiger dieser anonymen Chiffren verhelfen. Eine solche Arbeit ist jedoch unter Berücksichtigung des Aufwandes im Vergleich zum Nutzen noch nicht geleistet worden. Der Bestand an losen Chiffren 9 10 11

Vgl. Herberger 1852; Dieterich 1891; Meister 1902; Ders. 1906; Dröscher 1921; Stix 1939; Bischoff 1954. Das Thema wird gestreift bei Matzke 2011. Vgl. Rous 2011. Vgl. Ernst 1992, S. 104.

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

231

ohne jede Angabe ist wahrscheinlich nur noch dahingehend von historischem Wert, dass der betriebene Aufwand der Geheimen Kammerkanzlei einem buchstäblich vor Augen steht. Die Meilensteine der Kryptologie-Geschichte Die Anfänge der Geheimkommunikation reichen bis ins Altertum zurück. Besonders einfallsreich war man auf dem Gebiet der Steganographie. Genannt seien u. a. das Fadenbrett von Aeneas, das Einnähen von Nachrichten in ein Hasenfell, die Notenchiffre oder das Verbacken in Kuchen.12 Im Mittelalter nutzte man die Caesar-Chiffre aus der Antike, also ein Ersetzungsverfahren, bei dem ein Buchstabe immer durch den nächstfolgenden im Alphabet ausgewechselt wurde. Dieses Verfahren entwickelten die Chiffreure weiter zur reziproken Vertauschung und nutzten auch andere Alphabete wie das Griechische, Hebräische oder Rabbinische.13 Im Spätmittelalter erfuhr die Kryptographie einen großen Aufschwung, der ganz Europa erfasste. Es sind auch Hinweise bekannt, dass die Eidgenossen die Briefe wegen kostbarer Informationen „mitunter verschlüsselt“ hatten und als Liebesbriefe tarnten.14 Der erste bekannte Nomenklator stammt aus dem Jahr 1379. Damals hatte Papst Clemens VII. bei seiner Flucht nach Avignon die Notwendigkeit einer sicheren Geheimschrift erkannt und seinen Sekretär mit einer solchen beauftragt. Daraus ergibt sich, dass das Schisma für die Entwicklung der Kryptologie durchaus förderlich war.15 Gabrieli di Lavinde erfand das Nomenklatursystem, bei dem die monoalphabetischen Substitution der Buchstaben durch eine Liste von Codewörtern, Silben und Namen handhabbar gemacht wurde und auf einen Bogen Papier passte. Die im Anfang mit einigen Dutzend Wörtern versehenen Nomenklatoren wuchsen in der Blüte der Kryptographie auf bis zu 2.000 oder gar 3.000 an.16 Viele Kryptologen haben in der Neuzeit entscheidende Fortschritte in der Methodik und Analytik bewirkt. Um dem Einbruch durch die Häufigkeitsanalyse zu begegnen, baute Leon Battista Alberti 1466 die erste polyalphabetische Verschlüsselungsscheibe mit zwei voneinander unabhängigen Alphabeten. Im Aufschwung der Renaissance und mit Einführung ständiger Gesandtschaften besannen sich die Diplomaten der antiken Geheimschriften und brachten die Fertigkeiten zur Perfektion.17 Doch zunächst dominierten die Geheimsprachen, die die größtmögliche Unauffälligkeit versprachen. So ist vom Nürnberger Rat ein Code bekannt, der 12 13 14 15 16 17

Vgl. Süss 1923, S. 145, 151. Vgl. Bischoff 1954. Würgler 2003, S. 308. Vgl. Weiß 2003, S. 93. Vgl. URL: http://www-user.tu-chemnitz.de/~uste/krypto/sources/gesch11.htm [10.03.2012; ASR] Vgl. Stix 1939, S. 454.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

für die Fürsten Vogelnamen verwandte und den Anschein erweckte, als tausche man sich über die Vogeljagd aus.18 Andere Geheimsprachen nutzten Begriffe aus der Botanik oder waren den Jahreszeiten angepasst. „Drei junge Pferde“ konnten die Fugger sein, und die Einnahme eines Ortes wurde durch den Fang eines Frischlings verklausuliert.19 Es ist die Geheimsprache, die abgesprochene Redewendungen gebraucht, somit eine andere sprachliche Kategorie als die Verwendung von Decknamen in einem Nomenklator. Während die Geheimsprache ein Kennzeichen des Spätmittelalters und des frühen 16. Jahrhunderts ist, sind Decknamen bis ins 18. Jahrhundert in den Nomenklatoren aufzufinden.20 Der Kaiserhof verwendete Chiffren erst in den letzten Regierungsjahren Maximilians I., und noch Karl V. wandte lieber die Geheimsprache als die Geheimschrift an, da von ihm in seiner langen Regierungszeit nur 39 Alphabete bekannt sind.21 Das Image der Kryptologen war bis ins 19. Jahrhundert hinein schlecht. Voltaire nannte sie „Scharlatane“, der Earl of Clarendon sprach von „Gauklern“.22 Den Kryptologen kam ein beinahe ebenso schlechter Leumund zu wie den Spionen. Demnach fand diese Methode in Mitteleuropa nur langsam Verbreitung. In Bayern war im Spätmittelalter die Zeichenchiffrierung noch nicht bekannt, sondern man beließ es bei Andeutungen und verließ sich auf den mündlichen Transfer, bis infolge der Reformation die konfessionellen Gegensätze zwischen Pfälzern (calvinistisch) und Bayern (katholisch) eine größere Geheimhaltung durch ein Kreuzalphabet erforderlich machten.23 Die Reformation hat demnach zur Verbreitung der Kryptologie beigetragen. Die in den Klöstern mit kryptischen Handschriften versierten Mönche bekamen nach der Aufhebung zahlreicher Klöster mit ihrem Können ausreichend Arbeit. Obwohl nur verdeckt tätig, tauchen ihre Namen immer wieder im Zusammenhang mit Geheimschriften und Spionage auf. Als Urvater der modernen Kryptographie kann der Abt Johannes Trithemius gelten. Seine achtbändige „Steganographia“ 1499–1518 enthielt Tabellen zu seiner Chiffriermethode, dem Ave-Maria-Code. Pro Buchstabe wurde dafür ein Wort verwendet, in dem der relevante Buchstabe eine bestimmte Position einnahm. Sein Buch wurde unter dem Verdacht der schwarzen Magie auf den Index gesetzt. Eine erste Entschlüsselung von Trithemius’ Werk gelang 1676 dem Berater des Mainzer Erzbischofs, Wolfgang Ernst Heidel, der sein Buch allerdings zur eigenen Sicherheit in einer eigenen Geheimschrift publizierte. Somit dauerte es bis ins Jahr 1998, dass Trithemius’ Chiffre gelöst wurde. 18 19 20 21 22 23

Vgl. Wagner 1884; Gümbel 1928. Vgl. Strasser 1988, S. 26. Biblische Decknamen waren noch im Dreißigjährigen Krieg verbreitet, da in Sachsen Octavio Piccolomini als „Monica“ und Lennart Torstensson als „Bonifacius“ gekennzeichnet waren. Vgl. SächsHStaD, 10024 GR (GA), Loc. 8485/4, f. 80. Vgl. Picard 1967, S. 142. Zit. in: Bauer 1997, S. 425. Vgl. Holzapfel 2008, S. 325; Rockinger 1892.

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

233

Ein anderer großer Kryptologe, Blaise de Vigenère, entwickelte eine 300 Jahre aktuelle Verschlüsselungsmethode, die erst durch statistische Analysen durch Babbage und Kasiski Mitte des 19. Jahrhunderts geknackt wurde. Kaiser Karl V. benutzte die Chiffrierung sehr häufig, da sein Territorium zersplittert war und Informationen oft durch feindliches Gebiet transportiert werden mussten.24 Mitte des 16. Jahrhunderts kam Giovan Batista Bellaso auf die Idee, eine Parole zur Verschlüsselung zu benutzen und sie mehrfach hintereinander aufzuschreiben, und darunter den zu verschlüsselnden Text zu notieren. Für jeden einzelnen Buchstaben der Parole gab es nun ein eigenes Alphabet, das zur Verschlüsselung des Klartextbuchstabens herangezogen wurde. Das System war aufwändig und nur solange sicher, wie die Parole geheim blieb. Andererseits konnte für verschiedene Sender eine je eigene Parole benutzt werden, was große Flexibilität mit sich brachte. Giovanni Battista della Porta beschrieb 1563 den damaligen Wissenstand zum Thema Geheimschriften.25 Er klassifizierte drei Systeme: – veränderte Buchstabierreihenfolge (Transposition) – veränderte Buchstaben (Symbolsubstitution) – veränderte Buchstabeneigenschaft (Alphabetsubstitution) Zusätzlich entwickelte er den ersten digraphischen Algorithmus, bei dem zwei Buchstaben durch ein Symbol dargestellt werden, und eine Form der Selbstverschlüsselung von Texten, die buchstabenweise die folgenden Geheimalphabete kundtun. Um 1590 entwickelte Blaise de Vignère verschiedene Geheimschreibsysteme, darunter auch einen angeblich unangreifbaren Algorithmus der polyalphabetischen Substitution. Er erstellte eine Matrix aus 26 Alphabeten, die mit jeweils einem anderen Buchstaben beginnen und ließ den Entschlüsselungsbuchstaben erscheinen, indem man in der Senkrechten den Klartextbuchstaben, in der Waagerechten aber den Parolenbuchstaben wählt und denjenigen Buchstaben, wo beide Linien zusammentreffen, sozusagen im Fadenkreuz, als Verschlüsselungsbuchstaben wählt. Heutzutage ist in diesen Code mit dem Coinzidenz-Index-Verfahren leicht einzubrechen, aber er bot jahrhundertelang eine gewisse Sicherheit. Bei diesem Verschlüsselungssystem wird ein bestimmtes Passwort immer wieder über den Text gelegt (Vigenère-Verfahren). Die Herausforderung, eine unknackbare Chiffre zu erfinden, reizte viele Wissenschaftler. Francis Bacon schuf der 1623 eine Frühform des heutigen ASCII-Codes. Das Verfahren setzte sich allerdings nicht durch, da es für die händische Chiffrierung zu umständlich war. Die Kryptologen waren mit ihren Ideen gewissermaßen ihrer Zeit voraus, konnten aber ohne automatisierte Maschinen keine praktikable Anwendung ihrer theoretisch richtigen Methoden realisieren.

24 25

Vgl. Stix 1939, S. 455. Vgl. Della Porta 1563.

234

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Abbildung 9: Symbolchiffre aus dem Dreißigjährigen Krieg, SächsHStAD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 8236/12, Bl. 28

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

235

Im Zuge der Standardisierung während der Frühen Neuzeit26 erfuhr auch die Kryptologie einen Wandel, der sich in einer Typologie von Zeichen zeigen lässt. Im 16. Jahrhundert wurden fast ausschließlich symbolische Chiffren verwendet, die in einfachen Substitutionsverfahren den Klartext verschlüsselten (Abbildung 9). Ende des 16. Jahrhunderts setzte sich die alphanumerische Kombinationschiffre durch, die im 18. Jahrhundert von umfangreichen Silbenchiffren und Nomenklatoren abgelöst wurde.27 Die Chiffrierung wurde besonders bei übermittelten militärischen Nachrichten und bei Gesandtenberichten verwendet. Im Krieg ist naturgemäß die Geheimhaltung von Plänen und Truppenbewegungen oberstes Gebot der Regierung. In der Geschichte hat die Kryptologie mehrfach eine große Rolle gespielt. Ob die Geheimpolitik Philipps II. von Spanien mit Papst Sixtus V. gegen die Hugenotten in Frankreich, die Landung Wilhelms III. von Oranien in England, der nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg – bei großen historischen Ereignissen ist die Kryptologie oft mit im Spiel. Einen besonderen Platz in der Geschichte hat die Geheimschrift Maria Stuarts, der gefangenen Königin von Schottland. Die Entdeckung, Interzeption und Entschlüsselung ihrer chiffrierten Post brachte sie auf das Schafott. Der Dechiffreur war John Wallis, der Begründer der Royal Society. Gleichermaßen wurden König Karl I. von England 1649 die Entschlüsselung seiner interzipierten chiffrierten Briefe zum Verhängnis. Die berühmt gewordenen Fälle der Kryptologie sind eine Kette von gescheiterter Geheimhaltung, während die erfolgreich geheimgehaltenen Verschlüsselungen der Geschichtsschreibung entgingen. Ausgangs des 18. Jahrhunderts wurde unter Mathematikern dann die Gitterchiffre mit ihren kombinatorischen Gesetzen diskutiert. In einem Buch von 1793 ist erstmals eine Gitterschrift dokumentiert, deren Chiffriervorgang (wie der Autor selbst zugab) sehr langsam vonstatten ging: angelehnt an die Multiplikation von Zahlen in einer Matrix wurden Buchstaben in einem Gitter notiert, wozu eine multipel drehbare Schablone diente.28 Zur Chiffrierung war die Schablone jeweils in die angegebenen verschiedenen Arten auszurichten. Ein Mathematikprofessor aus Leipzig, Carl Friedrich Hindenburg, bezog sich kurz darauf in einer mathematischen Abhandlung auf dieses Verfahren, das er als „Dlandolsche Chassis“ bezeichnete.29 Die 24 verschiedenen Methoden, eine Schablone mit vier Seiten auszurichten (1-2-3-4, 1-3-2-4, 1-2-4-3 usw.) mache die Stärke dieser Chiffre aus, welche die „feindliche Armee niederschmettern“ könne.30 Das Verfahren der Gitterschrift wurde eine Generation später in einem Kompendium erläutert, das den bezeichnenden Untertitel trägt: „Les secrets de nos pères“.31

26 27 28 29 30 31

Vgl. Behrisch 2008, S. 472. Vgl. Rous 2011. Vgl. Dlandol 1793. Hindenburg, Carl Friedrich: Über Gitter und Gitterschrift, fernere Äußerung des Ungenannten, in: Archiv der reinen und angewandten Mathematik 2 (1798), H. 5–8, S. 81–99. Dlandol 1793, S. 4. Lacroix 1858, § VII.

236

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Die erste Kryptographiemaschine entwickelte Thomas Jefferson 1795 und nannte sie „wheel cipher“. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts war es durch den Kasiski-Test möglich, die Länge des Schlüsselworts für die Vigenère-Methode zu ermitteln. Somit forderten Vernam und Mauborgne 1917, das Schlüsselwort müsse so lang wie der Klartext sein, aus statistisch unabhängigen Buchstaben bestehen und dürfe nur einmal Verwendung finden („One Time Pad“). Im Kalten Krieg wurden angeblich die Gespräche zwischen den USA und der Sowjetunion über das Rote Telefon mit dieser Methode geheim gehalten.32 Während des Ersten Weltkriegs begann die systematische und technisierte Arbeit einer kryptologischen Abteilung in der britischen Marine, bekannt als „Room 40“. Die Gegenspionage zur Enigma-Praxis sammelte in Bletchley Park mit Alan Turing u. a. Erfahrungen durch provozierte Funksprüche.33 1949 wurden zwei Voraussetzungen für sichere Verschlüsselung formuliert, die bereits für die früheren Jahrhunderte Gültigkeit besessen hatten: einerseits sollte der Zusammenhang zwischen Klar- und Geheimtext verschlüsselt werden (Konfusion), andererseits sollte die Klartext-Information über den gesamten Geheimtext verteilt werden (Diffusion).34 Mit Computerunterstützung entwickelten sich symmetrische Algorithmen, und Ende der 1970er Jahre wurde die asymmetrische Verschlüsselung erfunden. Zugleich kam mit der quantenmechanischen Kryptographie ein modernes Grundprinzip in Umlauf. Somit ist eine stetige Weiterentwicklung der kryptologischen Methoden zu konstatieren, die weiter andauert. Die Praxis des Geheimschriftwesens Die Durchsetzung des numerischen Systems hing mit den darin gebotenen Variationsmöglichkeiten zusammen. Im Dreißigjährigen Krieg hatten die Ziffern zwar schon die Symbolchiffre verdrängt, aber dennoch wurden noch Buchstabenchiffren verwendet. (Abbildung 10).35 Auch kreierte man bis ins 18. Jahrhundert hinein mit großem Erfindungsreichtum die kuriosesten Symbole parallel zum Siegeszug der Zahlenchiffre. August II. befahl, innerhalb der Ziffernkolonnen Symbole für Namen zu verwenden, um die Namen rascher zu finden und „umb dem curieusen dechifrante desto beßer zu betriegen“.36 Er glaubte, durch eine Vermischung größere Sicherheit zu erlangen.

32 33

34 35 36

Vgl. Laszlo, Schmidt, Schulze 2005. So zerstörte die englische Armee aufwändig Leuchtbojen, um den Begriff „Leuchtboje“ im Funkverkehr auffangen zu können und desto bessere Fortschritte bei der Entschlüsselung zu machen. Fünf Monate vor dem D-Day im Juni 1944 gelang der vollständige Durchbruch. Sogar in die 12-WalzenEnigma gelang der Einbruch. Vgl. Laszlo, Schmidt, Schulze 2005. Vgl. ebd. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc.  675/10, Desalleurs an L’Estocq, 3. Oktober 1743, f. 89; Loc. 2097/45, Chiffre Augusts II. mit geometrischen Figuren, März 1731, unfol.; Loc. 8236/12, f. 28. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8236/15, f. 42.

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

Abbildung 10: Alphabetische Verschlüsselung eines interzipierten Briefes, 1743, SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 675/10, Bl. 89

237

238

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Die Vorteile, mehr als nur ein Zeichen für ein anderes einzusetzen, gewannen erst bei der sich verstärkenden Fürstenkonkurrenz um 1700 an Bedeutung. Somit ist im 18. Jahrhundert eine Verkomplizierung der Chiffren bei gleichzeitiger Standardisierung der Nomenklatoren zu beobachten. Durch Formulare und den Wechsel zur Buchform sollte der Umgang mit den in schwindelerregender Menge benutzten Zahlen für die Sekretäre handhabbar gemacht werden. Wegen der häufigen Benutzung wurden die Chiffrenbücher und Nomenklatorenvermehrt aus Vordrucken erstellt, mit Leinen verstärkt oder auch mit Daumenregister angefertigt.37 Doch gab es mit den Vordrucken auch Probleme. So klagten die Berliner Dechiffreure, die Vordrucke seien nachlässig gemacht, es gebe ganze Passagen von Wörtern, die fast nie gebraucht würden und es sei schlecht zu blätterndes Papier.38 Auch würden Nonvaleurs und gültige Chiffren bisweilen durcheinander gebracht werden. Infolge dieser Klagen erließ Friedrich II. ein neues Kanzleireglement, um Missstände abzubauen. Wegen des hohen Zeitaufwandes wurden die Chiffren mehrfach verwendet, und teilweise gab es mehr als fünf Teilhaber. Inwiefern sie über die Namen der anderen Chiffrenteilhaber unterrichtet waren, ist nicht in jedem Fall bekannt und kann erst bei eingehenden Untersuchungen der chiffrierten Korrespondenzen jedes Einzelnen festgestellt werden. Es liegen aber Fälle vor, bei denen vier und mehr Teilhaber bewusst miteinander die Chiffre teilten.39 Um 1800 beschrieb ein Steuereinnehmer aus Leipzig eine Schablonenmethode, bei der wegen der häufigen Chiffrenwechsel statt des Buchdrucks nur eine Schablone gebastelt wurde, auf der die Buchstaben und wichtigsten Worte verzeichnet waren.40 Diese Schablone wurde nur an ein weißes Papier geklemmt, und in die ausgestanzten Felder konnten die Zeichen bzw. Zahlen eingetragen werden. Somit muss bei einem Chiffrenwechsel nur das untere Blatt ausgetauscht werden. Die Methode der Geheimhaltung war notwendigerweise so gewählt, dass sie den Umständen und den Fähigkeiten der Chiffreure angepasst war. Meistens besaßen die 37 38 39

40

Vgl. beispielhaft SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8236/11, f. 36–83, 84–106. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, L 12, fasc. 2, Brief Eichels, 26. Juni 1749, f. 32. Vgl. beispielhaft SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc.  4414/4, Chiffrenteilhaber Wilhelms von Grumbach, 1564–66, f. 285–298; Loc. 675/10, Chiffre von Ludwika Mniszek, Suhm, W. K. Meihska, P. Wielowharski, dem Starost von Bracław, dem Starost von Lemberg, Maz Tomen, Mniszek, 1750, unfol.; 10026 GK, Loc. 3234/1, Chiffre in Berlin, München, Köln, London und Turin 1740, unfol.; Chiffre in Mainz, Berlin, Bonn, Paris, München, Koblenz, 1740/41; GStA PK, I. HA Rep. 9 Manche Nomenklatoren enthalten auf ihrem Deckblatt bis zu neun Personen- oder Ortsnamen, allerdings ohne Jahresangabe, so dass eine eindeutige Zeitgleichheit nicht nachweisbar ist. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3234/1, Chiffre von Dieskau, Le Fort, Stadniecky, Ostermann, Munnich, Mengden, Brevern, Lynar, unfol.; Loc. 3234/2, Chiffre von Loß, Wiedmarckter, Königin Beider Sizilien [Maria Amalia, Königin von Neapel-Sizilien; ASR], Petzold, Kost, Vicedom, Kauderbach und Flemming, unfol.; Loc.  3234/1, Chiffre in Berlin, München, Bonn, Turin, Koblenz, Frankfurt, Paris, Polen, unfol. Vgl. Keil 1801, S. 49. Ich danke Maarten Bullynck (Paris) herzlich für diesen Hinweis.

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

239

geheimen Informationen eine kurze Halbwertszeit, was bedeutet, dass der Wert von Informationen rasch sank, so dass die Chiffre bestenfalls so aufwändig war, dass die Entschlüsselung erst gelang, wenn die Nachricht ihre Brisanz bereits verloren hatte. Dementsprechend hatten die Chiffrensekretäre die Balance zu wahren zwischen möglichst einfacher Handhabung und maximaler Komplexität einer Chiffre. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts ist eine kontinuierliche Verfeinerung der kryptographischen Methoden festzustellen. Für die geheime Korrespondenz der Gesandten und Informanten erstellten Geheime Ziffernsekretäre mit zunehmend ausgefeilter Verschlüsselungstechnik eine Vielzahl von Chiffren. Parallel dazu erhielten sie auch abgefangene chiffrierte Briefe ihrer Kollegen in Wien, Paris, Berlin usw., die entschlüsselt werden sollten. Die unterschiedlichen Sprachen der Korrespondenzen führte zu Chiffren in Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Latein, Russisch und Englisch. Übersetzungen einer Chiffre waren höchst selten.41 Die in den Sprachen unterschiedlichen Eigenschaften des Alphabets lassen einige Buchstaben häufiger als andere erscheinen: so hat das „y“ im Französischen einen erheblich größeren Anteil als im Deutschen. Auch haben gewisse Buchstabengruppen eine Neigung, zusammen aufzutreten. So kommt im Deutschen z. B. das „c“ meist in Verbindung mit „ch“, „sch“, „ck“ vor. Das Wissen über die häufigsten Buchstaben jedes Alphabets (im Deutschen: E, N, I, S, R, A, T) erlaubt den Dechiffreuren, eine Geheimschrift zu enträtseln. Schwieriger war die Decodierung bei Nomenklatoren, die für je ein Wort eine oder mehrere Zahlen enthielten. Die Codeknacker erstellten eine Liste aller im Text vorkommenden Zahlen und versuchten Sinn in den Text zu bringen. Die folgende Abbildung zeigt eine solche fortlaufende Tabelle mit Bleistift für unsichere und Tinte für sichere Auflösungen.42 Das Daumenregister zeugt von der um sich greifenden Effektivierung (Abbildung 11). Mit einem mathematischen Verständnis und kombinatorischem Geschick gelang es oft, in das Geheimnis der Chiffre einzubrechen und die gewünschten Informationen zu erlangen. Daneben half auch die Kenntnis über formelle Briefanfänge. So gelang dem Verfasser des ersten Kryptographie-Buches, Al-Khalil, um 750 im arabischen Raum der Einbruch, da der Wortlaut jedes Briefes mit „Im Namen Gottes“ begann. Diese Methode gilt heute als „known plain text only attack“.43 Die aufwändige Arbeit, den Gesandten regelmäßig eine neue Chiffre zu erstellen, nahm die Ziffernsekretäre sehr in Anspruch, so dass man Wege suchte, sich die Arbeit zu erleichtern. Dazu ging man bei der Ziffernvergabe sehr systematisch vor und vergab für aufeinanderfolgende Buchstaben auch aufeinanderfolgende Zahlen, was den Einbruch in das System sehr erleichterte: a = 12, b = 13, c = 14 usw. Auch die Methode 41

42 43

Vermerk auf einer Chiffre: „Dieser Chiffre ist aus dem Frantzösischen so d. d. Warschau den 12.Jul. 1760 an den Hn. Graffen von Flemming Exc. und den Hn. General Fontenay gesendet worden, auf die deutsche Sprache zum Gebraucht mit dem Residenten von Pezold gerichtet“. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/7. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 675/10, Chiffre decouvert par Goltz, 1746, unfol. Vgl. Laszlo, Schmidt, Schulze 2005.

240

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Abbildung 11: Dechiffrierbuch mit Daumenregister, 1746, SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 675/10, Bl. 99

241

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

der Zweierschritte mit Markierung von Doppelbuchstaben (Diphtongen), wie sie 1641 zwischen Bayern und Mainz verwendet wurde, war zu systematisch, um wirksam gegen geschickte Dechiffreure zu sein.44 Das Bemühen um Verheimlichung des Inhalts ging einher mit einer noch mangelhaften Einschätzung, wie sicher die Chiffrierung tatsächlich war. Die Kryptologie befand sich in einer Lernphase, in der durch Versuch und Irrtum herausgefunden wurde, wie eine Geheimschrift abzusichern ist. Durch den im 17. Jahrhundert noch seltenen Einsatz von Chiffren zog sich diese Lernphase bis zum Ende desselben Jahrhunderts hin. Die einfache Ersetzungsmethode hatte sich währenddessen in ganz Europa etabliert, wie das folgende Beispiel zeigt. Der Schlüssel des schwedischen Gesandten in Moskau, Gustav Oxenstierna, mit dem livländischen Generalgouverneur in Riga, Anders Torstenson, von 1674 bestand in einer einfachen Substitution jeweils einer Zahl je Buchstaben. Verwendet wurden die Zahlen zwischen 13 und 84, aber in willkürlicher Reihung, was hervorzuheben ist, denn eine solche unsystematische Reihenfolge war im Vergleich mit Sachsen schon ein Fortschritt.45 Tabelle 15: Unsystematische einfache Substitutionsschiffre a 39 h 27 o 40 u 17

b 20 i 63 p 15 w 16

c 73 k 53 q 64 × 38

d 35 l 44 r 74 y 59

e 50 ll 57 s 79 z 23

f 65 m 18 st 62 ä 45

ff 80 mm 70 t 46 ä 60

g 14 n 33 tt 84 ö 13

Auch in der Kurpfalz wurde ausgangs des 17. Jahrhunderts noch die einfache Substitution praktiziert, allerdings mittels Buchstabenvertauschung. In neun fast vollständig chiffrierten Briefen berichtete 1693 ein Unbekannter von unbekanntem Ort einem „Monsieur 53“ geheime Nachrichten über die Neutralitätspolitik gegenüber Frankreich.46 Nicht nur die wichtigen Begriffe und Passagen, sondern sämtliche Namen wurden durch Symbole verschlüsselt. Auch 1708 praktizierte man mit relativ simplen Varianten der einfachen Substitution in Form von Symbol-, Kästchen- und Silbenchiffren, die im Archiv in Wernigerode zu finden sind.47 Aus der Kanzlei Augusts II. von Polen ist überliefert, dass er 1704 die Chiffre des „Erbpostmeisters“ Bose mit Symbolen für die Namen ergänzen ließ, um diese im numerisch verschlüsselten Text leichter finden zu können.48 44 45 46 47 48

Vgl. Dieterich 1891, S. 46. Vgl. Chiffre des schwedischen Residenten in Moskau, Gustav Oxenstierna, mit dem livländischen Generalgouverneur in Riga, 1674, Historisches Archiv Lettland, CMDRL Riga, 1998-02-11, A. J. N. I., VIII Rußland-Polen (XIII), Teil 74, verfilmt von der Universitätsbibliothek Kiel, Signatur: S 895. LHASA, MD, H 82, Nr. 1110, f. 1–22. LHASA, MD, H 82, Nr. 1018. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8236/15, Erlass für die Kammerkanzlei, 5. Mai 1704, f. 36. Da eigentlich Johann Jakob Kees bis 1705 Oberpostmeister war, kann der jüngere Christoph Dietrich

242

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Allerdings erlebte die Kryptographie angesichts des steigenden Konkurrenzdrucks im europäischen Mächtesystem bald einen Qualitätssprung. Beinahe inflationär stieg der Gebrauch von Chiffren an. In dem Maße, wie sich die Schriftentwicklung vereinfachte, verkomplizierte sich die Geheimschriftentwicklung, um wirksam zu sein. So war die Verwendung von nur einer Chiffre pro Buchstaben(gruppe) schon um 1700 nicht mehr möglich, als der kryptographische Rüstungswettlauf begonnen hatte und bis zu vier verschiedenen Chiffren für einen Buchstaben zur Verfügung standen. Nun kamen auf einen Buchstaben mehrere Zahlen, aber auch hier wählte man in Sachsen der Übersichtlichkeit halber eine unsichere Methode, und gab z. B. dem „a“ die Nummern 108, 109, 110 und dem Buchstaben „b“ 202, 203, 204 usw.49 Dabei endeten alle Zifferngruppen auf -2, -3, -4 oder -5, -6, -7 oder -8, -9, -10. Durch Häufigkeitsstatistik und die graphische Darstellung von „Häufigkeitsgebirgen“50 konnte der Dechiffreur relativ rasch hinter den Code kommen, selbst wenn der Schreiber sich bemühte, die drei Zahlen für einen Buchstaben häufig zu wechseln. Immerhin bedeutete das Abwechseln der Zahlen auch für ihn einen großen Aufwand, so dass nur sehr wenige chiffrierte Schreiben die Möglichkeiten einer Chiffre ausschöpften. Die Korrespondenten verwendten zumeist die im Gedächtnis behaltenen Zahlen. Auch der Umfang der Chiffrierung wurde wegen des Zeitaufwandes auf ein Minimum reduziert. Die allerwichtigsten Briefe verschlüsselte man vollständig, während bei Zeitnot und weniger brisanten Inhalten auch nur Textbausteine chiffriert wurden. So schrieb der russische Gesandte in Warschau, Golembiewski, an seinen Kollegen in Berlin, Bestucheff, am 12. August 1747 folgenden Brief. Die Länge der im Text vorhandenen Chiffren – wahrscheinlich die Anzahl der Buchstaben – sind in Klammern ergänzt. Ich habe von dem [es folgen 5 Ziffern; ASR] vor welchen E. L. mir unterm 2.ten hui. Zu schreiben geruhen, dahier noch nichts gehört, werde aber so viel möglich ist mich bemühen, [62 Ziffern; ASR]. […] Zu zweifeln wäre es nicht daß [40 Ziffern; ASR] und sich mehr und mehr [25 Ziffern; ASR]. Sie trügen sich aber wenn Sie [36 Ziffern; ASR] so viel ich weiß [40 Ziffern; ASR] wenigstens so lange die jetzigen [42 Ziffern, ASR] folgl. Wird auch angedachter [4 Ziffern; ASR] wann gleich derselbe auch etwas [13 Ziffern; ASR] welches auf eine [101 Ziffern; ASR] einen unfehlbahren[22 Ziffern; ASR] Ja ich zweifle vielmehr daß selbiger sich in solche Sachen meliren dürffte [146 Ziffern; ASR] wird E E besser bewußt seyn müssen, ich habe dahier gehoret daß [125 Ziffern; ASR]

49 50

Bose d. Ä. dieses Amt nur zeitweise kommissarisch übernommen haben. Er war zu diesem Zeitpunkt wohl Rekonvaleszent, denn er hatte aus gesundheitlichen Gründen 1701 seinen Abschied aus dem Geheimen Rat genommen. 1705 fiel der streitlustige Protestant bei August II. in Ungnade. Kurz darauf begann er eine zweite Karriere als kaiserlicher Reichspfennigmeister. Von einem erblichen Postmeisteramt kann für Bose keine Rede sein. Vielmehr besaß Kees dieses Lehen in mehreren Generationen. Der auf der Akte notierte Titel eines „Erbpostmeisters“ ist demnach nicht korrekt. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/1. Bauer 1997, S. 276.

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

243

Wenn der Brief nun unterwegs abgefangen wurde, war es dem Sekretär, dem dieses Schreiben in die Hände kam, keine allzu schwere Aufgabe, durch Auszählen den Text zu entschlüsseln. Durch die im Klartext verwendete Sprache brauchte er nur die häufigsten Buchstaben dieser Sprache herauszufinden und dann mit etwas Knobelei die Lücken auszufüllen. Die Geheimsekretäre konnten bei der häufigen Dechiffrierung gewisse Muster erwarten oder lernten eine neue Methode kennen. Beide Möglichkeiten trugen aber zum Wissens- und Erfahrungswachstum der Geheimen Kanzlei bei. In diesem Stadium war die Entschlüsselung der Verschlüsselung oft deutlich überlegen. Der Umstand, dass die eigene Post ihr Ziel nicht sicher erreichte und die Erfolge der eigenen Geheimsekretäre ließen bei den Verantwortlichen die Erkenntnis reifen, dass ihre Geheimschrift weiterer Verbesserung bedürfe. Nur die unsystematische Chiffre in Verbindung mit einem Schreiber, der sich Zeit nehmen konnte, alle Variationen der Chiffre für den kompletten Text zu nutzen, versprach eine hohe Wahrscheinlichkeit, unentdeckt zu bleiben. Immerhin haben sich im Hauptstaatsarchiv Dresden auch Chiffren erhalten, die nicht vollständig entschlüsselt werden konnten (Abbildung 11).51 Die Vorgehensweise der Dechiffreure ist an folgendem Beispiel gut ersichtlich. Ein Schreiben des Grafen Wackerbarth an Hofrat Ritter wurde offenbar abgefangen, da der Adressat nur mit Fragezeichen notiert wurde: „Wackerbarth an Ritter?“52 Der über vier Seiten laufende Text enthielt zweistellige, mit Punkten voneinander getrennte Ziffern und am Ende die Unterschrift des Absenders neben dem Datum in Klarschrift. Der Kanzlist unterstrich sich nun alle wiederholt auftauchenden Kombinationen und kam somit zu dem Schluss, dass „74.86.51“ die Buchstabenfolge „ich“ bedeutete und „75.22“ die Silbe „en“, „52.20.22“ das Wort „von“ usw. Zudem versah er die häufigsten Ziffern mit einem kleinen Kreuz, einer Raute, einer Zacke oder einem Schrägstrich. Auf diese Weise markierte er die Buchstaben „e“, „n“, „a“, „s“ und „c“. Der Auflösung kam er wahrscheinlich relativ rasch näher, da die Blätter nur wenige Radierungen und Korrekturen des Kanzlisten aufweisen. Die Chiffre besaß mehrere Schwachpunkte: für den Buchstaben „c“ war nur eine Ziffer verwendet worden, und für das „e“ waren von den drei vorgesehenen Ziffern 57, 75 und 82 vorwiegend die ersten beiden eingesetzt worden. Hier beweist sich, dass ausgehend von den häufigsten Buchstaben, Silben und typischen Buchstabenkombinationen ein Einbruch in die Chiffren für routinierte Kanzlisten ein lösbares Rätsel darstellte. Sie dürften kaum mehr als ein paar Stunden dafür gebraucht haben. Dass sie gemeinsam an einer Chiffre gearbeitet haben, ist meines Er-

51

52

Eine halb ergänzte Chiffre des russischen Gesandten Graf von Keyserlingk ist nur unvollständig dechiffriert und enthält Bleistiftergänzungen, die darauf hindeuten, dass es sich um den abgebrochenen Versuch der Dechiffierung handelt. Ebenso liegen auch andere teilweise dechiffrierte Chiffren in den Akten. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3234/1. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8572/11 M-Z, f. 808–810.

244

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

achtens jedoch kaum zu vermuten, da höchste Konzentration und eine systematische Vorgehensweise sowie die ständige Arbeit mit allen chiffrierten Blättern erforderlich waren. Um eine große Absicherung einer Chiffre gegen Einbrüche zu erreichen, wäre es notwendig gewesen, einen Text in mehreren Sprachen zu verfassen, um die Häufigkeitsstatistik auszuhebeln.53 Obwohl diese Methode nicht angewandt wurde, verfielen die Kryptologen auf die Verfeinerung ihrer gängigen Praxis. Nicht mehr Buchstaben wurden verschlüsselt, sondern Silben und Worte, die in den NomenklatorenTabellen aufgelistet waren.54 Im Siebenjährigen Krieg gelangte die Kryptographie zu ihrer Blüte. Ein Beispiel lässt die Komplexität der Chiffren erahnen. Ende 1763 kamen aus Warschau verschlüsselte Nachrichten nach Dresden. Die Ziffernchiffre ver wendete dreistellige Zahlen mit Punkten dazwischen. Durch den dechiffrierten Text  zwischen  den Zeilen ist die Chiffre als kombinierte Wort- und Silbenchiffre erkennbar. Der Zeitaufwand der Sekretäre war angesichts des folgenden Beispiels enorm.55 Tabelle 16: Komplexität der Chiffren im Siebenjährigen Krieg pour 730. on 985. mes 968.

mettre 51. nous 444. te 457.

le 251. donne 961. r 831.

comt 335. ici 880. ri 828.

ble 166. sur 456. ble 166.

a 191. sa 392. s 843.

mon 223. san 396. . 759.

in 589. te 457. Dans 108.

qui 670. des 960. cet 925.

e 186. al 371. … …

tu 722. la 219.

de 111. r 257.

Als dann auch die Zeichentrennung mittels Punkten oder Abständen verschwand, war die Hilfestellung der Wortfuge für die Sekretäre verschwunden. Dabei ging man das Risiko ein, dass Sätze ohne Interpunktion und eindeutige Groß- und Kleinschreibung doppeldeutig sein können.56 Als weitere Erschwernis verwendeten die Kanzlisten nicht mehr nur ein- bis dreistellige Zahlen, sondern sogar fünfstellige Zahlen, um die Dechiffrierer aufzuhalten (Abbildung 12). Nun hatte die Verschlüsselung einen Grad erreicht, gegen den – bei Ausnutzung aller Möglichkeiten der Chiffren – auch ein findiger Sekretär so gut wie machtlos war. Viele interzipierte chiffrierte Schreiben blieben nun ohne Klartext. Anhand des folgenden Kriterienkataloges ist eine Abstufung der Komplexität von Chiffren möglich. 53 54 55 56

Vgl. Hennings, Justus Christian: Praktische Logik, Jena 1764, S. 82. Beispielhaft vgl. Mielke 1976. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2101/86, f. 20. Vgl. Bauer 1997, S. 39 f.

Symbolchiffre, Buchstabenchiffre, einfache numerische Chiffre mit monoalphabetischer Verschlüsselung, Transposition, Caesar alphanumerische Chiffre, numerische Chiffre, monoalphabetische Verschlüsselung numerische Chiffre, polyalphabetische Verschlüsselung, Substitution numerische Chiffre mit polyalphabetischer Verschlüsselung zusätzlich Nomenklator mit Silben zusätzlich Nomenklator mit Silben und Worten Vigènere-Verschlüsselung mit Codewort maschinelle Verschlüsselung Punktierchiffre mit Schablonen, Buch-Chiffre

1

8 9 10 11

7

5 6

4

3

2

Verschlüsselungsarten

Komplexität

10–15 –



7–10

4–7

2–3

1–2

0



3–5

2–3

1

Anzahl Anzahl der Zeider Non- chen für valeurs Vokale

Kriterien

3–5 –

3–5

2–3

3–5 –

1–2 1–3



nein

ohne Begrenzung zweckgebunden regelmäßiger Wechsel

zweckgebunden, keine Mehrfachverwendung zweckgebunden, keine Mehrfachverwendung, regelmäßiger Wechsel

zweckgebunden, evtl. mehrfache Verwendung

Einsatzdauer Anzahl Anzahl der aufeinanderder Zei- Zeichen chen für für seltene folgende häufige Konsonan- Zahlen im NomenKonso- ten (z. B. klator X, Y, Z) nanten 1 1 ja ohne Begrenzung, paralleler Einsatz

Tabelle 17: Kriterienkatalog zur Abstufung der Komplexität von Chiffren

ja



200–500 über 500

ja/nein ja/nein nein

100–200 nein

26–100

24–26

Anzahl Zeichender trennung Zeichen im Chiffriertext

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

245

246

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Abbildung 12: Nomenklator einer komplizierten Chiffre der Gesandtschaft in Wien, 1721–28, SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 675/10, Bl. 10

Die bestmögliche Geheimhaltung von Korrespondenz besteht indes in einer Kombination von Kryptologie und Steganographie. Insofern ist die Komplexität der Chiffre jeweils mit der verwendeten Methode des Transfers in Bezug zu setzen. Es stellt einen Unterschied dar, ob die Briefe mit einfacher Post, Extraboten, über persönliche Bekannte oder mit steganographischen Mitteln verborgen transportiert wurden. Im Verlauf der Jahrhunderte kann beobachtet werden, dass Extraboten und vertrauenswürdige Bekannte oftmals für eine sichere Übermittlung als ausreichend betrachtet wurden. Steganographie ist – ungeachtet ihrer vielfältigen Möglichkeiten – nur sehr selten angewandt worden und allenfalls in der Kryptologie-Literatur theoretisch beschrieben worden (vgl. den Komplexitätsgrad 8–11). Gerade Mitte des 18. Jahrhunderts, als sich die Kryptologie auf dem Höhepunkt befand, verließen sich die Kanzleien auf die Komplexität ihrer Chiffren, die im Siebenjährigen Krieg meist den sechsten Grad der Komplexität besaßen. 1763 brach die Klimax schließlich ab – mit dem Hubertusburger Frieden endet die Kryptographie-Hysterie schlagartig. Chiffrierte Schreiben sind in Sachsen nun wieder die absolute Ausnahme, während in Preußen weiterhin jeder Gesandte und hohe Militärbeamte einen Nomenklator erhielt. Offenbar zog Preußen aus der Erfahrung seiner

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

247

kriegerischen Praxis den Schluss, eingeübte Abläufe besser beizubehalten als bis zur nächsten großen Eskalation auszusetzen. In Sachsen jedoch lag die Präferenz auf einer einfach und schnell zu bewältigenden, wenn auch nicht sehr sicheren Korrespondenz. Ohne konkrete Konflikte war die Interzeption der Post nach Ansicht des Kabinetts wohl auch nicht zu befürchten. Einzig für die Heiratspolitik fand die Verschlüsselung bis zum Bauernaufstand noch Verwendung – so gab es im Laufe der Eheanbahnung des Kronprinzen Anton mit der Prinzessin Maria Carolina von Sardinien aus dem Haus Savoyen mehrfach diplomatische Verwicklungen über die Geschenke und die „Unersättlichkeit“ der Italiener.57 Es ist dieses eines der wenigen Beispiele, in denen die Albertiner Chiffren zum Zweck der Heiratspolitik verwendeten. Insgesamt sind für nur drei Vermählungen diese komplizierten Nachrichtenübermittlungen gewählt worden: neben jener aus dem Jahr 1781 noch 1738 mit Spanien58 und 1747 mit Frankreich.59 Zu erwarten gewesen wäre Geheimschrift in Zusammenhang mit der Eheanbahnung 1719 mit dem Kaiserhaus, wofür aber immer Klartext geschrieben worden war. Nach diesem Exkurs richtet sich der Blick wieder auf das ausgehende 18. Jahrhundert. Gewissermaßen im Hintergrund entwickelten sich die Chiffriermethoden im Laufe der Jahre weiter. In der Zeit der Aufklärung gewann die Verschlüsselung mit Hilfe von Buchseiten und –zeilen Anhänger, bei der man sich lediglich auf ein bestimmtes Buch einigen musste und dann für jedes Wort drei Ziffern angeben musste: Seite, Zeile, durchgezähltes Wort dieser Zeile.60 Luise von Anhalt-Dessau nutzte für delikate Privatmitteilungen eine Substitutionschiffre mit Symbolen.61 Von Goethe ist bekannt, dass er Verschlüsselungen liebte, die schwangere Christiane Vulpius als „schweres Geschütz“ bezeichnete und aus purer Liebhaberei 1815 mit einer Bekannten private Chiffrenbriefe wechselte, die sich an einen Lyrikband des persischen Dichters Hafis anlehnten.62 Diese Methode hat aber keinen Eingang in die sächsische diplomatische Verschlüsselung erhalten oder ist zumindest noch nicht in der diplomatischen Korrespondenz aufgetaucht. Auch im 19. Jahrhundert war die Geheimschrift eine gängige Möglichkeit, zu außerordentlichen Anlässen Geheimhaltung zu wahren. 1865 vereinbarten die Ministerialvorstände der ernestinischen Lande die Einführung einer Chiffrenschrift in besonderen Angelegenheiten.63 Als man zum Sedantag 1873 in Altenburg Tumulte befürchtete, erörterte die Regierung die Anwendung einer Geheimschrift mit dem Militär57 58 59 60 61 62 63

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 793/8, f. 81, 93, 122, 158, 165. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2829/2; Loc. 666/10; Loc. 783/2. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 789/1, f. 2. Dlandol 1793. Vgl. Anhaltisches Staatsarchiv Oranienbaum, Abt. Dessau, A 9 e, Ms. 15 (3), Tagebuch der Prinzessin Luise. f. 104–109. Ich danke Prof. Erhard Hirsch aus Halle sehr herzlich für seinen Hinweis. Vgl. Safranski 2013, S. 554, 355. Vgl. ThStAG, Staatsministerium Departement I, Loc. 4 III Dienstangelegenheiten, Nr. 14.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

kommando.64 1890 wurde eine Geheimschrift zwischen Zivil- und Militärbehörden gebräuchlich.65 Inzwischen war aber die Kunst des Chiffrierens ausgereizt, es kamen keine neuen Geheimschriften dazu, sondern allenfalls neue Techniken wie die Enigma oder das Funkchiffrieren. Eine ähnliche Inflation der Chiffrierung wie im Siebenjährigen Krieg erlebte die Welt vor dem Ersten Weltkrieg nicht wieder. Zusammenfassend kann die Geschichte der frühneuzeitlichen Kryptologie in vier große Phasen eingeteilt werden: eine Orientierungsphase66, eine Konsolidierungsphase, eine Professionalisierungsphase und eine Transferphase. Tabelle 18: Periodisierung der Kryptologie in der Frühen Neuzeit Phasen Orientierungsphase zweckgebundene Chiffrierung während der Konsolidierungsphase Professionalisierungsphase während der Chiffreninflation o Vorsprung der Dechiffrierung o Vorsprung der Chiffrierung zweckgebundene Chiffrierung mit technischen Neuerungen in der Transferphase

Zeitraum (bis um 1550) (ca. 1550–1700) (ca. 1700–1763) (ca. 1700–1740) (ca. 1740–63) (nach 1763)

Die generelle Entwicklung der Kryptologie im Verlauf der Frühen Neuzeit lässt sich auch auf Sachsen übertragen  – mit wenigen Ausnahmen. Geheimsprachen wurden nach dem 16. Jahrhundert eigentlich von der Geheimschrift abgelöst, doch späte Beispiele finden sich in Sachsen-Gotha und auch in Dresden.67 Der Gothaer Code aus dem Jahr 1737 nutzte für Namen Decknamen sowie für Begriffe völlig andere Worte, z. B. „Provision“ für „Munition“, „Mathematik“ für „Politik“, „Ecus“ für „Espion“, „Favori“ für „Agent“. Die Tradition biblischer Decknamen kommt darin zum Vorschein, dass für „ich“ „Abraham“ eingesetzt wurde. Im Dresdner Code zwischen dem kurzzeitigen Postmeister Bose und Wolfenbüttel standen antike Namen wie „Lucius“, „Remus“ oder „Scipio“ für hohe Amtsträger beider Höfe. August II. wurde passenderweise zu „Hercules“. Angesichts der Tatsache, dass allerorten zu dieser Zeit hochkomplizierte Geheimschriften Usus waren, erreichte man mit dieser aus der Mode gekommenen Methode eine hohe Unauffälligkeit und sichere Geheimhaltung. Im 18. Jahrhundert ist die Komplexität auch an der Chiffre zu erkennen, die August der Starke eigenhändig entworfen hat. Diese Geheimschrift ist in der Korrespondenz 64 65 66 67

Vgl. ThStAA, Ministerium zu Altenburg, Abteilung des Innern (1866–1922), Nr. 4092. Vgl. ThStAG, Staatsministerium Departement I, Loc. 4 III Dienstangelegenheiten, Nr. 14a. Die Renaissance gilt in der Sicherheitsgeschichte als „Inkubationsphase“. Vgl. Zwierlein, De Graaf 2013, S. 15. Vgl. ThStAG, GA, BBB, Nr. 96a; SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8236/15, Bose mit Steinberg in Braunschweig-Wolfenbüttel, undat., f. 41.

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

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zwischend dem Generalfeldmarschall Steinau und dem General Röbel in der Praxis angewendet worden.68 Hier wurde der chiffrierte Text zunächst in Kolonnen und Reihen unter- und nebeneinander geschrieben. Die Seite wurde sodann mit weiteren Kolonnen und Reihen gefüllt. Der Empfänger erfuhr nun durch eine ihm bekannte Substraktionsaufgabe zu ermittelnde Ziffer, bei welcher Kolonne er anfangen musste zu lesen und wieviele Zeilen jeweils geschrieben wurden. Der ermittelte Schlüssel „4.7.9“ bedeutete, dass der Leser ab der vierten Kolonne jeweils sieben Worte untereinander lesen sollte und dann zur nächsten Kolonne übergehen sollte, und dass insgesamt neun Kolonnen pro Seite vereinbart waren, was alle weiteren Kolonnen zu Nonvaleurs werden ließ. Nonvaleurs galten manchen Zeitgenossen als nützliche Waffe gegen die Dechiffrierung, andere lehnten sie ab. Der sächsische Kabinettsminister Graf Wackerbarth, der von den Vorteilen der Kryptologie nicht sehr überzeugt war, meinte, diese, ihm von dem Grafen Manteuffel empfohlene Methode sei nicht außergewöhnlich, und er wolle mit einem zahlreichen Einsatz von Nonvaleurs den Dechiffreuren Manteuffels lieber keinen Kummer mehr machen.69 Mit dieser Ansicht stand der Graf Wackerbarth aber allein. Die meisten Politiker befanden sich im Sog der Fürstenkonkurrenz. Der Niedergang im Siebenjährigen Krieg brachte 1763 schlagartig eine Vereinfachung der Chiffren in Sachsen mit sich: fast alle zwischen 1760 und 1800 verwendeten Chiffren kommen mit etwa fünf Nonvaleurs aus.70 In Sachsen hat das Geheimschreibwesen weniger Aufsehen erregt, da es nicht an den neuralgischen Punkten der sächsischen Landesgeschichte zum Vorschein kam und weil die Wettiner sich zumeist auf eine defensive Politikführung beschränkten. Den Visionären der Dynastie – Moritz von Sachsen und August II. von Polen – gelang eine erfolgreiche Geheimhaltung ihrer Methoden. So blieb der Einsatz von Geheimschrift oder -tinte der Forschung meistens verborgen, obwohl reichlich Quellenmaterial überliefert ist.71 Am prominentesten dürften die folgenden Beispiele sein. Im Siebenjährigen Krieg erhielt der sächsische Kurprinz Friedrich Christian vom Feldwachtmeister de Vela chiffrierte Kriegsnachrichten und vom Premierminister Brühl mit Geheimtinte 68 69 70

71

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2097/45; 10024 GR (GA), Loc. 8236/15, Chiffre mit dem Generalfeldmarschall Steinau und dem General Röbel, undat., f. 37. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3424/6, Graf Wackerbarth an Graf Manteuffel, 27. August 1727, unfol. So erhielt der Geheimrat Rudolf Graf von Bünau 1795 für seine Reise nach Kopenhagen eine recht einfache Chiffre mit 72 Zahlen und nur einem Nonvaleur. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8236/11, f. 129. Da in der Familie nur die drei Vornamen Heinrich, Rudolf und Günther vergeben werden, war die Identifikation dieses Rudolfs von Bünau nicht möglich. Beispielhaft vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 712/6, Korrespondenz zwischen den Grafen Wackerbarth und Flemming, Warschau-Lublin, Juli 1716, f. 62–68,124–125b, 210–211b, 274–278b, 292–300, 319–321b; Loc. 3234/6, Korrespondenz Sachsen-Italien, 1720–60, unfol.; Loc. 456/7; Korrespondenz zwischen den Grafen Manteuffel und Brühl, 1739, unfol.; Loc. 691/6, Korrespondenz zwischen dem Grafen Brühl und dem preußischen Staatsminister von Ilgen, 1700, unfol.; GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 843, Graf Brühl an die Gesandtschaft in St. Petersburg, 22.2.46, unfol.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

verfasste Briefe. Der Geheime Rat Werthern berichtete aus Regensburg in Chiffre von dem Gerücht, Frankreich beabsichtige mit schwedischer Hilfe die sächsische Kur von der Albertinischen Linie auf die Ernestinische Linie ins Haus Sachsen-Gotha zu bringen.72 Die inhaltliche Analyse dieser Quellen erfolgt in den späteren Kapiteln im jeweiligen zeithistorischen Kontext. Konnten sich Politiker der Chiffrierungspraxis in der Blüte der Kryptologie verweigern? Möglicherweise ja, denn der einflussreiche Minister August Christoph von Wackerbarth benutzte bis zu seinem Tode 1734 trotz seiner zentralen Position als Bauminister, Gouverneur, Gesandter und Generalfeldmarschall Augusts II. fast nie Chiffren. Vereinzelt existieren von 1707–09 Nomenklatoren zwischen ihm und Flemming sowie für seine Wienreise 1717. Während andere die Möglichkeiten der Verschlüsselung intensiv nutzten, lehnte Wackerbarth die Methode offenbar ab, obwohl er zu den Entscheidungsträgern und Beratern gehörte und demnach häufig brisante Nachrichten verschickte. In der Korrespondenz mit Flemming bevorzugte er es, statt einer Anrede „Tibi soli“ zu schreiben, um die Geheimhaltung zu wahren.73 Gelegentlich mahnte er auch deutlich an, delikate Angelegenheiten so geheim wie möglich zu halten, verschlüsselte aber den Brief nicht einmal ansatzweise.74 Sehr wahrscheinlich ist diese Post auf besonders vertrauensvollem Weg transportiert worden. Diese Beobachtung macht aber dennoch deutlich, dass erst unter August III. eine konsequente Verschlüsselung stattfand und dass auch militärische Nachrichten nicht in jedem Fall einer Chiffrierung bedurften, wenn sich jemand wie der Generalfeldmarschall August Christoph von Wackerbarth dieser Methode nicht bedienen wollte. Als seine Gemahlin ihn zeitweise als Korrespondentin in Wien vertrat, achtete er aber darauf, dass sie Chiffren erhielt und auch nutzte.75 Es ist allerdings eigentümlich, dass Graf Wackerbarth in anderen Zusammenhängen eine nachlässige Geheimhaltung kritisierte. So nahm er es „ungnädig“ auf, als ein Festungskommandant ihm geheime Mitteilungen von einem Arrestanten nicht eigenhändig schrieb, sondern diktierte, was jener mit einem verstauchten Daumen entschuldigte.76 Wackerbarths Ablehnung der Kryptologie ist also nicht mit Lässigkeit gleichzusetzen. Er konnte sich diese Haltung nur leisten, weil der Transfer abgesichert war, er zuverlässiges Personal hatte und weil offenbar keine Pannen in sicherheitsrelevanten Bereichen passierten.

72 73 74 75 76

Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8572/11, Extract der an Königl. Majt. in Pohlen von Herren Geh. Rath Werthern zu Regenspurg erstatteten Relation d. d. 28. Aug. 1702, f. 964. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3381/3. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1392/1, Wackerbarth an Obrist Gfug, 19. Januar 1715, f. 60. Vgl. Pons 2006, S. 76; SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 711/8, f. 75. Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14512/6, f. 48.

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

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Chiffrierfehler als unfreiwillige Feindbegünstigung Da die Sekretäre unter hohem Zeit- und Arbeitsdruck standen, passierten immer wieder Fehler. Neben Nachlässigkeiten, Unachtsamkeiten und Verwechslungen konnte es auch zu unverschuldeten Zwischenfällen kommen. Bei fehlgeleiteten oder abgefangenen Nachrichten war es notwendig, den Text abermals zu senden. Damit gab man dem Gegner eine Gelegenheit zum Einbruch in die Chiffre. Auf dreierlei Art ist eine doppelte Übertragung verhängnisvoll: – Klartext-Geheimtext-Kompromittierung: die Wiederholung der Übertragung in Geheimtext – Geheimtext-Geheimtext-Kompromittierung: die Übertragung desselben Klartextes in zwei verschiedenen Schlüsseln chiffriert – Klartext-Klartext-Kompromittierung: die Übertragung zweier verschiedener Klartexte, mit demselben Schlüssel chiffriert Diese drei großen Mängel werden ergänzt durch die bereits erwähnten Chiffrierfehler, die hier nochmals zusammengefasst werden: Interpunktion im Geheimtext, unzureichende Variation der Chiffren, mangelhaft eingefügte Nonvaleurs, zu lange Gebrauchsdauer von Schlüsseln, zu kurze oder verräterische Codewörter, plötzlicher Übertragungsbeginn ohne kontinuierliches „Grundrauschen“77, Mehrfachverwendung von Chiffren, unzureichender Schutz der Schlüssel vor Diebstahl und Kopie. All diese Chiffrierfehler sind im Verlauf der Frühen Neuzeit wiederholt gemacht worden und haben den kryptologischen Aufwand ad absurdum geführt. Es war einigen jedoch bewusst, dass der durch kleine Unachtsamkeiten entstandene Schaden enorm sein konnte. So hat 1725 der Kammerrat Leibe den Generalfeldmarschall von Flemming darauf hingewiesen, es bedürfe schwerer Chiffren mit mindestens 12 Zeichen pro „Einheit“, es sei ein häufiger Wechsel erforderlich und die Zahlen und Buchstaben dürften nicht nach ihrer Ordnung gestellt werden.78 In der Tat gab Flemming den entsprechenden Auftrag und erhielt von Leibe einen 20-seitigen Nomenklator.79 Aus den Chiffrierfehlern, die in den Kanzleien gemacht wurden, lernten die Sekretäre, so dass im Verlauf der drei Jahrhunderte die Kryptologie immer professioneller wurde. Als Maximen der Kryptologie haben sich einige Sätze herausgeschält, die bis heute ihre Richtigkeit behalten haben.80 Man soll den Gegner nicht unterschätzen. Nur der Kryptoanalytiker (Dechiffreur) kann die Sicherheit eines Chiffrierverfahrens beurteilen. Dem Gegner ist meist das benutzte System bekannt und nur der Schlüssel verborgen. Die Überwachung eigener und verbündeter Einheiten ist mindestens so 77 78 79 80

Benjamin Bühring auf dem Workshop der International Intelligence History Association. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 692/7, Avertissement, 14. März 1725, f. 194, unfol. Vgl. ebd., f. 195/1–195/20b. Vgl. Bauer 1997, S. 204 ff.

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wichtig wie die Beobachtung des Gegners. Um alle Chiffrierfehler zu vermeiden, wäre der ideale Klartext „orthographisch falsch, sprachlich knapp, stilistisch grauenhaft“, schrieb Bauer noch 1997.81 Diese Aussage trifft auf heutige Verschlüsselungen nicht mehr zu, denn die modernen Durchmischungsverfahren und der Einsatz von Zufallsgeneratoren erlauben eine hochgradig störgesicherte Übermittlung auch von sprachlich ausgefeiltem Klartext. Zum Quellenwert der Nomenklatoren Zur praktizierten Chiffrierung der Korrespondenzen sind neben den verschlüsselten Schreiben die überlieferten Nomenklatoren eine Quelle von großer Bedeutung. Die Zeitgenossen unterschieden nicht zwischen „Chiffre“, „Alphabet“ und „Nomenklator“, allerdings soll an dieser Stelle der moderne Begriff des Nomenklators für jene  Tabellen Verwendung finden, mit deren Hilfe Briefe ver- und entschlüsselt wurden. Im Sächsischen Hauptstaatsarchiv beläuft sich die Zahl der überlieferten Nomenklatoren auf mehrere Tausend. Problematisch bei dieser Quellensammlung ist jedoch ihre große Unordnung, denn nur einer Akte liegt ein Inhaltsverzeichnis bei. Die gesammelten Chiffrenbücher in den Archiven enthalten eine Loseblattsammlung von Chiffren, die nach vollendeter Mission oder Erhalt einer neuen Chiffre von den Gesandten zurückgegeben wurden. Innerhalb einer Akte sind einzelne Chiffren, die in einem Sinnzusammenhang stehen, zusammengebunden. Dieser gemeinsame Kontext mehrerer Chiffren kann eine Gesandtschaftsreise, eine bestimmte Person, ein bestimmter Hof oder ein Nachlass sein. Häufig ist aus einer beliebigen Deckelnotiz wie „Paquet von unterschiedlichen Chiffres“ oder „Alte Chiffres“ nicht ersichtlich, aus welchem Grund bestimmte Chiffren gebündelt sind. Fast ausschließlich sind Chiffren aus etwa einem Jahrzehnt ohne Systemmatik in einer Akte zusammengelegt, was die Auffindbarkeit einer bestimmten Chiffre kaum möglich macht. Das stellt große Probleme dar, wenn z. B. aus der Betitelung „Wiener Chiffre“ nicht hervorgeht, ob es sich hier um die Chiffre eines sächsischen Gesandten in Wien handelt oder um die (interzipierte) Chiffre der Österreicher. Des Weiteren ist zu bedenken, dass diese Überlieferung bruchstückhaft ist. Dieser Umstand widersprach aber dem Kanzleireglement, demzufolge der Geheime Sekretär jede Chiffre akkurat in ein besonderes Blatt, worauf Name und Ort „mit großer Schrifft“ zu notieren war, einzulegen hatte.82 Die enorme Fülle an überlieferten Nomenklatoren im Sächsischen Hauptstaatsarchiv sticht dennoch gegenüber anderen Archiven heraus. Hier ist die Forschung in der glücklichen Lage, dass in Sachsen wohl eine äußerst gewissenhafte Archivierung er81 82

Ebd., S. 209. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 937/7, Kabinettsreglement, 13. Juli 1728, f. 120–157, 154.

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Grafik 11: Überlieferung von Nomenklatoren

folgte, wohingegen in Berlin und Wien beispielsweise ein Großteil der Nomenklatoren verloren gegangen ist oder vernichtet wurde. Im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv sind nur neun Konvolute zu finden, in denen 301 Nomenklatoren datiert bzw. etwa datierbar sind, 111 jedoch ohne Jahresangabe vorliegen. Der Schwerpunkt der Wiener Überlieferung liegt  – anders als in Dresden  – auf dem 16. Jahrhundert. Eine Grafik zeigt für Sachsen deutlich die Bedeutung von Chiffrierung im frühen 18. Jahrhundert (Grafik 11). Es ist zu vermuten, dass angesichts der geheimdiplomatischen Aufrüstung Mitte des 18. Jahrhunderts in Wien ebenso eifrig chiffriert wurde, jedoch die meisten Nomenklatoren vernichtet wurden und heute nur noch ein Bruchteil erhalten geblieben ist. Der deutliche Anstieg im Zeitraum der Sächsisch-Polnischen Union kann – selbst unter Einbezug vieler Überlieferungsverluste – nicht geleugnet werden. Der Zusammenbruch Kursachsens nach dem Hubertusburger Frieden und die stabile Situation Preußens ist ebenfalls anhand der Nomenklatorenanzahl sichtbar. In Preußen wurde das Geheimschreibwesen auch nach dem Siebenjährigen Krieg weiter gepflegt, während es in Sachsen rückläufig war. Auch wenn hier wiederum Überlieferungslücken und undatierte Nomenklatoren einkalkuliert werden müssen, so ist angesichts der weniger oft chiffrierten Korrespondenz nach 1763 in Sachsen stark davon auszugehen, dass hier das Chiffrierwesen stark nachließ, wenn nicht gar einschlief. Da die folgende Grafik auch in Österreich einen Rückgang der Kryptologie nahelegt, kann vermutet werden, dass die Entwicklung an den Höfen nicht überall gleich verlief (Grafik 12). Eine genauere Betrachtung der einzelnen Nomenklatoren kann interessante Details der Kanzleiarbeit ans Licht bringen. Nach abgeleisteter Mission mussten die Chiffren wieder in der Kanzlei zurückgegeben werden, wo sie archiviert wurden. Häufig sind in Nachlässen von Geheimen Räten oder Gesandten auch noch Chiffren aufgetaucht, wie auf deren Deckblättern notiert wurde. In Einzelfällen reichten auch Witwen die gefun-

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Grafik 12: Zeitliche Verteilung der überlieferten Nomenklatoren im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien

denen Chiffren ihres Mannes ein.83 Auf die eingegangene Chiffre schrieb der Kanzlist die Zuordnung mit dem Namen des Gesandten, Jahr und Einsatzort, wobei selten alle drei Angaben vollständig angegeben wurden. Bezeichnend ist folgende Aufschrift: Dans cette feuille ils se trouvent des Chiffres aux quels on a oublie d’ajouter les années et les noms de ceux qui en ont été pourvûs84

Besonders nachlässig verzeichnete der Graf von Flemming seine Nomenklatoren. Die Hälfte der in seinem Nachlass gefundenen Tafeln tragen keine Angabe oder sind mit kaum auflösbaren Kürzeln markiert.85 Das ist umso bedauerlicher, als Flemmings Mappen die umfangreichste Nomenklator-Sammlung aus der Zeit Augusts II. darstellt. Bisweilen läßt sich aus Namensnennung und Jahr der Einsatzort rekonstruieren. Hierbei muss aber beachtete werden, dass die Zeitangabe oft nur das Datum der Rückgabe widergibt und keine Rückschlüsse über die Dauer des Gebrauchs erlaubt. Ein großer Teil der Nomenklatoren enthält gar keine Angaben. Das kann damit zusammenhängen, dass die Chiffre vorrätig gewesen und noch nicht benutzt oder aber unverzeichnet abgeheftet worden ist. Wahrscheinlich sind beide Fälle vorgekommen, da solche unspezifizierbaren Nomenklatoren mit und ohne Gebrauchsspuren überliefert sind. Insgesamt sind im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden 1323 Nomenklatoren überliefert und damit mehr als dreimal so viele wie im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv mit seinen 412 Nomenklatoren. Diese breite Überlieferung bietet interessante 83 84 85

„Mad. de Vattel apres la mort de son marie 1768“, Aufschrift auf einem Nomenklator in: SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/7, unfol. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/1, unfol. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/2; 3234/5. So ist beispielsweise „N. in Ha.“ oder „V. in Mo.“ aufzulösen für die Gesandten in Hannover und Moskau, Georg Sigismund Nostitz und Wolf Heinrich von Venediger. Die Vorarbeit von Judith Matzke ist als Nachschlagewerk hierbei unerlässlich.

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Einblicke in die Praxis der Geheimschriften am Dresdner Hof. Sofern eine lokale Zuordnung möglich ist, zeigt die statistische Auswertung die folgende Abstufung für die wichtigen Residenzstädte (Grafik 13). Die Datenerfassung gibt Auskunft darüber, welche Einsatzorte auf den Nomenklatoren genannt bzw. eindeutig aus den Namens- und Jahresangaben rekonstruiert werden konnten. Die Korrespondenz der Gesandtschaft in Russland schien dem Dresdner Hof also am meisten schützenswert. Bei der Interpretation dieser Übersicht müssen natürlich Lücken und Schieflagen hinsichtlich der Überlieferung und der nicht eindeutig lokalisierbaren Nomenklatoren berücksichtigt werden. So ist die Exposition Stockholmer Chiffren der umfangreichen Sammlung aus dem Nachlass Dietrichs von Bose zuzuschreiben. Obwohl er nur zwei Jahre vor Ort war, besaß er eine große Anzahl von Nomenklatoren, war also stark vernetzt. Insgesamt ist zu konstatieren, dass Gesandtschaften nach Rom, Regensburg oder Kopenhagen überraschenderweise recht weniger mit Nomenklatoren ausgestattet wurden. Am häufigsten besaßen Gesandte in St. Petersburg eine Chiffre, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass während des Siebenjährigen Krieges die Allianz mit Russland vor Preußen geheim gehalten werden musste und zu dieser Zeit die Kryptologie auf ihrem Höhepunkt war. Hinsichtlich der Namensnennungen auf den Deckblättern der Dresdner Nomenklatoren ergibt die Auszählung eine interessante Übersicht zu den häufigsten Besitzern (Grafik 14). Wegen der gleichzeitigen Anstellung mehrerer Familienmitglieder einiger Adelsdynastien wie beispielsweise Loß und Suhm konnte keine individuelle Zuordnung erfolgen. Deshalb sind diese Nennungen in der Grafik nach ihren Geschlechternamen zusammengefasst worden. Gleichfalls sind auch die allgemeinen Bezeichnungen von „Hof “, „Cour“, „Kabinett“, „Minister“ mit insgesamt 33 Nennungen eigens aufgeführt. Die Zahl der Chiffren, die ohne alle Angaben überliefert sind, beläuft sich auf 321, was 24 % aller im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden überlieferten Nomenklatoren entspricht. In welchem Maße die Märzrevolution eine Bereinigung

Grafik 13: Lokale Schwerpunkte der sächsischen Nomenklatoren

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

von Beständen vornahm und deshalb frühere Interzepte eventuell verloren gingen, ist heute nicht mehr zu rekonstruieren. Allerdings ist es auffällig, dass kaum abgefangene Post aus dem 16. und 17. Jahrhundert im Wiener Staatsarchiv zu finden ist, während diese in Dresden reichhaltig vorliegt. Allerdings müssen die Angaben unter dieser Unschärfe mit Vorsicht behandelt werden. Die Grafik offenbart, dass der am sächsisch-polnischen Hof einflußreiche Marquis de Fleury vergleichsweise wenige Chiffren besaß. Bei weitem die meisten Nomenklatoren sind von dem Grafen von Flemming überliefert. Auch wenn dieser als dirigierender Minister Augusts II. stark in die politische Korrespondenz eingebunden war, ist der Unterschied zu dem Grafen von Brühl eklatant. Entweder sind vom Grafen Brühl die meisten Nomenklatoren größtenteils nicht überliefert, oder Brühl besaß tatsächlich nicht so viele Nomenklatoren, da er als Gatekeeper und oberster Amtsträger ohnehin sämtliche Korrespondenz zu lesen bekam.

Grafik 14: Häufigste Besitzer der sächsischen Nomenklatoren

3.1 Die defensive Geheimdiplomatie

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Regelmäßig findet sich der Hinweis, dass die Chiffre mehrfach verwendet wurde, indem verschiedene Einsatzorte und -zeiten oder auch Namen untereinander aufgelistet sind und bisweilen die oberen unkenntlich gemacht wurden. Es zeigt sich, dass die Nomenklatoren teilweise starke Benutzungsspuren aufweisen. Nur selten ist ein Vermerk „ist nicht gebraucht worden“ auffindbar, wie bei der Chiffre des Kammerobristen von Sacken in seiner Mission in St. Petersburg 1763 und 1768.86 Warum eine umständlich entworfene und niedergeschriebene Chiffre nicht zu ihrer Bestimmung verwendet worden war und auch später nicht zum Einsatz gekommen ist, bleibt unklar. Möglich sind andere geheime Kommunikationskanäle, die vorher nicht bekannt waren, z. B. vertraute Übermittler oder unerwartete persönliche Zusammentreffen. Am Rand eines jeden Nomenklators ist ein Beispielsatz chiffiert. Die Wahl fiel meistens auf einen Satz mit aktuellem Bezug, was eine Datierung manchmal erleichtert. Aus den Jahren 1720–60 gab es Sätze wie die Folgenden87: – Die Minister derer kriegführenden Puissancen gehen zum Congress nach Augsburg. – Quatorze Bataillons sont marchés en Silesie avec un Corps de troupes legeres. – Chur Sachßen ist währenden Interregni im heiligen Römischen Reich einer von beyden Reichs Vicriis. – L’Espagne et l’Angl. s’ai commoderond. – La France et la Suede sont etroitement alliées. – Les Trouppes sont en mouvement. – Je souhaite la mediation de l’Espagne. – Les confoederés marchent vers Dantzig. – Des Königs von Preußen Armee ist, wie man sagt, 106.000 Mann starck in Böhmen und Schlesien. – La France a declaré la guerre a l’angleterre. – S. A. R. Msgr. le Grand Duc commande lui même l’armée sur le Mayn. Bisweilen sind aber auch Redewendungen und Allgemeinplätze zu finden: – Aller Anfang ist schwer. – Aus allem erhellet, daß mehrere Umstände hinzu gesezt werden, als nicht wahr seyn. – Le Roi a été avant hier dans son Conseil. – La guerre paroissant devenir universelle, il est bon, que chaque Prince dans l’Empire se prepare à tout evenement. – La Paix est retablie. – Dieu nous aide. – Nach dem Regen kömmt Sonnen-Schein. – Benötige Bargeld. – Wer in Dienst steht, muß treu seyn. 86 87

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/7. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3234/4; 3234/6.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Die Nomenklatoren liefern demnach auch eine Folie, auf der sich die verschiedenen Charaktere der Kanzlisten spiegeln: manche waren sachlich, andere wagten es, anonym ihre Meinung zu äußern, einige waren humorvoll. Während die einen Sachsens Ruhm betonen, zeigen die anderen Respekt vor dem Gegner. Kurze Beispielsätze deuten auf Zeitmangel hin, längere könnten aus Langeweile entstanden sein. Die bisher von der Forschung noch gänzlich unbeachtete Quellensorte der Nomenklatoren gibt Aufschluss darüber, wer mit wem und wann eine geheime Korrespondenz führte oder zumindest beabsichtigte. Zudem kann durch eine Lokalisierung der Teilhaber der zu überwindende Weg der Post nachgezeichnet werden, auf welchem die Gegner beider verortet waren, denen die Verschlüsselung galt. Der Grad der Komplexität von Nomenklatoren steht in direktem Zusammenhang mit der Bedeutung der Geheimhaltung einerseits und dem zu erwartenden Grad an Dechiffrierungskenntnissen der Gegner andererseits. Insofern liefern diese Quellen wertvolle Hinweise auf die subjektive Bewertung der Relevanz von Inhalten und auf die gegenseitige Perzeption von Kontrahenten. 3.1.2 Verkleidung und Steganographie Das Verbergen von wahren Absichten war als Dissimulation im höfischen Kontext geboten und wurde mit der Staatsräson legitimiert. Zum Schutz eigener Interessen trage der Fürst mehrere Mäntel übereinander und zusätzlich Larven vor dem Gesicht, schrieb Johann Michael Moscherosch 1671.88 Durch Vorspiegelung, Täuschung und Verheimlichung der wahren Identität sollte etwas geheimgehalten werden – der Transport einer Mitteilung oder die Reise einer Person. Die Verkleidung von Boten und die Unkenntlichmachung einer geheimen Nachricht sind aus der Frühen Neuzeit mehrfach überliefert und gehören in den Bereich der Steganographie. Auch Fürsten während ihrer Kavaliersreisen oder geheime Gesandte benutzten Verkleidungen und ein Inkognito, also einen temporären Identitätswechsel. Volker Barth unterscheidet jedoch das zeremonielle Inkognito vom Inkognito zum Zweck der Spionage. Der Unterschied besteht darin, die erstere Form eine „ludische Anonymisierung“ zum Ausdruck der Macht beinhaltete und auf Kriterien basierte, die auf das zweckgebundene Inkognito nicht zutrafen: durchschimmernde Identität, vorauseilende Ankündigung des Inkognito, zeremonielle Techniken, flexible An- und Ablegung.89 Einzig die Pseudonymität ist als Gemeinsamkeit beider Inkognitotypen zu nennen. Bei der zweckgebundenen Verstellung sollte die Täuschung perfekt sein. Dazu waren äußerliche Attribute wie spezielle Kleidung, Frisuren und Requisiten notwendig, aber überzeugend wirkte eine Täuschung erst, wenn auch der Habitus der jeweiligen Rolle angepasst wurde (Haltung, Mimik, Gestik, Stimme, Sprache). Beispielhaft sei der als 88 89

Vgl. Moscherosch 1671, S. 24–27. Barth 2013, S. 78, 302 ff.

3.2 Die offensive Geheimdiplomatie

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Spielmann verkleidete Spion genannt, der in ärmlicher Kleidung mit einer alten Geige in der spätmittelalterlichen Schweiz unterwegs war.90 Ebenso gab es Fälle von vorgegaukelten Krankheiten und Gebrechen. Zur Tarnung von Korrespondenzen glich man die diplomatische Post in Kuvertgröße und -aussehen typisch bürgerlichen und kaufmännischen Briefen an, damit sie im Falle einer Interzeptionsstelle als unauffällig passieren würden. Die Geheimhaltung von Korrespondenzen erfolgte oft auch über Deckadressen. Häufig wurden Kaufmänner als Zwischenstationen in den Brieftransport integriert, da ihre Adressen unverfänglich schienen und vor der Interzeption einigermaßen sicher waren. Die Kaufleute empfingen demzufolge Briefe, in denen ein weiterer Brief steckte, den sie an die entsprechende Adresse weiterleiteten. Lucien Bély beschrieb dies als Spiele mit den Adressen („jeux d’adresses“) mit vielen Beispielen aus Frankeich.91 Diese Methode funktionierte nach dem Matrjoschka-Prinzip wie ein Stafettenbrief. Sie wurde gekoppelt mit Pseudonymität, Verkleidung, Chiffrierung und Steganographie. In einer Dresdner Instruktion für einen Geheimagenten wurde diese Methode 1731 als „couvertieren“ bezeichnet.92 Dazu erhielt jener Agent eine Anweisung, auch Geheimtinte zu benutzen, die über Kohlefeuer sichtbar wurde. Gleichermaßen wurden die Kanzlisten darauf aufmerksam gemacht, leere Bögen in den Berichten jenes Agenten über Kohlefeuer zu halten.93 August II. schöpfte in diesem Fall das Maximum der Geheimhaltung aus. Da die Erlangung von Informationen durch Verstellung eine offensive Maßnahme darstellte, ist in solchen Fällen eine Mischform zu erkennen, bei der mit Verkleidung bzw. Verstellung ein offensives Agieren verschleiert werden soll. 3.2 Die offensive Geheimdiplomatie 3.2.1 Interzeption: Unterbrechung der Kommunikationswege Die Postwege als lebensnotwendiges Versorgungssystem der Politik waren zugleich Hauptangriffspunkte bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Stéphane Genêt fasste diesen Aspekt in die Formel: Wer das Gelände beherrschen will, muss den Kurier kontrollieren.94 Sachsen besaß wegen seiner Mittellage großen Einfluss auf die Postpolitik.95 In der Frühen Neuzeit gab die Post den „Imperativ der Geschwindigkeit“ vor, denn ihrem Rhythmus folgte die maßgebliche Einteilung von Zeiteinheiten.96 Die Tage des 90 91 92 93 94 95 96

Vgl. Jucker 2010, S. 82 f. Bély 1990, S. 157. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 384/1, f. 502. Vgl. ebd., f. 370, 502. „Maîtrisier le terrain, contrôler le courrier“. Vgl. Genêt 2013, S. 328. Vgl. Kalmus 1937, S. 364. Behringer 2003, S. 9.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Versands waren je nach Postkontor festgelegt – in der Regel gingen die Briefe zweimal pro Woche von den Stationen ab.97 Der Nachrichtenversand und -empfang war wie ein Puls des politischen Geschehens. Vielfach wurde über Verzögerungen durch kriegsbedingte Umleitungen, schlechte Witterung, marode Straßenverhältnisse, Unfälle und Pannen der Kutschen geklagt. Die Langsamkeit und Unzuverlässigkeit der Post ließ sich gut als Vorwand für taktische Verzögerungsmanöver benutzen. Die Logistik der Informationsübermittlung über große Distanzen und feindliches Territorium war schwer zu organisieren. Die Bedeutung der Nachrichten ist in Kriegszeiten ungleich höher als im Frieden, demnach ist die Interzeption für beide Fälle differenziert zu betrachten. Stand Sachsen im Krieg oder war der Kurfürst im Feld, bedeutete dies höchste Sorge um die Sicherheit der Postwege. Zu Friedenszeiten war die Organisation und Verwaltung mit den Ämtern und Gesandtschaften zu regeln, wobei sowohl brisante als auch für den politischen Gegner eher irrelevante Nachrichten übermittelt wurden. Eine hohe Bedeutung kam der Aktualität zu. Ein aufgefangener Brief, der zwei Monate zuvor geschrieben worden war, erschien den Kriegsräten bereits als „sehr alt“.98 Insofern ist eine Dreiteilung der Situativität von Interzeption vorzunehmen: – Interzeption von kriegswichtigen Informationen im Krieg (hohe Dringlichkeit, höchste Geheimhaltung) – Interzeption von wichtigen Informationen im Frieden (mittlere Dringlichkeit, ggf. besondere Geheimhaltung) – Interzeption von regulärem Informationstransfer im Frieden (mittlere Dringlichkeit, keine Geheimhaltung) Der Gegner konnte die Informationen durch verschiedene Methoden erlangen, wobei ihm im Kriegsfall die Interzeption am besten durch Korruption, im Friedensfall die Interzeption durch institutionalisierte Schwarze Kabinette erfolgen konnte. Das Anhalten von Kurieren konnte einen völkerrechtlichen Streit verursachen, denn wer die Correspondentz eines Legaten (sey nun der Fürst oder seiner Leutthe) erbricht, verhindert, aufhält oder die Brieffe hinweg nimmt und verhält, oder die geheime Ziffer auszulegen ihme zwinget, der vergreiffet sich an dem Völcker-Recht, nicht weniger, als wann er die geheiligte Person eines Gesandten entheiligt und violiert hätte.99

In einigen Fällen ist die Interzeption in der Tat für aggressive Gegenaktionen zum Vorwand genommen worden. So hat der schwedische König Gustav II. Adolf seine Kriegserklärung mit einem geöffneten Brief an den Fürsten von Siebenbürgen be97 98 99

Vgl. Legutke 2010, S. 292. Vgl. GStAPK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1469, Brief Finckensteins, 16. Oktober 1761, unfol. Pelzhoffer 1710, S. 356.

3.2 Die offensive Geheimdiplomatie

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gründet, und Wilhelm von Grumbach führte die ihn störende Interzeption an, um sein Mordkomplott gegen den sächsischen Kurfürsten zu legitimieren.100 Deshalb erfolgte meistens eine heimliche Interzeption. Es ist daher die Interzeption mittels Überfällen von der heimlichen, oft unbemerkt gebliebenen Interzeption zu unterscheiden. Tabelle 19: Offene und verdeckte Interzeption Wahrnehmbarkeit durch den Gegner Methoden

offene Interzeption sofort sofort, verspätet oder gar nicht Abfangen und Überfall Öffnen der Post auf Post ohne Weiteroder leitung Kurier

verdeckte Interzeption verspätet oder gar nicht Abfangen und Öffnen der Korrespondenz mit sorgfältigem Wiederverschließen der Post und Weiterleitung (zufällig, systematisch oder institutionell organisiert in Schwarzen Kabinetten)

Die Institutionalisierung in Form von Schwarzen Kabinetten liegt nur bei Erfüllung von mehreren Kriterien vor, die an späterer Stelle vorgestellt werden.101 Die Korruption eines Hofangestellten ist von der Interzeption zu unterscheiden, da die Fälle, wo widerrechtlich Abschriften geleistet wurden, nicht das Abfangen von Post beinhalteten, was ja die Interzeption ausmacht, sondern ihnen Bestechlichkeit zugrunde lag. Somit waren für die Höfe die Schwachpunkte der Geheimhaltung stets die äußeren Faktoren der Informationsübermittlung einerseits sowie die Loyalität der Hofangestellten. Da die Botschaften unterwegs meist von der regulären Post oder einer Einzelperson transportiert wurde, war die Unsicherheit auf dem Wege kaum zu mindern, wenn man nicht mehrere Begleitpersonen mitsenden wollte. Kuriere waren auffällig und extrem teuer, weshalb sie nur selten zum Einsatz kamen und einer besonderen Begründung bedurften.102 Daniel Legutke hat errechnet, dass die Sonderlieferung eines Briefpakets zwischen Den Haag und Wien allein 700 Gulden kostete.103 Allerdings gehörte es, wie Daniel Legutke konstatierte, im Krieg „zum Standard“, mehrere Briefkopien auf unterschiedlichen Routen ans Ziel zu schicken.104 Mehrfach wurde der Verlauf der Postwege diskutiert, „gereinigt“ und somit überprüft, beobachtet oder abgeändert, was zu diplomatischen Verwicklungen führen konnte.105 100 König 1875, S. 14 f.; Hamberger 2007, S. 70. 101 Siehe Kapitel „Die organisierte Interzeption in Schwarzen Kabinetten“, S. 276. 102 So mussten selbst die hochrangigsten Minister einander die Notwendigkeit erläutern. Graf Wackerbarth schrieb an Graf Flemming, er habe die Estaffete geschickt, weil die Warschauer Post bereits abgegangen war. Vgl. SächSHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10922/1, Wackerbarth an Flemming, 11. Oktober 1724, unfol. 103 Vgl. Legutke 2010, S. 291. 104 Ebd., S. 290. 105 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1476, f. 2; I. HA, Rep. 103 Generalpostmeister bzw. Generalpostamt, Nr. 1788; I. HA, GR, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Akten, Nr. 8212.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Insofern war der Informationstransport die größte Schwachstelle der Nachrichtenübermittlung. Den Bestechungsversuchen hätte man durch hohe Gehälter und gute Menschenkenntnis beikommen können, aber angesichts der verbreiteten Verschuldung waren Sonderausgaben in dieser Hinsicht schwerlich zu leisten. Es zeigt sich, dass in der Frühen Neuzeit der Informationstransfer kaum kontrollierbar war. Regelmäßige Postvereinbarungen mit den Nachbarn sollten dieses Problem eindämmen. Anlass für Postverträge waren die Verlegung von Postrouten, Beförderungsregeln, aber auch Unregelmäßigkeiten.106 Für Sachsen ist dabei hervorzuheben, dass im 18. Jahrhundert besonders viele Postverträge mit Preußen erforderlich wurden.107 Soweit es die Überlieferung zulässt, gibt die folgende Übersicht Aufschluss darüber, in welchem Maße die Interzeption in Mitteldeutschland angewandt wurde und in eigenen Aktenkonvoluten gesammelt wurde (Grafik 15).108 Es ist ersichtlich, dass besonders viele Interzepte aus dem Dreißigjährigen Krieg vorliegen. Insgesamt war den Wettinern besonders die Korrespondenz aus Wien, Schwe-

Grafik 15: Übersicht zur Herkunft der Interzepte in Sachsen und Thüringen 106 Vgl. u. a. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10009/4; Loc. 10003/17; 10980 Oberpostamt Leipzig, Loc. 69; 10036 Geheimes Finanzarchiv, Loc. 35507, Rep. 31, Lit. C, Nr. 0019; Loc. 35507, Rep. 31, Lit. C, Nr. 0014. 107 Vgl. u. a.: SächsHStAD, 10980 Oberpostamt Leipzig, Nr. 67; Nr. 43; Nr. 95; 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 5380/10; 10026 GK, Loc. 2966/2. 108 Basis: Quellen von Interzepta der Jahre 1500–1800 aus dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden, dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar und (bezüglich Sachsen) dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin.

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den und Polen von Bedeutung. Die von Frankreich aufgefangenen Briefe erklären sich durch die französische Unterstützung Stanislaus Leszczyńskis im Kampf um die polnische Königskrone. Interessanterweise sind so gut wie keine Briefe überliefert, die von Brühls Geheimer Expedition aus der preußischen Gesandtschaft abgefangen wurden. Somit ist auch an dieser Stelle erwiesen, wie gut die Geheimhaltung und Vernichtung von Quellen in Bezug auf diese Institution funktioniert hat. Welche Methode jeweils bei der Interzeption angewandt wurde, ist im Einzelfall schwierig zu ermitteln. Im Schmalkaldischen Krieg ist von „niedergeworffenen Boten“ die Rede, und auch im Dreißigjährigen Krieg wurde den Boten ihre Post „abgenommen“ (Abbildung 1).109 Parallel betrieb man gezielte Korruption. Das Schwarze Kabinett des Grafen Brühl – die schon erwähnte Geheime Expedition – verhalf im Zusammenspiel mit erfolgreicher Korruption dem sächsisch-polnischen Hof zu Informationen über die preußische Politik.110 Sehr oft waren Angehörige des Militärs mit der Interzeption beauftragt.111 Am häufigsten liegt jedoch der Fall vor, dass der Weg der abgefangenen Briefe nicht mehr rekonstruierbar ist. Für die habsburgische Seite hat sich der Begriff der „Postlogen“ als Zentren der Interzeption etabliert. Der Kaiser interessierte sich im 17. Jahrhundert überwiegend für die französische Post, während im Zuge der Schlesischen Kriege das Abfangen der preußischen Korrespondenzen im Mittelpunkt stand.112 Russland, England, Schweden und das Osmanische Reich waren gleichfalls von der kaiserlichen Interzeption betroffen.113 Seit 1784 bestand die Institution des „Informationsbüros“, von dem regelmäßige Konfidentenberichte vorliegen.114 Für die Interzeption verschiedener Provenienz ist 1803–48 eine dichte Überlieferung zu beobachten.115 Aus Polen hatte der Kaiserhof 109 ThHStAW, Ernestinisches Gesamtarchiv, J pag. 1–19 A, Nr. 1–8; 10024 GR (GA), Loc. 9273/1, f. 1; 11237 GKRK, Loc. 10837/5. 110 Vgl. Rous 2014c. 111 Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10837/7; 10026 GK, Loc. 3516/4. 112 Allgemein vgl. den Bestand OeStA/HHStA, Staatskanzlei, Interiora, Interzepte. Verschiedene Interzepte finden sich unter OeStA/HHStA StK Interiora Interzepte 1 und 2. und 2–1. Die französischen Interzepte sind in folgenden Konvoluten befindich: OeStA/HHStA, Reichskanzlei, Maximiliana, 13–70; OeStA/HHStA, Reichskanzlei, Zeremonialakten 1b-2; OeStA/HHStA, Staatskanzlei, Große Korrespondenz 184/1–9. Für preußische Interzepte vgl. OeStA/HHStA Kriegsakten 330–2, 343–4; OeStA/Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Fam. in spec 428; OeStA/HHStA, Staatenabteilungen, Russland III 51–13; OeStA/HHStA StK Interiora Interzepte 2–2. Darüber hinaus sind auch vereinzelte andere Interzepte überliefert, z. B. von Kurtrier im Dreißigjährigen Krieg oder Dänemark während des Wiener Kongresses. Vgl. OeStA/HHStA, Staatenabteilungen, Trevirensia 2–2; OeStA/HHStA, Reichskanzlei, Reichsakten in gen 77; OeStA/HHStA, Staatenabteilungen, Dänemark 89. 113 Vgl. OeStA/HHStA, Staatenabteilungen, Russland III 51–13; 51–19; 51–22; 51–26; 78; OeStA/ HHStA, Staatenabteilungen, Schweden 32–8; 53–5; OeStA/HHStA, Staatenabteilungen, Türkei II 21 und 21–1; 114 Vgl. OeStA/HHStA Ministerium des Äußeren, Informationsbüro (1784–1908); OeStA/HHStA SB, Nachlass Philipp Ritter von Stahl. 115 Vgl. OeStA/HHStA StK Interiora Interzepte 2–3 bis 38.

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erst nach der Sachsenzeit Briefe abgefangen.116 Der Spanische Erbfolgekrieg mag, wie Harald Hubatschke vermutete, für die Zunahme der französischen Briefspionage relevant gewesen sein.117 Österreich besaß mit der Politik Friedrichs II. von Preußen einen ähnlichen Katalysator. Sachsen praktizierte jedoch bereits im Dreißigjährigen Krieg die Interzeption mit großem Fleiß. Somit kann konstatiert werden, dass stets seine äußerste Bedrohung einen Staat zur Interzeption veranlassten. Auf jeden Fall waren die Korrespondenten gut beraten, sich die sichere Übermittlung etwas kosten zu lassen. Teuren eigenen Boten stand das höhere Risiko der preiswerteren Post gegenüber. Mehrere reitende und laufende Postboten im Dienste des Hofes waren parallel unterwegs und übermittelten die politische Korrespondenz. Dennoch konnte es vorkommen, dass für einen Gesandten gerade kein kursächsischer Bote verfügbar war – in einem solchen Fall hat Magister Franz Burckhardt 1545 auch einmal seinen Knaben auf die Strecke vom Wormser Reichstag bis Gotha geschickt.118 Die Boten waren mit einem Spieß bewaffnet und besaßen verschließbare Brieftaschen. In Bayern schaffte man 1808 zur größeren Sicherheit besondere Brieftaschen mit Schloss an.119 Für die Strecke Dresden-Worms war die Post beispielsweise acht bis zehn Tage unterwegs, für Leipzig-Breslau wurden drei Tage benötigt und für Dresden-Warschau fünf bis sechs Tage.120 Der Postunternehmer Konrad Roth brachte 1579 mit seiner Idee eines dichten Postkursnetzes mit Leipzig als Zentrum den sächsischen Kurfürsten August dazu, vom Kaiser das Postregal einzufordern.121 Der Kaiser sicherte sich zwar das Postmonopol, da er auch die Option behalten wollte, „hinter alle Heimlichkeiten“ zu kommen, also Briefzensur zu üben.122 Nach Roths Tod schalteten die Grafen von Thurn und Taxis jegliche Konkurrenz aus und gründeten 1597 die Reichspost. Innerhalb Kursachsens gab es bis zur Gründung der Landespost 1651 nur 15 Stationen. Ab 1686 war Wilhelm Ludwig Daser als Oberpostmeister für das kursächsische Postwesen zuständig, zahlte dafür eine Pacht von 1.000 Reichstalern pro Jahr und richtete eine Postroute Leipzig-Nürnberg ein.123 Um den Verlauf Richtung Frankfurt am Main wurde mit Sachsen-Weimar und Sachsen-Zeitz gestritten. 1691 erhielt der Leipziger Ratsherr Johann Jakob Kees das begehrte Postregal für 5.000 Reichstaler verpachtet, aber unter Friedrich August I. konnte Daser für selbige Summe die Oberpostmeisterstelle zurückgewinnen – bis Kees ihn mit 12.000 Reichstaler ausstach. Daser bekam jedoch 116 117 118 119 120 121 122 123

Vgl. OeStA/HHStA, Staatenabteilungen, Polen III 12 und 12–1; Polen IV 43 und 43–1. Vgl. Hubatschke 1975, S. 357. Vgl. Aulinger 2008, S. 92. Vgl. BayHStAM, Kriegsarchiv, Nr. E, Bund 511. Vgl. Aulinger 2008, S. 92; Oehlke 1997, S. 55, 59. Vgl. Behringer 2003, S. 146. Ebd., S. 149. Vgl. Unbekannt: Porträt des kursächsischen Oberpostinspektors Wilhelm Ludwig Daser, um 1690, Öl auf Leinwand, Museumsstiftung für Post und Telekommunikation, Inv.-nr. 4.0.815. URL: http:// emp-web-09.zetcom.ch/eMP/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&module=collection&objectId=104899&viewType=detailView [27.05.2020; ASR]

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die Oberpostinspektion zugeteilt, die er bis zu seinem Tod organisierte. In den 1690er Jahren erfolgte ein konsequenter Ausbau des kursächsischen Poststationensystems, wobei Leipzig höchste Priorität genoss.124 In Thüringen kreuzten sich in Gotha die Linien Frankfurt-Leipzig und Nürnberg-Hamburg.125 Sachsen begann ab 1712 eine aktive Postpolitik, um Brandenburg zu umgehen. Aber die Gespräche mit Kassel, Münster und Paderborn wurden den Preußen durch einen bestochenen sächsischen Beamten verraten.126 Erst in den 1780/90er Jahren wurden infrastrukturell neue Postkurse erschlossen. Eine weitere herausragende Persönlichkeit der sächsischen Postgeschichte ist der aus Gotha gebürtige, preußische Generalpostmeister Gustav Adolph Reichsgraf von Gotter, der bis 1728 gothaischer Gesandter in Wien war und mit Prinz Eugen und Herzogin Luise Dorothea in enger Verbindung stand.127 Für den preußischen König sollte er in fortgeschrittenem Alter noch das Postwesen in Preußen reformieren – er arbeitete vier Jahre lang parallel für Berlin und Gotha, bevor er 1732 einen Ministerposten in Preußen erhielt und in seinem Amt so reich wurde, dass er sich das Wasserschloss in Molsdorf bei Erfurt anlegen ließ. Friedrich II. verwandte ihn für mehrere geheime Verhandlungen in Wien. Seine gescheiterte Mission nach dem Tod von Kaiser Karl VI. markiert den Beginn der Schlesischen Kriege. In seiner Person bündeln sich die außenpolitisch gesponnenen Fäden des Königs, was die Machtstellung der Postbeamten unterstreicht. Das Amt wurde nur den vertrauenswürdigsten Adeligen zugedacht, da hier nicht nur der Schutz der eigenen Post beabsichtigt war, sondern auch nach Möglichkeit der eine oder andere Einblick in wichtige fremde Nachrichten. Das Herzogshaus Sachsen-Gotha überließ – wohl aus Sparsamkeitsgründen – vorwiegend der regulären Post den Transport der herrschaftlichen Briefe. Dazu sandte man Boten zu den Postämtern in Erfurt oder Schmalkalden. Nur gelegentlich kamen Eilstafetten oder Extra-Reiter der sogenannten Ulanenpost zum Einsatz, die alle zwei bis drei Meilen ausgetauscht wurden.128 Der Erfurter Postmeister bezog im Halbjahr 34 Gulden für seine Dienste, während den gleichen Lohn der Schmalkaldener Postmeister für ein Dreivierteljahr und der „hiesige Geleitsmann“ für ein ganzes Jahr erhielten.129 Diese unterschiedliche Behandlung resultiert aus der Untertanenpflicht eines Gothaers bzw. in seinem Herrschaftsbereich tätigen Postbeamten und den höheren Preisen in der Stadt Erfurt. Die Boten wurden nach Ablieferung ihres Laufzettels entsprechend der Entfernung und Zeit bezahlt. Um die Beförderung von Geld zu vermeiden, nutzten die Herzöge wie allgemein üblich Wechselbriefe. So wurden an Dessauer Juden 1699/1700 mehrfach hohe Geldbeträge aus der Kriegskasse ausgezahlt, die jene den Generälen vor124 125 126 127 128 129

Vgl. Behringer 2003, S. 254. Vgl. Link 1991. Vgl. Kalmus 1937, S. 389. Vgl. Beck 1867. Die Kosten beliefen sich auf: 1 f. 15 gr bis Eisenach, 9 f, 3 gr bis Leipzig, 14 f, 18 gr bis Nürnberg und 19 f. 9 gr bis Regensburg. Vgl. ThStAG, Kammerrechnungen, Nr. 65, f. 448 f.; Oehlke 1997, S. 59. Vgl. ThStAG, Kammerrechnungen, Nr. 64, f. 449.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

gestreckt hatten. Insgesamt kam so über neun Monate eine Summe von 44.350 Gulden zusammen.130 Gleichermaßen konnte ein gewisser Johannes Fleischer in Leipzig im selben Zeitraum fast 18.000 Gulden beanspruchen.131 Die Post unterstand landesherrlicher Kontrolle, aber nicht nur die Informationsgewinnung und Geheimnisbewahrung lag im Interesse der Fürsten, sondern auch das Geschäft mit dem Brieftransport. Der großräumige Ausbau des Postnetzes und die erste kursächsische Postkarte von 1704 beweisen das Interesse an der neuen Einkunftsquelle – die Post nahm beispielsweise 1714 35.000 Reichstaler Reingewinn ein!132 Die Vermessung mit den seit 1695 aufgestellten Postmeilensäulen ermöglichte eine genauere Distanz- und Zeitberechnung, und infolgedessen die Zeitkontrolle beim Nachrichtentransport und eine einheitliche Portogebühr. Wegen der auf die Ortschaften abgewälzten Kosten stieß dieses Unterfangen auf große Widerstände. Das unter August II. ausgebaute Streckennetz wurde erst in den 1780/90er Jahren weiter ausgebaut. Die Postrouten durchzogen das ganze Land. Auf ihnen reisten die Boten zu Fuß, zu Pferd und in Kutschen. Darstellungen aus dem 17. Jahrhundert zeigen Postboten zu Fuß, die mit Stock und Hut unterwegs waren und von einem Hund begleitet wurden. Über die Funktion des Boten als Informant gibt das folgene Gedicht Aufschluss: Vil newes und der zeitung vil Ein ieder von mir wissen will Was soll dan thun ich armer knecht Damit mich nicht halt für schlecht Mus ich also fein warm und heis Smiden auch so das ich nicht weis. Kann mich auch wol accomodieren Und sagen was man gern thut hören.133

Insofern waren für die Untertanen die Strecken der Post zugleich Lebensadern, die Menschen mit Informationen, guten wie schlechten Nachrichten und dem Duft der weiten Welt versorgten. Den Fürsten galten die Postrouten als Kommunikationskanal, den es zu nutzen, zu kontrollieren und anzuzapfen galt. Für die militärische Aufklärung war das Abfangen von Post eine der wichtigsten Quellen. Bislang ermittelt werden konnten große Postabfangstationen in Eisenach, Frankfurt, Nürnberg, Regensburg, mehreren Hansestädten und in Mainz.134 Doch nicht nur die Städte entlang der Via Regia oder der Via Imperii waren davon betroffen, sondern auch Umschlagplätze auf Reisewegen zwischen zwei Höfen. Im Achtzigjährigen 130 131 132 133 134

Vgl. ThStAG, Kammerrechnungen, Nr. 62, f. 403. Vgl. ebd., f. 404b. Vgl. Behringer 2003, S. 260. Vgl. Alzenbach, Gerhard: Ordinari-Bote, um 1650, Kupferstich, Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inv.-nr. 4.2001.314. Vgl. Rothenbeg 1992, S. 101.

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Krieg sind 1580, nach der Entstehung der Union von Arras und der Utrechter Union, die ersten aufgefangenen Briefe gedruckt worden.135 Eine schottische Proklamation gegen Postraub wurde 1692 gedruckt.136 Um 1700 erdichteten viele Publizisten angeblich aufgefangene Briefe, um aus der Neugier der Bevölkerung an den politischen Geheimnissen Kapital zu schlagen.137 Im Vergleich zu den Auflagen jener Veröffentlichungen fiktiver Interzepta dürfte die Dunkelziffer der tatsächlich abgefangenen Post angesichts des großen politischen Werts von Nachrichten noch ungleich höher gewesen sein. In der Frühen Neuzeit war die Praxis der Postinterzeption so verbreitet, dass der britische Botschafter in Wien Schutzgeld für seine Briefe zahlte, allerdings ohne Erfolg.138 Auch trog die Hoffnung, Kutschentransporte seien sicherer gegen Überfälle als reitende oder laufende Extraboten und Estafettenreiter. Die Reise mit dem Postillon wird oft als Abenteuerfahrt dargestellt. Dabei haben sich, glaubt man einer Kupferstichserie um 1720, besonders in kriegerischen Zeiten Boten- und Kutschenüberfälle zugetragen.139 Hier werden die heilsamen Auswirkungen der „Friedens-Ruh“ gelobt, wo ein jeder mit dem Geld offen in der Hand reisen und nachts oder im Wald pfeifend und singend seinen Weg gehen kann. Dagegen ist in „Kriegs-Noth“ auf den unsicheren Straßen zu befürchten, dass einer jeder sein Hab und Gut oder gleich das Leben verlieren kann. Die Landesherren verfolgten Straßenraub streng. Auf dem Kreistag von Nordhausen wurde 1571 beispielsweise die „Landfolge zur Nachjagd“ von Straßenräubern verabschiedet.140 Die Gräuel eines Überfalls auf Reisende hat der niederländische Maler Pieters Snyers um 1660 sehr anschaulich dargestellt.141 Um der Gefahr von Überfällen zu entgehen, ließen einige Fürsten wichtige Nachrichten durch Kaufleute versteckt auf deren Warenkarren transportieren. Auch sind 135

Es handelte sich um Post des spanischen Kardinals Granvelle an den Präsidenten des niederländischen Staatsrats, Johannes Vonck/Fonck. Ein Verwandter desselben, Propst Wilhelm Fonck, war auch später im spanischen Auftrag mit Graf Edzard von Ostfriesland in Beziehungen getreten, um die Einnahme der Stadt Emden voranzubringen. Der Kurfürst von Sachsen unterstützte die Glaubensgenossen im Niederländischen Aufstand nicht tatkräftig, sondern legte nur beim Kaiser ein Wort für sie ein. Vgl. Afgheworpene Brieven 1580; Afgheworpene Brieven 1580a; Hagedorn, Bernhard: Ostfrieslands Handel und Schiffahrt vom Ausgang des 16. Jahrhunderts bis zum Westfälischen Frieden (1580–1648) (= Abhandlungen zur Verkehrs- und Seegeschichte. 6), Berlin 1912, S. 296 ff.; „August, Kurfürst von Sachsen“ von August von Kluckhohn, in: ADB, Bd. 1 (1875), S. 674–680. 136 Scotland, Privy Council: A proclamation for discovering who robbed the packquit Proclamations. Edinburgh 1692. 137 Vgl. das Kapitel „Gedruckte Quellen“, S. 51. 138 Vgl. Rothenberg 1992, S. 101. 139 Vgl. Wangner, Jakob; Weyermann, Jakob Christoph: Sicherheit und Bequemlichkeit zu reisen, um 1720, Kupferstich, Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inv.-nr. 4.0.7543; Unsicherheit und Raub auf Straßen, um 1725, Kupferstich, Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inv.nr. 4.0.22325. 140 Zit. in: Kuhlbrodt 2011/12, S. 110. 141 Vgl. Snyers, Pieters: Überfall auf Reisewagen, um 1660, Öl auf Leinwand, Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inv.-nr. 4.0.245.

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weite Umwege und lange Transportzeiten in Kauf genommen worden, um Post exklusiv und sicher zu empfangen. Die Postkutsche war nicht zuletzt wegen ihrer Geldbriefe ein lohnendes Ziel für Räuber. Ein Kupferstich von Friedrich August Brand zeigt, dass die Postillone gegen Wegelagererbanden keine Chance besaßen.142 Von den vielen überlieferten Überfällen auf die Post seien hier nur einige genannt. 1784 wurde die Dresdner Post im Brandenburgischen zwischen Baruth und Mittenwalde beraubt. Bei Dieben scheint die Gegend um Ansbach und Bayreuth besonders beliebt gewesen zu sein.143 Natürlich gab es auch in Sachsen Überfälle – so griffen sächsische Posträuber 1732 Reisende zwischen Dresden und Hamburg an.144 1811 geschah ein Postdiebstahl zwischen Leipzig und Dresden, bei dem eine Witwe Schubert und ein sächsischer Gesandte unter dem Verdacht der „Verwendung“ stand.145 Diese Formulierung könnte als Mitwisserschaft interpretiert werden, aber weitere Nachforschungen sind wegen Kriegsverlusts der Akte nicht möglich. Aus dem Jahr 1779 ist ein Postwagenraub dokumentiert, bei dem nachts auf einer hessischen Landstrasse sechs Räuber den Postillon und seinen Begleiter überwältigten und sich der transportierten 246 Reichstaler bemächtigten, bevor sie unerkannt flohen.146 Infolgedessen fuhr der Postwagen einige Jahre lang mit einer Bedeckung und der Eskorte eines Husaren. Die Visitierung der Gegend sollte für zusätzliche Sicherheit sorgen. Wie sich an anderen Beispielen zeigt, hatte jener Postillon noch das Glück, mit dem Leben davongekommen zu sein. Mit Boten, die ihre Nachrichten nicht preisgeben wollten, verfuhren die Räuber wenig rücksichtsvoll. Mehrmals mussten sie die Verteidigung des ihnen anvertrauten Gutes mit dem Leben bezahlen. Der schwedische Major Sinclair, der an die Pforte abgeschickt war, wurde auf der Rückreise von Konstantinopel in Zaucha (Schlesien) am 17. Juni 1739 seiner Depeschen beraubt und ermordet.147 Gleiches geschah einem französischen Kurier auf dem Weg nach St. Petersburg.148 Nicht einmal Gesandte besaßen mit ihrer diplomatischen Immunität die Sicherheit, vor Überfällen oder gar Entführungen gefeit zu sein.149 Jedoch galten diese Gewaltanwendungen nicht ihrer Person, sondern lediglich dem von Interesse gewesenen Gepäck. Während der Regierung Karls V. ließ dessen Statthalter in Mailand, der Marquis del Guasto, zwei französische Gesandte, Rincon und Fregose, auf der Schiffreise nach Venedig auf dem Po ermorden, aber beide führten ihre Instruktionen und Papiere nicht 142 Vgl. Brand, Friedrich August: Der beraubte Postwagen, um 1775, Kupferstich, Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Inv.-nr. 4.0.10978. 143 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Akten, Nr. 8266. 144 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Akten, Nr. 8161. 145 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Akten, Nr. 8367, fasz. 211. Leider ist außer dem Findbucheintrag keine Überlieferung vorhanden. 146 Vgl. ThHStAW, Eisenacher Archiv, Postwesen, Nr. 353. 147 Vgl. Klüber 1809, S. 35; Merkwürdige, in dem Archive der Bastille wirklich gefundene Inquisitionsakten, Protocolle u. a. wichtige Papiere, Leipzig 1790, S. 205. 148 Vgl. Klüber 1809, S. 35. 149 Vgl. Kintzinger 2003, S. 348.

3.2 Die offensive Geheimdiplomatie

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mit sich.150 Vereinzelt sind auch Überfälle auf Gesandte bekannt, die keine relevanten Nachrichten bei sich trugen. Ihre Gefangennahme mit der Absicht auf hohe Lösegelder konnte große diplomatische Bemühungen auslösen. So ist 1615 der kursächsische Truchseß Hans von Taube auf dem Rückweg vom schwedischen Feldlager im russischen Pleßkow von Russen überfallen und in der Festung Koporje gefangen genommen worden.151 Er hatte nur eine Rentier-Bestellung für seinen Herrn bei König Gustav II. Adolf abgegeben und befand sich auf dem Weg zu seiner Heimat Livland. Nun konnte der Kurfürst nicht direkt an den Großfürsten zu Moskau schreiben, da er dessen Namen und Titel nicht genau wusste und durch falsche Titulatur dem Gefangenen schaden konnte. Deshalb schlug der Geheime Rat vor, den Kaiser um Vermittlung zu bitten. Dieser war wiederum in Schwierigkeiten, hatte er doch Zar Michael I. noch nicht als Zaren anerkannt. Somit befahl er seinem Agenten in Moskau, er möge gemeinsam mit dem König von Polen zu erreichen suchen, Taube ohne Lösegeld freizulassen. Diese Nachricht übergab der sächsische Agent in Prag dem dortigen russischen Gesandten, der sagte, Taube hätte sich bei den Befehlshabern anmelden müssen und für seine Freilassung könne vorerst nichts getan werden. Nun wollte der Kurfürst einen Unterhändler nach Moskau schicken – was aber Russland nicht zuließ. So schrieb er an den kaiserlichen Agenten in Moskau und bat parallel den Reichsvizekanzler um Verwendung des Großkanzlers von Litauen. Nachdem alle Mittel nichts zu nützen schienen, wandte er sich erneut an den schwedischen König, der im August 1616 unter Berufung auf den englischen Gesandten in Moskau die Freilassung mitteilte. Taube traf allerdings erst am 1. Februar 1617 beim schwedischen König ein. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie wichtig die gründliche Vorbereitung einer offiziellen Gesandtenreise war. Ebenso zeigt sich der Einfluss des Zeremoniells auf die Politik. Johann Georg I. zog alle Register der Diplomatie und musste zahlreiche Personen zur Befreiung seines Boten in Anspruch nehmen. Letztlich ist aus den Quellen nicht zu ersehen, aus welchem Grund Taube so lange festgehalten wurde und worauf seine Freilassung zurückzuführen ist. 3.2.2 Proliferation von Kundschaften und heimliche Kooperation Nach Ankunft der Post wurden an den Höfen sofort nach Sichtung Abschriften ganzer Briefe oder einzelner Abschnitte angefertigt, um sie gezielt möglichst zeitnah weiterzugeben. Der gleichzeitige Empfang mehrerer Kopien war nicht selten und ermöglichte en passant eine Kontrolle der Informationen. Zu dieser Praxis gehörte auch, dass befreundete Fürsten untereinander sehr vertrauliche Mitteilungen austauschten. Diese Praktik konnte mehrfache Zwecke erfüllen: Kontaktpflege, Herstellung eines Informations150 151

Vgl. Klüber 1809, S. 36. Vgl. ASG 8 (1870), Miszellen No. 2, S. 416–419.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

gleichstandes, Absprache von gemeinsamen Aktionen oder Warnung vor feindlichen Angriffen. Mit der Weitergabe von geheimen Nachrichten, Interzepten etc. war eine Vergrößerung des Mitwisserkreises bei möglichst gleichbleibender Geheimhaltung beabsichtigt, wie meist noch in einem Begleitschreiben zu lesen war. Infolge der Mitteiung einer Nachricht wurde die Machtressource Wissen geteilt, und in der Selektion dessen, was an Information preisgegeben wurde, bestand ein Machtpotential.152 Esther-Beate Körber hat konstatiert, dass gelegentlich das Abschreiben und Weiterleiten politischer Nachrichten die Grenzen zur Spionage überschritt.153 Brandenburg gab Kursachsen mehrfach über politische Neuigkeiten Bescheid. So bedankte sich der Kurfürst 1565 eigenhändig für die Mitteilung zur schwedischen Politik in Schleswig und Holstein.154 Dass dieses Dankschreiben von Kurfürst August selbst verfasst war, hebt die Bedeutung der vertraulichen Nachricht hervor, kann aber auch als Zeichen besonderer Geheimhaltung gedeutet werden. Besonders im Dreißigjährigen Krieg etablierte sich ein regelrechter Kreislauf abgefangener Briefe unter den Protestanten. Die Fürsten dankten einander für zugesandte Kopien und schickten ihrerseits reihum Abschriften von Interzepten. Involviert waren Herzog Johann Friedrich von Württemberg, Markgraf Ernst zu Brandenburg, Landgraf Ludwig  V. von Hessen, Christian Wilhelm von Brandenburg als Administrator von Magdeburg, Herzog Christian von Lüneburg, Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig, Herzog Johann Kasimir von Sachsen-Coburg und der sächsische Kurfürst Johann Georg I. Das entgegengebrachte Vertrauen missbrauchte Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen allerdings, als er Ende Februar 1622 einem kaiserlichen Gesandten mündlich und einige Tage später dem Kaiser in einem persönlichen Schreiben auch noch schriftlich anzeigte, dass ihm die protestantischen Fürsten regelmäßig Interzepte zukommen ließen. Es habe die Untertänigkeit und Affektion erfordert, dem Kaiser als oberstem Dienstherrn „ein solches nicht zu verbergen“ und auch anzuzeigen, dass eingezogene Schreiben gar an vielen Ortten spargiert und weit ausgebreitet, auch alle evangelische Stände ganz irre gemacht, in grosse Verwirrung und Suspicion gebracht werden.155

Die Analyse in Dresden hatte ergeben, dass die Interzepte und ihre Verbreitung schädlich seien und ein Ende dieser Praxis als Grundlage zu einer Verständigung dienen könnten. Wahrscheinlich gründete die Entscheidung, das protestantische Interzeptionshandel zu verraten, auf einem umfangreichen „Discurs von den Intercipirten Schreiben“, der jener Akte beigefügt ist.156 Der anonyme Verfasser dieser Schrift kam 152 153 154 155 156

Vgl. Bastian 2013, S. 244 f. Vgl. Körber 1998, S. 135. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 300. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8101/7, Kurfürst Johann Georg I. an den Kaiser, 5. März 1622, f. 90. Vgl. ebd., f. 191.

3.2 Die offensive Geheimdiplomatie

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zu dem Schluss, dass die Interzepte der augsburgischen Konfession und dem Kurfürstenkolleg zum Nachteil gereichten. Die katholische Seite hatte die Interzeption längst wahrgenommen und Nachfragen an einzelne protestantische Fürsten gesandt.157 Auslöser für das Geständnis Johann Georgs könnte gewesen sein, dass bei ihm plötzlich ein kaiserlicher Gesandter in persona auftauchte, dem gegenüber er sich erklären sollte. Warum er nicht leugnete, herunterspielte oder besänftigte, sondern die Karten auf den Tisch legte, kann zweierlei Gründe haben. Einerseits waren unter den zuletzt eingegangenen Interzepten auch drei eigenhändig vom Kaiser verfasste Briefe gewesen.158 Eventuell meinte der Kurfürst, dass hier eine Grenze überschritten werde. Andererseits war ihm eventuell aber auch der immer regere Interzeptionshandel zuwider geworden. Dass die Denunziation doppelt geschah, könnte darauf zurückgeführt werden, dass der Kurfürst zunächst eine mündliche Anzeige geplant hatte, um nicht Gefahr zu laufen, von den anderen Ständen als Verräter gebrandmarkt zu werden. Aber bei näherem Nachdenken mag er wohl zu dem Schluss gekommen sein, dass ein eigenhändiges Schreiben seiner Anzeige mehr Glaubwürdigkeit verleihen würde und er vom Kaiser größeren Respekt erfahren könnte. Dieser reagierte jedoch höchst verärgert, dass der Kurfürst erst jetzt das Geheimnis offenbart hatte und erinnerte ihn daran, dass die protestantische Zusammensetzung gegen Kaiser und Reich bereits arglistig war und von solchen gefährlichen Praktiken durchdrungen sei.159 Auch rechnete der Kaiser dem Kurfürsten den Verrat an seinen Glaubensbrüdern schlecht an, da er meinte, Johann Georg wolle die anderen durch die Preisgabe des Geheimnisses seinerseits irre machen. Statt Ehrlichkeit und Loyalität zu loben, interpretierte der Kaiser die Denunziation als Zeichen von Illoyalität und dankte mit keiner Silbe, so dass der sächsische Kurfürst das kaiserliche Vertrauen zumindest zeitweise verloren hatte. Es wäre besser gewesen, wenn er geschwiegen hätte … Er hatte sich dahingehend getäuscht, dass dem Kaiser nicht die Sachebene das Wichtigste war, sondern die Loyalität und Vertrauenswürdigkeit seiner Subalternen. Schließlich musste er, der Kaiser, sich ja auch bei weitergeleiteten Interzepten auf die Verschwiegenheit des Anderen verlassen können. Gegenüber seinen Glaubensbrüdern gestand er seinen Verrat nicht öffentlich ein. Am 11. April schrieb er dem hessischen Landgrafen nur, dass ein kaiserlicher Gesandter wegen der Interzepte bei ihm gewesen sei und auch der bayerische Herzog ihn deshalb angeschrieben hätte.160 Johann Georg behielt die für ihn wenig ruhmreiche Geschichte für sich und wahrte gegenüber den Glaubensgenossen die Fassade. In besonders ernsten Angelegenheiten transportierten die Höfe vertrauliche Mitteilungen nicht auf dem Postweg, sondern sandten jemanden zur mündlichen Über-

157

Vgl. ebd., Ludwig von Mainz an Kurfürt Johann Georg I., was er an Kurpfalz wegen der Interzepte gerichtet, 26. Februar 1622, f. 92. 158 Vgl. ebd, Interzepte eigenhändiger kaiserlicher Briefe, f. 46, 153, 186. 159 Vgl. ebd., Kaiser an Kurfürst Johann Georg I., 8. März 1622, f. 88. 160 Vgl. ebd., Kurfürst Johann Georg I. an Landgraf Ludwig, 11. April 1622, f. 181.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

mittlung. 1669 zeigte der Kriegsrat Berlepsch persönlich in Dresden die Rüstungen des Bischofs von Münster an, 1672 informierte er den Gothaer Herzog Ernst I. über die kritische Lage beim Ausbruch des Französisch-Holländischen Krieges.161 So kamen die Nachrichten ohne weitere Mitwisser direkt von einem hohen Amtsträger und konnten vor Ort auch gleich besprochen und beraten werden. Ein anderes Beispiel aus der Zeit der Glorious Revolution belegt die Unbesorgtheit mancher Herrscher, die eine geheime Nachricht sogleich weitererzählten. Bis 1687 war Frankreich über die Rüstungen der Generalstaaten völlig ahnungslos. Die Spionage des Comte D’Avaux hatte ihre Grenze erreicht, da die Franzosen trotz großer Investitionen durch die hervorragende Geheimhaltung „den Braten gar nicht riechen konnten“.162 Erst, als Kundschafter des Grafen D’Avaux durch Bezirzen einiger holländischer Damen herausgefunden hatten, was die Generalstaaten gegen den englischen König Jakob II. und gegen Frankreich planten, gab D’Avaux seinem König, Ludwig XIV., davon Kenntnis, der dem englischen König „eilfertige Nachricht“ übermittelte.163 Dieser vertraute die Information aber dem Nuntius in England, Monsignore Dada, und dem berüchtigten Ronchiglios an, die ihn beide glauben machten, dass die holländischen Rüstungen nur Frankreich allein gelten würden. Infolgedessen lehnte er die französische Hilfe ab und wurde der Gefahr erst gewahr, als sich die Flotte des Prinzen Wilhelm von Oranien dem englischen Hafen Brixham näherte. Die richtige Einordnung der Nachrichten und daraus abgeleitete angemessene Maßnahmen sind wesentliche Qualitätskriterien für Geheimdiplomatie. Diese erstreckt sich demnach nicht nur auf eigene Bemühungen, sondern beinhaltet auch das Eingehen auf Benachrichtigungen durch Andere. Die Schwierigkeit, auch als passiver Part in diesem Prozess erfolgreich zu sein, hängt wiederum von der Vertrauensbasis, persönlichen Voraussetzungen und guter Beratung ab. In gleichem Maße, wie die Weitergabe von Nachrichten und Interzepten ein großer Vertrauensbeweis war, ist auch die Kooperation zwischen Staaten über ihre Gesandten als geheime Praxis zweier befreundeter Höfe zu werten. Grundlage dieser Zusammenarbeit war oftmals, dass sich Kleinstaaten kein kostspieliges Gesandtenwesen allerorten leisten konnten. Doch auch Leerstellen durch abgezogene Gesandtschaften infolge von Krieg waren Ausgangspunkt für Kooperation mit anderen Staaten. Die Multiloyalität und Agentschaften der Diplomaten für mehrere Dienstherren sind beredtes Zeugnis. Jenseits der offiziellen Mitteilungen führten Abgesandte aber auch Spionagepraktiken an der Grenze zur Legalität für Dritte aus. So hat Friedrich  II. von Preußen sich, als er am russischen Hof keinen Gesandten mehr führte, durch den niederländischen Gesandten van Swart informiert, indem 161 162 163

Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 294; ThStAG, GA, F O III d, Nr. 10. Cabinet 1692, S. 19. Ebd., S. 20.

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er dessen Post zwischen St. Petersburg und Den Haag in Berlin mitlas, wogegen die Niederländer wegen ihrer wohlwollenden Neutralität gegenüber Preußen nichts einzuwenden hatten.164 Van Swart verschlüsselte nur jene Passagen, die exklusiv nur an die niederländische Regierung gerichtet waren. Ergänzt wurden diese Informationen mit zusätzlichen Mitteilungen an den preußischen Gesandten in Den Haag. Somit ist Geheimdiplomatie  unter Verbündeten auch bei einer weitaus geringeren Schwelle nachweisbar, wenn die Partner lediglich durch wohlwollende Neutralität miteinander verbunden waren. Eine Sonderform des geheimen Einverständnisses bilden Geheimverträge und -klauseln. In vielen Bündnissen wurde die Geheimhaltung ausdrücklich im Vertragstext verankert. Gemessen an der von Frehland-Wildeboer ausgewerteten Verträge des 18. und 19. Jahrhunderts enthielten im Durchschnitt 72 % Separat- oder Geheimartikel.165 Aber nur 8 % der zwischen 1714 und 1739 geschlossenen Verträge waren ganz oder in Teilen ausdrücklich geheim. In der Ära Friedrichs II. von Preußen erhöhte sich diese Zahl auf durchschnittlich 24 %, um dann bis zum Wiener Kongress wieder etwas zu sinken.166 Im 19. Jahrhundert hatte die Geheimhaltung von Verträgen Hochkonjunktur (64 %–69 %). Das wurde auch von den Zeitgenossen kritisch gesehen, da die Intransparenz bei den Außenstehenden Spekulationen und Befürchtungen laut wurden und sich dadurch Misstrauen breitmachte. 3.2.3 Korruption in Abgrenzung zur Patronage Am Rande der Geheimdiplomatie finden sich mehrere Fälle von Erpressungen und Korruption, denn durch Bestechlichkeit ernährte sich während der Frühen Neuzeit nicht nur der Krieg vom Kriege. Die Korruption kann demnach als „konstituierendes Element zwischenstaatlicher Beziehungen“ jener Zeit gelten, was aber nur so lange funktionierte, wie die Öffentlichkeit für derlei Machenschaften nicht sensibilisiert war.167 Schon im Spätmittelalter wurde Korruption energisch bekämpft. Jedoch war diese Einstellung in der Praxis nicht länger durchsetzbar; im Rahmen der Staatsbildung bildete sich die „Patronage als Kulturform“ mit „Patronagemärkten“ heraus.168 Als sich 164 Vgl. Weiß 2008. S. 52. 165 Vgl. Frehland-Wildeboer, Katja: Treue Freunde? Das Bündnis in Europa 1714–1914, München 2010, S. 60, 166 Vgl. ebd., S. 140, 217. 167 Schmidt 1999, S. 193. So hat Zar Peter I. Hamburg mit Besetzung gedroht und ein stattliches Lösegeld von 20.000 Reichstalern erzwungen. Das dänische Königshaus ließ sich die Anerkennung der hamburgischen Reichsunmittelbarkeit mehrfach bezahlen, und während Napoleons Kontinentalsperre blühte die Korruption. Als besonders prominentes Beispiel kann der französische Außenminister Talleyrand mit über 117 Mio „diplomatischer Trinkgelder“ genannt werden. Schmidt 1999, S. 185. 168 Thiessen 2010a, S. 212; Thiessen, Windler 2005a, S. 12.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

der Staatsbegriff und die Moralvorstellungen infolge der Aufklärung wandelten, galt Korruption wieder zunehmend als Zeichen von Dekadenz und „Deformation des Staatswesens“.169 Diese Verhaltensweise ist als „Erlangung eines Vorteils durch Missbrauch eines öffentlichen Amtes“ beschrieben worden.170 Um den Tatbestand der Bestechung zu erfüllen, muss die eine Seite einen Vorteil gewinnen und mindestens eine pflichtwidrige Handlung begehen, während die andere Seite diesen Vorteil erwirkt und in den Genuss der Ergebnisse dieser pflichtwidrigen Handlung kommt. Die Mehrfachloyalitäten von Hofpersonal waren nur bei Verheimlichung von Agentschaften bzw. bei Verrat von Geheimnissen strafbar. Es musste stets die oberste Maxime eingehalten werden, dass der Herrscher das Geheimnismanagement steuerte. Bei seinen Dienstleuten konnte er keine Heimlichkeiten dulden, ohne Ansehen und Respekt zu verlieren. Offizielle Mehrfachloyalität von Gesandten war ein typisches Strukturelement politischer Kommunikation, da die zwischenstaatliche Kommunikation auf professionelle Kontaktpersonen und Informationsaustausch angewiesen war.171 Gesandte besaßen im Rahmen des Prinzips do ut des quasi einen Freibrief, auch anderen Gesandten richtige und interessante Informationen zu liefern, um im Gegenzug selbst welche zu erhalten. Um ihren Auftrag zu erfüllen, mussten sie mehreren Höfen Informationen liefen, durften dafür aber kein Geld annehmen. Insofern sind zwei Faktoren – Geldfluss und Verheimlichung – notwendig, um einen Straftatbestand des Hochverrats zu erfüllen. Die Bestechung als Dienstpflichtverletzung kam in nahezu jedem Fürstenspiegel zur Sprache, und korrupte Hofangestellte wurden in der Publizistik als „beschämter Geschenkfresser“, „Schmieralia“ und „Gabenschlucker“ geächtet.172 Die Kritik wandte sich aber nur gegen die empfundene Ungerechtigkeit und die Heimlichkeit, nicht gegen die Förderung von Verwandten und Freunden per se. Um den Sachverhalt der Korruption epochenunabhängig verwenden zu können, hat der Soziologe Peter Graeff das Modell formuliert, demzufolge ein Agent die von seinem Prinzipal festgelegte Norm zu Gunsten seines Klienten übertritt und allein der Prinzipal den Schaden davonträgt. Schwierigkeiten ergeben sich besonders darin, die Korruption vom erlaubten aristokratischen Patronagesystem abzugrenzen. Zudem ist die Gemeinwohlorientierung kein ausreichendes Kriterium, da informelle geheime Praktiken sich darüber hinweg setzen können. Was nicht öffentlich ausgerichtet ist, muss sich auch nicht am Gemeinwohl orientieren. Das Botschaftspersonal, das für Einbrüche in die Arkana besonders geeignet und entsprechend gefährdet war, wurde stets bestmöglich ausgewählt. Dennoch gelang es der Gegenseite oft genug, die Diener für sich arbeiten zu lassen. Wicquefort berichtet in seinem 1680 erschienenen Buch über das Amt des Ambassadeurs ausführlich über 169 170 171 172

Schmidt 1999, S. 194. Engels 2006, S. 316. Johanek 2003, S. 373. Vgl. Fritsch 1684; Grüne 2011.

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etliche, an den großen Höfen bekannt gewordene Fälle.173 Die korrupten Diener riefen bei ihren Herren im Fall der Entdeckung große Bestürzung hervor, da die Adelselite den Vertrauensbruch zugleich als Ehr- und Prestigeverlust wahrnahm. Dem öffentlichen Ausruf: „Ich bin betrogen worden!“ korrespondierte das Gefühl: „Ich habe mich betrügen lassen!“ in Kombination mit der Unwissenheit, wo die Grenze des Betruges verlief. Mit anderen Worten: das gärende Misstrauen und der als Niederlage empfundene Verrat zeitigten mehr Wirkung auf die politische Kultur als der konkrete Schaden durch die Nivellierung der Informationsstände beider Seiten. Wegen dieser hohen Bedeutung des Prestiges und der Ehre wurden Bestechungsversuche im Umfeld der Wahl zum Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches von den Zeitgenossen als illegitim wahrgenommen, so dass Verpfändungen statt Geldmittel in Aussicht gestellt wurden.174 Allerdings hat Wicquefort die Frage zu stellen gewagt, ob es einem Ambassadeur erlaubt sei, die Minister an dem ihm zugewiesenen Hof zu bestechen. Er gelangt zu dem Schluss, dass es ihm vergönnt sei, wenn er desto schneller die „Schadörter entdecken möchte.“175 Es sei nicht gegen das Völkerrecht, müsse aber eingedämmt bleiben und der Ambassadeur solle versuchen, seinen Kredit zu erhalten, indem er sich nicht mit dem Erfolg brüste.176 Wenn dies gelinge, sei dies in Wahrheit der allerbeste Dienst eines Ambassadeurs an seinem Herrn. Insofern ist eine heimliche Bestechung von den Zeitgenossen moralisch nicht akzeptiert gewesen, wurde aber dennoch oft unter der Hand praktiziert. Die aktenkundigen Fälle sind nur die Spitze des Eisberges. Die von Hillard von Thiessen analysierte „Parallelität von Normen“ innerhalb einer Gesellschaft beinhaltete einerseits formale Normen im Dienst der Gesellschaft und andererseits informelle Normen der administrativen Praxis.177 Den Gesandten oblag die Aufgabe der Ausbalancierung beider unterschiedlicher Moralcodes. Dies erfolgte aus seiner Position innerhalb des Patronagesystems. Während die Korruption als situationsbedingter Geldtransfer für eine Leistung gilt, ist die Patronage als dauerhaftes, bilaterales asymetrisches Machtverhältnis zu verstehen, bei dem auch immaterielle Werte (Schutz, Ämter, …) transferiert wurden.178 Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass bei der Korruption ein adäquater Wert für die Leistung gezahlt wird, wohingegen bei der Patronage keine ausgeglichene Leistungsbilanz entstehen kann. Patronagebeziehungen waren langfristig angelegt, so dass Gegenleistungen auch Jahre später noch beansprucht werden konnten. Im Fall der Korruption erfolgt die Bezahlung sofort bei Erhalt der Leistung. Nicht zuletzt sei noch erwähnt, dass Korruption drei beteiligte Parteien kennt – Bestecher, 173 174 175 176 177 178

Vgl. Wicquefort 1682, S. 613–630. Vgl. Knake, Sebastian: „Mietekiese“ der Kurfürsten. Korruption bei römisch-deutschen Königswahlen 1436–1486, in: Grüne, Slanicka 2010, S. 387–408. Wicquefort 1682, S. 812. Vgl. ebd., S. 817. Vgl. Thiessen 2010a., S. 212 ff. Vgl. Klein 2009, S. 14 f.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Bestochener und Geschädigter – und Patronage ein bilaterales Patron-Klient-Verhältnis beinhaltet und netzwerkartige Strukturen hat. In der Person des Gesandten kreuzen sich beide Praktiken. Gegenüber seinem Vorgesetzten in der Klientenrolle, baute der Gesandte sich ein eigenes Subsystem auf, indem er mehrere Klienten an sich band, die ihn mit Informationen nährten. Er war somit in einer Doppelrolle. Patronage und Korruption konnten sich entsprechend ergänzen. Der bestochene Kanzlist, der jahrelang Zugang zu Schriftmaterial ermöglicht oder Abschriften liefert und sich oft genug über unzureichende Bezahlung seines Risikos beschwert, ist diesem Verständnis nach aus der Perspektive seines Auftraggebers ein Klient und aus der Perspektive des Betrogenen ein korrupter Hofangestellter und Verräter. Er war Mittel zum Zweck der offensiven Geheimdiplomatie. Anknüpfend an den in der Teilöffentlichkeit des Hofes immer wieder aufflammenden Korruptionsdiskurs rückte ab Ende des 18. Jahrhunderts die Korruption als signifikantes Element in die öffentliche Debatte, was ihre Wahrnehmung als Resultat des Modernisierungsprozesses erscheinen lässt.179 Um 1800 wurden nicht nur die öffentliche Verwaltung, sondern auch Geheimgesellschaften der Korruption bezichtigt, wobei eigentlich die Klientelpolitik kritisiert wurde.180 Dabei spielte durchaus eine Rolle, dass in den Gesellschaften einige Berufsgruppen überrepräsentiert waren.181 Insofern ist in der Sattelzeit eine Verschiebung der Semantik des Begriffes „korrupt“ zu beobachten. Korruption und mit ihr auch die Patronage war im 19. Jahrhundert nicht mehr akzeptabel. 3.2.4 Die organisierte Interzeption in „Schwarzen Kabinetten“ Besonders verbreitet war die Postinterzeption, die, wenn sie geschickt durchgeführt wurde, monate- oder jahrelang wertvolle Nachrichten einbrachte, ohne dass der Empfänger von der Verletzung des Briefgeheimnisses wusste. Militärische Befehle waren ebenso begehrt wie Parolen, Chiffrenschlüssel oder Informationen über Schwachpunkte beim Gegner. Bislang hat sich die Forschung keine Definition einer solchen Institution erarbeitet. Aus den vorliegenden Quellen können aber fünf Kriterien extrahiert werden, die erfüllt sein müssen, um eine organisierte Interzeption als „Schwarzes Kabinett“ zu bezeichnen. Erstens muss ausschließlich zu diesem Zweck angestelltes Personal bestallt sein, zweitens die Arbeit in hierarchischer Ordnung organisiert sein, drittens ist der genaue Ablauf (heimliches Abfangen, Öffnen, Kopieren, ggf. Dechiffrieren, Verschließen, Weitersenden) einzuhalten, viertens gehören konkrete Instruktionen

179 Vgl. Kerkhoff, Kroeze, Wagenaar 2013, S. 28. 180 Vgl. Bernsee 2013. 181 Vgl. Schrader 1997, S. 190.

3.2 Die offensive Geheimdiplomatie

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mit formulierten Zielstellungen und Vorgaben und fünftens eigene Räumlichkeiten zu einem Schwarzen Kabinett. In England wurde schon unter Queen Elisabeth  I. ein Secret Service durch Sir Francis Walsingham eingerichtet. Auf dem Kontinent sind frühe Spuren in der Alten Eidgenossenschaft zu finden.182 Gesandte der europäischen Höfe versuchten mit allen Mitteln, heimlich an verschlüsselte Briefe zu kommen. Die kaiserlichen Gesandten ließen von ihrem Spion in der Luzerner Kanzlei Briefe kopieren, die aus Bern, Burgund und Mailand kamen. Der Mailänder Moresini erhielt vom Schultheiss oder Stadtschreiber in Luzern Briefe zum Kopieren ausgeliehen, die der französische König an Bern geschrieben hatte. Die Tagsatzung  – die Versammlung der Abgeordneten der Kantone – beschäftigte sich 1500 damit, wie man sich der „Lägerherren“, die alles ausspionierten, entledigen könnte. Somit spionierten sich der Kaiser und Frankreich bereits mit einem verstrickten Spionagenetz, dessen Zentrum in der Schweiz lag, gegenseitig aus. Danach professionalisierte sich die Briefinterzeption zunächst in Frankreich. Kardinal Richelieu hat ein so genanntes Cabinet noir eingerichtet, mit dem er sich über alle postalisch versendeten Informationen informierte. Seit 1628 wurde sämtliche Post über Paris geleitet.183 Unter Leitung des Kapuzinermönchs Père Joseph, bewerkstelligte man im Kabinett Öffnen und Wiederverschließen der Briefe so geschickt, dass der Empfänger von der Spionage nichts bemerkte. Dieses Cabinet noir nutzte das Koordinatensystem der Kapuziner und sammelte chiffrierte Berichte von Informanten an „neuralgischen Punkten“, u. a. von Père Alexandre d’Alais in Bayern, Père Hyacinthe de Casal in Wien, Père Ange de Raconis in Deutschland, Monseigneur de Marquemont in Rom, verschiedenen Kaufleuten und Reisenden.184 Es war demnach eine Kombination aus Interzeptionsbüro und frühmodernem Nachrichtendienst. Die Dechiffrierkunst von Antoine Rossignol legte sogar die Schwächen der hugenottischen Armee offen.185 Über diesen Kryptographenmeister dichtete Abbé de Boisrobert folgende Reime: Que ton service est éclatant et que ton Art est important! On gagne par luy des Provinces On sçait tous les secrets des Princes Et par luy, sans beaucoup d’efforts On prend les villes et les forts.186

182 183 184 185 186

Vgl. Würgler 2003, S. 308. Vgl. Beyrer 2007, S. 51; Vaillé 1950. Vgl. Schultz 2009, S. 138. Vgl. Hartmann 2002, S. 437; Malettke 2003. Zit. in: Hartmann 2002, S. 437.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Ludwig XIV. hat offenbar über die politisch interessanten Briefe der Offiziellen hinaus auch die Privatkorrespondenz seiner Untertanen ausspioniert. Zusammen mit Colberts eifriger Materialsammlung in der „Doppelbibliothek“187 konnte sich die Monarchie auf ein starkes Informationssystem stützen. Jacob Soll sprach gar von einer „kulturellen Revolution“.188 Nach dem Tod Colberts 1683 lag das Geheimarchiv brach, und die Monarchie konnte sich, da er die Gebrauchsanweisung mit ins Grab genommen hatte, nicht gegen die Attacken der Revolution wehren.189 Das Cabinet noir wurde erst während der Französischen Revolution aufgehoben und unter Napoleon Bonaparte neu organisiert. Es bestand bis in die letzten Jahre der Restauration und wurde von Alexandre Dumas dem Älteren gezeichnet (Abbildung 13). Als besonders gut erforscht kann auch die österreichische Geheime Ziffernkanzlei gelten. Ihre Anfänge reichen bis ins 16. Jahrhundert zu vereinzelten Interzeptionen unter

Abbildung 13: Le Cabinet noir, Dumas père, Mes Memoires, Paris 1854, Kap. 130, akg-images 379628 187 188 189

Soll 2008, S. 363. Ebd., S. 361. Vgl. ebd., S. 369.

3.2 Die offensive Geheimdiplomatie

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Maximilian I. und Karl V. zurück.190 Landgraf Philipp I. von Hessen büßte für seine offenen Worte in Briefen schwer. Die Interzeption war berühmt-berüchtigt, und die mit der Brieföffnung beauftragten Postmeister waren namentlich bekannt. Allerorten waren Postlogen installiert, von denen aus die Kontrolle geschah. Die Betroffenen versuchten mit Verlegungen der Postrouten darauf zu reagieren.191 Sie konnten aber die Reichspostzentren nicht meiden, so dass die kaiserliche Interzeption beinahe unvermeidlich war. Es geschahen jedoch gelegentlich Pannen, beispielsweise, als die Abschrift eines Briefes an den englischen Gesandten versehentlich mit in den Umschlag des Originals gesteckt worden war. Kaunitz nahm diesen Fehler noch nicht sehr schwer: „Was wollens, lieber Keith? Die Leit’ sind halt noch ung’schickt. Es wird schon werden.“192 Der Personalmangel wurde ausgeglichen, denn zwischen 1716 und 1800 wuchs die Zahl der Angestellten in der Zentrale von zwei auf 20.193 Die Wiener Kanzlei spezialisierte sich auf das Abformen von Siegeln durch eine Paste aus Quecksilberamalgam. Der Tagesablauf war streng organisiert: nach der Lokalpost um sieben Uhr wurden Transitbriefe vorgenommen, dann die Einreichungen der Polizeistellen, danach die ausgehende Post.194 Trotzdem ließen sich Fehler in dieser großen Institution nicht immer vermeiden. Nachdem während des kurzen wittelsbachischen Intermezzos die Postlogen geschlossen waren, ließ Maria Theresia ihre Arbeit 1745 wieder aufnehmen. Als Kryptologen beschäftigte sie den Baron Ignaz von Koch. Für das Geschehen im Reich ist relativ wenig erforscht. Ludwig Kalmus nannte ein Schwarzes Kabinett in Braunschweig-Lüneburg im 17. Jahrhundert und ein Weiteres in Hessen-Kassel.195 Für Preußen sei nichts bekannt. In Sachsen betrieb Graf Heinrich von Brühl Mitte des 18. Jahrhunderts ein Schwarzes Kabinett, um sich über die preußische Politik zu informieren, die Sachsen gefährlich zu werden drohte.196 Das zeitlich versetzte Entstehen von Geheimdiensten in Europa hing mit dem jeweils in den Ländern bestehenden Krisenmanagement zusammen. Solange die bewährten Rezepte halfen, kamen die Höfe ohne eine neue Institution aus. Erst außergewöhnliche Bedrohungsperzeptionen machten groß angelegte Spionageeinrichtungen erforderlich. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Spionage solange besteht, wie Kriege geführt werden. Die eigene Praxis eines Schwarzen Kabinetts hinderte die sächsisch-polnische Regierung nicht daran, sich bei Preußen 1745 darüber zu beschweren, dass die Post zwischen Dresden und Warschau in Schlesien aufgehalten werde, was natürlich dementiert wurde.197 190 191 192 193 194 195 196 197

Vgl. Stix 1937; Hubatschke 1975. Vgl. Oehlke 1997, S. 59. Zit. in: Kissel 2011. Vgl. Beyrer 2007, S. 53. Vgl. ebd., S. 55. Vgl. Kalmus 1937, S. 406 f. Vgl. Rous 2014c. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Akten, Nr. 8211.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Die Aufklärer verurteilten die Spionage und strebten mehr Transparenz in der Politik an. Diesem Anspruch folgte auch die Beschreibung des Panoptikums bei Jeremy Bentham, und Immanuel Kants Forderung nach einem Verbot der Spionage in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“.198 Doch bereits als die Revolutionäre ihr Land mit Terror und Europa mit Krieg überzogen, erwies sich, dass derlei Ideen Utopien waren. 3.2.5 Falsche Identitäten Sekretäre oder andere Untergebene mit einer doppelten Identität dienten zur Spionage und Feindaufklärung, um Informationen zu beschaffen. Diese Methode kann als personelle Täuschung bezeichnet werden und ist oft gekoppelt mit den anderen Spielarten der Täuschung: der defensiven Ausrichtung, Informationen heimlich zu transportieren, und der aggressiven Art, Informationen durch gefälschte Handschriften und Siegel zu manipulieren. Da die personelle Täuschung eine direkte Nähe zum Gegner benötigte, wurde sie nur sparsam und nicht separat eingesetzt, sondern standen meist in direkter Verbindung mit anderen geheimdienstlichen Methoden wie der Interzeption oder Korruption. Der komplette Identitätswechsel einer Person machte eine Legende, mithin einen falschen Lebenslauf, erforderlich.199 Die Legende enthält auch Details wie Sprache, Habitus und möglichst passende Einzelheiten der neuen Identität. Die perfekte Verstellung soll dem Agenten helfen, sich glaubhaft zu präsentieren und dadurch Vertrauen zu generieren, das er für die Erfüllung seines Auftrages braucht. Der Erfinderreichtum war bereits sehr früh recht groß: so tunkten drei falsche Boten 1489 ihre Kleider vor der Ankunft in den Fluss, um als verschwitzt und weitgereist zu gelten.200 Die Spione mussten gewissermaßen eine Metarmorphose eingehen und eins mit dem Feind werden.201 Die beste Tarnung war, so durchschnittlich wie nur möglich zu wirken, um keinerlei Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. 3.2.6 Spionage und Spionageabwehr Dass Spionage eine offensive Methode der Informationsgewinnung ist, steht außer Frage. Die Abwehr derselben durch schützende Maßnahmen erscheint zunächst als ein defensiver Akt. Abram Shulsky unterscheidet jedoch passive und aktive Methoden der Spionageabwehr und zählt die Zugangsblockade des Gegners durch Isolation, Chiffrie198 199 200 201

Vgl. Bobbio 1988, S. 104; Zum ewigen Frieden 1981, A 13. Vgl. „Légende“, in: Aumale, Faure 1998, S. 266 f. Vgl. Jucker 2010, S. 68. Vgl. Horn 2001, S. 62.

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3.2 Die offensive Geheimdiplomatie

rung, Geheimkommunikation usw. zum erstgenannten202, so dass die passive Spionageabwehr nach Shulsky der defensiven Geheimdiplomatie nahekommt. Die von Shulsky genannten aktiven Maßnahmen entsprechen den Methoden der offensiven und aggressiven Geheimdiplomatie. Sie dienen der Suche, Entlarvung und Arretierung gegnerischer Spione sowie der Informationssammlung über Aktivitäten der gegnerischen Aufklärung. Bei dieser Zielstellung fällt es naturgemäß leicht, auch eigene Spionageabsichten unter dem Deckmantel der Spionageabwehr zu verbergen und auf diese Weise zu legitimieren. Mit einer Mission betraut, besaßen Spione verschiedene Methoden, um ihr Ziel zu erreichen. Sie korrespondierten mit dem Feind, bestachen Geheimnisträger zur Erlangung von Informationen, schmuggelten Waffen oder streiften unter falschem Namen im gegnerischen Lager umher. Sie nutzten ohne Berechtigung Hoheitszeichen und Siegel und sandten ihre Nachrichten mit Geheimschrift an ihre Auftraggeber. Auch Sabotage oder die Unterminierung feindlicher Pläne gehörten zu ihren Arbeitsgebieten. So beunruhigten manche Spione bewusst die Militärstraßen, um den Nachschub abzuschneiden. Beispielsweise gelang es den Franzosen im Spanischen Erbfolgekrieg wiederholt, die Kommunikation der Allierten mit dem Posthafen in Ostende zu stören.203 Das wirkte sich auf Nachschub von Material, Proviant und Truppen aus. Solche Aktionen durch Militärangehörige im Feld waren schädlich, aber leicht erkennbar. Die größere Gefahr ging von getarnten Spionen aus. Möglicherweise haben die Höfe auch Reservisten besessen, wenn man beispielsweise den Kriegsetat von SachsenGotha für das Jahr 1734 betrachtet. Darin sind fünf Leutnants als „supernumerarii“ aufgeführt, die zusätzlich zu den Planstellen geführt wurden, von denen aber nur zwei mit 30 bzw. 50 Reichstalern jährlich besoldet wurden.204 Die Ausgaben für Missionen wurden möglicherweise aus dem Fond für „Verschickungen“ bestritten.205 Tabelle 20: Geldverschickungen im Kriegsetat von Sachsen-Gotha 1734 Posten Post-Gelder pp. Zu Reparierung des Gewehrs Schreiberey Nothdurfft Brodt-Nachschuß, Holtz, Beckerlohn u. a. Unkosten zum Commiss-Brodt An Allmosen und Insgemein An Anwerb- und Beybring-Geld

jährlich verfügbares Geld 500 RT 500 RT 100 RT 100 RT 300 RT 500 RT

202 Vgl. Shulsky 2002, S. 99. 203 Vgl. Pohlig, Matthias: Infrastructuring the English Postal Service to the Low Countries during the War of the Spanish Succession, Vortrag auf der Tagung „The War of the Spanish Succession. New Perspectives“, London, 22.–24. März 2012, unveröff. Ms., S. 34. 204 Vgl. ThStAG, GA, WW V, Nr. 59. 205 Vgl. ThStAG, GA, WW V (u) Nr. 1.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Zweifellos waren auch andere Militärangehörige zu Reisen gezwungen als nur Spione, allerdings lässt der Hinweis, dass extra Reisebrot und ein repariertes Gewehr mitgenommen wurden, auf unter Umständen gefährliche Expeditionen schließen. Der hohe Anteil der Almosen und „Beybring-Gelder“ stärkt die Vermutung, dass es sich hierbei möglicherweise um potentielle Bestechungs- und Schweigegelder zur Feindaufklärung handelt. Die Motivation der Spione war meist finanzieller Natur – immer wieder ist in den Verhörprotokollen von Geldnot die Rede. Daneben kamen aber bei stark verwurzelten Feindbildern auch politische Ideale zum Tragen. Unter den wegen Spionage Verhafteten gab es sowohl Einzeltäter, die in Eigenverantwortung handelten und sich Abnehmer für ihre Informationen suchten, als auch Partnerarbeit und Spionagenetze, die überwiegend aus konkreten Aufträgen hervorgegangen sind. Doch nicht jeder Verdacht bestätigte sich, denn es sind auch Fälle überliefert, wo Unschuldige in Haft kamen. Zumeist wurden Landesverräter und Spione nicht hingerichtet, sondern nach einer angemessenen Haftzeit mit abgenommenem Eid eines Fehdeverzichts entlassen und aus dem Lande gewiesen. Offenbar gab es zwischen den Höfen die inoffizielle Abmachung, entlarvte Spione maßvoll zu behandeln, um auch eigene Leute zu schonen. Hierin äußert sich der große Wert von Spionen als Wissensträger, die die Fürsten kontrollieren, aber nicht völlig ausschalten wollten. Um die Maulwurfstätigkeit zu behindern, hielt man Spione solange inhaftiert, wie die größte Gefahr andauerte. Zunächst leugneten diese ihre Tätigkeit, um dem Feind keine zusätzlichen Informationen zu verraten. Erst, wenn sich dessen Kenntnisstand offenbart hatte, konnten die Spione ihre Verteidigungsstrategie verändern. Sie sprachen dann von „Missverständnissen“ und deuteten scheinbar nützliche Informationen an, um durch Amtshilfe ihre Freilassung zu erreichen oder eine Stellung als Doppelagent angeboten zu bekommen. Gegenüber dem Feind blieb die Inhaftierung und Entlarvung eines Spions möglichst geheim. Aber befreundete Fürsten tauschten sich untereinander mit Hinweis auf Verschwiegenheit über gefangene Spione aus und lieferten einige Inhaftierte auch an die Geschädigten aus.206 Detaillierte Zahlen über einen eventuellen Geldtransfer wie beim Austausch von Kriegsgefangenen liegen über den Spiontausch nicht vor.207 Besondere Schwerverbrecher wie der Geheimnisverräter Menzel wurden indes nicht mit einer Freilassung bedacht, sondern blieben bis zu ihrem Tode in den Festungszellen. Die Gräfin Cosel ist ihrerseits wegen der schwelenden Gefahr eines noch möglichen Geheimnisverrats an Preußen lebenslang auf der Burg Stolpen festgehalten worden. 206 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 7237/16, Brief Kursachsens, 17. Juni 1675. Sachsen lieferte z. B. an Schweden den aus Livland stammenden Johann Reinhold Patkul aus, der bei Karl XII. hingerichtet wurde. 207 Kriegsgefangene wechselten die Kriegsparteien spätestens nach 14 Tagen. 1730 waren zwischen Österreich und Preußen folgende Sätze vereinbart worden: ein Generalmajor kostete 1.500 Gulden, ein Obrist 650 Gulden, ein Hauptmann 80 Gulden, ein Leutnant 30 Gulden, der Feldwebel 10 Gulden und Unteroffiziere und Manschaften jeweils 5 Gulden. Vgl. Weber 2008a, S. 137.

3.2 Die offensive Geheimdiplomatie

283

3.2.7 Höfische Intrigen und Denunziation als Scharnier zwischen Innen- und Außenpolitik Die außenpolitische Orientierung eines Hofes fand in der Kamarilla um den Fürsten ihren personellen Niederschlag. Durch Patronage-Netzwerke, private oder wirtschaftliche Bindung war das Hofpersonal, besonders aber die um Karriereaufstiegschancen konkurrierenden Räte, auf die eine oder andere Weise festgelegt. Häufig spaltete sich der Hofstaat in zwei, seltener in drei Hofparteien auf. Untereinander entbrannte ein Kampf um den Zugang zum Fürsten, um Bevorteilung oder Sicherung der eigenen Position. Das Personal der niedrigeren Ebene konkurrierte ebenfalls um Einflussbereiche, persönliche Interessen und Aufstiegsschancen. In diesem Zusammenhang griffen die Höflinge und Angestellten zu Intrigen und Denunziationen.208 Der Makropolitik, die institutionengebunden und am Gemeinwohl bzw. an staatlichen Interessen orientiert ist, steht hier die Mikropolitik einzelner Personen gegenüber.209 Doch Wolfgang Reinhard zufolge sind hinter dem makropolitischen Bild meist mikropolitische Bedingungen verborgen.210 Diese These lässt sich an Hand der innerhöfischen Parteiauseinandersetzungen belegen, betrachtet man die Verknüpfung von Außenpolitik und Intrige beispielsweise am Hof Augusts II. Somit lohnt sich ein Exkurs in die Dynamiken von Loyalitäten und Netzwerken. Anders als Wolgang Reinhard hat Michael Jucker die von einzelnen Persönlichkeiten praktizierte Geheimpolitik als inoffizielle Geheimpolitik bezeichnet und von der offiziellen getrennt.211 Die privat ausgetragenen Auseinandersetzungen sind jedoch kaum als Politik einzuordnen, sondern gehören ins Feld der Intrige, einer Methode der Mikropolitik. Das Prinzip der Intrige Gustav Adolf Pourroy hat im Wesen der Intrige drei Grundformen entdeckt: den Billardstoß, den Achillesschuss und das Komplott.212 Bei Typ eins manipuliert der getarnte Intrigant die Öffentlichkeit und genießt die Schadenfreude. Im zweiten Fall wählt der Intrigant offene Aktionen und hält aber den Gesamtplan geheim, wobei er dem Opfer eine scheinbare Eigenschuld zukommen lässt. Bei einem Komplott agieren mehrere Parteien gemeinsam gegen ein Opfer. Ein Intrigant neigt dazu, einen Mitwisser in seinen Plan einzuweihen, um die Hinterhalte nicht selbst ausführen zu müssen und keine Spuren zu hinterlassen. Durch

208 209 210 211 212

Vgl. Engels 2006, S. 338. Vgl. Reinhard 2005, S. 142. Vgl. ebd., S. 144. Vgl. Jucker 2010, S. 68. Vgl. Pourroy 1986, S. 17–31.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

verschiedene Aktionen tarnt er zugleich die große Intrige. Dem Opfer liegt kein einheitliches Bild vor, sondern erst in der Summe der Eindrücke ist die Intrige sichtbar. Begleitet werden Intrigen durch Verleumdungen, deren innerer Kern Lügen sind. Peter von Matt hat die Intrigen analysiert und festgestellt, dass es immer eine Notsituation, ein Ziel sowie die Verstellung als Intrigenpraxis gibt. Die Verstellung kann meist nicht geheim gehalten werden, da die Personen meist von einem früheren Bekannten erkannt oder von Mitwissern verraten werden.213 Nicht nur die Verstellung beinhaltet eine Lüge, sondern auch das Benutzen von Personen zu unfreiwilligen Intrigenhelfern. Dies kann nur durch Belügen funktionieren. Insofern sind die zahlreich an den Höfen auffindbaren Intrigen alle mit Lügen behaftet. Sie gehören in die Kategorie der innenpolitischen diplomatischen Lüge, während die Lügen zwischen Staaten auf dem Feld der Außenpolitik zu finden sind. Nicht selten jedoch wirkten sich die Intrigen auch auf die Außenpolitik aus, wenn durch den Günstlingswechsel ein politischer Umschwung erfolgte. So erwiesen sich manche, wenn nicht gar die meisten Fürsten, als stark beeinflussbar und wenig prinzipientreu. 1567 fegte ein neuer Oberförster mit einem Achillesschuss den langgedienten Jägermeister Cornelius von Rüxleben aus dem Amt und brachte ihn durch Verleumdung zeitlebens in die Festung Pleißenburg.214 Kurfürst Christian  II. von Sachsen etablierte unter dem Einfluss Nikolaus Krells eine calvinistische Herrschaft, die nach seinem Tod umgehend rückgängig gemacht wurde, wobei die calvinistische Hofpartei der Intrige der Kurfürstinmutter zum Opfer fiel. Die Intrige des profranzösischen Grafen Karl Heinrich von Hoym führte zum Sturz Ernst Christophs von Manteuffel, der fortan als Informant im geheimen Netzwerk des Prinzen Eugen tätig sein durfte und dadurch die Außenpolitik entscheidend beeinflusste. Hoym selbst musste seine Bindung an Frankreich teuer bezahlen, als er für den intriganten Grafen Heinrich von Brühl das Feld räumen musste. Dieser folgte den Wechselfällen der Politik wesentlich cleverer und hatte das Glück, einen weitgehend unpolitischen Herrn zu haben, der ihm große Freiheiten ließ. Auch überließ Manteuffel ihm viele Informationen, in der Hoffnung, seinerseits Wissenswertes zu erhalten. Jedoch gewann Graf Brühl dadurch nur an Urteilskraft.215 Deshalb konnte Brühl über einen langen Zeitraum seine Wirkung entfalten und aus seiner Machtposition heraus allen Intrigen standhalten. Und auch die gescheiterte Intrige der Panam-Affäre sollte das Prestige des Prinzen Leopold von Sachsen-Coburg beschädigen, um den internationalen Aufstieg des kleinen ernestinischen Herzogtums im Keim zu ersticken.216 Die Betroffenen einer Intrige waren zumeist Opfer ihrer Konsequenz und Unflexibilität, aber auch mangelnder Vernetzung. Wer seine Position gegen Intrigen behaupten 213 214 215 216

Vgl. Matt 2006. Vgl. Herfurth 1893/94; Distel 1891. Vgl. Vogel 2003, S. 122. Vgl. Grunewald 2013, S. S. 153–164.

3.2 Die offensive Geheimdiplomatie

285

wollte, brauchte einen misstrauischen, verschlagenen Charakter in Verbindung mit einem gut funktionierenden Netzwerk aus einflussreichen Freunden an den entscheidenden Stellen. Dieses Netzwerk wurde mit Gefälligkeiten in Form von Geld, Titeln oder Bevorteilung gewissermaßen geölt und musste ständig in Betrieb gehalten werden, so dass sich eine routinierte Kommunikation herausbildete und in Stress- und Bewährungssituationen keine Missverständnisse auftraten. Bestenfalls gab man keine Angriffsfläche, was sich jedoch schwierig gestaltete. Beispielsweise zeugen die Privatakten und Nachlässe von Hofangestellten davon, dass sie sich eigene Kopien von wichtigen Schriftstücken machten. Was bei einer hochrangigen Person als notwendiges Arbeitsmaterial interpretiert werden würde, konnte einem niederrangigen Vertreter einmal zum Fallstrick werden. So hat Emanuel Villio, der als „Secretarius intimus“ des sächsischen Kurfürsten bezeichnet wurde, ein dickes Konvolut von Abschriften seiner Agentenzeit in Wien zwischen 1660 und 1687 hinterlassen.217 Er bewegte sich damit gewissermaßen auf dem schmalen Grat zwischen benötigten Arbeitsunterlagen und für andere Zwecke aufbewahrter Kopien, denn in seiner Position hatte er keinen Anspruch auf ein Privatarchiv. Eigentlich gehörten Abschriften ins Gesandtschafts- oder Kabinettsarchiv. Wer für seine eigenen Zwecke Abschriften anfertigte oder aufbewahrte, war über kurz oder lang vor einer Denunziation nicht sicher. Denunziation Im Zuge der Ausbildung des modernen Staates nahm die Aufsicht über die Bevölkerung zu: Korrespondenzen- und Personenkontrollen wurden bürokratisiert und Informationsnetze im gesamten Land etabliert. Die Politik versuchte sich gegen Spionage zu verteidigen, indem die Regierung Gratifikationen für Denunziation von Spionen ausschrieb, eine Anzeigenpflicht einführte oder Mitwisserschaft mit harten Strafen belegte. Für schriftliche Anzeigen wurden eigens Briefkästen an öffentlichen Gebäuden angebracht.218 Die Geistlichkeit unterstützte die Herrscher mit religiös begründeten Legitimationspredigten für die Denunziation und pries die Befreiung von der Sünde zu schweigen.219 Vielen war das Gewissen zu schwer und die Angst vor Strafe zu hoch.220 Der „willkommene Verrat“ war gekoppelt an die „Verletzung einer horizontalen Loyalitätsbindung“.221 Die Denunziation ist somit eine Spielart des Verrates, der auch durch Verleugnen, Kollaborieren, Korrumpierbarkeit oder durch Umsturzabsichten 217 218

Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9610/7. Für Denunziation gab es in Spanien im frühen 17. Jahrhundert eigene löwenköpfige Briefkästen. In Italien und in Zürich waren marmorsteinerne Löcher an Gebäuden wie am Palazzo di S. Marco zum Einwerfen von Anzeigen vorgesehen. Vgl. Burke 2000, S. 156; Blickle 2006, S. 25. 219 Vgl. Sermon 1532. 220 Vgl. Genêt 2013, S. 401. 221 Schröter 2007a, S. 223.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

und Glaubensabfall geleistet werden kann.222 Anfangs war der Begriff der Denunziation aber wertneutral. Erst Mitte des 18. Jahrhundert setzte eine öffentliche moralische Abwertung dieser Akte und eine gesellschaftliche Schmähung von Denunzianten unter dem Begriff der Delation (Verräterei) ein.223 So wurde in der Zeit der Französischen Revolution in Anzeigen die gerüchteartige Berichterstattung in unpersönlichen Formulierungen wiedergegeben und das Hörensagen reflektiert, um sich zu schützen.224 In Leisnig wurde 1643 der Stadtschreiber Tobias Wirth vom Amtsschösser Matthes Braun des Paktierens mit dem Feind beschuldigt, dem er Steuerreste und Amtsintraden verraten habe. In seiner Verteidigung verwies Wirth darauf, dass mit der Familie des Amtsschössers über Generationen hinweg ein Familienzwist schwele und dass der Schösser gewiss von seinem Eidam auf diese Idee gebracht worden sei, der schon in Rochlitz wegen Landesverrats und „Aufstecherei“ gesessen hatte.225 Ob nun dieser Verdacht richtig war, sei dahingestellt. Jedenfalls wurde Wirth wegen Unterschlagung seines Amtes enthoben.226 Da die Akte endet, steht zu vermuten, dass der Anzeige wegen Landesverrats kein Glaube geschenkt wurde. Wirth wurde nur wegen der ihm nachweisbaren Unterschlagung bestraft, während sich der Verdacht auf Feindbegünstigung als üble Nachrede herausstellte. Der Ankläger in diesem Fall, Matthes Braun, konnte dennoch seine Tätigkeit fortsetzen und stieg sogar zum Landrentmeister auf.227 Ein anderer Fall: Ein Privatkrieg zwischen Bürgern eskalierte in Halle, als das Gerücht verbreitet wurde, einer habe mit dem Feind paktiert.228 Sofort fanden umfangreiche Untersuchungen statt, die aber nach einigen Wochen ad acta gelegt wurden. Diese Fälle sind ein beredtes Beispiel für die Wirksamkeit der Denunziation, die bewusst als Waffe im (Familien-) Konflikt zur Schädigung des Gegners eingesetzt werden konnte. Andererseits zeigt die offensichtlich nicht weiter verfolgte Anzeige, dass die Justiz zu differenzieren verstand. Eine ähnliche Erfahrung machte der Kanzlist des sächsischen Legationssekretärs in Regensburg, Johann Ziege. Er wurde ebenfalls anonym bei seinem Herrn denunziert, er habe dem Gesandten von Mecklenburg-Güstrow, mit dem er befreundet sei, geheime Gesandtschaftssachen hinterbracht. Ziege verwahrte sich und legte ein Zeugnis jenes Gesandten bei, das seine Unschuld beweisen sollte.229 Der Mecklenburger wurde genauestens befragt, bis sich die Unschuld Zieges nicht mehr von der Hand weisen ließ. Die Suche nach dem Denunzianten blieb erfolglos. Denunziation zwischen den 222 223 224 225 226 227 228 229

Vgl. Schlink 2007, S. 15 ff. Vgl. Hohkamp, Ulbrich 2001a, S. 15; Würgler 2006, S. 92. Vgl. Hüchtker 2006, S. 163. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9680/7, Gegenanzeige von Tobias Wirth, 4. Dezember 1643, f. 1. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9712/18. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10060/12. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9692/14. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 30107/5, Johann Ziege an den Kurfürsten, 11. Mai 1678, unfol.

3.3 Die aggressive Geheimdiplomatie

287

Kanzleiangehörigen war kein Einzelfall. Zur selben Zeit geschah es, dass ein gewisser Johann Jacob Patzendorff dem kurbrandenburgischen Legationssekretär Johann Niclas Becker ebenfalls Geheimnisverrat vorwarf. Während der Befragung verstrickte er sich aber in Widersprüche, bis herauskam, dass er das Vergehen selbst begangen hatte.230 Die Gelegenheit zum Verkauf von Wissen hatte er erhalten, als er vom braunschweigischcalenbergschen Sekretär vertrauliche Informationen über eine kurbayerische Akte empfangen hatte und das Wissen weiterverkaufte. Um sich vom Verdacht reinzuwaschen, lenkte er ihn auf einen anderen Sekretär, der ihm bekannt, aber nicht sympathisch war. Durch die Verstrickung der Bediensteten verschiedener Höfe erregte dieser Fall einiges Aufsehen. Die ungenügende Geheimhaltung arkanen Wissens konnte demnach auch Ausgangspunkt für eine mittlere Affäre werden. Dergleichen fingierte Denunziationen wurden durch eine für den Denunzianten unerwartete Überprüfung oft aufgedeckt.231 3.3 Die aggressive Geheimdiplomatie Wenn die offensive Geheimdiplomatie so weit geht, dass bewusste nachhaltige Schädigung des Anderen in materieller oder personeller Hinsicht vorgenommen wird, werden als Maximum des Denkbaren Methoden der aggressiven Geheimdiplomatie eingesetzt. 3.3.1 Täuschung Wie oben gezeigt wurde, ist eine Verstellung in mehrfacher Hinsicht möglich, um Andere über die eigenen Absichten zu täuschen. Bereits genannt wurden Verkleidung und Verheimlichung der Identität. Die Täuschung auf inhaltlicher Ebene durch bewusste Falschinformation, manipulierte Briefe oder Irreführungen liegt im Bereich der aggressiven Geheimdiplomatie. Bluffen wurde den Gesandten in den Handbüchern unter der Umschreibung, „sich des Schreck-Schuß zu gebrauchen“, empfohlen.232 Die Täuschung verfolgt das Ziel, eine falsche Tatsache als scheinbar richtige zu verbreiten. Zur Täuschung auf inhaltlicher Ebene zählen die Imitation fremder Handschriften und Siegel sowie die ohne sichtbare Verstellung überzeugend vorgetragene Lüge. Für die Enttarnung dieser Methoden ist einerseits eine ausgezeichnete Menschenkenntnis und andererseits eine erfolgreiche Gegenspionage von Nöten, um den Lügner zu überführen. Die inhaltliche Täuschung benötigt keine räumliche Nähe zum Gegenpart, sondern funktioniert auch aus der Ferne, z. B. durch schriftlich oder mündlich lancierte Falschinformationen, weshalb 230 Vgl. ebd., Aktennotiz der kurmainzischen Kanzlei, 9. Mai 1678. 231 Vgl. Engels 2006, S. 332. 232 Pelzhoffer 1710, S. 346.

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3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

ein Grundmisstrauen allen Fürsten zu eigen war und sie an der Zuverlässigkeit von Informationen zweifeln ließ. Besonders tückisch war das Vortäuschen von Aufrichtigkeit, weil durch den angeblichen Vertrauensvorschuss die Preisgabe von Geheimnissen erreicht werden konnte, ohne dass der Betrogene die Aufrichtigkeit seines Gegenübers verifizieren konnte. König Ludwig  XIV. setzte in Vorbereitung seiner Kriege viele Täuschungsmanöver ein, um durch französische Gesandte die anderen Staaten über seine tatsächlichen Vorhaben im Unklaren zu lassen oder in die Irre zu führen.233 Er kombinierte diese Taktik mit einem ausgereiften Informationssystem, in das er Frauen wie Männer geistlicher und weltlicher Stände verstrickt hatte. Eine andere Methode bediente sich des Alkohols. Wie Krauske berichtet, stellten sich manche Gesandte betrunken, um durch die scheinbar im Rausch geäußerten Reden andere zu täuschen.234 Erasmus von Rotterdam hielt die Täuschung für maximal schädlich: Ja, gerade, wenn er [der Feind] still hält, wenn er Flucht und Waffenruhe vortäuscht, dann plant er am ehesten einen Anschlag, und niemals soll man sorgfältiger Wache halten, als wenn er Frieden vortäuscht, niemals brauchen wir weniger zu zittern, als wenn er uns in offenem Krieg anfällt.235

Der christliche Streiter besitze als Waffen das Gebet und das Wissen von den Geheimnissen der geistlichen Schriften. Man dürfe sich im Krieg nicht die Falschheit des Feindes zu eigen machen. Überhaupt solle der Mensch nicht mit dem Menschen Krieg führen, sondern mit sich selbst, um tugendhaft zu werden.236 In der politischen Praxis waren die unmoralischen Täuschungspraktiken jedoch ein zuverlässiges Mittel, um einen Vorteil zu erringen, und die Vorgabe, für eine gottesgerechte Sache zu streiten, legitimierte diese Methoden. Heiko Droste geht sogar soweit zu sagen, dass Klugheit und List „entschuldbare Strategien der Interessenswahrnehmung“ waren und die Gesellschaft durch den Verzicht auf Interessensausgleich in einem gewissen Maße sogar stabilisierten, auch wenn sie kein Vertrauen schufen.237 Diese Zuschreibung suggeriert eine prinzipiell unreflektierte Handhabung der Praktiken, doch war die bewusste Hinterlist den Zeitgenossen nicht immer angenehm. Die Skrupelhaftigkeit kommt auch darin zum Ausdruck, dass öffentlich sogar diskutiert wurde, ob eine Falschinformation über den Verlust einer Schlacht erlaubt sei. Unter Berufung auf Katharina von Medici wurde diese Frage bejaht.238 Eine falsche Neuigkeit, die drei Tage geglaubt werde, könne einen Staat erretten, indem sie Mut und Hoffnung verbreitet sowie Geduld und Zeitgewinn einbringt. Andererseits sei der Beweggrund vorwiegend Eitelkeit, weshalb es 233 234 235 236 237 238

Vgl. Cabinet 1692. Vgl. Krauske 1885, S. 237. Enchiridion 1968, S. 75. Vgl. ebd., S. 107. Droste 2013, S. 88. Vgl. Erörterung 1757.

3.3 Die aggressive Geheimdiplomatie

289

wenig ratsam sei. Auch dürfe man im Krieg der Federn nicht übertreiben und dabei den Kredit der Bevölkerung verspielen. 3.3.2 Vorsätzliche Schädigung Die Politik des Gegners zu unterminieren, beinhaltete auch Maßnahmen, die auf die Sabotage der Politikführung ausgerichtet waren. Eine bewusste Irreführung des Feindes durch falsche Wegweisung ist theoretisch denkbar, in der Praxis aber nicht vorgekommen, da die Gefahr einer unmittelbaren Bestrafung zu groß war. Die Erbeutung von Kanzleien, Nomenklatoren oder ganzen Archiven gehörte zu den größten Gewinnen bzw. schwerwiegendsten Verlusten in einem Krieg. Wie gut diese Reisekanzleien abgesichert waren, zeigt das folgende Beispiel. So war Kurfürst Friedrich August  I. im Mai 1697 auf dem Ungarn-Feldzug mit 150 Pferden und 26 Korbwagen unterwegs.239 Davon entfiel auf die Geheime Kanzei nur ein kleiner Teil. Tabelle 21: Die Geheime Kanzlei Augusts II. auf Reisen Inhalt Gepäck des Kammersekretärs, Kanzleikasten 3 Kästen und Gepäck des Kammerschreibers Kästen und Gepäck des Hofmarschall-Amtskopisten

Begleiter ein Aufwärter bei der Geheimen Kanzlei, ein Kammersekretär ein Diener

Transportmittel zwei Wagen, acht Pferde ein Wagen, vier Pferde ein Kanzlist bei der Geheimen Kriegs- ein Wagen, vier kanzlei, ein Reisekellerschreiber Pferde

Somit wurden die Reisewagen auch unterwegs stets durch Personal bewacht, um in diesen Trecks Einbrüche, Diebstähle u. ä. zu verhindern. Die umfangreiche Equipage eines Fürsten verlangsamte das Reisetempo enorm. Die im Dreißigjährigen Krieg aller Welt vor Augen geführten Folgen einer erbeuteten Kanzlei machte diese Absicherung aber notwendig. Ein anderes wirksames Mittel zur nachhaltigen Schädigung des Gegners ist die verdeckte Unterstützung bzw. Anstiftung von Rebellionen. Den griechischen Aufstand der 1820/30er Jahre trugen zahlreiche Philhellenen in Europa mit, die sich untereinander vernetzten. Aus der entstandenen Bedrohungssituation heraus verdächtigten die restaurativen Kräfte die philhellenische Bewegung einer internationalen Verschwörungstheorie. Doch auch schon früher sind ähnliche Vorgänge zu beobachten: u. a. die Packschen Händel 1528, die Affäre Klement 1719, die Hungerverschwörung 1789.

239 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10289/2, f. 1.

290

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Die Pasquillen oder Schmähschriften240 gegen die Fürsten und ihre Räte waren gleichermaßen geeignet, um die Autorität der Herrschaft zu untergraben. Einige Fälle sind sehr gut dokumentiert.241 Auch die anderen, unter „Sonstige“ zusammengefassten  Injurien, bieten eine eindrucksvolle Quellenbasis, die hier statistisch aufbereitet wurde. Tabelle 22: Schmähungen und Pasquillen 1500–1763 Adressat der Schmähung

Anzahl der Schmähungen

anonym

Herzog Albrecht Herzog Georg Herzog Heinrich Kurfürst Moritz Kurfürst August Kurfürstliche Subalterne Kurfürst Christian I. Kurfürstliche Subalterne Kurfürst Christian II. Kurfürst Johann Georg I. Kurfürstliche Subalterne Kurfürst Johann Georg II. Kurfürst Johann Georg III. Kurfürst Friedrich August I. Kurfürstliche Subalterne Kurfürst Friedrich August II.

3 2 2 3 11 9 2 1 2 2 6 1 2 5 4 2

1

schriftlich (Pasquillen)

15

mündlich (ungebührliche Reden, Gesänge, Verleumdungen) 2 18

6

10

10

7

2 4

5 1

Urheber der Schmähungen, soweit sie nicht anonym blieben, waren fast immer Adelige, einige Pastoren, Militärangehörige (Dragoner, Obristleutnant), Studenten, Amtsträger (Sekretäre, Kammerräte, Schösser, Hofrat, Rentmeister) und nur selten Personen des niederen Standes (Mägde, Jungen, Gastwirte, Schösser, Schulmeister). Unter den Adeligen fanden sich auch Mitglieder des Hochadels (Herzogin Elisabeth von Rochlitz, Graf Philipp Ernst von Mansfeld, Graf Franz Maximilian von Mansfeld).

240 Vgl. Bellingradt 2011, S. 236 ff. 241 Aus dem 16. Jahrhundert: Rudolph von Gersdorff (2 AE), Michael Rosinus (2 AE), Hans Friedrich von Wolfframsdorf (1 AE) aus dem 17. Jahrhundert: Gottfried Dehn (5 AE), Hans Burkhard von Schönberg (17 AE), Georg von Starschedel (3 AE) aus dem 18. Jahrhundert: Johann Friedrich von Wolfframsdorf (10 AE). Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Malefizsachen.

291

3.3 Die aggressive Geheimdiplomatie

Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass besonders in der Regierungszeit Kurfürst Augusts Beschwerden laut wurden. Es lässt sich hinsichtlich der geringen Zahl anonymer Schmähungen keine Schlussfolgerung ziehen, dass jene Schmähungen durch Einflussnahme des Feindes zustande kamen. Allerdings ist ein Zusammenhang zwischen kriegerischen Ereignissen und dem Aufkommen von Pasquillen nur selten festzustellen. So reichen einzelne anonyme Gedichte nur im Umkreis der Grumbachschen Händel (1566/67), des böhmischen Aufstandes (1617) und des Nordischen Krieges (1702/05) nicht aus, um eine konsequente Volksverhetzung zu vermuten. Vielmehr scheinen viele Schmähungen auf der Grundlage erlittenen Unrechts bzw. aus persönlichen Missständen oder Rachegelüsten heraus entstanden zu sein, so dass es sich um persönliche Gefühlsäußerungen handelte und nicht um strategische Geheimdiplomatie des Gegners. Dafür spricht auch die geringe Zahl von anonymen Injurien und von Verfassern aus den unteren Milieus, die in solchen Fällen angesprochen und für die Verbreitung von Schmähungen eingesetzt wurden. Adelige und Hofamtsträger wären schon wegen ihres Bekanntheitsgrades kaum unter ihrem Namen das Risiko der schweren Strafe eingegangen, öffentlich den Landesherrn und seine Regierung herabzuwürdigen. An dieser Stelle zeigt sich, dass Hofangestellte nur dann geheimdiplomatisch wirkten, wenn ihnen eine hohe Wahrscheinlichkeit, unentdeckt zu bleiben, Schutz bot. Ein ähnliches Bild zeigen die Aufstände und Tumulte, die sich häufig als Gemeindeaufstände gegen die Beamten (Schultheißen, Gerichtsdiener, Räte) oder deren Anweisungen richteten oder als Einzelaktionen einen Widerstand gegen die Staatsgewalt darstellten. Anders liegt der Fall bei den Attentaten und anderen Tätlichkeiten gegen die Person des Landesherrn.242 Hier sind es in Auftrag oder aus Eigeninitiative agierende Täter, die den sächsischen Kurfürsten oft bei der Jagd auflauern oder bei Hof mit Gift den Tod herbeiführen sollten. Tabelle 23: Attentate gegen den Landesherrn und seine Familie geplantes Opfer Kurfürst August

Attentäter

Umstände

Jahr

Philipp Plaß, Edelleute, Ewald von Carlowitz

Wegelagerei und Anschlag gegen den Kurfürsten

1566

Jakob Pegenau

Räuberei und Mordanschlag

1569

Wilhelm von Grumbach

Attentate auf der Jagd und mit Gift

1566

242 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8783/13; 9667/19; 9667/20; 9676/11; 9676/12; 9677/6; 9677/7; 9677/11; 9678/2; 9678/3; 9678/4; 9678/7; 9678/9. Loc. 9677/1; 9680/10; 9680/19; 9682/2; 11254 GD, Loc. 14607/3.

292 geplantes Opfer

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

Attentäter

Umstände

Michael Heinrichs und Gesellen, anhaltische Diener, Hans Menzel, sonst Hans von Bitterfeld genannt, Barthel Knorr, sonst Hans Scheuder genannt, verschiedene Personen u. a. in Salzfurt, Fürst von Anhalt dahinter vermutet

auf der Birkenhahnbalz, Büchsenschuss

April 1603

Caspar Preuschwitz aus Dresden

Büchsenschuss

1610

Kurfürst Johann Georg I.

schwedischer Obrist Jacob Wancke

auf die Festung Dresden und auf Johann Georg geplanter Anschlag

1647–51

Kurfürst Johann Georg III.

Graf Wolf Lorenz von Hofkirchen

Tätlichkeit

1667

Kurfürst Friedrich August II.

von Kurbayern intendiert

Entführung

1704

Kapitän Johann Daniel Trützschler

für Stanislaus Leszczyński wurde dem französischen Gesandten in Kopenhagen die Ermordung des polnischen Königs angeboten

1734

Friedrich August von Sachsen-Zeitz

Kursachsen

Vorwarnung durch die merseburgische Herzogin, der Kurfürst könne die Flucht ihres Sohnes auf der Kavaliersreise rächen

1707

Kurfürst Christian II.

Jahr

Fast alle Attentate wurden rechtzeitig bekannt, so dass der Plan nicht zur Ausführung gelangte. Der auf Kurfürst Christian  II. 1603 abgefeuerte Büchsenschuss war Anlass für eine mehrjährige Untersuchung. Nicht nur die im Anhaltischen vermuteten Hintermänner, sondern auch die Sicherheitslücken sollten aufgedeckt werden. Die Aktion war von einer professionellen Bande geplant worden, die Pseudonyme verwendete und Geld von zwei Dienstleuten des Fürsten Johann Georg  I. zu Anhalt erhalten hatte.243 Dieser Umstand ließ das Attentat zu einem Politikum werden, da die Großmutter Christians  II. aus dem Haus Anhalt-Dessau kam. Nicht nur der Geldfluss, sondern auch die der Untersuchungskommission vorliegenden Schriften machten den Anhalter Fürsten als Drahtzieher des Anschlags verdächtig. Zudem kooperierte Fürst Johann Georg I. nicht richtig, so dass der sächsische Kurfürst sich über 243 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9678/2. Es wurden Decknamen wie „Spil Veltin“, „langer Mertens“, „Christoff von Brachsted“ oder auch „Maria von Wurzen“ benutzt. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9677/8, Verhöre, unfol.

3.3 Die aggressive Geheimdiplomatie

293

die ins Stocken geratene Aufklärung beim Kaiser beschwerte.244 Als er aber nur eine schwache Unterstützung Rudolfs II. erfuhr, äußerte er gegenüber dem befreundeten Kurfürsten von Brandenburg, Joachim Friedrich, seine Verwunderung.245 Es muss der weiteren Forschung obliegen, diesen Verschwörungsfall näher zu analysieren. Das Misstrauen gegenüber dem Haus Anhalt und dessen calvinistische Ausrichtung ließ die sächsischen Kurfürsten auf Abstand gehen, was sich auch darin ausdrückte, dass im ganzen 17. Jahrhundert keine Heiratsbeziehung zwischen Dresden und Anhalt geknüpft wurde.246 Weitere von auswärts gelenkte Attentate sind rar, und eine vergleichbar dichte Überlieferung nicht zu finden. 1704 stand Kurbayern im Verdacht, eine Entführung in Auftrag gegeben zu haben. Die Frage nach der Berechtigung dieser Beschuldigung ist angesichts der mangelhaften Quellenlage nicht eindeutig zu beantworten. Dass 1734 Stanislaus Leszczyński einen Mordanschlag auf August II. beabsichtigt hat, wäre angesichts seiner persönlichen Situation denkbar, konnte aber schon von den Zeitgenossen nicht nachgewiesen werden. Sonst waren es Einzeltäter, die ihr persönliches Unglück auf den Landesherrn projizierten und sich nicht anders zu helfen wussten, als ihm nach dem Leben zu trachten. Kurfürst Johann Georg I. wurde durch die Umsicht des schwedischen Feldmarschalls Hermann von Wrangel vor dem „Bubenstück“ eines schwedischen Obristen gerettet, der nach eigener Aussage in ein „Labyrinth gerathen“ war.247 Um dem Feind nachhaltig zu schaden, wurde analog zur später so genannten Sabotage in der Frühen Neuzeit vorwiegend „Mordbrennerei“ betrieben. Wenn Land, Infrastruktur, Gebäude und Ernte vernichtet und bei der Bevölkerung Angst und Schrecken verbreitet waren, konnte eine kriegführende Macht entscheidend geschwächt werden. In Sachsen sind politisch motivierte Brandstiftungen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und insbesondere der Jahre um 1540, 1616, 1689 und 1733 aktenkundig.248 Im Jahr 1540 gaben einige Täter, die Nordhausen bzw. Einbeck durch ihre Mordbrennerei fast völlig vernichteten und gefasst wurden, die Braunschweiger Herzöge als Auftraggeber an, auch wenn sich das Gerücht hielt, ein katholischer Landesfürst habe die Stadt für ihr evangelisches Bekenntnis strafen wollen.249 Besonders die Franzosen haben das Mittel der Mordbrennerei im Vorfeld von Angriffen genutzt, um die Stadtbevölkerung 244 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9677/8, Kurfürst Christian II. an Kaiser Rudolf II., 13. Oktober 1604, unfol. 245 Vgl. ebd., Kurfürst Christian II. an den Kurfürsten Joachim Friedrich zu Brandenburg, 10. Oktober 1607, unfol. 246 Vgl. Knöfel 2009, S. 127. 247 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9680/10, Kurfürst Johann Georg I. an General Wrangel, 11. November 1647, Aussage Wancke, 13. Dezember 1647, unfol. 248 Vgl. u. a.: SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc 9713/7; Loc. 8292/10; Loc. 9713/9; Loc. 9713/11; Loc. 9698/26; Loc. 9713/15; Loc. 9713/10; Loc. 8987/2; Loc. 9713/8; Loc. 9713/14; Loc. 9713/17; Loc. 9713/20, Loc. 9561/6; Loc. 9717/35. 249 Vgl. Kuhlbrodt 2015, S. 157, 160.

294

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

mit der Löschung von Bränden abzulenken, während französische Truppen in die Städte eindrangen.250 Im Unterschied zu privater Brandstiftung aus Rache oder zur Schädigung von Einzelpersonen und -institutionen war die Mordbrennerei auf Vernichtung von Flächen und Existenzen großer Bevölkerungsgruppen gerichtet. Als besonders effektiv erschien es, einige brennende Papiertüten in einer Kirche auszulegen oder eine Lunte in Pferdeknochen anzufertigen und dann in Strohballen zu stecken.251 Zwischen den Mordbrennern und ihren Opfern bestand Anonymität. Diese Praxis war Ausdruck einer distanzierten Kriegführung und ist im 20. Jahrhundert unter den Vorzeichen des Bombenkrieges als kriegsverkürzende und demoralisierende Maßnahme legitimiert worden. Jedoch bezweckte Frankreich 1689 und 1733 mit der Mordbrennerei eher die eigene Bevorteilung im Konflikt bzw. Rache. Bei Untersuchung der Mordbrenner-Fälle von Nordhausen müsse jedoch auch berücksichtigt werden, dass 1540 ein „Klima-Brandjahr“ gewesen sei, so der Stadthistoriker Kuhlbrodt, und dass die Suche nach den Schuldigen infolge verheerender Brände gern bei unliebsamen Zeitgenossen endete und ein Anzeichen für soziale Spannungen innerhalb der Gesellschaft ist.252 3.3.3 Manipulation von Information Im Krieg wurde die Unterbrechung der Kommunikationskanäle bewusst zur Schädigung des Gegners eingesetzt. Das Einbehalten der Post oder die Sperrung der Postkurse waren zwei der Möglichkeiten, die Peripherie vom Zentrum abzukoppeln, wobei letzteres nur schwer durchzusetzen war.253 Die Interzeption bot aber zudem die Möglichkeit, Briefe nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch zielgerichtet zu verändern. Das Vertrauen des Empfängers in die Authentizität der erhaltenen Post konnte ausgenutzt werden, ohne dass eine unmittelbare Gefahr der sofortigen Entdeckung bestand. Bevor die Täuschung eventuell aufflog, hatte sich die Lage grundlegend geändert, so dass man den Vorteil bereits genutzt hatte. Insofern ist diese Maßnahme für kurzfristige Vorteile günstig gewesen, war aber im Entlarvungsfall zumindest auf dem diplomatischen Parkett mit einem großen Ehrverlust verbunden. Im Militär galt Vorsicht gegenüber aufgefangenen Briefen wegen möglicher bewusster Falschinformation.254 Zur Kontrolle von Boten wurden sie zu zweit versandt und ggf. miteinander durch einen Strick verbunden. Der Manipulation infolge von Interzeption steht die Möglichkeit gegenüber, auch Informationen öffentlich zu verfälschen, wie es Lorenzo de’ Medici und Ludovico Sforza meisterhaft beherrschten.255 250 251 252 253 254 255

Vgl. Cabinet 1692, S. 47. Vgl. Kuhlbrodt 2015, S. 159 f. Vgl. ebd., S. 161. Vgl. Legutke 2010, S. 289. Vgl. Schertel von Burtenbach 1791, S. 313. Vgl. Bullard 2002, S. 92 f.

3.3 Die aggressive Geheimdiplomatie

295

In den sächsischen Quellen wurde aber nur selten über gefälschte Briefe geklagt. Überhaupt steht einer Untersuchung dieser Methode der äußerst schwierige Quellennachweis gegenüber, weshalb dies hier nicht weiter verfolgt werden kann. 3.3.4 Akquise von Doppelspionen Wenn Spione entlarvt wurden, bot sich die Möglichkeit, sie für die eigenen Zwecke einzusetzen und ihnen Straffreiheit für eine künftige Kooperation zu gewähren. Es war eine Gratwanderung zwischen Misstrauen und Vertrauen, denn erst im 20. Jahrhundert setzten die Geheimdienste für das „Umdrehen“ von Spionen eine Stufe der Gehirnwäsche ein.256 Deshalb war es sicherer, gefangene Spione ohne ihr Wissen mit falschen Informationen zurück ins gegnerische Lager zu schicken. Unter dem Begriff des Doppelspions verbergen sich demnach zwei Formen: jene des wissenden und jene des unwissenden Informationsträgers. Die wechselnden Identitäten der Spione und Mehrfachloyalitäten machten sie zu einem gefährlichen, aber vielleicht käuflichen und dienlichen Menschen. Keine Seite konnte sicher sein, dass der Doppelspion tatsächlich Vorteile einbringt oder eine Seite geschickt täuschte. Kempe zufolge wussten oft beide Seiten von dem doppelten Dienstverständnis und nahmen es in Kauf, solange sie glaubten, die Loyalität verlaufe etwas mehr zu ihren Gunsten.257 Das verlockende Gefühl, dem Gegner in den Kenntnissen der Dinge voraus zu sein, war gepaart mit dem Misstrauen, dass der Doppelspion der Gegenseite von seinem zusätzlichen Engagement berichtete, um sich wertvoller zu machen. Zumeist ging dieses Spiel der Doppelagenten zu ihrem eigenen Nachteil aus: weil keine Seite ihnen mehr trauen mochte, versuchte man sie rasch loszuwerden. In der Geheimdienstsprache heißt es heute, wenn ein Doppelagent auffliegt („bust“), wird er „abgeschaltet“.258 Sehr selten wussten beide Seiten nichts über die gleichzeitige Tätigkeit ihres Spions für eine andere Seite. Als Beispiel für einen Doppelagenten ist der französische Kardinal und Außenminister Guillaume Dubois zu nennen, der auf ein in seiner Gesandtenzeit selbst kreiertes Agentennetz in London zurückgreifen und zugleich für England wie für Frankreich tätig sein konnte.259

256 Vgl. Gunzenhäuser 1968. 257 Vgl. Kempe 2013, S. 370. 258 Dorner, Carola: „James Bond käme nicht durchs Bewerbungsgespräch“. Gespräch mit einem Ex-Agenten, in: Der Spiegel, 15.05.2013, URL: http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/ auslandsagent-james-bond-kaeme-nicht-durchs-bewerbungsgespraech-a-899877.html [07.05.2014; ASR]. 259 Vgl. Kissel 2011.

296

3. Eine Typologie der Geheimdiplomatie

3.4 Zusammenfassung Die Praktiken der Geheimdiplomatie lassen sich nach drei Zielrichtungen differenzieren. Bei einer defensive Ausrichtung der Politik wurden zur Abschottung interner Kommunikation gegenüber dem Gegner Geheimschriften, Geheimsprachen sowie Methoden der Steganographie und Dissimulation angewandt. Der Wettbewerb zwischen Kryptographen und Codeknackern ließ die Geheimschriften in Umfang und Komplexität im 17./18. Jahrhundert deutlich anwachsen und bescherte eine Fülle von Papier und Arbeit in den Kanzleien und Archiven. Mit der Produktion von Nomenklatoren und der Notwendigkeit der Dechiffrierung ging eine stellenweise Professionalisierung einher, die sich in einem wachsenden Personalbestand und ausdifferenzierten Kompetenzfeldern ausdrückte. Wenn die Regierung ihr Handeln nicht nur verbergen, sondern auch einen gefühlten Nachteil gegenüber dem Gegner ausgleichen wollte, wurde zu den verschiedenen offensiven Mitteln gegriffen: Unterbrechung der Kommunikation, Spionage, Korruption und Informationsaustausch unter Verbündeten. In der höfischen Intrige bündelte sich ein außenpolitischer Konflikt in einer innerpersonellen Auseinandersetzung. Für die Bevölkerung blieben die Details unsichtbar, allerdings wurden transportierte Feindbilder teilweise für falsche Anzeigen zur Regelung privater Konflikte genutzt. Eine vorsätzliche Schädigung des Gegners bedurfte Methoden der aggressiven Art wie Täuschung, Eingriffen an kriegsrelevanten Dingen (Infomation, Nachschub, Vertrauen, Truppenmoral) und der Akquise von Doppelspionen. Die Wahl der Mittel war abhängig von Situation, Perzeption sowie äußeren Einfüssen. Stärke und Erfolg bemaßen sich an dem Grad der Geheimnissicherung, den Intentionen und Fähigkeiten der involvierten Personen und nicht zuletzt der Kompetenz, die Maßnahmen an geänderte Verhältnisse anzupassen. Der Einsatz aller Methoden war nur zeitlich befristet möglich. Während bei den Chiffren eine regelmäßige Aktualisierung unabdingbar war, bestand hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Tarnungen auch bisweilen Korrekturbedarf. Nachteilig wirkte sich eine zu große Komplexität der Chiffren in Kombination mit Überlastung der Kanzlisten aus. Deutliche Grenzen besaß auch die Interzeption, die, wenn nicht durch Korruption gedeckt, nur dem Zufall überlassen war. Gerade der unplanbare Zufall war, wie Genêt herausarbeitete, neben der Denunziation ein bedeutender Faktor für den nachrichtendienstlichen Erfolg.260 Die organisierte Interzeption konnte nur durch eine Beschränkung des Mitwisserkreises und eine Abstufung des Wissens unter den Beteiligten eine Zeit lang geheimgehalten werden. Die größte Wirkung würde eine Mischung verschiedener Praktiken erzielen, die mit einem gelegentlichen Methodenwechsel kombiniert ist.

260 Vgl. Genêt 2013, S. 396.

4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit Als die moderne Geheimdiplomatie ihren Anfang nahm, erlebte Europa gerade den Aufbruch in eine neue Welt. Besonders prägend waren technische Fortschritte wie der Buchdruck oder Leonardo da Vincis Konstruktionen von Flug- und Kriegsmaschinen, ein neues Menschen- und Weltbild durch die Anatomiestudien des Andreas Vesalius, Entdeckungsreisen über die Ozeane, die kopernikanische Wende und nicht zuletzt die Philosophie des Humanismus oder das Wirtschaftsverständnis der Fugger. Das Staatensystem veränderte sich zur Zeitenwende ebenso, denn die Eroberung Konstantinopels 1453 sowie die Glaubensspaltung im Zuge der Reformation markierten neue Einflussfaktoren, die notwendigerweise Konflikte und eine andere politische Praxis mit sich brachten. Der Umbruch trug zu apokylptischen Vorstellungen bei, die geradezu einen „interpretativen Rahmen“ innerhalb des europäischen Staatensystems bildeten.1 Im konfessionellen Zeitalter war die Religion ein zentrales Bewegungsmoment der Politik. Die amorphe Masse des Glaubensgegners wurde als Bedrohung wahrgenommen und oft mit dem Dämon des Antichrist charakterisiert. Diese Mixtur von geistigen und staatlichen Elementen bildete den Nährboden für das Unsicherheitsbewusstsein der Neuzeit, so Cornel Zwierlein.2 Insofern trug die Spaltung der Kirche wesentlich zur Dynamisierung der internationalen Beziehungen und zur Förderung der Geheimdiplomatie bei. So konzentrierte sich Wien fortan besonders auf Informationen des österreichischen Gesandten bei den „ungläubigen“ und das europäische Christentum herausfordernden Türken und richtete danach seine Politik aus.3 Seit dem Spätmittelalter bildete sich von Italien ausgehend der Einsatz von Kryptographie, Spionage und anderen geheimdienstlichen Methoden heraus, die sich in der Antike bereits bewährt hatten.4 Noch im 19. Jahrhundert glaubte man jedoch, dass die 1 2 3 4

Zwierlein, De Graaf 2013, S. 15. Vgl. ebd., S. 16. Vgl. Rothenberg 1992, S. 105. Vgl. Andrew 1992, S. 1. Hannibals Spionagenetz ist ebenso legendär wie die Skytale zur Nachrichtenübermittlung. Zur antiken Geheimdiplomatie vgl. Barcélo 2003, Kuhoff 2003, Schmidt-Glintzer 2003. Zur Kryptographie der Antike vgl. Meister 1902, S. 1–14, Süss 1923, Singh 2003.

298

4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Chiffrierkunst durch Kardinal Richelieu in die diplomatische Korrespondenz eingeführt worden war.5 Forschungen um die Jahrhundertwende korrigierten jedoch diese Annahme. Im Zuge der Organisation eines prämodernen Staates entwickelte sich die Idee, gegenüber der Bevölkerung eine Institution zur Kontrolle der Informationen zu installieren, die durch die Sicherheit des Staates legitimiert ist.6 Die Praktiken der Geheimdiplomatie wurden aktualisiert: Mündlichkeit, Geheimschriften und -sprachen, Manipulation von Informationen, wie am Hof der Sforza nachgewiesen.7 Bereits im 14. Jahrhundert waren Spione allgemein akzeptiert.8 In Venetien, Mailand sowie im Kirchenstaat setzte wegen gegenseitiger Rivalität der italienischen Staaten im 15. Jahrhundert die systematische Chiffrierung in der modernen Diplomatie ein. Sie fand in ganz Europa bald Nachahmer. Ein funktionierender Apparat etablierte sich rasch in Italien und England, später in Frankreich, Russland, Preußen und Österreich. Doch auch die aufstrebenden Mittelstaaten waren zur Geheimpolitik gezwungen, um im gegenseitigen Konkurrenzkampf der Mächte bestehen zu können. 4.1 Geheimdiplomatie im 16. Jahrhundert Zur Zeitenwende regierten in Sachsen die Söhne der Brüder Ernst und Albrecht, die 1485 das Territorium geteilt hatten. Das albertinische Gebiet unterstand ab 1500 Herzog Georg, im ernestinischen Teil hatte Friedrich III., der Weise, bereits 1486 die Regierung übernommen. 4.1.1 Geheimschrift und Spionage in den Außenbeziehungen von Kurfürst Friedrich dem Weisen und Herzog Georg dem Bärtigen Friedrich der Weise stellte durch seine Pilgerfahrt und eine umfangreiche Reliquiensammlung seine tiefe katholische Frömmigkeit unter Beweis, bevor er als Beschützer der Reformation auftrat. Die neuere Forschung hat gezeigt, dass er besonders intensive Beziehungen mit der Reichsstadt Nürnberg pflegte, als deren Schutzherr er sich profilierte.9 Im Gegenzug profitierte er von Nürnbergs Funktion als Drehkreuz für Nachrichten, Waren und Geld. Durch die Handelskontakte des Vordersten Losungers Anton Tucher erreichten ihn aktuelle und bisweilen noch geheime Neuigkeiten aus 5 6 7 8 9

Vgl. Weber 1891, S. 47. Spione garantierten die Sicherheit des Staates („per buon stato pacifico“). Vgl. Cirier, Aude: La face cache du pouvoir. L’espionnage au service d’état(s) en construction en italie à fin du moyen âge (XIIIe – fin XIVe siècle), in: Cauchis, Marchandisse 2008, S. 7–28, 14 f. Vgl. ebd., S. 26 f. Vgl. Allmand 2003. Vgl. Westphal 2011, S. 22.

4.1 Geheimdiplomatie im 16. Jahrhundert

299

Frankreich und Oberitalien.10 Zusätzlich pflegte er durch Geschenke seine Informationsquellen in der Nürnberger Patrizierfamilie Paumgartner, den Augsburger Fuggern und dem kaiserlichen Kämmerer Balthasar Wolf von Wolfsthal.11 Den Briefen zum Nürnberger Rat nach zu urteilen, bevorzugte die kursächsische Kanzlei, wenn es um Informationssicherheit ging, mündliche Kommunikation. Eine Chiffrierung wurde nur sehr selten angewandt.12 1510 bat der Nürnberger Rat wegen des Verhörs eines Täters um Zusendung einer Nachricht „in gehaymb durch schrifft“.13 Eigenhändige Briefe dienten ebenfalls der Geheimhaltung, hatten aber zudem noch einen besonderen Wert, da sie den Empfänger besonders ehrten.14 Diese Vorsichtsmaßnahmen waren erforderlich, da gelegentlich Schreiben unterwegs verloren gingen.15 Im Konflikt zwischen der Reichsstadt Nürnberg und dem Markgrafen von Brandenburg-Ansbach ab 1488 fungierte Kurfürst Friedrich als Mediator. Er schien aufgrund der sächsischbrandenburgisch-hessischen Erbvereinigung für diese Position geeignet. Nürnberg beobachtete die Gemeinschaftstreffen der zugehörigen Fürsten skeptisch und ließ sich 1502 aus Naumburg von einer geheimen Person darüber unterrichten.16 Friedrich der Weise behielt auch nach seinem Einflussverlust auf Reichsebene die engen Kontakte mit Nürnberg bei, versuchte aber stets „sein gutes Einvernehmen mit dem Nürnberger Rat nicht übermäßig publik zu machen“.17 Dem Verteidiger des neuen Glaubens stand in Sachsen auf albertinischer Seite mit Herzog Georg ein ebenso umtriebiger wie kompromissloser Fürst gegenüber. Dieser hatte zudem eine Krise außerhalb seines Territoriums, in Friesland, zu bewältigen. Dieses ferne Land hatten die Brüder Georg und Heinrich von ihrem Vater Albrecht geerbt, der die Erbstatthalterschaft über Friesland für seine Reichsdienste von Kaiser Maximilian erhalten hatte. Hier wollten die sächsischen Herzöge eine Sekundogenitur errichten. Die Friesen widersetzten sich jedoch der sächsischen Herrschaft und lehnten Herzog Georg als Gubernator ab, obwohl er nach der Niederschlagung eines Aufstandes durch Herzog Albrecht im Jahr 1500 zurückhaltend regierte. Die so genannte Sächsische Fehde mit Graf Edzard von Groningen spitzte sich zu. Als 1512 ein geplanter Einfall der Groninger in Friesland aufgedeckt werden konnte und Herzog Georg die Rädelsführer hinrichten ließ, verschlechterten sich die Beziehungen zum friesischen Adel gravierend.18 Da es für Sachsen 1514 unmöglich war, einen sicheren Postverkehr zwischen Leeuwarden und Dresden zu organisieren, verwendete Georg in 34 Briefen 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Vgl. ebd., S. 28 f. Vgl. ebd., S. 170. Vgl. ebd., S. 17, 29. Nürnberger Rat an Friedrich III., 13. November 1510, in: Westphal 2011, Nr. 175, S. 393 f. Vgl. Westphal 2011, S. 39. Vgl. ebd., S. 40. Vgl. ebd., S. 78. Ebd. Baks 2006, S. 153.

300

4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

an seinen Rat, den Statthalter von Leipzig, Cesar Pflug, eine Geheimschrift.19 In diesen Schreiben wird die Misere seiner Lage deutlich: stets forderte er neues Geld, da ihm sonst eine Meuterei der Soldaten drohte. Herzog Georg gab Pflug Anweisungen, bei wem er das Geld zu leihen habe und welche Boten er schicken solle. Die wiederholt von Kassel geschickten 20.000 Gulden genügten nicht, und Georg bat darum, noch mehr Geld zusammenzubringen.20 Zudem kritisierte er Pflugs Unvorsichtigkeit, einen Brief in Geheimschrift zusammen mit einem unverschlüsselten Pergament zu verschicken, was dem Feind sein Unvermögen gezeigt habe, als er den Boten überfiel.21 Ebenso klagte er, die Briefe seiner Frau seien in die Hände des Gegners gefallen.22 Mit Jahresende 1514 enden die verschlüsselten Briefe plötzlich, da Georg Friesland wegen des anhaltenden Widerstandes verließ und über Ulm und Innsbruck zum Kaiser reiste. Da sich sein Sohn Friedrich als schwachsinnig herausgestellt hatte, war keine Notwendigkeit mehr für eine Sekundogenitur geboten, so dass Herzog Georg mit dem Kaiser über die Abtretung seiner Rechte verhandelte.23 Im April 1515 war er wieder in Leeuwarden und informierte Cesar Pflug nun in nicht verschlüsselten Schreiben über die militärischen Operationen. Zugleich antwortete er, er habe die Briefe Pflugs durch Dietrich von Werthern empfangen.24 Am 19. Mai wurde der Vertrag geschlossen, in dem Herzog Georg seine Statthalterschaft für 100.000 Gulden an Karl von Burgund, den späteren Kaiser Karl V., verkaufte, aber es dauerte lang, bis er sein Geld bekam.25 Im Juli fand sich Herzog Georg wieder in Dresden ein. Die sächsische Herrschaft über Friesland war beendet, die Friesen akzeptierten den Habsburger als ihren Patron, und der sächsische Herzog musste die hohen Schuldenberge in der Heimat gegen Spott verteidigen: „Friesland magh wol Freslandt heissen, es hat by nahe Thüringen unnd Meiszen abgefressen“26 Er konzentrierte sich fortan auf die Politik innerhalb seines Territoriums, besonders auf die Religionspolitik.

19

20 21 22 23 24 25 26

Vgl. Baks, Nienes, Van Dalfsen 1998, Nr. 1134–1136, 1141, 1148, 1167, 1174, 1178–1179, 1368–1369, 1371–1372, 1380–1381, 1393–1397, 1402–1407, 1409, 1412, 1420–1421, 1430, 1432, 2039. Alle Aktenstücke vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8183/2, Friesländische Sachen 1510–1514, f. 203–204, 207–210, 234b-238,276–277b und 281–289. sowie (für Nr. 1141 und ab Nr. 1368); ebd., Loc. 8183, Friesländische Sachen 1514–1515/4, f. 19–23, 34–37, 71–72, 76–77, 90–97, 100, 115–121,133–140, 160–166,169–170, jeweils mit anschließender Auflösung. Vgl. ebd., Nr. 1403, Herzog Georg an Cesar Pflug, 25. August 1514. Vgl. ebd., Nr. 1141, Herzog Georg an Cesar Pflug, 21. Juni 1514. Vgl. ebd., Nr. 1394, Herzog Georg an Cesar Pflug, 11. August 1514. Vgl. Baks 2006, S. 154. Vgl. ebd., Nr. 1472, Herzog Georg an Cesar Pflug, 7. April 1515. Vgl. ebd., S. 20. Zit. in: Baks 2006, S. 156.

4.1 Geheimdiplomatie im 16. Jahrhundert

301

4.1.2 Informationspolitik im Kontext religiöser Spannungen In der Bevölkerung regte sich Widerstand gegen die Amtsführung in Kirchen, Klöstern und Stiftshäusern. Sachsen wurde zum Mutterland der Reformation, die eine Radikalisierung in Aufruhr und Bildersturm des Bauernkrieges erfuhr. In der Gretchenfrage bildete sich einen Riss mitten durch die wettinische Familie. Herzog Georg von Sachsen initiierte ein Bündnis gegen die Insurgenten, während sein jüngerer Bruder Heinrich und seine ernestinischen Vettern der neuen Lehre zugeneigt waren. Im Verlauf der Reformation war wegen Martin Luthers Aktivitäten viel Geheimkorrespondenz geführt worden. Herzog Georg sandte einen Boten nach Spanien, der jedoch in Jülich von Anhängern Luthers gefangen genommen wurde.27 Katholische Spione ihrerseits hatten den Reformator mit gefälschten Äußerungen derart in Misskredit beim Papst gebracht, dass er ihn zum Ketzer der gefährlichsten Sorte ausrief. Ebendiese verbreitete Geheimdiplomatie rief Freigeister wie Johann Philipp Treiber auf den Plan. In seiner Dissertation „De Exploratoribus“ widmete er sich den Spionageaktivitäten der Fürsten. Diese Arbeit wurde von dem Pietisten Wilhelm Hieronymus Brückner begutachtet, einem frühren Inspektor in August Hermann Franckes Waisenhaus und späteren Rektor der Jenaer Universität.28 Treiber gilt als Verächter, der „den von seinem Amt geforderten Ernst vermissen“ ließ und wegen seiner scharfen Kritik an den Glaubenslehren wegen Blasphemie angeklagt wurde.29 Ihm wurde ein „böser Sinn“ attestiert, da er „gottlose Disputationen“ über die Geheimnisse des Glaubens abhielt.30 Infolgedessen geriet er auch in Hain und Gotha in monatelangen Arrest.31 Der Entstehenszusammenhang des Buches über die Spione lässt den Schluss zu, dass Treiber die politische Ebene des Geheimnisses für sein eigentliches Anliegen, die Religionskritik, nutzte. Somit spiegelt dieses Buch die theologischen Auseinandersetzungen jener Zeit. Die Katholiken bemühten sich, die Einheit der Kirche zu retten, ohne einen Krieg auszulösen. In dieser Mission traf der Beichtvater des Kaisers, der Franziskanermönch Glapion, 1521 viermal heimlich mit dem kursächsischen Kanzler Brück zusammen.32 Doch Kurfürst Friedrich der Weise behielt trotz aller Bemühungen der Katholiken seinen Schutz für Martin Luther bei. So schlug der italienische Kardinal Hieronymus 27 28 29

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Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8279/11. Vgl. Pester, Thomas: Die Rektoren/Prorektoren der Universität Jena 1548749–2008, URL: http://www.uni-jena.de/unijenamedia/Downloads/einrichtungen/archiv/Rektorentabelle.pdf [11.03.2014; ASR]. Insbesondere stellte er in Frage, ob die Heilige Schrift von Gott sein könne, ob es eine Auferstehung der Toten und ein jüngstes Gericht geben könne. Schröder, Winfried: Ursprünge des Atheismus. Untersuchungen zur Metaphysik- und Religionskritik des 17. und 18. Jahrhunderts (= Quaestiones. Themen und Gestalten der Philosophie. 11), Stuttgart 2012, S. 422. Trinius, Johann Anton: Freydenker-Lexicon, Leipzig, Bernburg 1765, S. 142. Vgl. „Treiber“, in: Zedler, Bd. 45, Sp. 352. Vgl. Brück 1985, S. 22.

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Aleander dem Papst vor, Friedrich die Kurwürde zu nehmen und ihn wegen „Ketzerbegünstigung“ zu bannen.33 Dem konsequenten Ansinnen wurde nicht stattgegeben, aber die unklare Situation und angespannte Lage verursachte allerorten eine große Nervosität. Wegen seiner anerkannten Fähigkeiten auf dem Gebiet der Diplomatie wurde Brück unter Kurfürst Johann dem Beständigen Geheimsekretär.34 1525 verbündete sich in Dessau Herzog Georg mit den ebenfalls altgläubigen Fürsten Albrecht von Mainz, Joachim von Brandenburg sowie mit Heinrich von Braunschweig und Erich von Calenberg. Der Dessauer Bund wollte das Luthertum an der „Worzel […] ausroden“.35 Auf der anderen Seite besprachen sich auch der sächsische Kurfürst und der hessische Landgraf über einen möglichen Verteidigungsbund der Protestanten.36 In der Gründungsphase fanden mehrere Treffen statt; langsam wuchs die Teilnehmerzahl an. Doch etliche Städte blieben noch zurückhaltend und verhielten sich „kaisertreu und zugleich pro-evangelisch, also widersprüchlich und inkonsequent“.37 Die beiden Fürsten verbargen ihr Vorgehen nicht, sondern warben ganz offen um Mitglieder, um die evangelische Sache aufzuwerten.38 Die Packschen Händel Nah an einen Glaubenskrieg geriet das Reich 1528 im Zuge der so genannten Packschen Händel, die vom Rat und Vizekanzler des albertinischen Herzogs Georg des Bärtigen, Otto von Pack ausgelöst worden waren.39 Herzogin Elisabeth, die ältere Schwester Landgraf Philipps, die 1519 nach Sachsen geheiratet hatte, spielte bei der Deeskalation eine zentrale Rolle. Ihre Erfahrung auf dem Gebiet der Geheimdiplomatie resultiert aus einem jahrelangen Übungsprozess, als die Anhängerin von Luthers Lehre am Hof des katholischen Herzogs Georg viele Widerstände überwinden und diplomatisch geschickt agieren musste. Ein frühes Beispiel für ihre Art, den Verlauf der Diplomatie zu beeinflussen, findet sich bereits 1527. Damals war sie von ihrem Bruder, Landgraf Philipp, zur Taufe seines Kindes nach Hessen eingeladen worden. Der Brief war eigentlich an Herzog Georg gerichtet gewesen, aber in dessen Abwesenheit öffnete – was offenbar vereinbart war – Elisabeths Ehemann Johann den Brief. In Absprache mit dem Geheimen Rat Otto von Pack meinten beide, dass Herzog Georg seine Schwiegertochter niemals allein nach Hessen reisen lassen würde. Elisabeth zerriss den Brief und bat ihren Bruder, einen 33 34 35 36 37 38 39

Ebd., S. 27. Vgl. Fabian 1957. Zit. in: Handy, Schmöger 1996, S. 19. Vgl. ebd., S. 20. Ebd., S. 23. Vgl. ebd., S. 23. Vgl. besonders Dülfer, Kurt: Die Packschen Händel, Marburg 1958.

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neuen zu schreiben, in dem er auch Herzog Georg und seine Gemahlin einlade. Diese Möglichkeit bestand, denn es hotten niman gesein dan mein her und dockter Pock […] und gaben miren, das ych in tzu ressen hab, aber mein her wolt sych es nicht mechteigen.40

Einerseits übernahm sie damit die volle Verantwortung für diese Strategie, andererseits ließ sie ihrem Bruder keine andere Wahl, als auf ihren Vorschlag einzugehen. Allerdings durfte Elisabeth dennoch nicht reisen und das Kind aus der Taufe heben.41 Das Aufbrechen von Briefen durch Unbefugte scheint weite Verbreitung gefunden zu haben. Otto von Pack bekam auf seiner Reise 1528 von Meißen nach Hessen von den sächsischen Herzögen verschiedene Briefe an die hessische Landgräfin Christine, […] dar mit sy e(uer) f(urstlichen) g(naden) nicht auffbrech, wy wol nichts heimlichs dar inne vorleibt, welche ich e(uer) g(naden) hir mit zcwschick. Und bit euer f(urstlichen) g(naden) auffs aller hochst, e(uer) g(naden) wollt dy selbig(en) briff ungebrochen mey(n) er g(nedigen) f(rau) anthwurt(en) […].42

Der Geheime Rat Otto von Pack missbrauchte das Vertrauen der Herzogin Elisabeth, indem er sie in seine erfundene Verschwörung der Katholiken gegen die Protestanten verstrickte. Pack gehörte zu den engsten Vertrauten des Herzogs und vertrat ihn mehrfach auf Reichstagen. Mitte der 1520er Jahre wurde er des Siegelraubs und der Unterschlagung verdächtigt. Pack hatte „offenbar […] seine Freude daran, auf krummen, für ihn lebensgefährlichen Wegen zu wandeln; auch wußte er mit unglaublicher Gewandtheit jahrelang der Entdeckung seiner Betrügereien vorzubeugen“.43 Von neuer krimineller Qualität war seine Aufdeckung einer vermeintlichen Verschwörung. In einem Brief forderte er gegenüber Philipp von Hessen für konspirative Berichte eine Bezahlung ein.44 In seinen Plan zog er auch die sächsische Herzogin Elisabeth hinein, die ihm vertraute und sich durch schriftliche und mündliche Bitten dazu bringen ließ, einen von Pack am 10. Mai 1528 verfassten Brief in ihrer Handschrift aufzusetzen. In der Annahme, ihrem Bruder zu helfen, der von schlechten Ratgebern umgeben sei, und ihrem Land Hessen zu dienen, folgte Elisabeth seiner Anweisung, kopierte den Brief an Philipp und zerriss den mitgelieferten Brief.45 Sie verbrannte ihn allerdings nicht, sondern lieferte ihn später in ihrer Entschuldigung ihrem Bruder als Beweis gegen Pack aus.46 Später rechtfertigte sie ihr Handeln damit, dass sie gehört habe, dass Philipp 40 41 42 43 44 45 46

Herzogin Elisabeth an Philipp von Hessen, vor dem 31. Mai 1527, in: Thieme 2010, Nr. 117, S. 217. Philipp von Hessen an Herzog Georg von Sachsen, nach dem 25. September 1528, in: ebd., Nr. 139, S. 247. Herzogin Elisabeth an Philipp von Hessen, 29. März 1528, in: ebd., Nr. 125, S. 231. „Pack, Otto von“ von Walter Friedensburg, in: ADB, Bd. 25 (1887), S. 60–62. Dr. Otto von Pack an Philipp von Hessen, 29. März 1527, in: Thieme 2010, Nr. 125, S. 231. Dr. Otto von Pack an Elisabeth von Sachsen, 10. Mai 1528, in: ebd., Nr. 126, S. 232 f. Herzogin Elisabeth an Philipp von Hessen, 9. Juli 1528, in: ebd., Nr. 137, S. 244 f.

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römischer König werden und die Bauern in einen Aufstand führen wolle.47 Hätten solche Gerüchte gestimmt, wäre ein katholisches Gegenbündnis durchaus im Bereich des Möglichen gewesen. Der Brief zeigte dem erbverbrüderten Landgraf von Hessen an, dass König Ferdinand angeblich heimlich am 15. Mai in Breslau ein Bündnis mit Herzog Georg und anderen katholischen Ständen – den Herzögen Ludwig und Wilhelm von Bayern, den Kurfürsten Albrecht von Mainz und Joachim von Brandenburg, dem Erzbischof von Salzburg, den Bischöfen von Würzburg und Bamberg  – geschmiedet habe, um den Protestantismus zu vernichten. Diese Allianz von Breslau sei dezidiert gegen Landgraf Philipp und Kurfürst Johann den Beständigen von Sachsen gerichtet. Als Landgraf Philipp den mit der Handschrift seiner Schwester beglaubigten Einflüsterungen Packs glaubte, dass gegen ihn eine Verschwörung im Gang sei, begannen beiderseits Rüstungen und brachten das Reich nahe an einen bewaffneten Konflikt. Offiziell beweist Pack das Bündnis durch eine gefälschte „Kopie“ der Urkunde. Elisabeth von Hessen warnte Pack vertraulich, dass er bei Herzog Georg in Ungnade gefallen sei: […] yr seyth vorkaufft. Und ab ich woll weysz, das man euch unrecht thuet, und das yr das nicht kunt gethan haben, das sye euch zceygen, […] so wyl ich euch doch gewarnt haben, das yr den leuthen nicht in dye hende kompt […] Zcu reyst den bryff, meldet mich nicht, ich meyns guth […].48

Philipp nahm den scheinbar hilfreichen Denunzianten bei sich auf und ließ ihn sogar nach Tarnów reisen und dort bei den Wojwoden um Beistand für die evangelische Partei werben. Diese Amtsinhaber waren in Polen sehr einflussreich und kontrollierten die Verbindungen zum König. Sie waren angesichts der Weite des Landes und der dadurch nur lokal bestehenden Netzwerke die richtigen Ansprechpartner, um den polnischen König für sich zu gewinnen.49 Die Ernestiner zweifelten schon im Mai an der Existenz eines solchen katholischen Bündnisses und traten aus den Kriegsvorbereitungen aus. Am 17. Mai machte Philipp die angeblich drohenden Gefahren vor seinen Landständen öffentlich und ließ zur Fluchtvereitelung seines einzigen Gewährsmannes Otto von Pack am 25. Mai in Berka verhaften.50 Da Pack bereits durch Geldunterschlagung und Fälschungen aufgefallen war, wurden auf Anraten Luthers die Aussagen Packs geprüft. Sowohl König Ferdinand als auch Herzog Georg stritten auf Nachfrage ein solch beschriebenes Bündnis ab. Am 10. Juni erfuhr Herzog Georg, dass es sein ehemaliger Rat Pack war, der diese Gerüchte in Umlauf gesetzt hatte, und verlangte die Auslieferung des Gefangenen.51 In Erfurt berieten die

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Vgl. Herzogin Elisabeth an Philipp von Hessen, 9. Juli 1528, in: ebd., Nr. 137, S. 244 f. Herzogin Elisabeth an Dr. Otto von Pack, nach 10. Mai 1528, in: ebd., Nr. 127, S. 234 f. Vgl. Bues 2007, S. 71. Vgl. Thieme 2010, Anm. 2096, S. 243. Vgl. ebd.

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Räte des Herzogs und des Königs. Sie trafen einen Kompromiss und beschlossen Deeskalationsmaßnahmen wie ein geselliges Treffen in Dresden, bei dem nicht über Pack gesprochen werden durfte.52 Weiterhin mussten auch die Verdächtigungen innerhalb der wettinischen Zweige aus dem Weg geräumt werden, wozu man sich der Herzogin Elisabeth bediente. Sie bat Kurfürst Johann Friedrich den Großmütigen um Versöhnung und erwähnte Gerüchte, wonach dieser und Graf Albrecht von Mansfeld immer noch den Herzog Georg als Verursacher der Händel betrachten würden, aber der Kurfürst möge die Idee jenes nicht existenten Bündnisses fallen lassen.53 Jener zeigte sich empört über solche Beschuldigungen und argumentierte, es gäbe mehrere Gründe für seine Zweifel, denn schon im Dessauer Abschied sei nichts Friedliches gegen ihn zu finden, und Kaiser Karl V. habe in einem Schreiben an die Zentgrafen von Nassau und von Königstein im Taunus ein Bündnis der altgläubigen gegen die Lutheraner angezeigt.54 Auch zwischen ihrem Bruder und ihrem Schwiegervater musste die Herzogin vermitteln. Angesichts ihrer angespannten Beziehungen zu Herzog Georg mag es Elisabeth schwer gefallen sein, ihren Schwiegervater um Hilfe zu bitten, damit er ihren Bruder in der Packschen Angelegenheit beriete.55 Sie erinnerte ihn an das Vertrauensverhältnis zwischen Georg und ihrem Vater und an ihre gutmeinende Warnung, als sie ihn einmal „im fenster […] vor dem aben essen“ vor seinen Räten gewarnt habe.56 Zugleich bittet sie ihn, das Schreiben vertraulich zu behandeln, niemanden lesen zu lassen und es zusammen mit einer mitgeschickten Abschrift ihres Briefes an Philipp zu verbrennen. Georg schrieb an Landgraf Philipp und lieferte Argumente, damit dieser Otto von Pack keinen Glauben mehr schenkte. Ob er in Leipzig bereits nach einem Tag den Brief von Elisabeth erhalten hatte, ist unsicher.57 Ihren Bruder hatte Elisabeth dahingehend beraten, dass er sich Herzog Georg anvertrauen und nicht Pack peinlich verhören lassen solle. Sonst entstünde der Anschein, Pack geschähe Unrecht, weil Philipp von sich ablenken und den Verdacht auf Pack richten wolle. Zugleich empfahl sie ihm, durch Gespräche bei Otto von Pack einen Widerruf zu erwirken. Philipp solle ihm nicht Schutz dafür gewähren, dass er „hertzog Georg heymligkayt verrathen“.58 Das Vertrauen innerhalb der Familie hatte erheblichen Schaden genommen; noch im April 1529 musste Elisabeth bei Kurfürst Johann Friedrich darum bitten, jene Bündnisidee nicht länger zu glauben und sich mit Herzog Georg zu versöhnen, der ein solches Projekt nicht verursacht habe.59 52 53 54 55 56 57 58 59

Vgl. Philipp von Hessen an Herzogin Elisabeth, nach dem 25. September 1528, in: ebd., Nr. 139, S. 247 ff. Vgl. Herzogin Elisabeth an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, vor dem 14. April 1529, in: ebd., Nr. 141, S. 251. Vgl. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen an Herzogin Elisabeth, 14. April 1529, in: ebd., Nr. 142, S. 252 ff. Vgl. Herzogin Elisabeth an Herzog Georg von Sachsen, 18. Juni 1528, in: ebd., Nr. 135, S. 238 ff. Ebd., S. 241. Vgl. ebd., Anm. 2067. Herzogin Elisabeth an Landgraf Philipp von Hessen, Anfang Mai 1529, in: ebd., Nr. 147, S. 266. Vgl. Herzogin Elisabeth an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, vor dem 14. April 1529, in: ebd., Nr. 141, S. 251.

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Zwischen beiden Linien waren die Streitigkeiten nicht leicht aus dem Weg zu räumen. Doch auch Martin Luther war nicht überzeugt, dass die Sache auf einer Täuschung beruhte, zumal es immer wieder Gewalttaten gegenüber den Evangelischen gab und 1527 noch in Bayern auf herzogliche Verfügung hin der Reformator Leonhard Kaiser wegen Ketzerei verbrannt worden war.60 Landgraf Philipp hielt Pack mehrere Monate bis Anfang Juli 1529 gefangen und entließ schließlich den Verschwörungstheoretiker, der ihn sogar noch beschuldigte, die Fälschung angestiftet zu haben, aus seinem Gewahrsam und verwies ihn des Landes.61 Den Ausschlag dafür gab wohl die Einsicht, dass der Landgraf bei noch längerer Schutzhaft den Eindruck erweckt hätte, er selbst wäre Auftraggeber der Fälschung gewesen.62 Herzogin Elisabeth zürnte ihm, da sie nun fürchtete, Pack werde nun noch überzeugender lügen können. Da dieser nun vogelfrei war, flüchtete er vor den sächsischen Verfolgern in die Niederlande, wo er nach einigen Jahren festgenommen werden konnte und 1537 auf Veranlassung Herzog Georgs von Sachsen hingerichtet wurde. Als Herzogin Elisabeth wenige Monate nach den Packschen Händeln erneut Gerüchte hörte, wonach ihr Bruder gegen einen Fürsten rüste, informierte sie ihn darüber, dass Kurfürst Johann der Beständige diesen Gerüchten keinen Glauben schenke.63 Zugleich warnte sie ihren Bruder vor dem Hass in der Bevölkerung gegen die Fürsten. Im Oktober 1530 unterrichtete sie ihren Cousin über Gerüchte, wonach Herzog Georg sich beim Kaiser um die kursächsischen Lehen bemühe, was Johann Friedrich sogleich dementierte: Elisabeth sei falsch informiert.64 Die Wogen hatten sich geglättet, aber es waren immer noch die Ausläufer des vorbeigezogenen Sturms zu spüren, wenn Elisabeth schrieb, Johann Friedrich solle die Sache auch mit den Widertäufern besser und gründlicher bedenken als bei den Packschen Händeln. Das Reich war noch einmal einem Krieg entkommen, doch allein die Tatsache, wie leicht dem Betrüger Glauben geschenkt wurde, zeigt die gefährliche Lage im Reich. Die Unsicherheit griff soweit um sich, dass keiner wusste, wem er trauen konnte. Solange Verleumdungen im Bereich des Möglichen waren, spielten sie mit den Perzeptionen und Ängsten der Beteiligten. Da in einem Klima von Misstrauen 60

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Vgl. Luther, Martin: Von heimlichen und gestolen brieffen, sampt einem Psalm ausgelegt widder Hertzog Georgen zu Sachsen, Wittenberg 1529 = Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 30, 2, Weimar 1902, S. 1–48, 2. Seinem Feuertod folgten noch mehrere andere evangelische Märtyrer. Ende des 19. Jahrhunderts debattierte die Forschung ausgiebig über diese Möglichkeit der Urheberschaft Landgraf Philipps. Sie wurde aber fast einstimmig abgelehnt. Vgl. Ehses, Stephan: Geschichte der Pack’schen Händel, Freiburg 1881; Schomburgk, Wilhelm: Die Pack’schen Händel. Ein Beitrag zur Geschichte Herzog Georg’s von Sachsen, in: Historisches Taschenbuch, 6. Folge, Leipzig 1881, S. 175 ff.; Schwarz, Hilar: Landgraf Philipp von Hessen und die Pack’schen Händel, Leipzig 1884; Ehses, Stephan: Landgraf Philipp von Hessen und Otto von Pack. Eine Entgegnung, Freiburg 1886. Vgl. Landgraf Philipp von Hessen an Herzogin Elisabeth, 8. Juli 1529, in: Thieme 2010, Nr. 151, S. 275. Vgl. Herzogin Elisabeth an Landgraf Philipp von Hessen, 26. Februar 1530, in: ebd., Nr. 160, S. 290. Vgl. Herzogin Elisabeth an Johann Friedrich von Sachsen, 5. Oktober 15030 und dessen Antwort, 8. Oktober 1530, zit. in: ebd., Nr. 162 und Nr. 163.

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und Vorsicht kaum eine Kontrolle über ausgestreute Gerüchte möglich war, konnten diese eine bedrohliche Eigendynamik gewinnen. Die Packschen Händel zeugen auch von dem Misstrauen der Protestanten gegenüber dem Kaiser, der angesichts der um sich greifenden Habsburgerherrschaft eine weit verbreitete Furcht vor einer Universalmonarchie heraufbeschworen hatte. Evangelische Bündnispolitik bis 1539 Diese Furcht vor einer Universalmonarchie mündete in die zunehmende Ablehnung der kaiserlichen Politik. Dass die Reichsfürsten ein Widerstandsrecht gegen den Kaiser beanspruchen konnten, diskutierten Juristen und Theologen seit den späten 1520er Jahren ausgiebig. Die Kontroversen beriefen sich auf das Gleichgewichtspostulat zwischen den drei Ordnungen und die Tyrannenlehre, woraus sie das Recht auf Notwehr ableiteten.65 Nach seiner Krönung zum Kaiser zog Karl V. im Juni 1530 zum Augsburger Reichstag ein. Der Protest gegen den Reichstagsabschied von 1530 und das Ultimatum Kaiser Karls V. an die evangelischen Stände einerseits und die Angst vor der weiteren Ausbreitung der habsburgischen Macht andererseits bewirkten schließlich ein sinnstiftendes Erlebnis, das in die Gründung des Schmalkaldischen Bundes am 27. Februar 1531 mündete.66 Allerdings war war die Gemeinschaft in der Abendmahlfrage und in einzelnen politischen Zielsetzungen innerlich zerrissen. Der Kaiser musste seinerseits angesichts der wachsenden Türkengefahr und der Auseinandersetzung mit Frankreich einige Schritte auf die Protestanten zugehen. Auf dem Nürnberger Vermittlungstag 1532 lehnten die evangelischen Stände die kaiserlichen Kompromisse ab, obwohl Luther zur Nachgiebigkeit mahnte.67 Die Katholiken nahmen nun alle Zugeständnisse zurück und vereinbarten mit den Protestanten nur einen Anstand, der beide Seiten zu einem Frieden bis zu einem gemeinen, freien, christlichen Konzil verpflichtete. Das größte Entgegenkommen Karls V. betraf die Sicherstellung der Evangelischen vor gerichtlichen Verfolgungen, die er in einem geheimen Privatversprechen zusagte.68 Der Anstand wurde 1541 auf dem Reichstag bestätigt und galt bis zum Angriff des Kaisers 1546. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen stellte sich, um dem Nürnberger Anstand nicht zu widersprechen, lange einer Erweiterung des Schmalkaldischen Bundes entgegen.69 Da er die Stadt Augsburg des Zwinglianismus verdächtigte, nahm der Bund sie erst spät auf, als der Kurfürst von zwei Punkten überzeugt werden konnte. Es durfte im Anstand weder

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Vgl. Schorn-Schütte 2008, S. 25. Vgl. Handy, Schmöger 1996, S. 28. Vgl. Winckelmann 1892, S. 236. Vgl. ebd., S. 248 f. Vgl. ebd., S. 263.

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die ausdrückliche Einschließung künftiger Mitglieder noch die ausdrückliche Ausschließung derselben vereinbart sein. Dieser Fall ist symptomatisch, denn schon zuvor war mehrfach versäumt worden, eine starke protestantische Partei zusammenzuführen. Als Alessandro Farnese als Papst Paul III. sein Pontifikat begann und ein Konzil für 1537 ausschrieb, mussten sich die Protestanten positionieren. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen erwog ein Gegenkonzil und bat Martin Luther, geheim entsprechende Artikel auszuarbeiten, die auf einer Tagung verabschiedet werden sollten.70 Die Theologen hielten in Wittenberg ein Geheimtreffen ab.71 Selbst der Landgraf bekam diese Artikel vor der Schmalkaldener Tagung im Februar 1537 nicht zu lesen, sondern erhielt nur eine „sehr allgemein verfaßte Information“.72 Zur Bundestagung erschienen elf Fürsten, sechs Grafen, neun hohe Gesandte, Vertreter von 28 Reichs- und Hansestädten sowie 42 Theologen.73 Als Philipp Melanchthon, der den kranken Luther vertrat, dem Landgrafen in einem vertraulichen Gespräch die Artikel mitteilte, gab dieser sie unverzüglich an den einflussreichsten Vertreter der Städte weiter, Jakob Sturm aus Straßburg.74 Ob er die Position des anderen Bundeshauptmanns schwächen wollte oder nur Sorge um ein Abdriften der oberdeutschen Städte ihn dazu bewog, ist nicht festzustellen.75 Die Artikel wurden abgelehnt. Der Bundesabschied im März 1537 enthielt die „Confessio Augustana“, Melanchthons Traktat wider den Papst, eine Absage an das Konzil und die Verweigerung jedweder Unterstützung für den Kaiser in seinem Feldzug gegen Türken oder Franzosen.76 1539 bewilligte Karl V., um die benötigte militärische Unterstützung der Protestanten zu bekommen, im Frankfurter Anstand die freie Religionsausübung für die Anhänger der Augsburger Konfession. Jetzt waren die Schmalkaldener zwar abgesichert, durften aber keine weiteren Mitglieder aufnehmen, nicht säkularisieren und niemanden überfallen.77 Der Tod Herzog Georgs 1539 sowie die Publikation der Schmalkaldischen Artikel und vieler weiterer Einzeldrucke beförderte die Ausbreitung der Reformation. Die Herzogin Elisabeth von Rochlitz als Reformationsfürstin In der Person Elisabeths von Rochlitz spiegelten sich am sächsischen Hof die politischen Verhältnisse und besonders die Religionspolitik. Sie war als junge Gemah70 71 72 73 74 75 76 77

Vgl. Handy, Schmöger 1996, S. 33. Vgl. Tagung „475 Jahre Schmalkaldische Artikel – Die Ernestiner und ihr Bekenntnis“, Jena, 25./26. Oktober 2012. Handy, Schmöger 1996, S. 34, 47. Vgl. ebd., S. 44 f. Vgl. ebd., S. 47. Vgl. ebd., S. 47 f. Vgl. ebd., S. 56. Vgl. ebd., S. 62.

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lin des ältesten Sohnes von Herzog Georg in der schwierigen Lage, am Hof ihrer Schwiegereltern zu wohnen und keinen eigenen Haushalt führen zu dürfen, zugleich einen zurückhaltenden Ehemann und einen starken Eigenwillen zu haben. Durch Ehebruchsgerüchte, die von geheimen Räten Herzog Georgs gestreut worden waren, geriet Herzogin Elisabeth in eine gefährliche Situation.78 Sie versuchte, die Intrige mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu bewältigen. Sie rückte die konfessionellen Differenzen in den Vordergrund, begab sich auf eine sachliche Ebene und bestritt beharrlich alle Vorwürfe. Angesichts des energischen Charakters der Herzogin und ihrer lutherischen Überzeugung bestanden zahlreiche Konfliktlinien, besonders mit ihrer Schwiegermutter bis zu deren Tod. Elisabeth erlebte danach bessere Jahre am Dresdner Hof und konnte sich als Ausgleich für ihren unerfüllten Kinderwunsch um die Erziehung von Georgs Neffen Moritz kümmern. Um dessen religiöse Prägung war ein Kampf zwischen den protestantischen Ernestinern und Herzog Georg entbrannt. Dass der altgläubige Herzog seiner Schwiegertochter die zeitweise Erziehung seines Hoffnungsträgers überließ, obwohl er von Elisabeths prolutherischer Einstellung wusste, beweist, dass beide weniger verfeindet waren als oftmals dargestellt wird. Auf die Bewunderung Elisabeths für die politisch-wirtschaftliche Aktivität des Herzogs hat bereits Elisabeth Werl in ihrer Dissertation aus den 1930er Jahren hingewiesen.79 Lediglich in der religiösen Frage standen sich beide konträr gegenüber. Man mag sich deshalb eine zeitweise sehr innige Beziehung vorstellen, die dazu führte, dass die junge Herzogin den 1521 geborenen Moritz zunächst erziehen durfte. Daraus resultiert ihr enges Verhältnis zu Moritz, dem sie später immer wieder als „mütterliche Freundin“80 Ratschläge und Warnungen sendet. Als 1537 ihr Gemahl starb, wechselte der 16jährige an den Torgauer Hof, aber die Verhandlungen darüber wurden vor Herzog Georg geheim gehalten.81 Die Witwe Elisabeth konnte erst mit Hilfe ihrer Herkunftsfamilie das versprochene Amt Rochlitz mit den Städten Geithain und Mittweida als Wittum durchsetzen. Zwei Monate später bekam sie zusätzlich Schloss und Amt Kriebstein mit den Städten Waldheim und Hartha überschrieben. Sie verstand diese Territorien nicht als Versorgungsbasis, sondern als Herrschaftsbereich.82 Elisabeth hat ihren Witwenhof tatkräftig sowie eigenständig mit Hilfe eines kleinen Hofstaats von 20 Personen verwaltet und ihre Herrschaft selbstbewusst ausgeübt.83 Sofort begann sie auf ihrem Witwensitz kirchenpolitisch zu agieren und führte gegen den Willen Herzog 78 79 80 81 82 83

Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10548/6. Vgl. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 5, 509. Bedingt durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde nur der erste Teil der Dissertation publiziert. Der Hauptteil des vierbändigen Werkes wird als Handschrift im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden im Nachlass von Elisabeth Werl verwahrt. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 4, f. 378. Vgl. Held 1997, S. 20. Vgl. „Elisabeth von Hessen (von Rochlitz)“ von André Thieme, in: SäBi URL: http://www.isgv.de/ saebi/ [08.05.2012; ASR]. Er bestand aus 15 Jungfrauen, je einem Hofmarschall, Amtmann und Kammermeister und zwei Sekretären.

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Georgs in Rochlitz die Reformation ein. Mit ihrem Schwiegervater, Herzog Georg, kämpfte sie nicht nur um die Anerkennung des neuen Glaubens, sondern auch um ein bewohnbares Wittum. Ihr Beitritt zum Schmalkaldischen Bund im Sommer 1538 war angesichts ihrer politischen Verortung nicht überraschend, brachte sie doch damit ihr Selbstverständnis sichtbar zum Ausdruck. Sie ist allerdings die einzige Frau in diesem Bund, der insgesamt 50 Reichsfürsten und Städte umfasste. Im Fürstenkollegium aber dürfte man diese Aktion als einen deutlichen Affront gegenüber Herzog Georg wahrgenommen haben. Mit Argwohn beobachtete Herzogin Elisabeth dessen geheime Gespräche mit König Ferdinand, der im Mai 1538 nach Dresden kam.84 Gleichermaßen holte sie Kundschaften zur Heiratspolitik Herzog Georgs ein, der durch heimliche Vermählung seines geistesschwachen Sohnes Friedrich in der Hoffnung auf einen katholischen Erben noch die Einführung der Reformation in Sachsen zu verhindern suchte.85 Über die Braut kursieren nur Gerüchte, es sei die Tochter oder Nichte König Ferdinands, die jüngste Herzogin von Cleve, die Tochter Herzog Heinrichs von Braunschweig usw. Endlich brach der albertinische Rat von Carlowitz sein Schweigen und verriet der Herzogin, Friedrich habe die Gräfin Elisabeth von Mansfeld gewählt. Zum Zeitpunkt der Offenbarung konnte die Hochzeit nicht mehr verhindert werden, selbst wenn Elisabeth von Rochlitz über Kurfürst Johann Friedrich I. noch Bemühungen startete, die Zustimmung vom Haus Mansfeld zu verhindern.86 Bereits nach 14 Tagen danach bekam die umtriebige Herzogin Nachricht, die Braut sei schwanger, doch weitere zwei Wochen später starb Herzog Friedrich und die Gerüchte bestätigten sich nicht. Die Obduktion entlastete den Hofarzt, der beschuldigt worden war, er habe den jungen Herzog vergiftet. Nach dem Tod Herzog Georgs 1539 führte Herzog Heinrich die Reformation in Sachsen ein. Die Wurzener Fehde In der Wurzener Fehde 1542 erwies sich einmal mehr die Umsicht und Entschiedenheit der Herzogin. Sie trat für die deutsche Einigkeit auf und bemühte sich, Kämpfe zwischen Bluts- und Glaubensverwandten abzuwenden und Frieden zu vermitteln.87 Wurzen unterstand der gemeinsamen Herrschaft von Ernestinern und Albertinern. Der sächsische Kurfürst wollte den Streit um die Erhebung der Türkensteuer mit dem Bischof dazu nutzen, in Wurzen wie auch im Bistum Naumburg die Reformation einzuführen und ließ die Stadt besetzen. Moritz seinerseits, dem dieser Pass über die Mulde als Reiseweg wichtig war, sandte Bewaffnete nach Wurzen und plante eine größere 84 85 86 87

Vgl. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 3, S. 248. Vgl. ebd., S. 251. Vgl. ebd., S. 253. Vgl. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 4, f. 359.

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Truppe nachzuschicken. Als Elisabeth von diesem „geheimen Aufgebot“ hörte, bat sie mit einem Eilboten ihren Bruder, zwischen den wettinischen Vettern zu vermitteln.88 Philipp möge möglichst schnell heimlich eintreffen. In der Tat konnte Philipp eine Waffenruhe erreichen und ritt vom 4. bis zum 6. April zwischen den Lagern in Grimma und Oschatz hin und her, um zu vermitteln, während seine Schwester beiden Vettern eindringliche Briefe sandte. Sie erinnerte diese an ihre Verwandtschaft und deutete auf die Türkengefahr hin, die von außen drohe, riet zur Geschlossenheit der Protestanten, damit die Katholiken nicht triumphieren könnten, und hob auch den Schaden für Land und Leute hervor. Somit brachte sie dynastische, innenpolitische, religionspolitische, außenpolitische wie auch wirtschaftspolitische Argumente vor. Auf der psychologischen Ebene sprach sie Moritz in seinem Ehrgeiz und Johann Friedrich in seiner Empfindsamkeit und seinem Stolz an. Ihre unermüdlichen Briefe und Philipps Verhandlungsgeschick bewirkten den Frieden von Oschatz, ohne dass es zum Äußersten gekommen ist. Ohne die Geheimdiplomatie der Herzogin wäre es jedoch nicht zu diesem Erfolg gekommen, wie Elisabeth Werl resümiert: Daß er [Philipp; ASR] zur Stelle war, ehe der stürmische Herzog Moritz losschlug, ist mit das Verdienst seiner Schwester; denn ihr Brief vom 1. April, der ihm schon die Zusammenziehung der Truppen von Herzog Moritz meldete, ehe sie zum Abmarsch geordnet waren, hat ihn zur Beschleunigung seiner geplanten Reise angetrieben.89

Elisabeth hatte die Lage rechtzeitig erfasst und richtig eingeschätzt, so dass sie schnell und pünktlich die relevanten Informationen an den richtigen Adressaten schicken konnte, der sich in ihr eine zuverlässige und sichere Quelle wusste. Landgraf Philipps rasches und geschicktes Handeln sowie der Umstand, dass beide Konfliktparteien ihn als vertrauenswürdigen Vermittler achteten, ermöglichte die Beilegung des Konflikts. Wesentlichen Beitrag hatte auch die hohe Akzeptanz Elisabeths als Ratgeberin auf beiden Seiten. Insofern sind in diesem Fall alle Voraussetzungen für eine gelungene Deeskalation gegeben gewesen. Da sie nur möglich wurde durch die Geheimdiplomatie Elisabeths in Kombination mit Philipps Verhandlungsfähigkeiten, kann die Konfliktlösung als Kooperationswerk der hessischen Geschwister bezeichnet werden. Elisabeth offenbarte ihrem Bruder gegenüber auch, dass Agnes inmitten eines Komplotts stecke. Agnes’ Mutter beeinflusse sie und auch Philipps Kammerdiener Schönfeld erzähle viel seinem Weib, die heimliche Briefe nach Dresden zu Agnes schicke.90 Sie schrieb, Philipp möge den Brief zerreißen, damit Schönfeld nicht herankäme, er würde alles verraten. In Dresden stand man der Herzogin offenbar misstrauisch gegenüber. Von intriganten Räten beeinflusst, setzten die beiden jungen Herzöge Elisabeth 1543 unter Druck, das Amt Kriebstein gegen die 88 89 90

Herzogin Elisabeth an Philipp, 1. April 1542, zit. in: ebd. f. 356. Ebd., f. 358 f. Vgl. ebd., f. 340.

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weit entfernten Ämter Dornburg und Camburg zu tauschen. Offenbar sollte diese Aktion die Macht der engagierten Witwe einschränken. Einige Jahre später, im Schmalkaldischen Krieg, erwies sich die gute Vernetzung und das diplomatische Geschick der Witwe jedoch als unabdingbar. In diesem Krieg, der wegen seiner Bedeutsamkeit im Folgenden zunächst vorgestellt wird, sind vielfältige Ansätze der Geheimdiplomatie erkennbar. 4.1.3 Der Schmalkaldische Krieg 1546/47 Kaiserliche Politik Der Kaiser rüstete nach dem Frieden von Crepy mit Frankreich und dem Waffenstillstand mit den Türken 1544 heimlich gegen die Protestanten zum Krieg. Durch geheime Verhandlungen sammelte er seine Partei um sich. So gewann er die Unterstützung des Papstes durch einen Ablaß „zur Ausrottung der lutherischen Ketzerei“, die Hilfe Bayerns durch ein Heiratsversprechen und die Anwartschaft auf die pfälzische Kurwürde.91 Auch den Markgrafen Hans von Brandenburg-Küstrin und Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach machte er Zusagen bezüglich der Glaubensfreiheit und territorialer Wünsche. Schließlich band er noch Herzog Moritz von Sachsen durch Aussichten auf die sächsische Kurwürde an sich. Hierbei machte er sich die innerwettinische Konkurrenz zunutze. Schon seit der Wurzener Fehde 1542 gärte zwischen Herzog Moritz und Kurfürst Johann Friedrich eine tief empfundene Feindschaft. Kurfürst Johann Friedrich ließ die Tätigkeiten seines Vetters beim Kaiser genau beobachten.92 Obwohl Familienoberhaupt, hatte er gegen den Dresdner, der beim Kaiser in hohem Ansehen stand, keine Handhabe. Dem Kaiser gelang es, Herzog Moritz für sich zu gewinnen. Die gemeinsame Kooperation war für beide von Nutzen: der Kaiser erhielt einen schlagkräftigen Heerführer zur Durchsetzung seiner Ziele; Moritz konnte gegen die Verwandten vorgehen, um seine Initiative nicht an Ferdinand von Habsburg zu verlieren und für sich und seine jüngere Linie die ersehnte Kurwürde von dem ungeliebten Vetter zu erobern. Dem siegreichen Moritz die Niederlage der Protestanten 1547 allein anzulasten, greift allerdings zu kurz. Parallel bot Karl V. dem Bund wiederholt Verhandlungen an und gab den Gesandten der protestantischen Fürsten „freundliche, beruhigende Antwort“: Die Protestanten sollten sorglos gemacht und bei dem Glauben erhalten werden, dass für sie nichts Schlimmes zu befürchten sei.93

91 92 93

Handy, Schmöger 1996, S. 64. „Es ist unmöglich alle Spione aufzudecken.“ Wartenberg 2006, S. 158. Mühlan 1895, S. 7.

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Die Politik der Bundeshauptleute Somit wiegten sich die Bundeshauptleute in einer falschen Sicherheit. Kurfürst Johann Friedrich erklärte, er sehe keine so große Gefahr.94 Landgraf Philipp indes war weniger gutgläubig, wie sein Kommandeur Schertlin berichtete: her Landgraf ist damit vbel zufridenn sagt das er churfürst allweg dermassen die sachen ringklich anschlage, vnd hab schon jetzund vergessenn, wie geferlich vnd hinderlistig vor wenig wochen gegen gemainen stenden dieser verain geparet, aber er wölle dem wetter so lange nit mer getrawen, vnnd hat schon allen bestelten rittmaistern darzu allem adel in Hessen zuschreiben, vnnd ermanen lassen, sich gerüst vnd anheim zu halten.95

In der Tat – die Kriegsgefahr „zeichnete sich seit 1540 immer klarer ab.“96 Als das Regensburger Religionsgespräch scheiterte, ging die Krise in den offenen Konflikt über. Eine Feindschaft des Schmalkaldischen Bundes mit Braunschweig erwuchs aus Übergriffen und Schmähschriften des Herzogs im Rahmen seiner Politik der territorialen Machterweiterung und radikalen Verteidigung des alten Glaubens.97 Landgraf Philipp nahm 1539 den durchreisenden Sekretär des Herzogs fest und ließ ihn erst nach Intervention des Mainzer Erzbischofs wieder frei.98 Die Schmalkaldener entschlossen sich 1542, den bedrängten protestantischen Städten Goslar und Braunschweig zu Hilfe zu eilen. Die heimliche Vorbereitung des Feldzuges gegen Herzog Heinrich wurde durch eine kleine Geheimschrift gewährleistet, die so einfach wie wirksam war.99 Die Truppen des Schmalkaldischen Bundes überraschten Herzog Heinrich und zwangen ihn zur Flucht, eroberten das katholische Herzogtum und reformierten das Land. Später nahmen sie Herzog Heinrich von Braunschweig zusammen mit seinem Sohn gefangen. Für die katholische Partei war die Gefangennahme eines der Ihren eine „moralische Niederlage“.100 Mehr denn je war es nun das Kalkül des Kaisers, durch eine militärische Aktion den Schmalkaldischen Bund zu zerschlagen. Dabei konnte der Kaiser stark von der Schwäche der Protestanten profitieren, denn „es bestanden zwischen den Bündnismitgliedern fortgesetzte Streitigkeiten um finanzielle, organisatorische, territoriale

94

Vgl. Kurfürst Johann Friedrich I. an Landgraf Philipp, 24. Dezember 1545, zit. in: Herberger 1852, LXX und S. 54 f. 95 Sebastian Schertlin von Burtenbach an die Bürgermeister zu Augsburg, 5. Januar 1546, zit. in: Herberger 1852, S. 55 f. [Anm.: die Datierung bei Herberger lautet irrtümlich auf 1532; ASR]. 96 Handy, Schmöger 1996, S. 64. 97 Vgl. Bruns 1889, S. 85. 98 Vgl. LHASA, Abt. Magdeburg, Nr. 307. 99 Die einfache Substitutionschiffre bestand aus 24 Symbolen für das Alphabet und einen kleinen Nomenklator mit Symbolen für „Kurfürst“, „Herzog“, „Stadt Goslar“, „Stadt Braunschweig“, „Reiter“ und „Knechte“. Vier chiffrierte Briefe der Bundeshauptleute an die Stadt Goslar seien in Hannover überliefert, so Sudendorf. Vgl. Sudendorf 1843, S. 216 (mit Abdruck der Chiffre). 100 Hasenclever 1901, S. 11.

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und auch Prestigefragen.“101 Im Vorfeld des Krieges verstrickte sich der Schmalkaldische Bund in Uneinigkeit und im Gewirr von Geheimdiplomatie der einzelnen Fürsten. Durch Friedensvermittlung zwischen Frankreich und England wollte man den englischen König als Bundesgenossen gewinnen. Dieser hatte seinerseits seit 1535 versucht, Bündnispartner im Reich zu werben. Daraus hatte sich eine Gesandtschaft des Schmalkaldischen Bundes zu Heinrich VIII. von England 1538 ergeben.102 Doch die Gespräche waren im Sande verlaufen, da die Schmalkaldener sich nicht zu Verbindlichkeiten durchringen konnten, um den angestrebten Ausgleich mit dem Kaiser nicht zu gefährden. Da man aber den englischen König nicht brüskieren wollte und ihn eventuell später als Vermittler brauchte, verfolgten die Schmalkaldener eine Doppelstrategie von kleineren Zugeständnissen und Zeitspiel, um einem Bündnis aus dem Weg zu gehen.103 Der Plan ging auf – als man 1546 wiederum an Heinrich VIII. herantrat, war dessen Tür nicht verschlossen. Parallel führte der Kaiser allerdings Unterhandlungen, so dass der englische wie der französische König ein Doppelspiel mit den Abgesandten des Schmalkaldischen Bundes und des Kaisers spielen konnten.104 Obwohl die „dilettierenden protestantischen Gesandten mit den Diplomaten aus der Schule eines Karl V. nicht wetteifern konnten“ und die Gespräche keinen Durchbruch erlebten, brachte man die beiden zerstrittenen Parteien einander etwas näher.105 So ist der einige Monate später tatsächlich zustande gekommene Friedensvertrag nur zum Teil auf die Verhandlungsgespräche zurückzuführen. Auch die Verschiedenheit der Bundeshauptleute war bezeichnend: offensiv und kompromisslos war der Landgraf auf der einen Seite, zögerlicher und milder Johann Friedrich auf der anderen.106 Dennoch – Johann Friedrich provozierte den Kaiser, indem er 1545 trotz wiederholter Aufforderungen nicht persönlich auf dem Reichstag in Worms erschien.107 Mit der Begründung, bei den vielen religionspolitischen Themen würde er sich nur noch mehr verhasst machen, schickte er seinen Gesandten Magister Franz Burkhardt, der mit dem kaiserlichen Unterhändler Antoine Perrenot de Granvelle verhandelte. Einem von Philipp Melanchthon ausgearbeiteten Religionsgutachten stimmten die anderen protestantischen Stände zu, so dass es Granvelle überreicht werden konnte. Zu diesem Schritt beigetragen hat wohl auch das von Burkhardt aufgeschnappte Gerücht, dass Kaiser Karl V. seinerseits ein Religionsgutachten erarbeiten ließ.108 Die Protestanten hatten für die bevorstehende diplomatische Konfrontation ihre Position nun abermals dargelegt. Die Verhandlungen auf dem Wormser Reichstag 1545 101 102 103 104 105 106 107 108

Handy, Schmöger 1996, S. 63. Vgl. Beiergrößlein 2011, S. 117–128. Vgl. ebd., S. 170. Vgl. Hasenclever 1901, S. 63. Ebd., S. 63. Vgl. ebd., S. 137. Vgl. Aulinger 2008, S. 93. Vgl. ebd., S. 98.

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zeigten, dass eine gütliche Einigung nicht mehr möglich war. Einer weitgehend homogenen katholischen Partei standen die Schmalkaldener noch ohne innere Einigkeit gegenüber. Zwar stimmten die evangelischen Stände darin überein, das geplante päpstliche Konzil als parteiisch abzulehnen, aber bei ihren Zielen und auch in der Frage der Sequestration Braunschweigs waren sie uneins. Hessen wollte der Zwangsverwaltung des Herzogtums zustimmen, aber den Besitz in Braunschweig nicht aufgeben, was der kursächsische Rat Gregor Brück für unrealistisch hielt.109 Durch den Anschluss des Kölner Erzstifts an den Schmalkaldischen Bund und die Wahl des neuen Mainzer Erzbischofs bekamen die Protestanten wiederum neue Kraft. Der Kaiser reagierte, indem er die reichen süddeutschen Städte Donauwörth, Nördlingen, Augsburg, Ulm und Nürnberg durch geheime Verhandlungen von dem Bund abzusondern trachtete, wobei er aber an der Treue unter den evangelischen Glaubensbrüdern scheiterte.110 Insgesamt betrachtet blieb der Bund aber ein „lose zusammenhängendes Konglomerat von Fürsten und autonomen Stadtrepubliken“.111 Wie unkoordiniert der Schmalkaldische Bund agierte, zeigt auch ein Blick auf die Pfalz. 1546 hatte Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz in seinem Land die Reformation durchgeführt und wurde deshalb vom Kaiser geächtet. Landgraf Philipp von Hessen versuchte, die Pfalz an sich zu binden, wollte dem Kurfürsten aber keine Garantie der pfälzischen Kurwürde im Fall eines bayerischen Angriffs geben. Denn er hoffte wegen optimistischer Berichte seines Agenten Gereon Sailer, dass Bayern eine antikaiserliche Politik treiben werde – nichts ahnend, dass dieser vom bayerischen Rat Leonhard Eck auf raffinierte Weise zu solchen Einschätzungen gebracht wurde.112 Hinsichtlich der pfälzischen Politik erfuhren die Schmalkaldener von ihrem Agenten, dass Frankreich seinen Diplomaten Sébastien de L’Aubespine, Abt des Klosters Saint-Jean-Baptiste de Bassefontaine, zu Bündnisverhandlungen mit dem Kurfürsten von der Pfalz geschickt hatte. Somit schaltete sich Landgraf Philipp ein und führte mit Bassefontaine einen geheimen Briefwechsel. In den Chiffren dieser Korrespondenz haben nur Landgraf Philipp und der Pfalzgraf von den protestantischen Fürsten ein eigenes Chiffrezeichen.113 Doch durch den Frieden zwischen England und Frankreich und den „leisen Umschwung“ im pfälzischen Rat hin zu England verlor man den potentiellen Bundesgenossen in der Pfalz.114 Der pfälzische Kurfürst Friedrich  II. trat dem Schmalkaldischen Bund nicht bei, da seine Bedingungen nicht erfüllt und seine dänischen Interessen zu wenig unter-

109 110 111 112 113 114

Vgl. ebd., S. 97. Vgl. Hasenclever 1901, S. 45–51. Ebd., S. 105. Vgl. Hasenclever 1905, S. 59. Vgl. Ebd., S. 65. Ebd., S. 69.

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stützt wurden.115 Dem Bund fehlte damit ein schlagkräftiges Mitglied, denn sonst wäre Friedrich offen beigetreten und hätte ein starkes Heer beigesteuert. Der Pfälzer hatte hingegen andere Bündnispartner in Aussicht: Landgraf Philipp wurde am 27. Mai 1546 von Jakob Sturm, dem Straßburger Stadtratsmitglied, das die Reichsstadt 1531 in den Schmalkaldischen Bund geführt hatte, darüber unterrichtet, dass die Pfalz mit Frankreich ein geheimes Bündnis vorbereite.116 Der Pfälzer glaubte, Frankreich brauche seine Hilfe im seit 1544 laufenden Krieg gegen England. Der Kaiser war schon seit 1542 durch seinen Vizekanzler über diese Verhandlungen informiert – ein Informationsvorteil für die katholische Seite, da sie einigermaßen beruhigt hoffen konnte, dass die Pfalz nicht auf die schmalkaldische Seite wechseln werde. Jedoch versuchte Kurfürst Friedrich von der Pfalz, den Franzosen auszuspielen, denn er pflegte gute Kontakte mit seinen englischen Verwandten, die er an die Protestanten band. Der Pfälzer verkalkulierte sich jedoch: infolge des englisch-französischen Friedens bedurfte Franz I. von Frankreich der Pfalz nicht mehr, und England war verstimmt. In der Hoffnung, die protestantische Sache noch retten zu können, half die Kurpfalz rasch mit 900 Soldaten dem württembergischen Herzog Ulrich gegen den Kaiser. Aber als Friedrich von der Pfalz sah, dass keine großen Siege gelangen, unterwarf er sich dem Kaiser und rettete damit den Besitz für die Familie. Seine Hintertreppendiplomatie war gescheitert. Offiziell wahrte der pfälzische Kurfürst den Anschein, sein Amt als Reichsverweser während der Abwesenheit Kaiser Karls V. in Spanien auszuüben und verfasste zusammen mit Kardinal Albrecht von Mainz ein Friedensvermittlungsangebot. Es erreichte den Kaiser jedoch nie, da es vom kaiserlichen Minister Antoine Perrenot de Granvelle unterschlagen wurde, da er selbst zur rechten Zeit die Verhandlungen mit den evangelischen Fürsten führen wollte. Schon seinem Vater Nikolaus war es gelungen, dass er unter „sehr umsichtiger Ausnutzung der Lage die Früchte des Sieges für den Kaiser steigerte und vergrößerte“.117 Diese Raffinesse der beiden Granvelles ist auch in dem von Antoine später gewobenen Spionagenetz des Kaisers ersichtlich, das aber noch nicht in der Auseinandersetzung mit den Protestanten, sondern erst in den 1550er Jahren in der Politik gegenüber den Osmanen zum Einsatz kam.118 Dennoch war Granvelle hier wie bei den Reichstagsverhandlungen ein herausragender politischer Gegner für die Protestanten. Die Aktionen des Schmalkaldischen Bundes waren, wie sich zeigt, nicht genug gebündelt, und ihrer Spitze fehlte der nötige Zusammenhalt, was die Niederlage zu großen Teilen mitverursachte.

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Vgl. „Friedrich II., Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein“ von Arthur Kleinschmidt, in: ADB, Bd. 7 (1878), S. 603–606. Vgl. Hasenclever 1905, S. 62. „Granvelle, Nicolaus Perrenot, Herr von“ von Wilhelm Maurenbrecher, in: ADB, Bd. 9 (1879), S. 580–584. Vgl. Bertomeu Masiá, María José (Hrsg.): Cartas de un espía de Carlos V: la correspondencia de Jerónimo Bucchia con Antonio Perrenot de Granvela, Murcia 2006.

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Der Kriegsverlauf Auf die am 20. Juli 1546 verhängte Ächtung der beiden Bundeshauptleute durch den Kaiser konnte man entweder mit einer Demutsgeste reagieren (wie der Pfälzer Kurfürst) oder offensiv die Herausforderung annehmen und sich auf eine militärische Auseinandersetzung vorbereiten. Dem Naturell beider entsprach mehr die letztere Option. Im selben Maße, wie die Rüstungen des Kaisers immer unverdeckter geschahen, rüstete auch der Kurfürst von Sachsen zu Felde. Er ließ Schanzen anlegen, die Grenze zu Böhmen visitieren und Kundschafter spionieren.119 Der Kaiser veranlasste die ebenso genaue Beobachtung der Schmalkaldener. Auf einem zeitgenössischen Gemälde ist in einer Szene zur Truppenanwerbung ein Spitzel hinter einem Vorhang gemalt worden (Abbildung 14).120 Der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstandene Bilderzyklus greift die rege Spionagetätigkeit während des Schmalkaldischen Krieges auf. Dieser bildlichen Darstellung können schriftliche Quellen zur Spionage korrespondierend beigestellt werden. Drei Konvolute abgefangener Briefe sind im Thüringischen Hauptstaatsarchiv  Weimar überliefert.121 Da es sich um interzipierte Korrespondenzen der Schmalkaldener handelt, ist anzunehmen, dass die Briefe zunächst in die Hände der Katholiken fielen, aber wieder zurückgeholt werden konnten. Nun sind zusammen mit den übrigen Konzepten und empfangenen Schriften archiviert.122 Die Gegenpartei hätte aus der aufgefangenen protestantischen Post das Bemühen um Unterstützung bei anderen Fürsten ersehen können. Die prekäre Lage der Protestanten wird darin offenkundig: sowohl strategische als auch personelle Hilfe wurde in den einzelnen Teilen des Reiches benötigt. Man bat 1546 Dänemark, Würzburg und Eichstätt um Sperrung der Wege für den Gegner und Proviant sowie Köln, Jülich und den Deutschmeister zu Livland um Geldhilfe. Gleichfalls sollten Dänemark und Pommern nach Möglichkeit ein Heer stellen. Es wurden Briefe an den Herzog von Liegnitz und die Stadt Breslau, die Lausitzer Stände sowie die Herzöge von Preußen und Mecklenburg geschickt. Letzere wurden um die Lieferung von 400 Pferden gebeten.123 Auch 119

Vgl. Thomä, Siegfried: Der Schmalkaldische Krieg und seine Folgen für das Vogtland, in: Vogtländische Heimatblätter 2 (1982), H. 2, S. 14–22. 120 Vgl. Unbekannter Künstler: Vorbereitung und Beginn des Schmalkaldischen Krieges, 1. Drittel 17. Jh., Öl/Holz, 147 × 260 cm (Berlin, Deutsches Historisches Museum, Inv.-Nr. Kg 58/13); Die vier Tafeln stellen in 28 Szenen das Leben Johann Friedrich des Großmütigen dar. Über Künstler und Jahr der Ausführung ist nichts bekannt. Wahrscheinlich ist die Entstehung zwischen 1620 und 1650 anzusiedeln. Vgl. Werner, Elke Anna: Vier Gemälde mit Szenen aus dem Leben Johann Friedrichs des Großmütigen von Sachsen, in: DHM-Magazin 6 (1995/96), H. 16, URL: http://www.dhm.de/ sammlungen/zendok/j-friedrich/Menu.htm [27.09.2011]. 121 Vgl. ThHStAW, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. J, pag. 1–3 A, Nr. 1; Reg. J, pag. 6–7 A, Nr. 3; Reg. J pag. 13–19 A Nr. 7. 122 ThHStAW, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. J, Reg. J pag. 3–6 A Nr. 2; Reg. J pag. 8–12 A Nr. 4; Reg. J pag. 12–15 A Nr. 5; Reg. J pag. 15–18 A Nr. 6; Reg. J pag. 19–21 A Nr. 8. 123 Vgl. ThHStAW, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. J, pag. 13–19 A , Nr. 7.

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Abbildung 14: Ein Spion beobachtet sächsische Rüstungen, 1546, aus dem Bilderzyklus „Das Leben des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen“, © Deutsches Historisches Museum, Berlin, Stiftung Deutsches Historisches Museum Berlin, Das Leben des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen: Vorbereitung und Beginn des Schmalkaldischen Krieges im Jahr 1546, Inv.-Nr.: Kg 58/13

ein 1546 an Bayern gerichtetes Gesuch, feindlichen Durchzug zu verhindern, befindet sich in dieser Sammlung.124 Der Stadt Eger schrieb Johann Friedrich I. von Sachsen, er benötige „etliche ungehorsame Fürsten“ und erklärte – wie schon den anderen Adressaten – seine Unschuld am Krieg.125 Die Dokumente zeigen, dass die protestantischen Fürsten gut zu differenzieren wussten, welche Leistung sie von welchem Hof erbitten konnten. Auch ist am Umfang der Korrespondenz abzulesen, dass besonders eindringlich die Regierungen in Pommern, Preußen, Dänemark und Bayern ersucht wurden, während bei den Städten und kleineren Herrschaften eine Absage rascher akzeptiert wurde.126 124 Vgl. ThHStAW, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. J, pag. 8–12 A, Nr. 4. 125 ThHStAW, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. J, pag. 19–21 A, Nr. 8, Kurfürst Johann Friedrich an die Stände der Stadt Eger, f. 16. 126 Der Korrespondenzumfang mit Dänemark betrug 74 Blatt, mit Köln, Jülich und dem Deutschordensmeister 43 Blatt, mit Würzburg und Eichstätt 11 Blatt, mit Bayern 73 Blatt, mit Preußen und der Pfalz 78 Blatt, mit Pommern 84 Blatt, mit Mecklenburg 13 Blatt, mit Liegnitz und Breslau 32 Blatt.

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Oft folgte man der Notwendigkeit, von der Schriftlichkeit zur Mündlichkeit zu wechseln und sandte geheime Boten mit mündlicher Instruktion über Land. Der Herzog von Liegnitz schrieb eigenhändig an den sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich, er habe: „was zureden […] daran mir etwas gelegenn das ich auch nit gerne uber landt schreybenn woltt“.127 Zwar lieferte der Herzog von Liegnitz nicht die erwünschten Pferde oder gar Geld, aber er informierte Johann Friedrich über die kaiserlichen Rüstungen. Seine geschickte Abschrift eines Gesandtenberichts enthielt jedoch nichts Neues für den Kurfürsten. Johann Friedrich informierte ihn, dass er von Kundschaftern glaubhaften Bericht von den Zurüstungen erhalte und für die Gegenrüstung Unterstützung benötigte. Der bayerische Herzog arrangierte ein Treffen der Geheimen Räte in Rain, um den Bundeshauptleuten „alle Sachen vor anderen zue wissen tragen“.128 So mehr oder weniger hilfreich diese Informationen waren  – die gewünschte Verstärkung in militärischer, personeller, logistischer oder finanzieller Hinsicht erhielten die Schmalkaldener auf ihre Briefe nicht. Vielmehr erschöpften sich die Briefe in Warnungen und Ratschlägen sowie Vermittlungsangeboten. Kurfürst Johann Friedrich I. sah sich angesichts der Bedrängnis veranlasst, den Bayern anzuflehen, sich „keins lenger uff hetzen zu lassen“.129 Als diese Ansuchen ohne Erfolg blieben, nahmen die schmalkaldischen Truppen zur Vorteilsgewinnung auch spanische und italienische Soldaten sowie Boten gefangen und verhörten sie.130 Bis Ende September 1546 waren die Truppen des Schmalkaldischen Bundes mit ihren 12.000 Mann in Süddeutschland und 16.000 Mann sowie 5.000 Reitern in Thüringen dem kleinen Heer Karls V. deutlich überlegen. Um die Vereinigung des Kaisers mit der aus Italien und Ungarn anrückenden Truppenverstärkung zu verhindern, zogen die Schmalkaldener zunächst Richtung Süden. Karl V. spielte auf Zeit und wich allen Kämpfen aus. Im Feld zeigten sich der Kriegsrat des Bundes und Landgraf Philipp als unentschlossen und nicht risikofreudig.131 Ihr Heerführer im Süden war Sebastian Schertlin von Burtenbach, der 1532 bereits für den Kaiser erfolgreich gegen die Türken gefochten hatte, sich aber 1534 den Protestanten angeschlossen hatte.132 Er war Dienstmann der Stadt Augsburg und Landgraf Philipps. Diesem war er der engste Vertraute und tauschte „vieles Geheime“ mit ihm aus.133 Dafür musste er sich vor gefährlichen Anschlägen der Kaiserlichen in Acht nehmen.134 Im Krieg gegen den Kaiser konnte 127 128 129 130 131 132 133 134

Ebd., f. 3. ThHStAW, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. J, pag. 8–12 A, Nr. 4, Herzog Wilhelm IV. von Bayern, 10. August 1546, f. 25. Ebd., Johann Friedrich I. von Sachsen an Wilhelm IV. von Bayern, 12. August 1546, f. 33. Vgl. ThHStAW, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. A, Reg. J Schmalkaldischer Krieg, No. Z A f 48-A f Nr. 1–8. Vgl. Handy, Schmöger 1996, S. 65 ff. Vgl. Herberger 1852, XVIII. Ebd., LX. „Hat mich selbst vnd darzu die rät verwarnet, das wir nit mer sollen die strass, so wir hinab ziehen, herauf fürnemen, sondern auf Pfalz vnd Würtenberg, dann uns sey gewiss ain luder gelegt.“ Die

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Schertlin während des Sommers 1546 seine Truppen und Kundschafter, die angeblich alles wussten, nicht gewinnbringend einsetzen, da die inneren Probleme des Bundes keinen zielgerichteten Feldzug erlaubten: Im Lager des Bundes war keine Einigkeit, keine Vertrauen. […] Es fehlte an Geld, es fehlte an Kraft, es fehlte sogar an Muth. Getheilte Interessen trennten die Führer, trennten die Glieder des Bundes und alle Gemüther. Dazu kamen Gefahren eines strengen Winters und aufreibende Seuchen.135

Es kam erschwerend hinzu, dass die Kriegspläne der Schmalkaldener nicht verschwiegen gehalten, sondern „weitleuffig gemacht“ wurden.136 Es ist zu vermuten, dass daraufhin die Geheimschrift des Schmalkaldischen Bundes geändert und verbessert wurde.137 Schertlin gelang es noch dazu, einen Kundschafter der Kaiserlichen zu entlarven, der hingerichtet wurde.138 Den Feldzug konnte Schertlin trotz dieser guten Intelligence nicht gewinnen. Die Schmalkaldener nahmen falsche Rücksicht auf Bayern, da die Schmalkaldener von dessen Neutralität ausgingen, die sie nicht verletzen wollten. Somit wurde der Alpen- und Donaufeldzug „zu einer Kette ungenutzter Gelegenheiten.“139 Der Krieg nahm eine rasche Wendung zu Gunsten des Kaisers. Als Graf Maximilian von Egmont im September aus den Niederlanden zum kaiserlichen Heer stieß, war ein Mächtegleichgewicht entstanden. Sogleich ergriff der Kaiser die Initiative und lockte die gegnerischen Truppen möglichst weit weg von Sachsen und Thüringen, in das Herzog Moritz aus Böhmen einfallen sollte. Als hätte Johann Friedrich eine solche Gefahr geahnt, hegte er bereits seit August wiederholt den Plan heimzukehren.140 Jedoch entschloss sich der Kriegsrat, das Bundesheer vereinigt zu halten. Genau in diesem kritischen Moment verBundeshauptleute boten ihm Geleit und zusätzliche Pferde an. Schertlin von Burtenbach an die Bürgermeister von Augsburg, 11. Januar 1546, zit. in: ebd., S. 66 f. 135 Vgl. ebd., CII. 136 Schertlin von Burtenbach an die Gesandten der oberländischen Städte in Ulm und an die Bürgermeister von Augsburg, 6. Juli 1546, zit. in: ebd., S. 75. 137 Die undatierten zwei Nomenklatoren sind abgedruckt bei Herberger 1852, ab S. 248. Das erste Alphabet enthält 26 Zeichen (ohne j, u, aber mit sch, th) und 6 Extrasymbole für wichtige Personen: Kaiser, König, Papst, König von Frankreich, sein Botschafter in Hessen, Sachsen. Der zweite Nomenklator hat 25 Symbole für das Alphabet (ohne j und u, aber mit ss) sowie drei Nonvaleurs. Dass es gleich drei Nonvaleurs gab, ist einigermaßen fortschrittlich. Der zu dem Alphabet gehörige Nomenklator enthält 26 Zeichen für bestimmte Ländernamen, Personennamen und Begriffe: Kaiser, König Ferdinand, England, Papst, Venediger, Dänemark, Herzog von Braunschweig, Bayern, Frankreich, Türken, Kurfürst von der Pfalz, Niederlande, Stift Würzburg, Reiter, Knechte, Köln, Gulden, diese Stände, Pfund, Jenertheil, Stift Bremen, Stift Bamberg, Schweizer, Würtemberg, Mainz. 138 Schertlin von Burtenbach an den Obersten Johann von Heideck und die Kriegsräte zu Ulm, 12. Juli 1546, zit. in: ebd., S. 96. 139 Handy, Schmöger 1996, S. 67. 140 Schertlin von Burtenbach an die Bürgermeister von Augsburg, 15. und 31. August sowie 4. September 1546, zit. in: Herberger 1852, S. 133, 170, 177.

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sagte der Kundschafterdienst Schertlins.141 Am 30. Oktober erfolgte der Angriff auf das obere Vogtland. Dieses Gebiet, das Johann Friedrich als wirksamen Grenzvorposten befestigt geglaubt hatte, konnte Anfang November von den Kaiserlichen eingenommen werden.142 Der sächsische Kurfürst verließ das Lager bei Giengen und das schmalkaldische Heer wurde von Unwettern und Krankheiten heimgesucht, so dass sich der Landgraf lieber bei den Stiften aufhielt und bereicherte.143 Eine Stadt nach der anderen musste sich Karl V. ergeben. Angesichts der allseits sichtbaren Schwächen sollte man erwarten, dass der sächsische Kurfürst Johann Friedrich alle sich bietenden Chancen nutzen würde, um Informationsvorteile genießen und den materiellen Mangel an anderer Stelle ausgleichen zu können. Allerdings wollte er nicht gegen seine Ehre handeln, wie das folgende Beispiel zeigt. Der kurfürstliche Sohn Johann Wilhelm informierte den Vater aus Gotha, dass die Befehlshaber der Festung Wittenberg einen Boten des Herzogs Moritz seiner Post beraubt hätten, die an die landgräflichen Reiter in Gotha gerichtet war.144 Er hob hervor, dass er die Briefe von einigen Absendern (Ritter Bernhardt von Mila, Dr. Bleickart, Rentmeister Jacob von Koseritz) „unerbrochen“ an seinen Vater Johann Friedrich sandte. Dieser lobte ihn dafür und gab als Order aus, falls weitere Boten aufgegriffen werden würden, sie zurückzuschicken und ihnen jeglichen Brieftransport zu verbieten.145 Er wollte offenbar eine für ihn nicht durchschaubare Kommunikation zwischen Herzog Moritz und dem Landgrafen verhindern. Dieser Umstand unterstreicht das Misstrauen Johann Friedrichs gegenüber dem anderen Bundeshauptmann. Er scheute sich aber, eine konsequente Interzeption von dessen Post anzuordnen und ihn zu überwachen. Gegenüber dem Landgrafen wollte er ehrlich bleiben. Die Postinterzeption war nicht abgesprochen gewesen, da Vater und Sohn erst über das Vorgehen eine Vereinbarung treffen mussten. Herzog Johann Wilhelm wusste um die Brisanz des Postraubes, da er sagte, er trage Zweifel, ob es dem Vater gefalle, wie die Räte und Diener ihrer Post entledigt worden sind.146 Eine Absprache oder eine zielgerichtete Postinterzeption hat es nicht gegeben; vielmehr hat der Befehlshaber der Festung Wittenberg ohne kurfürstlichen Befehl gehandelt, als sich eine Gelegenheit bot, Vorteile für Johann Friedrich zu erlangen. Ein anderer aufgegriffener Bote von Moritz war ein Knabe, mit dem Moritz geglaubt hatte, einen unverdächtigen und deshalb sicheren Briefträger zu haben. Im Verhör sagte der Knabe aus, er gehöre dem Graf Hans 141

„wir haben keinen grössern mangel, dan an guetter kunschafft“. Schertlin von Burtenbach an die Gesandten der oberländischen Städte in Ulm und an die Bürgermeister von Augsburg, 12. September 1546, zit. in: ebd., S. 194. 142 Vgl. Wild 1939, S. 76. 143 Vgl. Herberger 1852, CVI. 144 Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar an Johann Friedrich, Gotha 6.12.1546, zit. in: Reitzenstein 1858, S. 4. 145 Johann Friedrich an Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar, 14.12.1546, zit. in: ebd., S. 8. 146 Vgl. Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar an Johann Friedrich, Gotha 6.12.1546, zit. in: ebd., S. 4.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Georg von Mansfeld zu. Er wurde ohne Antwort entlassen mit dem Auftrag, „Meuterej unter dem Kriegsvolck zu machenn“.147 Es handelte sich um einen Versuch, die gegnerische Truppenmoral zu unterminieren. Johann Wilhelm ist demnach von der Defensive in die Offensive übergegangen. Der Kurfürst nahm darauf in seinem Antwortschreiben keinen Bezug. Doch zur eigenen Informationssicherheit verschlüsselten Vater und Sohn die wichtigsten Passagen in einer Geheimschrift, die mangels Nomenklator noch nicht entschlüsselt werden konnte. Somit ist eine komplette Kenntnis des Inhalts der Briefe derzeit nicht möglich. Es ist aber offensichtlich, dass die Interzeption der Post von Moritz fortdauerte. Mitte Januar wurde Herzog Moritz eine weitere Interzeptionsstelle bekannt, als er an die Herzogin von Rochlitz schrieb, sein Bote sei auf dem Weg nach Hessen in Gotha am 18. Januar abgefangen worden. Über Rochlitz, wo Herzogin Elisabeth eine Nachrichtenzentrale führte, ließ Moritz den Landgrafen davon wissen. Der eigenhändige Pass der Herzogin erlaubte dem Boten einen ungehinderten Durchgang in Gotha.148 Landgraf Philipp bat Moritz, dieser möge ihn per Geheimschrift kontaktieren. Allerdings sandte er diese Antwort nicht über Rochlitz, da Elisabeth nichts von seinen Bemühungen um einen Sonderfrieden wissen sollte, den sie strikt ablehnte. Offenbar sandte er einen neuen Nomenklator mit, der es erlaubte, sicher zwischen Dresden und Kassel Informationen zu tauschen. Doch auch der Kurfürst litt unter der Interzeption. Als einmal drei versiegelt gebliebene Briefe nicht an ihr Ziel kamen, vermutete Johann Friedrich, der Bote sei durch das unsichere Franken geritten und „niedergeworffen“ worden, so dass diese äußerst wichtigen Briefe nun vielleicht in gegnerischer Hand seien.149 Gleichermaßen wurde bekannt, dass ein Bote von Sachsen und Hessen in Richtung Württemberg die an Herzog Ulrich gerichteten Briefe beim Kaiser ablieferte.150 Um zu vermeiden, dass die Stadt Erfurt mit Moritz paktiere, habe er einen eigenen Boten dahin entsandt. Zugleich mahnte er den Sohn, dieser müsse doch wissen, „wo Herz. Moritz mit seinem Hauffen were“ und solle sich nicht entschuldigen, dass er keine Kundschafter hätte, sondern wenigstens dazu Kundschaft einholen. Beide sollten nun einander täglich Bericht tun und „uff Fach und Fulda unnder augenn schicken.“ In dem Maße, wie die Briefräuber geschickter wurden, nahm der Umfang der chiffrierten Passagen in den Briefen des Kurfürsten zu. Stark chiffriert berichtete Johann Friedrich seinen Räten von der „Berennung“ der Stadt Halle durch Herzog Moritz.151 Als er „kundschafften“ erhielt, dass Saalfeld angegriffen werden sollte, erließ er einen fast vollständig in Chiffren geschriebenen Befehl, demzufolge sich Graf Asmus von Gleichen dorthin

147 148 149 150 151

Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar an Johann Friedrich, Gotha 6.12.1546, zit. in: ebd., S. 4. Vgl. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 4, f. 403. Johann Friedrich an Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar, 14.12.1546, zit. in: Reitzenstein 1858, S. 9. Vgl. Bericht des Hans Ehinger an Ulm, 18. Oktober 1846, zit. in: Egelhaaf 1896, Nr. 22. Vgl. Johann Friedrich an die Räte, Poßheim 9.12.1546, zit. in: Reitzenstein 1858, S. 7.

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bewegen und zur Rüstung alle erforderlichen Vorkehrungen treffen sollte.152 Mehrere überwiegend verschlüsselte Zettel desselben Tages zur „Ufmanung“ der Befehlshaber im Gothaer Kreis und in Greiz zeugen von der Nervosität des Kurfürsten, der fortan auch den Ausstellungsort seiner Briefe chiffrierte. Er befahl seinem Sohn, Minckwitz zur „ausfertigung der kundschafften“ 100 Gulden zu geben, damit er „tugliche Personen, denen Zutrawen und die es auch außrichten“ bekomme. Johann Wilhelm leitete seinem Vater alle Kundschaften über Truppenbewegungen Herzog Moritz’ weiter, die er u. a. vom Hauptmann zu Weimar, Amtmann zu Rosla und Rat zu Jena erhalten hatte.153 Er erfuhr vom Schösser Georgenbergs bei Naumburg, dass Julius von Pflugk in Naumburg eingezogen sei.154 Johann Wilhelm wusste von der durch Moritz angezettelten Unruhe in Mühlhausen durch den dortigen Schösser ebenso wie von der Rüstung der Landstädte Braunschweig, Hildesheim und Goslar, von denen „die gemeinn sage sey“, dass sie sich gen Halberstadt hinwenden könnten.155 Dem Plauener Rat zeigten Obristen durch den Schösser an, dass der Meister des Plauener Alaunwerks, den man als gut kaiserlich kannte, schon seit acht Tagen beim böhmischen Hauptmann in Joachimsthal sei und deshalb als Verräter zu betrachten wäre.156 Solche Übertritte zum Gegner legten offen, dass die Lage ernst war. Jena wurde instruiert, sich Moritz keinesfalls zu ergeben, und Johann Friedrich benötigte zusätzliche Geldzahlungen. Johann Wilhelm befürchtete am 17. Dezember 1546, dass der ganze Saalekreis „dahin gehen werde“, und erhielt am gleichen Tag vom Forstknecht die Kunde von der Kapitulation Jenas. Somit erhielt Kurfürst Johann Friedrich von seinem Sohn wertvolle Informationen, die stets beglaubigt übermittelt wurden. Zur Prüfung der beschafften Informationen über Absichten und Aufenthalte der Gegner war die Einsicht in deren Originalschreiben unabdingbar. Die Mündlichkeit auf der Kundschafterebene schien nicht ausreichend – nur die schriftlich fixierten Befehle und Nachrichten konnten die Informationen verifizieren und bestenfalls ergänzen. Diese Notwendigkeit war beiden Parteien bewusst, weshalb zahlreiche Abschriften kursierten. Als Zentrum der Geheimdiplomatie etablierte sich Rochlitz, wo die verwitwete Herzogin Elisabeth auf Grund ihrer erarbeiteten Vertrauensstellung einen zuverlässigen Nachrichtendienst führte.

152 153 154 155 156

Johann Friedrich an Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar, 14.12.1546, zit. in: ebd., S. 11. Vgl. Johann Friedrich an die Räte, Gotha 17.12.1546, zit. in: ebd., S. 20. Vgl. Johann Friedrich an die Räte, Gotha 15.12.1546, zit. in: ebd., S. 16. Vgl. Bericht des Schossers zu Mühlhausen an Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar, Mühlhausen 14.12.1546, zit. in: ebd., S. 17 f. Vgl. Wild 1939, S. 38.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Der Geheimdienst der Elisabeth von Rochlitz im Krieg157 Herzogin Elisabeth richtete während des Schmalkaldischen Krieges auf ihrem Wittum Schloss Rochlitz eine zuverlässige Nachrichtenzentrale ein. Dort empfing sie täglich Boten und Meldungen aus dem Felde und war auf Grund ihrer erarbeiteten Vertrauensstellung für Kurfürst Johann Friedrich überaus wertvoll. Im Konvolut der etwa 2.000  überlieferten Briefen der Herzogin an verschiedene Personen auf protestantischer  wie katholischer Seite befinden sich 16 Stück, die sie während des Schmalkaldischen Krieges in Chiffre an Kurfürst Johann Friedrich 1547 geschrieben  hat.  Diese reiche Korrespondenz gilt als wichtige Quelle der Reformationsgeschichte: Als ältere Schwester Landgraf Philipps von Hessen, als Vertraute Kurfürst Johann Friedrichs des Großmütigen, als ältere Freundin des jungen Moritz von Sachsen und schließlich in ihrer Rolle als lutherische „Vorkämpferin“ am katholischen Hof ihres Schwiegervaters, Herzog Georgs des Bärtigen, stand Elisabeth durchaus einflussreich an den politischen und kommunikativen Schnittstellen der Reformationszeit.158

Im Schmalkaldischen Krieg konnte die Herzogin ihre erprobte Überzeugungskraft und Einflussnahme auf ihren Bruder wie auch auf Herzog Moritz anwenden. Den Gerüchten oder gelieferten Nachrichten in Verbindung mit ihrer Intuition zufolge mahnte sie den sächsischen Kurfürsten bezüglich des Braunschweigischen Herzogs. Später folgten Warnungen vor Herzog Moritz und Markgraf Albrecht. Von Beginn an banden beide Bundeshauptleute die Herzogin in ihr Krisenmanagement ein. Bisweilen kam sie den Bitten der beiden auch zuvor und war sich des zeitlichen Moments sehr wohl bewusst. So reiste sie im März 1546 gleich nachts nach Dresden, nachdem sie die Nachricht erhielt, dass Moritz vom Reichstag zurückgekehrt sei, um bei ihm die Stimmungslage und Positionierung zu erkunden. Die Biographin Elisabeth Werl schrieb, die Herzogin habe versucht, Moritz mit allen Mitteln von einer Verbindung mit dem Böhmenkönig zurückzuhalten und ihn mit warnenden Briefen „bestürmt“.159 Der Herzog nahm ihre Ratschläge sonst sehr ernst und erstattete auch ihrem Sekretär stets den gewünschten Bericht. Gegenüber ihrem Neffen hielt Elisabeth auch nicht mit deutlichen Worten zurück und schrieb, er werde doch nicht auf die Seite des Teufels Anhang treten, zu den „falschen Spaniern, dem Otterngezüchte“.160 Als der Krieg am 30. Oktober mit der böhmischen Beset157 158

Ausführliche Version vgl. Rous 2014a. Vgl. laufendes Editionsprojekt des ISGV, URL: http://web.isgv.de/index.php?page=767 [24.10.2011; ASR]. Thieme, André (Hrsg.): Die Korrespondenz der Herzogin Elisabeth von Sachsen und ergänzende Quellen. (= Quellen und Materialien zur sächsischen Geschichte und Volkskunde. 3,1), Band 1: Die Jahre 1505 bis 1532, Leipzig 2010. 159 SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 4, f. 379. 160 Herzogin Elisabeth an Herzog Moritz, 8.–11. Oktober 1546, zit. in: Ebd.

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zung Adorfs ausbrach, sah die Herzogin Elisabeths ihre Vermittlungsarbeit dennoch nicht als gescheitert an. Um den Krieg sogleich wieder niederzuzwingen, schrieb sie unermüdlich Briefe an die Ritterschaft und Räte. Nachdem der Krieg vollends entfesselt war, engagierte sie sich für die Neutralität ihres Wittums und einen Schutz der Bevölkerung. Moritz hat Elisabeth als Informationsquelle sehr wohl zu nutzen gewusst, als er sie z. B. bat, ihm mitzuteilen, wenn etwas gegen ihn geplant werde.161 Wie auch ihrem Bruder sandte sie ihm regelmäßig Nachrichten, stritt aber auch wegen seiner wechselnden politischen Strategien mit Moritz. Elisabeth erschien ihm als glaubwürdige Quelle, und es kam im Herbst 1546 zu einem Missverständnis, als Moritz Elisabeths Überlegungen eines potentiellen Angriffs auf ihn seitens seines Bruders so ernst nahm, dass er wenige Wochen später einen Vertrag mit Kurfürst Joachim schloss.162 Herzogin Elisabeth beeilte sich mitzuteilen, dass sie sich diese Befürchtungen nur ausgedacht und diese Sorge nur ihrem Bruder gegenüber geäußert habe.163 Beiden wohnte eher eine Tendenz zur Überbewertung gegenseitiger Informationen inne, als dass Moritz ihre Aussagen bagatellisiert hätte. Über den Donaufeldzug erhielt die Herzogin regelmäßig Nachrichten vom zweiten Sohn des Kurfürsten und von den kurfürstlichen Räten. Kopien dieser Zeitungen legte sie ihren Briefen an Moritz bei, damit dieser nicht alles glaube, was ihm der König „fürblauderth“.164 Insofern stellte sie eine Kontrollinstanz für Moritz dar, der mit ihrer Hilfe die Möglichkeit besaß, Nachrichten zu verifizieren. Zudem sandte die Herzogin auch selbst Kundschafter aus.165 Ihren Nachrichtendienst betrieb sie teils freiwillig und teils im Auftrag ihres Bruders.166 Sie war sich ihrer Verantwortung als Berichterstatterin voll bewusst und lieferte zu ihren Nachrichten die Quelle sowie ein eigenes Urteil über die Zeitungen. Bald war ihr „Nachrichtenhunger“ weit bekannt, und viele Boten fanden sich bei ihr ein, die gegen eine kleine Belohnung Neuigkeiten zu berichten wussten. Berggessellen, Leinenweber, Müller, Bürger gehörten zu ihren Zeugen.167 Vielen Mitteilungen begegnete sie skeptisch und erwähnte dann in ihren Briefen, es habe ihr ein Student aus Wittenberg etwas angezeigt, was ihr nicht glaublich schien. Auch den von ihr gewünschten Tod des Kaisers oder des Königs trug man ihr vor, was sie an Herzog Moritz als Beispiel dafür sandte, „wie meisterliche lügen sie erdichten konnen“.168 161 162 163 164 165 166 167 168

Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9139, Bl. 26 f., Herzog Moritz an Herzogin Elisabeth, 31. August 1546, f. 26, 27. Zit. in: SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 34; Nr. 35. Vgl. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 4, f. 383. Vgl. ebd., f. 383. Herzogin Elisabeth an Herzog Moritz, 25. Oktober 1546, zit. in: SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 34. Vgl. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 4, f. 386. Vgl. ebd., f. 392. Ebd., f. 392. Herzogin Elisabeth an Herzog Moritz, zit. in: ebd., f. 392.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Oft vermerkte sie, wenn sie nicht einschätzen konnte, ob diese Nachricht wahr oder falsch war oder wenn ihr Adressat sich nicht allein auf ihre Anzeige verlassen sollte.

Abbildung 15: Symbolische Verschlüsselung der Herzogin Elisabeth von Rochlitz, 1547, SächsHStAD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 8607/15, Bl. 58

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Ihre Korrespondenz an Kurfürst Johann Friedrich den Großmütigen sandte sie anfangs über Herzog Johann Wilhelm.169 Durch ihre Tätigkeit kannten die Schmalkaldener manche wichtige Meldung eher und wussten viel über falsche Nachrichten, die verbreitet wurden. Der große Stellenwert Elisabeths kommt auch darin zum Ausdruck, dass Herzog Moritz sie am 2. Dezember 1546 aufforderte, ihr heimlich einen Boten zu schicken, damit er dem Landgrafen einen Sonderfrieden mit dem Kaiser vermitteln könne.170 Diesem Wunsch entzog sie sich jedoch, da Philipp sicher nur einen gemeinsamen Frieden mit Kurfürst Johann Friedrich vermittelt sehen wollte. Eine Spaltung der Protestanten wollte Herzogin Elisabeth unbedingt vermeiden. Diese Antwort gab sie, ohne erst ihren Bruder zu fragen, was wiederum auf ihre große Selbstständigkeit und ihr profundes Wissen über die Zusammenhänge verweist. Bei dieser eng vertrauten Beziehung Elisabeths mit Moritz und ihrem politischen Engagement ist es kein Wunder, dass Elisabeth von ihren Verwandten misstrauisch beäugt und sogar gehasst wurde. So waren Herzogin Agnes und Herzogin Katharina ihre größten Gegner. Agnes mochte ihren Besuch in Dresden nicht leiden und sah „sauer drein“. Als Moritz seine Tante dennoch einlud, gebot Moritz seiner Frau, sie solle „das Maul halten“.171 Da der junge Fürst sich zu der Herzogin Elisabeth hingezogen fühlte, mit ihr tanzte und ihr kostbare Geschenke machte, ist Agnes’ Eifersucht verständlich. Auch waren der erst 17jährigen Agnes die wohlmeinenden Ratschläge der Tante zuwider. Doch die Einigkeit zwischen der Herzogin und Moritz nahm ab, als dieser sich zunehmend kaisertreu verhielt und in ihren Augen seine Religion verriet. Nun eilte sie, ihren Bruder vor dem untreuen Albertiner zu warnen und setzte dafür eine eigens erstellte Geheimschrift ein (Abbildung 15).172 Die verwürfelte monoalphabetische Substitution baute auf dem griechischen Alphabet auf. Die wichtigsten Personen wurden mit je einem eigenen Symbol verschlüsselt. Eine tabellarische Auflistung des Geheimalphabets ist nicht überliefert. Die von den fürstlichen Kanzlisten geleistete Dechiffrierung der verschlüsselten Briefe ermöglichte aber die folgende Rekonstruktion. Im ersten Schritt wurde durch Gegenüberstellung von Klartext und Geheimtext die Verschlüsselungsmethode festgestellt. Im zweiten Schritt wurden die Zeichen für jeden Buchstaben bzw. Namen extrahiert und tabellarisch erfasst. Mit diesem rekonstruierten Nomenklator fand eine Überprüfung der Briefe statt, um sicherzugehen, dass sämtliche Dechiffrierungen korrekt und vollständig sind. Die bedeutsamsten Passagen (Grafik 16) ermöglichen eine Kontrolle des Nomenklators (Grafik 17). 169 Vgl. ebd., f. 395. 170 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8659, Herzog Moritz an Herzogin Elisabeth, 2. Dezember 1546, f. 47–50. 171 SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 4, f. 339. 172 Die meisten ihrer überlieferten chiffrierten Briefe sind in Dresden zu finden. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8607/15.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Zu Beginn der Briefe begann die Herzogin mit den zwei Zeichen für „XY“, die sie auch im Text selbst einstreute, oft in Kombination mit dem „unbekannten Symbol“, das aber auch eigenständig stehen konnte. Wahrscheinlich sind sie mit Nonvaleurs vergleichbar. Die Chiffre war noch nicht einmal mit Landgraf Philipp abgesprochen, denn dieser musste Hermann Ungefug mit der Auflösung beauftragen, die „nicht ganz richtig und

Grafik 16: Textbeispiele aus den Briefen der Herzogin Elisabeth von Rochlitz

4.1 Geheimdiplomatie im 16. Jahrhundert

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Grafik 17: Die Chiffre der Herzogin Elisabeth von Rochlitz

nicht bis zum Ende“ durchgeführt wurde.173 Elisabeth versprach ihrem Bruder noch 6.000 Gulden zu den 9.000 Gulden zu schicken, die sie ihm schon im Schmalkaldischen Krieg geborgt habe und wolle dafür auch keinen Zins. Zudem sei Moritz nicht zu trauen. Der Landgraf hat ihre Warnung wohl verstanden, aber konnte, weil der Brief nicht zu Ende dechiffriert wurde, nicht die Beurteilung Elisabeths zur Religionseinstellung Moritz’ erkennen. Elisabeth Werl gelang die Entzifferung, derzufolge die Herzogin Moritz als „Maulchrist“ bezeichnete, bei dem weder Treu noch Glauben sei.174 Das Problem der fehlenden Nomenklatoren wurde bald behoben; am 20. Januar 1547 dankte Philipp, dass sie ihm auch die „Zipher transferieren lassen“ hat.175 Auch mit dem Kurfürsten wollte sie nun lieber chiffriert schreiben. Noch am 31. Dezember 1546 hatte sie Johann Wilhelm gebeten: Wir bitten auch freundtlich e L wolle Ihrem hern vatter an schreiben S L wolle unns ein abc, von Caracteren wie man die Zumachen pflegt zuschicken wolln, dann wenn wier S L ettwaß heimblichs schreiben woltenn konthen wier S L ßolches durch dieselben Caracters die nicht yedermann vorstehet zuerkennen geben.176

Nun begann für die Herzogin ein vorsichtiges Changieren nach allen Seiten, da unter den Beteiligten verschiedene Heimlichkeiten bestanden. In ihren täglichen vertraulichen Briefen flehte Elisabeth Herzog Moritz an, er möge nicht alles verderben und versuchte ihn zu einem Friedensschluss zu bringen, obwohl sie ihn einen jungen un173 174 175 176

Ebd., f. 396. „[…] es ist ein mull crist inn moriz […]“ Elisabeth an Landgraf Philipp von Hessen, 1. Januar 1547, Transkript: SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 17, f. 310–311. Philipp an Elisabeth, 20. Januar 1547, zit. in: SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 35, unfol. Elisabeth an Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar 31.12.1546, zit. in: Seidemann, Msc. Dresd. 230 nb, S. 36. Seidemann erwähnt vier chiffrierte Briefe, zu denen er aber keinen Schlüssel habe.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

verständigen Herrn schalt.177 Die ablehnende Haltung des Herzogs, der nichts ohne des Kaisers Wunsch und Wissen tun wollte, brachte sie fast zur Verzweiflung. Am 13. Januar teilte sie ihm mit, sie könne vor Weinen nicht schreiben.178 Die Herzogin mahnte ihn, König und Kaiser sei nicht zu trauen. Moritz seinerseits vertraute ihr stark, da er Elisabeth als Zwischenstation zur Weiterbeförderung von Briefen zum Landgrafen von Hessen nutzte. Elisabeth ihrerseits musste den Austausch mit ihrem Bruder und den Ernestinern vor Moritz verheimlichen. Am 4. November des Vorjahres hatte sie Johann Wilhelm geschrieben, er solle vorsichtig mit ihren Briefen umgehen, damit sie nicht in Moritz’ Hand fallen. An ihren Bruder sandte sie die Briefe, indem sie diese in einen Brief an den Kurfürsten einlegte, wobei sie in jeder Hinsicht Vorsicht walten ließ: Euer lieb darffen sich auch nicht dran keren wenn unser diener oder boten briff bringen die an Landgraf geschrieben sunderwegen die wol brechen dan wirs darumb thun das wir unsern brieff euer lieb zu bringen […] euer lieb wolle auch diesen botten ein pastport geben lasen uf die meinung das ihme E. L. vorsichte zum landgraf zureiten damit wan ehr ufm widerwege angesprengt von E. L krigsvoclk sicher hinwieder komm.179

Diese Zeilen beweisen, wie umsichtig die Herzogin Elisabeth agierte. Die Achtsamkeit war geboten, da sie gewissermaßen zwischen den Stühlen saß und dazu gezwungen war, ein doppeltes Spiel zu spielen. Zugleich erfasste sie eine fieberhafte Angst um ihren Bruder, so dass sie auf auswärtige Unterstützung baute. Sie bezog Fürst Georg zu Anhalt in die Vermittlungsbemühungen ein. Diese Unterhandlungen waren schwierig, da Moritz sich vom Kurfürsten mehrfach in der Ehre verletzt sah, während der Kurfürst sich auf Philipp verließ, der seinerseits einen Sonderfrieden in Erwägung zog. So wie die Vermittlungsvorschläge eingingen, erfolgte auch ein Rückzug. Als Johann Friedrich bewusst wurde, dass Herzog Moritz nur für seine Kinder verhandeln wollte, lehnte er weitere Verhandlungen wegen Moritz’ giftigem Gemüt, seinem Frevel und Mutwillen entschieden ab. Indem Elisabeth diese Schmähschrift an Moritz weiterschickte, machte sie ihr Vermittlungsnetzwerk zunichte und provozierte eine schlimmere Kriegsstimmung als zuvor.180 Wiederholt warnte sie ihren Bruder vor Moritz, der Philipp als ungehorsamen Reichsfürsten bezeichnet habe. Sie vermutete, dass Moritz bereits bei seinem Dienst für den Kaiser in Frankreich 1544 die Kurwürde in Aussicht gestellt worden sei und dass Moritz ihr mehrfach nicht die volle Wahrheit gesagt habe.181 Obwohl sie diese Erkenntnis schmerzt, bewiesen die anderen Fürsten im Reich, wie sehr sie ihren Einfluss auf Moritz zu schätzen wussten. 177 178 179

Zit. in: SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 4, f. 399. Vgl. SächsHStAD, 12308 PN Werl, Nr. 35, unfol. Vgl. ThHStAW, Reg Lpg 811 N Nr. 9 (39), Elisabeth an Johann Friedrich, 1547, f. 81. Abschrift: SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 22, f. 39. 180 Vgl. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 4, f. 404. 181 Vgl. ebd., f. 405.

4.1 Geheimdiplomatie im 16. Jahrhundert

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Der Kurfürst von Brandenburg bat sie dringend, mit ihren Vermittlungsbemühungen fortzufahren. Doch wie Elisabeth Werl feststellte, hatte Herzog Moritz „sich innerlich von der Herzogin gelöst“.182 Zwar war ihr Vertrauen zu ihm schon beim Braunschweigischen Feldzug 1545 „ins Wanken geraten“, aber sie habe ihr Misstrauen „immer wieder niedergekämpft“ und gab die Hauptschuld an seiner Verirrung den Räten.183 Als sie in ihm eine Gefahr für die evangelische Sache erkannte, arbeitete sie heimlich gegen Moritz. Vom 20. Januar 1547 ist auch ein erster Brief in Geheimschrift an den Kurfürsten überliefert. Damit ihre Handschrift sie nicht verriete, ließe sie die geheime Post von ihrem Sekretär Kirchweger abschreiben – ohne Anrede, Unterschrift und oft ohne Datum.184 In diesen 14 Briefen an den Kurfürsten unterrichtete Elisabeth diesen von der Belagerung von Leipzig, von gegnerischen Truppenbewegungen und der Stärke des Militärs sowie von Anschlägen gegen die Person des Kurfürsten. Ein Edelmann, dem seine Güter genommen wurden, trachtete Johann Friedrich nach dem Leben und wollte ihn bei einem Gastmahl überraschen. Zugleich warnte sie ihn vor seinen Räten, unter denen Verräter seien. Die Antwortbriefe des Kurfürsten scheint Elisabeth sofort vernichtet zu haben. Trotz ihrer wiederholten Bitten um Vernichtung ihrer Briefe hat Johann Friedrich die Schreiben aufbewahrt. Die Gefahr der Korrespondenz war tatsächlich nicht unbeträchtlich: ein Bote wurde einmal überfallen und des eigenhändigen Warnungsbriefes der Herzogin beraubt. Elisabeth Werl rekonstruierte, dass diese Ereignis in der Woche vom 27. Januar bis zum 2. Februar geschehen sein muss, als Moritz plötzlich den Kontakt zu ihr abbrach. In späteren Briefen nannte Moritz sie nicht mehr die „freundlich liebe muhme“, sondern die „nachgelassene Withwe zu Rochlitz“. Als die Briefe immer schwieriger durch die herzoglichen Truppen zu transportieren sind, sticht sich Elisabeth „anscheinend mit Absicht“ mit einem Hasenbeinlein in den Finger und kann den mehrfach zur Wundversorgung des eiternden Fingers angereisten Leibarzt des Kurfüsten als geheimen Informationsträger nutzen.185 Auch bat sie Herzog Ernst zu Braunschweig auf einen heimlichen Besuch zu sich, da sie ihm am hinteren Schlosseingang etwas Wichtiges sagen wollte. Doch er kam offenbar nicht, so dass sie ihn schriftlich wegen Brandstiftereien unterrichtete und wiederum um Vernichtung der Briefe bat. In einem Geheimbrief an den Kurfürsten klagte Elisabeth, die Mittweidaer lieferten Herzog Moritz’ Truppen aus Angst Nahrungsmittel. Daraufhin hatte der Kurfürst bei ihr angefragt, ob er seine Kundschafter heimlich mit diesen Proviantwagen in das herzogliche Lager schicken könne. Sie sei nicht dagegen, wolle aber auch nichts davon wissen, antwortete Elisabeth.186 Dieser

182 183 184 185 186

Ebd., f. 409. Ebd., f. 409. Zu den Geheimbriefen vgl. ebd., f. 410 f. Ebd., f. 412. W Reg Lpg 811 N Nr. 9 (39) f. 81–83 und (40), f. 84–85, zit. in: ebd., f. 423.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Briefwechsel zeigt, dass Johann Friedrich die Gunst der Stunde zu nutzen wusste und durch die Mitteilung Elisabeths die Möglichkeit sah, Spione in das Lager von Moritz zu schleusen. Der Kurfürst erhielt keine weitere Geheimpost, und als am 24. Februar das Schloss Rochlitz durch Markgraf Albrecht Alcibiades besetzt wurde, ließ er die Lage durch vertrauliche Kundschafter observieren. Elisabeth hatte am Vormittag noch drei Boten zum Kurfürsten, nach Geithain und nach Kassel geschickt, um die drohende Gefahr zu melden. Elisabeth musste danach ihre Korrespondenz einstellen. Aus der Zeit vom 1. Januar bis zum 22. Februar legen 70 Briefe Zeugnis von ihren Vermittlungsbemühungen und Benachrichtigungen ab. Elisabeth Werl zufolge prüfte sie ab morgens ab 3 Uhr die eingehende Korrespondenz und schrieb mit ihren beiden Sekretären Briefe, um die Zeitungen weiterzugeben.187 Am vierten Tag nach der Besetzung schickte sie mit dem Proviantwagen heimlich einen Brief an den Kurfüsten, in dem sie über ihr Schicksal klagte und ihn zu einem Entscheidungskampf drängen wollte. Den Markgrafen, den sie aus früheren Zeiten persönlich gut kannte, schätzte sie als schwankend und vom Kaiser fehlgeleitet ein, so dass sie ihn dazu brachte, für eine Vermittlung zwischen Kaiser und Kurfürst einzutreten. Zugleich versuchte sie ihn an Hessen zu binden, indem sie eine Heirat mit ihrer Nichte zu arrangieren trachtete.188 Elisabeth wurde später von ihren Gegnern vorgeworfen, sie habe den Markgrafen in Rochlitz zum Bleiben veranlasst, um ihn dem Kurfürsten auszuliefern, wenn die erwartete Hilfe des Kurfürsten einträfe.189 Zwar ist aus der Zeit der Besatzung nur jener eine Brief überliefert, aber es ist auch eine weitere heimliche Nachricht nach Altenburg nicht ausgeschlossen, die von einem Bäcker in einen Schuh eingenäht worden sei. In diesem Brief habe, was bislang nicht bewiesen werden konnte, jemand dem Kurfürsten indirekt einen günstigen Termin für den Überfall auf die belagerte Stadt vorgeschlagen, indem er ihn auf eine angebliche Hochzeit eines Sekretärs am 1. März aufmerksam machte.190 Zwar hat Elisabeth Werl weder die Hochzeit noch andere Hinweise auf eine zweite Mitteilung an den Kurfürsten gefunden, aber eine Anstiftung der Herzogin zu einem solchen Unternehmen diskutiert sie dennoch ausführlich. Das Gerücht sei im herzoglichen Lager entstanden und „planmäßig“ von Georg von Carlowitz und von Sebottendorf verbreitet worden, um die Herzogin in Verdacht zu bringen.191 Ebenso könnte aber auch ein Sekretär von Elisabeth ohne ihr Wissen heimlich eine Botschaft an den Kurfürsten abgesandt haben. Diese Möglichkeit wird dadurch erhärtet, dass Herzogin Elisabeth selbst ihren Sekretär belastete, indem sie schrieb:

187 188 189 190 191

Vgl. ebd., f. 414. Vgl. ebd., f. 417. Vgl. ebd., f. 419 f. Vgl. ebd., f. 420. Vgl. ebd., f. 422.

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So haben wir auch unserm Secretario deßhalbenn gar nichtes, weder vil noch wenig bevolhenn, wollenns auch auff ihnen nicht glauben, daß ehr deß marggraffen uberfallens und niderlag eine ursach und helffe sey. ist eß aber von ihme beschen, wagenn wier darumb kein wissens und stellens uff seine veranttworttung.192

Werls Analyse zufolge konnte sich Elisabeth nie lange verstellen und hatte eine so ehrliche herzliche Zuneigung zu Markgraf Albrecht, dass ein persönlicher Verrat Elisabeths ihm gegenüber ihr „unmöglich“ erscheint.193 Tatsächlich gelang Johann Friedrich am 2. März die Einnahme von Rochlitz. Elisabeth hatte den Markgrafen zuvor gewarnt, er möge sich vor dem nahenden Kurfürsten hüten und für gute Wachen sorgen.194 Ob sie den Entscheidungskampf in ihrer Gegenwart vermeiden wollte oder mehr als nur Sympathie für den jugendlichen Markgrafen besaß, mag dahingestellt bleiben.195 Jedenfalls zeigt sich auch hier wieder, dass sie lieber Informationen streute als diese für sich zu behalten. Um den Kriegsgräueln aus dem Weg zu gehen, begab sich die Herzogin nach Dornburg und später nach Kassel. Sie vergrub fast ihr gesamtes Hab und Gut, das der Schösser Breiting später wieder ausgraben musste.196 Der letzte197 der sechzehn überlieferten chiffrierten Briefe stammt von Mitte April 1547. Darin unterrichtete die Herzogin den Kurfürsten über den Abzug des böhmischen Königs und die kaiserliche Politik, denn in Kassel mischte sie sich in die Verhandlungen Philipps um den beabsichtigten Sondervertrag mit dem Kaiser. Sie ahnte, dass nur beide Bundeshauptleute vereint gegen den Kaiser bestehen konnten. Es kann zusammenfassend konstatiert werden, dass der Herzogin von Rochlitz im Schmalkaldischen Krieg eine zentrale Rolle im Zuge der Aufklärung des Gegners und der Vermittlung zukam. Ihr Nachrichtendienst entsprach den Kriterien eines modernen Intelligence Service.198 Ihre Bedeutung ist auch daran zu ermessen, dass Herzog Moritz sofort mit der Zerschlagung der Herrschaft von Herzogin Elisabeth begann.199 Durch 192 193 194 195 196 197

Zit. in: ebd., f. 423. Ebd., f. 421. Vgl. ebd., f. 418. Vgl. ebd., f. 417 f., 422. Vgl. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 5, S. 428. Offenbar setzte sie auch später noch ihre Briefe in Geheimschrift fort, denn vom September ist ein Brief überliefert, in dem sie sich bei ihrem Boten Simon Bing beklagt, dass dieser ihr alle Briefe erbrochen überbracht habe, was sie ungern sähe. Wenn Boten mit chiffrierten Briefen niedergeworfen werden würden, wäre es ihr egal, aber die unverschlüsselte Post müsse geschlossen bleiben. Angesichts dieser Andeutung ist fraglich, welchen Ausschnitt der Wirklichkeit uns die Quellen liefern. 198 „[…] man versteht darunter besonders die Sammlung, Beurteilung und Weitergabe von (öffentlich zugänglichen oder geheim gehaltenen) Nachrichten (Informationen) in besonderen Dienststellen (Agencies und Services) für Zwecke der militärischen und politischen Führung (Generalstab der Regierung), wobei die Berücksichtigung und Verwertung dieser Nachrichten bei militärischen und politischen Entscheidungen der obersten Führung überlassen bleibt.“ Gunzenhäuser 1968, S. 11. 199 Am 19. April beschlagnahmte Herzog Moritz das Wittum der Herzogin unter dem Vorwurf des Hochverrats. Er sah es als erwiesen an, dass sie den Überfall am 2. März und die Gefangennahme Markgraf Albrechts mitverschuldet hatte. Es folgte ihr zäher Kampf um das Wittum. In der

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die Gefangennahme Landgraf Philipps am 19. Juni in Halle verlor sie neben dem Besitz auch ihren letzten Unterstützer. Im Juli 1549 gelang ein Vergleich zwischen Herzogin Elisabeth und Kurfürst Moritz, indem sie für jährlich 7.000 Gulden auf Rochlitz verzichten musste. Zwar erhielt sie nach Moritz’ Tod von dessen Bruder sogar 9.000 Gulden, aber ihren Heimatverlust glich das kaum aus, zumal sie auch in Kassel mit ihrer ambitionierten Handlungsweise aneckte. So erwarb sie Schmalkalden, wo sie bis zu ihrem Tod 1557 wohnte. Da sie der Rochlitzer Kunigundenkirche einen Taufstein gestiftet hatte, zeigen die zwei farbigen Fenster des Südschiffs aus dem Jahr 1906 Szenen aus dem Leben der Herzogin Elisabeth: auf der einen Darstellung erhält sie 1537 das Abendmahl durch den Superintendenten Musa, auf der anderen Seite ist Herzog Georg zu sehen, der den Lutheranern mit der Inquisition droht.200 Somit ist die Erinnerung an die Herzogin von Rochlitz bis in heute wachgeblieben. 4.1.4 Ursachen der Niederlage in der Schlacht von Mühlberg Die Schlacht von Mühlberg am 24. April 1547 ist ein bedeutsames Datum der sächsischen Geschichte; entsprechend viele Quellen sind davon überliefert. Auch den Zeitgenossen war diese Zäsur bewusst, so dass bereits 1547 eine „Newe Zeitung: ware und gründliche Anzeigung“ über die Gefangennahme des sächsischen Kurfürsten in Leipzig gedruckt wurde.201 Die Biographien Johann Friedrichs des Großmütigen sind meist nicht neutral und treten in die Falle der ex-post-Perspektive, indem sie mit dem Wissen über den Ausgang des Geschehens leichthin die Entscheidungen des bedrängten Fürsten kritisieren. Für seine mutige Gegenwehr bis zur unausweichlichen Festnahme erfuhr der Kurfürst jedoch auch mehrfach Wertschätzung. Dabei ist bislang nie zweifelsfrei geklärt worden, ob Johann Friedrich dem Feind schließlich verraten worden war. Die frühesten Quellen heranziehend, soll im Folgenden der Versuch gemacht werden, etwas Licht in diese Gerüchte zu bringen. Als Indiz für Begünstigung der Gegner des Kurfürsten kann dienen, dass die „Newe Zeitung“ berichtet, der flüchtende Kurfürst habe die plötzlich vor ihm stehende kaiserliche Truppe gar nicht erwartet und „nur für ein gsamlet verlauffent volck geacht“.202 Wittenberger Kapitulation musste Elisabeth Rochlitz abtreten. Mit diesem Fakt mochte sich die Herzogin Elisabeth nicht abgeben. Noch am 16. Juni schrieb sie aber dem Rat der Stadt Mittweida, er solle alles aufbewahren, bis sie zurückkehre. Zit. in: SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 5, S. 433. Am 24. Juni beschlagnahmte der in kaiserlichen Diensten stehende Herzog von Alba alle Vorräte, während Moritz alles im Schlossinventar aufgeführte Gut für sich beanspruchte. 200 Ich danke der freundlichen Unterstützung der Kirchgemeinde St. Kunigunden in Rochlitz. 201 Vgl. Baumann, Hans: Newe Zeittung: Ware und gründliche Anzeigung und Bericht, inn was gestalt auch wenn, wil und wo, Hertzog Johann Friedric, geweßner Churfürst zu Sachssen, von der Röm. Keys. Maie. neben Hertzog Moritz zu Sachssen an Sontag Misericordia Domini, der do was der XXIIII tag April Erlegt und gefangen worden ist, Leipzig 1547. 202 Baumann 1547.

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Eigentlich hatte er Hilfe von Oberst Thumbshirn aus Böhmen erwartet und wollte sich in die Festung Wittenberg flüchten. Die Brücke bei Mühlberg hatte er hinter sich abreißen lassen und glaubte sich am anderen Ufer in Sicherheit.203 Jedoch hätte ein Bauer den Kaiserlichen eine Furt über den Fluss gezeigt, so dass spanische Hakenschützen als Kundschafter die Elbe überqueren konnten, „um die Gelegenheiten des Feindes zu erkunden“ und einen Gefangenen zu nehmen.204 Die neuere Forschung hat herausgefunden, dass es der Mühlberger Bürger Barthel Strauchmann war, der sich dafür rächte, dass ihm die Truppen Johann Friedrichs die Pferde geraubt hatten.205 Mit 1.000 Pferden setzte das 17.000 Mann starke Heer über die Elbe, und Johann Friedrich befahl seinen 7.000 Soldaten den Rückzug. In der Lochauer Heide kreisten Husaren und Spanier den flüchtenden Kurfürsten ein. Mit der Eilbotschaft von dem „Scharmützel“ ritt Thumbshirn zu den Böhmen, um sie in Bewegung zu bringen, doch diese „schützten vor, keine anweisungen aus Prag zu haben“.206 Für die kurfürstlichen Räte Planitz und Pflug war die Nachrichtenlage äußerst unübersichtlich, denn die Verbindung zum Kurfürsten war mehrere Tage lang abgerissen.207 Während sie mit den Böhmen verhandelten, war die Niederlage längst besiegelt. Die Kaiserlichen erbeuteten die kursächsische Kriegskasse und nahmen den sich wehrenden Johann Friedrich fest. Dieser fühlte sich von Böhmen „übel betrogen“ und von Herzog Moritz verraten. Doch hatte nicht nur Herzog Moritz die Feinde in der Schlachtaufstellung beraten, sondern auch dessen Bruder August sich „in der Feinde Schützen“ befunden.208 Der Sieg des Kaisers war überwältigend, zumal er auch die Rückeroberung Braunschweigs und die Rückkehr des Herzogs Heinrich realisieren konnte. Der kaiserliche Sekretär Bernabé de Busto hatte den offiziellen Auftrag zur historiographischen Tätigkeit, die er 1543 begann. Seine „Geschichte des Schmalkaldischen Krieges“ ist eine herausragende zeitgenössische Quelle. Was Busto über die Gefangennahme des sächsischen Kurfürsten schrieb, ist Teil einer militärischen Beschreibung des Hergangs der Schlacht. Er zeigt, dass Johann Friedrich mehrere Möglichkeiten ausließ, sich zu retten. Nachdem über Kurfürst Johann Friedrich  I. der Reichsbann ausgesprochen war, hätten er und seine Alliierten Boten zum Herzog von Alba geschickt und gebeten, dem Kaiser vorgelassen zu werden, um ihm einen Brief ihrer Herren zu übergeben. Der kaiserliche Gesandte habe sie aus dem Lager geleiten und dem Kurfürsten ausrichten lassen, er könne selbst dem Kaiser gegenübertreten. Der Brief gelangte auf ungeklärtem Weg an den Sekretär Karls V., Bernabé de Busto, der ihn in seiner Schrift widergibt. Die Protestanten warfen darin dem Kaiser vor, er sei durch Absprachen mit dem Papst 203 204 205 206 207 208

Vgl. Handy, Schmöger 1996, S. 68. Vgl. Baumann 1547; Newe Zeittung 1547. Vgl. Held 1997, S. 93. Wild 1939, S. 121. Vgl. ebd., S. 121. Vgl. Baumann 1547.

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und den Franzosen gegen ihre Religion vorgegangen und habe sie „schlimmer als die Türken“ eingestuft.209 Da der Kaiser seinen Eid als Oberhaupt und Beschützer aller weltlichen Herrschaften gebrochen habe, kündige man ihm die Treue. Auf dem Feldzug durch Süddeutschland hielt Karl V. durch Arkebusiere die von den Protestanten ausgesandten Späher fern.210 Die Protestanten ihrerseits nutzten heimliche Quartierverschiebungen, um den Gegner zu täuschen: […] während alle Trommeln der Nachhut geschlagen wurden, gingen die Vorder- und Hauptkampfreihen äußerst leise vor; und selbst wenn man ihr Kommen spüren mochte, hätte man sie nicht in solcher Nähe vermutet. Doch obwohl die hügelige Landschaft, die Nacht und ein äußerst dichter Nebel ihnen dabei halfen, konnten sie doch nicht so völlig verborgen vordringen, dass sie nicht durch Spione und andere Späher hätten entdeckt werden können.211

Bernabé de Busto meint, die Späher des Kaisers konnten ihren Dienstherrn gut unterrichten. So habe man gewusst, dass der entflohene französische Verbrecher Pero Estoci zu den Protestanten gekommen war, und vermutete Verträge des Gegners mit Frankreich. Aus den abgefangenen Briefen an die Städte erfuhr der Kaiser davon, wie die Protestanten ihn wahrnahmen. Er hätte schäbige und wenige Soldaten, von denen viele Italiener desertiert und besonders die Spanier unzufriedenen wären und etliche Streitereien mit den Deutschen hätten. Busto führt aus, diese internen Konflikte hätte der Landgraf erdichtet, um weitere Finanzmittel zu bekommen, die er dringend nötig hatte, da die Städte bereits auf eiligste Beendigung des Krieges drangen.212 Als sich Kurfürst Johann Friedrich Richtung Meißen zurückzog, habe der Kaiser vermeiden wollen, dass sich dieser in einer seiner drei oder vier uneinnehmbaren Festungen einschloss und suchte den direkten Kampf. In einem Kloster bei Annaburg ordnete Karl V. seine Truppen und sammelte Informationen über die territoriale Geographie sowie die Absichten des Gegners.213 Dem Kundschafter Don Alvaro sei aber der Meißner Bürgermeister entgegengekommen und habe die Stadt übergeben, wobei er kundtat, der Kurfürst sei auf dem Weg nach Wittenberg. Nun sei der Plan gefasst worden, dem Flüchtigen auf beiden Seiten des Flusses zu folgen, ihn zu stellen und eine Brücke zu bauen. Von Einheimischen seien Don Alvaro aber zwei tiefe Furten gezeigt worden, die sehr gefährlich zu überqueren seien, weil die Pferde schwimmen müssten und einem Angriff ausgesetzt wären. Der Kaiser wollte die Offensive entgegen aller Einwände dennoch wagen, weil die Lösung von „schweren Angelegenheiten mehr von der Meinung und von der Vorstellung abhängen, die man von ihnen hat, als von

209 210 211 212 213

Busto 1938, S. 70. An dieser Stelle sei herzlich Christopher Wertz für seine Übersetzung gedankt. Vgl. ebd., S. 71. Ebd., S. 113. Ebd., S. 122. Vgl. ebd., S. 173.

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realen Bedingungen, die sie umgeben“.214 Ein ortskundiger Bauer, dem die Sachsen die Pferde gestohlen hatten, bot sich als Führer über die Furt an. Während für den Kaiser die Lage gut aussah, hatte Johann Friedrich keine Nachrichten über den Standort des Feindes und hatte, so Busto, nicht erwartet, dass der Kaiser den Weg von Eger zur Elbe so schnell bewältigt hätte. Nun sei ihm der Fluchtweg abgeschnitten gewesen und er sei, durch seine Sünden erblindet, nicht in der Lage gewesen, sich in Sicherheit zu bringen. Er habe gedacht, der Kaiser müsse von seinem Lager aus bis Meißen zurück, um den Fluss zu passieren, was ihm genug Zeit verschafft hätte, um das rettende Wittenberg zu erreichen. Statt dessen sei er nun zum Angriff übergegangen und habe versucht, den Flussübergang des Gegners zu verhindern, der von einer Anhöhe aus die sächsischen Soldaten beschoss. Die Spanier hätten dann die Boote der Fliehenden zu kapern begonnen, so dass eine Brücke gebaut werden konnte, deren Anblick auch die letzten Soldaten Johann Friedrichs zur Flucht bewegte. Der Bauer habe nun mehrere Ungarn und den Kaiser durch die Furt geführt. Als der Kaiser ein geschändetes Kruzifix sah, ließ er den Angriff ohne Pardon zu Ende führen und kreiste den Kurfürsten in einem Wald – der Lochauer Heide – ein. Bei seiner Festnahme habe er bis zur letzten Chance gekämpft und sich anschließend demütig gezeigt, was seine Gegner ihm hoch anrechneten. Bei seinen spanischen Bewachern hinterließ Johann Friedrich durch theologische Debatten und seine Festigkeit im Glauben „tiefen Eindruck“.215 Der Kaiser sei der Ansicht gewesen, ohne den Tod oder die Gefangennahme Johann Friedrichs hätte es keinen Frieden geben können.216 Die Stadt Wittenberg ergab sich und blieb unbehelligt, obwohl sie der Kaiser im ersten Zorn habe zur Strafe zerstören wollen. Grund für die Verschonung sei die verspätete Ankunft Herzog Moritz’ gewesen, so dass Nachsicht beim Kaiser aufkam und er nicht wie geplant „die Knochen Luthers verbrennen“ und die Universität niederreißen ließ, wo die Jugend das „des Irrglaubens […]tödliches Gift zu trinken“ bekam.217 Es ging dem Kaiser demnach nicht nur um Zerschlagung der feindlichen Truppen, sondern auch um völlige Ausmerzung des protestantischen Gedankenguts und Niederringung des Anführers. Die Vielzahl der Späher und Kundschafter hatten den Kaiser ständig über den Aufenthaltsort Johann Friedrichs unterrichten können, während jener sich nicht sicher sein konnte, wo der Gegner stand. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit dieser Kenntnis besaß er, denn seinen Sohn hatte er 1546 eindringlich dazu gemahnt. Zugleich war seine Perzeption, glaubt man Busto, von Übermut geprägt. Fataler war jedoch, dass er die Menge der feindlichen Soldaten sehr stark unterschätzte, was wiederum auf mangelnde Feindbeobachtung zurückzuführen ist. In diesem Zu214 Ebd., S. 176. 215 Vgl. Werner, Elke Anna: Vier Gemälde mit Szenen aus dem Leben Johann Friedrich des Großmütigen von Sachsen, in: DHM-Magazin 6 (1995/96), H. 16, Kommentar zur dritten Tafel; URL: http://www.dhm.de/sammlungen/zendok/j-friedrich/Menu.htm [27.09.2011]. 216 Vgl. Busto 1938, S. 186. 217 Ebd., S. 195.

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sammenhang ist erneut auf die Bedeutung der Rochlitzer Nachrichtenzentrale hinzuweisen. Nachdem die Herzogin Elisabeth vor den Kriegshandlungen Richtung Hessen geflohen war, erhielt der Kurfürst keine wertvollen Informationen über Standorte und Truppengrößen mehr. Ihre Warnungen aus Kassel reichten nicht aus: Wäre sie noch auf ihrem Leibgut gewesen, würde sie wahrscheinlich rechtzeitig und genau den Kurfürsten von dem Nahen des Kaisers unterrichtet haben. Aber jetzt fehlte ihm ihr emsiger Nachrichtendienst.218

Somit kann die Niederlage des Kurfürsten in der Lochauer Heide am 23. April nicht zuletzt auf die weggebrochene Unterstützung der Rochlitzer Informationszentrale zurückgeführt werden. Einen ähnlich effektiven Nachrichtendienst konnte Johann Friedrich in den eineinhalb Monaten nicht realisieren. Es sind von seiner Seite aber auch keine entsprechenden Anstrengungen unternommen worden. Vielmehr scheint Johann Friedrich auch durch die hessische Diplomatie Landgraf Philipps hinsichtlich eines Sonderfriedens, den Markgraf Albrecht vermitteln sollte, abgelenkt worden zu sein.219 Diese Aktivitäten, so Elisabeth Werl, hätten Johann Friedrich von der konzentrierten Vorbereitung auf den Waffengang abgehalten, während Herzog Moritz sich in Eger mit dem Kaiser und dem böhmischen König vereinigen konnte. Diese Schwächen im entscheidenden Moment waren nicht durch die im Krieg erfolgreich angewandten Methoden der Diversion (Ablenkung), Kriegslist, Geheimschrift und Postinterzeption auszugleichen. So war es nicht Verrat, sondern Verkennung der obersten Priorität von taktischer Aufklärung, das diese Auseinandersetzung entschied. Der These, dass die Denunziation durch einen ortskundigen Bauern entscheidend war, ist entgegenzuhalten, dass der Kurfürst bei besserer Intelligence seine Niederlage wahrscheinlich aus eigener Kraft hätte verhindern können. Von den Betroffenen wurde Moritz als Verursacher der Niederlage gesehen. Nach dem Verlust der Kurwürde 1547 schickte Johann Friedrich an Kurfürst Moritz einen wutentbrannten Brief über den Verrat an seiner Familie, der noch im gleichen Jahr gedruckt wurde.220 Der ehemalige Kurfürst habe „aus vielen glaublichen kundschafften“ Kenntnis, dass Moritz in Regensburg und Prag beim Kaiser eigennützig agiere. Er beschwerte sich über die „untrewe Practiken, Handtlungen und Ratschlege, damit man vil jar vleissig umbgangen“, die er nicht länger „hinderhalten“ wollte. Moritz habe Unfrieden zwischen den Zweigen der Familie und mit den erbverbrüderten Höfen gesät, habe sich mit Judasgeld kaufen lassen, unchristliche Türken und Husaren ins Land geholt. Das von Kaiser Karl V. verhängte Todesurteil wurde in Gefängnishaft umgewandelt, wobei der Kaiser geschickt die Aufgabe der Kurwürde als Druckmittel einsetzte. Den Protestantismus zu vernichten, war ihm indes nicht gelungen, obwohl ihm beide 218 SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 5, S. 431. 219 Vgl. ebd., S. 430. 220 Vgl. Warhafftige Copey 1547.

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Bundeshauptleute in die Hände gefallen waren. Eine Hinrichtung beider hätte sie zu Märtyrern gemacht, was der Bewegung zusätzliche Argumente zum Aufstand geliefert hätte. Dass der Kaiser beide am Leben ließ und sogar auf Betreiben von Herzog Moritz wieder auf freien Fuß setzen musste, machte seinen Sieg unvollkommen. Allerdings war die Schmach der beiden ehemaligen Bundeshauptmänner groß, fünf Jahre lang bis 1552 als persönliche Gefangene des Kaisers zu reisen. Von dem gefangenen Herzog Johann Friedrichs I. von Sachsen-Gotha ist ein teils chiffrierter Brief an seinen Geheimen Rat Gregor Brück vom Juli 1549 überliefert, der Johann Friedrichs Verbitterung und seinen Hass auf die Gegner verdeutlicht.221 Er hoffte immer noch auf Wiedereinsetzung in seine alten Rechte und Ansprüche auf Jülich. Brück gegenüber begründet er seine Position, „weil uns niemals kein ander schuld und ursach dan die Religion zugemessener kann werden“. Sodann bezog sich der Herzog auf eine Empfehlung seines Schwagers, des Herzogs von Jülich, über den König von Spanien beim Kaiser vorzusprechen. Die von seinem Schwager an den kaiserlichen Hof verordneten Räte vermochten ebensowenig zu erreichen wie der Herzog von Alba, den Johann Friedrich als Fürsprecher gewonnen hatte. Der Kaiser verweigerte ihnen eine schriftliche Erklärung und antwortete nur ausweichend. Nun meinte Herzog Johann Friedrich, man solle den Kaiser selbst darauf ansprechen, wenn er wieder zu einem Reichstag in Deutschland sei. Den erlittenen Zeitverzug betrachtete er als Gefahr und schrieb ihn dem Bischof von Arras und anderen zu, „die des lichts scheuen“. Im Weiteren dementierte er, dass er von der Augsburgischen Religion weichen werde. Das werde natürlich seine Bemühungen beim Kaiser behindern und „wenig Besserung“ im Verhältnis zu den Evangelischen bringen. Von seinem Geheimrat Gregor Brück wünschte Johann Friedrich ein Gutachten darüber, ob man tatsächlich bis zum Reichstag stille halten solle. Auch erbat er eine Verhaltensmaßregel, inwieweit man den Herzog von Alba ins Vertrauen ziehen solle. Der Herzog strebe danach, mit seiner Gemahlin in Ruhe unter Schutz und Schirm des Kaisers sein Leben zuzubringen und seine Religion frei wählen zu dürfen. Dieser persönliche Brief schließt mit einer Feststellung, die die Enttäuschung Johann Friedrichs über seine Lage zum Ausdruck bringt: Wenn sein Leben einst nach dem Willen Gottes beschlossen werde, würde man ein christliches Mitleid mit ihm haben und sehen, „wie man mit uns gehandelt und wo wir Vortrauen und Glauben gehalten“ und wo man sich „uberflüssig undterthanigs erbotten“ hat. Diese letzten deutlich kaiserkritischen Worte schrieb der Herzog chiffriert. Die Chiffre besteht aus fast schon chinesisch anmutenden Phantasiezeichen und nicht aus den sonst im 16. Jahrhundert üblichen Tierkreiszeichen oder Teilen des griechischen Alphabets.222 Die Form der Symbole sind in ihrer komplizierten 221

FB Gotha, Chart. A. 380, Johann Friedrich aus Gent an Gregor Brück, f. 1–4. Transkript: Cyprian, Ernst Salomon: Der andere Teil nützlicher Urkunden zur Erläuterung der ersten Reformationsgeschichte, Leipzig 1718, S. 500–507. 222 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 4414/4; Loc. 8607/15.

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Art einzigartig und haben in den Akten keinerlei Entsprechung, so dass es sich vermutlich um eine private, möglicherweise sogar selbst erdachte Chiffre für nur diesen Brief handelt. Dass bei der Chiffre nicht alle Buchstaben mit einem Symbol belegt sind, sondern f, j, k, p, x, y und z ohne Symbol blieben, kann als Indiz dafür gelten. Die Kombination aus Phantasiezeichen, Symbolen wie Pfeil und Kästchen, einer Zahl und wenigen Buchstaben ist für eine Kanzleichiffre außergewöhnlich. Bei jenen Buchstabenersetzungen ist eine einfache Verschiebung bzw. Vertauschung  anzutreffen (a=b, b=c, o=r, r=o). Der frühere Kanzler Brück wäre wahrscheinlich auf eine etwas bessere Verschlüsselung bedacht gewesen. Auch dass der insgesamt kaiserkritische und brisante Inhalt nicht komplett verschlüsselt wurde, stellt eine klare Nachlässigkeit dar. Somit scheint jene Chiffre eine von Johann Friedrich während seiner Gefangenenschaft selbst entworfene Geheimschrift zu sein,  die Brück interlinear, also zwischen den Zeilen, auflöste. Weitere mögliche chiffrierte Briefe  des Herzogs sind nicht bekannt. Eine intensive Korrespondenz war dem Herzog ohnehin  verboten, da seine Haft wegen seiner Ablehnung des  Augsburger Interims  verschärft wurde und  er nicht einmal die Bibel behalten durfte.223 Insgesamt hatte in der Zeit des Schmalkaldischen Krieges die Geheimdiplomatie eine neue Qualität erreicht. Vermehrt sind Chiffren, Interzeption und heimliche Kommunikation aktenkundig. Und auch in der Bevölkerung wurde diese Pra-

Abbildung 16: Das Feld hat Augen, der Wald hat Ohren, 1546, bpk Bildagentur/ Kupferstichkabinett SMB/Jörg P. Anders 223 „Johann Friedrich (Kurfürst von Sachsen) von Heinrich Theodor Flathe, in: ADB 14 (1881), S. 326–330.

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xis wahrgenommen, denn im Schmalkaldischen Krieg entstand wegen der ständig umlaufenden Spione die Redewendung, dass das Feld Augen und Ohren besitze (Abbildung 16). 4.1.5 Angriff und Verteidigung der Protestanten Unter den Protestanten gab es heftige Diskussionen um einen Vertrag mit dem Kaiser. Herzogin Elisabeth berichtete Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen vertraulich, dass der hessische Adel unter Führung des Grafen Reinhard von Solms aufsässig wurde und plane, zusammen mit den Städten den Landgrafen zum Vertrag mit dem Kaiser zu zwingen.224 Nach dem Reichstag von Augsburg 1548 äußerte Kurfürst Moritz mit Hilfe Philipp Melanchthons Protest gegen das Augsburger Interim, stand damit aber isoliert. Der Kaiser übertrug ihm und dem brandenburgischen Kurfürsten stattdessen die Exekution der Reichsacht in Magdeburg. Diese Stadt hatte ebenfalls das Interim abgelehnt und wurde 1550 ein Jahr lang durch Herzog Georg von Mecklenburg belagert. Dadurch, dass er Verdener Kriegsvolk in seine Dienste nahm, gelang es Moritz, die direkte Konfrontation mit der Stadt Magdeburg zu vermeiden und dennoch keinem anderen Fürsten die alleinige Initiative zu überlassen.225 Zu Herzog Georg von Mecklenburg und nach Magdeburg entsandte er einen Sekretär, Heinrich Merckel, der ein „sonderlich Alphabet gehabt damit ich an einen Erbarn Rath vertrawlich  schreiben können.“226 Die Gespräche mit Merckel führte Kurfürst Moritz unter vier Augen, um zu verhindern, dass Andere von seiner Doppelstrategie erfuhren. Oft heißt es, die Magdeburger Belagerung habe er als Feigenblatt benutzt, um den Kaiser in Sicherheit zu wiegen, während er im Hintergrund die antikaiserliche Opposition bündelte. Zweifel an diesem „Scheinmanöver“, wie von Karl Erich Born bereits 1960 formuliert, sind angebracht, da Moritz bis zum Spätherbst 1550 noch keinen Anschluss an die antikaiserliche Partei gefunden und sich noch beide Optionen offenhalten musste.227 Vielmehr verfolgte der sächsische Kurfüst mit der Belagerung einen doppelten Zweck – einerseits die Aufrechterhaltung der guten Beziehung zum Kaiser, andererseits gegenüber der antikaiserlichen Partei die Darstellung seiner Stärke. Erst seit September 1551 hat er die Belagerung nur noch zum Schein aufrechterhalten.228 Eifrig betrieb er im Hintergrund Netzwerkarbeit. Mit Johann von Brandenburg-Küst224 Vgl. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 5, S. 430. 225 Vgl. Winter, Christian: Kurfürst Moritz von Sachsen als Haupt der reichsständischen Opposition gegen Kaiser Karl V., in: Fuchs, Rebitsch 2010, S. 51–70, 55. 226 Hortleder 1645, S. 1257. 227 Vgl. Born 1960, S. 36. 228 Vgl. ebd., S. 54.

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rin fand ein geheimes Treffen zur Jagd im Elbsandsteingebirge statt, und der Markgraf lotete im Anschluss potentielle Unterstützer in Polen aus.229 Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt wurden im Januar 1549 Gerüchte über ein antikaiserliches Bündnis von Moritz, August und Johann laut, die Moritz und seine Räte zerstreuen mussten.230 Im Februar 1550 schloss Johann mit den Herzögen Albrecht von Preußen und Johann Albrecht von Mecklenburg ein mündlich vereinbartes Verteidigungsbündnis. Zur Verheimlichung des Treffens organisierte man die Gespräche am Rande des Hochzeitsfestes Herzog Albrechts in Königsberg.231 Heinrich von Mecklenburg und Franz Otto von Lüneburg schlossen sich dem Königsberger Bund an. Als Kompromissbemühungen mit dem Kaiser ohne Erfolg blieben, schlossen die protestantischen Fürsten im Norden des Reiches im Mai 1551 einen geheimen Vertrag von Torgau, um als Zielrichtlinien festzulegen: die adelige Freiheit und den Protestantismus zu schützen und die gefangenen Verlierer des Schmalkaldischen Krieges, Landgraf Philipp von Hessen und Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, zu befreien. Bis November wuchs der Teilnehmerkreis rasch an. Es gelang auch, Frankreich für ein Bündnis zu gewinnen.232 Die erste Annäherung Moritz’ an den französischen König datiert auf den 27. September 1549, als Moritz bei Landgraf Wilhelm um die Zusendung eines hessischen Rates bat, mit dem er sich über Verhandlungen mit Frankreich verständigen wollte.233 Sächsische Räte seien zur Geheimhaltung ungeeignet gewesen, da sie mehrheitlich katholisch und kaiserlich gesinnt waren, wie Kerstin Schäfer konstatierte.234 Um den Herzogs Ercole II d’Este als Vermittler für die sächsisch-französischen Beziehungen zu engagieren, plante Moritz ein Heiratsprojekt mit Ferrara für seinen Truppenführer Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach.235 Die Anbahnung erfolgte in völliger Geheimhaltung vor dem Kaiser, damit der Herzog keinen Verrat am Kaiser beging. Während das Heiratsprojekt bald darauf an Formalien scheiterte, konnte das Bündnis mit Frankreich realisiert werden. Für den Initiator der Verschwörung, Kurfürst Moritz, war die Lage besonders unsicher: weil ich nuhe nit gewust, wie die sach […] gestanden […] so kann ich mich argwan halber noch zur tzeit nit ander halten, sondern ich mus sehen, das ich nit tzussen tzeien stulen nidersitz.236

229 230 231 232 233 234 235

Vgl. Schäfer 2009, S. 41. Vgl. ebd., S. 41 f. Vgl. ebd., S. 43. Vgl. Winter 2010, S. 69. Vgl. Schäfer 2009, S. 44. Vgl. ebd. Vgl. Taddei, Elena: Moritz von Sachsen und Ercole II. d’Este: Die Beziehungen zwischen Sachsen und Ferrara während des Fürstenaufstandes von 1552, in: Rebitsch, Fuchs 2010, S. 83–97, 87. 236 Zit. in: Schäfer 2009, S. 54.

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Obwohl die Initiative zum Fürstenaufstand von Kurfürst Moritz ausgegangen war, äußerte Markgraf Johann an dessen Loyalität noch im März 1551 Zweifel. Erst wenn der Kurfürst seine kaiserliche Bestallung nicht erneut verlängerte, sei ihm zu trauen.237 Manche Reichsfürsten hatten somit gegenüber Moritz durchaus ihre Vorbehalte, was mit seiner früheren Politik in Zusammenhang stand. Andere sandten eine Initiativbewerbung an den Kurfürsten, so beispielsweise Herzog Christoph von Württemberg, dem Moritz aber sehr reserviert antwortete, da er die prinzipiell kaiserfreundliche Haltung des Herzogs kannte.238 Die württembergischen Gesandten überschritten aber ihre Instruktion, reisten dem Kurfürsten weiter hinterher und erzwangen so in Leipzig die Unterschrift Württembergs unter die von Melanchthon ausgearbeitete Konfessionsschrift, um gleichberechtigt auf dem kommenden Konzil auftreten zu können.239 Herzog Christoph versuchte im Verlauf des nächsten Jahres vergeblich, zwischen den beiden Parteien zu vermitteln. Kurfürst Moritz und andere Köpfe der Verschwörung mahnten ihn daraufhin, es sei nötig, dass man wie ein Mann zusammenstehe.240 Er solle dieses „Nebenschreiben nicht so rauh aufnehmen“, hieß es in einem persönlichen Begleitschreiben der vier Fürsten, denn man wisse wohl, das Herzog Christoph ihr Freund sei, doch wisse man, dass jenes Schreiben auch an die Landstände „und etwas weiter gelangen würde“, wohin diese Aufforderung für ein klares Bekenntnis gerichtet sei.241 Der Herzog war demnach nur die Instanz, über die der württembergische Landadel erreicht werden sollte. Dass auf Einigkeit, Ordnung und Disziplin gedrungen wurde, belegt das Risiko der Verschwörer. Die Vorbereitungen zum Feldzug hielt man strengstens geheim. So schrieben die Fürsten oft eigenhändig und baten darum, die Briefe nach dem Lesen zu verbrennen.242 Kurfürst Moritz weihte seine Räte und Sekretäre nicht ein, so dass niemand etwas wissen oder abschreiben konnte.243 Gegenüber seinen Mitverschwörern versicherte Moritz, dass nur er selbst und seine Gemahlin davon wisse und dass sie in einer Truhe, zu der er den Schlüssel besitze, jene Dinge aufbewahrte, die er der offiziellen Kanzlei nicht anvertraute.244 Man sorgte auch dafür, dass die Ernestiner die Sache nicht an ihren gefangenen Vater gelangen ließen, der die Opposition gänzlich ablehnte.245 Herzogin 237 238 239 240 241 242 243 244 245

Vgl. PKMS, Bd. 5, Berlin 1998, Markgraf Johann an Herzog Albrecht von Preußen, 27. März 1551, Nr. 52a, S. 127. Vgl. Antwort des Kurfürsten Moritz von Sachsen auf die Werbung des württembergischen Gesandten von Hewen, 9. Juli 1551, zit. in: Ernst 1899, Bd. 1, Nr. 216. Ebd., Bd. 1, S. XIX. Vgl. Kurfürst Moritz, Markgraf Albrecht und Landgraf Wilhelm IV. an Christoph von Württemberg, 3. April 1552, in: ebd., Nr. 456. Vgl. Kurfürst Moritz, Markgraf Albrecht und Landgraf Wilhelm IV. an Christoph von Württemberg, 3. April 1552, in: ebd., Nr. 457. Vgl. PKMS, Bd. 5, Berlin 1998, Kurfürst Moritz an Landgraf Wilhelm IV., 1. April 1551, Nr. 57, S. 136. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Markgraf Johann an Herzog Albrecht von Preußen, 27. März 1551, Nr. 52a, S. 127. Auch Kurfürst August bewahrte die wichtigsten Dokumente in einer Truhe auf. Vgl. Ohnsorge 1940, S. 171. Vgl. ebd., S. 33.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Elisabeth, die frühere Witwe auf Schloss Rochlitz, die als eifrige Verfechterin der protestantischen Sache bekannt war und jetzt in Schmalkalden wohnte, spürte allerdings 1549 die bereits beginnende Erhebung Moritz’ gegen den Kaiser: sey sagen auch, man hab knechten gelt auff dey Frist geben. Ich hab Sorge, Key. Moy. hab kein Gefalhen an korf. Mortz auffsen, schatt nicht!246

Aber sie wurde wohl von Landgraf Wilhelm um Zurückhaltung gebeten, denn sie beschäftigte sich nicht mit Truppenwerbungen und um Zeitungen wie bei ihrem Engagement zu erwarten wäre.247 Kurfürst Moritz verzichtete auf ihre zu erwartende Hilfe zu Gunsten einer sicheren Geheimhaltung. Auf die allergeheimsten Briefe kam der Zusatz „von niemandem sonst zu erbrechen“.248 Zudem reduzierte man die Kommunikation auf ein Minimum. So ließ Moritz den Landgrafen Wilhelm wissen, er werde sich erst in zehn Tagen wieder melden.249 Zur besseren Geheimhaltung verbarg man nach Möglichkeit seinen Namen – beispielsweise durch Absendernennung als „guter bekannter Freund und Bruder“. Im März 1551 übersandten die hessischen Räte eine Liste mit Decknamen für den Briefverkehr mit Frankreich.250 Der württembergische Herzog Christoph verwendete eine eigene Decknamenliste, deren Einträge in der folgenden Tabelle mit einem Stern versehen sind.251 Es zeigt sich, dass die hessischen Decknamen eine aggressivere Note haben (Raffzahn vs. Grossfürst, alte Gans vs. Baidenhändler). Drei Gründe sprechen dafür, dass der Herzog dieses Verfahren für sich adaptiert hat. Erstens waren in der württembergischen Liste nur zwei Decknamen identisch mit der hessischen, nämlich jene für Herzog Christoph und für Herzog Albrecht. Zweitens verwendete Herzog Christoph deutlich weniger Decknamen für seine Korrespondenz und drittens taucht nur bei ihm ein Deckname für den bayerischen Herzog auf. Tabelle 24: Liste der Decknamen beim Fürstenaufstand 1552 Name Albrecht Alkibiades, Markgraf von BrandenburgKulmbach Albrecht, Herzog von Preußen Albrecht, Herzog von Bayern

Deckname Albert von Mandelsheim, Alhart Raumensattel zu Mernburg, Paul Rumensattel, Philipp von Mandelsheim Salmion, Saloman*, Solmian, Junker*

246 Herzogin Elisabeth an Simon Bing, Herbst 1550, zit. in: SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 5, S. 475. 247 Vgl. SächsHStAD, 12803 PN Werl, Nr. 5, S. 475. 248 Beispielhaft vgl. Kurfürst Moritz an Landgraf Wilhelm IV., 2. November 1551, in: PKMS, Bd. 5, Berlin 1998, Nr. 242a, S. 464. 249 Vgl. ebd., Langraf Wilhelm IV. an Markgraf Albrecht, 7. November 1551, Nr. 242a, S. 465. 250 Vgl. Landgraf Wilhelm IV. an Kurfürst Moritz, 20. März 1551, in: PKMS, Bd. 5, Berlin 1998, Nr. 57a, S. 137 sowie Einträge im Personenregister. 251 Vgl. Ernst 1899, Bd. 1, S. 380; Ders. 1900, Bd. 2, Register.

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Name Anne, Herzog von Monmorency, der oberste Finanzverwalter Frankreichs Baidel, Friedrich, Kanzleischreiber in Kassel Bing, Simon, hessischer Rat und Kammersekretär Christoph Arnold, Sekretär Johanns zu Heidecks und Kanzler zu Pfalz-Neuburg Christoph, Herzog von Württemberg Ferdinand I., römischer König Friedrich II., Kurfürst von der Pfalz Heinrich II., König von Frankreich Johann Albrecht, Herzog von Mecklenburg Johann Friedrich I., der Großmütige, Herzog von Sachsen, ehem. Kurfürst von Sachsen Johann Friedrich II., der Mittlere, Herzog von Sachsen Heideck, Johann, Herr zu, Truppenführer der Bundesfürsten Johann Philipp, Wild- und Rheingraf, Truppenführer in frz. Diensten Johann, Markgraf von Brandenburg-Küstrin Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Monstiers, Jean de, Seigneur de Fresse, französischer Gesandter Moritz, Kurfürst von Sachsen

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Deckname Viktor, alte Gans, Erbteil, Baidenhändler* Stumpfnas, Fritz mit der stumpfen Nase Simon Strohmeyer Christoffel Jäger* Veronika, Fronicka Alter Affe Hildebrand, schwarzer Heinz, Aufseher* Ox Horatius Hans Dick Hieronymus Westermaier, Scipio Staudenfuchs, Caspar Hans Adler, Seyden menlein, Dr. Spieß oder Sansack, Weiss Hans* Dietrich, Raffzahn, Grossfürst* Faktor, Niederländer

Numitor (= Großvater von Romulus und Remus), Habacht* Philipp I., der Großmütige, Landgraf von Hessen Hektor Pommern, Herzöge von Cato Praillon, Baptiste, Abbé de Bourgmoyen, Dolmet- Faustus Andretinus scher am französischen Hof Reifenberg, Friedrich von, Regimentsführer in Fritz, Traxdorf französischen Diensten Reinhard I., Graf von Solms-Lich, kaiserlicher Der mit dem zerrissenen Gesicht Heerführer und Kommissar Schertlin von Burtenbach, Sebastian, FeldhauptKnebelbart, Muselbach mann in französischen Diensten Schweizer Bundesverwandte Suleiman, türkischer Sultan Spitzhut

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Name Schachten, Wilhelm von, hessischer Feldmarschall und Rat Wilhelm IV., Landgraf von Hessen ? ? Berhans* Bischöfe* Magdeburg Fürsten Städte

Deckname Wilhelm Kolbrant Hektor von Mandelsheim, Holtzmann* Erbfeind Sturmhut Salzburg* Bleihanse* Mauer mit Turm in der Mitte Dreieck mit Punkt in der Mitte Quadrat mit zwei Punkten

Die letzten Einträge des Nomenklators dienten als Hinweise für das Aussehen der symbolischen Chiffren. Die Liste gibt einen guten Aufschluss darüber, dass der Kern des Aufstandes die sächsisch-hessisch-brandenburgischen Einungsverwandten waren. Wegen seiner neutralen Position erhielt Herzog August von Sachsen keinen Decknamen. Im gleichen Jahr hatte Moritz einen Spion nach Österreich gesandt, der ihm als „Herr von Welte“ (Herr von Welt) allerlei Vertraulichkeiten offenbarte und Vorschläge für den Feldzug unterbreitete.252 Der Plan, dass dieser Mann mit ein bis vier Haufen dem Gegner viele gute Leute ausspannen sollte, zeigt, dass die Verschwörer sich auch auf die aggressive Geheimdiplomatie verstanden. Im Herbst 1551 erklärte Heinrich II. dem Kaiser den Krieg und rückte zum Rheinufer vor. Der Vertrag von Chambord im darauf folgenden Jahr versprach dem französischen König die bedeutenden Festungen Toul, Metz und Verdun, wenn er den Protestanten mit Geld und Waffen aushelfe. Kaiser Karl V. ignorierte alle Warnungen vor der Fürstenverschwörung und blieb tatenlos in Innsbruck.253 Moritz gelang es mittels Dissimulation, seine zunehmende Führerschaft in der Fürstenverschwörung mit diplomatischen Finessen zu verschleiern.254 Als er nach der Aufhebung der Belagerung von Magdeburg seine Truppen unter Waffen behielt, wurde der Kaiser etwas misstrauisch. Aber Moritz zerstreute die Zweifel, indem er zusagte, er werde die Entlassung vornehmen, sobald er das Geld für die Ablöhnung erhalte.255 Moritz führte den Kaiser zusätzlich in die Irre, da er den kursächsischen Rat zum Schein in Innsbruck eine Herberge für sich bestellen ließ und so den Kaiser glauben

252 Vgl. ebd., Simon Bing an Kurfürst Moritz, 12. November 1551, Nr. 242a, S. 465. 253 Ihn warnte nicht nur der kaiserliche Gesandte in Paris, sondern auch seine Schwester Maria, sein Bruder Ferdinand und sogar der gefangene Johann Friedrich I. von Sachsen. Vgl. Schäfer 2009, S. 85 ff.; Taddei 2010, S. 85–94; Born 1960, S. 54. 254 Vgl. Schäfer 2009, S. 135. 255 Vgl. Born 1960, S. 55.

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machte, er komme in Kürze von Gesprächen in Bayern nach Innsbruck.256 Christoph von Württemberg unterstützte ihn, indem er Personen, die verdächtig waren, mit dem Kaiser zu kooperieren, gefangennehmen ließ.257 Erst Ende Februar wurde Karl V. die drohende Gefahr seitens der Protestanten langsam bewusst.258 Im Juni schrieb der kaiserliche Rat von Schlick aus Dresden an den Kaiser über einen angeblich bevorstehenden Überfall auf Karl V., den Schlick aber für unglaubhaft hielt.259 Diese Fehlperzeption des Kaisers gegenüber Moritz und die verspätete Erkenntnis war ein bedeutsamer Zeitgewinn für das Heer des Fürstenbundes. Der Vorstoß bis Tirol brachte Karl V. in große Bedrängnis, so dass er, um nicht gefangen genommen zu werden, von Innsbruck nach Villach fliehen musste. Während des Kriegszuges war Moritz bestrebt, durch Aufklärungstrupps das Gelände und die Position des Kaisers zu erkunden. Dadurch drängte er das kaiserliche Heer bei Reutte in die Defensive, so dass es taktische Fehler machte und geopolitische Gegebenheiten nicht nutzte oder die Wachposten vernachlässigte.260 In dieser Phase war es für Moritz besonders wichtig, seinen jüngeren Bruder August als engsten Verbündeten an seiner Seite zu wissen. Er überließ ihm das Management der Kriegsvölker in Sachsen und instruierte ihn im April und Mai in mehreren chiffrierten Briefen.261 Darin heißt es, er habe vollkommenes Vertrauen in ihn und August möge aus eigener Machtvollkommenheit handeln, um Ordnung im Kriegsvolk herzustellen und über den Widerstand gegen die Durchzüge, Einquartierungen, Zahlungen etc. in Magdeburg, Thüringen und Zwickau zu vermitteln. Anfang April hatte Moritz die Chiffren noch für „unnötig“ gehalten, so dass August ihm am 8. April ein Schreiben in Normalschrift nachsenden musste, weil die Dechiffrierung zu viel Zeit erforderte.262 Im Laufe des Monats erfolgte aber bei Moritz infolge der militärischen Entwicklung ein Umdenken. Nachdem er am 23. April seine Verschlüsselung begann, reagierte Herzog August entsprechend und schrieb seinem Bruder nunmehr in Chiffre.263 Seitens der hessischen Statthalter und Räte erhielt Herzog August regelmäßig Kundschaften, die er an den Kurfürsten weitersandte.264 Wie brisant die Lage war, wird angesichts der Inst256 Vgl. Taddei 2010, S. 89. 257 Vgl. Aufzeichnung über die Festnahme Verdächtiger, 27. Februar 1552, in: Ernst 1899, Nr. 376. 258 Vgl. Rebitsch, Robert: Der Kaiser auf der Flucht. Die militärische Niederlage Karls V. gegen die deutsche Fürstenopposition im Jahre 1552, in: Rebitsch, Fuchs 2010, S. 119–138, 122. 259 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 39 Ältere Kriegssachen, Nr. 77, Schreiben Schlicks an Karl V., 4. Juni 1552, unfol. 260 Vgl. Schäfer 2009, S. 122 f. 261 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Churfürst Morizens Schreiben und Schrifften an Sr. Churf. Gnd. Bruder Hertzog Augusten zu Sachßen, 1546–52, Loc. 8502/3, Moritz an August, 23. April, 2. Mai und 9. Mai 1552, f. 134–140, in: PKMS, Bd. 5, Berlin 1998, Nr. 520, S. 862. Chiffrierte Briefe von August, 24. April, 26. April 1552, in: ebd., Nr. 859 und Nr. 524, S. 865. 262 Vgl. Herzog August an Kurfürst Moritz, 8. April 1552, in: ebd., Nr. 500a, S. 842. 263 Vgl. Herzog August an Kurfürst Moritz, 24. April, 26. April 1552, in: ebd., Nr. 859 und Nr. 524, S. 865. 264 Vgl. Herzog August an Oberste, Landesbeauftragte, Statthalter und Räte in Hessen, 13. April 1552, in: ebd., Nr. 500a, S. 843.

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ruktion ersichtlich, in der Moritz für seine eigene Gefangennahme vorsorgte265: August sollte an seine Stelle treten und Leib, Gut und Blut daran setzen, Moritz zu rächen. Auch sollte August keinem Widerruf Glauben schenken, den Moritz möglicherweise in der Haft zu leisten gezwungen werden könnte. War es jene brüderliche Vertraulichkeit, die einem Mönch in Dresden das Leben kostete? Der Sage nach soll ein ehemaliger Franziskanermönch die Brüder einmal an der Festung Dresden belauscht haben und dafür hingerichtet worden sein.266 Seitdem kündige er immer den Todesfall eines Wettiners an, indem er in grauer Kutte mit dem Kopf unter dem Arm in Dresden spuke. In den Quellen ist zwar jener Spionagefall nicht nachweisbar, aber dennoch liegt er durchaus im Rahmen des Möglichen, und eine derart radikale Reaktion bildet ein Indiz, dass es sich um die Vorbereitungsgespräche zum Fürstenaufstand gehandelt haben könnte. Im April 1552 führten geheime Verhandlungen zwischen Kurfürst Moritz und dem Bruder des Kaisers, König Ferdinand, zum Erfolg.267 Er war die „stärkste Trumpfkarte“ im politischen Spiel des sächsischen Kurfürsten.268 Die heimlich geführten Gespräche wurden allerdings publik, so dass Moritz gezwungen war, sofort das Bündnis mit Frankreich zu kündigen.269 Im Mai zog das protestantische Heer von Innsbruck ab, denn Moritz erkannte, dass das maximal Erreichbare geschafft war und sich bei weiterem Druck die Folgen gegen ihn wenden könnten. Der Kompromissvertrag von Passau beendete im August den Fürstenaufstand.270 Die Freigelassenen, Landgraf Philipp von Hessen und Johann Friedrich von Sachsen, kehrten in die Mitte der evangelischen Bewegung zurück. Innerhalb der wettinischen Familie kam es zu Verwerfungen, die erst 1554 beigelegt werden konnten. Kurfürst Moritz intensivierte die Beziehungen mit Ferrara und Frankreich wieder und unternahm einen Politikwechsel. Der „kriegerische Markgraf “ wandte sich vom Fürstenbund ab, beging Brandschatzungen und Landfriedensbruch, wofür er Anfang Dezember 1553 geächtet wurde.271 Die militärischen wie diplomatischen Anstrengungen Moritz’ mündeten später in den Augsburger Religionsfrieden. Die Gefährdung des lutherischen Glaubens durch die Gegenreformation hat die Protestanten zu einer regen Geheimhaltung der Kommunikation veranlasst, die 1551–53 durch mündliche Mitteilungen an Gesandte sowie Chiffrierung erfolgte.272 Nach dem Tod Moritz’ von Sachsen in der Schlacht von Sievershausen 1553 kooperierte Philipp mit dessen jüngerem Bruder August, als dieser freundlich fragte, wie der Bundestag 265 266 267 268 269 270 271

Vgl. Kurfürst Moritz an Herzog August, 13. April 1552, in: ebd., Nr. 500a, S. 843. Vgl. Papke, Eva: Festung Dresden, Dresden 1991, S. 53. Vgl. Schäfer 2009, S. 110. Born 1960, S. 21. Vgl. Taddei 2010, S. 90. Vgl. dazu Rebitsch, Robert: Tirol, Karl V. und der Fürstenaufstand von 1552, Hamburg 2000. Badea, Andrea: „Es trieb ihn längst zum Krieg in der Unruhe seines Geistes“. Markgraf Albrecht von Brandenburg-Kulmbach und der Fürstenaufstand, in: Rebitsch, Fuchs 2010, S. 99–117, 116. 272 Vgl. Taddei 2010, S. 92.

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in Zeitz 1553 zu planen sei.273 Fortan schrieben sie sich regelmäßig Nachrichten und organisierten die Führung des protestantischen Lagers gemeinsam. Franciscus de Franchis sandte aus Ferrara unter höchster Geheimhaltung Jobst Bufler von Eilenburg zu Kurfürst August, da er gern das mit Moritz geplante Unternehmen nun mit seinem Bruder durchführen wollte. Es handelte sich um eine von den Türken unterstützte Aktion, an deren Ende Ungarn und Siebenbürgen an Kursachsen gelangen sollte.274 Da von diesem abenteuerlichen Plan aber nach 1554 keine weiteren Quellen zu finden sind, scheint Bufler bei Kurfürst August keinen Anklang gefunden zu haben. Mit den in England von Königin Maria I. ab 1553 unterdrückten Glaubensbrüdern stand Kursachsen über Johann de Lasko in Kontakt, der in Ostfriesland den neuen Glauben verankert und in England den Aufbau der reformierten Kirche vorangetrieben hatte.275 Nachdem de Lasko 1553 aus London über Dänemark nach Emden geflohen war, schickte er dem hessischen Landgrafen ab 1556 in Geheimschrift viele wertvolle Nachrichten.276 Es handelt sich um eine für diese Zeit überraschend komplizierte Chiffre. Je Vokal standen vier verschiedene Symbole zur Auswahl, je Konsonant zwei bis drei. Ergänzt wurde die Chiffre durch 16 Bigramme mit zugehörigen Zeichen und einen Nomenklator im Umfang von zwölf Begriffen mit jeweils einem Symbol und 47 Namen und Titeln mit jeweils zwei verschiedenen Zeichen. Lasko schien den verschlüsselten Brief innerhalb eines anderen Briefes transportiert zu haben, was für ein Höchstmaß an Vorsicht spricht.277 Somit pflegten die Protestanten ein intensives und stellenweise von konsequenter und professioneller Geheimhaltung geprägtes Netzwerk. Nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 trat Kaiser Karl V. seine Macht schrittweise an seinen Sohn Philipp II. und seinen Bruder Ferdinand ab. Während Karl V. auf seinen Reisen mündlich und vor Ort Informationspolitik betrieben hatte, wurde Philipp als „Papierkönig“ (el rey papelero) bekannt, was den Übergang von Reiseherrschaft zur bürokratisch organisierten Zentralherrschaft und das Ausmaß der persönlichen Büroarbeit Philipps II. verdeutlicht.278 Die Expertin Mia Rodriguez-Saldago geht soweit zu sagen, sein Geheimdienst habe sogar moderne Strukturen entwickelt, da sich die politische Lage mit dem Kalten Krieg messen könne mit Spanien in der Rolle der 273 Vgl. Kurfürst August an Landgraf Philipp, 24. August 1553, in: Neudecker 1841, XVI, S. 35. 274 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10530/1. 275 Vgl. Schreiben über Bedenken für das Vorbringen des Gesandten ( Johann Fuß) an Johannes Laski, als vertrauter Person, das danach an den Lordprotektor ( John Dudley) und dann bei Gelegenheit an König Eduard VI. von England zu bringen ist, 14. Juli 1551, in: Hermann, Wartenberg, Winter 1998, Nr. 137. 276 Vgl. Johann de Lasco an Landgraf Philipp, 2. November 1556, in: Neudecker, Christian Gotthold (Hrsg.): Neue Beiträge zur Geschichte der Reformation mit historisch-kritischen Anmerkungen, Band 1, Leipzig 1841, LIII., S. 124. Ein Abdruck der Geheimschrift ist im Anhang beigefügt. 277 Vgl. ebd., S. 124, Fn. 35. 278 Vgl. Burke 2008, S. 52.

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USA.279 Es sei angemerkt, dass Ludwig XIV. ihm in dieser Regierungspraxis in nichts nachstand280 und dass beide Könige aus einem ausgeprägten Informationsnetz schöpfen konnten, was nicht zuletzt ihren Erfolg begünstigte. Philipps Politik in Spanien, den Niederlanden und in Italien beobachtete Kurfürst August von Sachsen recht misstrauisch. Die Sorge um eine spanische Universalmonarchie und die von Rom gelenkte Gegenreformation veranlassten ihn, regelmäßige Nachrichten aus ganz Europa einzuholen. Sein Informationsnetz reichte von Leipzig und Augsburg über Brüssel, Wien, Rom bis in französische Feldlager.281 Von Bürgern, Adeligen und teils anonymen Informanten erfuhr Kurfürst August nicht nur die Heeresstärken und Transportwege des Nachschubs, sondern auch die Namen der französischen Gefangenen und die Gefährdung des Kursitzes. Diese letzte Information beinhaltete das Gerücht, der Papst wolle Lutheraner exkommunizieren und ihres Standes entsetzen, was Kurfürst August durch einen besonders glaubwürdigen, weil hochgestellten Informanten zugetragen wurde: dem Sohn des Kaisers. Mit dem künftigen Kaiser Maximilian II. begann Kurfürst August diese vertrauliche Korrespondenz über dessen Glaubensbekenntnis, als Gerüchte ruchbar wurden, dieser Habsburger tendiere zum lutherischen Glauben. In der Tat fühlte sich Maximilian unter Untreuen, und es blieb bislang ungeklärt, welcher Konfession er im Herzen eigentlich angehörte. Dem sächsischen Kurfürsten schrieb er geheime Mitteilungen mit verschiedenen chemischen Tinten. Die Anweisung lautete, das Papier in einer finsteren Kammer gegen ein Licht zu halten oder einen Badeschwamm mit Melissawasser zu netzen und damit über das Papier zu streichen. Wenn es der Kurfürst dann immer noch nicht lesen könne, sollte er es berichten, „so will ichs in der Zifer schraiben, so ich mit E. L. in Brauch bin“.282 Besonders interessant für den sächsischen Kurfürsten dürften „Zeittungen von einem vortraulichen Orth“ gewesen sein.283 Diesen zufolge soll Herzog Johann Wilhelm von den Franzosen angestiftet worden sein, als Feldherr nach Kursachsen einzumarschieren und sich die Kurwürde zu holen. Dazu habe Frankreich ihm die Tochter Heinrichs II. von Navarra zum Weib sowie 10.000 Reichstaler jährlich versprochen. Die zahlreich herumirrenden Gerüchte entsprachen allerdings nicht der Wahrheit, da Johann Wilhelm nicht in französische, sondern vielmehr in englische Dienste zu treten beabsichtigt hatte.284 Den guten Kontakt wollte der Kurfürst August für die sächsische Wirtschaft nutzen. Auf Betreiben seiner Gemahlin Anna aus dänischem Königshaus sollte 1565 im schwedisch-dänischen Krieg ein Embargo des schwedischen Waffenhandels in Wien verhandelt werden. Der entsandte Kanzler Ulrich von Mordeisen hintertrieb jedoch 279 Vgl. den Vortrag von Mia Rodriguez-Saldago auf der Tagung „Intelligence in World History“, London, 6.–8. Februar 2014. 280 Vgl. Burke 2008, S. 57. 281 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9300/37. 282 Zit. in: Weber 1865, Fn. 10. 283 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9300/37, Mitteilung, undat., f. 63. 284 Vgl. Knöfel 2009, S. 388.

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seinen offiziellen Auftrag, da er mit der Kurfürstin Zwistigkeiten austrug. Während er den kurfürstlichen Antrag bei Maximilian II. vorstellte, bemühte er sich mit einflussreichen Freunden, ihn scheitern zu lassen.285 Als dieses Doppelspiel der Kurfürstin Anna verraten wurde, fiel Mordeisen in Ungnade. Schon zuvor hatte Kurfürst August Mordeisen verdächtigt, Geld unterschlagen und ein Heiratsprojekt zwischen dem Bruder der Kurfürstin und einer österreichischen Prinzessin zum Scheitern gebracht zu haben. Bei diesem neuerlichen Vorwurf griff der Kurfürst hart durch und stellte Mordeisen bis zu seinem Tod unter Hausarrest. Die Beziehung zwischen Dresden und Wien erfuhren dadurch keine Trübung. Als Maximilian 1576 starb, wurde in Wien die heimliche Korrespondenz erst bekannt.286 Da er nun nicht mehr die gebündelte Information erhielt, musste der sächsische Kurfürst einen Gesandten zu informellen Gesprächen nach Österreich und Italien senden.287 Die in Frankreich tobenden Hugenottenkriege und das Edikt von Nantes motivierten viele protestantische Fürsten, Heinrich IV. von Frankreich zu unterstützen. Kurfürst August von Sachsen verpflichtet den protestantischen Franzosen Hubert Languet, den er aus Wittenberg kannte und der auch für den Landgrafen von Hessen arbeitete. Kurfürst August wusste von diesem Umstand nichts, sondern sandte dem Landgrafen einige Mitteilungen Languets, um sich für die von Philipp geschickten Berichte des hessischen Informanten in den Niederlanden, Conrad Spieß, zu bedanken.288 Der sächsische Kurfürst habe zeitweise noch andere Informanten unterhalten, u. a. Pietro Bizzarri und Wolfgang Zundelin, so Béatrice Nicollier. Languet sei ein professioneller Informant, ja beinahe ein Spion gewesen, da seine zeitnahen, quellenkritischen, sehr gut strukturierten und differenzierten Berichte mit Einschätzungen sowie nachträglich gelieferten Korrekturen auffallen.289 Von 1559 bis 1570 informierte er regelmäßig den sächsischen Kurfürsten über die Vorgänge in Frankreich. Die Briefe wurden meist aus Straßburg an einen Juden in Nürnberg, Joachim Camerarius, adressiert und gelangten von dort nach Dresden. Languet schrieb, die Boten würden für den Transport ihr Leben riskieren. Kurfürst August profitierte davon, dass Languet einkalkuierte, dass Informationen manipuliert wurden.290 Auf diplomatischer Ebene verständigten sich die beiden Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg bereits 1562 über eine gemeinsame politische Linie hinsichtlich der Hugenotten.291 Innerhalb der nächsten Jahre leiteten sie sich gegenseitig Informationsmaterial zu. Kaum getrübt wurde das gute Verhältnis, als ein Bote der sächsischen Kurfürstin 285 Vgl. „Mordeisen, Ulrich von“ von Theodor Distel, in: ADB, Bd. 22 (1895), S. 216–218; „Mordeisen oder Mordisius, Ulrich“, in: Zedler, Bd. 21, S. 822. 286 Vgl. Weber 1865, S. 338. 287 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8233/7. 288 Vgl. Nicollier 2012, S. 389. 289 Vgl. ebd., S. 385 f. 290 Vgl. ebd., S. 387. 291 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 39 Ältere Kriegssachen, Nr. 788; Nr. 789.

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auf dem Weg nach Lübeck im Brandenburgischen bei einem Überfall starb. Neben der Leiche fand sich der unten aufgeschnittene Briefbeutel.292 Zu anderen Zeiten hätte das möglicherweise eine mittlere Affäre ausgelöst. Doch der sächsische Kurfürst sah die Anstrengungen Joachims II. von Brandenburg bei der Aufklärung des Falles und hatte keinen Anlass, hinter dem Überfall eine lancierte Aktion des Herrschers zu vermuten. Kurfürst August besaß ein über das protestantischen Fürstenkolleg hinausreichendes Netzwerk, wie die sehr vertrauliche Korrespondenz Kurfürst Augusts mit Maximilian II. und Herzog Albrecht von Bayern beweist. 1577 sind in Bayern einige Details bekannt geworden, so dass der sächsische Kurfürst genötigt war, sein Geheimnismanagement zu verteidigen.293 Er ließ den Wittelsbacher wissen, dass er dessen Briefe in seiner eigenen Verwahrung behalte und nur bisweilen einem Sekretär den Schlüssel überlasse, dem er absolut vertrauen könne. Er bezweifelte, dass Herzog Albrecht die Schriften so stark verwahrte, da fünf Jahre zuvor auf der Herbstmesse zu Frankfurt ein großes Konvolut allerlei fürstlicher vertrauter Schriften den Kaufleuten durch die Hände gegangen sei, worunter auch etliche Kopien von Augusts eigenhändigen Schriften gewesen seien. Die Spur jener veröffentlichten Dokumente ließ sich aber nur bis zum Sekretär des päpstlichen Nuntius zurückverfolgen, der offenbar seinen Informanten nicht nennen mochte und nicht dazu gezwungen werden konnte. Insgesamt kann Kurfürst August als engagierter, gut vernetzter, treuer und wachsamer Protestant charakterisiert werden. Nach dem Regierungswechsel in Sachsen 1586 ging Christian I. von der Unterstützung der französischen Protestanten ab und verfolgte offiziell eine Politik der strikten Neutralität gegenüber Frankreich in Kombination mit traditioneller Kaisertreue. Dennoch solidarisierte er sich mit den protestantischen Fürsten, die Heinrich III. und Heinrich von Navarra gegen das Haus Guise und damit gegen spanisches und römisches Vormachtstreben unterstützten.294 Als sich Christian I. im Befreiungskrieg der Niederlande gleichermaßen positionierte, bedeutete dies zum Haus Habsburg eine direkte Konfrontation. Zur Behebung dieses Zwiespalts regte er die Vermittlung von Friedensverhandlungen an.295 Eine besonderer Geheimhaltung bei der Proliferation von Informationen erschien den Fürsten nicht erforderlich. So wechselten Schreiben ohne Chiffrierung, Anonymisierung ganz regulär zwischen Dresden und Cölln hin und her. Beide kämpften gewissermaßen mit offenem Visier. Dieser Abriss stellt nur einen Ausschnitt der evangelischen Geheimdiplomatie dar. Vergleichende Quellenrecherchen in den Archiven stehen noch aus.

292 Vgl. GStA OK, GR, I. HA Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1662. 293 Kurfürst August von Sachsen an Herzog Albrecht von Bayern, 27. März 1577, zit. in: Weber 1865, S. 338 f. 294 Vgl. Nimczyk 1986, S. 34. 295 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 39 Ältere Kriegssachen, Nr. 996.

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4.1.6 Spätfolgen der Wittenberger Kapitulation – Die Grumbachschen Händel 1566/67 Eingebettet in dieser „deutschen Adelskrise“ fand in Gotha eine für die wettinische Geschichte tiefgreifende Zäsur statt.296 Die Revisionspolitik der Ernestiner fand ihren Gipfelpunkt, als Johann Friedrich II. Einflüsterungen Glauben schenkte, die ihm die Wiedergewinnung der Kurwürde verhießen und ihn in den Abgrund rissen. Im Zentrum der Ereignisse stand der Ritter Wilhelm von Grumbach, ein Vasall der Fürstbischöfe von Würzburg. Sein erster Eintrag in der Geschichte betrifft den Verdacht, dass er 1525 im Bauernkrieg den Mord an dem gegnerischen Verhandlungsführer, seinem Schwager Florian Geyer, beauftragt haben soll.297 Des Weiteren geriet Grumbach infolge des Schmalkaldischen Krieges mit seinem Fürstbischof in Streit um die Abfindung für geleistete Dienste. Dies führte soweit, dass Grumbach sich der Person des Fürstbischofs Friedrich von Wirsberg bemächtigen wollte und dieser bei einem Attentat am 15. April 1558 getötet wurde. Er floh nach Lothringen und war auf der Suche nach einem neuen Dienstherren. Obwohl der Prozess beim Kammergericht noch im Gange war, ließ der Würzburger Bischof nach Grumbach und seinen Anhängern fahnden. Auf der Suche nach den Entflohenen wurde die Grenze des bischöflichen Landes abgesucht. Bei Herzog Johann Friedrich II. von Sachsen-Gotha bat man darum, im Notfall der Verfolgung eines Flüchtigen das herzogliche Territorium betreten zu dürfen.298 Da die ungestüme Art der Würzburger Reiterei die Bevölkerung verschreckte und Grumbach den Herzog darum bat, ihn vor der widerrechtlichen Verfolgung zu schützen, geriet Johann Friedrich II. in Gewissensnot. Markgraf Albrecht und Ritter Grumbach gossen mit Schmähschriften wider den Bischof Öl ins Feuer und bezeichneten diese als „ayd- und sigelbrüchige […] arglistige Conspiranten“.299 Nach dem Tod seines Beschützers, Markgraf Albrecht, musste Grumbach sich neuen Rückhalt suchen. Da der Markgraf nach der Schlacht von Sievershausen 1553 die Thüringer Lande vor Plünderungen und Verheerungen verschont hatte, bestand mit dem Gothaer Herzog eine guter Freundschaft, so dass dieser nun als erster Anlaufpunkt galt.300 Während der jüngere Bruder des Herzogs, Johann Wilhelm, strikt abgelehnt hatte, nahm Johann Friedrich II. den Ritter Grumbach als Rat an. Die Feindschaft beider Brüder mag ihn im Sinne dieser Entscheidung noch bestärkt haben.301 Grumbach wusste, den Fürsten für seine Zwecke zu gewinnen, indem er ihn durch „allerlei Vorstellungen und Vorspiegelungen“ einer möglichen Rückeroberung der Kur296 297 298 299 300 301

Press 1977. Vgl. „Geier, Florian“ von Alfred Stern, in: ADB, Bd. 8 (1878), S. 503. Vgl. Beck 1858, S. 423. Zit. in: ebd., S. 429. Vgl. ebd., S. 431. Bei der später stattfindenden Belagerung Gothas klagte Johann Friedrich I., seit Christi Geburt habe kein Bruder dem anderen so über gehandelt. Vgl. ebd., S. 539.

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würde blendete.302 Dabei dürfte Grumbach den erhofften Beistand aus Frankreich und Schweden sowie seinen Einfluss auf den deutschen Adel gewaltig überschätzt haben. Die Neigung Johann Friedrichs zu Aberglaube und schwarzer Magie machte ihn auch empfänglich für die geschickt von Grumbach inszenierten Engelsprophezeiungen des Sundhausener Bauernknaben Hans Müller, genannt Hänsel Tausendschön. Dem Herzog muss von den Verheißungen eines goldgefüllten Gewölbes, des Todes des Kurfürsten und großer Siege regelrecht schwindlig geworden sein. Grumbach lief sogar Gefahr, den Bogen zu überspannen: „Unter Anderem ließ er den Herzog durch einen Krystall den verlorenen Kurhut und die Kaiserwürde sehen.“303 Er organisierte dem Herzog auch eine sogenannte „Springwurzel“ zum Öffnen von Türen und Schatzkisten, mit der er die esoterische Seele Johann Friedrichs des Mittleren ansprach und sein volles Vertrauen erwarb. Der Herzog unterstützte ihn bei der Einnahme und Plünderung von Würzburg, wofür Grumbach und seine Unterstützer Wilhelm von Stein und von Mandelslohe 1563 in die kaiserliche Acht erklärt wurden. Ferdinand I. untersagte dem Herzog zudem den Schutz des Geächteten, doch der Tod des Kaisers 1564 brachte Grumbach und Johann Friedrich einen wertvollen Zeitgewinn. Der Herzog verlegte seine Residenz von Weimar auf die Festung Grimmenstein, um einen besseren Schutz vor militärischen Aktionen des Kaisers zu haben.304 Auch Kurfürst August war höchst nervös. Wegen der verdächtigen Reiter, die in verschiedenen Dörfern gesehen wurden, ließ er 1564 Dutzende Kundschafter in allen Ämtern umherstreichen, die etliche tausend Reichstaler kosteten und hunderte Seiten Berichte lieferten.305 Dabei scheinen auch Frauen zur Kundschaft herangezogen worden sein, da die Auflistung mehrfach eine „Gundula Schmieden“ und der Vermerk „mit seinem Weibe“ zur Beobachtung des Michaelsmarktes erwähnt.306 Andere Informanten waren Jägermeister, Schulzen, Schösser, Rentmeister, Amtsverwalter, Küchenmeister oder Kantoren. Aus seltenen Gefangenenaussagen wurde deutlich, dass Ewald von Carlowitz, ein Parteigänger Grumbachs, einige Dutzend Reiter mit Waffen und Giftpulver unterhalte, was dem Kurfürsten gelte.307 Kurfürst August ließ sie steckbrieflich suchen, hatte aber wenig Erfolg. Durch glaubhafte Kundschaften erfuhr Ende März 1565 der Kurfürst, dass Grumbach eine europaweite Verschwörung anzettelte, mit Schweden, Ungarn, Türken und Niederländern im Bunde stehe und Angriffe gegen Dänemark, Litauen, Kursachsen und Brandenburg plane. Seine Warnungen an den brandenburgischen Markgrafen Georg Friedrich verhallten ungehört, da dieser den Nachrichten keinen Glauben schenkte.308 302 303 304 305 306 307 308

Ebd., S. 433. Ebd., S. 435. Vgl. Kuhlbrodt 2011/12. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9715/1. Ebd., Liste von 1564, f. 157 f. Vgl. ebd., Aussage des Jacob Begen von Neustadt, 23. März 1564, f. 466 f. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10146/3, Briefverkehr Kurfürst Augusts von Sachsen mit Georg Friedrichs von Brandenburg, 23., 26. und 31. März 1565, unfol.

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Als Kurfürst August konkrete Truppenzahlen und Summen schwedischer Beistandszahlungen hörte und vernahm, dass der Sammelplatz Bremen sei und dass in Wien aller Wein konfisziert werde und 7.000 herrenlose, meist italienische Männer angeworben worden seien, geriet er in größte Nervosität und schrieb im Juni an den Markgrafen Albrecht von Brandenburg, der ihn abermals beschwichtigte, man habe keinen Anlass für Unfrieden gegeben und würde alle Kriegspraktiken ablehnen.309 Die Markgrafen lieferten zwar auch ihrerseits Informationen über Truppenbewegungen in Livland und Lothringen und einen Rittertag in Holfeldt, wollten sich aber an Kriegsspekulationen nicht beteiligen. Sie fühlten sich von der sächsischen Angelegenheit nicht betroffen. Wie sich im Nachhinein zeigte, war es aus ihrer Perspektive richtig, die Situation nicht weiter zu verschärfen, sondern sich vorerst aus allem herauszuhalten. Auch täuschte sich der sächsische Kurfürst in der Beurteilung der Lage, da Grumbach keine gewaltige Schlagkraft organisieren konnte (Grafik 18).

Grafik 18: Anwendung des Perzeptionsschemas auf die Grumbachschen Händel 309 Vgl. ebd., Briefverkehr Kurfürst Augusts von Sachsen mit Albrecht von Brandenburg, 15. Juni 1565, unfol.

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Gegenüber Grumbach befand sich Kurfürst August in keinem Informationsvorteil. Zwar fühlte Grumbach sich von August beobachtet, aber keiner von beiden wusste, wieviel die Kundschafter in Erfahrung brachten, nur dachte August, er wisse mehr als Grumbach (rot), während dieser glaubte, seine Geheimdiplomatie gegenüber dem Kurfürsten sei erfolgreich (blau). Jeder konnte somit das Gefühl genießen, dem anderen überlegen zu sein. Herzog Johann Friedrich nahm die Manipulation durch Grumbach nicht wahr, was dieser sehr wohl registrierte und bis zum Ende ausnutzte (gelb). Die Manipulation geschah gewissermaßen im Blinden Fleck des Herzogs, während für Kurfürst August die realistische Stärke der Grumbach’schen Koaliton unsichtbar war. Im Vergleich zu den Brandenburgern befand sich der sächsische Kurfürst im Stadium einer Fehlperzeption (grün). Aus seinem Bedrohungsgefühl ist erklärlich, dass die Situation eskalierte, und wegen der abgeklärten Haltung der Brandenburger ließ sich ein Flächenbrand verhindern. Die Affäre blieb auf Sachsen beschränkt und gingen nur als Händel und nicht als Krieg in die Landesgeschichte ein. Am 1. Oktober 1565 traf sich Grumbach mit Graf Günther von Schwarzburg auf dem Felde bei Arnstadt auf Wunsch des Grafen, um eine Vermittlung zu erreichen.310 Mehrfach habe er angeblich gegen den Kurfürsten Schmähungen geäußert und Drohungen mit Erwähnung von Mord und Zauberei ausgestoßen.311 Der Kurfürst stellte Grumbach deswegen zur Rede, und dieser rechtfertigte am 28. Februar 1566 seine geheimen Unterredungen, leugnete aber alle Vorwürfe. Doch alle Vorhaltungen und darauf geäußerten Entschuldigungen boten nur neuen Zündstoff und verursachten eine sich zuspitzende verbale Gewaltspirale. Zwei aufgegriffene und peinlich befragte Diebe namens Hans Böhme und Blesse belasteten Grumbach: er habe sie beauftragt, den Kurfürsten zu entführen, zu vergiften oder zu erschießen.312 Die Instruktion hätten sie sogar von Herzog Johann Friedrich und Wilhelm von Grumbach im Gothaer Schloss persönlich erhalten. Sie hätten Kundschaft einziehen sollen, wann der Kurfürst in welchem Revier jage, um ihn auf der Jagd zu erschießen. Gleichfalls habe Böhmes Vetter am kurfürstlichen Hof ein graues „gepulvert Kraut in einem Papier mit gegeben“, das dieser beim Koch versuchen sollte, ins Essen zu werfen.313 Da Böhme bei diesen Nachstellungen als vermeintlicher Kundschafter verhaftet worden war, flog der Plan auf. Doch während der Folter widersprachen sich Blesse und Böhme und änderten und widerriefen mehrfach ihre Aussage. Der Tatbestand war aber nicht zu leugnen, da der eingeweihte Adelige Antonius Pflug von Schradewalde gleichfalls beim Wein die geplante Entführung in Gegenwart von einigem Hofgesinde des Herzogs ausgeplaudert hatte, so dass das Ge310

311 312 313

Vgl. Hortleder, Friedrich: Von dem Teutschen kriege unter Keyser Carl dem Fünfften. Dritter Theil, Oder: Anhang und Fortsetzung des Andern Theils der andern Aufflage von Anno 1645 die Grumbachischen Händel betreffend. Welcher durch den Tod des Autoris, und anderer Ursachen wegen unterbrochen und nur bis pagina 252 vollbracht worden, o. O., 1645, S. 184 f. Vgl. ebd., S. 187 f.; Hamberger 2007, S. 67. Vgl. Ortloff 1868, Bd. 2, S. 366–383. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9667/12, Aussage Hans Böhme vom 5. Juni 1566, unfol.

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sinde den Herzog davon unterrichten wollte und durch Interzeption auch der Kurfürst davon erfuhr.314 Beide Quellen deckten sich; erst jetzt war dem Kurfürsten das Ausmaß der Bedrohung seiner Person gewärtig. Durch eigene Kundschafter, abgefangene Briefe und weitere Festnahmen von Mitläufern wie dem „gemüntzten Wolff “ bestätigten sich Kurfürst Augusts Befürchtungen.315 Die Interzeption war in diesem Prozess dem Kurfürsten nützlich gewesen, aber sie mag auch zur Eskalation beigetragen haben, denn später sagte Grumbach aus, er habe sich durch die kurfürstliche Interzeption zu diesem Auftrag genötigt gefühlt.316 Böhme starb am 18. Juni durch Vierteilen. So streng er mit Böhme verfahren war, so bemüht blieb er aber, die Angelegenheit mit seinem Vetter gütlich zu regeln. Mehrfach reiste der Graf von Schwarzburg zwischen beiden Lagern hin und her, um Anhörungen durchzuführen oder auch Klagen und Bescheide weiterzuleiten, jedoch verdächtigte die herzogliche Partei ihn der Verfälschung von Aussagen. Dieses Misstrauen goß zusätzliches Öl ins Feuer. Deshalb geschahen beiderseits parallel die Vorbereitungen zur Gefahrenabwehr bzw. zum Präventivschlag. Grumbach bereitete heimlich einen Ritteraufstand vor, und als dieser mangels Geld nicht stattfand, aber dem Kaiser bereits Nachricht davon vorlag, vollführte Grumbach eine Kehrtwendung und stellte es Maximilian II. so dar, als ob er die Ritter als schlagkräftiges Werkzeug des Kaisers gegen die Fürsten und die Türken zusammengezogen habe. Auf dem Reichstag in Augsburg 1566 erneuerte der Kaiser, der Grumbach weniger Glauben schenkte als Kurfürst August von Sachsen, indes die Acht und beauftragte den sächsischen Kurfürsten auch mit dessen Vollstreckung. Es war dies eine von über 50 Reichsexekutionen zwischen 1504 und 1793.317 Grund für das Durchgreifen war, dass die Ächter, ihr Anhang und ihre Konspirationsverwandten in einer ziemlich großen Anzahl nicht aufhörten, allerhand schädliche und empörerische böse Praktiken zur Erweckung neuer Unruhen, Sedition und Rebellion, und sonderlich einen gemeinen Aufstand der Untertanen wider ihre ordentliche Obrigkeit und der Lehnsleute wider ihre Lehnsherren zu expractizieren.318

Der Landfrieden und die Bewahrung der gesellschaftlichen Ruhe und Ordnung waren demnach das Ziel der verordneten Mission. Johann Friedrich der Mittlere verweigerte wiederholt die Auslieferung Grumbachs und wurde erst spät des Ernstes der Lage gewahr. Die Kriegsschuldfrage ist angesichts der langwierigen Vermittlungsversuche des Kurfürsten und der unbeugsamen Haltung Johann Friedrichs ungeachtet der kai314 315 316 317 318

Vgl. Hamberger 2007, S. 71. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9160/14. Vgl. Hamberger 2007, S. 70. Vgl. Marquardt, Bernd: Staatsbildung. Geschichte einer Dreifachrevolution. Von der vorstaatlichen Gesellschaft zum Staat der Industriegesellschaft, Stuttgart 2006, S. 114. Maximilian I. auf dem Erfurter Reichskreistag, August/September 1567, zit. in: Kuhlbrodt 2011/12, 25.12.2011.

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serlichen Drohkulisse relativ eindeutig zu beantworten. Der Herzog hat – aus gutem Glauben an die Verheißungen sowie aus Furcht vor einem Gesichtsverlust im Fall eines diplomatischen Rückzugs – Sachsen in den Krieg gesteuert. Für ihn standen spätestens seit der wiederholten Weigerung, sich von Grumbach loszusagen, alle Zeichen auf Konfrontation. Den magischen Vorspiegelungen Grumbachs erlag jegliche kühle Berechnung, so dass Johann Friedrich II. sich gewissermaßen für unbesiegbar hielt. Truppensammlungen in Erfurt veranlassten den Herzog, seinerseits militärische Einheiten um Gotha zu mobilisieren, allerdings konnte er den gothaischen Landadel nicht für sich gewinnen. Er bemühte sich, die Stadt Erfurt auf seine Seite zu ziehen und sandte Kanzler Christian Brück zu heimlichen Beratungen nach Erfurt. Der städtische Rat hatte bereits früher von dem Juristen Heinrich Husanus erfahren, dass der Herzog die Stadt angreifen wolle.319 Nachdem die Kundschafter des Kurfürsten die Gefahrenlage erkannt hatten, machte Brücks Anwesenheit nun die akute Lage sichtbar. Der Stadtsyndikus sandte den kurfürstlichen Räten eine vertrauliche Mitteilung.320 Diese kurfürstlichen Räte, Georg Cracow und Barthel Lauterbach, die in Stolpen und Rossa waren, schrieben einander in höchster Geheimhaltung ihre Meinung darüber und versicherten sich ihrer Verschwiegenheit. Der Kurfürst sandte einige Kundschafter aus. Eigentlich hätte es eines persönlichen Beratungstreffens darüber bedurft, aber angesichts der Zeitnot verzichteten sie darauf ebenso wie auf die Einbeziehung des Kurfürsten.321 Sie vertrauten darauf, im kurfürstlichen Sinne zu antworten, indem sie dem ehrbaren Rat der Stadt Erfurt rieten, sich von der herzoglichen „übermütigen Dranksaal […] abwendig“ zu machen, da ihnen sonst Nachteil und Schaden drohe.322 In der Tat konnte Johann Friedrich in Erfurt keinen Verbündeten finden. Der Kurfürst konzentrierte sich mit einem Heer von 5489 Reitern und 31 Fähnlein Fußvolk323 auf die Einschließung von Gotha und eine psychologische Kriegführung, indem er durch eingeschmuggeltes Schriftgut die Burg- und Stadtbewohner gegen den Herzog aufwiegeln wollte. Die Belagerung der Festung Grimmenstein dauerte von Weihnachten 1566 bis zum 13. April 1567. Grumbach gelang es, chiffrierte Briefe an Ernst von Mandesloh zu schicken. Ein gefangener Kanzleischreiber gab an, er sei zum Verschlüsseln gezwungen 319

Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9159/16, Rat zu Erfurt an den Kurfürsten August, 6. April 1565, f. 2. 320 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9159/17, Stadtsyndikus Thieme an die Räte, 9. Dezember 1566, f. 1. 321 „Ie wollte ich, Ir khemet heruber zu uns, das ich mit euch darauß rheden möchte, welchs m hohen h auch nicht unangenehm sein würde, dan schreiben lest sichs nicht aus dem Concept aber unser antwort werdet ir die summa fast vornehmen, unßer Herr godt und die Regiment erheldt, und die Handt ob d. Obrickeit zu halten pfleget gebe seins segen und gnae darzu.“ Ebd., Cracow an Lauterbach, 14. Dezember 1566, f. 5. 322 Ebd., Räte an Thieme, 14. Dezember 1566, f. 7. 323 Vgl. Kuhlbrodt, Ausgabe vom 03.12.2011. Während der Belagerung waren fast 16.000 Mann beteiligt. Vgl. Winzlmeier 2012, S. 30.

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worden.324 Der Kurfürst ließ eine kleine Einheit bei Seebergen stationieren, um Tag und Nacht Wache zu halten, „damit dem Feind nichts zu kome auch so daraus gleichfals nichts kome“. Der Obrist berichtete am 2. Februar, er habe von seinen Leuten ein Paket Briefe überreicht bekommen, das ein „Reißiger […] von sich geworffen“ habe, als er sah, dass seine zwei Weggefährten in Seebergen angehalten worden waren.325 Der Bote konnte flüchten, hinterließ aber den Kundschaftern das Paket, die es durch einen Adeligen zur kurfürstlichen Station bringen ließen. Kurfürst August erhielt die Originale, die sich nun im Sächsischen Hauptstaatsarchiv befinden.326 Im Weimarer Archiv ist eine andere Darstellung der Ereignisse zu finden: man habe einen Einspänner mit zwei Knaben und Briefen, seidenen Fahnen und 4000 Goldklippen, die für die anzuwerbenen Truppen bestimmt waren, abgefangen.327 Der Einspänner sei entkommen und habe dem Herzog die Hiobsbotschaft überbracht. Die in der belagerten Stadt aus Metallresten gestanzten „Klippenmünzen“ waren mit den Buchstaben „H.HF.G.K.“ bezeichnet, die Herzog Johann Friedrich als geborenen Kurfürsten auswiesen. Die „wunderlichen Schriftzeichen“ seien „glücklich entziffert“ worden, da man den Schlüssel fand, heißt es.328 Ernst von Mandesloh und die Rittmeister Johann Friedrichs II. erhielten demnach nicht die benötigten Mitteilungen von Wilhelm von Grumbach. Auf der Gegenseite war der Kurfürst nun über die Namen der Rittmeister und über die finanzielle Lage unterrichtet und wusste, dass Johann Friedrich II. von Frankreich eine große Summe in Aussicht gestellt worden waren.329 Des Weiteren wusste er nun von der desolaten Lage des Herzogs, der seine Soldaten auf künftige Hilfe vertröstete, „der sich vielleicht jetzig Zeit niemant vermuthen möchte“, und der seine Knechte nicht mehr entlohnen konnte, denn es hieß: „biß Gott der himlisch vatter unser hilff auch schick möchte, alsdann wollen wir durch verleihung göttlich gnade mit barer münz wider bezahlen“.330 Grumbach und Mandelsloh teilten bereits länger eine Chiffre. Im Nomenklator wurden Namen durch Tierkreiszeichen ersetzt, während für einzelne Worte Zahlen verwendet wurden.331 Da die niedrigsten Zahlen bei Worten standen, die mit „a“ begannen, und gegen Ende des Alphabets die Zahlen mit einem oberen Querstrich versehen wurden, besaß diese Verschlüsselungsmethode eine klare Systematik, die auch den Einbruch in das System erleichterte. Zudem gab es viele Teilhaber: die Chiffre kannten und benutzten der Herzog, Grumbach, die Herzoginmutter, Ernst von Mandelsloh und der 324 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9161/8, Geständnis des Kanzleischreibers Joachim Gottlich, unfol. 325 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Dienstmann an Kurfürst August, 2. Februar 1567, Loc. 9162/3, f. 1. 326 Vgl. ebd. 327 Vgl. Beck 1858, S. 536. 328 Beck 1858, S. 536. 329 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9162/3, Wilhelm von Grumbach an Ernst von Mandelsloh, 31. Januar 1567, f. 3–6. 330 Ebd., Wilhelm von Grumbach an Moritz Friesen, 1. Februar 1567, f. 7b. 331 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 4414/4.

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Mainzer Kanzleramtsverwalter Dr. Preuß. Dieser Gefahr war man sich wahrscheinlich bewusst, denn später schickte ein „Pater Clar“ aus Frankreich eine neue Chiffre aus griechischen Buchstaben und Symbolen. Ähnliche Chiffren kamen mit dem Oheim in Weimar, Moritz Friesen und mit dem Graf von Altenburg zum Einsatz.332 Wahrscheinlich fand nun eine mehrfache Umstellung der Chiffren statt, um das Geheimnis gut abzuschirmen. Die in der späteren Untersuchung des Kurfürsten gesammelten Nomenklatoren aller Grumbach’schen Chiffren geben ein eindrucksvolles Bild des Netzwerkes, das sich um Wilhelm von Grumbach gebildet hatte. Unter den 137 „Verbündeten“ (inklusive des „gemeinen Beistandes“) besaßen zwanzig eine Chiffre mit ihm, darunter auch eine Frau: eine nicht näher bezeichnete „Mutter“, die weder die Mutter des Herzogs noch Grumbachs sein kann.333 Leider gibt auch das rote Chiffrenbüchlein des eingeschleusten Maulwurfs Conrad Schmidt keinen Aufschluss, da er keine weibliche Person erwähnt.334 Am intensivsten verwendete er die Geheimschrift in der Korrespondenz mit Ernst von Mandelsloh, doch am umfangreichsten ist der Nomenklator von Herzog Johann Friedrich II. Am 3. Februar konnte ein weiterer Edelknabe aufgefangen werden, der mit Briefen von Asmus von Stein zum Herzog unterwegs war. Stein berichtete, dass er mit 300 Reitern von der Wetterau gezogen käme und wünschte Instruktionen für den Weg durch die feindlichen Linien nach Gotha.335 Mit diesen Informationen war es ein Leichtes, die Burg hermetisch abzuriegeln und die Entsetzungstruppen fernzuhalten. In der Stadt mehrte sich das Misstrauen ob der ausbleibenden Hilfe und böser Vorzeichen. Grumbach bemühte sich unterdessen, bei der Reichsritterschaft, in Frankreich und den Niederlanden Unterstützung zu gewinnen.336 Doch achtete der Niedersächsische Kreisoberste, Herzog Adolf von Holstein, durch Entsendung seines Stadtsyndikus u. a. in Lüneburg darauf, dass Grumbachs geheime Sendungen ins Leere liefen und „die Ächter keinen Anhang bekommen“.337 Auch nach Schweden hatte Johann Friedrich  II. einen Gesandten geschickt, um militärische und finanzielle Hilfe zu erbitten, Justus Jonas, den Sohn des Nordhäuser Reformators.338 Auf dem Rückweg musste er in einem Sturm auf der Ostsee seine Papiere über Bord werfen, bevor das in Seenot geratene Schiff sich in einen dänischen Hafen retten konnte. Der dänische König, ein Schwager des Kurfürsten von Sachsen, ließ den 332

SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9162/3, Wilhelm von Grumbach an Moritz Friesen, 1. Februar 1567, f. 7. 333 „Allvabeth so mein Herzog Johann Friedrich Wilhelm von Grumbach und Mutter diesenmahl miteinander genommen“ SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 4414/4; Loc. 9161/8; „Grumbach, Wilhelm von“ von Franz Xaver von Wegele, Band 10 (1879), S. 9. 334 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. Loc. 9162/17. 335 Vgl. Beck 1858, S. 540. 336 Vgl. Kuhlbrodt, Ausgabe vom 03.12.2011. 337 Zit. in: ebd. 338 Zur Geschichte von Justus Jonas vgl. Kuhlbrodt, Ausgabe vom 25.12.2011 sowie Ders. 2015, S. 277.

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Emissär auf sächsisches Geheiß hinrichten. Immerhin aber war die Gesandtschaft für Grumbach nicht unnütz gewesen, denn der schwedische König kündigte an, er wolle zu Ostern in Dresden Fladen essen. Unterdessen zeigten sich die ersten Widerstände bei der belagerten Bevölkerung. Als durch die kurfürstlichen Schriften in der Stadt bekannt wurde, dass der Kampf nur wegen der Person Grumbachs geführt wurde, verweigerten die Bürger dem Herzog den Gehorsam und bemächtigten sich des Ritters von Grumbach. Sodann wurden dem Kurfürsten die Stadttore geöffnet, so dass Gotha eingenommen werden konnte. Die Belagerung hatte 6.500 Opfer gekostet.339 Der Herzog beklagte sich über den Verrat, der ihn die Niederlage gekostet habe und stellte jenen, die ihm bis zum Ende die Treue hielten, einen Zeugnisbrief aus. Darin heißt es, der Gegner habe, wie des Sathanns gewonheit ist, eher durch seine List in unsere Rethe, Diener und Underthanen den Wirbelgeist bracht, und sie zu unpillichen unnd ehrenvorgessenen wegen gelockt, das sie uns als ihren Lehn und Landsfursten ganz boser und ehrenruriger weyse vorrathen und durch meuttery den feinden sampt der Vhestunge ubergeben haben […]340

Der Herzog verdeutlicht, dass die Meuterer ihre Ehre verloren hätten. In der Gegenüberstellung der Getreuen und der Verräter spannt der Herzog ein semantisches Feld des Ehrbegriffs auf: geradlinigen, ehrlichen und aufrichtigen Handlungen einerseits stehen ehrvergessene und listige Taten andererseits gegenüber. Die Zuschreibung des Verrats als Satanswerk durch Einbringung eines „Wirbelgeistes“ bezieht noch die religiös-esoterische Ebene mit ein. Eine sachliche Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Frontenwechsel war dem Herzog unter seinen Umständen nicht möglich, noch weniger durch seine esoterische Veranlagung. Die Verteufelung von Verräterei im 16. Jahrhundert wird in diesen Zeilen sehr stark sichtbar. Gegen Grumbach und seine Helfer wurden strenge Strafen für Landfriedensbruch verhängt. Die Stelle auf dem Marktplatz, wo Grumbach, Kanzler Brück und von Stein gevierteilt wurden, ist bis heute markiert. Die Gebeine wurden zur Abschreckung auf Stangen vor der Stadt ausgestellt. Weitere Geächtete wurden gehängt.341 Als Sage ist überliefert worden, Grumbach habe sich, als sich die Niederlage abgezeichnet habe, aus der Burg schleichen und in der Stadt in der Hützelsgasse verstecken können, sei aber von einem Mohren verraten worden. Am Rathaus ist über der Uhr ein Mohrenkopf mit beweglichem Unterkiefer angebracht, der zu jeder vollen Stunde den Mund bewegt und somit an den vermeintlichen Verrat Grumbachs erinnert. Herzog Johann Friedrich blieb mit seiner Gemahlin Elisabeth bis zu seinem Tod 1595 in der Wiener Neustadt und später in Steyr eingekerkert. Die stark ausgebaute Festung Grimmenstein war 1567 im Zuge der Grumbachschen Händel erobert und 339 Vgl. Winzlmaier 2012, S. 31. 340 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9164/7, Zeugnisbrief, 3. Juni 1567, f. 1. 341 David Baumgartner, Hans Baier, Hieronymus von Brandenstein und Hans Müller.

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anschließend geschliffen worden. Erst Ernst der Fromme hat Mitte des 17. Jahrhunderts auf dem Hügel wieder ein Schloss errichtet, das – in Anlehnung an den Westfälischen Frieden – den Namen „Schloss Friedenstein“ erhielt. Die Ernestiner waren mit dem Ausgang der Grumbachschen Händel endgültig ihrer Macht beraubt. Gotha galt lange als Inbegriff der Überwindung einer eigentlich uneinnehmbaren Festung. Aus dem Jahr 1623 ist in Daniel Meisners „politischem Schatzkästlein“ der allegorischen Drucke am Beispiel der Festung Grimmenstein die Chance erläutert, dass auch bei nicht ausgewogenen Kraftverhältnissen unter Einsatz von Listen ein Sieg möglich ist.342 Vor der Stadtansicht von Gotha ist der Kampf eines Fuchses mit einem viel größeren Ochsen neben Davids Triumph über Goliath zu sehen. Zwar hatte Kurfürst August seine Herrschaft mit dem Sieg über Johann Friedrich den Mittleren gefestigt, aber die damals verbreitete Furcht vor einem Bund des Niederadels gegen die Fürsten ließ ihn nicht ruhen. Noch Jahre später wurden Anhänger der insgesamt 33 „Ächter“ verfolgt und bestraft. Um die Aufenthaltsorte der Grumbachschen Unterstützer zu finden, wurden offen und insgeheim Kundschaften in Wirtshäusern, bei Bürgermeistern, Grafen und Fürsten, Amtmännern und Bischöfen eingeholt.343 Unter anderem empfing 1569 ein Jude namens Simon 40 Taler im Voraus für die Suche nach den Geächteten.344 Kurfürst August konnte sich der Amtsmithilfe sicher sein, da er bereits unmissverständlich deutlich gemacht hatte, dass er mit kaiserlicher Autorität rücksichtslos gegen jene sein konnte, die den Landfriedensbrechern Schutz gewährten. Der Fahndungserfolg sorgte dafür, dass auf der Liste der Verfolgten 24 Namen gestrichen wurden.345 Die Stadt Nordhausen, die dem Kurfürsten zur Heerfolge und Munitions- und Proviantlieferung während der Belagerung von Gotha verpflichtet gewesen war, wurde Schauplatz der Gefangennahme des Ewald von Carlowitz.346 Dieser Cousin des kurfürstlichen Rats Christoph von Carlowitz hatte mit der Grumbacher Partei sympathisiert und im April 1567 den Nordhäuser Ratsherrn Conrad Schmidt um Hilfe gebeten. Schmidt, der ein „eifriger Parteigänger Grumbachs“ gewesen war, erschien ihm als Berater der ebenfalls gegen den Landesherrn agierenden Grafen von Stolberg und Mansfeld und wegen seiner allgemein bekannten Vertrauensposition als geeigneter Unterstützer.347 Allerdings hatte Schmidt rechtzeitig die Seite gewechselt und informierte den Kurfürsten, so dass er von beiden Seiten gutes Geld verdiente. Seine teils verschlüsselten Berichte über Aufenthaltsorte und Praktiken des Ewald von Carlowitz schrieb er ab dem 7. Mai an den kursächsischen Rentmeister Barthel Lauterbach, teils 342 Sinnspruch: „Der Fuchs den Esel fallt mit List, ob er schon lang so starck nicht ist. Offtmahls im Krieg ein kleiner hauff, durch Kriegslist reibt den großen auff.“ Meissner, Daniel: Thesaurus Philopoliticus, 1623–31, Grimmenstein bei Gotha, Tafel B4. 343 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9160/15. 344 Vgl. Kuhlbrodt 2015, S. 281. 345 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9160/15, f. 1–3b. 346 Zum folgenden Abschnitt vgl. Kuhlbrodt 2015, S. 263–369. Erstmals veröffentlicht: Ders. 2011/12. 347 Kuhlbrodt 2015, S. 293; vgl. Ders. 2011/12, Teil vom 25.12.2011.

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unter den Pseudonymen Eitel Roth oder Tilo Osterland.348 Um sein Gehalt länger beziehen zu können, versteckte Schmidt Carlowitz auch einige Zeit bei sich. Doch versteckte sich der Verfolgte die längste Zeit im Haus des Juristen Michael Meyenburg und des Gastwirtes Hans John. Schmidt zog beide ins Vertrauen, so dass Carlowitz jetzt von seinen drei Unterstützern hintergangen wurde.349 Jedoch konnten sie dieses Doppelspiel nicht lange durchführen, da aus Angst vor Entdeckung Carlowitz immer häufiger sein Quartier wechselte und der Mitwisserkreis zusehends wuchs. Als Schmidt versuchte, ihn im Freihaus des Stifts zum Heiligen Kreuz unterzubringen, lehnte der Kanonikus ab. An dieser Stelle dürfte der Punkt gekommen sein, wo für Schmidt die drohende Gefahr, sich zu tief zu verstricken, jeglichen finanziellen Vorteil überwog. Er bereitete die Verhaftung vor, zumal seine Spionage genug Hinweise für einen Zugriff lieferte. Um einer gesellschaftlichen Ächtung als Denunzianten zu entgehen, wollten die Kollaborateure mit verhaftet werden.350 Nach dem heimlichen Eintreffen des kurfürstlichen Haftersuchens nahm der Rat der Stadt Nordhausen Carlowitz am 9. November 1567 wie vorgesehen mit Schmidt, Meyenburg und John fest. In Carlowitz’ Tasche fanden sich Briefe von Herzog Johann Friedrich, die als Beweisstücke dienten. Der Schösser zu Sangerhausen brachte Carlowitz über Leipzig nach Dresden, wo dieser am 22. November hingerichtet wurde. Die Anderen wurden unter einen milden Hausarrest gestellt und erhielten einen Scheinprozess nach dem Drehbuch Conrad Schmidts.351 Die Spionage Schmidts konnte mühsam geheimgehalten werden, und dieser freute sich über 2.000 Reichstaler „Judaslohn“, vier Hufen Land, 60 Reichstaler Zehrgeld und einen silbernen Becher. Meyenburgs Mittäterschaft wurde jedoch öffentlich bekannt, denn er wurde geächtet, so dass er Nordhausen mit den erhaltenen 500 Reichstalern verlassen musste.352 Der Kurfürst richtete es ein, dass er 1569 den Dienst als Amtsschösser in Roßla antreten konnte. Conrad Schmidt setzte seine geheime Berichterstattung von der Peripherie des Landes fort. Noch bis in den November 1570 informierte er den Kurfürsten durch Kontaktleute und verschlüsselte Briefe über die Politik in Nordhausen. Doch in seiner Stadt heizte sich die Stimmung dermaßen gegen ihn auf, dass er schließlich als Amtmann von Weißensee versetzt wurde.353 348 In einem seiner ersten Berichte am 19. Juni wechselte er zu dem Pseudonym und kommentierte: „Iwer den Schosser zu Sangerhausen werde ich euch mihtens lassen vornemen, ich wolt lieber der Vornahme in dem pfoch bis mir den brif bringen“. Die Briefe trugen bisweilen den dreifachen Vermerk „Cito“- eilt und waren drei Tage unterwegs. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9162/17, f. 6. Die Namen wurden mit Symbolen chiffriert. Den Nomenklator vgl. Loc. 9162/16. 349 Vgl. Kuhlbrodt 2015, S. 298. 350 Vgl. ebd., S. 299. 351 Vgl. ebd., S. 303–310. 352 Vgl. Prozessakte Conrad Schmidt contra die Stadt Nordhausen in puncto Entsetzung seines Ratsstuhles ratione seiner Verstrickung, HHStA Wien, RHR, Judic. APA K. 172, zit. in: Kuhlbrodt 2011/12, S. 411; desw. Ders. 2015, S. 302. 353 Der Rat erfuhr von seinem Doppelspiel und entließ ihn unehrenhaft. Im Bemühen, seine Ämter zurückzuerlangen, geriet er in einen Religionsstreit und klagte gegen den Rat. Die jahrelangen Unruhen kumulierten in einer Anklage als Anstifter dreier Morde. Eine Restituierung war

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Für die Ernestiner bedeutete das Jahr 1567 der Schlusspunkt hinter ihren Abstieg. Nicht nur Gotha war von Kämpfen erschüttert worden, sondern auch Weimar. Dort hatte Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar einen Religionsstreit zwischen der Landeskirche und der Universität um die Declaratio Victorini auszufechten. Die Hintergründe liegen darin, dass in der Disputation über das Augsburger Interim die so genannten Gnesiolutheraner keine Kompromisse eingehen wollten.354 Um Matthias Flacius bildete sich ein großer Kreis gegen die Philippisten, und der gemäßigte Johann Friedrich der Mittlere ließ von dem Jenaer Theologen Victorin Strigel die Declaratio Victorini aufsetzen, die alle Pfarrer unterschreiben sollten, um eine Einigung im Land herzustellen. In Sachsen-Weimar hatte der Gnesiolutheraner Bartholomäus Rosinus sich geweigert und musste Weimar verlassen. Nach der Niederlage Johann Friedrichs des Mittleren in den Grumbachschen Händeln und seiner kaiserlichen Gefangenschaft 1567 übernahm der streng lutherische Herzog Johann Wilhelm die Regierung auch über die Gothaer Lande und holte Rosinus wieder in das Amt des Superintendenten. Jedoch steigerte sich der theologische Konflikt weiter. Hofprediger Irenäus kritisierte den Jenaer Professor Johann Stössel, der mit den Gnesiolutheranern gebrochen hatte und dessen Entlassung deshalb auch von Flacius gefordert wurde. Der Herzog bat nun in einem chiffrierten Brief den Jenaer Philosophieprofessor Johannes Rosa um ein Gutachten und erhielt den vertraulichen Rat, bei den Theologen einen Kompromiss zu verhandeln und sich ohne Aufsehen von seinem gnesiolutheranischen Hofprediger Christoph Irenäus zu trennen, der weiteren Dissens fördere. Die Universität habe sich nicht gegen den Herzog verschworen, so Rosa. Weiterhin bat er um eine persönliche Unterredung: Ich auch die Zusage thun mussen „in zifre“ zu schreiben bedenklich find, weil solch Schreiben dadurch auch fur ander leuth kommen moch, Stelle demnach zu E. f. g. gnedigem Bedenken, ob e. f. g. solche empfangene antwort, von mir als derselben underthenigen armen diener muntlich zu gnaden anhoren mochten […]355

Er weist auf die Grenzen der Kryptographie hin: bei der Übermittlung könne leicht der Inhalt an Dritte gelangen, deren Interesse geweckt werden würde, wenn sie eine Geheimschrift erkennen, hinter der wissenswerte Informationen zu vermuten sind. Diese Gefahr war tatsächlich nicht von der Hand zu weisen, denn in diesen vier Briefen waren nur die Namen bzw. Amtsbezeichnungen chiffriert worden, um die Identität der Personen geheim zu halten. Eine komplette Verschlüsselung unterblieb – wahrscheinlich wegen des zeitlichen und personellen Aufwandes. In diesem Fall ist ausnahmsweise sogar der Autor der Chiffre bekannt; es handelt sich um den Pronotar Albrecht Kraus. unmöglich und die Versetzung ein Kompromiss zur Befriedung der Stadt. Vgl. Kuhlbrodt 2015, S. 317–369. 354 Griech. gnesios – echt. 355 FB Gotha, Chart.A. 40, S. 181–203, 199b.

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Was zwischen dem Herzog und Johannes Rosa ausgehandelt wurde, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich waren auch die Beschwerden der evangelischen Fürsten über das „unchristliche Verketzern“ der Flacianer in Thüringen ausschlaggebend, dass Irenäus nach Neustadt a. d. Orla versetzt wurde.356 Stössel verließ Jena im folgenden Jahr heimlich und wurde später bei Kurfürst August in Dresden Beichtvater. Vom lutherischen Hofprediger Georg Lysthenius gegenüber der Kurfürstin Anna wegen seiner kryptocalvinistischen Neigungen verraten, geriet er mit seinem Dienstherren wegen seinem diesbezüglichen Eifer, seiner Haltung in der Abendmahlsfrage und unehrerbietigen Äußerungen in Streit und kam bis zu seinem Tode auf die Festung Senftenberg.357 Als der Herzog dem französischen König im Kampf gegen die Hugenotten half, zog er sich den Unmut des Kaisers zu, der nun wiederum die Söhne des gefangenen Herzogs Johann Friedrich wieder in ihre Rechte einsetzte. Das Herrschaftsterritorium wurde 1572 in drei Teile geteilt: Sachsen-Coburg, Sachsen-Eisenach und ein verkleinertes Sachsen-Weimar. Johann Wilhelms Sohn Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar erregte 1583 bei der erzbischöflichen Wahl in Köln als listiger Diplomat Aufsehen. Der bayerische Herzog Ernst, zugleich Erzbischof von Köln, notierte seine Beobachtungen in einem Brief an seinen Bruder: Sunst sein der falschen brueder vil under uns, sunderlich herzog Friderich von Saxen ist yez alhie, treibt alerlay haimlich praticken […] Sorge, wan der iezig krieg gestilt, so werde man dan mit ime als ainem andern apostata neven krieg habm miessen.358

Die Wahl des Bayern auf den Kölner Bistumsstuhl war ein Erfolg der Gegenreformation, den die protestantischen Reichsfürsten und die Calvinisten trotz ihrer Geheimdiplomatie nicht verhindern konnten. Vergleichbare religionspolitische Ränkespiele waren auch am Dresdner Hof getrieben worden und sind wegen des höheren Rangs des Kurfürstentums von weitaus größerer Tragweite gewesen.359

356 „Irenaeus, Christoph“ von Gustav Frank, in: ADB, Bd. 14 (1881), S. 582. 357 Vgl. „Stößel, Johann“ von Georg Müller, in: ADB, Bd. 36 (1893), S. 471–473. 358 HStA München, Kasten schwarz 13478 (Alt 426/18), Herzog Ernst von Bayern an Herzog Wilhelm V. von Bayern, fol. 108r, zit. in: Leighton 1974, S. 837. 359 Kurfürst August hat in den vielen Malefiz-Angelegenheiten während seiner Regierung wiederholt konsequent agiert. Am Ende seiner Regentschaft hatte er 1580 noch einen Skandal um seinen Pfefferhandel zu klären. Zusammen mit seinem Kammermeister, Hans Harrer, hatte er den nordeuropäischen Gewürzhandel in Leipzig monopolisieren wollen und sich verspekuliert. Denn als der erhoffte Preisanstieg ausblieb, ging die thüringische Handelsgesellschaft all ihres eingelegten Kapitals verlustig. Harrer sowie der Münzmeister, der Kammersekretär Jenitz und der Aufseher über das Finanzwesen, Hans von Bernstein, wurden arretiert und der Verräterei bezichtigt. Harrer beging angesichts der hohen Verschuldung Selbstmord. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9668/14; Schirmer, Uwe: Öffentliches Wirtschaften in Kursachsen (1553–1631). Motive, Strategien, Strukturen, in: Schneider, Jürgen (Hrsg.): Öffentliches und privates Wirtschaften in sich wandelnden Wirtschaftsordnungen (= VSWG Beihefte. 156), Stuttgart 2001, S. 121–158, 151–154.

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4.1.7 Konfessionspolitik im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts In den späten 1560er Jahren bemühte sich Sachsen mit Hessen, der Pfalz und den Niederlanden, eine protestantische Allianz mit England zu schließen. Die Verhandlungen kulminierten in einer Konvention in Erfurt im Jahr 1569.360 Maximilian II. erfuhr davon nur, dass die deutschen Protestanten ein Treffen zur Erhöhung ihrer Sicherheit abgehalten hatten.361 Aber er zweifelte daran und beauftragte den bayerischen Herzog Albrecht V., die Wahrheit über die „protestantische Intrige“ herauszufinden.362 Besonders den sächsischen Kurfürsten August verdächtigte er. Herzog Albrecht beeilte sich, den befreundeten Kurfürsten von jedem Verdacht freizusprechen und stellte klar, dass Kurfürst Friedrich von der Pfalz der Kopf dieser Intrige sei. Jedoch wurde Papst Pius unterrichtet, und Lazarus von Schwendi informierte aus Straßburg den Kaiser, dass Sachsen mit Dänemark und der Schweiz eine dezidiert antikatholische Allianz geschlossen habe. Die Krise konnte nur bewältigt werden, weil Maximilian bei seiner neutralen Haltung blieb und dem Rat des Lazarus von Schwendi folgte, sämtliche Lagerbildungen im Reich zu verbieten. In der Tat bewährte es sich abzuwarten, denn in Erfurt scheiterten die Anwesenden daran, dass die Mehrheit der deutschen Lutheraner keine Fremdbestimmung durch England wünschten und auch die radikale antikatholische und antihabsburgische Haltung der Pfalz ablehnten. Sachsen und Brandenburg setzten sich mit ihren friedlichen Ansichten durch. Die Verhandlungen hatten die deutschen Katholiken sowie den Kaiserhof in Alarmbereitschaft versetzt und nicht wenig zur verstärkten diplomatischen Aktivität beider Lager geführt. Fortan lehnte sich England an Frankreich an und hielt Spanien von Westeuropa fern, so dass ein kontinentales Gegengewicht zur spanischen Großmacht bestand. Nach dem Tod Kurfürst Augusts unternahm dessen Sohn Christian I. einen Schwenk hin zum Calvinismus und verursachte dadurch eine Verschärfung der innerkonfessionellen Konflikte. Im Jahr 1589 berief Kurfürst Christian  I. den Juristen Nikolaus Krell zum Kanzler, der bereits seit 1580 am Dresdner Hof als Hofrat und Erzieher des Kurprinzen tätig gewesen war.363 Zwischen Christian I. und Krell bestand eine Vertrauensbeziehung, so dass Krell großen Einfluss auf den jungen Herrscher besaß. Eng mit dessen Person ist ein calvinistisches Intermezzo am Dresdner Hof verbunden, das aus der Absicht erwachsen war, den starken lutherischen Einfluss auszugleichen.364 Neben Krell war auch Andreas Pauli maßgeblich an der politischen Umorientierung beteiligt. Nach dem Tod Christians I. 1591 wurde Krell festgenommen und auf die Festung Königstein gebracht. In den Verhören warf man ihm vor, ohne Wissen des Kurfürs360 Vgl. Kouri, E. I.: England and the attempts to form a protestant alliance in the late 1560 s: a case study in eureopean diplomacy, Helsinki 1981, S. 165. 361 Vgl. ebd., S. 182. 362 Ebd. 363 Vgl. Nimczyk 1986, S. 44. 364 Vgl. ebd., S. 21.

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ten, der Räte und der Landschaft gehandelt zu haben oder diesen falsch informiert zu haben.365 Krell jedoch stritt diese Beschuldigungen vehement ab. Er leugnete auch, eigenverantwortlich in Arnstadt heimliche Bestallung gemacht zu haben und geheime Schriften aus der Kanzlei entwendet zu haben.366 In diesem Prozess bat Krell wiederholt (und letztlich vergeblich) um die Vorlage schriftlicher Akten, die ihn einer Lüge überführen würden. Er musste, da sein Förderer tot war, seine Verteidigungsstrategie auf die Glaubwürdigkeit schriftlicher Beweise bauen. Da ihm diese zum Großteil vorenthalten wurden, konnte er sich nicht entsprechend rechtfertigen, sondern die Gegenseite nur der „Erdichtungen“ beschuldigen, was einem positiven Ausgang freilich nicht zuträglich war. Krell war während des zehnjährigen Prozesses bis zu seiner Hinrichtung 1601 auf der Festung Königstein in dem nach ihm benannten Gebäude, der Krellburg, eingekerkert. Die spätere Haft anderer Staatsgefangenen in genau denselben Räumen dürfte eine gewisse einschüchternde Wirkung nicht verfehlt haben und war gewiss bewusst gewählt worden. Parallel zu diesem Intermezzo befleißigte sich der Herzog von Sachsen-Weimar, Friedrich Wilhelm I., einer ebenso abweichlerischen Politik. Wie durch aufgefangene Briefe bekannt wurde, biederte er sich Philipp II. von Spanien in einer Weise an, die den interzipierenden Brandenburgern unerhört erschien. Der Herzog schrieb, er wolle „Spanien mit Kriegsvolk zu Ross und zu Fuss […] beispringen“.367 Markgraf Georg Friedrich mochte kaum glauben, was er las und ließ Kopien an verschiedene Höfe verbreiten, die wahrscheinlich die Sache „für erdicht ding“ halten würden. Friedrich Wilhelm von Sachsen wurde zur Rede gestellt und bat um Vertrauen. Nach wiederholten Bitten um eine Erklärung seiner Haltung ließ er sich auf keine weitere Diskussion ein und brach die Korrespondenz mit Brandenburg ab. 4.1.8 Zusammenfassung Die außenpolitischen und religionspolitischen Herausforderungen ließen die sächsischen Fürsten im 16. Jahrhundert eine Fülle geheimdiplomatischer Praktiken anwenden. Insgesamt ist bei den Herrschern in Sachsen und Thüringen eine ambitionierte Politik und keine von vornherein defensive Ausrichtung zu beobachten. Chiffren und Decknamen waren in der vertraulichen Kommunikation brisanter politischer Absichten und Inhalte notwendig, da Boten häufig überfallen und ihrer Briefe beraubt wurden. Um einen Schaden durch solche offene Interzeption zu vermeiden, ist oft ein Wechsel von Schriftlichkeit zu Mündlichkeit vorgenommen worden. Es ist davon auszugehen, dass 365 Vgl. ebd., S. 50. 366 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Nikolaus Krell oder Extract aus Nikolaus Krells Aussage, auf dem Königstein getan, 1597, Loc. 9671/5, Art. 13, 23. 367 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 39 Ältere Kriegssachen, Nr. 1047.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Chiffren nur für besondere Anlässe erstellt wurden. So konnte im 16. Jahrhundert noch keine Routine in der kryptologischen Praxis erreicht werden. Unter den Protagonisten sticht die Herzogin von Rochlitz mit ihrem sehr gut überlieferten Nachrichtendienst im Schmalkaldischen Krieg hervor. Sie besaß Einsicht in die Notwendigkeiten einer guten Informationsanalyse und war in der Wahl ihrer Mittel kreativ und konsequent. Die in ihren chiffrierten Briefen erwähnten Fälle von Steganographie, Sabotage und Spionage lassen erkennen, dass das Spektrum in der geheimdiplomatischen Praxis von defensiv bis aggressiv reichte. Zugleich ist die wiederholte Erwähnung von erwünschter Beweismittelvernichtung ein Hinweis auf die Überlieferungsproblematik. Religionspolitisch motivierte Verschwörungen fanden auf regionaler (Pack’sche Händel) und europäischer Ebene (Fürstenaufstand) statt. Ihr Erfolg war abhängig von der Disziplin in der Geheimhaltung und vom Spiel auf Zeit, nicht von der Größe des EingeweihtenKreises. Im Bereich der Aufklärung sind vereinzelte Fälle enttarnter Spione aktenkundig. Das Dechiffrieren aufgefangener Briefe war angesichts der angewandten simplen kryptologischen Methoden noch recht einfach. Zwischen den Konfessionen ist eine ideologische Aufladung mit Feindbildern und Propaganda festzustellen, die auch Unbeteiligte in ihren Sog zog. Die konfessionelle Lagerbildung ließ jede diesbezügliche grenzüberschreitende geheime Kommunikation als Verrat erscheinen. 4.2 Der Dreißigjährige Krieg 1618–48 und seine Folgen Nach achtzigjährigen Kampfhandlungen versuchten die Gesandten den Knoten uralter Rechte zu zerschlagen, „die Europa wie eine heillose historische Nabelschnur stranguliert hatten“.368 In dem 1618 ausgebrochenen Krieg bündelten sich verschiedene Aspekte. Zum einen wurde um die Position des Reichsoberhauptes und der Stände gestritten, zum anderen eskalierte der Religionskonflikt zwischen Katholiken, Lutheranern und Reformierten, und drittens versuchten die Mächte des europäischen Staatensystems ihre Territorien zu erweitern und die Vorherrschaft über die Ostsee (Schweden) und Zentraleuropa (Frankreich) zu erlangen, wobei nicht die Staatsbildungsprozesse von den Niederlanden und der Schweiz außer Acht gelassen werden dürfen. Kurfürst Johann Georg  I. von Sachsen war am Status Quo des Augsburger Religionsfriedens interessiert und jeglichen Risiken abhold. Seine Politik der Besitzstandswahrung führte dazu, dass die Wettiner in dem europäischen Schmelztiegel latenter Konflikte eine Gratwanderung zwischen kaiserlicher Loyalität und Interessenvertretung für den Protestantismus vollführten und 1619 den „Absturz vom Grat“ erlebten.369 368 Soll 2009, S. 44. 369 Müller 2002.

4.2 Der Dreißigjährige Krieg 1618–48 und seine Folgen

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Die Unruhen in Böhmen hatte Kursachsen bereits vor dem Prager Fenstersturz im Visier und ließ die Szenerie vor Ort beobachten. Friedrich Lebzelter befand sich als Vertreter Sachsens 1618–20 in der Moldaumetropole. Man ließ den für die Aufständischen Sympathisierenden bei der Berichterstattung frei gewähren und enthielt ihm Kenntnisse über den Kurs des Geheimen Rates vor.370 Dadurch geriet er zwischen die Fronten. Seitens Dresden bekam er Verwarnungen, als er zwei Briefe verwechselte und sich gerüchteweise angeblich abfällig über die Dresdner Politik geäußert habe. Im ersten Fall versicherte er, nur mit dem Rat des Administrators von Magdeburg zu konferieren, im zweiten Fall beschwichtigte er den Hof, er sei Opfer privater Rivalen.371 Bereits 1612 war Hans Zeidler mit dem Pseudonym Hoffmann als Agent nach Wien entsandt worden. Durch seine Berichte war Kursachsen über die kriegstreibenden Gruppen am Kaiserhof im Bilde und besaß oft Vorinformationen, bevor Wiener Schreiben in Dresden ankamen.372 In einem geheimen Schreiben an die Kurpfalz äußerte sich der Kurfürst, man solle die Niederländer „von deß Reichs wegen bekriegen unnd von deß Reichs Boden treiben“.373 Die von den Geheimen Räten nach dem Prager Fenstersturz befolgte Deeskalationsstrategie scheiterte.374 Zunächst verschleppten die Böhmen alle Verhandlungsansätze, so dass die Sachsen ihre Strategie nach dem Tod Kaiser Matthias’ im März 1619 anpassen mussten und auf einen durchschlagenden Sieg des Kaisers in Böhmen hofften, sich aber darin täuschten, dass die norddeutschen Protestanten diesen Schwenk mitmachten. Wegen dieser Fehlperzeption kam kein überkonfessionelles Bündnis zustande, so dass sich im Rücken des böhmischen Feldzuges bereits neue Kriegsziele anderer Fürsten herauskristallisierten. Sachsen versuchte sich zunächst aus den Kriegshandlungen herauszuhalten, um dann in den 1630er Jahren desto stärker von den Verheerungen getroffen zu werden. Maßgeblich verursacht wurde das Leid der Bevölkerung von den mehrfachen Frontenwechsel Kurfürst Johann Georgs I. Der Spagat zwischen lutherischer Konfession und kaisertreuer Politik musste bei den Polarisierungen im Reich „über kurz oder lang zwangsläufig in eine Sackgasse münden“.375 Die anfängliche Neutralität und Versuche zur Vermittlung zwischen Union und Liga brachten Johann Georg I. zunächst in die Position, nach dem Tod von Kaiser Matthias 1619 die böhmische Königskrone angeboten zu bekommen. Er ließ diese Großchance für Sachsen aber aus, das mit einer territorialen Verbindung beider Länder ungemeine politische Optionen und Gewichtsverschiebungen im Reich in der Hand gehabt hät-

370 371 372 373 374 375

Vgl. Müller 1997, S. 113. Vgl. ebd., S. 114. Vgl. ebd., S. 101. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9818/1, Brief an Kurpfalz, 6. Februar 1616. Vgl. Müller 2002. Thoß 2008, S. 22.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

te.376 Die böhmischen Stände umwarben den sächsischen Kurfürsten vom 20. März bis Mitte August 1619, scheiterten jedoch an der Furcht vor einer aufkommenden Feindschaft mit dem Haus Habsburg.377 Für seinen militärischen Einsatz bei der Unterwerfung der böhmischen Nebenländer erhielt Johann Georg I. 1620 die beiden Lausitzen als Pfandbesitz und zog sich anschließend wieder auf seine Neutralität zurück. Er hoffte, dass der Kaiser die Treue und das Engagement mit der pfälzischen Kurwürde belohnen würde. Doch statt seiner erhielt der bayerische Herzog Maximilian  I. 1623 die pfälzische Kurwürde  – eine schwere Enttäuschung für Sachsen. Die Anbindung an den Kaiser war nicht unumstritten. Es tauchte sogar ein gefälschter Brief des dänischen Königs auf, in welchem dieser angeblich dem sächsischen Kurfürsten von der Kaisertreue abgeraten hätte.378 Das kaiserliche Restitutionsedikt von 1629, das die Rückgabe der geistlichen Besitztümer nach 1555 an die Katholiken betraf, ließ Johann Georg I. auf Distanz zu Ferdinand II. gehen. Der Kriegseintritt Schwedens und die Eroberungen Tillys in Magdeburg und Leipzig veranlassten Sachsen, auf schwedischer Seite zu kämpfen. Doch das Kriegsglück Wallensteins und Tillys gaben den Ausschlag für die erneute Hinwendung zum Kaiser. Dem Heilbronner Bund der protestantischen Reichsfürsten trat Sachsen nicht bei und führte geheime Verhandlungen mit Wien. Sie gipfelten in dem Frieden von Prag 1635, der für Sachsen das Ende der Kämpfe bedeutete. Wie Anja Victorine Hartmann durch Dechiffrierung eines Berichtes entdeckte, mochte der französische Resident in Wien kaum glauben, dass diese „jonction“ ohne Zutun des Papstes zustande gekommen sei.379 Doch für Sachsen war der Krieg noch nicht beendet: die Rückkehr der Schweden nach Mitteldeutschland ließ bis zum Waffenstillstand von Kötzschenbroda 1645 das Land erneut unter schweren Zerstörungen und Verheerungen leiden. 4.2.1 Kursachsen und Böhmen In den Wirren 1618–20 war Kursachsen ein Zünglein an der Waage. Die kursächsische Vermittlungsdiplomatie stand mit der für April 1619 anberaumten Konferenz („Interpositionstag“) kurz vor einem Durchbruch, als Kaiser Matthias starb und mit ihm alle Friedenshoffnung begraben war.380 Der Pfälzer Ludwig Camerarius erbat beim sächsischen Kurfürsten Hilfe in der Frage der Kaiserwahl, um die Wahl Ferdinands abzuwenden. Jedoch lehnte Johann Georg  I. eine Parteinahme ab, da er sich weder das ganze Königreich Böhmen noch das ganze Haus Österreich „auf den Hals laden“ 376 Vgl. ebd., S. 22. 377 Vgl. Müller 2002, S. 62. 378 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Lebzelter an Johann Georg I., 9. Mai 1620, Loc 9175, 31. BUKB, f. 358, zit. in: Müller 1997, S. 355. 379 Vgl. Hartmann 1995, S. 61. 380 Vgl. Burkhardt 2013.

4.2 Der Dreißigjährige Krieg 1618–48 und seine Folgen

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wollte.381 Es war ihm wichtig, freie Hand zu behalten. Da er sah den erwartbaren Sieg des Habsburgers voraussah, ging er nicht persönlich zum Wahltag nach Frankfurt. Auch ahnte er wohl, dass der Pfälzer nur befristet als König von Böhmen agierte. Nach der Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg blieb Friedrich V. nur die Flucht, und Johann Georg I. konnte sich bestätigt sehen. In den Jahren nach der Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg, war Friedrich von der Pfalz bestrebt, die Entwicklung in Böhmen zu korrigieren. Die allergeheimste Instruktion des Winterkönigs über die Politik in Böhmen nach seiner erfolgreichen Inthronisation war kurz nach der Schlacht am Weißen Berg öffentlich bekannt geworden. Er strebte nach der Kaiserkrone, wollte die Gegner aus dem Weg räumen, durch Morde „billich ein bedencken und heimliche forcht machen“ und allerlei Ränke anwenden, um sich in Europa zu behaupten.382 Somit war allgemein eine antiböhmische Stimmung entfacht. Nur Gustav II. Adolf von Schweden sollte später als einziger die Restitution Friedrichs von der Pfalz konsequent verfolgen. Dazu stand er bereits in den 1620er Jahren mit dem Leiter der Exilregierung Friedrichs in Den Haag, Ludwig Camerarius, in Briefkontakt. Ein großangelegtes Netzwerk von Bundesgenossen, dem auch die Ernestiner angehörten, sollte zugunsten der Liga tätig werden. Der 1620 nach Siebenbürgen geflohene Regimentskommandeur der Böhmen, Heinrich Matthias von Thurn, sprach der Idee einer schlesischen Expedition zu, um den Krieg in Feindesland zu tragen. Der sächsische Kurfürst blieb offiziell bei seiner neutralen Haltung. Doch aus dem Jahr 1620 liegt ein Schreiben des Kaisers an Johann Georg I. vor, das ein Projekt über die Konversion des Wettiners zum Katholizismus enthält.383 Von beiden Seiten wurde um den sächsischen Kurfürsten geworben. Im Jahr 1620 war Johann Georg I. aber keineswegs gewillt, in das kaiserliche Projekt einzuwilligen. Im Oktober 1625 hatte Tilly einen Brief des Pfälzers an Thurn abgefangen, in dem ein gemeinsames Vorgehen von Mansfeld, dem dänischen König Christian IV. und Gábor Bethlen angekündigt wurde. Mit finanzieller Unterstützung Venedigs sollte ein Mehrfrontenkrieg die Entscheidung bringen.384 Dieser Expedition, die im Folgejahr begann, schloss sich auch Johann Ernst von Sachsen-Weimar an, der wegen seiner Weigerung, sich nach der Niederlage am Weißen Berg dem Kaiser zu unterwerfen, seine Herzogswürde abgegeben und ab 1626 als General für den Dänenkönig kämpfte. Nachdem Ernst von Mansfeld bei Dessau geschlagen war, ließ sich Wallenstein von den Truppenbewegungen täuschen und sah erst die vereinte Armee, als sie einen deutlichen Vorsprung Richtung Schlesien hatte. Herzog Johann Ernst gelang die Unterwerfung fast ganz Schlesiens und einiger Teile Mährens, während Mansfeld sich mit dem ungarischen Heer von Gabór Bethlen vereinigte und Kontakt zu den Osmanen aufnahm. Der plötz381 382 383 384

Vgl. Klopp 1896, Bd. 1, S. 370. Secretissima instructio 1620, § 3. Abschrift aus dem HHSTAW, Saxonia, 2d in: SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10331/6. http://www.koni.onlinehome.de/ausfuehrliche-biographien/thurn-frames.htm [19.10.2011; ASR]

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liche Tod Mansfelds beendete die Erfolgsserie, und Johann Ernst bat um kaiserliche Gnade. Eine ungarische Speise kostete den Herzog noch im selben Jahr das Leben.385 Ein Teil der Korrespondenz zwischen Schweden und Bethlen konnte in Polen abgefangen werden, und König Sigismund III. zögerte nicht, die Informationen an den Kaiser weiterzureichen.386 Fortan stellte sich die schwedische Diplomatie jeglichen kaiserlichen Friedensversuchen mit unannehmbaren Forderungen in den Weg und änderte ihre Pläne dahingehend, keine schlesische Expedition durchzuführen, sondern die böhmischen Bauernaufstände zu beobachten. Zahlreiche böhmische Exulanten traten in schwedische Dienste, ebenso auch Camerarius und Thurn. Im Verlauf der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden musste Schweden jedoch, auch auf Druck kursächsischer Propaganda, von seinen Versprechungen gegenüber den Pfälzern abrücken. Der Vorwurf der protestantischen Stände, den Krieg in die Länge zu ziehen, war zusammen mit dem französischen Bemühen, weder ein kaiserliches noch ein schwedisches Hauptgewicht auf dem Kontinent zuzulassen, Anlass für Axel Oxenstierna, 1648 in den Präliminarvertrag einzuwilligen.387 4.2.2 Der Kanzleienstreit Ein eindrucksvolles Exempel, welch politisches Ausmaß Postinterzeption annehmen konnte, liefert der sogenannte Kanzleienstreit ab 1622, eine publizistische Auseinandersetzung beider Lager.388 Sachsen hatte in diesem Streit lediglich eine Zuschauerrolle, da Kurfürst Johann Georg I. mit der Bekämpfung calvinistischer Anhänger des Kurfürsten Friedrichs V. von der Pfalz beschäftigt war. Kaiser Ferdinand II. erhielt von seinen Spionen an fremden Höfen mehrfach Berichte, dass unzufriedene Untertanen mit Christian von Anhalt-Bernburg konspirierten.389 In der Tat liefen alle antihabsburgischen und antikatholischen Fäden in Anhalt zusammen. Nachdem bei der Niederlage der Union am Weißen Berg im November 1620 die anhaltische Kanzlei mit kompromittierenden Briefen Kriegsbeute der Katholiken wurde und sich darin „viel secrete Schriften“ über „enormia crimina“ fanden, beschloss der bayerische Rat Jocher, die Inhalte in Auszügen als Flugschriften zu publizieren. Wie die Quellen aus der Kanzlei genommen worden waren, ließ die Druckschrift offen. Der Jesuit Jakob Keller bereitete die Akten auf und kommentierte sie. Die 95 Considerationes sollten die Kriegsschuld Friedrichs V. von der Pfalz beweisen und die Reichsacht 385 Vgl. „Johann Ernst (dänischer General)“ von Ernst Wülcker, in: ADB, Bd. 14 (1881), S. 352–360. 386 Vgl. Hroch, Miroslav; Barteček, Ivo: Die böhmische Frage im Dreißigjährigen Krieg, in: Duchhardt, Heinz (Hrsg.): Der Westfälische Friede, München 1998, S. 447–460, 456. 387 Vgl. ebd., S. 460. 388 Vgl. Koser 1874. 389 Vgl. ebd., S. 3.

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gegen ihn rechtfertigen. Für die Union war diese Aktion „verheerend“.390 Die Flugschrift verlautete zudem, dass die Calvinisten angeblich ein türkisches Dominat errichten wollten. Bayern lancierte diesen Angriff, da es mit Blick auf die Kurwürde die Pfälzer bloßzustellen trachtete. Ein anderes Pamphlet hielt dem Pfalzgrafen in Heidelberg die seit 1612 vorbereitete Allianz mit den Generalstaaten vor. Angeblich wortgetreu publizierte man die Instruktionen, Protokolle, Gesandtenberichte und Gutachten, die aus der Heidelbergischen Geheimen Ratsregistratur und Kanzlei genommen worden waren. Darin fanden sich angeblich „Prophezeyungen“, wie man die Papisten „ausrotten“, die Umsetzung des Leipziger Beschlusses im Obersächsischen Kreises verhindern, der Pfalz und Sachsen-Weimar zum Aufstieg zu verhelfen sowie Österreich und Kursachsen untergehen lassen könne.391 Aus einem angehängten Schreiben des ehemaligen pfälzischen Geheimsekretärs Dathenes in London konnte jeder Leser ersehen, wie es um die Protestanten stand. England wisse durch die brandenburgischen Gesandten um die geringe Einigkeit und schätze die Union als „bawfällig“ ein.392 Dathenes hoffte, dass das Simulieren weiterhin seinen Nutzen habe und ein Schwert das andere in der Scheide halten werde.393 Bissig wurde dieser Brief kommentiert: Posito aß die Union ihr Zusagen oder vilmehr grosses Schnarchen nicht behaupten können, vermainen doch die Pf. Räth das mit simuliern, trohen, bochen, vergebner eingebilter opinion, unnd was dergleichen an ihnen nun mehr wol gewohnet List mehr sein, Sie dannoch zu ihrem Zweck gelangen und also wo die Löwendatzen nicht angehen, ihnen erlaubt, sich deß Fuchßschwantz zu behelffen und zu praeualiern.394

Damit soll der Öffentlichkeit bewiesen werden, dass jegliches Bluffen seitens der Protestanten bereits durchschaut ist und ein Anzeichen von Schwäche sei. Das Sprachbild des Fuchsschwanzes nimmt Bezug auf die Ikonographie der List. Mit ebensolchem Spott wird im Kommentar betont, dass die verdrießliche Lage der Unierten und ihre Langsamkeit sie bislang daran gehindert habe, etwas Rasches gegen die Papisten auszurichten.395 An anderer Stelle ließ der Kommentar jedoch durchblicken, dass dieser Brief Dathenes’ tatsächlich auch etwas Neues für die Katholiken enthielt, nämlich die Ausrichtung der Allianz auch auf den Kurfürsten von Sachsen, der laut Dathenes ins Nachdenken käme und „nicht so leicht aus dem Geschirr zu schlagen“ sei.396 Um den Eindruck der Langsamkeit der Union zu verstärken, folgt in dem Druckwerk eine in Heidelberg gefundene anonyme Prophezeiung, die besagte, dass noch vor 1660 der schwarze Adler 390 391 392 393 394 395 396

Schmidt 2001, S. 191. Vgl. Holländische Bundtsverwandtnuß 1624. Ebd., S. 13. Vgl. ebd., S. 14. Ebd., S. 14. Vgl. ebd., S. 13. Ebd., S. 15.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

von den Türken zerrissen werde und sein Zepter niederlegen müsse, das sodann ein blau-weißer Adler aufnehme.397 Der Kommentator merkte an, dass der Prophet sich auf die nächsten vierzig Jahre beziehen müsse, weil der Pfalzgraf und die Holländer nicht so geschwind zu Werk gehen könnten. Im letzten Anhang setzten sich die Katholiken mit den Kaiserträumen Sachsens auseinander und hielten dem Heidelberger Propheten eine Anhaltische Prophezeiung vor. Derzufolge würde Sachsen als Direktor der neuen anhaltischen Liga von einem starken Senat um Dänemark, England, Schweden, Ungarn, Türken, Sachsen-Weimar, Halberstadt und Böhmen umgeben sein und dadurch stark gedemütigt werden. Wenn Brandenburg dem sächsischen Kurfürsten nur diesen „Floh ins Ohr zusetzen“ vermochte, könnte in Sachsen ein Hauskrieg erweckt werden, so dass Kursachsen weit davon entfernt sei, seine Äste über die Bäume auszustrecken, wie es in der Heidelberger Prophezeiung heißt.398 Die Protestanten konterten mit einer noch älteren Prophezeiung, es würden „zween junge Herren auß dem Geschlecht des Rautenkräntzleins […] zu großem Ansehen und Ehren“ gelangen.399 Die Bedeutung der Kanzleien kam durch den Druck ihrer Inhalte deutlich zum Vorschein. 1622 fielen die Briefe der spanischen Kanzlei in die Hände der Protestanten, denn etliche kaiserliche Briefe an den Abgesandten in Spanien, den Kapuzinermönch Hyacinth de Casal, und an den päpstlichen Nuntius in Wien wurden am Oberrhein von Soldaten des protestantischen Heerführers Ernst von Mansfeld abgefangen.400 Hyacinth de Casal sollte in Madrid die Übergabe der pfälzischen Kurwürde an die Wittelsbacher in Bayern unterstützen; zugleich war nun ersichtlich, dass die Ächtung des Winterkönigs von Beginn an geplant war.401 Der Union schien die Gefahr einer Universalmonarchie mit diesen Urkunden real. Auf den vollständigen Abdruck in spanisch, italienisch und deutsch folgten deutlich schärfere Gegenschriften. Dabei wählte man aus der Beute nur bestimmte Stücke aus, um die eigene Position zu stärken. Auf die Schrift von Ludwig Camerarius über die heimlichen türkisch-päpstlichen Geheimnisse, angeblich wörtlich wiedergegeben aus der spanischen Kanzlei, wurde 1626 eine geheime Instruktion zwischen Frankreich, Großbritannien und Holland, die in Belgien abgefangen worden war, publiziert.402 Die 397 398 399 400 401 402

Vgl. ebd., S. 78. Ebd., S. 80. Ebd., S. 83. Vgl. Koser 1874, S. 23. Vgl. Schmidt 2001, S. 192. Vgl. Camerarius, Ludwig: Mysterium inquitatis, sine secreta secretoru turco papistica secreta, contra labellum famosum, sub titulo segreta calvinoturcica, auctore quodam personato Theonesto Cogmandolo Politiae Christianae professore aliquoties editum, XCV. considerationibus revelata, et totidem eius malitiosis et ex mera caumnia conflates considerationibus ex parallelo opposite. Quibus praecipuae criminationes, falsitates et calumniate ex vulgo ita nominate Anhaltina Cancellaria in innocents dolo malo spatsae accurate reiciuntur, diluuntur, artefutantur, solideq demonstrator, ies vita catholicos per latus ictorum calvinistarum iugulum omnium Lutheranorum perere, et cauae communis evangelicae exitium universal serio moliri: Vindice libertatis Germanica, Justo justino Justinopolitano, Denua acta et reuisa in Cancellaria Hispanica Omnia et cum originalibus collate,

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Jesuiten verfassten kurze Zeit später eine Streitschrift gegen die Geheimakten der Protestanten.403 Die Drucke dienten zur Legitimation des gegenseitigen Misstrauens. Der Kanzleienstreit ist ein bedeutsamer Mosaikstein der Diplomatie des Dreißigjährigen Krieges, da die geheimen Pläne offengelegt wurden und dieser Umstand Einfluss auf Entscheidungen nahm. Auf den sächsischen Kurfürst verfehlten die Drucke ihre Wirkung nicht, da er darin eine Verlogenheit des Kaisers zu erkennen glaubte. Als der Kaiser versuchte, die berechtigte Inbesitznahme der Lausitzen zu verhindern, und im Erzstift Magdeburg seinen Sohn, den Erzherzog Leopold Wilhelm, einsetzte, statt eines zum Administrator postulierten wettinischen Prinzen, und als zu guter Letzt das Restitutionsedikt die politische Macht des Sachsen gefährdete, rückte Johann Georg I. vom Kaiser ab und unterstützte 1630–35 Gustav II. Adolf von Schweden. Mitauslösend für den Seitenwechsel dürfte ein Druckblatt gewesen sein, das dem Kaiser sein gegebenes Versprechen auf Belohnung für Reichsdienst und Treue sowie seinen Wortbruch öffentlich vor Augen hielt.404 Die Kurfürstin hatte ihren Mann schon 1631 eindringlich zu einem Frontenwechsel geraten, da sie von einem Seher namens Johannes Werner eine Vision erhalten habe, dass Sachsen, die Familie und das Schloss anderenfalls völlig zerstört werden würden. Ähnliche Träume und Vorhersagen gaben den abergläubischen Zeitgenossen eine Stimme für die innersten Befürchtungen und Hoffnungen.405 4.2.3 Geheimpolitik und Nachrichtenaustausch unter Verbündeten Die wettinischen Fürsten verfolgten im Dreißigjährigen Krieg verschiedene Zielrichtungen, so dass sie sich auch untereinander ausspionierten. Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar wollte 1622 heimlich eine neue Union begründen und trat mit diversen Reichsstädten und Vertretern der Ritterschaft in Verhandlungen. Mit seinen Brüdern hielt er diesbezüglich mündliche Besprechungen ab, denn sie sollten ihm helfen, die Union zu realisieren. Johann Ernst beispielsweise sollte den Prinzen Moritz von Oranien zur Unterstützung des Planes bewegen. Doch je mehr potentielle Unterstützer er in das Geheimnis einweihte, die anschließend absprangen, desto gefährlicher wurde die Lage für den Herzog. Schließlich musste er sein Scheitern einsehen, da sich niemand mehr mit ihm verbünden wollte. Für seine Aktivitäten wurde er vom Kaiser wegen versuchten Umsturzes der Reichsverfassung verhört.

Justinopoli 1625; Altera Secretissima Instructio Gallo-Britanno-Batava. Friderico V. data. Ex Belgica in Latinam linguam versa, et optimo public evulgata, 1626. 403 Vgl. Keller, Jocher 1628. 404 Vgl. Copia Ferdinand 1630. 405 Vgl. Essegern, Ute: „Johann Georg I. und die Visionen von Johannes Werner“. Vortrag auf der Tagung „Johann Georg I. und der Dreißigjährige Krieg“, 11./12. November 2020.

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Eines von Herzog Wilhelms Problemen war, dass er keine Überzeugungsmittel zur Verfügung hatte, ja nicht einmal genug für seine eigene Mannschaft besaß.406 Er musste erkennen: Große Pläne ließen sich mit kleinen Finanzen und ohne weit reichenden Einfluss nicht realisieren. Weit bessere Voraussetzungen hatte das Faktotum Kaiser Ferdinands II., Fürst Hans Ulrich von Eggenberg, der katholischerseits gegen die evangelischen Fürsten mit feiner Klinge focht. Diesen Mann schätze der Kaiser so sehr, dass von der Hofburg bis zur Wohnung Eggenbergs ein Geheimgang bestand und dass der Minister als Gönner Albrechts von Wallenstein dessen Karriere gegen den Willen Bayerns und Spaniens wesentlich befördern konnte.407 Die protestantischen Reichsfürsten wären gut beraten gewesen, sich seine Gunst zu erarbeiten. Doch Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen pflegte nicht mit ihm zu kommunizieren, wie er selbst schrieb.408 Somit konnte er auch nicht reagieren, als der brandenburgische Markgraf ihn 1629 auf eine wohl von Eggenberg gesponnene Intrige aufmerksam machte. Markgraf Siegmund schrieb, Eggenberg habe beim Kaiser ein gefälschtes Interzept vorgelegt, von dem „in grosser Geheimb anher geschrieben worden“.409 Diesem zufolge habe der Kurfürst von Brandenburg an den schwedischen König geschrieben und ihm seine Dienste angeboten, ja sogar kund getan, dass die evangelischen Fürsten für Gustav Adolf „vor einen Man stehen“ würden.410 Der Markgraf bat nun im Namen seines Vaters den Nachbarn um Hilfe, um gegen diese „Verleumbdung“ am Kaiserhof vorzugehen, da beide wüssten, dass niemals so ein Brief abgesprochen bzw. geschrieben worden sei.411 Kurfürst Johann Georg hatte von dieser Sache noch nichts gehört und lehnte eine Intervention ab, da man sonst in Wien mehr Verdacht erregen würde als man Klärung erreichen könnte.412 Die beiden Kurfürsten waren gewissermaßen ein Opfer ihrer einseitigen Vernetzung und besaßen bei Eggenberg, dem wichtigsten Berater des Kaisers, weder Kontaktmänner noch Agenten. Hingegen war der kursächsische Agent in Hamburg, Friedrich Lebzelter, am richtigen Ort, als bekannt wurde, dass Gustav Adolf auch an der Nordseeküste Fuß fassen wollte.413 Lebzelter kundschaftete die größeren Städte aus, sammelte Geld und beobachtete die proschwedische Partei in Hamburg. Doch eine Erneuerung der Allianz der norddeutschen Städte mit den Generalstaaten zu schmieden und somit die Protestanten zu stärken gelang ihm nicht. 406 Vgl. Röse 1828, S. 99 f. 407 Vgl. „Eggenberg, Hans Ulrich“ von Franz von Krones, in: ADB, Bd. 5 (1877), S. 663. 408 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 190, Johann Georg von Sachsen an Markgraf Siegmund, 23. Februar 1629, unfol. 409 Ebd., Markgraf Siegmund an Johann Georg von Sachsen I., 18. Februar 1629, unfol. 410 Ebd. 411 Ebd. 412 Vgl. ebd., Johann Georg I. an Markgraf Siegmund, 23. Februar 1629, unfol. 413 Vgl. Heskel 1924, S. 213; SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8234/1.

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Erfolgreicher war die Geheimpolitik des schwedischen Königs. Gustav  II. Adolf organisierte generalstabsmäßig die militärische Hilfe für seinen Vormarsch 1630. Dazu nutzte er oftmals Bestechungen im Reichsadel, und auch Bernhard, Wilhelm und Ernst von Sachsen-Weimar dienten König Gustav Adolf nicht nur aus Überzeugung. Ihnen waren dafür die Bistümer Bamberg und Würzburg sowie Ansprüche auf das Eichsfeld versprochen worden.414 Johann Ernst von Sachsen-Eisenach suchte er durch Aussichten auf einzelne Orte in den Abteien Fulda und Hersfeld zu locken. Der herzogliche Rat Friedrich Hortleder gab 1633 in einem Gutachten zu bedenken, dass bei öffentlicher Übernahme der Eindruck entstehen könnte, den evangelischen Fürsten ginge es weniger um die Religion als um Regionen. Um der Ehre, des dauerhaften Besitzes und des ungewissen Ausganges willen plädierte er dafür, die Einräumung „anderst nicht, den[n] in geheimen Schriften“ oder nur teilweise öffentlich geschehen zu lassen.415 Aus Hamburg wurde im gleichen Jahr der Syndikus Johann Christoph Meurer nach Wien entsandt, um die dortige Lage zu observieren. So erfuhr Gustav Adolf bereits früh von den Verhandlungen des Kaisers mit Kursachsen in Prag. Quelle war der involvierte Herzog Julius Heinrich von Sachsen-Lauenburg, der als Vertrauter des Generals Wallenstein galt.416 Das wurde ihm zum Verhängnis, da er in den Verdacht geriet, an den Anschlägen Wallensteins beteiligt zu sein, und inhaftiert wurde. Erst nach dem Prager Frieden kam der Herzog wieder auf freien Fuß. Durch die zahllosen, vom schwedischen König angeworbenen Offiziere und Reichsfürsten gab es bald wegen ihrer Partikularinteressen und Eroberungsplänen Zwistigkeiten, u. a. zwischen Herzog Bernhard und Kanzler Oxenstierna, Herzog Wilhelm und Feldmarschall Horn, dem kursächsischen Feldmarschall Arnim und General Duval.417 Von allen Fürsten, heißt es, habe Gustav Adolf besonders Herzog Bernhard hochgeschätzt und ihm viele Versprechungen gemacht. Dieser hatte in den Niederlanden und bei den Dänen gedient, bevor er sich Gustav Adolf anschloss. Es habe ein Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen beiden bestanden, analysierte Röse.418 Unter den Ernestinern hebt sich dieser Heerführer besonders heraus, da er sich in die erste Reihe der Entscheidungsträger stellte. Bald rief er die Eifersucht seines Bruders Wilhelm hervor, bald schien er den anderen Fürsten als „gefährlicher Schützling Schwedens“.419 Doch mangels Unterstützung seitens Oxenstiernas wechselte er 1635 in französische Dienste. Herzog Bernhard bildete die Speerspitze des Weimarer Fürstenhauses. Deren erste Sorge war, das mündlich verabredete Bündnis mit Schweden vor dem sächsischen Kurfürsten 414 Vgl. Röse 1828, S. 76. 415 Hortleders Gutachten über die schwedische Schenkung des Bistums Bamberg und Würzburg, 1. März 1633, zit. in: Röse 1828, S. 47–420, 419. 416 Vgl. Heskel 1924, S. 217. 417 Vgl. Röse 1828, S. 79. 418 Vgl. ebd., S. 144. 419 Ebd., S. 238.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

geheim zu halten; doch erfuhren sowohl der Kaiser als auch Johann Georg I. durch Interzepte davon.420 Der Kurfürst äußerte sein Missfallen und erwies sich als treuer Gefolgsmann des Kaisers. Als General Tilly Thüringen heimsuchte und Magdeburg in Schutt und Asche versank, gelang es Herzog Wilhelm nicht, den Kurfürsten zum Bruch mit dem Kaiser zu bewegen.421 Angesichts mangelnder Bereitschaft in Dresden, entschied sich Sachsen-Weimar zu einer Allianz mit Hessen. Dieser gegenseitige Beistandspakt ist getragen von einer starken gegenseitigen Vertrauenserwartung. Ausdrücklich erwähnt wurde, dass beide Seiten „ein starck band der Erbverbrüder- undt Erbvereinigung“ verknüpfe.422 Dem Vertragstext nach versprachen sich Landgraf Wilhelm V. einerseits und die vier Weimarer Herzöge andererseits ein tiefgreifendes Einvernehmen. Man wollte sich gütig, getreulich und ehrenvoll begegnen und keine Gefährdung des Anderen riskieren oder dulden. Vielmehr wollten die Vertragspartner voneinander jeglichen Schaden abwenden, sämtliche Bündnisse absprechen, gegenseitig bei Angriffen Hilfe leisten und gemeinsame Beratungen durchführen. Für den Notfall wurde vereinbart, dass die Festungen auch der anderen Partei als Zufluchtsort für Fürst und Familienmitglieder offenstanden. Hessen und Sachsen standen gewissermaßen mit offenem Visier Seite an Seite. Die geforderte Ehrlichkeit kam darin zum Ausdruck, dass man, wenn man weniger Hilfe bedürfe, auch weniger Hilfe fordern wolle. Fortan lieferte der Landgraf vertraulich an Herzog Bernhard Zeitungen über den Kriegsverlauf, z. B. im Kreis Lippe und um die Stadt Hameln 1633.423 Gleichermaßen ließ Herzog Bernhard den Landgrafen wissen, als der kaiserliche Feldmarschall Heinrich von Holk im Anzug war und sich mit den Weimarer Truppen eilig gegen Bamberg zusammenzog.424 Ein noch intimeres Verhältnis besaß Herzog Bernhard mit dem Feldmarschall Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg. Dieser erhielt einen eigenhändigen Brief über die Wendung Holks nach Böhmen mit Gedanken über Möglichkeiten, Frieden zu schließen, wenn bestehendes Misstrauen beseitigt werden könnte  und das verbreitete Vertrauen auf Kursachsen nicht zum Stillstand lähmen würde.425 Der sächsische Kurfürst seinerseits verfolgte eine Politik der Zweideutigkeiten. Infolge des Restitutionsediktes wandte sich Johann Georg I. enttäuscht vom Kaiser ab und verbündete sich mit Gustv Adolf. Doch Johann Georg blieb nicht lange in der Allianz. Der kursächsische Feldmarschall Arnim, der mit König Gustav Adolf 420 421 422 423

Vgl. ebd., S. 148, 157. Vgl. ebd., S. 149. Allianz zwischen Sachsen-Weimar und Hessen, 22. April 1631, zit. in: ebd., S. 401. Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar, 14. Juni 1633, zit. in: ebd., S. 417. 424 Herzog Bernhard an Landgraf Wilhelm V., 24. Juni 1633, zit. in: ebd., S. 447. 425 Vgl. Herzog Bernhard an Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg, 21. Juli 1633, zit. in: ebd., S: 450–452.

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ebenso unzufrieden war wie der Kurfürst, verhandelte heimlich mit dem Herzog von Friedland.426 Über den Obrist Sparr stand er mit Wallenstein in Kontakt und erhielt von diesem auch 40–60.000 Reichstaler. Offensichtlich ließ sich der Kurfürst diese Kontakte gefallen, denn Arnim berichtete ihm über die mit Wallenstein geführten Gespräche. Der kursächsische Kommandant von Prag, Oberst Hofkirchen, hatte einige der geheimen Briefe interzipiert und trug sie dem schwedischen Gesandten Solms in Dresden zu. Er glaubte zwar dieser „heimlich practicierten Intelligence“, zweifelte aber an Wallensteins Lauterkeit.427 Hofkirchen selbst war ein Überläufer und stand bald auf sächsischer, bald auf kaiserlicher und bald auf schwedischer Seite. Man geht nicht fehl, in der Annahme, dass er ein ausgesprochener Opportunist gewesen war. Als Wallenstein darüber hinaus verkündete, er liebe Arnim wie seine eigene Seele, musste sich dieser verteidigen, dass Sparr und nicht er die heimlichen Verhandlungen vorgeschlagen hatte. Er vermeinte, man müsse gegen den Feind sowohl List als auch Gewalt gebrauchen.428 Nun versuchte der schwedische König, das Heer Johann Georgs von den Umtrieben Arnims, die er nicht auf den Kurfürsten zurückführte, abzusichern und teilte die Sachsen auf.429 Er saß einer Fehlperzeption auf und erlitt dadurch einen Informationsrückstand, dessen Folgen er allerdings wegen seines plötzlichen Todes in der Schlacht von Lützen nicht mehr erlebte. Axel Oxenstierna führte als Kanzler die Politik für die minderjährige Christina weiter. Er besaß ein hohes Maß an Einsicht in die Gegebenheiten der Intelligence, so dass er große Verdienste mit seiner klugen Politik erwarb. Misstrauen gegenüber Wallenstein prägte seine politische Linie. Am Beispiel des changierenden Albrechts von Wallenstein lässt sich die Informationspolitik in Echtzeit wegen der guten Quellenlage besonders eindrücklich demonstrieren. Im September 1633 unterrichtete der kursächsische Generalleutnant von Arnim den brandenburgischen Kurfürsten von seinem Gespräch mit Albrecht von Wallenstein und thematisierte auch die erfolgreiche Informationspolitik Kursachsens: Ich weis nicht, ob Er etwa eine gute Zeitung von ihnen auß dem Reich bekommen, oder sich unsers Zustandes besser erkundiget, das er vermeinet, uns zu überpochen, das wir uns gestercket, davon weis er noch kein wordt […] nun wirdt es am meisten doran mangeln, das Keiner ist, der es ihme gleubet430

Arnim wunderte sich über die Fehlperzeption Wallensteins und freute sich zugleich über die Vorteile daraus. Einige Tage später klang Ratlosigkeit ob Wallensteins Wandel durch: 426 427 428 429 430

Vgl. ebd., S. 166; Klopp 1896, Bd. 3/2, S. 624. Bericht Tungels, 9. Januar 1632, zit. in: Warlich 2011. Vgl. Abdruck 1632. Vgl. Röse 1828, S. 167. Schreiben des kursächsischen Generalleutnants von Arnim an den Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg, 17. September 1633, zit. in: ebd., S. 453.

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Ich schwere es zu Gott, das ich nicht ausinnen kann, was darunter vor finesse gesucht […] Ich halte es ist nur durch eine boutage geschehen, das er anders sinnes worden, wie es aber sey, so scheinet gnugsam daraus, das mit dem Manne nichts sicheres zu tractiren, dan da ist keine Bestendigkeit431

Im Februar 1634 erhellte sich die Situation für die Protestanten. Herzog Bernhard gab dem schwedischen Reichskanzler Oxenstierna weiter, was Franz Albrecht von SachsenLauenburg ihm soeben berichtet hatte: dass Albrecht von Wallenstein vom kaiserlichen Hof „auffs euserte distiustiret“ und sich zu separieren entschlossen hätte.432 Aber Bernhard vermutete „einen besondern betrug undt arglist dahinder verborgen“ und hielt es für ratsam, gut aufzupassen.433 Er selbst erschien den Schweden bereits verdächtig, da er parallel mit Kurfürst Johann Georg I., der 1635 mit dem Kaiser einen Sonderfrieden schloss, und mit dem Wallenstein über einen Seitenwechsel verhandelte.434 Die Gefangennahme seines Freundes Franz Albrecht und die Ermordung Wallensteins ließ ihn jedoch allen Zweifel aufgeben und am schwedischen Bündnis festhalten. 4.2.4 Interzeption im Dreißigjährigen Krieg 1635–48 Die überlieferten abgefangenen Briefe sind hinsichtlich ihres Quellenwertes von der Forschung bislang kaum wahrgenommen worden. Im Sächsischen Hauptstaatsarchiv sind allein elf Aktenbände von Interzepten aus dem Dreißigjährigen Krieg vorhanden. Zahlreiche Interzepte liegen im Original mit unterschiedlichen Handschriften, Unterschriften und Siegeln vor, wurden demnach nicht weitertransportiert. Somit fehlte dem Empfänger diese Information. Die ausgebliebene Post musste erst festgestellt, dem Absender bekannt gemacht und eine wiederholte Sendung abgewartet werden. Auf diese Weise konnte dem Gegner schnell ein Zeitverzug von einer Woche entstehen. Innerhalb der Wettiner beobachtete der proschwedische Herzog von Sachsen-Weimar die katholisch-kaiserliche Korrespondenz, erlangte aber keine unumschränkte Wissenshoheit. So hat Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar die Stadt Nordhausen am 4. Januar 1632 vor dem Anrücken Pappenheims gewarnt, wohingegen der Rat aus eigenen sicheren Quellen wusste, dass der Marsch sich auf andere Orte richtete und Nordhausen nichts zu befürchten habe.435 Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar infor-

431 432 433 434 435

Ders. an Dens., 19. September 1633, zit. in: ebd., S. 453 f. Herzog Bernhard an Reichskanzler Oxenstierna, 14. Februar 1634, zit. in: ebd., S. 464. Herzog Bernhard an Reichskanzler Oxenstierna, 14. Februar 1634, zit. in: ebd., S. 464 f. Vgl. ebd., S. 273. Vgl. Becker 1939, zit. in: Kuhlbrodt 2011, S. 214.

4.2 Der Dreißigjährige Krieg 1618–48 und seine Folgen

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mierte andererseits auch die Schweden über seinen Kenntnisstand, so beispielsweise 1632 den schwedischen General Banér, er wisse von Kriegsgefangenen und aus abgefangenen Briefen, das der Feind Tirol entsetzen wolle.436 Sein Bruder, Herzog Ernst von Sachsen-Gotha, mit dem er im Felde erfolgreich war, interzipierte die Korrespondenz kaiserlicher und schwedischer Generäle, um an Hand der Informationen die Einsätze der eigenen Kundschafter zu optimieren und seine Bevölkerung zu schützen. So ließ er den Untertanen ausrichten, sie mögen ihr Vieh in Sicherheit bringen, als er erfuhr, dass schwedische Truppen mit 400 Pferden nach Erfurt zögen.437 Die Gothaer scheinen sich aber bei der Interzeption sehr zurückgehalten zu haben, denn nur ein anderer Fall, in dem es um kurbayerische Briefe ging, ist aktenkundig.438 Obwohl sie Gustav II. Adolf dienten, haben die thüringischen Herzöge ihm dennoch durch die Interzeption ein wenig geschadet und stellten das Wohl ihres Landes über die Bündnistreue. In Kursachsen wurde die schwedische Korrespondenz besonders gründlich interzipiert. Bislang war der Forschung durch Barbara Stadlers Buch über den General Pappenheim nur der Fall des Simon Ley bekannt. Allerdings besaß die Interzeption der schwedischen Post eine ganz andere Dimension: fast 300 Interzepte aus dem Dreißigjährigen Krieg sind überliefert, die meisten schwedischen Ursprungs.439 Eine konsequente verdeckte Interzeption erfolgte nicht, da es nur selten über mehrere Tage zusammenhängende Interzepte gab. Es scheinen überwiegend Zufallstreffer gewesen zu sein, die Sachsen in seinen Besitz brachte. Die folgende Grafik mag durch die sichtbaren Überlieferungslücken eine verzerrte Darstellung liefern, aber ein deutlicher Perspektivenwechsel nach dem Prager Frieden ist nicht zu leugnen (Grafik 19). Der Beobachtungsradius wechselte vom katholischen Lager (Habsburg, Wittelsbacher, Bischöfen) zu den für Sachsen gefährlichen Protestanten (Schweden und Sympathisanten sowie Alliierten). Ein absoluter Höhepunkt der Interzeption scheint das Jahr 1639 gewesen zu sein. In diesem Jahr fand nicht nur die zweifache Belagerung Bautzens statt, sondern auch die Schlacht von Chemnitz und die Einnahme Pirnas. Der schwedische General Banér zog sich nach der siegreichen Schlacht bei Brandeis ins Thüringische zurück, wo er 1640 einen Angriff auf Piccolominis Lager bei Saalfeld unternahm. In diesem Zeitraum war die Gefährdung Sachsens durch Schweden besonders groß, so dass die Interzeptionsbemühungen möglicherweise verstärkt wurden und einen gewissen Erfolg mit sich brachten, der sich in dem oben sichtbaren Peak ausdrückt. Setzt man die Interzepte in Relation zueinander, ergibt sich folgende Abbildung (Grafik 20).

436 437 438 439

Vgl. Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar an General Banér, 18. Juli 1632, zit. in: Röse 1828, S. 405. Vgl. ThStAG, GA, WW I Nr. 42b, Brief Herzog Ernsts I. von Sachsen-Gotha 10. März 1641, f. 308. Vgl. ThStAG, GA, WW I Nr. 112. Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10766/2; Loc. 10837/5; Loc. 10837/7; Loc. 10839/39; 10024 GR (GA), Loc. 8101/7; Loc. 9241/3; Loc. 9270/22; Loc. 9271/4; Loc. 9271/5; Loc. 9273/1; Loc. 9273/2; Loc. 9273/7; Loc. 9281/3; Loc. 9281/6.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Grafik 19: Interzeption in Sachsen im Dreißigjährigen Krieg (absolut)

Nicht nur militärische Korrespondenz wurde abgefangen, sondern auch vereinzelte Briefe von Bürgern, Händlern, geistlichen Würdenträgern und Niederadeligen. Das Adelsgeschlecht der Mansfelder war durch das prokaiserliche Engagement Peter Ernsts und die gegenreformatorische Politik Wolfgang von Mansfelds in Magdeburg im Visier Kursachsens.440 Die Lücke der Jahre 1624–29 lässt sich dadurch erklären, dass Sachsen in diesem Zeitraum umfassend über die kaiserliche Politik informiert war, da die Korrespondenz des kaiserlichen Kriegsrates Johann Aldringer in Kopie in Dresden vorliegt.441 Erstaunlicherweise sind einige Briefe teilweise verschlüsselt und nicht auf-

Grafik 20: Interzeption in Sachsen im Dreißigjährigen Krieg (relative Verteilung) 440 Loc. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9281/6, Briefe vom 9. und 17. Februar 1631, f. 1, 13–18. 441 Vgl. die Bestände SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10842 und Loc. 10843 mit insgesamt 39 Akten.

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gelöst, was an eine zeitweise Interzeption durch Sachsen denken lassen könnte.442 Da diese Schreiben aber nicht als Interzepte bezeichnet wurden, werden sie auch nicht als solche behandelt. Wieviel der überlieferten Interzeption durch Sachsen erfolgte, lässt sich nicht in jedem Fall nachvollziehen, denn der Kurfürst profitierte auch davon, dass der Kaiser 1635–40 einige seiner Interzepte nach Sachsen kommunizierte.443 1639 konnte die schwedische Kommunikation über Hamburg abgefangen werden.444 Im September 1635 wurden Schreiben, die die Schweden nach Kassel schickten, interzipiert, so dass die dortige Poststation im Verdacht steht, Sachsen Informationen weitergegeben zu haben.445 Der schwedische General Horn stand in den ersten zwei Monaten des Jahres 1636 so stark im Visier der Postspione, dass sehr viele Briefe ihn nicht erreichten.446 Die Foliierung der Akte zeigt, dass etliche Seiten nachträglich herausgenommen wurden.447 Von Mai 1639 bis Februar 1640 gelang Kursachsen die Interzeption der Korrespondenzen des schwedischen Generals Banér sowie des Kommandanten der schwedischen Garnisonen im Stift Eichstädt.448 Im Oktober konnte durch Graf Adam von Schwarzenberg in Cölln ein Bote namens Johann Nicodemus Lilienström gefangen werden, bei dem sehr viele, auch ältere Briefe Banérs mit Lilienström sichergestellt wurden.449 Die seitenlange Auflistung führt insgesamt 109 Schreiben auf. Von beinahe 50 Schriften der Jahre 1639/40 wurden Abschriften angefertigt, da der Kurfürst an dem Inhalt ein erhöhtes Interesse besaß.450 Aus den Kopien konnte man in Dresden viele Informationen extrahieren, z. B. militärische Praktiken, Zustand der schwedischen Armee, Informations- und Entscheidungswege. Der Kurfürst erhielt dadurch ein Muster der schwedischen Kriegführung. Ebenfalls 1639 bekam der Kurfürst durch einen Überfall auf den Boten Andreas Genter in Oberheselicht Briefe in die Hand, die Genter zwischen dem Hallenser Stadtkommandanten und dem in Pirna und Bautzen lagernden schwedischen Feldmarschall Banér transportierte.451 Auch andere Boten Banérs wurden angehalten: ein Tuchknappe, ein Kutscher, ein Beutler.452 Durch die Interzeption erfuhr man von dem schwedischen Vorhaben, von Sonnewald und Torgau aus Finsterwalde anzugreifen 442 443 444 445 446 447 448 449

Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10842/5. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9273/1. Vgl. ebd., f. 1–12; Loc. 9273/2, unfol. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9281/3, f. 12–17. Vgl. ebd., f. 26–40. Vgl. ebd., f. 44–83 fehlen. Vgl. ebd., f. 84–281; Loc. 9273/7. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9281/3, Graf Adam von Schwarzenberg an Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, 12. Oktober 1640, f. 179; Extract und Transport auß denen bey dem schwed. Ministro Johann Nicodemi Lilienstrohm gefundenen Teutzschen Acten und Schrifften, f. 180–281. 450 Vgl. ebd., f. 202–281. 451 Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10837/5. 452 Vgl. ebd.

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und auszuplündern.453 Einem gewissen Hieronymus Trapp war auf dem Weg zwischen Dresden und Finsterwalde ein Bote begegnet, der ihm solches berichtete, woraufhin Trapp zurück nach Dresden gereist sei und einen Diener nach Finsterwalde zur Beobachtung schickte. In den 1640er Jahren sammelte Sachsen Briefe des schwedischen Generalkriegskommissars Brandt in Leipzig, des Generalmajors Christoph Königsmarck, des Feldmarschalls Lennart Torstensson, dem nach Banérs Tod 1641 der Oberbefehl in Deutschland anvertraut war, und des Generalmajors Axel Lillie.454 1643 war im Harz, genauer in Eisleben, Nordhausen und Quedlinburg, das Abfangen der schwedischen Militärkorrespondenzen erfolgreich.455 Die Interzeption bildet natürlich den Kriegsverlauf ab, der im Folgenden kurz skizziert werden soll.456 Torstensson wollte mit einem gezielten Schlag auf die kaiserlichen Erblande dem Krieg ein Ende setzen und zog 1642 von Niedersachsen aus bis Olmütz, wo ihn der kaiserliche General, Graf Piccolomini, zurückdrängte. Nach dem Sieg bei Breitenfeld drang der schwedische Feldherr erneut in Böhmen und Mähren ein. Es folgte als Intermezzo der Sieg über Dänemark, von wo aus Torstensson über Magdeburg nach Böhmen zurückeilte. Schweden stand im Bündnis mit Fürst Georg I. Rákóczi von Siebenbürgen, der Ungarn angriff und dem Kaiser einen Zweifrontenkrieg aufzwang. In der Bildpublizistik ist die Heroisierung Gustav Adolfs vor allem auf dem anonymen Flugblatt „Tugendt-und Laster-Kampff “ greifbar.457 Er führt die Gruppe der „miles christiani“ mit dem sächsischen und dem brandenburgischen Kurfürsten auf einem Löwen reitend an und tritt dem als Wolf im Schafspelz personifizierten Tilly entgegen. Die lutherische Propaganda stellte hier einen Dualismus zwischen dem tapferen Löwen aus Mitternacht (aus dem Norden) und der scheinheiligen Liga des Antichristen her.458 Der Frühjahrsfeldzug 1645 sollte die Entscheidung bringen. Der Angriff zielte auf das vom Kaiser nur ungenügend befestigte Böhmen.459 Sofort wandte sich Ferdinand III. an die Kurfürsten von Sachsen und Bayern um Hilfe. Doch Johann Georg I. von Sachsen war nur bereit, dem Entsatz des kaiserlichen Heeres keine Hindernisse in den Weg zu räumen. Der bayerische Kurfürst Maximilian I. war zwar bereit, vorübergehend zu helfen, verwies aber darauf, dass interzipierte Briefe ihn in Sorge um die eigene Sicher453 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9273/1, Hieronymus Trapp an Johann Georg I. von Sachsen, 2. Juni 1643, f. 13. 454 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9273/2. 455 Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10766/2. 456 Vgl. Gantzer 1905, S. 22. 457 Vgl. Tugend- und Laster-Kampff zwischen Gottes kleinen geringen, doch wol außgerüsteten Häufflein, an einem, und dann deß Teuffels Schuppen und verkappter Hellischen Mumenschare, am andern Theil, anonym, Ulm 1631. 458 Auf die Heuchelei als politisch instrumentalisierte Charakterzuschreibung in Kupferstichen der Reformationszeit geht Matthias Rekow (Gotha) in seinem Dissertationsprojekt „Konfessionelle Gegnerschaft und osmanische Bedrohung in der frühneuzeitlichen Bildpublizistik“ ein. 459 Vgl. Gantzer 1905, S. 24.

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heit brächten, da es heißt, Frankreich werde im Westen Reichstruppen binden, um Torstensson zu entlasten.460 Torstensson indes war durch ein abgefangenes Schreiben bekannt geworden, dass der Kaiser nichts mehr fürchtete, als dass die Schweden die Moldau überschritten.461 Somit wandte er sich heimlich nachts aus seinen Stellungen, an denen der kaiserliche Feldherr Melchior von Hatzfeld ihm den Weg nach Österreich zugesperrt hatte, und nahm einen sehr schmalen Reitweg bis zur Moldau. Hatzfeld holte ihn trotz Verspätung, „schlecht organisierten Kundschafter-Dienstes“ und Verpflegungsmängeln wieder ein.462 Bei Jankau kämpfte der Schwede sich dank der guten Geländekenntnisse den Weg nach Mähren frei. Die völlige Niederlage des vereinten kaiserlich-sächsisch-bayerischen Heeres führte Johann Georg I. an den Verhandlungstisch. Es zeigt sich an dieser Stelle einmal mehr, dass das Kundschaftswesen kriegsentscheidend sein kann, wenn es besonders gut oder besonders schlecht ausgebildet ist. Wie stand es nun um die sächsische Intelligence? Die Interzeption funktionierte recht gut, wie die Überlieferung belegt. Ein Bote, aus Schlesien an die schwedische Armee geschickt, wurde durch den Obristleutnant Liebermann 1643 seiner Briefe beraubt.463 Fast zeitgleich griff man einen schwedischen Boten zwischen Leipzig und Wittenberg mit Briefen auf.464 1645 fassten die Schweden zunehmend Misstrauen. Der schwedische Generalmajor für Meißen, Axel Lillie, schrieb an den Generalkriegskommissar Brandt, einige Schreiben stünden aus, er misstraue den Nachrichten in den erhaltenen Briefen und bitte um Chiffrierung: verstanden, dass Königsmark beym kloster Schwarzach ankommen, und hiherwarts zugehen begriffen, in dem aber die kurbayer. noch bei Mildenburg gestanden, will es mir unglaublich vorkommen, da geschehen sey, dass der Feind interzipieren möchte, verhalt sichs aber so, wundert es micht daß es so öffentlich und nicht etwa in Ziffern geschrieben worden, denn da der Feind solches aufgebrochen, hette er ia keine bessere Nachricht haben können, ersucht, an mich nur in Ziffern zu schreiben.465

Die Vorsicht der Schweden nahm zu, Sachsen erlangte noch vereinzelte Mitteilungen, die sächsisches Territorium durchquerten, z. B. aus Erfurt, Leipzig, Torgau, Luckau, Freiberg oder Pirna. Gegen Kriegsende konnte Johann Georg  I. wiederum davon profitieren, dass ihm der Kaiser viele interzipierte schwedische Briefe übermittelte.466 460 Vgl. Kurfürst Maximilian I. von Bayern an Kaiser Ferdinand, 1. Janaur 1645, zit. in: Gantzer, Paul: Archivalische Quellen zu Torstensons Einfall und Feldzug in Böhmen bis zur Schlacht bei Jankau 1645, Aschersleben 1904, S. 3 f. 461 Vgl. Gantzer 1905, S. 37. 462 Ebd., S. 59. 463 Vgl. ebd., 15. Februar 1643, unfol. 464 Vgl. ebd., 16. Februar 1643, unfol. 465 Vgl. ebd., Axel Lillie an Kommissar Brand, 2. Juli 1645, unfol. 466 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9273/1; Loc. 9273/2.

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Etliche waren bereits in Wien dechiffriert worden, doch bei einigen Chiffren kam man nicht weiter, so dass Ferdinand III. die Sachsen um Hilfe ersuchte, „ob sich vielleicht der Innhalt der andern Zieffertn ehender entdecken wollte.“467 Ferdinand III. schickte den von seinen Chiffrensekretären teilweise ausgefüllten Nomenklator mit, der zeigt, dass die Dechiffrierung erst zu einem guten Drittel geschafft worden war.468 Die übersandten, oft sehr stark chiffrierten Briefe betrafen besonders den General Wrangel.469 Die bekannte Bedeutung der Nomenklatoren ließ diese auch zum begehrten Objekt der Interzeption werden. Verschiedene Chiffren beider Kriegsparteien sind in sächsischen Archiven überliefert.470 Der Besitz der Geheimschriftschlüssel von Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Schweden, Mainz, Köln, Bayern sowie von General Tilly und General Wallenstein bedeutete für Sachsen aber nur einen geringen Gewinn, da erstens die passenden Interzepte zeitnah eingehen mussten, um einen echten Informationsvorsprung zu bewirken, und zweitens das Fehlen der Nomenklatoren von der Gegenseite rasch bemerkt und diese wieder abgeändert wurden. Doch auch die Wettiner observierten gegenseitig ihre Post. Das folgende Beispiel erhellt, dass Dresden die Korrespondenz des Heerführers Bernhards von SachsenWeimar überwachte. 1638 verschickte der Weimarer Sekretär Hoffmann Briefe nach Hamburg entweder, indem er diese durch Kaufleute direkt transportieren ließ oder über Jena und Weimar leitete und in andere Briefumschläge einschlug, „dahero dann dahinter zu kommen nicht wohl möglich sein will“.471 Er versuchte, Leipzig zu umgehen, was der sächsische Geheimsekretär Christian Reichbrodt in Dresden nicht gern sah. Er war für die Beobachtung der Hamburger Post zuständig: seine Antwort wird schwer zu erlangen sein […] jedoch will ich vleißige acht haben und geben, ob etwa hinter H. Hofmann Schreiben Antwort zu kommen und eine zu verlangen sein wirt, würde auch eine erlanget, oder sonsten dergleichen schreiben aus Hamburg mehr oder andere verdächtigte einkommen, soll es alsobald unterthenigst eröffnet und eingesendet werden. Heute zu mittage kamen zwar sonsten die Hamburger Post alhier an, Aber ich habe dabey nichts gesehen noch gefunden.472

Johann Hoffmann hatte drei Jahre zuvor Gotha über die Unterhaltung der Soldaten informiert, die nach der Nördlinger Schlacht in Weimar ankamen. Einem Informationsaustausch war er nicht abgeneigt, aber der Herzog stünde auf dem Standpunkt, es solle 467 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9273/2, Ferdinand III. an Johann Georg I. von Sachsen, 4. August 1648, f. 829. 468 Vgl. ebd., f. 834. 469 Vgl. ebd., f. 820–854. 470 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8236/12; StA Leipzig, 20532 Rittergut Rötha mit Trachenau, Nr. 2423; LHASA, A1 Erzstift Magdeburg, Auswärtige Angelegenheiten, Nr. 530; ThStAG, GA, WW I Nr. 42b. 471 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9273/1, Brief an Geheimsekretär Christian Reichbrodt, 1. November 1638, f. 246b. 472 Vgl. ebd.

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ein jeder seine Gelegenheit suchen, wie er könne.473 Zusammen mit der drei Tage alten Mitteilung über einen Sieg in Straßburg übermittelte er die „Hoffnung, den Feind ganz zu ruinieren“.474 Herzog Bernhard blieb den Schweden treu und genoss dafür einige Vorteile, wie auch bald die Dresdner wussten. 1643 wurde Herzog Bernhard von SachsenWeimar gefragt, ob das ganze Haus Weimar, wenn es schwedische Geleitsbriefe haben könnte, auch seine Wünsche nach Lübeck kommunizieren möchte.475 Welchen Nutzen der Kurfürst aus den zu ihm geflossenen heimlichen Nachrichten zog, ist schwer zu ermitteln. Für die Aus- und Verwertung der Interzepte besteht eine Überlieferungslücke. Die Geheimen Räte kontrollierten den Posteingang und wiesen den Kurfürsten auf angekommene Briefe und auch Interzepte hin.476 Oftmals blieben die Angaben aber ungenau. So heißt es etwa, dass man „Nachricht erlangt“ hat oder „genugsame Information überschickt“ wurde.477 Für das Jahr 1639, dem die meisten Interzepte entstammen, ist keine Verdichtung von Erwähnungen in den Schreiben der Geheimen Räte feststellbar. Die Protokolle der kurfürstlichen Berater, sofern vorhanden, erwähnen eine Diskussion der Interzeption nicht.478 Weder ist in den Monaten, wo keine Interzepte vorliegen, ein Hinweis auf das Abfangen feindlicher Post zu entdecken, noch äußerten sich die Räte in ihren Berichten an den Landesherrn über jene Interzepte, die aus diesem Zeitraum im Bestand Geheimer Rat (Geheimes Archiv) vorliegen.479 Somit läuft für die Quellengattung der Interzepte der Abgleich mit korrespondierenden Quellen ins Leere. Es sind dafür verschiedene Interpretationen möglich: – Das Geheime Kriegsratskollegium, das sehr viele Interzepte empfing, hat diese nicht weitergeleitet. Die Interzepte lagern jedoch sowohl im Bestand Geheimes Kriegsratskollegium als auch im Bestand des Geheimen Rates. Inwieweit beide Institutionen kooperierten, ist fraglich. Es ist zumindest kein direkter Austausch einzelner Amtsträger untereinander nachweisbar. Jedoch lagert ein Teil der Korrespondenz des Kurfürsten mit den Geheimen Räten im Bestand des Kriegsrats473 Vgl. ThStAG, GA, BBB, 1 A, Sekretär Hofmann an Hof zu Sachsen-Weimar, 25. Mai 1635, unfol. 474 Ebd. 475 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9273/1, Christoph von Königsmarck an Johann Hoffmann, 16. März 1643, f. 238. 476 Beispielhaft vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10054/2, Sebottendorf und Oppel an Johann Georg I., 9. Oktober 1637, f. 57. 477 Ebd., Berichte an den Kurfürsten vom 12. Februar 1639 und 8. August 1641, f. 106, 137. 478 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10053/6; 10054/2; 10055/1; 10054/3. Die Überlieferung ist sehr bruchstückhaft: z. B. aus den Jahren 1631, 1632, 1636 und 1643 liegen so gut wie keine Berichte vor. 479 Beispielhaft der umfangreiche Bericht vom 22. Mai 1639, in dem die Räte die erfolgreiche Interzeption der Briefe Banérs wenigstens hätten erwähnen müssen. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10055/1, Bericht, 22. Mai 1639, f. 319–337; Loc. 9281/3, Interzepte, 5., 12., 13.,14. und 17. Mai 1639, unfol. Ebensowenig zu finden sind Hinweise auf die 1640er Interzepte in den entsprechenden Berichten der Geheimen Räte. Vgl. ebd., Loc. 10054/2, Berichte, 21. Februar, 28. März, 5. April, 2. September, 3. Und 8. Dezember 1640, f. 46–126; Loc. 9273/7, Interzepte an die Geheimen Räte, 1640, unfol.

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kollegiums, so dass ein gewisser Informationsfluss zwischen Geheimen Räten und Kriegsräten angenommen werden kann. Die Geheimen Räte sahen in der Interzeption lediglich den Schaden für den Gegner, nicht aber den potentiellen Nutzen für sich selbst. Dann wäre es möglich, dass die Interzepte einfach abgeheftet wurden, ohne den Kriegsherrn damit zu belasten. Das Thema wurde nur mündlich in den Gremien besprochen und fand nicht Eingang ins Protokoll und die schriftliche Überlieferung.

Alle drei Lesarten sind möglich, ohne dass aus den Quellen eine eindeutige Tendenz ablesbar ist. In Anbetracht der Proliferation von Interzepten dürfte allerdings keine besondere Vorsicht bestanden haben, solche abgefangenen Briefe nur mündlich zu thematisieren. Vielmehr scheint die zweite Interpretation gute Gründe für sich zu haben. Da die Memorials stets nur „Difficultäten“ mit Lösungsvorschlägen beinhalten, ist eine problemlösungsorientierte Perspektive der Geheimen Räte zu verzeichnen. Im Zentrum der Tagespolitik standen Proviant, Getreide für die Bevölkerung, Munition, Entsatz der belagerten Städte, Brandschatzung und Raubzüge des Feindes, Kontributionen etc. Gleichermaßen thematisieren die Spezialreskripte des Geheimen Kriegsratskollegiums, also die fürstlichen Befehls- und Antwortschreiben auf Anfragen oder Berichte, hauptsächlich finanzielle Aspekte (Sold, Steuer, Schulden, Zulagen) oder Lieferungen von Holz.480 Die Analyse der feindlichen Nachrichten und Extrahierung wertvoller Informationen mag angesichts der Kriegsnöte eine niedrige oder gar keine Priorität besessen haben. Die moderne Wertschätzung von Informationen entspricht offenbar nicht der Denkweise des 17. Jahrhunderts. Die Antizipation von Truppenbewegungen jedoch wurde durchaus diskutiert.481 Es fehlte offenbar aber das Verständnis, dass relevante Informationen zur optimalen Kriegführung aus den erbeuteten Korrespondenzen entnommen werden könnten. Diese Sinnstiftung ist erst 100 Jahre später bei Friedrich II. von Preußen deutlich sichtbar. Für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist eine Überlieferungskette Interzept-Posteingang-Ratsprotokoll-Erlass den Akten demzufolge leider nicht zu entnehmen. Somit ist die Frage, inwieweit die geheimen Nachrichten Eingang in die Entscheidungen Johann Georgs I. fanden, aus den Quellen nicht zu beantworten.

480 Vgl. SächsHStAD, 11240 Spezialreskripte des Geheimen Kriegsratskollegiums und der Kriegsverwaltungskammer, Register Teil 1 (1636–1708); Spezialreskripte, Nr. 1. 481 „[…]je mehr aber daraus zu verspüren, daß er [der Kaiser] sein intent auf die Stadt Lemberge gerichtet, so nur 4. Kleine Meilen von Görlitz gelegen, je mehr achten wir höchstrathsam, daß E. Churf. Dl. Mit ihrem volck anticipire, und eher für Görlitz rücke […].“ SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc.10055/1, Postscriptum, 29. Juni 1640, f. 369.

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4.2.5 Der Forschungsstreit um die Zerstörung Magdeburgs 1631 1631 standen die kaiserlichen Truppen unter Pappenheim vor Magdeburg. Hinter den Mauern beriet der Stadtrat über eine Kapitulation, aber die Bürger waren uneinig, und auch die Ablehnung einer Kapitulation durch den schwedischen Abgesandten verhinderte eine solche. Gustav II. Adolph von Schweden hatte zuvor angekündigt, wegen seiner Verluste nach der Eroberung von Frankfurt/O. nicht auf Magdeburg vorrücken zu können. Stattdessen schickte er den Oberst Dietrich von Falkenberg, der die Stadtverteidigung organisieren sollte, bis der König seine Truppen gesammelt habe. Dieser stieß auf eine unübersichtliche Lage, verursacht durch die „törichten politischen und militärischen Handlungen des Administrators Christian Wilhelm und des schwedischen Ambassadeurs Johann Stallmann“. Falkenberg konnte die Ruhe unter den Bürgern und dem Rat nur aufrecht erhalten, indem er mehrfach die baldige Ankunft Gustavs II. Adolph ankündigte.482 Angesichts dieser Unordnung sah Tilly für die Kaiserlichen die Chance gekommen, einen bedeutenden Sieg zu erringen. Die Verwüstung und Zerstörung der Stadt Magdeburg am 10. Mai 1631 überschritt selbst für damalige Zeiten alles Maß, so dass für das Auslöschen und größtmöglichen Schrecken das „Magdeburgisieren“ Eingang in die deutsche Sprache fand. Dem obersten kaiserlichen Feldherr Johann t’Serclaes von Tilly wurde die Zerstörung Magdeburgs als Kriegsverbrechen angelastet. Tatsächlich freute sich der Papst über die Auslöschung des „Ketzernestes“, und der kaiserliche General Pappenheim jubelte, alle seine Soldaten seien reich geworden. Tilly selbst sprach von der „Magdeburger Hochzeit“ zwischen der Jungfrau auf dem Stadtwappen und dem Kaiser. Bis heute ungeklärt ist jedoch die Frage, ob der Brand, der die schwersten Schäden verursachte, tatsächlich von der kaiserlichen Soldateska gelegt worden war. Anknüpfend an Gerüchte erörterte Karl Wittich 1874 ausführlich auf Grund zeitgenössischer Verdächtigungen und zurückhaltender Augenzeugenberichte zum Beginn des Fanals die Möglichkeiten, dass die Magdeburger Bürger ihrer Stadt selbst anzündeten. Sie „suchten die Zerstörung ihrer Vaterstadt zu einer tödtlichen Waffe gegen den Ruf der Feinde zu machen, und dazu benutzten sie das Gift der Verleumdung“, so Wittich.483 Schon eine Flugschrift weist aus, dass dem Grafen von Pappenheim „durch die Verräther ihres Vaterlandes, auch Weiber und Kinder und etliche Rathsherren ist kundgethan gewesen“, wann die Wache zum Frühmorgen dünn besetzt war.484 Allerdings waren Flugschriften zu jener Zeit reine Propagandamittel, und die Forschung sucht glaubwürdigere Quellen, möglichst aus erster Hand. Ohne Gewährsmänner zu nennen, enthalten die schwedischen Berichte jener Tage anschauliche Angaben, denenzufolge am frühen Morgen des 10. Mai von der Stadt aus 482 Vgl. „Falkenberg, Dietrich von“, in: NDB, Bd. 5 (1961), S. 9 f. 483 Wittich 1874, Bd. 1, S. 145. 484 Trucul expugnatio, zit. in: ebd., Bd. 1, S. 157.

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an Steine gebundene Briefe heruntergeworfen wurden, in denen stand, dass man helfen wolle, die Garnison zu besiegen.485 Auch schrieb der schwedische Agent Salvius an den Reichsrat, überall sei heimliche Korrespondenz mit dem Feind gehalten worden.486 Ein chiffrierter Brief von Foppius, dem niederländischen Gesandten in den Hansestädten, an seinen Neffen Leo van Aitzema, der vermutlich von den Kaiserlichen abgefangen wurde, enthält ebenso Gerüchte über den Verrat einiger Bürger. Foppius schreibt, manch einer glaube, dass das Feuer von verzweifelten Bürgern angefacht wurde.487 Ein überlieferter Privatbrief eines Heinrich Zobell beschreibt, wie etliche Verräter die Tore öffneten, durch die schnell so viel Reiterei in die Stadt gekommen wäre, dass alles verloren war.488 Zudem äußerte Wittich 1874 die Ansicht, dass aus vermutlich abgefangenen Dresdner Avisen im Münchner Ratsarchiv ersichtlich sei, dass der Magdeburger Bürgermeister Kühlewein wie auch dessen Schwager Johann Alemann kaiserlich seien.489 Auf Druck der anderen Ratsmitglieder musste der Bürgermeister am 1. August 1630 den Allianzvertrag mit Schweden unterzeichnen. Der kaiserliche Offizier Walmerode berichtete über die dienliche Aussage beider vor der kaiserlichen Kommission, die es ermöglichte, dass man „die feindlichen consilia in Magdeburg ziemlicher massen penetriren könne […]“.490 Doch der Magdeburger Ratsherr Otto von Guericke widersprach jenen Gerüchten und sagte Salvius, den Schweden seien fälschlich von Verrätern berichtet worden.491 Nach der Eroberung durch Tilly wurde Kühlewein rasch rehabilitiert, während Alemann, von verschiedenen Zeugenaussagen belastet, aus der Stadt vertrieben wurde und sein Vermögen verlor. Angeblich hatte er gesagt, man müsse Sam 2,20 practizieren und dem Beispiel der weisen Frauen folgen, wenn man nicht untergehen wolle.492 Gustav Droysen habe die Verräterei irrtümlich Oberstleutnant Schneidewin zugeschrieben, der jedoch in kaiserlicher Haft gesessen habe, so Wittich.493 Die Kunde von der Preisgabe Magdeburgs findet sich auch in einem zeitgenössischen Gedicht, das Magdeburg mit dem Fall Sagunts 219 v. C. gleichsetzte: Meyn bruder in der that durch einen falschen Judas Rath mich arme Magd verrathen hath.

485 Vgl. Arkiv till upplysning om Svenska Krigens I., S. 742, zit. in: ebd., S. 159. 486 Bref från A. Salvius till Riksens Rad 18/28. Mai, in: Arkiv till upplysning om Svenska Krigens II, S. 256, zit. in: ebd., S. 160. 487 „meent den brand ut deparatil van enige borgus angeleit te sign“, Foppius aus Hamburg, 18./28. Mai 1631, zit. in: ebd., S. 14. 488 Vgl. ebd., S. 62. 489 Vgl. ebd., S. XI. 490 Bericht Walmerode im Wiener Staatsarchiv, zit. in: ebd., S. XII. 491 Vgl. ebd., S. 194. 492 Vgl. LHASA, Abt. Magdeburg, A 2 Erzstift Magdeburg, Nr. 712, f. 13 f. 493 Vgl. Wittich 1874, S. X.

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Im weiteren Verlauf klagt die Magd – symbolisch für die Jungfrau auf dem Stadtwappen – ihre tatenlosen Schwestern an und rühmt den schwedischen Helden, der für den Aufbau zwei Tonnen Gold gegeben habe. Ebenso seien Bremen und Braunschweig „durch feyndes list“ eingenommen worden.494 Vom Brand informiert, habe nun auch Braunschweig Sorge um seine Stadt und wolle versuchen, einen niederländischen Kundschafter einzuschleusen, um die Stadt zu retten, während Tillys Truppen bereits in der Nachbarschaft von Wolfenbüttel sich beraten, heißt es in einem teilweise chiffrierten Brief von Foppius. 495 Dass die Gegenpartei in ihren Quellen von Verrat gänzlich schweigt, begründet Wittich damit, dass sie den eigenen Kriegsruhm nicht schmälern wollten.496 Den Beschreibungen um ein problemloses Eindringen in die Stadt widerspricht das Selbstzeugnis Tillys, den bis zuletzt Zweifel am Erfolg der Eroberung umtrieben. In einem Punkt sind sich jedoch die Quellen einig: von allen Seiten zugestanden wird die anfänglich leichte Überrumpelung der Wallsoldaten in den Morgenstunden. Möglicherweise hat die Dämmerung in Verbindung mit halb besetzten Wachen den Ausschlag für den ersten, entscheidenden Vorteil gegeben, der dann zum Verrat überformt wurde. Die Zeugenaussagen zur Einnahme der Stadt sind demnach uneinheitlich. Sie lassen höchstens den Schluss zu, dass die Kaiserlichen leicht in die Stadt gelangten und entweder über schwache Bewachung informiert waren oder gar durch die geöffneten Tore einreiten konnten. In jedem Falle konnte sich der Rat offenbar nicht zu einer gemeinsamen Verteidigungsstrategie entschließen und hatte zwei prokaiserliche Mitglieder, was als Verrat ausgelegt wurde. Ebenso wie diese Inhalte stimmt die Art und Weise der Nachrichtenübermittlung nachdenklich: so hat Foppius von Aitzema seinen privaten Brief an den Neffen chiffriert und in offiziellen Schreiben nur Andeutungen geliefert. Zudem schrieb der anhaltische Rat Caspar Pfaw von „Extremitäten“, die massenhaft bei der Einnahme Magdeburgs entdeckt worden seien und von denen besser mündlich als schriftlich zu berichten wäre.497 Die aufgeladene Atmosphäre und vielleicht vereinzelte Missetäter ließen die Situation möglicherweise ausarten. Es muss offen bleiben, ob nicht ein oder zwei Überläufer genügten, um den Fall der Stadt zu begünstigen. In einer so großen Stadt könnte auch der kompetenteste Zeuge nicht aussagen, wie es sich mit der Eroberung, dem Feuer und den Misshandlungen zugetragen hat, wenn er nicht an allen Stellen der Stadt gleichzeitig gewesen war und noch dazu kühlen Kopfes genug, um seine Beobachtungen zu treffen, zu interpretieren und festzuhalten.498 Neben der Frage, wie die Eroberung Magdeburgs gelingen konnte, ist eine zweite von großer Bedeutung: Wie konnte die Stadt derart in Schutt und Asche gelegt werden? 494 „Saguntina prosopo poeia weilandt der loblichen Ansnen Anzwee-Stadt Magdeburg“, zit. in: ebd., S. 15. 495 Foppius, o. D., zit. in: ebd., S. 14. 496 Vgl. ebd., S. 199. 497 Zit. in: ebd., S. 146 f. 498 So Otto von Guerickes Mahnung an die hasserfüllte Bevölkerung. Vgl. ebd., S. 198.

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Für die Brandstiftung vermuten die Quellen oft die Schweden als Übeltäter. Laut einer Schrift über die Zerstörung Magdeburgs habe der schwedische Kommandant der Stadt Magdeburg, Dietrich von Falkenberg aber gesehen, das alles voller Verrätherei, und solches mit wissen des rathes geschehen sein müsse, lest er verscheiden Orthen fewer in das Rathhauss legen, so auch in Einem dergestalt Uberhandt genohmen, das keiner dar von kommen, sondern alle Verrather verbronnen […]499

Auch in anderen Quellen heißt es, an vier bis fünf Stellen sei plötzlich ein Feuer ausgebrochen, von dem niemand sagen könne, wer es gelegt hatte oder ob es „ohngefehr entstanden“, also „durch Gottes Verhängnis“ um sich gegriffen habe.500 Demnach sind die Feuer, die Falkenberg am Rathaus und an unterschiedlichen Orten legen ließ, um den Bürgern einen Schrecken einzujagen, außer Kontrolle geraten. Mit Blick auf klimahistorische Aufzeichnungen ist zu konstatieren, dass ein starker Nordoststurm die einzelnen Feuer zum Flächenbrand werden ließ und die Einäscherung Magdeburgs unbeabsichtigt war.501 Dennoch lieferten neun katholische und elf protestantische Berichte die Grundlage für die Ausnutzung durch die Kriegspropaganda. Die kritische Auseinandersetzung mit diesen Quellen lieferte das zwiespältige Ergebnis, dass Otto von Guericke, der die Zerstörung den Kaiserlichen anlastete, am glaubwürdigsten sei, dass aber Gustav  II. Adolf von Schweden an einen Verrat der Magdeburger glaubte.502 Die Folgen dieses Ereignisses waren verheerend: von ihren 35.000 Einwohnern war die Stadt durch den Brand, Seuchen und Armut so vieler Menschen verlustig gegangen, dass 1639 nur noch 450 in der Stadt lebten. Im Westfälischen Frieden zeigte sich die Schwächung darin, dass das Erzbistum an Brandenburg-Preußen fiel. Gustav II. Adolf aber wusste den Schock über die Katastrophe zu nutzen und konnte mit den über die kaiserlichen Greuel entsetzten protestantischen Fürsten von Sachsen und Hessen eine Allianz schmieden, die in den Sieg von Breitenfeld 1632 mündete. Der König erschien als Retter des Protestantismus. Jener Wendepunkt des Dreißigjährigen Krieges hängt demnach unmittelbar mit der disparaten Wahrnehmung in der Schuldfrage von Magdeburg zusammen.

499 Excidium Magdeburgense, 19./9. Mai 1631, zit. in: ebd., S. 63 f. 500 Eigentlicher und wahrhaffter Bericht von der überaus jämmerlichen und erbärmlichen Belagerung und Zerstörung der weitberühmten Stadt Magdeburg, 1638, zit. in: ebd., S. 33; Exitii et excidii Magdeburgensis historica relatio, 1631, zit. in: ebd. 501 Vgl. ebd., S. 33. 502 Vgl. Rammel 1910, S. 12.

4.2 Der Dreißigjährige Krieg 1618–48 und seine Folgen

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4.2.6 Tarnung und Rekrutierung der Spione Die rege Spionagetätigkeit im Dreißigjährigen Krieg hat in der Belletristik ihren Niederschlag gefunden. In der Forschung wird der berühmteste Roman aus jener Zeit, „Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch“, nicht nur als Schelmenroman, sondern als „Geheimpoetik“ in einem Labyrinth von verschlüsselten Büchern betrachtet.503 Passend zu diesem Versteckspiel und der im Buch vielfach anklingenden Sozial- und Herrschaftskritik veröffentlichte Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen häufig unter Pseudonym. Auf seinem Lebensweg hat er seinen Helden Simplicissimus gleich mehrfach in Spionageverdacht kommen lassen: 1635 in Hanau und ein Jahr später von den Kroaten bei Magdeburg.504 War er im ersten Fall durch sein ungepflegtes Äußeres aufgefallen, ist ihm im zweiten Fall zum Verhängnis geworden, dass er aus seiner Rolle als gefangener Narr eines Obristen in Frauenkleidern geflohen war. Er wurde als vermeintlicher Magdeburger Spion verhört. Der Folter entkam er erst dank schwedischer Hilfe im Getümmel der Schlacht von Wittstock. Die Einbettung in einen Spionagekontext wurde von Grimmelshausen bewusst zur Spiegelung der vom Protagonisten wahrgenommenen Unsicherheit überhöht. Da der Autor selbst als Kanzleisekretär bei einem Obristen gedient hatte, konnte er die militärischen Praktiken studieren und entsprechende Elemente in seinem Roman verarbeiten. So bemerkte er auch kritisch, dass „so mancher Spion“ sich in den Reihen der Soldaten versteckte, „wenn er nemlich nur ein Regiment und Compagni auß der Armada zu nennen weiß“.505 Wegen dieser Innenperspektive dürften die von Grimmelshausen im Roman eingesetzten Elemente wenigstens teilweise der Wahrheit entsprechen. Man wird nicht fehlgehen, angesichts der reichen Quellen zur Interzeption und Spionage im Dreißigjährigen Krieg stellenweise eine Spionagehysterie auszumachen. Beschäftigte Spione lassen sich anhand ihrer Berichte und Quittungen für den erhaltenen Lohn ermitteln. Leider sind für den Dreißigjährigen Krieg in Sachsen die entsprechenden Quellen sehr bruchstückhaft überliefert. Somit kann der folgende Abschnitt lediglich ein Schlaglicht sein. In einem Rechnungsbuch des Amtes Wittenberg sind die während der Jahre 1626 bis 1628 erfolgten Ausgaben für Kundschafter verzeichnet. Der in Wittenberg stationierte Generalobrist von Schwalbach und sein Hauptmann Keseritz veranlassten anläßlich der Kriegsunruhen regelmäßig geheime Kundschaftsreisen, um über die Stationierung

503 Vgl. Gersch, Hubert: Geheimpoetik. Die Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi, interpretiert als Grimmelshausens verschlüsselter Kommentar zu seinem Roman (= Studien zur deutschen Literatur. 35), Tübingen 1973; Schmitt, Axel: Intertextuelles Verwirrspiel – Grimmelshausens Simplicianische Schriften im Labyrinth der Sinnkonstitution, in: Simpliciana. Schriften der Grimmelshausen-Gesellschaft 15 (1993), S. 69–87. 504 Vgl. Krenzke 1999; Grimmelshausen 1669, S. 75, 234. 505 Grimmelshausen 1669, S. 442.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

von Kriegsvolk informiert zu sein.506 Dazu beriefen sie stets die gleichen Kundschafter namens Christian Gödecke, Christian Zeiger und Lorenz Schöne, den einmal Christian Bock begleitete. Die Häufung desselben Vornamens lässt den Gedanken aufkommen, ob es sich eventuell um eine Person handelt und somit neben Lorenz Schöne ein Christian mit wechselnden Nachnamen beschäftigt wurden. Besonders Gödecke wurde mit diesen Reisen betraut, sich „unvormarckt“ zu erkundigen oder „etlicher Sachen halber“ Kundschaft einzuziehen.507 Sie wurden nach Aschersleben (März 1626), Brandenburg, Spandau und Berlin (März und Mai 1627), Mecklenburg (Oktober 1627), Pommern (August 1628), Stralsund (Dezember 1628) sowie zu den Schanzen an der Elbe und bei Dessau ( Juli und August 1628) verschickt und lieferten knappe Nachrichten über die vor Ort liegenden Fähnlein und Offiziere.508 Die Kundschafter erhielten je Auftrag jeweils drei Reichstaler Vergütung, für weitere Reisen nach Mecklenburg oder Stralsund auch das Doppelte. Dieser Lohn war nicht unerheblich. Die knappen schriftlichen Berichte konnten den Militärs lediglich zur Standortbestimmung gegnerischer Regimenter dienen, waren aber keine besonders aussagekräftige Informationsquelle. Möglicherweise ergänzten die Kundschafter ihre vorausgeschickten Berichte noch bei einem mündlichen Rapport um weitere wertvolle Beobachtungen. Dergleichen ist aber nicht belegt, und es ist davon auszugehen, dass der Erfolg dieser Kundschaftsreisen eher gering ausfiel. Johann Georg I. setzte auch seine Schwägerin Hedwig, gebürtige Dänin, als Informantin ein. Als sie Besuch vom brandenburgischen Kurfürsten hatte, sandte sie ihm auf seine Bitte hin ihre Briefe mit dem Bruder und der Schwester und deren Antworten im Original.509 Hedwigs Reise nach Dänemark und der darauffolgende Besuch des Kurfürsten in Lichtenburg für eine persönliche Unterredung dürften auch in direktem Zusammenhang stehen.510 Wie Ute Essegern herausfand, vermittelte die Witwe auch Briefe zwischen dem dänischen König Christian IV. und dem sächsischen Kurfürsten.511 Zum Jahreswechsel 1630/1631 rückten die Truppen Pappenheims von Hameln kommend über den Harz vor. Mit Stationen in Halberstadt, Burg, Wolfenbüttel, Wanzleben, Pechau, Biederitz und Brandenburg kamen sie am 1. Mai vor Magdeburg an.512 Aus 506 Vgl. SächHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 4457/2 . 507 Ebd., f. 25/3 und f. 27. 508 Vgl. ebd., Lorenz Schöne nach Aschersleben, 19. März und 22. Mai 1626, f. 26, 65; Christian Bock nach Brandenburg, 1. Mai 1627, f. 118b; Christian Gödecke nach Brandenburg, 24. März 1526; Christian Gödecke nach Mecklenburg, 7. Oktober 1627, f. 129; Christian Zeyger an die Schanzen, 30. Juli und 28. August 1728, f. 194; Christian Gödecke nach Pommern, 31. August 1728, f. 198; Christan Gödecke nach Stralsund, 14. Dezember 1728, f. 203; Bericht aus Brandenburg, f. 125 und 125/8; Bericht aus Mecklenburg, f. 130. 509 Vgl. Essegern, Ute: Fürstinnen am kursächsischen Hof. Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Leipzig 2007, S. 174. 510 Vgl. ebd., S. 167. 511 Vgl. ebd., S. 184. 512 Vgl. Stadler 1991, S. 801 f.

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jenen vier Monaten ist ein Spion des Dreißigjährigen Krieges bekannt, der bereits in der Forschungsliteratur bekannt ist: Simon Ley. In der Kanzlei des kaiserlichen Generals Gottfried Heinrich von Pappenheim hatte sich der Geheime Kriegssekretär, der das uneingeschränkte Vertrauen Pappenheims genoss, eines umfänglichen Geheimnisverrates befleißigt und Kursachsen von Januar bis Mai 1631 unaufgefordert unter den Pseudonymen Caspar Walter und Michael Schneider mit Kopien und Nachrichten versorgt.513 Der Kurfürst war gut beraten, hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes zunächst skeptisch zu sein. Schließlich konnten die Informationen ja auch eine Falle sein. Leys Kopien enthielten nicht nur die Korrespondenz der gegnerischen Feldherren, sondern auch eine Regimentsliste, eine Übersicht zu Garnisonen, eine Kostenaufstellung, eine Lageskizze von Magdeburg und eine Chiffre.514 Zudem lieferte er Informationen über einen Pappenheimschen Informanten, der auf einem schönen polnischen Fuchs von Prag nach Leipzig reite und am nächsten oder übernächsten Tag eintreffen müsse. Er sähe aus wie ein alter Mann mit grauem Bart, trüge ein graues Kleid mit silbernen Gallaunen und hätte rotes Zaumzeug.515 Er wolle in den Kanzleien etwas erfahren und von unterschiedlichen Orten kommunizieren. Um das zu verhindern, möge man ihn in die Vorstadt verweisen. Trotz aller berechtigten Skepsis ignorierte Kurfürst Johann Georg  I. Leys Briefe nicht. Im Februar erhielt Ley eine Rückmeldung des Kurfürsten, denn er schrieb als Postskriptum: Duchläuchtigster Churfürst gnedigster Herr, E. Churfl. Gnaden Bevehl underm dato den 11. Feb. Habe bey beschließung meines Schreibens neben den Copeilichen Beyschlusses mit underthenigster gehorsambst reverenz empfangen und verstanden.516

Da er weiterhin Abschriften tätigte, ist davon auszugehen, dass der sächsische Kurfürst ihn ermuntert hat weiterzuberichten. Eine jener unadressierten Sendungen „flatterte […] auf den Tisch des erstaunten Tilly“, der daraufhin Pappenheim anmahnte, er solle die Dokumente besser verwahren und zuverlässiges Personal bestellen.517 Der General unternahm jedoch nichts. Als sich Ley aus dem Quartier schlich, um in Wittenberg „Packetlein“ und „convolutlein“ Briefe auszuhändigen, war Pappenheim vielmehr um Leys Gesundheit besorgt, wie Barbara Stadler schreibt.518 Am 4. Mai meldete Ley dem 513 514 515 516 517 518

Vgl. ebd., S. 514 f. Die von Ley gelieferten Abschriften vgl.  SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9241/3; Warlich 2010. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9241/3, f. 94–108, 119. Vgl. ebd., f. 145 f. Vgl. ebd., Postskriptum an die Abschrift eines Schreibens des Generals Pappenheim an Kurmainz, 16. Februar 1631, f. 131. Stadler 1991, S. 515. Ebd. Barbara Stadler spricht von „ganzen Paketen Akten“. Im Original ist aber nur von „drey Packetlein Brieffe“ bzw. „zweiy vorsiegelte Convolutlein Brieffe“ die Rede. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9241/3, Michael Schneider alias Simon Ley an den Kurfürsten, 21. und 22. März 1631, f. 144b, 151.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

kursächsischen Obristleutnant Löser, er könne keine weiteren Akten liefern, da die Quartiere auf die andere Elbseite verlegt würden.519 Es ist ungeklärt, ob Ley rechtzeitig den Rückzug antrat oder gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde. Auf den Hinweis des bayerischen Kurfürsten Maximilian, dass seine Kanzlei undicht sei, hat sich Pappenheim am 12. Mai noch völlig ahnungslos gestellt, wer der „Pflichtvergessene“ sei, und auch der die Woche zuvor verstorbene Sekretär-Auditor komme kaum in Frage.520 Allerdings berichtete Pappenheim am 17. Juni, nun sei auch sein zweiter Sekretär gestorben.521 Somit ist Barbara Stadlers Vermutung wohl richtig, dass Pappenheim, um einen Skandal zu vermeiden, heimlich den Verräter liquidierte.522 Ley nannte seine Spionage einen Beitrag für den Kampf gegen die Katholiken, und Barbara Stadler hat bei Simon Ley eine große Portion religiöses Schwärmertum festgestellt.523 Ihrer Meinung nach wollte Ley seine unbedeutende Existenz mit einer „heroischen Tat kompensieren“.524 Die Motivation Leys, den Protestanten „aus christlicher Liebe gegen das Vatterlandt und seins Glaubensgeweßen“ zu helfen, weist aber auf einen achtenswerten und moralisch handelnden Charakter hin.525 In der Tat versah Ley seine Abschriften mit zahlreichen Kommentaren, die den Inhalt erläuterten oder Zusatzhinweise lieferten.526 Auch werden die Schwierigkeiten seiner Kopiertätigkeit deutlich, wenn er an einer Stelle schreibt, er habe die Beilagen nicht verfertigen können und were alles hernach liefern.527 Auch bat er um Geduld, als ein bevorstehender Ortwechsel seines Lagers erwarten ließ, dass eine Zeit verstreichen werde, bevor er wieder ohne Gefahr das Quartier verlassen könne.528 Pappenheim besaß jedoch noch einen weiteren Verräter in den eigenen Reihen, den Rat Dr. Osterwald, der nachweislich die Kopie eines Tillyschen Schreibens nach Braunschweig weitergegeben hatte und schon 1629 seinen Patron für die eigene Bevorteilung verraten hatte.529 Nicht sonderlich überraschend starb auch Osterwald Anfang Juni. Stadler diagnostiziert angesichts dieser gehäuften Vorkomnisse bei Pappenheim eine mangelnde 519 520 521 522 523 524 525 526

527 528 529

Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9271/4, Caspar Walter alias Simon Ley an Löser, 24. April 1631, f. 127. Allerdings sind bei Durchsicht jener Akte Leys Berichte nicht auffindbar gewesen, vielmehr endet die Akte auf S. 95. Pappenheim an Maximilian, 29. Mai 1631, zit. in: ebd. Vgl. Pappenheim an Maximilian, 17. Juni 1631, zit. in: ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Ebd. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9241/3, Michael Schneider alias Simon Ley an den Kurfüsten, 22. März 1631, f. 151b. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9241/3, „Das Datum dieses Schreibens ist mir nit bekannt, es muß im Januario 1631 abgangen sein“, f. 4b, „Dieser Paß ist an Herrn Graff Johann ausgelaßen worden“, f. 18, „Der General-Quartiermeister sitzt im Arrest, deswegen man einen andern an seiner statt zu dieser Verrichtung genohmen“, f. 32b, „Dieses ist mit Ziphern geschrieben worden“, f. 54b, 60b. Vgl. ebd., f. 57. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9241/3, Brief vom 28. März 1631, f. 148. Vgl. Stadler 1991, S. 515.

4.2 Der Dreißigjährige Krieg 1618–48 und seine Folgen

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Menschenkenntnis und Vertrauensseligkeit, was ihn die Kontrolle seines Personals vernachlässigen ließ. Sogar eine gewisse Überheblichkeit konstatiert sie, da Pappenheim lieber den Blick auf große Projekte richtete und nicht auf „Kleinlichkeiten“.530 Zuvor hatte Pappenheim auch den Herzog August von Braunschweig-Lüneburg für seinen besten Freund gehalten, der ihn aber nur für eine dynastieinterne Intrige missbrauchte.531 Wieviel Nutzen zog der Kurfürst aus dem fünfmonatigen Postdienst des Simon Ley? Die Briefe wurden in der Schreibstube in Wittenberg gelesen und in eine richtige Ordnung gebracht.532 Der Kurfürst hatte die „alsobaldige expetition“ zu seinen eigenen Händen anbefohlen.533 Aber es geschah wohl keine nähere Analyse der Geheimen Räte. Inwiefern Simon Leys Informationsdienst überhaupt diskutiert wurde, ist schwer nachweisbar, da die Protokolle der Geheimen Räte und die Spezialreskripte keinen Bezug auf ihn haben.534 Auch Onno Klopp konnte keinen Erfolg von Leys Tätigkeit für Johann Georg I. nachweisen.535 Auf seine Sicherheit bedacht, bat Ley darum, dass von seinen Kopien nur das Wichtigste herausgenommen und alles übrige kassiert werden solle. Das Pseudonym sollte ihn zusätzlich schützen. Jedoch lehnte er ab, mit auffälligen Ziffern und Zeichen seine Berichte zu verschlüsseln, wie ihm der Wittenberger Sekretär oder der Kurfürst empfahlen, denn Alphabete seien schon zu verbreitet und zu leicht aufzulösen.536 Dieser Vermerk beweist, wie weitsichtig Simon Ley war, denn er antizipierte die Möglichkeit, aufgegriffen zu werden. In einem solchen Fall würden die ohnehin nicht unauflösbaren Chiffren ihn eher belasten, da sie ihm eine glaubhafte Legende um seine Person verwehrten. Er konnte leichter lügen, wenn er keine kompromittierende Geheimschrift bei sich trug. Die Forschung hat aber herausgefunden, dass der schwedische Resident in Sachsen, Lars Nilson Tungel, von dem Verrat Leys wohl informiert war. Parallel beschäftigte auch eine andere Affäre die Katholiken, denn Pappenheim hatte den Nomenklator des bayerischen Generalfeldmarschalls Gronsfeld in seinen Besitz gebracht und las dessen Korrespondenz mit, weil er bei ihm gleichfalls einen Verräter vermutete.537 Auf sächsischer Seite warnte die Kurfürstin ihren Mann oft genug vor Verräterei. Es kann davon ausgegangen werden, dass Johann Georg die Berichte Leys, die er zu 530 531 532 533 534

Ebd., S. 516. Vgl. ebd., S. 339. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9241/3, f. 141–144. Ebd., f. 144b. Vgl. SächsHStAD, 11240 Spezialreskripte des Geheimen Kriegsratskollegiums und der Kriegsverwaltungskammer, Register Teil 1 (1636–1708); Spezialreskripte, Nr. 1; 10024 GR (GA), Loc. 10053/6; 10054/2; 10054/3; 10055/1. 535 Vgl. Klopp 1896, Bd. 3/2, S. 108. 536 „Waß Er inkunftig ferner zu entdecken, will Er uf mittel bedacht sein, will Ers mit dem Alphabet entweder mit Ziefern oder Zeichen, inn deme es hinfurtt mehr sonst gemeine würde, und leichttliche ufzulösen wehre, nichtt ratthsamb achtten.“ SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9241/3, Michael Schneider an den Kurfürsten, 22. März 1631, f. 153. 537 Vgl. Warlich 2011.

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eigenen Händen aus Wittenberg erhielt, kaum mit seinen Räten besprochen hat. Ley bat in einem persönlichen Brief den Kurfürsten darum, er möge alles „ja allso bey sich behalten“.538 Es liegt nahe, dass tatsächlich nur der Sekretär in Wittenberg und der Kurfürst eingeweiht waren. Nachweisbaren Eingang in kursächsische Entscheidungen haben die gelieferten Nachrichten nicht gefunden. In anderen Spionagefällen sind direkte Folgen von Spionage nachweisbar. Bei der schwedischen Besetzung von Erfurt 1631 wurde der Karthäusermönch Johannes Arnoldi wegen aufgegriffener geheimer Briefe des Verrats beschuldigt.539 Seine Tätigkeit war ein Grund dafür, dass die Mönche 1633 von den Schweden aus dem Kloster vertrieben wurden. Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar hat die Stadt Nordhausen am 4. Januar 1632 vor dem Anrücken Pappenheims gewarnt, wohingegen der Rat aus seinen sicheren Quellen wusste, dass der Marsch sich auf andere Orte richtete und Nordhausen nichts zu befürchten habe.540 Die nur unter Schutzherrschaft des sächsischen Kurfürsten stehende Reichsstadt machte sich auf diese Weise allerdings der Kollaboration mit dem Feind verdächtig und ließ den Beschützer kein zweites Mal seine Hilfe anbieten. Die Stadt paktierte mit beiden Parteien. Als Pappenheim tatsächlich anrückte, bot man ihm Proviantlieferungen an, wenn er von Einquartierungen absehe, und zugleich umschmeichelte man den schwedischen Residenten.541 Man kann sagen, Nordhausen lavierte sich erfolgreich durch die Kriegsjahre und hat sich, wie an späterer Stelle noch gezeigt wird, durch Kollaboration mit feindlichen Spionen bei seinen Nachbarn keine Freunde gemacht. Eindeutiger ist die Politik in anderen sächsischen Städten gewesen, z. B. in Freiberg. Am 14. Oktober 1634 schrieb der Rat zu Freiberg an den Kurfürsten, er hätte am Vormittag einen Jungen in böhmischer Kleidung und mit einem Feuereisen bewaffnet „von des Feindes Volck“ in der Stadt aufgegriffen und ihn „mit Fleiß examiniret“.542 Er sei 16–17 Jahr alt, aus Veitsberg bei Weida gebürtig und „ein verschlagen Pürschlein“. Seinem Bericht nach habe ihn das kurfürstliche Volk als „landkundt“ vor einem halben Jahr nach Chemnitz, Freiberg, Dresden und Zittau mitgenommen, und er sei auch nach Schlesien und Böhmen bis nach Bad Podiebrad gekommen, wo er bei einem gemeinen Reiter unter dem Obristen Taube gewesen sei. Anfangs nannte er jenen Reiter Hans Hartmann, später wusste er den Namen nicht mehr oder nannte ihn Groto oder Hagelmann. In seiner Aussage fanden sich auch weitere Widersprüche – einmal war er auf dem Weg zu seinem Vaterhaus, da der Vater verstorben sei und ihm ein Haus mit Garten hinterlassen hätte, wo er ein Handwerk übernehmen wolle, ein andermal 538 539 540 541 542

Vgl. Simon Ley an den Kurfürsten, 22. März 1631, zit. in: ebd., f. 159. Vgl. Berg 2012, S. 296. Vgl. Becker 1939, zit. in: Kuhlbrodt 2011, S. 214. Vgl. ebd., S. 217 f. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10839/39, Rat zu Freiberg an den Kurfürsten, 14. Oktober 1634, unfol.

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sagte er aus, sein Vater sei ein Bauer. Auch berichtete er von einem Pferd, dass ihm sein Reiter überlassen hätte, das ihm aber die Kroaten genommen hätten, wohingegen er zu späterer Zeit sagte, er hätte das Pferd für drei Reichstaler in Lichtenhain verkauft. Wegen dieser uneinheitlichen Aussagen setzte ihm der Rat härter zu und bedrohte ihn mit dem Scharfrichter, so dass der Junge nachmittags seine Aussage änderte. Er sei von Weida nach Chemnitz gegangen und dort von einem kaiserlichen Rittmeister zur Erkundigung ausgeschickt worden, wie es um die Stadt Freiberg stünde. Es würden 30 Reiter im Spital Weida auf seinen Bericht warten, ob sie hineinkommen könnten in die Stadt. Er hätte in Chemnitz keine Infanterie und keine Geschütze gesehen, sondern nur paarweise Reiter bis auf die Leipziger Straße. Zur militärischen Lage glaubte er gehört zu haben, dass Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar – ein auf schwedischer Seite kämpfender Feldherr – die Kaiserlichen geschlagen hätte und man dem jungen König zu Hilfe kommen müsste. Damit war zweifellos Ferdinand III. gemeint, der seit 1627 König von Böhmen war. Diese Motivation für den thüringischen Jungen beruhte jedoch auf einer falschen Information. Herzog Bernhard hatte in der Schlacht von Nördlingen am 6. September 1634 nicht gesiegt, sondern gegen ein überlegenes kaiserliches Heer verloren. Die Schweden galten fortan nicht mehr als unbesiegbar, und Herzog Bernhard hatte bei Axel Oxenstierna, dem schwedischen Kanzler, sein Vertrauen verspielt, da er den Angriff auf Nördlingen gegen den Rat des schwedischen Generals Horn gewagt hatte. Die Folge war, dass der Weimarer Herzog sein Herzogtum Franken verlor und fortan in französische Dienste trat. Wie diese Fehlinformation zeigt, bestand über die Kriegsereignisse bei den Zeitgenossen einige Verwirrung, denn die Postbeförderung selbst wichtiger Briefe dauerte durch die Kriegsereignisse erheblich länger als üblich.543 Der aufgegriffene Junge, der nun seinen Namen Michael Gruner nannte, wechselte vor dem Stockmeister in der Fronfeste erneut seine Aussage und sagte, er sei schon vor acht Tagen von Eger mit nach Freiberg gekommen, „als der Anfall des Kays. Volcks an hiesige Stadt geschehen“.544 Danach sei er „unter den Trojanern“ mit einem Offizier zu Pferde nach Chemnitz geritten und erst gestern von einem Corporal mit 30 Kroaten nach Freiberg ausgeschickt worden, um Verschiedenes in Erfahrung zu bringen: 1. wie viel Volcks in der Stadt liege 2. ob die Wache untern Thoren starck bestellet wehre 3. ob sie viel Proviandt in der Stadt hetten 4. wenn sie nun solche Kundtschafft erlanget, wolten sie morgen mit dem früesten oder heutte gegen Abendt mit ihren Volcke anhero kommen, und die Stadt plündern

543 So dauerte 1641 eine Eilnachricht von Würzburg nach Gotha 25 Tage. Vgl. ThStAG, GA, F O II c Nr. 3. 544 SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10839/39, Rat zu Freiberg an den Kurfürsten, 14. Oktober 1634, unfol.

400

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5. sie wehren 3.000 Mann starck, alles Reuterey und solten noch heutte mehr Reuterey und Fuß volck von Joachims Thal hernache kommen 6. Sie hetten ihme alsobaldt 3. Thal. darauf gegeben, und darneben vielmehr geldt verheißen, wenn er wieder würde zurücke kommen545

Einige Stunden später sagte er dagegen aus, dass die Kaiserlichen ihn auf dem Weg nach Lützen, wo am 6. November 1632 die Hauptschlacht des Dreißigjährigen Krieges stattfand, in Veitsberg an der Flucht gehindert und ihn mitgenommen hätten, so dass er fortan bei den Kaiserlichen gewesen sei. Gestern habe er zusammen mit einem Bauern und 30 Pferden die Erkundigung von Freiberg aufgetragen bekommen und sei verpflichtet worden, die Informationen durch den Bauern den Kroaten zu berichten. Mit dem Feuereisen hatte er Feuer legen sollen, und er hatte auch Eisenstein, Lunte und Schwefel dabei, „aber er hette es in koth geworffen, ehe er an die Stadt kommen, wenn das fewrer wehre angangen, hetten die Reutter wollen zufallen; der Bauer hette dergleichen Befehl auch gehabt, aber er hatte auch nicht dran gewolt.“ Aus Böhmen und besonders aus Eger seien sechs Regimenter zum Plündern unterwegs. Zuvor sei er vor 14 Tagen wegen des Hungers schon einmal in Freiberg gewesen. Aber die Regimenter seien der festen Meinung, dass sie wieder fort müssten, um dem jungen König nach seiner vermeintlichen Niederlage zu helfen. Sie seien schlecht bewaffnet und hätten wenig Munition. Mit dieser Aussage Michael Gruners endet die Akte; über seinen Verbleib sind keine weiteren Nachrichten bekannt. Durch den ausgeübten Druck seitens des Rates und des Stockmeisters ist seine Geschichte mit jeder Aussage konkreter geworden und lässt sich nun gut rekonstruieren: wahrscheinlich ist er schon länger bei den kaiserlichen Truppen gewesen und hat sich als dienstlich erwiesen, da diese ihn sonst nicht mit einer solchen bedeutsamen Auskundschaftung beauftragt hätten. Er wurde einem erfahrenen Reiter zur Seite gestellt, der ihn wohl in der Kriegskunst anleitete. Zusammen mit einem höchstwahrscheinlich ebenfalls einheimischen Bauern wurde er unauffällig in die Stadt geschickt, um wichtige Nachrichten zu sammeln, diese über den Bauern zurückzusenden und Feuer in der Stadt zu legen, was beide aus Heimatverbundenheit aber nicht taten. Dieser Quelle ist zu entnehmen, dass die Kaiserlichen sich der Einheimischen als Kundschafter bedienten und dabei eine langfristige Strategie verfolgten. Die Entlohnung in Höhe von drei Reichstalern entsprachen dem üblichen Tarif, und das Versprechen auf weiteren Lohn diente dem Ansporn.546 Neben diesem Jugendlichen finden sich unter den Spionen auch Handwerker und Bauern. Auch ein Gesandter wurde auf frischer Tat als Spion verhaftet. Der Jurist Joa545 Ebd. 546 Für drei Taler konnte man sich 1650 in Bayreuth 67,5  kg Rindfleisch kaufen. Vgl. http://www. lippold-dauernheim.de/html/geldeswert.html [28.06.11]

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chim Kratz, kam am 27. Oktober 1632 von Hohnstein, wo er seit einem Jahr gesessen hatte, auf die Festung Königstein.547 Bei einer Zusammenkunft der evangelischen Stände in Leipzig habe er sich im Vorjahr heimlich mit eingeschlichen. Vermutlich stehen die von diesem Leipziger Konvent überlieferten interzipierten Schreiben mit dem Fall Kratz in Verbindung. In diesen Interzepten lassen sich die Bedenken der Räte darüber nachlesen, dass eine fremde Macht wie Schweden auf den Reichsboden „gelockt“ worden sei und dass es beschwerlich werde, sie „mit manier“ aus den besetzten Orten wieder hinaus zu bringen.548 Danach wurde die Zwietracht des schwedischen und dänischen Königs sowie die Wahrnehmung des Religionskonflikts von katholischer Seite und Pläne für das weitere Vorgehen diskutiert. Derlei Informationen waren hochbrisant, so dass mit Kratz keine Nachsicht geübt wurde. Zusätzlich wurde sein Los dadurch erschwert, dass in Halle ein Eindringling dem Feind das Tor geöffnet hatte und die Protestanten sich als gefährdet ansahen.549 Der dänische König Christian, aus dessen Dienst er ohne Erlaubnis getreten war, hätte dessen Exekution gern gesehen, aber der andere frühere Dienstherr, Georg Wilhelm von Brandenburg, setzte sich in den nächsten Jahren wiederholt für Kratz ein.550 Nach über 17 Jahren Festungshaft auf der Crellenburg wurde er am 15. März 1650 ins Amt Pirna abgeholt und nach geleisteter Urfehde entlassen.551 Kratz war ein erfahrener Gesandter, der als altmärkischer Quartalgerichtsrat schon 1625 zu Christian von Braunschweig gesandt worden war, um dessen Einmarsch in die Mark zu verhindern und auch 1626 Tillys Lager von Rothenburg aufsuchte, um diesen zu bitten, die Mark mit dem Durchzug seines Heeres zu verschonen.552 Bei der Einlagerung der Kaiserlichen in der Mark gab er ein Memorial ab.553 1628/29 verhandelte Kratz wiederum mehrmals mit Tilly über die Einquartierungen in der Altmark.554 Zuletzt war er als Jurist in der Verfassung der altmärkischen Ordnung tätig, um kriegsgerichtliche Salvagardien zu erteilen.555 Um das Jahr 1632 müssen etliche Spione tätig gewesen sein, da allein in Böhmen binnen weniger Tage ein halbes Dutzend Kundschafter oder verdächtige Personen aufgegriffen wurden.556 In Leitmeritz wurde ein kaiserlicher Kundschafter namens Haugschaar aufgegriffen, der beim dortigen Dekan einkehren sollte. Mit diesem sowie 547 548 549 550 551 552

Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 7192/45. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9281/6, Bericht über den Konvent in Leipzig, f. 3–7. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 7192/44, Anhang, f. 12. Vgl. ebd., Briefe Georg Wilhelms von Brandenburg, f. 22, 36, 71; Heskel 1924, S. 216. Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 2; SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 7192/47. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 24 Kriegssachen hauptsächlich aus der Zeit des 30jährigen Krieges, a. 3, fasz. 19; b. 6., fasz. 2; b. 6., fasz. 3. 553 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 24 Kriegssachen hauptsächlich aus der Zeit des 30jährigen Krieges, b. 18. a, fasz. 3. 554 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 24 Kriegssachen hauptsächlich aus der Zeit des 30jährigen Krieges, b. 6., fasz. 7; b. 6., fasz. 9. 555 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 24 Kriegssachen hauptsächlich aus der Zeit des 30jährigen Krieges, O. 1, fasz. 4. 556 Vgl. SächsHStAD, 11269 Hauptzeughaus, Nr. 356, unfol.

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einem näselnden Mönch habe er die Stadt sowie das benachbarte Auscha erkunden und die Informationen über mögliche Einfallstore nach Tabor bringen sollen, bekannte er.557 Von einem Pfaffen wisse er, dass sich die Prager Juden auch nach Tabor als Kundschafter gebrauchen ließen. Bei einer Gegenüberstellung stritt der Dekan alles ab und meinte, Martin Haugschaar habe das nur unter der Folter oder „aus Angebung“ gesagt.558 Andere Gefangene gaben an, dass Einwohner, Handwerker und sogar Bürgermeister dem Feind in Bunzlau und anderen Städten Vorschub getan hätten. Insgesamt ist es angesichts der Bandbreite ihrer sozialen Herkunft kaum möglich, eine Typologie der Spione im Dreißigjährigen Krieg zu erstellen. Die auf dem Weg liegenden Wirtshäuser waren jeweils ein Umschlagplatz für Briefe, die zur schnelleren Weiterbeförderung ausgetauscht wurden. So bildeten sich Reisegruppen von Briefboten, die gemeinsam gingen und dann zugleich angehalten und arretiert wurden. Im März 1632 verhaftete man drei Kundschafter bei Melnik und ebensoviele bei Kräschitz.559 Es waren Strumpfsticker, Bauern, Tagelöhner und Pferdeknechte darunter, die teilweise militärische Mitteilungen transportierten und zur Tarnung z. B. nur eine Dienstanweisung für den Kauf von Zwiebelsamen vorzeigten.560 Die Auftraggeber machten sich zunutze, dass die Boten des Lesens nicht mächtig waren und zugleich mit nur wenig Lohn zufrieden waren. In ihrer ungewohnten sozialen Rolle fielen diese einfachen Leute den Wachtposten auf, zumal, wenn sie versteckte Briefe fanden. Einer rechtfertigte sich, er hätte die Briefe in seine Sachen eingenäht, um schneller voranzukommen und nichts zu verlieren. Ein anderer, Christoph Tabor, hatte unter der Hutschnur einige Briefe transportiert, war aber keiner der Ahnungslosen. Er bekannte unter der Folter, dass der Bürgermeister von Bunzlau mit der Bevölkerung zusammen einen Anschlag gegen die Stadt Bunzlau wie auch Melnik und später Prag ausüben wollte. Prag war zu diesem Zeitpunkt in sächsischer Hand, doch Wallenstein vertrieb mit 30.000 Mann das Heer und nahm Prag am 25. Mai ein. Arnim gelang es, die kursächsische Armee über die Elbbrücke bei Leitmeritz zu bringen und vor der Einkesselung zu bewahren.561 Seine persönliche Beziehung mit dem Herzog von Friedland wirkte sich aber auch gewiss insoweit aus, dass Wallenstein eine gewisse Nachsicht den Sachsen gegenüber walten ließ. Es ist wohl nicht zu gewagt festzuhalten, dass in einer anderen Konstellation eine Kapitulation der Sachsen dem Kriegsverlauf einen besonderen Impuls und vielleicht sogar eine Wende gegeben hätte, da der Kaiser einen solchen Sieg Wallensteins noch deutlicher gewürdigt hätte und Johann Georg I. eher aus dem Krieg ausgeschieden wäre. Insofern ist die Geheimpolitik Arnims ein bedeutsamer Bestandteil der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Die gefangenen kaiserlichen 557 Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10796/14, Verhör Haugschaars, 5. März 1632, unfol. 558 Vgl. ebd., Schreiben des Dekans Johann Coelestin, unfol. 559 Vgl. ebd., Verhöre und Aussagen in Mělník gefangener Kundschafter, 2. März 1632, Befragung der drei gefangenen, die von Krächitz gebracht wurden, 12. März 1632, unfol. 560 Vgl. ebd., Aussage des Blasius Stich, 12. März 1632, unfol. 561 Vgl. Klopp 1896, Bd. 3/2, S. 634.

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Spione Wallensteins konnten dagegen nur einen geringen Beitrag an seinem Erfolg leisten. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Der Spionagehysterie fielen teilweise auch Unschuldige zum Opfer. Eine Mutter, die ihre verschleppte Tochter suchte, geriet in den Verdacht zu spionieren und musste sogar Daumenschrauben über sich ergehen lassen, ehe man ihr glaubte.562 Ein gewisser Simon Reinhard musste sich des Verdachts erwehren, mit den Schweden gemeinsame Sache gemacht zu haben, als sich die Stadt Weißenfels von der Erpressung durch Franz Heinrich von Sachsen-Lauenburg mit 1000 Talern Diskretionsgeld für dessen drei einflussreichste Männer freikaufen wollte.563 Ob der Beschuldigte sich mit den zehn angeführten Entlastungsdokumenten Glauben verschaffen konnte, verschweigen die Quellen. Dass die Spione Wirtshäuser als Kommunikationszentren nutzten, ist auch für Nordhausen belegt. 1639 forderte ein gewisser Plettemberg aus Duderstadt den Rat der Stadt Nordhausen auf, feindliche Spione nicht zu unterstützen, die sich aus Wolfenbüttel zu Fuß und zu Pferd in die Gasthäuser begeben hätten.564 Auch sollte der ehemalige Amtsschreiber von Klettenberg, Johann Berndt, der den Feind in die Grafschaft Hohnstein geführt habe, ausgeliefert werden. Ein weiterer Spionagefall aus Würzburg bringt die Methoden der Spione einerseits und das Krisenmanagement der Fürsten andererseits zum Vorschein. Am 9. Mai 1641 gab der Würzburger Fürstbischof, Franz von Hatzfeld, seinem „besonders lieben Herrn und Freundt“, dem Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha, freundlich nachbarlich zu erkennen, dass sich in seinem Lande als Händler getarnte Kundschafter herumtrieben und noch dazu dem Kommerzienhandel schadeten: So werden wir iedoch berichtet, daß under dem Praetext und vorwandt des Getreidt und Weinkauffs etzliche die sich des auskundtschafftens und espionirens bevleissigen sich mit einschleichen, andere aber, die erkauffte wein und früchten an verdächtige orth führen […].565

Um die ehrlichen Kaufleute von den Spionen zu trennen, bat er den Herzog, die Gothaer Fuhrmänner und Schubkärrer mit einem Pass auszustatten, aus dem Name, Herkunftsort, Gewerbe und Reiseziel hervorgingen, wofür Ernst der Fromme sogleich nach Erhalt des Briefes den Auftrag für alle Amtsschösser erteilte, „so offt es die Noturfft erfordt“.566 Interessanterweise legte er seinem Befehl eine Kopie des Briefs vom 562 Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10796/14, Verhör der Dorothee Scherrien, 19. März 1632, unfol. 563 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 7194/1. 564 Vgl. Stadt Nordhausen, R, Kb 28, Schreiben Plettembergs an den Rat der Stadt, 20. Dezember 1639, Bl. 44, zit. in: Kuhlbrodt 2011, S. 541. 565 ThStAG, GA, F O II c Nr. 3, Fürstbischof von Würzburg an Herzog Ernst I.von Sachsen-Gotha, 9. Mai 1641, unfol. 566 Ebd., Herzog Ernst an die Schösser aller Ämter, den Rat zu Gotha und den Rat zu Walthershausen, 28. Mai 1641.

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Bischof von Würzburg bei und weihte damit die Schösser, den Rat von Gotha und den Rat von Walthershausen in die Gründe für seine Maßnahme ein. Die Interzeption der Post und Fälschung dieser Pässe wurde offenbar nicht befürchtet, da eine Chiffrierung der Kommunikation unterblieb. In jenen unsicheren Zeiten des Dreißigjährigen Krieges zeugt ein solch offener Informationsaustausch von Nachlässigkeit, zumal, wenn man sich vor Augen führt, welche Bedeutung diese Inhalte für Würzburg besaßen: erstens offenbarte der Bischof eine Schwäche, zweitens legte er seine Strategie dar, drittens waren die Pässe nicht normiert und damit leicht zu fälschen, was die Maßnahme in Gefahr brachte, unwirksam zu werden. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass sich die Fürsten über Spionage nur unter garantierten höchsten Sicherheitsstandards austauschen, um dem Gegner keine Auskunft darüber zu erteilen, welchen Wissensstand sie besaßen. Die Möglichkeit, dass die Post abgefangen und mitgelesen wurde, war den Zeitgenossen – wie zahllose Beispiele bereits zeigten – durchaus bewusst. Umsomehr ist es verwunderlich, dass der sonst sehr umsichtige Herzog Ernst in diesem Fall sensible Einzelheiten in Klarschrift ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen versandte. Dieser Umstand ist nur dadurch erklärlich, dass sowohl der Bischof als auch der Herzog den Wert ihrer Briefinhalte für den Gegner nicht erkannten, die reale Gefahr ignorierten und eine unzureichende Folgenabschätzung vornahmen. Eine solche an Naivität grenzende Unbedarftheit belegt, wie unausgereift die Geheimdiplomatie während des Dreißigjährigen Krieges im Vergleich zum aufgerüsteten absolutistischen Beamtenstaat des 18. Jahrhunderts war. 1639–43 sandte der Amtsschösser zu Augustusburg seinen Bauschreiber Sahmenhammer etliche Male zu den Schweden, wobei jener sowohl verdeckt spionieren als auch offen über Erleichterungen für die Bevölkerung verhandeln sollte.567 David Sahmenhammer war somit Spion und Unterhändler in einer Person. Das Extract legt dar, dass der Amtsschösser Dam Müller wissen wollte, wie stark der Feind an Infanterie und Kavallerie war, welche Bewaffnung er besaß und in welche Richtung marschiert wurde. Er wünschte eine Einschätzung, ob die Kohlbrücke „abzuwerfen“, also vor dem Feind zerstört werden müsse. In den folgenden Expeditionen Sahmenhammers ging es vorrangig um Senkung der schwedischen Forderungen an Geld, Männern, Getreide, Pferden usw. Der Bauschreiber reiste u. a. nach Zwickau, Zschopau, Chemnitz und hatte nach einem raschen mündlichen Rapport auch einen schriftlichen Bericht anzufertigen. Leider sind nur die Eingangsbestätigungen dieser Berichte überliefert und nicht die Berichte selbst. Da Sahmenhammer angibt, er habe durch seine Tätigkeit in vier Jahren 80.000 Reichstaler erworben, das Extract aber nur vierzehn schriftlich erteilte Aufträge verzeichnet, kann von einem hohen Maß an Mündlichkeit ausgegangen werden.568 567 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9680/8, Stellungnahme, 30. Juni 1644, f. 1. 568 Vgl. ebd., f. 1–5.

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Sahmenhammer war eher Unterhändler denn Spion. Seit Mitte der 1630er Jahre sind immer wenige Quellen zu Spionen überliefert. Vielleicht ist hierin ein vages Anzeichen nachlassenden Kriegsengagements zu erahnen. Die Verzweiflung in der Bevölkerung kommt in wilden Gerüchten und Spekulationen wie in folgendem Beispiel zum Ausdruck. Der Bürgermeister der Stadt Eisleben, Steffan Neuwirdt, wurde 1639 von den Schweden gefangengenommen, die mit dieser Aktion Kontributionen erpressen wollten. Nach seiner Freilassung hegte man gegen ihn Argwohn, für die Schweden spioniert zu haben.569 Einem solchen Generalverdacht standen viele freigelassenene Kriegsgefangene gegenüber. Auch Untergrabung der Kampfmoral ist im letzten Drittel des Krieges anzutreffen und zeugt von verbreiteter Kriegsmüdigkeit. Der Oberst Joachim Ludwig von Seckendorff, der in Salzwedel angeblich die deutschen Soldaten in schwedischen Diensten gegen ihre Geldgeber aufgewiegelt hatte, wurde 1642 als Verräter von den Schweden hingerichtet.570 Die Umstände der Entlarvung angeblicher Feindbegünstigung waren seltsam genug, um sie hier zu skizzieren. Seckendorff wollte für seine hochschwangere Frau bei den Kaiserlichen einen Pass für die Reise zu Verwandten in Erfurt erwirken. Er erhielt das Einverständnis Lennart Torstenssons, doch der Bote verlor die versiegelten Briefe, als er bei einer Ausweiskontrolle wegen eines veralteten Stempels länger warten musste und sein Pferd sich aufbäumte. Den Verlust der Briefe nicht bemerkend, ritt der Bote wegen des Stempels zurück zu Torstensson. Einer der Kontrolleure aber sah einen Hund mit den Briefen spielen und informierte nach der Durchsicht Torstensson darüber, dass Seckendorff mit den Kaiserlichen konspirierte. Der schwedische Feldmarschall fühlte dadurch seinen Verdacht, von einigen Offizieren hintergangen zu werden, bestätigt und meinte, die Entbindung sei nur ein Vorwand Seckendorffs gewesen. Die Hinrichtung des Obersts diente ihm zur Abschreckung und war ein Mosaikstein, der in die verbreitete Wahrnehmung von den grausamen Schweden passte. Die ganze Wahrheit über den Fall wird wohl nie ans Tageslicht kommen. 4.2.7 Bernhard von Sachsen-Weimar und der geheime Artikel mit Kardinal Richelieu Während Johann Georg  I. kaisertreu war, musste er mitansehen, wie seine ernestinischen Verwandten den Reichsfrieden störten und ein Risiko für die wettinische 569 Rühlemann, Carl: Steffan Neuwirdt, ein Weißbäcker und Bürgermeister in der Neustadt Eisleben. Ein Lebensbild, in: Mein Mansfelder Land. Blätter für Heimatforschung und heimatliches Leben. Beilage zur Eisleber Zeitung 3 (1928), S. 139–141, 145–148, 155–158, 171–174; Ders.: Die Chronik des Weißbäckers und Bürgermeisters in der Neustadt Eisleben, Steffen Neuwirdt, im Ratsarchive der Altstadt Eisleben nach Ursprung und Inhalt, in: Mansfelder Blätter 46 (1943/44), S. 25–32. 570 Vgl. Beranek, Josef: Verräter oder Patriot? Ein Zeitbild aus dem 30jährigen Krieg, in: Altmärkischer Heimatkalender 2 (1973), S. 94–96.

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Loyalität darstellten. Insbesondere Bernhard von Sachsen-Weimar war ihm in diplomatischer Hinsicht ein Dorn im Auge, da dieser mit Frankreich paktierte.571 Frankreichs Kriegsziel war die Schwächung der Casa d’Austria. Die Italienpolitik des Kardinals Richelieu richtete sich darauf, die Verbindungswege zwischen spanischen und österreichischen Besitzungen der Habsburger zu zerstören. Als „stiller Teilhaber aller anti-habsburgischen Koalitionen“ führte der französische König bis 1635 einen verdeckten Krieg mit Subsidienzahlungen an Dänemark.572 Daneben versuchte Kardinal Richelieu ab 1624, die drei geistlichen Kurhöfe und Bayern vom Kaiserhof abzuspalten.573 Da aber nur Teilerfolge zu verzeichnen waren, verlegte man die diplomatischen Bemühungen an die protestantischen Reichsfürsten. Père Joseph, der Vertraute Richelieus, erzielte auf dem Regensburger Reichstag 1630 aber keinen nennenswerten Durchbruch. So begann Richelieu 1633 eine umfangreiche diplomatische Offensive mit der Mission des französischen Sonderbotschafters Isaac Manassés de Pas, Marquis de Feuquières an verschiedene deutsche Fürstenhöfe. Kursachsen galt die erste Überlegung, auch wenn sich ein solches Unterfangen gegen die Ziele des schwedischen Alliierten richtete.574 Dennoch gelang auch die am 19. April 1633 unterzeichnete Verlängerung des französisch-schwedischen Bündnisses im Vertrag zu Bärwalde. Parallel dazu strebte Herzog Bernhard eine Aufwertung seiner Position innerhalb der Protestanten an und erhielt als Vasall Schwedens das Herzogtum Franken mit den Bistümern Würzburg und Bamberg als Schenkung durch Oxenstierna.575 Er hatte in der Schlacht von Lützen nach dem Tod Gustav II. Adolfs die Truppen befehligt und zum Sieg geführt. Frankreich versuchte, beide Weimarer Herzöge für sich zu gewinnen. Dem Oberhaupt des Hauses Sachsen-Weimar, Herzog Wilhelm, unterbreitete der französische Sondergesandte das Angebot, als Generalleutnant für Frankreich in den Heilbronner Bund einzutreten, was der Herzog jedoch ablehnte. Auch Herzog Bernhard wies das wiederholte Angebot einer stattlichen Pensionszahlung zurück, obwohl er informelle Kontakte nach Frankreich zu Henri de Rohan pflegte.576 Die Niederlage von Nördlingen und die Auseinandersetzungen mit Axel Oxenstierna trieben Herzog Bernhard aber schließlich doch in die französische Armee. Mit Kardinal Richelieu, der diesen fähigen Feldherrn zum Vorteil der französischen Kriegführung an sich binden wollte, schloss er am 27. Oktober 1635 ein Abkommen in Saint-Germain-enLaye, demzufolge ihm für seinen Dienst jährlich vier Millionen Livres zustanden. Dazu hatte er auch eine Pension für seinen Vertrauten, Tobias von Ponickau, verhandelt.577 571

Vgl. Prokopjev, Andrej: Johann Georg I. in Krieg und Frieden. Vortrag auf der Tagung „Johann Georg I. und der Dreißigjährige Krieg in Sachsen“, Dresden 11./12. November 2020. 572 Jendre 1998, S. 20. 573 Vgl. ebd., S. 22. 574 Vgl. ebd., S. 43. 575 Vgl. ebd., S. 50 f. 576 Vgl. ebd., S. 55. 577 Vgl. ebd., S. 77.

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In einem geheimen Artikel erhielt er die Anwartschaft auf das noch in österreichischer Hand befindliche katholische Elsass und die Ballei Hagenau unter dem Titel eines Landgrafen von Elsass.578 Die Verhandlungen hierzu waren zäh und zogen sich seit Mitte März monatelang hin, denn Bernhard stellte seine persönlichen Interessen unter dem Deckmantel der deutschen Libertät heraus und zwang den französischen König zur Zusage, das eroberte Reich nicht zu zerstückeln. Auch war er nicht bereit, einen unfürstlichen Eid zu leisten oder die Oberhoheit Frankreichs im Elsass und den Verbleib der Festungen bei der Krone anzuerkennen, wenn es in seinen Besitz überginge. Sein höchst undiplomatischer Charakter verhalf ihm nicht zu Fortschritten.579 Schließlich schrieb der französische Feldherr Lavalette an Richelieu, nur mit Hilfe Bernhards sei der Krieg noch fortzuführen und man solle auf seine Wünsche eingehen. Aus jener Zeit ist ein dechiffrierter Brief des herzoglichen Sekretärs Hoffmann überliefert, der belegt, dass Bernhard auch über die Umstände in Weimar genauestens unterrichtet war.580 So ließ er sich über Rückkehrer aus der Nördlinger Schlacht berichten und wurde umgehend über den Sieg über Lothringen informiert. Durch die dem Vertrag folgenden großen militärischen Erfolge rückte der unabhängige Besitz des Elsass für einen Wettiner in greifbare Nähe. Die zentrale Position des Herzogs an der Rheinfront wird auch darin deutlich, dass der Kaiser bei den Kämpfen um das bedeutende Bollwerk Breisach sowohl militärisch wie auch geheimdiplomatisch vorging. Durch Savelli unterbreitete Ferdinand II. dem Feldherrn Friedensangebote, die jedoch auf strikte Ablehnung stießen, da Bernhard die protestantische Sache nicht verraten wollte. 1638 gerieten Bernhard und Richelieu miteinander in Konflikt, da Bernhard das eroberte Breisach und den Hochburgund zum Zentrum einer eigenen Herrschaft machen wollte, wohingegen ihm der Kardinal zum Ausgleich die Hand seiner Tochter bot, die der Herzog aber als unstandesgemäß ausschlug. Herzog Bernhard sah in der Festung Breisach eine „oberrheinische Schlüsselposition“. In der Forschung ist umstritten, ob er tatsächlich den Aufbau eines souveränen Fürstentums und die Gründung einer Dynastie beabsichtigte. Ariane Jendre geht davon aus, dass er Breisach als Pfründe und als „Reservoir für seine Donationspolitik“ brauchte.581 Sein Machtstreben kam auch darin zum Ausdruck, dass er sich in Allianz mit Hessen zum Vermittler zwischen Frankreich und dem Kaiser aufzuschwingen versuchte. Der jähe Tod 1639 nährte bislang nicht verifizierbare Verdächtigungen, er sei auf Befehl Richelieus vergiftet worden. Die gestellten Ansprüche konnte sein Bruder Wilhelm nicht durchsetzen, da der Schweizer Statthalter und Kommandant von Breisach, Johann Ludwig von Erlach, be-

578 Für die folgenden Ausführungen vgl. „Bernhard, Herzog zu Sachsen-Weimar“ von Karl Menzel, in: ADB, Bd. 2 (1875), S. 439–450. 579 Vgl. Jendre 1998, S. 29. 580 ThStAG, GA, BBB, 1 A. 581 Jendre 1998, S. 240.

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stochen worden war. Tatsächlich hat Erlach schon Monate vor dem Tod von Bernhard zusagen müssen, dass „falls der Herzog sterben oder gefangen werden sollte, die Festung an den König auszuliefern“ sei – wobei ihm die Unterschrift durch 12.000 Livres für seine „der gemeinschaftlichen Sache“ geleisteten Dienste erleichtert wurde.582 Vom Standpunkt jener Zeit war die als Verrat verunglimpfte Übergabe Breisachs nichts mehr als ein Schlussstrich unter die Bereicherungspolitik des Weimarer Fürsten, der für seine herausragenden Dienste eine überdurchschnittliche Belohnung erzwingen wollte. Breisach fiel zudem nicht in gegnerische Hände, sondern in die des Verbündeten der Protestanten. Erlach stieg zum Marschall von Frankreich auf, leistete sich ein Schloss und wurde Oberbefehlshaber des eidgenössischen Heeres. 4.2.8 Der Waffenstillstand von Kötzschenbroda Schweden gelang es nicht, in Sachsen Fuß zu fassen, bis sie unter dem General Torstensson 1642 Leipzig belagerten und später um Freiberg fochten. Eine proschwedische Partei versuchte, den Kurfürsten davon zu überzeugen, Verhandlungen mit Schweden zu führen, da sie die katholische Reaktion befürchteten.583 Sowohl die Prinzen als auch der Geheimrat Oppel wirkten auf Johann Georg I. ein. Nach langem Zögern, Schwanken und umständlichen Verhandlungen ging der Kurfürst schließlich darauf ein, da tatkräftige Wiener Hilfe für Sachsen ausblieb. Noch vor der Ratifikation waren sowohl kaiserliche Intrigen als auch schwedische Spione von Oppel in Dresden beobachtet worden.584 1645 wurde in der Kirche zu Kötzschenbroda der Waffenstillstand zwischen Sachsen und Schweden unterzeichnet. Damit schied Kursachsen aus dem Dreißigjährigen Krieg aus. Das für den Kriegsverlauf wichtige Ereignis fand sogar Eingang in die Literatur, wobei die Legenden recht amüsante Blüten trieben. Im 88. Brief seines achtbändigen Werkes über einen türkischen Spion an den europäischen Höfen widmete sich Giovanni Marana diesem Vertrag zwischen Kursachsen und Schweden, den seiner Ansicht nach der Kurprinz vermittelt hatte. Der Kurfürst hatte zuvor einige Erfolge gegen die schwedischen Truppen errungen, so dass er eigentlich ohne der Versammlung der Gesandten einen starcken Verdacht wider sich beyzubringen, sich in geheim mit denen Schweden in keine Friedens-Tractaten einlassen konnte.585

Jedoch hätte der Kurprinz aus seiner proschwedischen Gesinnung heraus mit dem General Königsmarck eine List erdacht, derzufolge der Kurfürst durch eine verkleidete 582 583 584 585

„Erlach, Johann Ludwig von“ von Emil Blösch, in: ADB, Bd. 6 (1877), S. 216–220. Vgl. Helbig 1867, 269. Vgl. ebd., S. 277. Marana 1733, Bd. 2, S. 402.

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schöne Schwedin umgestimmt werden sollte. In der Tat sei es nach 14 Tagen zu einem Friedensschluss gekommen. Marana äußerte heftige Kritik am sächsischen Kurfürsten: Was mich betrifft, sehe ich gar nicht ab, worinnen die Staats-Klugheit und Redlichkeit des Churfürsten bey Unterzeichnung dieser Puncte eigentlich bestanden. […] Der alte Churfürst ist glücklich zu schätzen, daß er einen Sohn von so guter Hoffnung hat, einen Sohn, welcher sich nicht gescheut, sich zu einem Kuppler bey seinem Vater gebrauchen zu lassen, umb denselben auf solche Arth dem Willkür seiner Todt-Feinde zu überlieffern.586

Sodann seufzt er verallgemeinernd über „die Christen, [die] miteinander als Verräther und Betrüger umzugehen […]“ gewohnt seien.587 Die Erzähllinie, die sich vom schwankenden Urteil des Kurfürsten bis zum angeblichen Verrat seines Sohnes zog, lässt erahnen, welche dichterische Freiheit manchem historischen Bericht zu Grunde liegen mag. 4.2.9 Der Westfälische Frieden Der Westfälische Frieden gilt als markante Zäsur in der Post- und Kommunikationsgeschichte, da sich durch den verstärkten diplomatischen Verkehr eine Ausdehnung der Postkurse ergab.588 Die Reichspost der Thurn und Taxis errang eine Monopolstellung, und die forcierte „kommunikative Verdichtung“ ließ kaschierende Ausflüchte wegen Unbeständigkeit der Post zunehmend verebben.589 Die großen Mächte betrieben im Vorfeld und auch während des Kongresses zu Münster und Osnabrück rege Geheimdiplomatie. Das „Inkognito zur Vermeidung von Präzedenzstreitigkeiten“ konnte nur bis zu einem gewissen Punkt aufrechterhalten werden.590 Akkreditierungsprobleme und Unklarheiten, wann ein Inkognito beendet war, ließen den Kongress unübersichtlich werden und verursachten Rangkonflikte. So zeigte das Geheime selbst im Kongresszeremoniell seine Wirkung, während im Untergrund die typischen geheimdiplomatischen Methoden angewandt wurden: Spionage, Chiffrierung, Interzeption. Im Verlauf der Verhandlungen für den Westfälischen Frieden zeigte sich wiederholt, dass die Franzosen durch einen Spion über die kaiserlichen Verhandlungsziele sehr gut unterrichtet und sogar über die Zugeständnisse informiert waren, zu denen Trautmannsdorf bevollmächtigt war.591 Frankreich versuchte, die Niederlande im Krieg gegen Spanien zu halten, wofür Kardinal Mazarin eigens eine geheime Rüstungstrans586 587 588 589 590 591

Ebd., S. 407. Ebd., S. 408. Vgl. Legutke 2010, S. 284. Pflüger 2005, S. 23. May 2016, S. 218. Vgl. Auer 1998, S. 160 f.

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aktion tätigte, indem er ein niederländisches Kriegsschiff für Frankreich ankaufte.592 Die spanischen propagandistischen Umtriebe am Rande des Kongresses ließen den bereits weit fortgeschrittenen Friedensprozess zwischen Frankreich und Spanien scheitern. Wie Maren Walter herausfand, florierten auf dem Kongress das Agententum und die Interzeption.593 Jedoch war in der kaiserlichen Korrespondenz im Zeitraum 1643–1647 eine stark sinkende Zahl chiffrierter Briefe nachweisbar: von 15 % auf 0,9 %. Ob dies als wachsende Sicherheit bei der Beförderung, sinkende Relevanz von Sicherheit oder persönlicher Stil eines Gesandten interpretierbar ist, müssen weitere Forschungen zeigen. Die sächsischen Vertreter waren an dieser Kongress-Geheimdiplomatie nicht beteiligt.594 Die Ernestiner wurden auf dem Kongress durch August Carpzov und Wolf Conrad von Thumbshirn vertreten. Für Kursachsen waren durch den Magdeburger Administrator Herzog August von Sachsen zeitweise zwei Gesandtschaftssekretäre vor Ort. Somit fiel Sachsen-Gotha-Altenburg das Direktorium im Corpus Evangelicorum zu.595 Gemäß Instruktion war ihnen keine übermäßig aktive Beteiligung im Verhandlungsprozess zugedacht. Sie sollten „nicht eingreiffen“, sondern „mit sonderer Behutsamkeit in obacht nehmen“, dass ein „heilsamer“ Friedensvertrag entstünde.596 Wie die digitale Edition der „Acta Pacis Westphalicae“ offenbart, wurden in den Instruktionen, Korrespondenzen, Protokollen und Tagebüchern nur sehr wenige Spione erwähnt: fünf. Dieser Umstand lässt aufhorchen. Fand im Kontext des Westfälischen Friedens keine Spionage statt? Wohl kaum. Bei der näheren Betrachtung der fünf Fälle werden die Hintergründe klar. Der Gesandte Braunschweig-Lüneburgs, Heinrich Langenbeck, wurde wegen seiner Hinneigung zu Schweden 1644 als solcher bezeichnet.597 Zwei Jahre später wird von einem französischen Spion berichtet, der nach Siebenbürgen geschickt worden sei. Lapidar wird das mit zwei Worten kommentiert: „Artes Gallicae“.598 Wie schon über einhundert Jahre zuvor, als von „spannischen pracktiken“ die Rede gewesen war,599 wurde nun auch Spionage als niederträchtige Methode diffamiert und mit dem Namen des Gegners in einem Atemzug genannt. Das eigene Haus hielt sich davon fern. Als ein 592 Vgl. Heuser, Peter Arnold (Bearb.): Die französischen Korrespondenzen Februar – Mai 1648. Unter Mithilfe von Rita Bohlen, Münster 2011, S. 296 ff. 593 Vgl. Walter, Maren: Kommunikationsstrukturen auf dem Westfälischen Friedenskongress. Post, Briefspionage und Informationsschutz, Vortrag auf der Halbjahrestreffen „Netzwerk Reformationsgeschichte“, Gotha, 12.–13. September 2014. 594 Vgl. Tischer 1999. 595 Vgl. Brunert 2007, S. 74. 596 Hauptinstruktion an die Gesandten, 21./31. Juli 1645, zit. in: Brunert 2007, S. 77–92, 82. 597 Vgl. Acta Pacis Westphalicae II A 1: Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 1: 1643–1644/Elfriede Merla, Nr. 189, Auersperg an Kurz, 22. Februar 1644. URL: http://apw.digitale-sammlungen.de/ Band/APW%20II%20 A%201/Dokument/189 [30.10.2017; ASR]. 598 Ebd. II A 3: Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band  3: 1645–1646/Karsten Ruppert, Nr. 275, Trauttmannsdorff an Ferdinand III., 16. April 1646. URL: http://apw.digitale-sammlungen.de/ Band/APW%20II%20 A%203/Dokument/275 [30.10.2017; ASR]. 599 Zit. in: Schmidt 2001, S. 249.

4.2 Der Dreißigjährige Krieg 1618–48 und seine Folgen

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Emissär des kaiserlichen Primargesandten, Fürst Johann Weikart von Auersperg, für einen Spion gehalten wurde, war der Verdacht offiziell natürlich unbegründet. Es lag daran, dass „die zetl schöner geschriben, als ich sonsten pfleg“.600 Allein das Abweichen von der Norm konnte demnach Argwohn erregen. Und sowohl Auersperg als auch Trauttmannsdorff distanzierten sich von Spionagepraktiken, was deren negativen Ruf belegt. Die französische Seite stellte, um möglichst unauffällig spionieren zu können, 1647 Amalie zu Solms-Braunfels, die Mutter des Grafen von Orange als Scout ein. Sie weilte in Spa zur Kur und sollte dort jemanden finden, der vor Ort beobachten könne und vertrauensvoll wäre, denn Mazarin fürchtete, allein schon die Entsendung einer Person wäre verdächtig gewesen.601 Diese Fälle beweisen den hohen Grad der Aufmerksamkeit bei den Beteiligten und die Bedeutung von Nuancen auf dem diplomatischen Parkett. Da Sachsen sich auf dem Kongress wegen der Skepsis des Kurfürsten nicht in der ersten Reihe befand, mussten die zwei kursächsischen Gesandten Pistorius und Leuber ihre Informationen auf anderem Wege gewinnen. Wie Lena Oetzel vom Zentrum für Historische Friedensforschung feststellte, fanden auf dem Kongress sehr viele informelle Gespräch in den Gesandtschaftsquartieren statt.602 Im Tagebuch Leubers ist zu entnehmen, dass sie sich meist gemeinsam mit den Gesandten von Sachsen-Altenburg, Sachsen-Weimar und Hessen Darmstadt verabredeten, indem sie einen Boten reihum schickten, der alle gemeinsam in ein Quartier einlud. Von ihrem Dienstherrn argwöhnisch beäugt, da sie eine Kooperation mit den anderen Vertretern wünschten, dies aus Reichstreue aber zu unterlassen hatten, führte Leuber neben den regelmäßigen Relationen auch detailliertes Diarium, um sich gegebenenfalls rechtfertigen zu können.603 Insgesamt schöpften Pistorius und Leuber ihren engen Handlungsspielraum bestmöglich aus. Wegen ihrer Sondersituation wurden die sächsischen Gesandten allerdings mit extremem Misstrauen bedacht. Deshalb ließen sie auch riskante Operationen sein, wie beispielsweise das Interzipieren oder geheime Ausspionieren anderer Gesandtschaften, was angesichts ihrer Unterinformierung durchaus verständlich gewesen wäre. 600 Acta Pacis Westphalicae II A 1: Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 1: 1643–1644/Elfriede Merla, Nr. 227, Auersperg an Kurz, 18. April 1644. URL: http://apw.digitale-sammlungen.de/Band/ APW%20II%20 A%201/Dokument/227 [30.10.2017; ASR]. 601 „Nous n’avons icy personne que |:nous puissions envoyer aux eaues de Spa pour observer ce qui se passera sans que nous donnassions trop de soupçon :|. Il faudroit voir si au lieu où vous estes vous en pourriez trouver quelqu’une pour cela qui eust assez d’addresse, et en qui on pust prendre confiance.“ Ebd. II B 6: Die französischen Korrespondenzen, Band 6: 1647/Michael Rohrschneider unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy und unter Mithilfe von Rita Bohlen, Nr. 11, Mazarin an Servien, 29. Juni 1647. URL: http://apw.digitale-sammlungen.de/Band/APW%20 II%20B%206/Dokument/11 [30.10.2017; ASR]. 602 Vgl. Oetzel, Lena: „Johann Georg I. von Sachsen, seine diplomatischen Vertreter und der Westfälische Friedenskongress. Ein Spannungsverhältnis“. Vortrag auf der Tagung „Johann Georg I. und der Dreißigjährige Krieg“, 11./12. November 2020. 603 Vgl. Kaiser, Michael: „Der Stellenwert des Diariums“, in: dk-blog, 12. April 2016, https://dkblog. hypotheses.org/886 [19.11.2020; ASR].

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Überhaupt sind Interzepte im Zusammenhang mit dem Westfälischen Frieden nur selten aktenkundig. Knapp zwei Dutzend mal erwähnen die Acta Pacis Westphalicae überhaupt Interzepte explizit – allerdings immer aus der Opferrolle. Niedergeworfene Boten wurden jedoch nur konstatiert, aber nie offen als Unrecht beschrieen. Diese Zurückhaltung könnte auf eigene derartige Aktionen schließen lassen, denn, wer im Glashaus sitzt, sollte keine Steine werfen. Den größten Informationsgewinn brachten indes weniger die vereinzelten Interzepte als vielmehr die Bestechung eines Kanzlisten. Die spanische Kenntnis der französischen Korrespondenz im gesamten Jahr 1647 behinderte die Franzosen in den Verhandlungen stark. Die Umstände konnten nie komplett aufgeklärt werden, aber die Forscher gehen davon aus, dass die Spanier einen Vertrauten in der Kanzlei Longuevilles hatten und so an Kopien gelangten.604 Spanien brüstete sich auch späterhin nicht mit diesem Erfolg, um keine Geheimnisse kundzutun, und Frankreich musste es schlicht peinlich sein, dass es darüber schwieg. Von anderen größeren Spionageerfolgen weiß die Forschung noch wenig. Es zeigt sich jedoch, dass die zahlreichen sächsischen Interzepte einen internationalen Vergleich demnach nicht zu scheuen brauchen, wenngleich die sich daraus ergebenden Möglichkeiten anderen Herrschern und Militärs offenbar bewusster waren als dem sächsischen Kurfürsten. Die stille Ausnutzung der sich bietenden Chancen gehörte zum Kriegshandwerk. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb die Spionage in der Diplomatie nur eine dünne Quellenspur hinterläßt. In den Verhandlungen selbst scheinen Geheimsprache und -schrift keine Rolle gespielt zu haben, wurden auch nicht angesprochen.605 Die äußerst seltene Thematisierung der stattgefundenen Spionage mag auch an dem rufschädigenden Image dieser Methode gelegen haben. Überhaupt die dazugehörigen Worte zu gebrauchen, würde den Schreiber als Kenner der Materie erscheinen lassen. Somit kam nur die Tabuisierung dieser Praktiken infrage. Ganz anders lag der Fall beim Gebrauch von Geheimschriften und anderen Methoden der Geheimdiplomatie. Die Quellen berichten vom vielfachen Einsatz von geheimen Instruktionen, Geheimverhandlungen, Geheimgesprächen und so weiter. Der kaiserliche Gesandte Volmar hinterließ in seinem Tagebuch die Information, dass ihm manchmal zu den chiffrierten Schreiben der Schlüssel nicht vorlag: Darauff ich mich nun widerumb dahinder gemacht und entlich den clavem heraußgebracht […] Weil aber die cifra unbekandt, auch niemaln von hof communicirt, haben wir propter casum extremum necessitatis und weil die stände nit mehr zuwartten wolten, zwar das gehaime auch eröffnet, iedoch ebensowenig als auß dem andern kommen mögen und, nachdem ich donnerstag den gantzen tag vergeblich mit dem widerstandnen decifrirn 604 Vgl. ebd. II B 5,1: Die französischen Korrespondenzen, Band 5, 1. Teil: 1646–1647/Guido Braun unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy und Achim Tröster, unter Mithilfe von Antje Oschmann am Register, Einleitung, CXXXVIII. 605 Vgl. Gerstenberg 2014. Hier werden heimliche Kommunikationspraktiken an keiner Stelle erwähnt.

4.2 Der Dreißigjährige Krieg 1618–48 und seine Folgen

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zugebracht, entlich vor guett befunden, die stände freytags, den 2. Octobris vor unß zu erfordern, inen die beschaffenheit vorzehalten und dilation zu begehren, biß wir Ihr Maiestät diß fehlers per aignen currier berichten möchten […]606

Der Einsatz von Chiffren war sehr verbreitet: elfmal wurden „verschlüsselte“ Texte in den Quellen erwähnt, 81-mal „chiffrierte“ Stellen, und über 300-mal „Chiffren“. Von den Editoren wurden 133 Auflösungen festgestellt. Die Zusammenfügung der oft nicht (komplett) dechiffrierten Briefe mit den Nomenklatoren in den Archiven steht jedoch erst am Anfang.607 Allein in Stockholm lagern drei Kartons der „Geheimschlüsselsammlung“ des Axel Oxenstierna.608 Ende des 17. Jahrhunderts wurde anonym ein Zeitzeugnis der Friedensverhandlungen unter dem Titel „Arcana pacis Westphalicae“ publiziert.609 Der Verleger hatte für das das posthum erschienene Werk diesen Titel gewählt, um „die Kauflust des Publikums zu erregen“.610 Von geheimen Verhandlungen ist in diesem darüber hinaus parteiischen Buch nicht die Rede. Somit bilden die „Acta Pacis Westphalicae“ die zentrale Quelle auch für die Geschichte der Hintertreppendiplomatie des Friedenskongresses. Die Auswertung der in Zusammenhang mit Geheimdiplomatie stehenden Quellen des Westfälischen Friedens stammen sämtlich von kaiserlichen, schwedischen, italienischen, französischen, spanischen oder anderen nicht-sächsischen Urhebern. Dies beweist, dass Sachsen nach Abschluss des Friedens von Kötzschenbroda nicht mehr als ein Zaungast des Friedenskongresses war. Im Vertrag war für Sachsen besonders relevant, dass das Erzstift Magdeburg für die Zeit nach dem Tod des Administrators August von Sachsen-Weißenfels als erbliches Herzogtum Magdeburg dem Kurfürstentum Brandenburg zugesprochen wurde. Das Erzbistum war damit in ein weltliches Fürstentum umgewandelt. Der letzte aktenkundige geheimdiplomatische Fall des Erzstifts Magdeburg war ein wegen Indiskretion verhafteter Sekretär des gräflich-mansfeldischen Hauses. Graf Franz Maximilian zu Mansfeld stand in großem Gegensatz zum Administrator von Magdeburg und äußerte seinem Sekretär Lampertswalde gegenüber, er wolle den Administrator am liebsten am Galgen sehen. Der Administrator hörte über Dritte von diesen Verleumdungen und ließ Lampertswalde arretieren.611 Da der Sekretär entsprechende Briefe seines Dienstherrn als Beweise zurückbehalten hatte, hatte dieser kein Interesse, 606 Ebd. III C 2,2: Diarium Volmar, 2. Teil: 1647–1649/Joachim Foerster und Roswitha Philippe, 1648 X 3; 1648 IX 30. 607 Vgl. ebd. Serie II Abteilung A: Die kaiserlichen Korrespondenzen Band 1: 1643–1644 [APW II A 1], Einleitung. Desw. vgl. ebd., Serie II Abteilung A: Die kaiserlichen Korrespondenzen Band 3: 1645–1646 [APW II A 3], Inhaltlicher Überblick. 608 Vgl. ebd. II C 2: Die Schwedischen Korrespondenzen, Band 1: 1645–1646/Wilhelm Kohl, S. IX, Archivalien und Handschriften. 609 Vgl. Adami 1698. 610 Israël 1909, S. 127. 611 Vgl. LHASA, A 2, Erzstift Magdeburg, Nr. 406.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

ihn zu befreien. Lampertswalde musste für seine Illoyalität büßen. Er hatte es schlicht falsch angefangen, aus dieser Verleumdung für sich Kapital zu schlagen. 4.2.10 Zusammenfassung Die Quellen aus dem Dreißigjährigen Krieg zeigen punktuell eine aktive Geheimdiplomatie Kursachsens, lassen aber kein durchgängiges Engagement bei Interzeption, Spionage oder Geheimkommunikation erkennen. Noch immer liegt hier ein Desiderat vor, da die Aktenbestände zu Kursachsen im Dreißigjährigen Krieg wie auch zu den Amtsträgern hinter Johann Georg I. noch ihrer Aufarbeitung harren. Somit sind nur ansatzweise Aussagen zum Thema möglich. Zu Kriegsbeginn profitierte Johann Georg I. von den geheimen Nachrichten, die im Zuge der auf beiden Seiten erbeuteten Kriegsarchive während des Kanzleienstreits öffentlich wurden. Das Dilemma, zwischen den Protestanten und dem Kaiser zu stehen, wird besonders daran deutlich, dass er sich an der protestantischen Interzeption katholischer Mitteilungen und deren Proliferation beteiligte, aber dem Kaiser diese Praktiken schließlich verriet. Der sächsische Kurfürst fühlte sich weder in diesem Fall noch für seine Kaisertreue überhaupt gerecht entlohnt. Eine klare Interzeption kaiserlicher Nachrichten ist wegen Überlieferungslücken nur für 1622 und 1632 nachweisbar. Erst ab 1630 verdichten sich Nachrichten über entsprechende Aktivitäten des Kurfürsten, wobei aber keine aggressiven Methoden (Sabotage, Doppelspionage) nachweisbar sind. Spionage und Interzeption richteten sich besonders gegen Schweden. Zahlreiche gegnerische Spione konnten enttarnt werden. Die thüringischen Fürsten bedienten sich in deutlich geringerem Umfang geheimdiplomatischer Methoden und scheinen sich besonders auf heimliche Kommunikation konzentriert zu haben, ohne diese eigens durch Chiffren zu schützen. Von SachsenGotha sind nur ein Nomenklator und zwei Fälle von Interzeption diplomatischer Post überliefert. Im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar sind keine Nomenklatorenlisten aus dem Dreißigjährigen Krieg aktenkundig und wurden vermutlich vernichtet. Denn Sachsen-Weimar verfolgte eine ambitionierte Politik und stellte eine zu gewichtige militärische Größe dar, als dass der Gebrauch von Geheimschriften zu umgehen gewesen wäre. Bernhard von Sachsen-Weimar meldete in geheimen Verhandlungsrunden mit Kardinal Richelieu seine Ansprüche auf Breisach und das Hochburgund an. In den Verhandlungen des Westfälischen Friedens waren die sächsischen Höfe mit Beobachtern anwesend, die sich nicht aktiv an der Geheimdiplomatie beteiligten.

4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

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4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792 Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahmen die Fürsten das europäische Staatensystem nicht als von innen bedroht wahr.612 Hingegen galt es, die eigene Macht zu sichern. So entwickelte sich ein modernes Konzept des Staats- und Verwaltungsgeheimnisses.613 Das Zerfallen der mittelalterlichen Transparenz war nun abgeschlossen und machte der Arkanisierung im absolutistischen Zeitalter Platz. Die Arcana imperii wurden zu einem der zentralen Begriffe der politischen Handlungslehre.614 Die Geheimhaltung war ein anerkanntes Instrument des Staates und legitimierte die Autorität der Herrscher. Die bereits in Geheimen Räten institutionalisierte Geheimhaltung in der Regierung erfuhr nun dahingehend eine Änderung, als der Herrscher auch seinen Räten und Untertanen gegenüber misstrauischer war und eine strikte Informationskontrolle anstrebte.615 Die Bevölkerung wurde mittels Zensur und Schwarzen Kabinetten systematisch kontrolliert, ohne dass der Herrscher mit dem Recht in Widerspruch trat: Seine staatsrechtliche Entsprechung fand das prinzipiell unbegrenzte staatliche Transparenzverlangen schließlich in der Lehre von den herrschaftlichen Inspektionsrechten, den potestas inspectoria.616

Diese Stringenz des absoluten Staates war auf militärischem Gebiet ebenso festzustellen. In der Epoche zwischen Westfälischem Frieden und Französischer Revolution hatte sich ein neuer Kriegstypus herausgebildet. Er war gekennzeichnet von zurückhaltender Kriegführung, einer Konzentration auf wenige Kriegsziele, der Verrechtlichung des Krieges und einer weitgehenden Abschottung politischer Vorgänge vor der Öffentlichkeit, was ihm den Namen Kabinettskrieg einbrachte. Ziel war nicht mehr die Entmachtung des Gegners, sondern territorialer Gewinn.617 Die Beratungen und Abwägungen im Kabinett führten dazu, dass der Krieg nun weniger unkontrolliert ablief, sondern gezielter geführt wurde. Eine weit verbreitete Vorstellung des „gehegten“ Krieges enthielt die Illusion, Krieg könne durch Disziplin, geordneten Angriff und kodifiziertes Kriegsrecht zivilisiert werden. Jedoch zeigte sich im Siebenjährigen Krieg 1756–63, dass das Konzept des Kabinettskrieges seine Grenzen hatte, da sich Kriegspublizistik verbreitete, Gewaltexzesse u. a. in Sachsen und Hannover stattfanden, wesentliche Kriegsschauplätze außerhalb des Kontinents lagen, wegen deren Entfernungen die Generäle oft eigenmächtig handeln konnten und keine kabinettsgesteuerte Kriegführung 612 613 614 615 616 617

Vgl. Zwierlein, De Graaf 2013, S. 19. Vgl. Wegener 2006, S. 32. Vgl. Stolleis 1980; Hölscher 1979; Gestrich 1994. Vgl. Wegener 2006, S. 83. Ebd., S. 117. Vgl. Externbrink, Sven: Die Grenzen des „Kabinettskrieges“. Der Siebenjährige Krieg 1756–1763, in: Jäger, Thomas; Beckmann, Rasmus (Hrsg.): Handbuch Kriegstheorien, Wiesbaden, S. 350–358, 350.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

möglich war. Sven Externbrink beschreibt den „Eindruck einer globalen Entgrenzung bei gleichzeitiger europäischer Begrenzung“.618 Auf dem Kontinent sind in der Tat die Muster der Kabinettspolitik prägend geblieben. Das Renversement des alliances kann als Ergebnis der Geheimdiplomatie in Wien und Frankreich und mithin Element der Kabinettsarbeit gelten. Die Einkreisungsperzeption Friedrichs II. mit dem daraus folgenden Angriff auf Sachsen hob den damals noch auf die Kolonien beschränkten Krieg auf die Stufe eines „Weltkriegs“.619 Die Wahrnehmung des preußischen Königs wie auch die Präventivkriegsthese basierten auf der Analyse der ihm vorliegenden geheimen Informationen und eigener Kombination. Zudem wurde der Krieg auf allen Seiten mit Mitteln der Spionage geführt. Insofern ist die Geheimdiplomatie ein bedeutender Aspekt der Kriegführung im Siebenjährigen Krieg. Der an der Überlieferung von Nomenklatoren ablesbare auffällige Rückgang von Chiffrierung nach dem Hubertusburger Frieden ging einher mit dem Ruhen der Spionage und der Interzeption. Für Sachsen war die außenpolitische Gefahrensituation vorüber; nur im Zuge polnischer Angelegenheiten, des Bauernaufstandes und des Wiener Kongresses erschien hier die Verschlüsselung von Nachrichten noch notwendig. Interessanterweise ließ der König von Preußen weiterhin konstant viele Nomenklatoren entwickeln, austeilen und aufbewahren. Die Gründe hierfür lagen in der fortgesetzten Praxis, Militärs und Diplomaten mit Chiffrenschlüsseln auszustatten. Preußen war nicht bereit, diesen Sicherheitsstandard aufzugeben. Auch am Kaiserhof sind die Verschlüsselungen rückläufig gewesen, da sich für die Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg nur wenige Nomenklatoren im Wiener Staatsarchiv befinden.620 Auch hier zeigt sich jedoch wieder schmerzlich die oft fehlende Datierung und Lokalisierung bzw. die gänzliche Anonymisierung für die Quellenarbeit. Festzuhalten bleibt, dass für Sachsen die Chiffrierung besonders während der Sächsisch-Polnischen Union praktiziert wurde. Die Methoden der Geheimdiplomatie hatten in mehreren Etappen bis 1763 ihre Reifung und Professionalisierung erlebt. Möglichkeiten zur Übung lieferten verschiedene Konflikte und Kriege, ausgelöst durch eine zunehmende Anspannung im europäischen Mächtesystem, die 1763 ihre plötzliche Entspannung erfuhr. Sachsen befand sich in dieser Ära durch seine Mittellage zwischen den Kontrahenten Preußen und Österreich in einer ausgesprochen ungünstigen Lage. Durch den Erwerb der Polnischen Krone hatte sich die sächsische Diplomatie über618 Vgl. ebd., 354. 619 Vgl. Externbrink 2011. 620 Diese „späten“ Chiffrenschlüssel konzentrieren sich Italien, Skandinavien, St. Petersburg und Konstantinopel. Vgl. HHSTAW, Staatskanzlei, Interioria, Chiffrenschlüssel, Durazzo in Venedig, 1764: Karton 14, Konvolut 3; Kaunitz-Questenberg in Madrid, 1780: Karton 15, Nr. 170; Konstantinopel, 1780: Karton 15, Nr. 164; Bubna in Mailand, Karton 15, Nr. 163; Breuner in Kopenhagen, 1789, Karton 15, Nr. 161; Wilczek/Veigl in Florenz, 1770, Karton 15, Nr. 181; Metzburg in Kopenhagen, 1774, Karton 15, Nr. 174; Cobenzl in St. Petersburg, Karton 15, Nr. 173, Lodron in Stockholm, Karton 15, Nr. 172; Warschau, 1780, Karton 17.

4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

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dies in große Herausforderungen begeben. Um dieser Lage Herr zu bleiben, waren Wissensvorsprung und Analyse der Handlungsoptionen oberstes Gebot. Die Geheimdiplomatie blühte in Sachsen denn auch besonders in der Zeit 1697–1763, wobei man sich im Wesentlichen auf die größte Gefahr, den nördlichen Nachbarn, konzentrierte. Die Ära der Sächsisch-Polnischen Union war geprägt von einem stark gestiegenen Konkurrenzkampf mit Preußen. Der Aufstieg beider Dynastien hatte Anfang des 15. Jahrhunderts fast gleichzeitig begonnen (1415 bzw. 1423). Wegen der räumlichen Nähe und der vergleichbaren Machtverhältnisse begannen Wettiner und Hohenzollern im Zentrum Europas um die Vorherrschaft zu konkurrieren. Zwischen Berlin und Dresden pendelte sich ein relatives Gleichgewicht ein, da beide Höfe ihre Verwaltung umorganisieren und sich in der Innenpolitik gegen Stände und aufstrebende Kräfte durchsetzen mussten. Die Rivalität nahm besonders im Zuge des Prestigestrebens ausgangs des 17. Jahrhunderts an Schärfe zu, wobei der Wettstreit im kulturellen und ökonomischen Bereich auch positive Effekte zeitigte. Lange Zeit neutralisierten sich die Parteien durch gemeinsame Interessen und erfolgreiche Deeskalationsmaßnahmen wie Verwandtschaftsbeziehungen, gegenseitige Vormundschaften, Erbverbrüderungen, Wirtschaftsverträge, Fürstenbesuche, Geschenke621 usw. In diesem Kontext ist besonders die „Gesellschaft der Nüchternheitsgegner“ als letzter Akt friedlicher Koexistenz vor dem Ausbruch des offenen Konflikts zu erwähnen. Der Expansionsdrang Friedrichs  II. von Preußen beruhte auf der Prämisse, den Konkurrenten im Süden auszuschalten. Waren beide im Ersten Schlesischen Krieg noch Bündnispartner mit dem gemeinsamen Ziel, Habsburg zurückzudrängen, so rückte Kursachsen mehr und mehr ab. Im Jahr 1745 versuchte man zunächst seine Neutralität zu wahren, wechselte aber schließlich in die antipreußische Allianz von Österreich, England und den Niederlanden. Der preußische Angriff 1756 läutete das Ende der wettinischen Macht ein. Nach dem Siebenjährigen Krieg 1763 war Sachsen in desolatem Zustand, während Brandenburg-Preußen mehr denn je wegen seiner militärischen Stärke gefürchtet war. Sachsens Herrscher hatten sich demgegenüber jahrhundertelang mit dem ersten Rang unter den Mittelstaaten zufrieden gegeben und sich auf die prokaiserliche Haltung konzentriert, die ihnen, so die Hoffnung, auf diplomatischem Wege einmal zu Nutze kommen könnte, ohne militärischen Druck ausüben zu müssen. Nur Friedrich August I., als König von Polen August II., verfolgte langfristig das Ziel einer europäischen Großmacht in Verbindung mit Ambitionen auf die Kaiserkrone. Er griff zu diesem Zweck auch zu radikaleren Mitteln als seine Vorfahren: Konversion, Spionage, Krieg. Im Großen Nordischen Krieg agierte August  II. gegenüber seinen preußischen Nachbarn zunehmend rücksichtsloser, und auch sein rigoroses Vorgehen gegen die 621

Geschenkt wurden vor allem im Kontext der Jagdliebhaberei: Bären und Pferde sächsischerseits, während Preußen Falken für Kursachsen fing. Weiterhin waren auch Jagdgeschirre, Waffen und Gemälde beliebte Geschenke. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 462; ebd., Nr. 463, Nr. 560.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Protestanten und die Verwandten in den Sekundogenituren verstärkten die Spannungen mit Friedrich Wilhelm  I. Auf wirtschaftlichem Gebiet entspann sich ein harter Kampf um Messen, Warenzölle und Manufakturen: „seit 1719 befanden sich Preußen und Kursachsen in dem „latenten Zustand eines Handelskrieges“, den erst der Vertrag von 1728 einigermaßen beilegen konnte.622 Die wiedergefunden geglaubte Einigkeit wurde demonstrativ zur Schau gestellt. Auf gegenseitigen Besuchen fanden prunkvolle Feste statt. 1733 ließ sich der preußische König geheim von der politischen Lage nach dem Tod Augusts II. unterrichten.623 Einige Jahre später, 1737, setzte er einen offiziellen Gesandten ein, der aus Dresden regelmäßig über alle politischen und höfischen Angelegenheiten berichtete.624 Der Geheimhaltung wurde im Zuge der wachsenden Fürstenkonkurrenz eine immer größere Bedeutung zuteil. Aus dem sinnbildlichen Zaun, der um politische Geheimnisse herumgezogen worden war, entwickelte sich um 1700 eine Bastion der Geheimhaltung. Jeder Hof zog tiefe Gräben um seine Kanzleien und schottete die darin arbeitenden Sekretäre nach Möglichkeit ab. Das Interesse an Beichtvätern und Mönchen im Umkreis des Fürsten resultierte einerseits aus deren klösterlicher Weisheit über uralte Schriften und Geheimnisse und andererseits aus ihrer Schweigepflicht. Das latente Bedrohungsgefühl in Verbindung mit dem steten Misstrauen gegenüber den anderen Fürsten und Höfen ließ eine diplomatische Aufrüstung für angebracht erscheinen. Viele Gerüchte zirkulierten, und für den Bedarf nach sicheren Nachrichten mussten im Interesse des Staates praktikable Lösungen gefunden werden. Die Ausbildung eines komplizierten Chiffrensystems ging Hand in Hand mit zunehmender Untreue und Bestechung. Statt gewaltsamen Botenüberfällen suchte die perfektionierte Herrschaftsspionage nach Wegen, über einen längeren Zeitraum an Geheimnisse des Gegners zu gelangen. Durch die gezielte Verletzung des Briefgeheimnisses konnte die Spionage lange unbemerkt durchgeführt werden. Dennoch füllten sich die Staatsgefängnisse mit entlarvten Spionen. Opfer dieser Spionagehysterie wurden aber auch etliche Unschuldige. Die monatelange Gefangennahme eines Wolfenbüttelschen Sekretärs in Hannover geschah auf bloße Verdächtigung hin und wurde von den Herzögen von BraunschweigLüneburg nach einem Jahr für unzulässig erkannt und mit einer „Special-Inquisition“ aufgeklärt.625 Später ging man diesen Justizirrtümern nicht mehr so behende nach, denn es waren gewissermaßen Kollateralschäden. Als Beispiel ist der aus Wachau bei Radeberg stammende Freiherr Johann Siegfried von Schönfeldt zu nennen, der nach dem Studium in Leipzig auf seiner Bildungsreise nach Paris und Italien 1702/03 in Ober-

622 Schwarze, E.: Einleitung, in: GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Findbuch Bd. 1, S. VII. 623 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 60. 624 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 62. 625 Vgl. LHASA, MD, H 82, Nr. 1087, Verfügung, 30. Dezember 1692, f. 1.

4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

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italien als vermeintlicher Spion verhaftet wurde.626 Glücklicherweise kam er wieder frei und konnte später als Reichsgraf Regierungs- und Hofrat im bayerischen Amberg und 1711 Erbtruchseß des Hochstifts Bamberg werden. Seinen Lebensabend verbrachte er in seinem Geburtsort und setzte das Waisenhaus der Franckeschen Stiftungen als Universalerben ein.627 Auch der Postmeister von Rippach namens Gottschaldt wurde 1760 wegen angeblicher Begünstigung der Preußen von der Reichsexekutionsarmee im kaiserlichen Hauptquartier in Strelln acht Monate inhaftiert, bevor der Graf von Colleredo zugestehen musste, dass das Verbrechen in Wien erfunden worden sei, dass aber der Fall dazu gedient habe, andere von derlei Taten abzuschrecken.628 Zur langen Haftzeit beigetragen hatte die Aussage des Amtmanns von Weißensee, der meinte, die Einnahme der sächsischen Orte durch Preußen und die Organisation der Fourage für die preußische Armee durch Gottschaldt komme ihm vor wie „vorhero förmlich abgeredet“.629 Die Umstände erwiesen sich jedoch als reine Zufälle, und Gottschaldt konnte sich dank vieler guter Leumundszeugen und fleißiger Petitionsschreiben Mitte Dezember wieder seiner Freiheit erfreuen. 4.3.1 Geheimdiplomatie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Nach dem Tod Kaiser Ferdinands III. 1657 wollte die englische Krone eine protestantische Kandidatur unterstützen, um einen Thronfolgekrieg zu provozieren, in dessen Verlauf die habsburgische Macht gebrochen werden könnte.630 Für die Kaiserwürde wurde von radikalen Protestanten auch der sächsische Kurfürst in Erwägung gezogen, ließ sich aber mangels Kontakten zu protestantischen Reichsfürsten nicht durchsetzen, so dass der gemäßigte Katholik Erzherzog Leopold mit brandenburgischen und natürlich sächsischen Stimmen gewählt wurde. Während die Wettiner nach dem Westfälischen Frieden die Geheimdiplomatie seltener praktizierten, ist anderenorts eine große Aktivität zu verzeichnen gewesen. In England bestand auch während des Protektorats durch John Thurloe ein Geheimdienst, dem es gelang, Sir Richard Willis gefälschte Briefe unterzuschieben, die diese „tödlich gefährliche Viper“ unter dem angeblichen Pseudonym Thomas Barret beseitigte.631 Für 626 Vgl. Boetticher, Walter von: Geschichte des Oberlausitzer Adels und seiner Güter 1635–1815, Bd. 2, Oberlößnitz 1913, S. 818. 627 Vgl. AFSt, Brief von Johann Siegfried v. Schönfeldt an August Hermann Francke, 6. August 1709, AFSt/H C 829: 39. 628 Vgl. SächsHStAD, 10025, Geheimes Konsilium, Loc. 6491/30, Entlassungsbescheid, 4. Dezember 1760, f. 38. 629 Ebd., Pro Memoria des Amtmanns Gottfried Wagner, 12. Juli 1760, f. 21. 630 Vgl. Asch 1998, S. 438. 631 Samuel Morland an den englischen König, Juli 1659, zit. in: Hollings, Miss Marjory: Thomas Barret: A Study in the Secret History oft he Interregnum, in: The English Historical Review 43 (1928), S. 33–65.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Frankreich ist eine verstärkte Geheimdiplomatie im Rahmen der Fronde 1648–53 zu verzeichnen, als der Adel die Schwäche der Monarchie ausnutzte.632 Der Truppenführer der Fronde, Louis II. von Bourbon, Prinz von Condé, wurde ins Exil gezwungen. Sein Gegner, der Günstling des Kardinals Mazarin, Hugues de Lionne, setzte einen Spion auf Condés Agenten namens Saller an, der mittels eines Nachschlüssels an alle Briefe Condés herankam.633 Ohne dass der Prinz von dieser Ausspionierung Kenntnis erlangt hatte, wurde er 1659 rehabilitiert. Erfurt im Zentrum der Bündnispolitik Kurfürst Johann Georgs II. von Sachsen Die große Europapolitik spiegelte sich partiell auch in der Mitte des Heiligen Römischen Reiches. Beispielsweise in Erfurt, das innerhalb des wettinischen Territoriums als Mainzer Besitz isoliert lag. Wie in einem Brennglas ließ sich hier ein vielschichtiger Konflikt beobachten, der sich in scheinbar kleinen Begebenheiten niederschlug. Tiefe Spuren in der Stadtgeschichte hat der angebliche Landesverrat des Erfurter Ratsherrn Volkmar Limprecht bei der Einnahme der Stadt durch den Erzbischof von Mainz im Jahr 1663 hinterlassen. Die Stadt stand in beschränkter Selbstständigkeit unter Oberherrlichkeit der Mainzer Erzbischöfe, und die sächsischen Landesherren besaßen lediglich ein mehr oder weniger wertloses Erbschutzrecht über Erfurt.634 Die Erzbischöfe beriefen sich darauf, dass Kaiser Otto I. seinem Sohn, dem Mainzer Erzbischof Wilhelm, Thüringen und mit diesem zusammen auch Erfurt geschenkt habe. Aber es gelang ihnen ebensowenig, die Bürger unterwürfig zu machen, wie es den Wettinern gelang, ihre Ansprüche durchzusetzen. Auf städtischer Ebene sollten spezielle Kommissionen die strittigen Punkte regeln – die Wahl des Rates sowie die Einführung des Gebets für die Person des Landesherrn. Es ging um die Formulierung, ob für den Rat oder zugleich für den weisen Rat des Kurfürsten und des Erzbischofs von Mainz gebetet werden solle. Es stand mithin die Frage nach weltlicher oder geistlicher Oberhoheit der Stadt und die Freiheit der Stadt selbst auf dem Prüfstand. Ein Beispiel dafür war der Fall Limprecht, der mit den Streitigkeiten um die Neubesetzung des Vierrates begann. Im Zentrum stand eben der Konflikt um die Gebetsformel. Da der Kurfürst die Volkspartei unterstützte und Limprecht als Schullehrer in der Bevölkerung großen Zuspruch genoss, kam er in den Rat und wurde nach vier Jahren nicht nur wiedergewählt, sondern sogar an die erste Stelle gerückt, was den Magistrat erzürnte, da sich die Wiederwahl laut Statuten erst durchführen ließ, wenn der Obervierherr nach seiner Amtsführung abgetreten 632 Vgl. Alexandre, Philippe; L’Aulnait, Béatrix de: Pour mon fils, pour mon roi. La reine Anne, mère de Louis XIV., Paris 2009, S. 260–66. 633 Vgl. Kühner 2010. 634 Vgl. Helbig 1865, S. 393.

4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

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war.635 Die Stadtväter wandten sich an Herzog Ernst von Sachsen-Gotha, dessen Minister Veit Ludwig von Seckendorff diesen Fall entschied und dafür sorgte, dass Limprecht 1660 fast einstimmig durchfiel. Der enttäuschte ehemalige Obervierherr trat nun entschieden für Mainz ein, um seine verlorene Stellung zurückzugewinnen. Eine weitere kaiserliche Kommission setzte Limprecht wieder in sein Amt ein und verfügte die strikte Durchführung der Gebetsformel. Der Streit um die Formel des Kirchengebets wurde der Auslöser für einen heftigen Zwist, in dessen Zentrum Limprecht zerrieben wurde. Limprecht übergab am 30. November 1660 eine im Detail abgeänderte Fassung ohne Vorwissen des Magistrats den kaiserlichen Kommissaren. Seine Gegner konnten die aufgebrachte Bevölkerung hinter sich bringen und baten die sächsischen Herzöge um Intervention beim Kaiser. Während die ernestinischen Fürsten sich engagierten, zeigte sich Kurfürst Johann Georg I. sehr passiv. Dessen Geheimsekretär Weck gab in einem vertraulichen Brief an den Geheimrat Menius von Sachsen-Zeitz zu, der Kurfürst sei trotz der bedenklichen Berichte „laulicht“, agiere mit lascher Hand.636 In Kurmainz wuchs sogar die Hoffnung, man könne das Kurfürstenpaar in den Schoß der katholischen Kirche zurückführen.637 Der sich in Erfurt entwickelnde Fanatismus gipfelte in der Suspendierung mehrerer Ratsmitglieder und in der Intrige gegenüber Limprecht, der als vermeintlicher Anhänger des Kurfürsten verleumdet wurde, an den kaiserlichen Kommissar, Baron Schmidburg, mehrere Tausend Reichstaler aus der städtischen Kasse verschenkt zu haben.638 Die Kommissare erneuerten ihre Ansprüche an die Formulierung der Gebetsformel und forderten zudem die Wiedereinsetzung von zwei abgesetzten Ratsherren und die Aufnahme eines Strafverfahrens gegen zwei Männer, die Limprecht insgeheim für die Opposition des Rates verantwortlich gemacht hatte – den Oberratsmeister Berger und den jungen Syndicus Avianus. Die Bemühungen der sächsischen Vertreter von Werthern, Menius und Seckendorff um einen Kompromiss waren vergebens. Schmidburg beging nun den Fehler, die geeinte Fraktion der Räte und Bürger spalten zu wollen und Limprecht zu stärken, indem er aus jeder Zunft heimlich ein paar Leute zu sich rief, die er mit Drohungen zur raschen Unterwerfung zwingen wollte.639 Dieses Manöver brachte jedoch den gegenteiligen Effekt – die radikalen Bürger richteten ihr Misstrauen und ihren Zorn gegen den vermeintlichen Verursacher des Streites, Volkmar Limprecht. Nachdem die Kommissare vom erbitterten Volk aus der Stadt in Richtung Mühlhausen vertrieben waren, ließ der Bürgermeister zur Beruhigung etwas bewaffnetes Landvolk zusammenziehen, das jedoch seine Gewehre zu früh „losbrannte“, so dass die Bürgerschaft alarmiert wurde. Der nach Erfurt gerittene kaiserliche Herold, der der Stadt die 635 636 637 638

Vgl. ebd., S. 398. Zit. in: ebd., S. 401. Vgl. ebd., S. 422. Vgl. Menzel, Karl Adolf: Neuere Geschichte der Deutschen von der Reformation bis zur BundesActe, Band 13, Breslau 1848, S. 380. 639 Vgl. Helbig 1865, S. 408.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Acht ankündigen sollte, sofern die Gebete nicht unverzüglich beschlossen würden, wurde „für einen verkleideten Betrüger erklärt“, vom Pferd gerissen und misshandelt. Sein Leben konnte durch beherztes Eingreifen eines Offiziers gerettet werden, und ihm blieb nach einigen Tagen Schutzhaft im Schießhaus nur die Flucht aus der Stadt auf listigem Wege. Der Kaiser trug nun dem Mainzer Erzbischof die Vollstreckung der Acht auf. Nachdem am Stadtwall die Mainzer Truppen zwei Einwohner gehängt hatten, brach sich in Erfurt der Volkszorn Bahn – es geschahen Plünderungen und Morde. Volkmar Limprecht hielt ein Standgericht wegen Verfälschung der Gebetsformel und eines Sitzungsprotokolls sowie der Bestechung für schuldig, dass er Erfurt stets unter mainzische Herrschaft habe bringen wollen.640 Dafür wurde er am 30. November 1663 auf dem Fischmarkt vor dem Rathaus enthauptet.641 Die Erfurter Geistlichkeit konnte durch Drohungen dahin gebracht werden, die Gebetsformel im Stil des Jahres 1660 zu verlesen. Doch der Mainzer Erzbischof rächte die geschehenen Widergesetzlichkeiten, indem er sich anschickte, mit einem Heer von 15.000 Soldaten die Acht zu vollstrecken. Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen ließ sich vom Abgesandten des Kurmainzer Erzbischofs, dem Kanonikus von Reiffenberg, verleiten, für französische Subsidien und das Versprechen von Unterstützung bei der Durchsetzung kursächsischer Ansprüche auf Jülich die Exekution gegen Erfurt zu billigen.642 Das sächsisch-französische Bündnis wurde dadurch getarnt, dass Reiffenberg im kursächsischen Staatsrat die Präsidentschaft für die Mainzer und französischen Angelegenheiten übernahm.643 Am 20. November 1663 schloss Johann Georg I. in Torgau einen geheimen Vergleich hinter dem Rücken seiner Vettern, Brüder und Räte. In weiteren mündlichen Absprachen zwischen beiden Kurfürsten wurden die Einzelheiten verabredet. Da die Minister nicht unterrichtet waren, unterzeichneten sie parallel eine gegensätzliche Vereinbarung mit Erfurt.644 Graf Friesen klagte 1664 gegenüber Johann Georg I.: Ich wollte, man könnte sich auf die Principalen besser verlassen, und hätte gründliche Informationen von allem demjenigen, was meiner unwissend ultro citroque promittiret worden. Man läßt nur zuweilen etwas durch dunkele und zweifelhafte Reden verrmerken…645

Die evangelischen Fürsten wurden über die Haltung des sächsischen Kurfürsten zunehmend aufgebracht und drohten, sich ein anderes Direktorium zu suchen. Dem 640 Vgl. Menzel 1848, S. 383. 641 Fritz, Samuel: Erfurtische Chronica und andere Historien, unveröffentlichtes Manuskript, Stadtarchiv Erfurt 5/100–42, zeigt eine Darstellung der Hinrichtung, S. 329; Summarischer Bericht wie der Zu Erffurt gewesene OberVierherr M. Volcmar Limprecht verschuldet Daß Er am 20. Novembris 1663. mit dem Schwert offentlich hingerichtet worden, Erfurt 1663. 642 Vgl. „Johann Georg II., Kurfürst von Sachsen“ von Heinrich Theodor Flathe, in: ADB, Bd. 14 (1881), S. 381–383; Helbig 1865, S. 412 f. 643 Vgl. Helbig 1863, S. 293. 644 Vgl. ebd., S. 416. 645 Zit. in: ebd., S. 421.

4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

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Kurfürsten wurde zwar zeitweise bange, aber er ließ sich vom Mainzer Kurfürsten mit Besänftigungen und einigen Kisten ausgezeichneter Rheinweine hinhalten. Nach vierwöchiger Belagerung wurde die Unterwerfung der Stadt unter mainzische Oberhoheit erzwungen. Die sächsischen Herzöge verlangten eine Erklärung und hörten vom Kurfürsten wiederholt nur Ausflüchte. Als sich auch Hildesheim bedroht sah, vermutete man, die katholische Partei wolle durch Erfurt und Hildesheim eine Verbindung zwischen den österreichischen Erblanden und dem niedersächsischen Kreis schlagen.646 Als der sächsische Kurfürst feststellte, dass die französischen Subsidien nicht pünktlich gezahlt wurden, schien er sich wieder verstärkt dem Kaiser anschließen zu wollen. Kurfürst Johann Philipp von Mainz seinerseits setzte den korrupten Reiffenberg ab und bemächtigte sich aller seiner Papiere. Darunter waren auch alle Absprachen mit Sachsen, die dieser in seiner Funktion als sächsischer Minister verwahrt hatte. Der Mainzer Kurfürst besaß dadurch gewissermaßen die Deutungshoheit. Bei dem zu Schulpforta geschlossenen Rezess 1667 entsagte der Kurfürst für 150.000 Gulden dem Schutzrecht über Erfurt. Dass er um seinen versprochenen Gewinn gebracht worden war, wusste er sehr wohl, da er nachträglich „merkliche nullitäten, Mängel und Gebrechen“ im Umgang des Mainzer Kurfürsten mit ihm beklagte.647 Der Kurfürst rehabilitierte Limprecht und ließ ihn auf dem Kaufmannskirchhof beisetzen. An seinem Wohnhaus in der Johannesstrasse 178, dem „Haus zum grünen Sittich und gekrönten Hecht“, erinnert heute noch eine Gedenktafel an Limprecht. Sächsische Geheimdiplomatie in der Ära des „Sonnenkönigs“ Die Reunionspolitik König Ludwig XIV. von Frankreich in den Jahren 1667–97 riss Europa nach dem Westfälischen Frieden erneut in eine Krise. Der Wunsch König Ludwigs  XIV. von Frankreich, seine „Sonne […] in ganz Europa scheinen zu lassen“ löste eine Welle von Kriegen in Europa aus, die von Johannes Burkhardt, Heinz Durchhardt und Heinz Schilling als „zweiter Dreißigjähriger Krieg“ bezeichnet wurden (1667–1697).648 Es sei weniger ein offensiver Hegemonialwille denn ein „Rückfall in den Universalismus“ gewesen, der die anderen Staaten provozierte, resümiert Burckhardt.649 Um den Reichsfrieden besorgt, traten immer mehr Staaten dem kaiserlichen Heer bei. Mehrere Reichsstände standen mit Ludwig  XIV. in geheimen Verhandlungen. Der „Große Kurfürst“ von Brandenburg war durch Zusage Frankreichs, die Interessen in Schlesien zu unterstützen, gewonnen worden. Herzog Ernst von Sachsen-Gotha hatte

646 Vgl. ebd., S. 430. 647 Zit. in: ebd., S. 437. 648 Burkhardt, Johannes: Vollendung und Neuorientierung des frühmodernen Reiches, 1648–1763 (= Handbuch der deutschen Geschichte. 11), Stuttgart 2006, S. 98. 649 Ebd., S. 99.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

dies bereits gerüchteweise 1664 vernommen und die Schwester Friedrich Wilhelms, Landgräfin Hedwig Sophie von Hessen-Kassel, um „vertrauliche Apertur“ gebeten.650 Sie antwortete dem Gothaer Herzog, die Sache sei mit Frankreich soweit eingefädelt, dass man nur noch auf den günstigsten Zeitpunkt warte.651 Diese geheime Kommunikation beider Höfe setzte sich später in den Bemühungen um eine Dritte Partei fort. Ludwig XIV. hatte nicht nur Kurbrandenburg heimlich auf seine Seite gezogen, sondern gewann nach dem Devolutionskrieg auch Kurbayern. 1670 wurde ein geheimes Abkommen mit dem französischen König geschlossen. Auch Kurfürst Johann Georg II. band sich durch das erwähnte geschlossene geheime Bündnis an Frankreich. Es wurde dadurch getarnt, dass Reiffenberg im kursächsischen Staatsrat die Präsidentschaft für die Mainzer und französischen Angelegenheiten übernahm.652 Parallel dazu verhandelte der Geheime Rat Burkersrode 1664–65 ganz im Stillen mit dem Kaiser für ein Bündnis mit Brandenburg und Bayern.653 Aus Den Haag, dem europäischen Umschlagplatz für Nachrichten, ließ sich der sächsische Kurfürst durch den Residenten Martin Tanck mit Informationen versorgen. Tanck berief sich oftmals auf seinen Informanten Lieuwe von Aitzema, den Gesandten der Hansestädte, und auf den brandenburgischen Gesandten Wicquefort.654 Auf diese Weise fühlte sich Johann Georg II. ringsum abgesichert. Auch die Ernestiner betrieben eine ständige Aufklärung zur Absicherung ihrer Herrschaft, getreu dem alten Motto Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor. Als im Weimarer Territorium heimliche Truppenwerbung beobachtet wurde, erließ Herzog Johann Ernst III. von Sachsen-Weimar zusammen mit seinen Brüdern ein gemeinsames Verbot und eine Absage an die Bereitstellung von Kontingenten heimischer Soldaten für fremde Mächte.655 Da Sachsen-Gotha mit Kurbrandenburg enge Beziehungen pflegte, sind mehrere vertrauliche Briefe und Konferenzen aktenkundig. Johann Georg II. von Sachsen hingegen war antipreußisch gesonnen, seit er durch Brandenburg um Jülich und Magdeburg gekommen war. Der brandenburgische Kurfürst sandte mehrfach seinen Kriegsrat Otto Wilhelm von Berlepsch zu Verhandlungen über diese Angelegenheit nach Sachsen.656 Berlepsch informierte seinerseits 1669 Dresden über geheime Rüstungen des Bischofs von Münster.657 Der Große Kurfürst war um eine freundliche Koexistenz ausgesprochen bemüht. Im ausbrechenden Französisch-Holländischen Krieg war der sächsische Kurfürst der Ansicht, man müsse neutral bleiben, „darmit man nicht der Grossen Schwall aufen 650 ThStAG, GA, D II Nr. 10, Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha an Hedwig Sophie, 3. Februar 1664, f. 39. 651 Vgl. ebd., Antwort Hedwig Sophies, 11. März 1664, f. 41. 652 Vgl. Helbig 1863, S. 293. 653 Vgl. ebd., S. 294; Helbig 1865, S. 419. 654 Vgl. Legutke 2005, S. 63. 655 Vgl. Von Gottes Gnaden Wir Johann Ernst 1671. 656 Vgl. GSta PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 21; Nr. 22; Nr. 24. 657 Vgl GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 294.

4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

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Hals bekommet“.658 Zusätzlich ließ Johann Georg II. den Brandenburger wissen, dass er aus Kurmainz vertrauliche Nachricht habe, dass der Kaiser im Haag noch um eine gütliche Einigung ringe.659 Brandenburg spielte ein Doppelspiel, indem es dem französischen König Unterstützung versprach und zugleich mit dem Kurfürsten von Sachsen darüber beriet, wie die protestantischen Herrscher mit den Kronen England, Dänemark und Schweden den Niederländern zur Hilfe kommen könnten. Auch der sächsische Kurfürst changierte zwischen seiner profranzösischen Einstellung und den Pflichten als Kopf des Corpus Evangelicorum. Johann Georg II. meinte, man könne nicht dulden, dass die Holländer unterdrückt würden, „denn man verlöhre einen grossen Stein aus dem Brede.“660 Der brandenburgische Kurfürst wechselte die Strategie und versuchte, über Umwege Zeit zu gewinnen. Im Mai 1672 traf Otto Wilhelm von Berlepsch beim Herzog von Sachsen-Gotha ein. Obwohl gemäß Creditiv die Mündlichkeit gewahrt werden sollte, informierte Herzog Ernst stehenden Fußes den Administrator von Magdeburg, Herzog August von Sachsen-Weißenfels, über die Inhalte, da in Zusammenhang mit dem französischen Angriff auf die Niederlande die Mobilmachung Brandenburgs gegen die Weißenfelser Prinzen besprochen worden war.661 Anlass waren Werbungen für auswärtige Potentaten im Magdeburgischen, die trotz Werbungsverbot durchgeführt wurden, sowie die Verweigerung von Quartieren für brandenburgische Truppen.662 Als Begründung für diese vertrauliche Mitteilung schrieb Herzog Ernst, er sehe, dass dies das fügliche Mittel sei, die Völker des Reichs und der Kreise an der Hand zu behalten und wolle „zeitige vertraute Apertur tun“, um den Marsch der Völker etwa auf zehn oder zwölf Tage zu verschieben, bis ausreichende Nachrichten über die Umstände einträfen.663 Aus diesen Zeilen geht hervor, dass er einen großen europäischen Krieg verhindern wollte, indem er den kursächsischen Feldmarschall-Leutnant Christian von Sachsen-Weißenfels um Entschleunigung bat. Die Weitergabe höchst vertraulicher Informationen war von Brandenburg höchstwahrscheinlich intendiert, die Abschickung Berlepschs ein geplantes Manöver, um über Herzog Ernst eine Deeskalation zu erreichen. Jedoch war der Holländische Krieg Ludwigs XIV. nicht mehr zu stoppen. Angesichts der französischen Aggression fand das Feindbild der raubwütigen Franzosen immer mehr Verbreitung. Berlepsch reiste weiter nach Dresden, wo er dem Kurfürsten die „Assistenz der Vereinigten Niederlande“ ans Herz legen sollte und wenigstens ein 658 Johann Georg II. von Sachsen an Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, 26. Februar 1672, zit. in: Brode 1890, S. 172. 659 Vgl. Johann Georg II. von Sachsen an Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, 8. März 1672, zit. in: ebd., S. 173. 660 Der beiden Kurfürsten Gedanken,16. März 1672, zit. in: ebd., S. 176. 661 Vgl. ThStAG, GA, F O III d, Nr. 10, Herzog von Sachsen-Gotha an den Administrator von Magdeburg, 24. Mai 1672, unfol. 662 Vgl. Kurfürst Friedrich Wilhelm an Kurfürst Johann Georg II., 10. Juli 1672, zit. in: Brode 1890, S. 179. 663 ThStAG, GA, F O III d, Nr. 10, Herzog von Sachsen-Gotha an den Administrator von Magdeburg, Herzog August von Sachsen-Weißenfels, 24. Mai 1672, unfol.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Hilfskorps von 6.000–8.000 Mann einbringen konnte.664 Der Große Kurfürst setzte seine Doppelstrategie fort. Seine pressierenden Verpflichtungen im Corpus Evangelicorum wogen schwerer als die vagen Zusagen Frankreichs, die in der Zukunft lagen. Kursachsen war das brandenburgische Verhältnis mit Frankreich nach Aktenlage erst 1671 bekannt geworden. Zu allem Unglück erfuhr Brandenburg von den Beziehungen Sachsens mit Frankreich, während Ludwig XIV. von Frankreich gleichermaßen über die Annäherung an Brandenburg unterrichtet war. Johann Georg II. hatte ein auf allen Seiten gestörtes Vertrauensverhältnis zu beklagen. Besonders der französische König rückte von Sachsen ab. Offiziell hieße es, Johann Georg sei über das gute Einvernehmen Ludwigs XIV. mit Friedrich Wilhelm brüskiert. Um die Schwäche der eigenen Geheimhaltung zu verdecken, lenkte Johann Georg II. die Aufmerksamkeit von sich ab. Durch die zeitweise sächsische Annäherung an Frankreich wuchsen in Kurmainz die Hoffnungen, man könne das Kurfürstenpaar in den Schoß der katholischen Kirche zurückführen. Um sich nicht noch mehr bei den protestantischen Reichsfürsten suspekt zu machen, intervenierte Kurfürst Johann Georg II. zu Gunsten der schlesischen Protestanten. Die geheimen Verhandlungen von Burkersrode mit dem Kaiser mündeten 1673 in ein Notbündnis, nachdem 1672 der Krieg um die Niederlande ausgebrochen war. Kurzzeitig unterstützte er das kaiserliche Heer 1673 mit 3.000 Sachsen gegen den französischen Feldherrn Turenne. Doch der Bund beruhte nur auf Pragmatismus, denn da weder Brandenburg noch der Kaiser für vertrauensvolle Beziehungen mit Sachsen bereitstanden, musste sich Johann Georg  II. an das neutrale Bayern wenden. Der sächsische Sekretär Findekeller reiste inkognito nach München, um zu erklären, dass Kursachsen den Austritt aus dem Krieg suche und dafür französische Subsidiengelder wünsche.665 Die Annäherung an Frankreich belegen chiffrierte Briefe des sächsischen Gesandten Wolfframsdorf in Paris mit dem französischen Minister Arnauld Marquis de Pomponne und geheime Mitteilungen Findekellers nach Paris für eine Pension von 500 Livre.666 Da Johann Georg II. Ludwig XIV. zunächst bei den Forderungen um Unterstützung für eine bourbonische Kandidatur bei der nächsten Kaiserwahl nicht entgegenkommen wollte und die Neutralität vorzog, verbündete sich Johann Georg II. 1674 mit Bayern, um Kurbrandenburg etwas entgegenzusetzen, das im gleichen Jahr in die niederländisch-österreichisch-spanische Koalition wechselte.667 Doch wegen dieses Engagements gelang Schweden der Einfall in Brandenburg, wodurch der Hohenzoller Vorpommern verlor. Das leicht angespannte Verhältnis zu Brandenburg hinderte Kurfürst Friedrich Wilhelm nicht daran, Johann Georg II. im Juni 1675 über einen gefangenen Spion zu

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Instruktion für Berlepsch, 24. August 1672, zit. in: Broe 1890, S. 180. Vgl. Helbig 1863, S. 303. Vgl. ebd., S. 312, 321. Zur spanischen Spionage im Zeitalter Ludwigs XIV. von Frankreich vgl. Salinas, David: Espionaje y gastos en la diplomacia espanola (1663–1683), Valladolid 1995.

4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

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informieren, der unter der Tortur noch etliche Komplizen benannt haben soll, die ihren Weg über Torgau und Wittenberg nach Dresden genommen hätten, um „selbige Verrätherey daselbst auch für zunehmen“.668 Kursachsen bat um weitere Spezialnachricht über Wittenberg, erfuhr jedoch nur, dass die Post durch die Kriegsoperationen etwas behindert sei und dass die Inquisition fortgesetzt werde. Dann verliert sich die Spur des Spions in den Quellen. Besser als zwischen Potsdam und Dresden war die Beziehung zwischen Potsdam und Gotha. Kurfürst Friedrich Wilhelm schlug am 15. Juni 1676 dem Gothaer Herzog angesichts der Kriegsdrohung und gefährlichen Situation für den Protestantismus eine Konferenz aller friedensbereiten Reichsfürsten und -nachbarn vor.669 Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg holte die Meinung seiner Brüder ein, doch bevor er deren Votum am 31. Juli erhielt, signalisierte er schon am 26. Juli die Bereitschaft zur Mithilfe. Diese Korrespondenz ist eingebettet in ein längeres Ringen des Herzogs von Sachsen-Gotha um eine Dritte Partei zur Vermittlung eines Friedens. Mit mehreren Adressaten wurde geheime Korrespondenz gepflegt und eine informelle evangelische Zusammenkunft in Fürth vorbereitet.670 Fürth war gewählt worden, da die Nürnberger und Ansbacher diesen Ort regelmäßig auf dem Weg ins kaiserliche Regiment passierten und deshalb wenig Aufsehen erregten. Schon seit Oktober 1675 wollte Friedrich I. verschiedene Reichsstände wie die Häuser Kursachsen, Braunschweig-Wolfenbüttel und Kurmainz für den Plan gewinnen, die jedoch ihre Hilfe trotz bekundeten Interesses versagten. Somit suchte der Herzog weitere Verbündete in Hessen-Kassel und der Pfalz. In diesem Verhandlungsstadium setzt die Überlieferung eines geheimen Briefwechsels mit Hedwig Sophie von Hessen-Kassel ein. Im April wandte sie sich an den Herzog, um dessen Gedanken aus der vertraulichen Kommunikation zusammenzufassen. Erstens müsse das Land gegen weitere Winterquartiere und Durchzüge mittels einer Verfassung geschützt werden, zweitens bedürfe es mehr Friedensbemühungen und drittens müssten zum Ausgleich der katholischen Majorität am Reichstag die evangelischen Reichsstände eigene Gesandte etablieren.671 Die Landgräfin gab zu bedenken, dass sich konkurrierende Fürsten begegneten und dass der Eindruck entstehen könnte, man wolle die Reichsverfassung zerstören. Weiterhin empfahl sie die Anwerbung eines Defensions-„Völckchens“, das nicht nur Durchmärsche verhindern würde, sondern auch den eigenen Zielen mehr Nachdruck verleihen könnte.672 In seiner Antwort erhellen sich die Umstände der geheimen Kommunikation, denn der Herzog dankt für das Schreiben, das er „wolgeliefert empfangen“ habe und notiert, sie habe seine beim jüngsten Auf668 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 7237/16, Brief Kursachsens, 17. Juni 1675, f. 2. 669 Vgl. ThStAG, GA, D II, Nr. 7b, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg an Friedrich I. von Sachsen-Gotha, 15. Juni 1676, unfol. 670 Vgl. Jacobsen, Brandsch 1998–2003, Bd. 3, S. 307; ThStAG, GA, D II, Nr. 7a; ebd., D II, Nr. 7b; ebd., D II, Nr. 7c. 671 Vgl. ebd., Landgräfin Hedwig Sophie an Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha, 15. April 1676, f. 1. 672 Ebd., f. 3.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

enthalt in Kassel „vertraulich entdeckten Gedanken“ zu seinem besonderen Vergnügen ersehen.673 In der Tat ist aus dem Tagebuch Friedrichs I. zu ersehen, dass er sich am 6. April in Kassel mit dem dortigen Generalkriegskommissar Pagenstecher besprochen hatte und am nächsten Tag im Gemach der Landgräfin auf deren eigenen Wunsch drei geheimen Räten abermals sein „Dessein“ vorstellen durfte.674 Die Landgräfin versprach, diese wichtigen Angelegenheiten reiflich zu prüfen und sich schriftlich zu melden. Demnach ist diesem geheimen Briefwechsel ein persönliches Gespräch vorausgegangen, bei dem sich beide offenbar auch über den Brieftransport ihres weiteren Gedankenaustauschs mit verlässlichen Boten verständigten. Nachdem sich auf diese Weise Vertrauen aufgebaut hat, konnte der Herzog nun einen Schritt weitergehen, überließ der Landgräfin einige Kopien seiner Briefe an den vertrauenswürdigen Nachbarfürsten und stellte in Aussicht: wie wir dann diejienige nähere erklärung, so deren von Hochgedachtes Herzogs Lbd. wir Unß täglich versehen […] wie auch 2 weniger, wann von Churmaintz, an welche die Sache durch ihren Erfurtisch Statt Halter von Ingolheim auch gebracht worden, dergleichen einlanget, E. Lbd. Ebenfalls in freundvetterlich confidenz solches zu communicieren nicht ermangeln wollen.675

Das Tagebuch des Fürsten berichtet, dass er am 25. April 1676 in Zwetzen drei Stunden mit Kanzler Seckendorff „wegen Unserer Verfaßung Conferirt“ habe, der schon von Beginn an starke Vorbehalte gehabt hat.676 Am Folgetag besprach er das Thema bei einem Spaziergang im kleinen Garten mit seinen Brüdern Johann Ernst und Bernhard, den späteren Herzögen von Saalfeld und von Meiningen. Trotz des großen Engagements kam das Vorhaben mangels Unterstützung ins Stocken. Auch die Geheimhaltung konnte nicht gewahrt werden, da der Bayreuther Rat Hünicke schon im März klagte, es stünde in den Zeitungen, dass die sächsischen Häuser mit Kurmainz und Hessen-Darmstadt eine Defensivallianz aufgerichtet hätten.677 Ende Mai musste Herzog Friedrich ernüchtert mitteilen, dass Weimar und Eisenach sich noch nicht entschließen konnten und dass er auf überfällige Erklärungen aus Braunschweig warte.678 Der Rat in Wolfenbüttel habe zwar Hoffnung gemacht, aber angesichts der davoneilenden Zeit solle man zu zweit ein neues Treffen der Räte anberaumen. Hedwig Sophie war angesichts der Absagen anderer Reichsfürsten nicht bereit, das Bündnis zu realisieren. Auch hatte Ludwig VI. von Hessen-Darmstadt ihr seine Zweifel 673 Ebd., Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha an Landgräfin Hedwig Sophie, 20. April 1676, f. 5. 674 Vgl. Jacobsen, Brandsch 1998–2003, Bd. 1, S. 391 f. 675 ThStAG, GA, D II, Nr. 7c, Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha an Landgräfin Hedwig Sophie, 20. April 1676, f. 5b. 676 Vgl. Jacobsen, Brandsch, 1998–2003, Bd. 1, S. 394; Band 3: Kommentar und Register, Weimar 2003, S. 310. 677 ThStAG, GA, D II, Nr. 7a, Brief Albrecht Hünickes an Hoenn, 9. März 1676, f. 18. 678 Vgl. ebd., Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha an Landgräfin Hedwig Sophie, 25. Mai 1676, f. 7.

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an dem Plan dargelegt und ihr von der Sache abgeraten.679 Sie schlug stattdessen vor, beim Kaiser in Wien vorstellig zu werden, um gegen Aufstellung einer Mannschaft die Winterquartiere abzuwenden. Sie hoffe auf einen Reichskrieg „zu gesambter hand“.680 Damit war das Allianzprojekt komplett gescheitert, und die geheime Korrespondenz bricht ab. Was machte das Geheimnis dieses Briefwechsels aus? Da die Inhalte nicht verschlüsselt wurden, ist der Postverkehr über persönliche Boten und wahrscheinlich zu eigener Hand das entscheidende Kriterium. Da Herzog Friedrich zahlreiche Reichsfürsten für sein Projekt zu gewinnen suchte, war dieser Plan auch sehr vielen bekannt, die allerdings nicht oder nur sehr eingeschränkt wussten, wer noch eingeweiht war. Der hessischen Landgräfin dürfte Friedrich I. die meisten Informationen überlassen haben, da die anderen Höfe dem Gothaer Herzog offenbar schon in einem früheren Stadium eine Absage erteilt hatten. Insofern dürfte das Scheitern des Allianzprojektes Friedrich I. kaum überrascht haben. In der Tat findet sich in seinem Tagebuch über die negative Entscheidung der Landgräfin keine Notiz. In den folgenden Jahren scheint für eine geheime Korrespondenz keine Veranlassung vorgelegen zu haben. Ein Untertan des Herzogs, Wilhelm van Schrotter, engagierte sich seinerseits in der Politik und ging unter dem Vorschein bevorstehender Handelsaufträge nach Wien, um als Spion im Auftrag der englischen Krone Informationen zu sammeln und nach London zu senden.681 Weit weniger ambitioniert war der sächsische Kurfürst. Im Fokus Johann Georgs II. standen weniger politische Ambitionen als zählbare Summen, mit denen er sein aufwändiges prunkvolles Hofleben finanzieren konnte. Dem Prinzip der Vorsicht gegenüber Brandenburg, der Treue gegenüber der Konfession und den Verlockungen französischer Subsidien folgend, versuchte er sich mit wechselnden Bündnissen durchzulavieren. Die Geheimhaltung funktionierte jedoch stets nur kurz. 1678 ließ der Hohenzoller Johann Georg II. wissen, ihm sei „von verschiedenen Orten die sichere Nachricht zukommen“, dass Kursachsen mit Bayern im Bündnis stehe.682 Der Holländische Krieg endete 1678 mit dem Frieden von Nijmwegen. Vom Kriegsverlauf enttäuscht, schloss der brandenburgische Kurfürst am 25. Oktober 1679 den Geheimvertrag von Saint-Germain-en-Laye, um gegen 100.000 Livre pro Jahr bei der nächsten Kaiserwahl für den Sonnenkönig zu stimmen.683 Einen fast gleichlautenden Geheimvertrag über 110.000 Reichstaler schloss Johann Georg II. am 5. November mit Luwig XIV. ab.684 Er 679 Vgl. Jacobsen, Brandsch, 1998–2003, Bd. 3, S. 309. 680 ThStAG, GA, D II, Nr. 7c, Landgräfin Hedwig Sophie an Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha, 30. Mai 1676, f. 9. 681 Vgl. Marhall 2003, S. 132. 682 Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg an Kurfürst von Sachsen, 6. August 1678, zit. in: Helbig 1863, S. 309. 683 Vgl. Jacobsen, Brandsch 1998–2003, Bd. 3, S. 453. 684 Vgl. „Johann Georg II., Kurfürst von Sachsen“ von Heinrich Theodor Flathe, in: ADB, Bd. 14 (1881), S. 381–383.

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hatte sich doch noch von den französischen Subsidien überzeugen lassen. Im Urteil der Historiker gilt Johann Georg II. als käuflicher, schwacher Fürst, der zwar mit großem kulturpolitischem Instinkt gesegnet war, aber die Festkultur bis zur Maßlosigkeit ausufern ließ und ohne Fleiß, Ambitionen oder politische Leistungen blieb.685 Doch das französische Bündnis stand auf tönernen Füßen, denn am Dresdner Hof war die französische Partei von Hermann von Wolfframsdorf, Burkersrode, Schönberg und Christian von Klengel mit einer starken kaiserlichen Partei aus den Brüdern Heinrich und Carl von Friesen und dem Grafen Nicolaus von Gersdorf konfrontiert. Als 1680 Johann Georg II. starb, verlor Wolfframsdorf seine einflussreiche Stellung, so dass ein Umschwenken auf prokaiserlichen Kurs erfolgte. Ein weiterer hochrangiger Amtsträger wechselte die Stellung: Der brandenburgische Kriegsrat Otto Wilhelm von Berlepsch kehrte, da ihm der weitere Aufstieg zum Oberhofmarschall oder Generalkriegskommissar verwehrt war, enttäuscht Brandenburg den Rücken.686 Er bildete, in Gotha und Weimar tätig, einige Jahre das Zentrum der ernestinischen Außenpolitik. Eingeleitet wurde sein Dienstwechsel durch eine 1680 unterhaltene heimliche Kommunikation mit dem Herzog Friedrich I. von SachsenGotha über die „gefährlichen Conjuncturen im Reich“.687 Angesichts der französischen wie der osmanischen Angriffslust wäre Berlepsch für die Thüringer Höfe von großem Gewinn gewesen. Jedoch starb er kurze Zeit später auf der Rückreise von Wien, wo er als Generalwachtmeister gegen die Türken gekämpft hatte. Ein zweites Feindbild entstand in dieser Zeit in Mitteleuropa angesichts der vorrückenden türkischen Heere im 17. Jahrhundert. Bis zum Ende des Großen Türkenkrieges litt Europa unter einer steten Bedrohungsperzeption gegenüber den Osmanen. Nichts weniger als die Rettung des Abendlandes vor den Muslimen hatten die Höfe auf die Agenda gesetzt, um der Expansion des Osmanischen Reiches Einhalt zu gebieten. Im Jahr 1683 gelang bei Wien der entscheidende Sieg. Danach folgte noch ein weiterer herausragender Erfolg im Jahr 1687. In den 1690er Jahren folgten einige Feldzüge in Ungarn. Der junge sächsische Kurfürst Friedrich August I. sammelte 1695 einige türkische Interzepte in arabischer Schrift. Die überlieferten 16 Briefe blieben aber mangels Dolmetscher ohne Übersetzung.688 Somit konnte aus der Interzeption nur wenig Nutzen gezogen werden. Zusätzlich beschäftigte August II. von Polen an der Pforte und bei der osmanischen Armee auch eigene Spione, die ihn über Absichten und Aktionen der Osmanen auf dem Laufenden hielten.689 Die Angst wandelte sich in eine Faszination, und das Exotische entfachte um 1700 eine Orientbegeisterung, die sich u. a. in der Kunst

685 Vgl. „Johann Georg II. von Sachsen“ von Karlheinz Blaschke, in: NDB, Bd. 10 (1974), S. 526 f. 686 Bahl, Peter: Der Hof des Großen Kurfürsten. Studien zur höheren Amtsträgerschaft BrandenburgPreußens, Köln, Weimar Wien 2001, S. 46, 431. 687 Vgl. ThStAG, GA, AAA (A3) II, Nr. 12. 688 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9333/25. 689 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3687/11.

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und in der Literatur niederschlug.690 Groß war das Interesse an Büchern, die sich diesem Fremden widmeten. Giovanni Marana, der wegen seines Glaubens nach Paris geflüchtet war, verkaufte seine 664 Briefe über den osmanischen Spion an den europäischen Höfen blendend, ohne aus der fiktiven Geschichte einen Hehl zu machen. Er sponn eine Legende der Quellenüberlieferung um die Hauptfigur und verteidigte die Fiktion: Was lieget daran, ob die Umstände erdichtet seyn oder sich in der That also verhalten? […] in Werck muß sich selbst erhalten; es zeiget durchgehends einen trefflichen Verstand, was brauchet es weiter, um selbiges beliebt zu machen? […] Die ersten Theile wurden so geneigt aufgenommen, daß die erste Auflage fast so bald sie aus der Presse kam, verkauffet war691

Seine Geschäftstüchtigkeit und der journalistische Stil ließen die Berichte der behandelten Jahre 1637–82 weite Verbreitung finden. Übersetzungen in verschiedene Sprachen sowie 15 Auflagen sind bekannt und inspirierten Daniel Defoe zu einer Fortsetzung.692 Da nach dem ersten Band die Briefe in englisch erschienen, ist über die Autorschaft heftig diskutiert worden. Am wahrscheinlichsten ist, dass Marana sie selbst in England herausbrachte, da er keine Verleger mehr auf italienischem oder französischem Boden fand.693 Sachsen beobachtete das Geschehen im entfernten Wien in den 1680er Jahren sehr genau. Der Agent Gottfried Schwimpfen erhielt zusätzlichen Sold für seinen Aufwand bei der Übersendung von Zeitungen.694 Sein Bedienter Johann Beck erhielt 45 Gulden, die er mit dem kaiserlichen Postbedienten Wilhelmi teilen sollte, der Zeitungen und Abdrücke – wohl Siegelabdrücke – geliefert hatte. Zusätzlich wurde Graf Georg Ludwig von Zinzendorf zu einer besonderen Angelegenheit nach Wien gesandt, für die er 288 Gulden ohne Quittung erhielt.695 Der Sieg gegen die Osmanen drohte das Mächtegleichgewicht zu Ungunsten Frankreichs zu verschieben. Ludwig XIV. reagierte mit einer erneuten Offensive und begann im Herbst 1683 den Reunionskrieg mit dem Ziel, Luxemburg zu erobern. Bereits im 690 Vgl. Konrad, Felix: Von der ,Türkengefahr‘ zu Exotismus und Orientalismus: Der Islam als Antithese Europas (1453–1914)?, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hrsg. vom Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz 2010-12-03. URL: http://www.ieg-ego.eu/konradf-2010-de [02.03.2013; ASR]. August II. begründete eine eigene Sammlung, die heute als „Türkenkammer“ in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ihren Platz hat. Ebenso finden sich im Kupferstichkabinett viele Werke, die von der Faszination des Fremden zeugen. 691 Marana 1684, besondere Vorrede. 692 Vgl. Defoe, Daniel: Continuation of Turkish Letters Writ by a Turkish Spy in Paris. Giving an impartial account to the divan at Constantinople of the most remarkable transactions of Europe, and discovering several Intrigues and Secrets of the Christian Courts, especially of that of France; continued from the year 1687, to the year 1693, London 1718. 693 Vgl. Ballaster, Rosalind: Fables of the East. Selected tales 1662–1785, Oxford 2005, S. 208; Dies.: Fabulous orients. Fictions of the East in England 1662–1785, Oxford 2005, S. 145. 694 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10472/8, f. 100–123. 695 Vgl. ebd.

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Vorfeld, am 30. Juli 1683, hatte der neue sächsische Kurfürst Johann Georg III. mit Kaiser Leopold I. ein Defensivbündnis auf drei Jahre zur Aufrechthaltung der Reichsverfassung, des Westfälischen und Nijmweger Friedens unter gegenseitiger Zusicherung eines Hilfskorps geschlossen. In fünf geheimen Artikeln wurde die Verwendung des Hilfskorps sowie die Abschreibung der vom Reichspfennigmeister an Sachsen gestellten Forderungen geregelt. Auf die antifranzösische Laxenburger Allianz mit Sachsen-Gotha und SachsenEisenach folgte 1684 der Regensburger Stillstand, ein zwanzigjähriger Waffenstillstand zwischen dem Kaiser und Ludwig XIV. Im Vorfeld waren im Thüringischen zahllose Gerüchte von heimlich nach Erfurt eingeschleusten Franzosen in Umlauf. Bis zu 1.000 Mann seien als Handwerker, Kaufleute, Bettler oder Krüppel verkleidet durch das Hintertor der Zitadelle Petersberg in die Stadt hereingekommen.696 Nachforschungen seitens des Kurfürsten und der Herzöge von Gotha und Eisenach ergaben, dass in Erfurt niemand Kenntnis von eingedrungenen Franzosen besaß. Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg gab auch zu bedenken, dass eine solche Anzahl unmöglich auf der Zitadelle unbemerkt untergebracht werden könne.697 Er habe von einem Gewährsmann der Erfurter Cyriaksburg erfahren, dass nur ein einziger Lothringer schon seit sieben Jahren auf dem Petersberg diene. Es seien aber verdächtige Reitertrupps in einer Stärke bis zu 15 Mann vom Eisfeld kommend bei Merxleben an der Unstrutbrücke nach Langensalza, zwischen Völlstedt und Herbsleben, zwischen Tonna und Langensalza und bei Gotha gesehen worden.698 Der Kreishauptmann war der Ansicht, die Gerüchte könnten sich verbreitet haben, da Briefträger eine geraume Zeit wegen einer ansteckenden Seuche einen Ausweichweg gewählt hätten.699 Eine solche harmlose Erklärung stieß bei den Fürsten aber auf keine Zustimmung. Sie waren geradezu aufgeschreckt, da die Beobachtungen sich noch mit einem anderen Ereignis deckten. Denn zeitgleich waren gedruckte französische Pässe, Salvaguardien bzw. Schutzbriefe für die Eisenacher, Erfurter und Gothaer Postbeamten eingegangen. Die Pässe waren seit April von Straßburg aus allmählich über Heilbronn und Frankfurt bis nach Erfurt gelangt. Der Kurfürst erbat über seinen Gesandten in Regensburg, dieser möge beim kaiserlichen Gesandten darum ersuchen, dass dieser den Grafen von Taxis um eine Stellungnahme zu dieser „so ungewöhnlichen angemasten Protection“ bitte.700 Ebenso verfuhr auch Friedrich I. von Sachsen-Gotha, der über den braunschweigisch-hannoverschen Gesandten in Regensburg mit dem französischen Bevollmächtigten sondieren ließ.701 Beide ergriffen somit indirekte Maßnahmen, um einen Eklat zu verhindern. 696 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9853/1, Kreishauptmann Hans Christian von Werthern an Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen, 3. Mai 1684, unfol. 697 Vgl. ebd., Friedrich I. an Kurfürst Johann Georg III., 15. Mai 1684, unfol. 698 Vgl. ebd., Räte an Friedrich I. von Sachsen-Gotha, 11. Mai 1684, unfol. 699 Vgl. ebd., Kreishauptmann Werthern an den Kurfürsten, 8. Mai 1684, unfol. 700 Ebd., Kurfürst Johann Georg III. an Friedrich I., 14. Mai 1684, unfol. 701 Vgl. ebd., Friedrich I. an Kurfürst Johann Georg III., 15. Mai 1684, unfol.

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Der Kurfürst hat hierbei eine noch verdecktere Methode angewandt als der Gothaer Herzog, da er eine Vermittlungsinstanz mehr einbaute. Bis zur Klärung sollte der Kreishauptmann gute Obacht geben und sämtliches Marschieren „durch zulängliche Anstalten hindern“.702 Weitere Vorkommnisse sind nicht dokumentiert, und die Angelegenheit scheint mit einer befriedigenden Aussage seitens Frankreich beigelegt worden zu sein. Zu diesem Zeitpunkt nahm das Leipziger Oberpostamt eine Interzeption auf dem Gebiet des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg wahr. Gegenüber dem sächsischen Kurfürsten klagte der Oberpostmeister, Herzog Georg Wilhelm halte die Pakete auf dem Weg von und nach Hamburg auf.703 Johann Georg III. von Sachsen war mit dieser Praxis nicht sehr vertraut, denn er ließ dem Leipziger Oberpostamt ausrichten, ihm sei erinnerlich, dass unter seinem Vater „deshalben ein und anderes Vorkommen“ gewesen sei und man möge im Nachlass des damaligen Amtsinhabers nachsehen, wie man damals vorgegangen ist.704 Der Oberpostmeister Daser warnte aber davor, mit den Thurn und Taxis zu sehr zu brechen, denn dann werde alles konfus, und das Postwesen sei bereits in einem „Labyrinth“.705 Somit begnügte sich Johann Georg III. mit einem Mahnbrief an den Herzog von Braunschweig. Dass der Postinspektor in Celle die Pakete mehrfach geöffnet, durchsucht und „untereinander geworffen“ hat, sei wohl eine ungehörige Eigenmächtigkeit, die unterbunden werden müsse.706 Aus Celle bekam man zur Antwort, der Leipziger Amtmann habe wohl selbst die Briefe und Pakete aufgehalten, um den Verdacht auf das fürstliche Generalpostamt zu lenken.707 Der Angesprochene wies eine solche Frechheit von sich, doch das Klima des Misstrauens spiegelt diese Affäre sehr gut wider. Insgesamt sind die dubiosen Beobachtungen von den Fürsten sehr ernst genommen worden. Angesichts der politischen Lage schien es durchaus im Bereich des Möglichen, dass der französische König die unterschwelligen Sympathien bei den protestantischen Reichsfürsten für seine Zwecke auszunutzen versuchte. Welches Ziel mag Ludwig XIV. mit diesen Maßnahmen verfolgt haben? Hier kann nur vermutet werden. Mit Hilfe gezielt gestreuter Gerüchte und Schutzbriefe an Postmeister, die quasi als Werbegeschenke versandt wurden, mag er die Stimmung bei der Bevölkerung und den Fürsten getestet haben. Im Erfolgsfall, bei positiver Resonanz, wäre es ihm möglich gewesen, quer durch das Heilige Römische Reich eine Schneise von Sympathisanten und künftigen Bündnispartnern in die gegnerische Front schlagen zu können. Die Reaktion der Fürsten jedoch dürfte ihn sofort von der Unwirksamkeit dieser Maßnahmen 702 Ebd., Kurfürst Johann Georg II. an den Kreishauptmann Werthern, 14. Mai 1684, unfol. 703 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10009/4, Brief des Leipziger Oberpostamts, 16. Januar 1685, unfol. 704 Ebd., Johann Georg III. an Oberpostamt Leipzig, 10. März 1685, unfol. 705 Ebd., Bericht Dasers, 19. März 1685, unfol. 706 Ebd., Kurfürst Johann Georg III. an Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg, 9. Februar 1686, unfol. 707 Vgl. ebd., Herzog Georg Wilhelms Antwort, 24. Februar 1686, unfol.

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überzeugt haben, so dass diese sogleich eingestellt wurden und die Waffenstillstandsverhandlungen begann man ernsthaft zu betreiben. Dieses Beispiel zeugt vom geschickten strategischen Einsatz propagandistischer und psychologischer Kriegführung des französischen Königs, aber auch vom gut koordinierten Krisenmanagement der wettinischen Fürsten. Im Jahr 1688 war Frankreich als Aggressor in Europa bei allen Reichsständen anerkannt. Es gelang Wilhelm III. von Oranien, mit den protestantischen Reichsfürsten eine Allianz zu schließen. Dieser Rückhalt ermöglichte es ihm, die großangelegte Landung in England zu realisieren, da ihm die Schutzzusagen der Bündnispartner den Rücken gegen Frankreich freihielten. Bei den Bündnisverhandlungen hatte er immer wieder ein Bedrohungsszenario für das protestantische Gemeinwesen bemüht: Oranien wisse aus geheimer Quelle, dass Ludwig XIV. den Kaiser auf seine Seite ziehen wolle.708 Man führe eine heimliche Korrespondenz mit dem Kaiserhof, gab die Informanten aber natürlich nicht preis. Jedoch habe man erfahren, dass Frankreich bereit sei, für das Bündnis nicht nur die Pfalz, sondern sogar das Elsass aufzugeben. Nur eine starke Allianz der Protestanten könne Kaiser Leopold davon abhalten, sich an Frankreich anzulehnen. Diese Offerte hat Christoph Kampmann kürzlich als Fälschung enttarnt, da die Angebote den Maximen Ludwigs XIV. widersprächen und sich in den Quellen der französischen und englischen Gesandten keine Spur eines solchen Angebots finden lassen.709 Stattdessen führte Wilhelm von Oranien aber schon seit Frühjahr 1688 geheime Verhandlungen mit dem Kaiser, um sich gegen die französische Expansion abzusichern.710 Dass angesichts der angespannten Beziehungen beider infolge des Aussscherens der Generalstaaten aus dem Holländischen Krieg nur Gespräche ohne jedes Aufsehen stattfinden konnten, liegt auf der Hand. Als Emissär wurde der hessische Hofkammerpräsident Johann von Görtz ausgewählt. Dieser erlangte vom Kaiser zwar die Zusage, das alte Bündnis wieder zu erneuern, gleichzeitig aber auch die vertrauliche Mitteilung über ein fingiertes weitreichendes Angebot des französischen Königs an den Kaiserhof. Wilhem von Oranien erfuhr so aus erster Quelle, dass Frankreich sich angeblich sogar zur Nichteinmischung in die spanische Erbfolge bereit erklärt hatte – eine Information, die der Oranier den protestantischen Reichsständen unterschlug.711 Christoph Kampmann zufolge hat es dieses französische Angebot nicht gegeben, denn vorsichtige Sondierungen hatten vielmehr gezeigt, wie weit Frankreich und Österreich auseinanderlägen. Die Täuschung des Kaiserhofes hatte das Ziel, Oranien den hohen Preis der Allianz mitzuteilen, denn Leopold  I. erwartete für diesen Schritt über die Konfessionsgrenze hinweg zuverlässige Unterstützung bei der Verteidigung der west708 709 710 711

Vgl. Kampmann 2012, S. 36. Vgl. ebd., S. 48 ff. Vgl. ebd., S. 41 ff.; Kampmann 2013, S. 167. Vgl. Kampmann 2012, S. 48.

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lichen Reichsgrenze und der spanischen Erbansprüche.712 Kampmann zufolge war das fingierte Angebot eine Methode geschickter Diplomatie: Indem die kaiserliche Regierung im Frühsommer 1688 eigene Ambitionen als angebliches Angebot Ludwigs  XIV. ausgab, konnte sie Wünsche und Erwartungen kommunizieren, ohne darauf eindeutig festgelegt zu werden.713

Auch habe es, so Kampmann weiter, durch die inoffiziellen Verhandlungen mit Oranien die Möglichkeit gegeben, nachträglich alle Informationen zu dementieren. Durch die Weitergabe dieser Fiktion an die protestantischen Reichsstände instrumentalisierte Wilhelm von Oranien die kaiserliche Diplomatie für seine Zwecke. Hatte er den Wink aus Wien verstanden, so war die Täuschung für die Reichsstände, anders formuliert und eingebettet in das Bedrohungsszenario, nicht ersichtlich, so dass diese die Falschinformation glaubten und sich Wilhelm von Oranien zur Seite stellten. Dass Leopold auf die niederländische Seemacht auch in Übersee angewiesen war, wurde in den später offiziellen Bündnisverhandlungen deutlich. Für eine erfolgreiche Dynastiepolitik setzte der Kaiser nicht mehr auf Bündnispartner der gleichen Konfession, sondern wählte die für ihn beste Option. Mit dieser Entscheidung für eine neue Realpolitik war eine „Abkehr von der konfessionell bestimmten Allianzpolitik“ beschlossen.714 Wilhelm von Oranien beabsichtigte, sowohl die katholische StuartDynastie als auch ein republikanisches England zu verhindern und das Königreich für die Protestanten zu gewinnen. Im Mai 1689 wurde der Grundstock der Großen Allianz gegen Ludwig XIV. gegründet. Zu Beginn seines Feldzuges gegen die Pfalz sandte der französische König im Sommer 1689 einige Hundert Mordbrenner aus. Damit befleißigte er sich einer Methode, die bereits im 16. Jahrhundert von den Katholiken gegen die evangelischen Länder eingesetzt worden war.715 Von Prag und Leipa kamen alarmierende Nachrichten nach Sachsen, daß einige gefangene Brandstifter unter der Folter ausgesagt hätten, sie bekämen vierfachen Lohn und sollten nicht aufhören, bis Prag sowie andere Städte und Marktflecken eingeäschert wären.716 Bei den Dörfern hätten sie Order, bis nach der Ernte zu warten. Sie seien in drei Gruppen verkleidet: ein Teil ginge wie Kavaliere, ein anderer wie gemeine Bürger und ein dritter Teil verkleide sich wie Ungarn und gefangene Türken. Ihr Offizier würde eine sechsspännige Kutsche fahren und tausche oft die Kleidung. Er sei daran erkennbar, dass ihm der Daumen der rechten Hand fehle. Ein in Mělník gefolterter Brandstifter bekannte, sie trügen alle weiße Leinwandkleidung und würden sich in Scheunen aufhalten. Als eine Woche später erste leinengekleidete

712 713 714 715 716

Vgl. ebd., S. 53. Ebd., S. 54. Ebd., S. 31. Vgl. das Kapitel „Die aggressive Geheimdiplomatie“, S. 287. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9713/20, Briefe des Magistrats zu Leipa, 29. Juni 1689, unfol.

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Spione vor Zittau auftauchten und sich nach der Bewachung der Stadt erkundigten, erließ Kurfürst Johann Georg III. an die Städte Zittau und Dresden die Order, die Wachen zu verstärken, über sämtliche Fremde ein Verzeichnis anzulegen und besonders in Schänken zu suchen.717 Eilends wurde jemand nach Prag zur Einsicht in die dortige Fremdenregistratur gesandt, um die Namen zu vergleichen. In Reichstadt718 war es bald gelungen, den Kaufmann zu verhaften, der aus dem Kapuzinerkloster heraus jedem Brandstifter drei Gulden pro Tag zahlte. Durch die ausbleibende Bezahlung und die strenge Beobachtung der Städte konnten die Mordbrenner ihren Auftrag nicht mehr ausüben. Nach dem Jahr 1689 liegen von französischen Mordbrennern keine Nachrichten mehr vor.719 Ludwig XIV. versuchte im Zuge seiner erfolgreichen Kampagne 1693, durch Geheimdiplomatie in der Schweiz einen Frieden auszuhandeln. Doch alle Versuche, durch offizielle Vertreter oder Geheimagenten zu einem Frieden zu kommen, schlugen fehl.720 Erst 1697 brachte der Frieden von Rijswijk das Ende des Pfälzischen Erbfolgekrieges. Am Krieg hatten sich Brandenburg, Sachsen und Bayern besonders stark beteiligt, aber Quellen über geheime Mitteilungen aus jenen Jahren sind unterrepräsentiert. In Sachsen-Gotha gelangte nach dem Tod Friedrichs I. und einer Zeit der Vormundschaftsregierung 1693 der junge Friedrich II. an die Regierung. Gleich im ersten Jahr seiner Herrschaft, 1694, schlug das Stift Würzburg dem Herzog von Sachsen-Gotha zur Abwendung von Durchmärschen eine einvernehmliche Abstimmung in der Militärführung und sogar gemeinsame Kassenführung vor. Der Geheime Rat und Oberjägermeister Fuchs sprach bei einem Besuch in Gotha diese Vorschläge an, woraufhin eine Konferenz in Gotha, die eigentlich das Hannoversche Kurwesen zum Thema hatte, auch diesen Punkt erörterte. Zugleich wurde Hofrat Mühlpfordt, der nach einer Konferenz in Frankfurt noch unterwegs war, beauftragt, das Thema mit dem Markgraf von Baden vertraulich zu sondieren und diesen möglicherweise mit in die Defensivallianz einzubinden.721 Den Würzburgern wurde darüber Mitteilung gemacht und besonders betont, dass auf Mühlpfordts Rechtschaffenheit, Treue und Verschwiegenheit allerwege Verlaß sei.722 Jedoch kehrte Mühlpfordt überraschenderweise schon am selben Tag nach Gotha zurück, so dass der an ihn gerichtete Brief ihn verfehlte. Offenbar war das kein allzu großes Problem – die Kanzlei informierte Würzburg darüber und schickte 717 718 719 720

Vgl. ebd., Kurfürst Johann Georg III. an die Räte zu Zittau und zu Dresden, 7.7.1689, unfol. Zákupy in Nordböhmen. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9561/6. Vgl. Archives du Ministère des Affaires étrangères, Paris (= AMAE), Correspondance Politique, Allemagne, Nr. 329, L’abbé Morel, le Ch. De Stainville, agents secrets en Suisse,1693–96, Documents divers. 721 Vgl. ThStAG, GA, Project zu einer Verfaßung zwischen dem Stifft Würtzburg mit hiesigem fürstl. Hauße, 1694, D II, Nr. 32, Johann Friedrich Bischoff an Hofrat Mühlpfordt in Güntzburg, 1. Dezember 1694, unfol. 722 Vgl. ebd., Johann Friedrich Bischoff an den Würzburger Geheimrat Fuchs von Bimbach, 1. Dezember 1694, unfol.

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auf Geheiß des Gothaer Herzogs zwei Tage später den Oberkriegskommissar Martin Ludwig Witzmann nach Würzburg, um die Details zu besprechen. Anhand der Regimenter- und Verpflegungszahlen vereinbarten beide Seiten eine gemeinsame Armee von 5.000 Mann, wobei die Markgrafschaft keine weitere Erwähnung fand.723 Das Beispiel zeigt, wie flexibel die Kanzlei arbeitete und wie unkompliziert ein vertrauliches Militärbündnis entstehen konnte. Friedrich II. von Sachsen-Gotha pflegte jedoch eher, aus seinem Heer Kapital zu schlagen und die Truppen auswärtigen Mächte zur Verfügung zu stellen. 1701 geriet er dadurch in Schwierigkeiten, da Ludwig XIV., dem er Gothaer Kontingente geliehen hatte, diese gegen den Kaiser einsetzte. Nur mit Mühe entging der Herzog der Acht eines Reichsverräters, indem er rasch einen Vertrag mit dem prokaiserlichen Haus Brandenburg aushandelte. Auf diese Weise machten sich die guten Beziehungen mit den Hohenzollern für Sachsen-Gotha doch noch bezahlt. Der „Reichsverräter“ Hans Adam von Schöning und kleinere Affären Die kurze Regentschaft Kurfürst Johann Georgs  IV. 1691–94 hat kaum Möglichkeit gelassen, außenpolitisch aktiv zu werden und Geheimpolitik zu betreiben. Der Fall des Großkanzlers Hans Adam von Schöning hat dennoch große Wellen geschlagen. Dieser kam aus brandenburgischem Militärdienst 1691 nach Sachsen und wurde sowohl Generalfeldmarschall als auch Geheimer Kriegsrat. Auf einem Kuraufenthalt in Teplitz ließ ihn der Kaiser in der Nacht vom 22./23. Juni 1692 mit der Begründung verhaften, er habe Korrespondenzen und geheime Zusammenkünfte mit den Franzosen gehabt.724 Auslöser war aber wohl eine Beschwerde Schönings beim Kaiser wegen der schlechten Versorgungslage kursächsischer Soldaten in den Winterquartieren am Rhein.725 Während Schöning auf der Festung Spielberg bei Brünn saß, ließ der Kurfürst ein juristisches Gutachten anfertigen, demzufolge auch er als Souverän jene Kommunikation hätte führen dürfen. Er besprach die Schöning-Angelegenheit an seinen Geheimen Räten vorbei direkt mit den Gesandten in Regensburg und Wien, was auf ein Misstrauen zwischen Johann Georg IV. und seinen Räten hindeutet726. Trotz der kursächsischen Teilnahme am Rheinfeldzug kam Schöning nicht frei, sondern wurde erst 1694 entlassen, nachdem sich der neue sächsische Kurfürst Friedrich August I. und der Großkanzler von Beichlingen für ihn eingesetzt hatten und 30.000 Reichstaler an den zuständigen Minister in Wien geflossen waren.727

723 724 725 726 727

Vgl. ebd., Von der Landmiliz, undat., unfol. Vgl. Taube 1988, S. 21. Vgl. „Schöning, Hans Adam von“ von Bernhard von Poten, in: ADB, Bd. 32 (1891), S. 309–311. Vgl. Taube 1988, S. 23. Vgl. „Schöning, Hans Adam von“ von Heinrich Kaak, in: SäBi, URL: http://www.isgv.de/saebi/ [07.03.2014; ASR]

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Diese Aktion gehört zu den ersten Maßnahmen, die der neue Kurfürst von Sachsen traf, denn er zeigte sich zu seinem Regierungsantritt um sein Image besorgt, weil die Umstände des Todes seines Bruders zumindest rätselhaft waren. Da Johann Georg IV. sich – so die offizielle Verlautbarung – bei der Blattererkrankung seiner Mätresse angesteckt hatte, ließ er den Tod der Mätresse Sibylle von Neitschütz, Reichsgräfin von Rochlitz, genauestens dokumentieren. Dazu nutzte er den Umstand, dass die von Magie faszinierten Zeitgenossen ihr und ihrer Mutter Liebes- und Schadenszauberkräfte andichteten. Da die Mätresse plötzlich an Blattern erkrankt und gestorben war, und kurz darauf auch den Kurfürsten der Tod ereilte, gab es Gerüchte, beide seien Opfer eines Anschlags geworden. Doch August II. lenkte jeglichen Verdacht von sich ab und veranlasste einen der letzten großen Hexenprozesse in Sachsen gegen die Mutter der Mätresse, Ursula von Neitschütz, die hinter dem Anschlag gestanden haben soll. Das war insofern pikant, als sie die Schwester des Oberhofmarschalls Haugwitz war und es hieß, sie sei die Mätresse Johann Georgs III. gewesen, so dass Magdalena Sibylla ein uneheliches Kind des Kurfürsten und mithin Friedrich Augusts und Johann Georgs Halbschwester gewesen sein könnte. Jegliche Fantasien in diese Richtung wurden auf dem Altar des Hexenprozesses geopfert, und der Oberhofmarschall späterhin der Untreue angeklagt und entlassen. Der Kurfürst war in seiner Gegenwehr gründlich: Auch der Kammerpräsident Ludwig Gebhard von Hoym, der in dieser Affäre als der Beschützer der Mätresse verwickelt war und 1693 schon einmal unter Anklage wegen Wucherns gestanden hatte, wurde nun des Betrugs bei der Münzverwaltung und Geldmissbrauchs verdächtigt.728 Aber er konnte sich stets gut verteidigen und kaufte sich für 200.000 Taler frei. Das ermöglichte ihm nur sein tatsächlich unterschlagenes Geld. Durch diesen Schachzug füllte der junge Kurfürst nicht nur seine Kasse, sondern band auch einen der cleversten Amtsträger an sich. So stand Hoym 1696–99 als Kammerpräsident wieder in höchster Gunst. Weitere Archivforschungen wären angebracht, um die Kommunikationswege dieser Hintertreppendiplomatie aufzudecken. Möglicherweise war dies die erste Intrige des Jacob Heinrich von Flemming, der damals noch Generaladjutant des Kurfürsten war und am Beginn seiner Karriere stand, die bis zum zweiten Mann im Staate reichte. In jenem Jahr erregte auch das spurlose Verschwinden Philipp Christoph Grafs von Königsmarck Aufsehen. Es hieß, er sei wegen Ehebruchs mit der Schwiegertochter des Kurfürsten im Auftrag des Hannoverschen Kurfürsten ermordet worden, als er versucht hatte, in kursächsische Dienste zu fliehen.729 Verraten von der Mätresse des Kurfürsten, fand er vermutlich den Tod, während die Kurprinzessin Sophia Dorothea wegen böswilligen Verlassens geschieden und zeitlebens auf entlegenen Landschlössern eingekerkert wurde, was an die Gräfin Cosel erinnert. Das Geheimnis um Königsmarcks Schicksal war so prekär, dass allerorten darüber geraunt wurde. Da er der Bruder von der Mätresse des sächsischen Kurfürsten war, und beide Männer sich auch von dem 728 Vgl. Helbig 1873, S. 474. 729 Vgl. Burschel 2007.

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gemeinsamen Venedig-Aufenthalt während der Kavalierstour kannten, war Friedrich August I. sehr betroffen und ließ wochenlang nach Philipp Christoph von Königsmarck fahnden. Seine Spione wurden jedoch zurückgerufen, als der Hannoversche Hof Beschwerde beim Kaiser einlegte. Somit zeigten sich bereits 1694 die für diesen Regenten typischen Praktiken und Schwerpunkte. Sein konsequentes Agieren kam einer Regierungserklärung als absoluter Monarch im Stile Ludwigs XIV. gleich. Krisenmanagement in der Quedlinburger Stiftsfehde 1698 Im Kontext des Streits um Quedlinburg fanden explizit vertrauliche Korrespondenzen statt. Die Albertiner hatten den Hohenzollern die Alienation der Schutzgerechtigkeit des Stifts angeboten und damit die ernestinischen und hessischen Interessen berührt.730 Nachdem Äbtissin Anna Dorothea ihren Schwager Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen im Januar 1698 vertraulich davon unterrichtet hatte, schrieben die Herzöge von Sachsen gemeinschaftlich nach Dresden und Wien, um eine Benachteiligung abzuwenden. Anna Dorothea informierte in größeren Abständen Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha über die an sie gerichteteten Briefe und die beabsichtigten Änderungen der Gebetsformel.731 Im Herbst bat sie ihn auch um Absendung eines zuverlässigen Boten, mit dem sie eine vertrauliche Kommunikation pflegen wolle.732 Als der Bote Jacobs – offenbar der Hof- und Kammerrat und spätere Vizekanzler Johann Jacobs – nach zwei Tagen eintraf, blieb ihm nur die Erörterung mit dem Stadtrat, da die Äbtissin zu einem Lustjagen in Weimar weilte.733 Die Angelegenheit führte zu hitzigen Diskussionen, denn über den Sommer war der Konflikt zu einem Schwelbrand geraten. Brandenburg hatte sich mit militärischen Mitteln in den Besitz der Stadt gesetzt, was Herzog Albrecht von Sachsen-Coburg veranlasste, eine Stellungnahme von Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg zu erbitten. Dieser antwortete, der erbverbrüderte Herzog sei wohl „ungleich“ informiert, denn es handele sich weder um Kauf noch um Cession, sondern um eine „Transaction“ zur Beilegung langjähriger Irrungen zwischen dem Fürstentum Halberstadt und dem Stift.734 Dabei fließe auch eine beträchtliche Geldsumme, wodurch der Verlust für das Haus Sachsen sicher dreifach ersetzt werde. Die Einnahme der Stadt sei weniger eine Besetzung als vielmehr eine Inbesitznahme durch wenige Leute. Da weder die Ernestiner noch Hessen diesem Sachverhalt zustimmen mochten, geriet die Angelegenheit zur Affäre. In der Tat sprachen die Tatsachen eher für einen Handstreich, 730 Vgl. ThStAG, GA, F O II g, Nr. 1–4. 731 Vgl. ebd., Anna Dorothea an Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha, 5. Januar, 12., 28. Februar, 28. April, 9. Juni, 3. September 1698, f. 2, 40, 71, 107, 124, 170. 732 Vgl. ebd., Friedrichs Reisebefehl für Jacobs, 5. September 1698, f. 171. 733 Vgl. ebd., Relation Jacobs’, 13. September 1698, f. 193 ff. 734 Ebd., Friedrich III. von Brandenburg an Herzog Albrecht von Sachsen-Coburg, 3. Mai 1698, f. 132.

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denn es sei in den frühen Morgenstunden des 30. Januars 1698 ein Wagen am Oehringer Tor angekommen, der in die Stadt eingelassen wurde. Aus dem Wagen sprangen Soldaten heraus, die sich darin versteckt gehalten und verhinderten das Schließen des Thores, bis zwei dem Wagen folgende Compagnien […] hineinmarchierten, die Bürgerwache zurücktrieben und Quedlinburg für den brandenburgischen Kurfürsten in Besitz nahmen.735

Der Schiedsspruch des Kaisers ließ über zwei Monate auf sich warten. Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar plante, mit Friedrich II. von Sachsen-Gotha durch zugeschickte Abschriften zu einem einheitlichen Informationsstand zu gelangen: Damit aber Ew. Lbd. und der Hessischen Häußer Intention wir desto genauer versichert seyn und Unß darauf desto zuverläßiger faßen können, so ersuchen wir dieselbe hierdruch freundl. Sie wollen Unß von dem mit Hochgedachten Hessischen Häußern dißfalls gemachten Concert in hergebrachten Vertrauen nähere Eröfnung zu thun […] durch diesen expressen copiam zuzuschicken freundtlich belieben […].736

Allerdings scheint die Absprache in situ weniger gut funktioniert zu haben, da Wilhelm Ernst Anfang Oktober klagte, er besitze Ungewissheit und wolle über erfolgte Kommunikationen informiert werden.737 Jedoch blieb er mehrere Wochen ohne Antwort und übersandte, verbunden mit einer leisen Mahnung, seinerseits Abschriften von Briefen des Hohenzollern und seiner Schwester, der Äbtissin Anna Dorothea. Nachdem erneut fast zwei Monate ohne Reaktion ins Land gezogen waren und der Stillstand in der Affäre unlösbar schien, regte Wilhelm Ernst eine Zusammenkunft aller Interessenten an.738 Dieser Fall zeigt, dass die ernestinischen Höfe in einem bestehenden Konflikt verschiedene Methoden zur Krisenbewältigung kannten: zum einen Informationspolitik durch familiäre Kommunikationskanäle, mündliche Mitteilungen über Boten und gegenseitigen Nachrichtenaustausch, zum anderen offensive Gegenwehr durch Beschwerdeführung bei dem vermeintlichen Aggressor und an höherer Stelle. Allerdings wurde die Diplomatie durch zeitliche, räumliche und familieninterne Hürden behindert, so dass die unbefriedigende Informationslage keine Basis für einen politischen Erfolg sein konnte. Anna Dorothea hielt sich dementsprechend länger in Weimar auf. Am 2. April 1699 fiel der kaiserliche Beschluss, den Christoph Heinrich von Stein, der hessische Gesandte in Wien, vorab bereits kannte. Der Regimentsquartiermeister und Wachtmeister Böhme habe ihm die Resolution mitgeteilt, dass der Kaiser die Klage anerkannte und ihre Fikalia durch eine holsteinisch-braunschweigische Kommission 735

Vgl. Dibelius, Franz: Gottfried Arnold. Sein Leben und seine Bedeutung für Kirche und Theologie, Berlin 1873, S. 56 f. 736 Vgl. ThStAG, GA, F O II g, Nr. 1–4, Wilhelm Ernst an Friedrich III. von Brandenburg, 5. September 1698, f. 175. 737 Vgl. ebd., Wilhelm Ernst an Friedrich III. von Brandenburg, 3. Oktober 1698, f. 225. 738 Vgl. ebd., Wilhelm Ernst an Friedrich III. von Brandenburg, 23. November 1698, f. 256.

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zu beobachten gedenke.739 Mit diesem Ergebnis konnten die Ernestiner nicht zufrieden sein und reichten abermals schriftliche sowie mündliche Bitten am Kaiserhof ein. Herzog Friedrich von Sachsen-Gotha sandte am 23. April die gute Nachricht an die Äbtissin, der brandenburgische Kurfürst wolle der Resolution gemäß die Gebiete und Gelder wieder abtreten: Ew Lbd. laßen wir in freundvetterlicher confidenz nit verhalten, welchergestalt unß die sichere vertraute nachricht zuukommen, daß […] Ihro die dargeschoßenenen Gelder wieder restituiret würden.740

Allerdings blieb Brandenburg-Preußen Schutzmacht über das Stift Quedlinburg und entschädigte Sachsen mit 340.000 Reichstalern. 4.3.2 Die Sächsisch-Polnische Union und die Außenbeziehungen Augusts II. von Polen Als der sächsische Kurfürst Friedrich August I. die Regierung übernahm, ließ er keine Zweifel daran, dass mit ihm ein neuer Geist einzog. Sofort wurde ein Zittauer Bürger, der sich rühmte, dem kaiserlichen Obristen und Burggrafen von Prag, von Sternberg, ein Geheimnis eröffnet zu haben, verhört und arretiert.741 Die Personalunion zwischen Sachsen und Polen, die 1697 begann und über zwei Generationen bis 1763 Bestand hatte, war Ausgangspunkt einer verstärkten Geheimdiplomatie. Grund hierfür war die stark gestiegene Relevanz der politischen Tätigkeit, die mit der höheren Titulatur und dem höheren Rang verbunden waren. Die im Verhältnis zu Sachsen 30fache Größe Polens und der Reichtum des Landes sowie seine geopolitische Bedeutung zwischen Ostsee und Schwarzem Meer veranlassten den sächsischen Kurfürsten zu ungeahnten Anstrengungen, um in Besitz der Herrschaft dieses großen Nachbarlandes zu gelangen. Dazu musste er die Logistik des Wissens anpassen und im „Dreieck der Distanzherrschaft“ ein Kommunikationssystem zuverlässiger und wachsamer Mittler etablieren, wie es Arndt Brendeke für die Kolonialherrschaft Spaniens beschrieben hat.742 Zentrale Bedeutung hatten hier wie da Wissenserwerb und -verarbeitung. Für August II. stellte sich die Erlangung der Kontrolle über den polnischen Adel als schwerste Prüfung heraus. Leider sind viele Belege der augusteischen Geheimdiplomatie verloren. So ist eine umfangreiche Aufstellung der Kosten für Verschickungen und Missionen im Archiv mit dem Vermerk „fehlt“ verzeichnet.743 739 Vgl. ebd., Christoph Heinrich von Stein an Landgraf von Hessen, 29. März 1699, f. 287. 740 Vgl. ebd., Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha an Äbtissin Anna Dorothea von Quedlinburg, 13. April 1699, f. 290. 741 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9555/2. Von diesem Ereignis ist leider nur noch der Findbucheintrag erhalten, so dass nichts über die näheren Umstände bekannt ist. 742 Brendecke 2009a, S. 177–187. 743 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8236/21.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Die Beziehung zu Polen Als der Tod Jan III. Sobieskis 1696 zu erwarten stand, begannen erste vorsichtige Annäherungen. Die Wahlmonarchie in Polen ließ mehrere fremde Herrscher zueinander in Patronagekonkurrenz um die Wahlmänner geraten. Im Vorfeld der geplanten Wahl des sächsischen Kurfürsten zum polnischen König 1697 wurde heimlich ein begabter und noch junger Minister nach Warschau geschickt, um vor Ort die politische Fäden zu spinnen.744 Er besaß noch keinen Bekanntheitsgrad, war aber als halber Landsmann mit den polnischen Verhältnissen gut vertraut: Jacob Heinrich von Flemming. Er ließ Kurfürst Friedrich August von Sachsen unter dem Pseudonym Don Livio Odeschalchi auf die Liste der Kron-Anwärter setzen und sah, dass der Sachse nur ein Viertel der Stimmen erhalten würde. Mit hohem Ressourceneinsatz wurde nun an der Positionsverbesserung gearbeitet. Dabei war Flemming der jüdische Hoffaktor Behrend Lehmann sehr behilflich, da er von den jüdischen Steuerpächtern und Gutsverwaltern der polnischen Adeligen wertvolle Details in Erfahrung bringen konnte.745 Dabei griff Lehmann auf seine einflussreichen Freunde in der jüdischen Gesellschaft zurück.746 Wie bei den früheren habsburgischen und bourbonischen Thronbewerbungen nutzte Flemming eine Vielzahl möglicher Beeinflussungsmaßnahmen: sichtbare Werbung (Drucke, Bilder), materielle Versprechen (Geld, Orden, Geschenke, Soldaten) und immaterielle Zuwendungen (Erziehung polnischer Adeliger in Sachsen, Territorienbelehnung, Ämter und Titel, Heiratsverbindungen).747 Im Verborgenen brachte Flemming immer mehr Kandidaten ins Spiel, bis angesichts von 18 Kandidaten die Konkurrenz zersplittert war. Sobieskis Witwe Maria Kazimiera zog ihren Schwiegersohn, Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern, sogar ihrem Sohn Jakob vor. Von Bestechungsgeldern und Versprechungen beeinflusst, musste sich der Sejm letztlich nur noch zwischen den beiden Hauptanwärtern aus Sachsen und Frankreich entscheiden und wählte 1696 den sächsischen Kurfürsten. Flemming hatte nicht nur die Verschiebung des Wahltermins um einen Tag erreicht, sondern auch, dass die vom Nuntius beglaubigte Urkunde über die Konversion Friedrich Augusts unter der Schlachta verteilt wurde und die Wahlproposition, die nachts abgeschrieben worden war, in 200 Kopien kurisierte.748 Die Schlachta wurde kulinarisch versorgt, und die in Bereitschaft stehende Armee war gegenüber der in großer Ferne liegenden 744 Laut Michael Ranfft war Kurfürst Friedrich August I. „veranlasset in geheim einen Minister ohne öffentlichen Caracter nach Pohlen zu schicken vor ihn zu negotiiren; und weil man hierzu so wohl einen Staats-Klugen und sehr verschlagenen, als auch zu Vermeidung aller ombrage einen zur Zeit nicht allzu bekannten und in sehr hohen Chargen stehenden Mann bedurffte, so befand man zu dieser Commission keinen vor geschickter als den Obristen von Flemmming.“ Vgl. Ranfft 1731, S. 9. 745 Vgl. Bürgelt 2007, S. 10. 746 Er kooperierte mit Leffmann Behrens, Samson Wertheimer, Samuel Oppenheimer, Moses Benjamin Wulff, Aaron Beer und Moses Kann für die Finanzierung der polnischen Krone. Vgl. ebd., S. 11. 747 Vgl. Bues 2007, S. 81 ff. 748 Vgl. Piwarski 1962, S. 40 f.

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französischen Flotte gleichfalls ein gutes Argument. Als Conti mit dem französischen Botschafter Melchior de Polignac die Heimreise antrat, konnte Flemming sich noch dazu darüber freuen, dass ihm die Polignac-Korrespondenz seit 1693 in die Hände fiel.749 Über Flemming als Haupt des sächsisch-polnischen Politik- und Militärwesens urteilt Flathe: F. wurde die Seele seiner Geschäfte, er hauptsächlich trug in dieselben die Leichtfertigkeit und das Intriguenwesen hinein, die fortan das charakteristische Merkmal der sächsischen Diplomatie blieben […]750

Der Reichshofratspräsident Wurmbrand warnte den kaiserlichen Feldmarschall von Seckendorff, dem Grafen Flemming sei nicht zu trauen.751 Flemming war ein äußerst bedachter Mann, da er zur Sicherheit stets von allen wichtigen Papieren die Originale oder wenigstens eine Kopie bei sich verwahrte. Gegenüber dem König begründete er diese Vorsicht damit, dass er, falls seine versandten Briefe einmal im Druck veröffentlicht würden, mit den Dokumenten die Wahrheit ans Licht bringen könne.752 Dieser Praktik ist es zu „verdanken“, dass fast jedes Schriftstück von Flemming in Kopie vorliegt und somit Dutzende dicke Korrespondenzakten zu Flemming im Sächsischen Staatsarchiv lagern. Nachdem der sächsische Kurfürst die polnische Krone erlangt hatte, waren sogleich Gerüchte über die Bestechungen im Gange. Der Gothaer Gesandte am Kaiserhof kundschaftete in Wien im Klima eines verbreiteten „sinistren Argwohns“ eine Summe von 950.000 Gulden der Hannoveraner aus und sandte viele interzipierte Briefe der katholischen Partei nach Gotha.753 Wegen seiner langjährigen Erfahrung – er war seit 1676 in Wien akkreditiert – besaß er die nötigen Kenntnisse, um an Informationen zu kommen. Die polnische Krone brachte Glanz und Prestige, jedoch ebenso auch schwere Belastungen mit sich. Zunächst wurde mit Preußen über Kriegspläne und territoriale Abmachungen, u. a. zu Crossen an der Oder, sondiert. Dafür ging eigens der Geheime Rat von Beichlingen in einer „geheimen Sendung“ an einen geheimen, mit den brandenburgischen Ministern ausgemachten Ort und berichtete bei seiner Rückkehr 749 Vgl. ebd., S. 43. 750 „Flemming, Jacob Heinrich Graf von“ von Heinrich Theodor Flathe, in: ADB, Bd. 7 (1878), S. 117–118. 751 Vgl. HHStAW, AT-OeStA/HHStA StK Große Korrespondenz 226/1, Brief Wurmbrands, 6. September 1727, f. 120. 752 „[…]wie ich darnach zu mehrer Sicherheit alle particuliere Briefe so in diesem Wercke [die Affäre Patkul; ASR] zu schreiben vorgefallen, und welche zu meiner precaution und zu Bezeugung meines unpassionirten redlichen und treuen Verfahrens theils originaliter von frembden theils copeylich von den meinigen beybehalten (damit wenn ins künfftige, wie ich eusserlich vernehme, einige von mir meine an andere abgelassene Briefe solten durch den Druck zum Vorschein kommen, ich selbige durch deren originalen Beantwortung elucidiren und durhc andere Documenta die Wahrheit an Tag legen mögte, aufgehoben gnaw durchzusehen anfange […]“. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2090/35, Brief vom 25. Mai 1701, unfol. 753 ThStAG, GA, AAA (A3) III. Nr. 5, Brief Prauns aus Wien, 29. Mai und 13. Juli 1697, f. 1–5.

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dem König persönlich.754 Parallel dazu ließ August II. die französische Gesandtschaft ausspionieren. Etliche Interzepte des Marquis du Héron an den französischen Gesandten in Schweden, Comte Guiscard, sind überliefert.755 Ersterem gelang später die Bestechung der königlichen Mätresse Ursula Lubomirska mit 12.000 Talern, die einen sehr lebhaften Einfluss auf August II. nehmen konnte. Der Marquis wurde aber 1702 in Warschau arretiert, da er dem schwedischen Minister Piper in die Hände gearbeitet hatte. Er wurde nach Paris ausgeliefert. Sein Korrespondenzpartner, Louis de Guiscard, fiel bei Ludwig XIV. auch bald in Ungnade, da ihm 1706 „das Gesicht umgedreht worden war“, weil er verräterisch gearbeitet hatte.756 Die Franzosen konnte der polnische König durch die Interzeption unter Kontrolle halten. Um stets über die Stimmung in der polnischen Armee und über Briefe des polnischen Adels informiert zu sein, gebrauchte August  II. zahlreiche Spione, von deren anonymen Berichten ein Teil in einer Akte überliefert sind.757 Die Söhne des 1696 gestorbenen polnischen Königs Jan  III. Sobieski, Jakob und Constantin, stellten für den Nachfolger auf dem Thron eine potentielle Gefahr dar. Weil man ihren Einfluss in Polen fürchtete, wurden sie sogar 1704 gefangen genommen und bis zum Abschluss des Altranstädter Friedens auf der Festung Königstein gefangengehalten.758 Angeblich hätten beide die Unruhen in Polen geschürt und August II. nach dem Leben getrachtet.759 Der sächsische Gesandte am Reichstag in Regensburg, Georg Graf von Werthern, berichtete am 14. April 1704 über ein in Rom umlaufendes Gerücht, dass die polnische Königin Maria Kasimira, Witwe Jan Sobieskis, „aus Rache“ mit bayerischer Hilfe den sächsischen Prinzen Friedrich August entführen wolle, um die Freilassung ihrer zwei verhafteten Söhne durchzusetzen.760 Der König verschärfte daraufhin für zwei Wochen landesweit die Sicherheitsmaßnahmen für seinen einzigen Thronfolger und ließ Fremde stärker kontrollieren.761 Die Befürchtungen bewahrheiteten sich jedoch nicht. Die profranzösische Haltung der Sobieskis, die Jan III. 1674 nach seinem großen Sieg über die Osmanen zum Königstitel verholfen hatte, trug nun zu diesem Misstrauen bei, da Sachsen-Polen sich mit dem neu gegründeten Geheimen Kabinett verstärkt habsburgfreundlich ausrichtete. Polen blieb ein steter Hort von Unruhe, weshalb August II. die polnische Post streng observieren ließ. Der Großhetman Sieniawski, der oberste Befehlshaber der polnischen Armee, genoss aber das Vertrauen Flemmings, der mit ihm sogar zwei Chiffren teil754 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8266/4. 755 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 390/6. 756 Zit. in: Pfander, Nikolaus: Roux de Marcilly  – Syndic der Conféderation des dix confédérés, Hohenzolz 2000, S. 141. 757 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3687/11. 758 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 13a. 759 Vgl. Bülau 1887, S. 81. 760 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9682/2, unfol. 761 Ausführlich vgl. Rous 2011.

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te.762 Gleichermaßen war der Großkanzler von Beichlingen bis zu seinem Sturz 1703 mit den sächsischen Ministern per Chiffre verbunden.763 Den ersten Schlag gegen Beichlingen führten seine Gegner aus, indem sie den Generalkronpostmeister und Kriegsrat Georg Hermann von Holtzbrinck im Juni 1701 wegen verdächtiger Korrespondenz in aller Stille auf die Festung Königstein brachten. Der Hinweis, es seien gefährliche Umtriebe in Polen aufzudecken, genügte, um August II. zu entsprechend harten Maßnahmen zu veranlassen. Die Minister wussten genau, dass der König hier übernervös reagierte. Die offizielle Verlautbarung hieß, er wäre in der Administration des Salzwesens 150.000 Taler schuldig, doch Eingeweihte meinten, Holtzbrinck sei in Haft, weil er „in Societät mit dem Großkanzler und dem Juden Hirschel gestanden“ und „sonst nach Polen gefährliche Correspondenz“ geführt hatte.764 Durch einen jungen Soldaten gelang es Holtzbrinck, einen mit Bleiweiß auf Löschpapier geschriebenen Brief an seinen auf der Festung Sonnenstein arretierten Sekretär Schuster zu schicken.765 Jener Soldat, Ephraim Kannegießer, wurde verhört und für mindestens 15 Wochen arretiert.766 Er gab an, er sei von zwei Holländern dazu verführt worden, Holtzbrinck zu helfen.767 Sie hätten Holtzbrinck auch die Information übermittelt, dass Schuster auf der Festung Sonnenstein sei. Kannegießer erhielt von Holtzbrinck jenes beschriebene Löschpapier und über einen als Mittler involvierten Bauern in Struppen mündliche Anweisungen, wie das Papier zu Schuster gelangen sollte, wofür der Bauer 16 Groschen bekam.768 Dieser Bauer, Jonas Nitzsche, verstand sich mit dem Obristen der Festung Königstein gut („wie ein Scherwentzell“), weil er Bier auf die Festung brachte.769 Schuster offenbarte, er besitze drei Pseudonyme und habe sich mit Holtzbrincks Neffen in Warschau „verblümt geschrieben“, demnach per Geheimsprache verständigt, die statt der Namen Berufsbezeichnungen (Binder, Barbier, Biedermann, Fischer etc.) verwendete.770 Insgesamt habe er aber nur fünf bis sechs Briefe über Kannegießer erhalten. Es wurden doppelte Sendungen, dreifache Adressenwechsel – wahrscheinlich Briefstafetten – eine Chiffre und auch geheime Tinte angewandt, weil man wusste, dass 762 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3234/5, Chiffre für „Grand general de la Couronne 1717“, unfol.; Loc. 3233/2, unfol. 763 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3234/5, Chiffre für “le Chanceliers de la Couronne“, unfol.; Loc. 3233/6, unfol. 764 SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1390/3, Prozessbeginn, Aussage Andreas Schusters, 31. März und 3. April 1702, f. 10 f.; Loc. 1390/1, Verhaftungsbefehl, 21. März 1702, unfol. 765 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 7199/19, Bittbrief der Frau Kannegießer, 10. Juli 1702, f. 1; 11254 GD, Loc. 14516/19, Registratur, 6. Januar 1705, f. 33. 766 Vgl. ebd., Entlassung des Soldaten und des Sekretärs Andreas Schuster, 22. November 1704, f. 21b. 767 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1390/3, Aussage des Musektiers Kannegießer, 30. März 1702, unfol. 768 Vgl. ebd., Protokoll, 29. März 1702, unfol. 769 Vgl. ebd., Aussage Andreas Schusters, 8. April 1702, f. 60. 770 Ebd., Aussage Schusters, 3. April 1702, f. 11.

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die Briefe aufgefangen werden würden. Zudem ist eine gemeinsame Chiffre der beiden Holtzbrincks mit Beichlingen und Postverwalter Opitz überliefert.771 Bei der Kommission verstärkte sich der Verdacht, dass Holtzbrinck, Kannegießer und Schuster zu dritt gefährliche Korrespondenzen nach Polen unterhielten. Schuster beteuerte, er habe nur von Holtzbrincks Vater in Altona den Auftrag erhalten, die Freilassung des Generakronpostmeisters beim Statthalter Fürst von Fürstenberg zu befördern. Auch solle die nach Holtzbrincks Verhaftung auf Robert Low übergegangene Pacht der Warschauer Post wieder auf Holtzbrincks Neffen rückübertragen werden.772 Es waren mithin familiäre Angelegenheiten, die in der geheimen Kommunikation verhandelt wurden. Die Kommission benötigte aber etliche Jahre, um den Inhaftierten Glauben zu schenken. Die Gräfin Cosel, die sich sehr für die Häftlinge im Fall Beichlingen einsetzte, war auch hier wieder mit ihrer Fürsprache erfolgreich. 1707 wurde Holtzbrinck entlassen und 1713 rehabilitiert. Er kehrte in seine Ämter als Geheimer Kriegsrat und Generalkronpostmeister zurück und wurde der persönliche Bote zwischen dem Alchemisten Johann Friedrich Böttger und dem König, um die ersten gebrannten Gefäße aus Porzellan zu August II. zu bringen.773 Vor Böttgers Tod ließ er sich auf königlichen Befehl in das Arkanum einweihen und wurde für einige Jahre Inspektor der Porzellanmanufaktur. Sein Neffe übernahm die Erbschaft und nannte sich entsprechend einer Erbbedingung Georg Wilhelm von Lent genannt Holtzbrinck.774 Der Große Nordische Krieg in den Jahren 1700–1706 und der Fall Patkul Sachsen geriet durch die polnische Königskrone in Konfliktfelder, die es sonst in wesentlich geringerem Maße berührt hätte. Im Streit zwischen Bourbonen und Habsburgern entschied sich August  II. zunächst für Frankreich, um sich vom Kaiser zu emanzipieren und eine Expansion Sachsens zu erreichen. Noch bevor das Bündnis ausgehandelt war, kamen die Gespräche aber ins Stocken, da Frankreich traditionell mit Schweden im Bund stand, den Gegnern Augusts II. im Nordischen Krieg. So wechselte er angesichts der heranrückenden Schweden im Herbst 1701 zum Kaiser. In Eile vereinbarten beide Seiten ihre gegenseitige Hilfe und wollten durch die Grafen Wackerbarth und Alemann in Ruhe die Vertragspunkte ausarbeiten lassen.775 Das Herzogtum Sachsen-Gotha hingegen hatte ein geheimes Bündnis mit Frankreich geschlossen, das der Kaiser erst im März 1702 „enthüllte“.776

771 772 773 774 775 776

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1390/3, unfol. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1390/3, Aussage Schusters, 3. April 1702, f. 11. Vgl. Setzler, Rombach 1979, S. 41. Vgl. ebd., S. 47. Vgl. Taube 1988, S. 60. Ebd., S. 65.

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Zum Mächtesystem kam auf europäischer Ebene ein weiterer Faktor hinzu, denn Russland handelte seit Beginn des Jahres 1699 mit den Osmanen nach fünfzehnjährigem Krieg den Frieden von Karlowitz aus. Im August 1700 wurde der Vertrag mit der Pforte unterzeichnet. So verfügte der Zar über freie Ressourcen, um gegen Schweden einen russischen Ostseezugang zu erkämpfen. In einem Soziogramm lässt sich die Konfliktlinie zwischen den einzelnen Herrschern darstellen (Grafik 21). Dabei sind die konfrontativen Beziehungen schwarz und die kooperativen Beziehungen blau gefärbt. Deutlich sind Antagonisten und Fronten sichtbar. Bereits 1698 hatte Zar Peter I. den polnischen König für diesen Krieg gewinnen können. Auf Betreiben Flemmings traf im August der polnische König in Grodno mit dem livländischen Adeligen Johann Reinhold Patkul zusammen, der infolge der Agrarreformen Karls XII. emigriert war. Sein Hass gegenüber Schweden resultierte aus erlittenem Unrecht und Enteignung seiner Güter, die ihm von Königin Christine einst gegeben, aber von Karl  XII. wieder abgenommen worden waren. Mehrfach hatte er beim schwedischen König mit markigen Reden Einspruch erhoben und war schließlich dafür als Vaterlandsverräter zu einer Leibesstrafe verurteilt worden, konnte jedoch noch rechtzeitig fliehen. Er hielt sich länger in Moskau auf und trieb die polnisch-russische Allianz von 1697 voran. Als russischer Gesandter nach Polen gekommen, wurde er durch einen Projektentwurf zur Eroberung Livlands für den polnischen König August II. interessant, so dass dieser ihn 1700 zum Berater erkor.777

Grafik 21: Soziogramm bei Ausbruch des Großen Nordischen Krieges 777 Vgl. Weber 2008a, S. 156.

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Patkul war ihm bei der Kriegsplanung behilflich, lieferte die Festungspläne von Riga und versprach, anbey einen grossen Anhang malcontenter Gemüther zusammen zu bringen [.], sobald fremde Troupen in diese Provinz würden eingerücket sein.778

Mit solchen Versprechungen im Munde stieg er die Karriereleiter beim sächsisch-polnischen Militär rasch hinauf: vom Obristleutnant bis zum Generalmajor. Mit dem dänischen Großkanzler Reventlow durfte Patkul sich chiffriert offenbar an den Ministern vorbei austauschen, denn anders lässt sich die separat in Magdeburg überlieferte chiffrierte Korrespondenz nicht erklären.779 Er bemühte sich um die Heirat mit einer reichen sächsischen Dame und genoß viele Wohltaten. Gemäß Augusts politischen Zielen engagierte er sich für ein Militärbündnis mit Dänemark. Die Aufteilung der Ostseegebiete sah vor, dass Dänemark die Territorien des Herzogs von Holstein-Gottorp annektierte, der mit einer Schwester Karls XII. verheiratet war, Polen sich um Livland und Estland vergrößerte und Russland mit Ingermanland und Karelien den gewünschten Ostseezugang erhielt. Um Livland einnehmen zu können, ließ August  II. zunächst den Grafen von Flemming, der sich bei der Erringung der polnischen Krone hervorgetan hatte, zur Beobachtung des Gegners nach Riga reisen. Zugleich führte Flemming einen geheimen  Briefwechsel mit dem preußischen Staatsminister Heinrich Rüdiger Baron von Ilgen.780 Beide Seiten verhandelten eigenhändig, en chiffre und anonym den Truppentransfer von Polen nach Holstein oder Schweden über preußisches Gebiet. Ilgen notierte: Gleich als wen deshalb nichts unter uns verglichen wehre und wird sehr gut seyn unsere lande bey dieser occasion so gelinde fals immer muglichzu tractiren […] und dass bey diesem durchzuge unserere bources geschonet werden.781

Ein sächsisch-polnischer Gesandter wurde nach Berlin beordert, der verhandeln sollte, „eben als wan deshalb noch gar nichts zwischen uns verabredet wehre“.782 Als Zugeständnis für die Erlaubnis des Durchmarsches sollte die Republik dem preußischen König zur Erlangung der königlichen Würde verhelfen.783 Die von Ilgen chiffrierten Passagen wurden interlinear aufgelöst, so dass sichtbar wird, dass der Staatsminister für die Verschlüsselung die deutsche Sprache wählte. Die eingerückten unverfänglichen französischen Worte hätten einen eventuellen Interzepten in die Irre geführt, da er nach einem französischsprachigen Klartext gesucht hätte. 778 779 780 781 782 783

Fassmann 1720, S. 475. Vgl. LHASA, MD, H 82, Nr. 1154. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 691/6. Ebd., Ilgen an Flemming, 27. Januar und 6. Februar 1700, unfol. Ebd., Ilgen an Flemming, 9. Februar 1700, unfol. Vgl. ebd.

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Namen wurden nicht genannt, denn man grüßte sich mit „Monsieur“. Ilgen chiffrierte den Abschlussgruß oder kürzte den Namen schlicht ab. Ebenso chiffriert wurde auch die Ortsangabe, die im Klartext „Ber“ sich als Berlin las. Flemming ließ seinen Ort und Namen komplett weg. Als der Kriegszug begonnen hatte und nicht mehr die höchste Geheimhaltung erforderlich war, ging der Einsatz der Chiffre ab Sommer 1700 deutlich zurück und hörte schließlich ganz auf. Ilgen unterschrieb ab August die Briefe mit Ortsangabe und Namenszug. Das ganze Jahr über tauschten sich beide umfassend in fast 30 Briefen über die Feldzüge aus, wobei sich den äußeren Merkmalen nach die Geheimkorrespondenz zu einer offiziellen Kommunikation wandelte, die einen ebenso klar ersichtlichen Absender wie Adressaten besaß. Auch in den Folgejahren ist eine regelmäßige, vertraute Korrespondenz beider zu beobachten – der Briefkontakt ist bis Ende 1727 überliefert, kurz vor Flemmings Tod. Graf Flemming in seiner Position war zweifellos für Preußen der wichtigste Informant für die sächsisch-polnischen Kriegsziele  und Truppenbewegungen. Der Geheimrat hatte den Krieg von Beginn  an  durchgeplant, nicht der schon ältere Generalfeldmarschall Baron Adam von Steinau. Für den Einfall sollte der nach Moskau reisende Gesandte von Carlowitz einige verdeckte Wagen als Bagage zur Täuschung nach Riga führen. Da jedoch diese Kriegslist verraten wurde und Schweden Verdacht schöpfte, sei Flemming im Februar 1700 zum Einrücken in Livland gezwungen gewesen. In einer Publikation schrieb Flemming, schuld seien die Aktivitäten der Schweden, die nicht nur defensiver Natur gewesen seien, sondern Vorbereitungen auf einen Angriff. So hätte er Kundschaft erhalten, dass die Schweden auch Spione in die polnischen Quartiere geschickt und Landvolk ausgehoben hätten.784 Da Russland und Polen „sothanen Dessein in der Zeit zuvor kommen“ mussten, sei er bis zur Duna vorgerückt.785 Es folgte das Nachrücken der Regimenter und der Angriff auf Riga am Morgen des 24. Februar. Die von Flemming ausgestreuten Patente, in denen er die schwedischen Kriegsvorbereitungen nannte, nahmen die Schweden mit „höchster Befremdung“ auf, die jegliche Schuld von sich wiesen und alles als Schutzmaßnahmen verstanden wissen wollten.786 Diese öffentliche Diskussion der Kriegsschuldfrage begann parallel zu den ersten Schusswechseln. In den folgenden Wochen verlagerte sich der Streitpunkt auf die Frage, ob man die Vorstädte hätte anzünden müssen. Mit dem übereilten und unabgestimmten787 Überfall auf Litauen löste Sachsen 1700 den Großen Nordischen Krieg aus. August II. versäumte nicht, Vorkehrungen für den Schutz Sachsens zu treffen. Er erließ strenge Regelungen zur Sicherung der Landesgrenzen. Diese Bestimmungen wurden jedoch, wie Arno Günther feststellte, 784 785 786 787

Vgl. Ranfft 1731, S. 22. Ebd., S. 23. Ebd., S. 24. So die Beurteilung bei Weber 2008, S. 154.

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nur nachlässig umgesetzt und die Grenzorte nur oberflächlich kontrolliert, so dass jeder ungehindert die Grenzen passieren konnte.788 Somit verkehrten wie in jedem Krieg bald Spione in Sachsen. Einreisende Schweden tarnten sich durch Pässe, die auf die Kurbäder Teplitz und Karlsbad ausgestellt waren.789 Die Maßnahmen Augusts II. griffen nicht und konnten von den sächsischen Beamten umso leichter ignoriert werden als der König sich häufig außer Landes befand. Karl XII. konnte die Dänen rasch überwältigen und am 18. August 1700 zu einem Friedensschluss zwingen. Der sächsisch-russisch-dänischen Allianz war eine wichtige Säule verloren gegangen. Die Vereinbarung, dass Russland nach einer Verständigung mit den Osmanen, spätestens jedoch im April, Schweden angreifen sollte, konnte russischerseits gleichfalls nicht gehalten werden, denn die Verhandlungen mit der Pforte zogen sich hin. Als Peter I. am 19. August Schweden den Krieg erklärte, tat er das in Unkenntnis der Tatsache, dass Dänemark aus der Allianz ausgeschieden war, und hätte mit diesem Wissen möglicherweise gar nicht erst angegriffen.790 Karl  XII. gelang die Zurückdrängung der russischen Armee, ließ aber die Chance aus, den Zaren zu einem Frieden zu zwingen. Stattdessen wandte er sich gegen August II., um ihm den polnischen Thron zu entreißen. Während Peter I. Zeit benötigte, sein Heer zu reorganisieren, sah August II., dass er ohne starken Verbündeten im Feld stand. Beide Herrscher boten in dieser Situation, ohne es voneinander zu wissen, dem schwedischen König einen Separatfrieden an. Karl XII. war jedoch keineswegs kriegsmüde, schlug diese Angebote aus und eroberte im Handstreich Kurland, Warschau und Krakau. Ein erneutes Friedensangebot Augusts II., das dem Zweck diente, gegen territoriale Abtretungen wenigstens die Krone zu retten, wurde abermals abgelehnt. Der sächsisch-polnische Herrscher war so schwer in seiner Macht erschüttert, dass sich zeitnah seine Gegner regten und aus ihren Verstecken kamen, sich allerdings gewissermaßen nur maskiert zeigten. Traditionell führte Sachsen-Gotha gute Beziehungen mit Schweden und unterhielt 1698 eine geheime Kommunikation mit Karl XII., was August II. in dieser Dimension nicht bewusst war.791 Denn noch 1711 bemühte sich Herzog Friedrich  II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, keinen Verdacht durch die Vertraulichkeiten zu erregen.792 Die Kommunikation mit Schweden lief über den schwedischen Gesandten in Berlin und den dort agierenden Hofrat Gustav Bartsch.793 Im Herbst 1712 wollte sich der inkognito 788 Vgl. Günther 1903, S. 16 f. 789 Vgl. ebd., S. 17. 790 Der niederländische Gesandte Wolf Abraham von Gersdorff an August II., 3. September 1700: „Wenn diese Neuigkeit vierzehn Tage früher eingetroffen wäre, so zweifle ich sehr, ob S. Czarische Majestät sich mit ihrer Armee in Marsch gesetzt oder S. Majestät dem König von Schweden den Krieg erklärt hätte.“, zit. in: Piltz, Georg: August der Starke, Berlin 1986, S. 92 f. 791 Vgl. ThStAG, GA, C III, Nr. 4. 792 Vgl. ThStAG, GA, C IX, Nr. 1, Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg an Karl XII. von Schweden, 14. September 1711, unfol. 793 Vgl. ThStAG, GA, C IX, Nr. 3.

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reisende schwedische König mit Friedrich II. in der thüringischen Provinz treffen.794 Bartsch zweifelte zunächst an der Echtheit der Mitteilung: Nun pflegen die Hrn Gesandten bisweilen, wann es zu ihrem Principalen Interesse dienen kann, was zu fingiren.795

Allerdings überzeugte ihn schließlich die Unterschrift Karls XII. und die Vorbereitung des geheimen Treffens lief an. Die Begegnung scheiterte jedoch, da der Herzog wegen des sich ankündigenden Kaisers zurückreisen musste. Als sich 1702 trotz aller Geheimhaltung herausstellte, dass er mit Frankreich paktierte, suchte der polnische König bei den Seemächten Bündnispartner und Friedensverhandlungen.796 Im gleichen Jahr vernahm der König noch ein beunruhigendes Gerücht durch einen chiffrierten Brief des sächsischen Gesandten in Regensburg: Ew. Königl. Mt. habe ich tiefster Unterthänigkeit zu berichten auch nicht Umbgang nehmen können, wasgestalten der Schwed. Brehmische Abgesandte sich gegen ein gewiße und glaubwürdige Person sole haben verlauten laßen: wie er die sichere Nachricht von ihrem Ministro Palmquist aus Pariß hätte, wasgestalten der vor einiger Zeit an den Französ. Hof Fürstl. Sachsen Gothaischen Abgeschickte unter andern an- und inproposition gebracht, daß Frankreich, durch assistenz Schweden, die Chur Sachßen von der Albertinischen Linie auf die Ernestinische und zwar auf Sachßen-Gotha, bringen möchte, welches vorgeben, wann man die ietzigen Conjuncturen, und die sich hin und wieder hervorthuene Schwed. heimliche Consilia etwas genauer erweget, nicht ganz ohne Grund zu seyn scheint, zumahln, wenn man die langen Anwesenheit des Gothaischen Prinzen Herzog Johann Wilhelm bey dem Könige in Schweden zugleich in Cosideration ziehet. Wenigstens habe ich meine Pflicht und allerunterthänigsten Obligenheit zu seyn machtet, von dem, was sich dahin deshalben geäusert, zu Ew. Königl. Mt. höchsterlauchteten Erwägung allergehorsambsten Bericht zu erstatten.797

Auf verschlungenen Wegen erreichte dieses Gerücht demnach den polnischen König. Leider endet die Akte gleich nach dieser Meldung, so dass keine weiteren Maßnahmen aktenkundig sind. Aber inwiefern ist dieser Neuigkeit überhaupt Glauben zu schenken? War es ein völlig abwegiges Gerücht oder hatte der König guten Grund zur Sorge? Jenes Gerücht entstand möglicherweise im Zusammenhang mit der Niederlage des polnisch-sächsischen Heeres bei Klissow. Bei diesem Gefecht um einen Nebenfluss der Weichsel erbeuteten die Schweden nicht nur die sächsische Kriegskasse und die Bagage des Königs, sondern konnten auch König August II. von Polen aus Krakau vertreiben,

794 795 796 797

Vgl. ebd., Brief von Bartsch an Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, 11. November 1712, unfol. Ebd., Brief von Bartsch an Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, 4. Oktober 1712, unfol. Vgl. Taube 1988, S. 65 ff. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8572/11, Frankreich möchte die Chur Sachsen von der Albertinischen auf die Ernestinische Linie und zwar auf Sachsen Gotha bringen, 28. August 1702, f. 964.

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so dass dieser sich nach Sandomierz zurückziehen musste. Eine so entscheidende Schwächung des polnisch-sächsischen Herrschers im Osten kam Frankreich gelegen, das um seine Vorherrschaft in Europa kämpfte. Da Herzog Friedrich II. von SachsenGotha-Altenburg seine Truppen dem französischen König Ludwig XIV. vermietet hatte, war ein solches Abkommen nicht völlig abwegig. Am 31. August erhielt Gotha durch die „geschwinde Post […] allerhand herrschaftlicher Briefe“, was einigermaßen auffällig ist, da das Gothaer Herzogshaus in jenen Wochen vorwiegend seine Briefschaften über die Schmalkaldener Post abwickelte, wohin regelmäßig Boten abgefertigt wurden, um die Briefe dort für die weitere Reise nach Nürnberg, Regensburg oder andere entfernte Orte aufzugeben.798 Die ernestinischen Fürsten suchten seit dem Verlust der Kurwürde 1547 Mittel und Wege, diese zurückzuerlangen. Daraus resultierte eine harte Konkurrenz beider Hauptlinien wie auch der ernestinischen Linien untereinander. Bereits 1696 hatte der Herzog von Sachsen-Weißenfels über Rückeroberungspläne der Ernestiner berichtet. Eine Hamburger Zeitung habe davon „in die Welt zu schreiben angefangen“, heißt es in der vertraulichen Mitteilung, die sowohl an den sächsischen als auch an den brandenburgischen Kurfürsten gegangen war.799 Insofern konnte die Meldung Wertherns durchaus beim König Sorge wecken, auch wenn Sachsen-Polen mit Russland und Dänemark zwei starke Partner an seiner Seite wusste. Dennoch bleibt Wertherns Zeugnis schwach, da er nur indirekte Zeugen vorweisen kann, seinen Informanten anonym lässt und zum Schluss die Bedeutung der Nachricht mit der Bemerkung herabstuft, dass er nur pflichtgemäß davon berichte. Wahrscheinlich hielt es August II. nicht für notwendig, hier weitere Schritte zu unternehmen, da sonst ein weiterer chiffrierter Briefwechsel zu dem Gerücht überliefert worden wäre. Allerdings kam 1748 das erwähnte französische Projekt erneut zur Sprache, nur dass diesmal der junge Herzog von Sachsen-Weimar Chef des Hauses Wettin werden sollte.800 Sachsen war gewissermaßen ein Spielball innerhalb des bourbonisch-habsburgischen Gegensatzes. Durch den 1699 mit den Osmanen geschlossenen Frieden hatte König August II. die Kosaken verärgert. Im Jahr 1702 regte sich in der Ukraine Widerstand, und der PalejAufstand brach aus. Einige Anhänger Augusts II. meinten, Schweden habe diese Revolte angezettelt, um vom Nordischen Krieg abzulenken.801 In Polen war man hingegen der Meinung, August II. sei „heimlicher Inspirator“, da zuvor eine anonyme Schrift über sein absolutistisches Bestreben in Polen erschienen war.802 Fakt ist aber, dass August II. selbst keine Kontakte zu den Kosaken unterhielt, sondern nur die gegen ihn arbeitende 798 ThStAG, Kammerrechnungen 1701/02, Nr. 64, f. 445. 799 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 3278, Brief des Herzogs Johann Adolfs I. von Sachsen-Weißenfels, 20. Juni 1696. 800 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2728/12, f. 36. 801 Vgl. Janczak 1962, S. 126. 802 Vgl. ebd., S. 128.

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profranzösische Partei.803 Eine polnische Armee schlug schließlich die Aufständischen 1703 mit Unterstützung des Zaren. In dieser schwierigen Situation publizierte der sächsische Kammerherr Johann Friedrich von Wolfframsdorff anonym seine Aufsehen erregende Schrift „Portrait de la cour de Pologne“. Sie enthielt Schmähungen und Injurien, die ihren Verfasser schnell verrieten und ihm eine jahrelange Haft auf den Festungen Stolpen und Sonnenstein verschafften.804 Wolfframsdorff ging seiner Güter verlustig und starb durch haftbedingte Krankheit wenig später in Dresden. Einige kleine Sympathiepunkte beim König, die eine noch härtere Strafe verhindern konnten, hatte er bekommen, da er in seiner Schrift politische Ansichten äußerte, die auf Kurs Augusts II. lagen: Erhebung Polens zum Erbkönigreich, Neutralität zwischen Frankreich und Österreich sowie Freundschaft mit Dänemark und Schweden gegen Preußen und Hannover. Augusts engster Berater Patkul hingegen widersprach diesen Wolframmsdorff ’schen Plänen und ließ es so aussehen, als ob August II. ringsum ohne Hilfe sei außer dem russischen Bündnispartner.805 War er anfangs wegen seines tiefen Hasses gegen die Schweden dem sächsisch-polnischen Hof für den Nordischen Krieg nützlich, so stand er mit seiner Fundamentalopposition nun den Friedensbemühungen im Wege. Während der sächsische Kurfürst und polnische König 1704 einen Separatfrieden mit Schweden zu schließen bemüht war, arbeitete Patkul mit seiner antischwedischen Haltung dieser Politik entgegen und wurde deshalb 1705 auf dem Sonnenstein inhaftiert. Ausgangspunkt war eine von Patkul gesponnene Intrige gewesen. Da ihm Fürst Egon von Fürstenberg ebensowenig getraut hatte wie andere Minister, war er auf den Gedanken verfallen, sie durch gewagte politische Manöver zu „touchieren“.806 Er versuchte es so aussehen zu lassen, als ob sie einen Zwist zwischen August II. und dem Zaren stiften wollten, indem sie russische Truppenteile in Sachsen an die Habsburger zu überlassen trachteten. Die Minister erkannten die Intrige und forcierten seinen Sturz. Da der sächsische Generalleutnant aus Livland sich nicht an die geänderte Kriegszielpolitik anpasste, fiel er in Ungnade. Jedoch basierte sein Verhalten auch auf einem intimen Einvernehmen mit dem preußischen Gesandten in Dresden, Marschall von Bieberstein. Dieser hatte auf Befehl aus Berlin Patkul überredet, das gespannte Verhältnis zwischen Russland und Sachsen aufrechtzuerhalten, um den Großen Nordischen Krieg zu Preußens Gunsten zu beeinflussen.807 Patkul, der sich vom Zar nicht genug gewürdigt fand, war eben nicht nur aus eigenem Antrieb aktiv, sondern „bald mehr 803 Vgl. ebd., S. 125. 804 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9710/37. 805 „mit Virtuosität verstopfte er alle Hilfsquellen um August herum, um mit desto größerer Sicherheit und Kraft auf die allein noch übrig bleibende hinzuweisen, auf das Reich seines Herrn, des Zaren, dasselbe Land, das Wolfframsdorff in seinen Betrachtungen völlig übergangen hatte.“ Günther 1903, S. 15. 806 Fassmann 1720, S. 479. 807 Vgl. Backman 1941, S. 167.

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Preußens als des Zaren geschworener Anhänger“.808 Stig Backman konstatierte ganz richtig: Patkuls Korrespondenz ist so voll von Widersprüchen, daß man bei ihrem Studium in einem Labyrinth zu sein glaubt.809

Er spielte mit dem Feuer. August II. nahm dessen strikt antischwedische Gesinnung zum Vorwand der Ungnade. Als Patkul die in Kursachsen stehenden russischen Truppen dem Kaiser für den Rheinfeldzug zur Verfügung stellen und sie so Sachsen entziehen wollte, war der Sturz des Beraters nicht mehr aufzuhalten.810 Er wurde arretiert, als er von einem Schäferstündchen mit seiner Verlobten in seine Wohnung zurückkam.811 Die sächsische Zensurbehörde, das Geheime Konsilium, hatte den Druck seiner Selbstverteidigungsschrift 1701 noch gestattet, aber die 1705 verfasste „Politische Offenbarung“ über Missstände in Kursachsen, die man in seinen Hinterlassenschaften fand, und eine Apologie, die in Europa kursierte, belasteten ihn sehr.812 Er wurde beschuldigt, heimliche Kommunikation zu pflegen und Sachsen allerorten als Hort der Korruption, des Betruges und der Verleumdung bloßzustellen. Für August II. war er nun untragbar. Patkul wurde von der Festung Sonnenstein auf die Festung Königstein verlegt. Damit war zugleich sein Kontakt zu dem ebenfalls in Pirna inhaftierten Romanus unterbunden. Russland war über die Gefangennahme seines Gesandten Patkul empört und hielt seine Truppen zunächst von denen Augusts  II. getrennt.813 In dieser Zeit wurde 1706 der moskowitische Spion Michael Raack entdeckt. Er sagte aus, er sei vom Zaren ausgeschickt, „das schwedische Dessein zu recognosciren“ und habe dafür einen schwedischen Pass.814 Die Aussage erschien aber unglaubwürdig. Im weiteren Verlauf wurde Raack in Dresden, wie er beklagte, mit der „grösten Kärkerung tractiret“ und bekannte, er sei ein schwedischer Spion und er wollte die moskowitische Flotte in Brand stecken.815 Eine Reaktion des Zaren ist im Dresdner Archiv nicht überliefert, aber die Entlarvung hat offenbar die Stimmung nicht wesentlich heben können. Die Lage geriet für Sachsen-Polen immer ungünstiger. Der sächsische Resident in Hamburg meldete das Gerücht, der Zar stünde mit Frankreich in Kontakt und plane eine Invasion in das Kurfürstentum.816 Bei der nächstmöglichen Gelegenheit musste sich der polnische König dieser Affäre entledigen. Nach dem schwedischen Einmarsch in Sachsen lieferte August  II. Patkul mit dem Altranstädter Frieden im Mai 1707 in 808 Ebd. 809 Ebd. 810 Vgl. Erdmann, Yella: Patkuls Sturz. Untersuchungen über sein sog. Doppelspiel und seinen Fluchtversuch vom Königstein, in: Zeitschrift für Ostforschung 9 (1960), H. 4, S. 493–513. 811 Vgl. Fassmann 1720, S. 480. 812 Vgl. Kobuch 1988, S. 184 ff. 813 Vgl. Günther 1903, S. 58. 814 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9693/4, Protokoll, 3. August 1706, unfol. 815 Ebd., Protkoll, 16. Dezember 1706, unfol. 816 Vgl. Günther 1903, S. 58.

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Reinhardsgrimma dem Schwedenkönig aus. Karl  XII. statuierte an ihm als Verräter ein Exempel und ließ ihn vierteilen und rädern.817 Zur Begründung hieß es, er habe verschiedene Mächte gegen Schweden aufgehetzt und versucht, in ganz Livland einen Generalaufstand auszulösen und sei mithin der Urheber dieses Krieges.818 Bei August II. verstärkte sich das Gefühl, von Gegnern umzingelt zu sein. Bereits seit Anfang des Krieges behielt er verschiedene Regionen im Auge, die ihm gefährlich erschienen. August II. versandte 1701 einen Legationssekretär, Gottfried Ebersbach, „an gewisse Orthe“ nach Hamburg.819 Ein anderer, im selben Jahr abgesandter Legationssekretär, Henning Siegmund Wolters, sollte Preußen beobachten. Beide erhielten monatlich 70 Reichstaler und damit doppelt soviel wie der Regensburger Agent Christian Frenzel. Ihnen kam also eine Sonderposition zu. Eindeutige Spionagetätigkeit lässt sich für beide aber nicht nachweisen. Der Geheime Rat in Sachsen stand der Polenpolitik Augusts II. ohnehin äußerst ablehnend gegenüber und wollte nun umsomehr die Königskrone opfern. Die Geheimen Räte fühlten sich von August II. getäuscht, da er Truppen nach Polen abfertigte, sein Land entblößte und Karl XII. damit provozierte.820 Sie verweigerten dem Grafen von Schulenburg, der die Verteidigung der Elblinie zu organisieren hatte, ab April ihre Hilfe. In Polen begann die profranzösische Partei mit Karl  XII. eine heimliche Korrespondenz  – angeblich sollen dabei Intrigen der eifersüchtigen Adelsfamilie Oginsky gegen Flemmings neues Amt des Großstallmeisters in Litauen eine Rolle gespielt haben.821 Der Geheime Referendar von Pfingsten war Wortführer dieser Gruppe und schlug im August 1706 dem König den Verzicht auf die polnische Krone vor.822 Seine zentrale Position und aktive Patronage kommt in dem umfangreichen Konvolut der an ihn ergangenen Briefe zum Ausdruck.823 Im Jahr 1705 äußerte er sich gegen mehrere Hofbeamte, namentlich Obrist Rochau, Akzisrat Spiegel, Leibbarbier Weimar und Oberparforcejäger Ziegel, „unflätig“ wegen der Generalakzise und der „hundsföttischen Verfassung“.824 Zur Vorladung erschien er nicht, so dass er in Abwesenheit eine Verwarnung erhielt. Inzwischen wurde die polnische Armee aus Livland auf polnisches Territorium zurückgedrängt. Der von August II. erwartete Aufstand der baltischen Ritter fand nicht statt, und sowohl der polnische Reichstag als auch die litauische Armee zeigten große Zurückhaltung. Wien, London und Den Haag bemühten sich um einen Friedensschluss, konnten aber August II. nicht zu einem Separatfrieden mit Schweden bringen. 817 818 819 820 821 822 823 824

Vgl. Fassmann 1720, S. 490. Vgl. ebd., S. 468. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10472/8, f. 100–123. Vgl. Günther 1903, S. 64. Vgl. Ranfft 1731, S. 29. Vgl. Günther 1906, S. 313. Vgl. SächHStAD, 10026 GK, Loc. 973/3. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9682/4, Aussage Jacob Heinrich Weimars, f. 8.

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Gegenüber Russland und Polen wandte Schweden militärisch schwer zu kalkulierende Methoden an. Bei Klissow eroberte Karl XII. die sächsische Bagage, die Kriegskanzlei und die Artillerie.825 Als sich abzeichnete, dass der Wettiner seine Position verlieren würde, rief ein Teil des polnischen Adels das Interregnum in Polen-Litauen aus. Der Wojewod von Posen, Stansislaus Leszczyński, wurde 1704 von der Konföderation von Warschau zum König von Polen erklärt. Die Anhängerschaft von August II. formierte sich in der Konföderation von Sandomir, was den Ausbruch des polnischen Bürgerkrieges nach sich zog. Als Gerüchte des schwedischen Vormarschs gegen die sächsische Grenze laut wurden, ließ der Geheime Rat in aller Stille in Görlitz und der Lausitz Nachrichten über die Bewegungen und Absichten des Feindes einholen.826 Somit war Sachsen zwar schlecht vorbereitet, aber in Besitz wichtiger Mitteilungen. Man konnte durch Interzeption nicht nur die feindliche Marschroute durch Sachsen abfangen, sondern auch den Nachweis erbringen, dass sich schwedische Offiziere längst ungehindert in Sachsen hatten umschauen können und ihrem König reiche Kundschaft von den besten Quartieren geliefert hatten.827 Die nun überhastet getroffenen Verteidigungsmaßnahmen kamen jedoch zu spät und konnten den erlittenen Zeitverlust nicht mehr ausgleichen. Auch Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz ließ in fieberhafter Eile seine Akten, Steuerregister und Wertgegenstände in Sicherheit bringen – bald nach Hof, bald nach Eger, bald nach Saalfeld und bald in die festen Gewölbe unter den Städten.828 Auf das Hilfsersuchen des Herzogs von Sachsen-Weißenfels schlug der Geheime Rat diesem vor, er möge bei Herannahen des Feindes sein Land verlassen.829 Viele Sachsen flohen über die preußische Grenze, und der Geheime Rat konnte mit beruhigenden Bekanntmachungen kaum die Panik eindämmen. In Wien mochte dagegen der Statthalter Fürst Egon von Fürstenberg die Nachrichten von der bevorstehenden schwedischen Invasion zunächst kaum glauben. Dennoch überschritten die Schweden mit voller Heereskraft Anfang September die sächsische Grenze. Es folgten mehrere Niederlagen und die schwedische Besetzung Dresdens. Der Wettiner musste im Frieden mit Schweden am 24. September 1706 nicht nur auf die polnische Krone verzichten, sondern auch seine Allianz mit Russland lösen und alle Gefangenen und Überläufer – namentlich Patkul – ausliefern.830 Dass der schwedische König mit ergriffenen Verrätern kein Erbarmen kannte, wird auch durch einen anderen Fall belegt: Gustav Lillbäck war 1715 von Russland gefangen genommen worden und ließ sich unter dem neuen Namen „Vasili“ von Russland zum Kundschaften und Foltern an der Front einsetzen. Nach 825 826 827 828 829 830

Vgl. Ranfft 1731, S. 32. Vgl. Günther 1903, S. 73; SächsHStAD, 11254 GD, Nr. 1. Vgl. Günther 1903, S. 88. Vgl. ebd., S. 87. Vgl. ebd. Vgl. Rober I. Frost: The Northern Wars. War, State and Society in Northeastern Europe 1558–1721. Longman, Harlow (Essex) u. a. 2000, S. 230.

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zwei Jahren lief er wieder zu den Schweden über, die ihn als Verräter enttarnten, verurteilten und hinrichteten.831 Die Anklage gegen von Pfingsten, Imhoff und Eckhart Wegen der angeblich eigenmächtigen Unterzeichnung des Altranstädter Friedensvertrages wurden am 10. Mai 1707 der Kammerpräsident von Imhoff und der Geheime Referendar von Pfingsten verhaftet.832 Angeblich wollte König August  II. mit dieser Maßnahme auch den Zaren gnädig stimmen, der über die Auslieferung Patkuls am 8. April erzürnt war.833 In den Untersuchungsakten spielte Patkul aber eine sehr untergeordnete Rolle, so dass dessen Fall höchstens den Zeitpunkt der Verhaftung beeinflusst hat, nicht aber Grund derselben war. Insgesamt ließ sich die Anklage auf vier Punkte reduzieren: Kollaboration, Verrat, Unterschlagung und Missbrauch. Die im September beginnenden Untersuchungen wurden äußerst gründlich gemacht und füllen annähernd 60 Aktenbände.834 Die Justizgeschichte dieses großen Falles harrt noch ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung, die hier nicht in Gänze geleistet werden kann. An dieser Stelle sollen aber noch einige Indizien geklärt werden, die bei der Beantwortung der Frage helfen sollen, ob die Verhafteten den König tatsächlich hintergangen haben oder als Bauernopfer Augusts II. zu betrachten sind. Beide Ansichten sind in der Forschung mit guten Argumenten vertreten worden.835 Es gibt sowohl Belege dafür, dass August II. die Unterhändler absichtlich im Unklaren gelassen habe, als auch dafür, dass von Pfingsten die Hauptschuld trifft. Hauptindiz für erstere Annahme ist, dass noch 831

Vilkuna, Kustaa H.: Djävulens krig. Förrädaren Gustav Lillbäck och stora nordiska kriget 1700–1721, Lund 2011. 832 Der 13. Mai wurde als dritter Tag nach der Arretierung erwähnt. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9682/5, Aussage Gottfried Dehne, 6. September 1707, f. 9. 833 Vgl. Danielson, Johann Richard: Zur Geschichte der sächsischen Politik 1706 bi 1709, Helsingfors 1878, S. 45. 834 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9681/5, Loc. 9682/5–10, Loc. 9683/1–9, Loc. 9684/1–5, Loc. 9685/1–5, Loc. 9686/1–5, Loc. 7200/4; 10026 GK, Loc. 972/7–9, Loc. 941/6, Loc. 976/4, Loc. 973/7–8, Loc. 1009/2, Loc. 30013/6; 11257 GKRK, Nr. 2212, Nr. 2266; 11354 GD, Loc. 14608/1–3, Loc. 14609/1–4, Loc. 14610/15. 835 Für die These, dass von Pfingsten und Imhoff eigenmächtig gehandelt haben vgl.  Friesen: Die Lage in Sachsen während der schwedischen Invasion und der Friede von Altranstädt (= Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens 15), Dresden 1901, S. 38 ff.; Vötsch, Jochen: Kursachsen zur Zeit der Altranstädter Konvention, in: Wolf, Jürgen Rainer (Red.): 1707–2007 Altranstädter Konvention. Ein Meilenstein religiöser Toleranz in Europa, Halle 2008, S. 9–20, 17. Für die Gegenthese, dass durch ihre Verhaftung der Frieden annuliert werden sollte, vgl. Flathe, Theodor: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen, Bd. 2, Gotha 1873, S. 337; Noorden, Carl von: Europäische Geschichte im 18. Jahrhundert, Bd. 2, Düsseldorf 1874, S. 537 f.; Erdmannsdörfer, Bernhard: Deutsche Geschichte vom westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Grossen (1648–1740), Bd. 2, Darmstadt 1893, S. 742; Carlson, Ernst: Om Carl XII.: s vistelse in Sachsen 1706/07, Stockholm 1877, S. 13 ff.; Danielson, Johan Richard: Zur Geschichte der sächsischen Politik 1706–1709, Helsingfors 1878, S. 9 f.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

keine von August II. persönlich unterzeichnete Urkunde des Friedensvertrages vom 24. September 1706 aufgetaucht ist und auch die Haupt- und Nebeninstruktion für von Pfingsten fehlen.836 Auch Wieland Held war zuletzt der Meinung, August II. habe durch die harte Strafe des Unterhändlers aller Welt beweisen wollen, dass ihm dieser Schmachfrieden aufgezwungen worden sei.837 Erwiesen ist jedoch, dass von Pfingsten und Imhoff die Verhandlungen einleiteten, um dem König einen Zeitgewinn zu verschaffen, der die Landesverteidigung und die Beziehungen zu Russland verbessern musste. Es war ihnen auch, wie Arno Günther rekonstruiert hat, gestattet, im Falle des Scheiterns der Verhandlungen nicht nur den bedingungslosen Verzicht der Krone anzubieten, sondern auch Waffengewalt gegen Karl XII. anzuwenden.838 Zunächst war jedoch ein Verzicht auf Polen nur bei Aufgabe der Besetzung Sachsens seitens der Schweden angedacht, und in diese Richtung sollten von Pfingsten und Imhoff die Verhandlungen beginnen. Sie erhielten eine vom Geheimen Rat auf einem Blankobogen verfasste Vollmacht. Dass von Pfingsten in der Unterredung mit dem Geheimen Rat am 2. September 1706 die Nebeninstruktion nicht vorgelegt oder vorgetragen hat, hält Arno Günther für einen folgenschweren Fehler und ein Versäumnis von Pfingstens, der sich dadurch in ein schiefes Licht rückte.839 Auch habe er am 8. September befürwortet, dass der Geheime Rat die Truppen abziehe, statt – wie die Nebeninstruktion vorsah – sie in Bereitschaft zu belassen. Er erbat sich für die Verhandlungen einen Begleiter, so dass ihm der Geheime Rat den Kammerpräsidenten Imhoff zur Seite stellte. Während August  II. mit den Verhandlungen Zeit gewinnen wollte, spielte auch Karl XII. auf Zeit und ließ die beiden Bevollmächtigten in Dresden auf ihre Pässe warten, damit er bei Verhandlungsbeginn besser Fuß in Sachsen gefasst habe.840 Als die Verhandlungen in Bischofswerda begannen, entsprachen die Verhältnisse nicht mehr den Instruktionen von Pfingstens. Die Schweden standen tief in Sachsen, das nicht mehr mit Waffengewalt drohen konnte und der Grundbedingung Schwedens nach der Preisgabe der Krone nichts entgegenzusetzen hatte.841 Von Pfingsten versäumte es jedoch, vor Beginn der Gespräche beim König um neue Anweisungen zu bitten. Stattdessen versuchten beide Bevollmächtigte, die Hauptbedingung Karls XII. zu mildern, indem sie eine Teilung Polens, Geld, die Anerkennung Stanislaus’ als Nachfolger Augusts II. und ein Bündnis gegen Russland anboten.842 Wegen der Hartnäckigkeit Schwedens mussten sie sich aber schließlich hineinfügen und sowohl die bedingungslose Abtretung der Krone als auch die Akzeptanz schwedischer Winterquartiere in Sachsen annehmen. 836 837 838 839 840 841 842

Vgl. Günther 1906, S. 314. Vgl. Held 1999, S. 234. Vgl. Günther 1906, S. 316. Vgl. ebd., S. 319. Vgl. Günther 1906, S. 321. Details über die Lasten der Besatzung vgl. Schwedische und sächsische Staats-Cantzley 1708. Vgl. Günther 1906, S. 325.

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Sie klagten, bei einem solch ehrenlosen Frieden hätte August II. es ebensogut auf einen Waffengang ankommen lassen können, wovon er wenigstens die Ehre behalten hätte.843 Eine solche Einsicht hätte, wie Günther richtig resümiert, bereits zu Verhandlungsbeginn am ersten Tag keimen müssen. Dass das Ergebnis komplett der Nebeninstruktion widersprach, brachte von Pfingsten und Imhoff zu Fall. Sie schlossen den Frieden, ohne sich der Zustimmung des Königs nochmals zu versichern. Somit konnte August  II. später klagen, der Friedensschluss sei unserer Intention keineswegs gemäß, auch wieder den mit ihnen genommenen Verlaß lauffe, un wir allso fälschlichen und böse von ihnen hintergangen worden.844

Von Pfingsten habe „die Instructionen des Königs und Churfürsten überschritten“, heißt es im Gefangenenverzeichnis der Festung Königstein.845. Die den beiden Unterhändlern mitgegebenen zwölf Blankobögen seien widerrechtlich für ein Diplom an Stansislaus Leszczyński eingesetzt worden, der Vertrag aber erst zu Weihnachten dem König bekannt geworden.846 Da August II. nicht gewusst habe, dass der Frieden bereits geschlossen sei, habe er zusammen mit Russland den Schweden noch am 29. Oktober die Schlacht von Kalisch geliefert. Von Pfingsten hatte an diesem Blutvergießen Mitschuld. Er sollte dem schwedischen Befehlshaber Mardefeld im Vorfeld der Schlacht die von August II. persönlich verfasste Bitte um einen Rückzug der schwedischen Truppen übergeben und stellte das Schreiben nicht persönlich, sondern über den Residenten in Breslau zu, so dass diese dringende Information zu spät eintraf.847 Während dieser unverzeihliche Fehler ihm tatsächlich anzulasten ist, gehen über einen zweiten Punkt die Meinungen auseinander. Demnach soll von Pfingsten dem König einen unzutreffenden und unzureichenden Bericht geliefert haben, wonach der Traktat noch nicht geschlossen sei. In der Tat waren auch die Ständevertreter erst über den Vertragstext von Altranstädt informiert worden, als er bereits „stadtkundig“ war.848 Allerdings hörte Mardefeld schon am 21. Oktober von dem Friedensschluss, dachte aber an eine Kriegslist.849 Tatsächlich jedoch hatten beide Seiten zunächst die Geheimhaltung des Vertrages vereinbart, wie von Pfingsten in seinem Verhör selbst zugesteht.850 August II. fürchtete einen polnischen Aufstand und die weitere Verärgerung Russlands; Karl XII. wollte die 843 844 845 846 847 848 849 850

Vgl. ebd., S. 327. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9682/5, Dekret August II., 17. September 1707, f. 2. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 17. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9682/5, Dekret August II., 17. September 1707, f. 6, 71b. Vgl. Wimmer 1962, S. 194. Zit. in: Held 1999, S. 233. Vgl. Wimmer 1962, S. 195. Auf die Frage, ob er mit anderen Gesandten korrespondiert habe, antwortete er: „Man habe nicht dürffen mit ihnen communiciren, noch ihnen auch nach Schliesung des Friedens part davon geben, weil verabredet worden, aß man es wollte cachiret halten, damit ihr. Königl. Maj. hohe Persohn nicht in Pohlen periclitiren, noch dero Trouppen einige Gefahr zugezogen werden möchte.“ Ebd., Verhör, 4. Oktober 1707 f. 38.

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übrigen europäischen Mächte überraschen.851 Deshalb liefen die Gespräche unter dem Vorwand der Vereinbarung von Kontributionsfragen ab. Natürlich hätten die Unterhändler aber ihrem Dienstherrn Bericht erstattet. Eine angebliche Informationslücke bei August  II. ist jedoch auszuschließen, da der König im Oktober und November eigenhändig Mitteilungen an von Pfingsten schrieb, in denen er auf empfangene chiffrierte Briefe Bezug nahm.852 Selbst zwei Tage vor der Schlacht von Kalisch erwähnte er Rapporte und Beobachtungen von Pfingstens.853 August II. hob die Bedeutung des Zeitgewinns und der wachsamen Beobachtung hervor und bat von Pfingsten um Rückmeldung.854 Einige der Briefe sind sehr kleine Zettel mit den Maßen 10×10 cm.855 Diese Handzettel konnten ohne Aufsehen überreicht werden. Dass er mit einiger Sicherheit Kenntnis des Vertrages hatte, ist ein entscheidender Entlastungspunkt für die Angeklagten. Nach der Niederlage von Kalisch hatten die Schweden aber „nicht länger secretiren wollen“ und den Frieden bekannt gemacht.856 Der Papst, stark an den konfessionellen Änderungen zugunsten der Protestanten interessiert, erhielt den Vertragstext zwei Monate nach dem 24. September 1707 zugesandt.857 August II. war mit dem Friedensvertrag keineswegs einverstanden. Noch am 19. November 1706 bestritt er dessen Wirksamkeit.858 Die prekäre Situation in Sachsen führte zur Unterwerfung. August II. musste gegenüber den Besatzern Sachsens nachgeben und am 19. Januar 1707 den Friedensschluss in der Konvention von Altranstädt anerkennen. Die darin für ihn nachteiligen Vertragspunkte lastete er sämtlich den Unterhändlern an. Er als sächsischer Kurfürst und polnischer König habe verhindern wollen, dass Preußen Garantiemacht werde und deshalb den Kaiser, Großbritannien und die Generalstaaten der Vereinigen Niederlande benannt, was aber von von Pfingsten ignoriert worden sei.859 Die insgesamt 29 Anklagepunkte gegen Imhoff und von Pfingsten führten des Weiteren auf, dass Imhoff den Schweden alle Kammereinnahmen kommuniziert hatte, was Sachsen während der Besatzung schweren wirtschaftlichen Schaden zufügte. Zum Abschluss des Vertrages hätten Imhoff und seine Ehefrau ansehnliche Präsente und viel Geld von Schweden erhalten.860 851 852 853 854 855 856 857

Vgl. Günther 1906, S. 322. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2092/114, f. 10–19. Vgl. ebd., August II. an Referendar von Pfingsten, 27. Oktober 1706, f. 17. Ebd., August II. an Referendar von Pfingsten, 17. November 1706, f. 11. Vgl. ebd., August II. an Referendar von Pfingsten, Oktober 1706, f. 18. Ebd., Verhör, 4. Oktober 1707, f. 38b. Vgl. Samerski, Stefan: Von der Trauer des Papstes – die Reaktion Clemens’ XI. auf die Altranstädter Konvention, in: Wolf 2008, S. 108–132, 115. Dadurch wurde die Kurie zu Protesten in Wien veranlasst, die über den Kardinal Christian August von Sachsen-Zeitz geführt wurden. 1708/09 brach darüber ein Krieg zwischen Papst und Kaiser aus, der mit einer vernichtenden Niederlage des Pontifex endete. 858 Vgl. Metasch, Frank: 300 Jahre Altranstädter Konvention. 300 Jahre schlesische Toleranz, Dresden 2007, S. 25. 859 Vgl. ebd., Anklagepunkte gegen von Pfingsten und Imhoff, § 16, f. 14b. 860 Vgl. ebd., § 22, f. 16b.

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In ihren ausführlichen Vernehmungen belasten sich von Pfingsten und Imhoff gegenseitig. Von Pfingsten verteidigte sich, es sei Imhoff gewesen, der ihn unter Druck gesetzt hätte, gleich mit Schweden den Vertrag zu schließen.861 Dieser habe stets mit dem bayerischen Gesandten Monasterole und dem französischen Gesandtschaftssekretär in Leipzig korrespondiert und konferiert sowie dem Obrist Keyser die Carte blanchen überlassen, die dieser als Kuverts gebrauchte. Die Abmachung wegen der 300.000 Reichstaler Kontribution mit dem schwedischen General Stenbock sei von Imhoff in Abwesenheit von Pfingstens getroffen worden. Ziel sei es gewesen, Schweden freie Hand zu schaffen, damit es mit Frankreich zusammen gegen die Alliierten ziehen könne.862 Im Verlauf des Prozesses wurden weitere Personen in der Angelegenheit verhört. Schon ein Jahr zuvor war, da er „feindliche und nachttheilige Correspondenz“ gepflogen haben soll, auch der Geheime Rat Johann Friedrich von Eckhart festgenommen worden.863 Das Verhör seines Compagnons Johann Jeremias Gründler war sehr aufschlussreich.864 Gründler sagte aus, Eckhart habe viele Gelder, die Frankreich zur Werbung einiger Truppen und zur Anzettelung von Kämpfen gegen das Heilige Römische Reich nach Wolfenbüttel gesandt habe, durch Wechsel an den Imhoff weitergeleitet. Imhoff hätte eine „gefährliche Correspondence mit Frankreich getrieben“, und Eckhart hätte auch Wechsel über Venedig nach Italien und an die Rebellen nach Ungarn übersandt und den Rebellen Waffen und Munition geliefert. Weiter wusste Gründler zu berichten, es wären Fuhren mit falschen Pässen durch Polen gegangen und er sei beauftragt gewesen, unter den wolfenbüttelschen Truppen französische Dienste zu nehmen. Der Kammerpräsident Imhoff stand ungeachtet dieser Aussagen weniger im Zentrum der Untersuchung als von Pfingsten und Eckhart. Über die Haftbedingungen der drei sind so reichhaltige Quellen überliefert, dass sie Grundlage für eine interessante Sozialstudie sein könnten.865 Eckhart verbrachte mit einem Diener ab 1706 seinen Arrest auf der Festung Sonnenstein. 1708 führte man ihn auf den Königstein, da er mit Seilen und einem Eisenstab zu fliehen versucht hatte.866 So kam er auf der Festung Königstein in das Zimmer, in dem zuvor Patkul gesessen hatte und in dem noch alle Schlupflöcher vermauert werden sollten. Er bekam täglich Zeitungen und Briefe und Besuch, u. a. vom hannoverschen Gesandten. Schließlich wurde er am 12. August 1709 in Freiheit gesetzt und von einem Kapitän mit drei Leutnants nach Dresden geleitet, wo er bald wieder als Geheimer Rat tätig war. Imhoff, der sich an zugesandtem Gemüse, Rebhühner, 861 862 863 864

Vgl. ebd., Verhör, 6. September 1707, f. 9. Vgl. ebd., Anklagepunkte gegen von Pfingsten und Imhoff, § 23, f. 16b. SächsHStAD, 11254 GD, Nr. 521, f. 2; FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 16. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9682/5, Verhör Johann Jeremias Gründler, 26. Mai 1706, f. 8. 865 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14610/15; Loc. 14609/1; 10026 GK, Loc. 972/7. 866 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Nr. 521, Befehl des Königs, 13. Juli 1709, f. 2.

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Krebsen, Kirschen und Champagner labte867, erkaufte sich 1714 für 40.000 Reichstaler die Freiheit, während der kränkelnde Geheime Referendar von Pfingsten bis zu seinem Tod 1735 in Haft blieb.868 Von Pfingsten hatte während der Friedensverhandlungen die Hauptverantwortung getragen und bekam nun auch die Hauptschuld zugeschoben. Zu seiner weiteren Belastung wurde erörtert, inwiefern er die Kommunikation mit Patkul gestört habe. Ein Bote namens Gottfried Lange hatte 1706 bei von Pfingsten einen Brief Augusts II. an Patkul erhalten und Geheimhaltung aufgetragen bekommen.869 Lange kam dies verdächtig vor, und er hatte die Übermittlung zunächst verweigert, mit der Begründung, er müsse erst den vom König handschriftlichen Auftrag für diese Reise zu Patkul sehen. Als er schließlich überzeugt war, dass „keines Betrugs noch Arglistigkeit“ vorlag, nahm er auch einen Brief an den Generalfeldzeugmeister und eine Relation der vorgehabten Aktion bei Kalisch mit, die er Patkul überreichen sollte.870 Von diesem erhielt der Bote wiederum eine Antwort an den König, die er zunächst zu von Pfingsten nach Leipzig brachte, wobei er aus Sicherheitsgründen den oberen Weg über Meißen wählte. Wie sich später herausstellte, soll von Pfingsten die Antwort Patkuls an den König aber unterschlagen haben. Auf spätere Nachfrage des Boten, ob von Pfingsten die Antwort Patkuls inzwischen dem König weitergeleitet hätte, habe der Bote von August II. die Antwort erhalten: „Es ist schon gut.“871 Dieses Abwiegeln beinhaltete sowohl die Auslieferung Patkuls als auch die Verhaftung von Pfingstens. Lange glaubte, von Pfingsten sei „dieser Sachen halber“ in Ungnade gefallen.872 Somit ist die Anklage gegen von Pfingsten und Imhoff in ihren Details zunächst wohl nicht publik geworden; auch im Archiv der Preußen ist lediglich die Verhaftung Eckharts und seiner Frau aktenkundig geworden, weil Eckhart Zwischenstation für eine Korrespondenz zwischen SachsenWeißenfels und Halle war.873 Der weißenfelsische Hof- und Justizienrat Knorre geriet aber nur kurz ins Visier der Ermittler. Der französische Gesandte am Hof Karls XII. glaubte, von Pfingsten und Imhoff seien Opfer Augusts II. („ses victimes“) gewesen.874 Eine so groß angelegte Untersuchung konnte keinesfalls geräuschlos verlaufen. Der juristische Aufwand stützt die These, August  II. habe bewusst den Friedensvertrag auf Kosten der Unterhändler nachträglich außer Kraft setzen wollen. Auch ist es bemerkenswert, dass trotz Gründlers Aussage im Mai 1706 gegen Imhoff dieser mit den Verhandlungen mit den Schweden betraut wurde und dass von Pfingsten nicht automa867 Vgl. ebd., regelmäßige Specificationen an Imhoff. 868 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 18; Held, Wieland: Der Adel und August der Starke. Konflikt und Konfliktaustrag zwischen 1694 und 1707 in Kursachsen, Köln, Weimar, Wien 1999, S. 234. 869 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9682/5, Aussage Gottfried Langen, 22. Dezember 1707, f. 243. 870 Ebd., f. 245. 871 Ebd., f. 247b. 872 Ebd., f. 248b. 873 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 3331. 874 Zit. in: Günther 1906, S. 329.

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tisch eine an die geänderten Verhältnisse angepasste Instruktion des Königs erhielt. Die gegen die Polenpolitik aufgeheizte Stimmung im Geheimen Rat und die Versäumnisse von Pfingstens wirkten zusammen dem Willen des Königs entgegen. Von Pfingsten hat sich als „gefügiger Trabant des Geheimen Rats“ gezeigt und war zwischen den Interessen des Königs und des Geheimen Rates zerrieben worden.875 Von Pfingsten versuchte 1710 seine Freiheit zu erkaufen, indem er dem Generalfeldmarschall Flemming geheime politische Pläne der Reformierten gegen die Katholiken in Deutschland preisgab. Die katholischen Staaten würden in größter Gefahr schweben und selbst die Jesuiten könnten mit all ihrer Klugheit nicht solche Resultate einer protestantischen Verschwörung hintertreiben.876 Er wüsste, dass Preußen Pläne hätte, die dem Westfälischen Frieden diametral gegenüberstünden und empfahl Gegenmaßnahmen wie z. B. die freie Religionsausübung für katholische Studenten der Leipziger Universität. Diese Initiative war nur eine unter vielen, und Flemming wurde nicht müde, dem Häftling Mut zuzusprechen. Im Jahr 1717 konnte er ihm auf seine neuerliche Anfrage nur mitteilen, der König habe keine Resolution erlassen und lasse nur ausrichten, dass eine schlimme Sache, auch wenn sie durch eine andere gut umzuschmieden ginge, „alzeit an sich selbsten schlimm“ bliebe.877 1719 zeichnete von Pfingsten nach, wie stark sich das Bild Europas gewandelt habe, so dass man ihm als kranken Mann die Freiheit erlauben könne, für die er treuen Dienst leisten wolle.878 Seine Bitten und Appelle an den königliche Großmut blieben ungehört. Möglicherweise lag das auch an den von Flemming erwähnten Widerständen des verstorbenen Zaren gegen die Freilassung von Pfingstens.879 Wie sehr er unter der Haft litt, ist an seiner Handschrift zu erkennen, die sich von einem flüssigen raumgreifenden Stil in 15 Jahren hin zu einer kleinen dünnen Druckschrift hin entwickelte. Im Jahr 1723 wünschte August II. zu wissen, wo von Pfingstens Quittungen und „long livre de chifres“ für die Memorials mit Rom geblieben seien, und der Gefangene gab kund, erstere an den Sekretär Öhminghaus und letztere an den Baron de Schenck gegeben zu haben.880 Dennoch scheinen beide Papiere nicht auffindbar gewesen zu sein, denn im August schwor von Pfingsten, diese Angaben würden der Wahrheit entsprechen und er wüsste nichts über deren weiteren Verbleib.881 Die Kanzlei dürfte demnach nicht im besten Zustand gewesen sein. Dass wegen der Wiederverwendung eines Nomenklators ein Häftling mehrmals angefragt wurde beweist, wie umständlich die Verfassung einer neuen Chiffre war. Von Pfingstens 875 876 877 878 879

Ebd., S. 320. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 699/3, von Pfingsten an Flemming, 30. September 1710, f. 104. Ebd., Flemming an von Pfingsten, 3. März 1717, f. 106. Vgl. ebd., von Pfingsten an Flemming, 6. Februar 1719, f. 107. „Il est vray, comme vous dites, que feu le Czar a été un obstacle à votre liberté. Je dis un, car je crois que vous devez penser encore à d’autres, mais je vous prie d’être assure que je me feray plaisir de m’employer à vous la procurer des que je trouveray l’occasion favorable pour cela.“ Ebd., Flemming an von Pfingsten, 14. April 1725, f. 163. 880 Ebd., von Pfingsten an Flemming, 2. April und 25. Mai 1723, f. 147, 150. 881 Vgl. ebd., von Pfingsten an Flemming, 21. August 1723, f. 151.

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Korrespondenz mit Flemming wurde 1725 offenbar von Dritten interzipiert, denn der Gefangene bat Flemming um eine Schriftprobe der Sekretäre und fügte zur besseren Aufdeckung der Hinterlist sein Originalsiegel an.882 Nach dem Tod Flemmings hatte von Pfingsten seinen einzigen treuen Fürsprecher verloren und konnte auf der Festung Königstein nur auf seinen Tod warten. Stanislaus Leszczyński – der Widersacher Augusts II. Die 1706 begonnene einjährige schwedische Besatzung in Sachsen erforderte ungeheure Kontributionen. Zudem war die Zweckallianz mit Russland beendet, und der sächsische Kurfürst konnte die russischen Interessen an Polen nun nicht mehr so gut im Blick behalten. Bereits zum Jahresanfang 1708 beschäftigte sich August wieder damit, auf den Königsthron zurückzukehren. Die in die geheimen Pläne Eingeweihten mussten unter Eid ihre Verschwiegenheit zusichern: von Flemming, von Wackerbarth, von Hoym, von Goltz und von Manteuffel sowie der Adjutant und ein Kammerdiener.883 Die weiteren Geheimen Räte wurden Ende des Jahres zur Geheimhaltung verpflichtet, die nötig war, da man sich erst der russischen Hilfe versichern musste. Wie erhofft, brachte Zar Peter I. die Kriegswende, indem er im Sommer 1709 in der Schlacht von Poltawa das schwedische Heer besiegte. In der Zwischenzeit erneuerte August II. das Bündnis mit Dänemark. Unmittelbar nach der schwedischen Niederlage warben die Könige von Dänemark und Polen im Dreikönigstreffen in Potsdam um den Beitritt des preußischen Königs. Friedrich I. trat aber angesichts seiner Belastungen im Spanischen Erbfolgekrieg und seiner früheren Neutralitätsvereinbarung mit Schweden nicht bei. Russisch-sächsische Truppen marschierten in Polen ein, und König Stanislaus zog sich zusammen mit 9.000 Schweden unter General Krassow zurück. August  II. versuchte das Risiko zu minimieren, dass sich die Schweden um Leszczyński erneut sammelten. Er sandte mehrere Kundschafter durch Polen, die die Marschrouten und Versorgungssituation der Schweden im Auge behielten. Einer von ihnen war der Hauptmann Johann Gottfried Thomas, der im September und Oktober beinahe täglich per Estafette Nachrichten an den General und Dresdner Festungskommandanten Hans Hermann Wostromirsky von Rockittnigk sandte. Er selbst erhielt Depeschen über eine Deckadresse „Lieutnant Richter in Großglogau“ beim Bunzlauer Postamt, nachdem er entsprechend „mit dem hiesigen Postmeister deswegen Verlaß genommen“ hatte.884 Thomas reiste kreuz und quer zwischen Breslau, Bunzlau, Krakau und Großglogau hin und her und sammelte vertrauliche Informatio882 Vgl. ebd., von Pfingsten an Flemming, 3. November 1725, f. 168. 883 Vgl. Czok, Karl: Ein Herrscher – zwei Staaten: Die sächsisch-polnische Personalunion als Problem des Monarchen aus sächsischer Sicht, in: Rexheuser 2005, S. 103–119, 114. 884 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14612/22, Thomas an Wostromirsky, 14. September 1709, f. 2.

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nen über den Aufenthalt des General Krassow. Anfang Oktober nahm er Quartier in der brandenburgischen Garnisonsstadt Züllichau, wo er in der Lage war, die Schweden und Preußen genauer zu beobachten. Von der Position des schwedischen Generals Krassow konnte er in Crossen/Oder aber nichts berichten.885 Seine letzte Relation stammt vom 21. Oktober 1709. Während Kapitän Thomas sich auf die größeren Städte konzentrierte, war ein weiterer Kundschafter entlang der Flüsse an der schlesischen Grenze unterwegs. Hauptmann Holm berichtete im gleichen Zeitraum von Steinau und Auras über 30 Schweden, die zu Pferde die Oder passiert hätten.886 In Militsch am Flüsschen Bartsch verhörte er Postreiter, die ihm berichteten, dass die Schweden von Krotoschin die Grenze hinuntermarschierten und täglich sechs und mehr Meilen hinter sich brächten.887 Auch berichtete er von Gerüchten aus Militsch, die besagten, die Sachsen seien von General Krassow geschlagen worden.888 In seinen Rapporten ist darüber hinaus zu lesen, dass die Schweden zu den Eilmärschen in Richtung Pommern von der grassierenden Pest und Überfällen auf die Nachhut angetrieben seien. Auch habe General Krassow einen Einmarsch in Sachsen beabsichtigt, was er aber rückgängig gemacht habe, als der kaiserliche Oberst Graf Franz Ludwig von Zinzendorf ihn davor warnte.889 Die Beobachtung des schwedischen Rückzugs erwies sich also als notwendig. Daran, dass die Schweden nach Pommern strebten, wurden Zweifel von einem Schweizer Offizier laut. Alle Parteien wüssten, dass Preußen den Stanislaus nicht hindurch lasse, und wahrscheinlicher sei ein Marsch nach Polnisch-Preußen.890 Tatsächlich hörte Holm, sächsische und russische Truppen versperrten bei Czenstochau den Pass und wollten Krassow zur Schlacht zwingen.891 Schwedische Offiziere, die im Grenzgebiet noch sehr häufig anzutreffen waren, ließen verlauten, ihr König sei mit 70.–100.000 Türken im Anmarsch.892 Jedoch sei durch Lubliner Briefe gesichert, dass Karl XII. noch in Bender und Ochakow sei.893 Auch wurde ausgestreut, dass Hannover und Holland als Garantiemächte des Altranstädter Friedens sicher in Sachsen einfallen würden. Als richtig erwies sich aber die Prognose, dass der Krieg sich im Norden fortsetzen würde. Während Karl XII. mit Sultan Ahmed III. verhandelte, eroberte Peter I. Livland und Estland. Man werde bald von einer Belagerung Rigas hören, meinte Holm, und behielt recht – am 4. Juli 1710 kapitulierte die Stadt vor den Russen.894 885 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14612/10,Rapport wahrscheinlich von Hauptmann Thomas, 8. Oktober 1709, f. 20. 886 Vgl. ebd., Rapport des Hauptmanns Holm, 24. September 1709, f, 1. 887 Im Kurfürstentum gab es unterschiedliche Meilenmaße. Ab 1722 betrug eine kursächsische Postmeile 9 Kilometer. Im 19. Jahrhundert wurde das Maß auf 7,5 Kilometer festgesetzt. 888 Ebd., Rapport des Hauptmanns Holm, 29. September 1709, f. 4. 889 Vgl. ebd. 890 Vgl. ebd., Rapport des Hauptmanns Holm, 5. Oktober 1709, f. 10. 891 Vgl. ebd., Rapport des Hauptmanns Holm, 2. Oktober 1709, f. 15. 892 Vgl. ebd. Rapporte des Hauptmanns Holm, , 5., 9. und 12. Oktober 1709, f. 9–14. 893 Vgl. ebd., Rapport des Hauptmanns Holm, 2. Oktober 1709, f. 15. 894 Vgl. ebd., Rapport des Hauptmanns Holm, 9. Oktober 1709, f. 14.

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Die Arbeitsmethode Holms bestand darin, sich in den Städten zum Bürgermeister oder Amtmann zu begeben, um einen Pass zu erhalten. Als er in Großglogau hörte, es seien 100 Schweden über die Grenze geritten und hätten sich im Wald und im Moor versteckt, lieh er sich einen Bürgerrock und inspizierte selbst die Grenze. An anderer Stelle erwähnt er, dass er sich als brandenburgischer Kaufmann ausgegeben habe.895 Holm verbarg zum Kundschaften demzufolge seine Identität, besaß aber auch ein offizielles Identifikationspapier für eine Aufenthaltsgenehmigung. Zur Informationssammlung hat Holm an etlichen Orten „Kundschafft außgeschickt“.896 Seine Briefe schrieb er sowohl an General Wostromirsky als auch an Generalmajor Droste. Um sicherzugehen, dass kein Rapport sein Ziel verfehlte, setzte Holm jeweils an den Anfang seiner Berichte die Erwähnung: „Mein jüngster Rapport war von hier dat. d. 29. dießes [Monats]“.897 Er klagte, dass er viel Geld ausgeben müsse, um Pferde zu bekommen und reisen zu können.898 In Herrnstadt wurde ihm von Hauptmann Thomas, den er gelegentlich traf, das dringend benötigte Geld gebracht. In der Folgezeit ist jedoch eine Geldlieferung nicht vollständig angekommen, so dass Holm von Thomas statt der 150 Reichstaler nur 40 Reichstaler erhielt.899 Es gab somit unter den Kundschaftern eine festgelegte Arbeitsaufteilung und Kommunikation. Nach dem Sieg der Russen in der Schlacht von Poltawa 1709 erkannte der polnische Adel den Wettiner wieder an. Stanislaus Leszczyński reiste nach Stockholm ab. Da Karl XII. ihm die Abdankung in der Hoffnung auf einen erneuten, erfolgreichen Waffengang mit den Türken verwehrte, konnte Stanislaus nicht mehr nach Polen zurückkehren. Mit einer Offensive in Livland, Estland und Finnland 1710–14 gewann Russland die Ostseevorherrschaft. Die schwedische Spionage und Guerilla-Taktik, wie sie im Tagebuch des finnischen Offiziers Stefan Löfving beschrieben wird, hatte nicht zum Erfolg geführt (Abbildung 17).900 Dänemark erlitt bei der Invasion in Schweden eine schwere Niederlage. Entsprechend wurden nun die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland angegriffen. 1711/12 brachte sich Sachsen-Polen in den Pommern-Feldzug mit einer versuchten Belagerung Stralsunds und einer wenigstens diskutierten Landung auf der Insel Rügen ein.901 Schweden gelang u. a. die Einnahme Rostocks und die Einnahme eines polnisch-russischen Magazins in Altona. Wiederum entspann sich ein über Druckschriften geführter Streit über die Brandschatzung von Altona, der Schweden 895 896 897 898

Vgl. ebd., Rapport des Hauptmanns Holm, 5. Oktober 1709, f. 9b. Rapport des Hauptmanns Holm, 29. September 1709, f. 4. Ebd., Rapport des Hauptmanns Holm, 1. Oktober 1709, f. 6. „Keine Post gehet hier nicht, habe deswegen Geld über Geld gebothen, umb forth zu kommen, aber doch kein Pferd erhalten können, bis dann entlich aufm Abend ich mit großer Noth nach Zeben (Zerbau) kahm.“ Vgl. ebd., Rapport des Hauptmanns Holm, 5. Oktober 1709, f. 9b 899 Vgl. ebd., Rapport des Hauptmanns Holm, 25. Oktober 1709, f. 21. 900 Vgl. Löfving, Stefan: Karl XII.s spion. Stefan Löfvings Dagbok, Kurup 2010. 901 Vgl. Copia Landung 1713.

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Abbildung 17: Russians arrest a spy during the Great Northern War with Sweden. Hand-colored woodcut of a 19th-century illustration, akg-images/Northwind Pictures Archives 913144

öffentlich herabsetzen sollte.902 Als 1713 der Sekretär des schwedischen Generals Stenbock in Elendshorn gefangen genommen werden konnte, lasen die Generäle der Dänen, Sachsen und Russen gemeinsam im Kriegsrat die schwedische Korrespondenz.903 Mit diesem Wissen gelang es der Allianz, den General Stenbock in die Festung Lübeck zu treiben und ihn schließlich zur Kapitulation zu zwingen. In diesem Feldzug ist auch wiederum ein schwedischer Spion aufgegriffen worden, der wegen seines Herumschweifens verdächtig war und zunächst vorgab, er sei auf der Flucht, da er in Schweden jemanden ermordet habe.904 Allerdings kursierte zu diesem Zeitpunkt das Gerücht, dass die Hessen einen Einfall in Sachsen planten, und jener schwedische Kapitän Hans Hieronymus Nagel geriet nun in Verdacht, „daß Er vielleicht espionnirens halber anhero in Sachßen kommen“. Er wurde auf der Festung Sonnenstein inhaftiert. 1715 taucht sein Name nochmals auf, als er ein neues Quartier bezog. Spätere Erwähnungen konnten leider nicht gefunden werden. Nun versuchte Sachsen, auch Preußen und Hannover in die Koalition zu bringen und sandte zu diesem Zweck den königlichen Schatzmeister und Hofjuden Behrend Leh902 Vgl. Ranfft 1731, S. 44 f. 903 Vgl. ebd., S. 47. 904 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14516/25.

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mann 1715 in geheime Mission nach Hannover.905 Er war gewissermaßen als „inoffizieller Botschafter“ tätig.906 Lehmanns Einsatz war nötig, um baldmöglichst den Nordischen Krieg zu beenden, da seit Jahren ein türkischer Einfall in Polen befürchtet wurde.907 Zu diesem Zeitpunkt war auch Blendowski, ein Colonel der französischen Armee, Zielperson der sächsischen Aufklärung. Man ließ ihn durch einen Kundschafter in Breslau beschatten und seine Briefe mit dem General der Kosaken interzipieren. Doch seine Verhaftung schlug fehl, denn die Tataren haben ihn gewarnt, er informiert sich über meine Reise, von Frau Feldmarschall hat er wie ein Spion meine Ausrufung erfahren, auch schickt er Staffetten, um sicher vor den Wachen zu sein, streut falsche Gerüchte aus, tauscht in einer Wohnung seine Kleider aus, Majestät, ich […] bitte um Vertrauen, er ist ein Spion, der nicht den Charakter eines Offiziers besitzt908

Unter anderem korrespondierte Blendowski mit einer Madame Scherkowska, mehreren Priestern und einer Äbtissin, was die Bedeutung kirchlicher Amtsträger und auch weiblicher Netzwerke im Untergrund hervorhebt. Blendowski konnte nicht gefasst werden und war weiter im gegnerischen Lager tätig. In der Zwischenzeit bekam Stanislaus Leszczyński 1714 von Karl  XII., der bei Sultan Ahmet  III. Zuflucht gesucht hatte, als Übergangslösung das schwedisch regierte Pfalz-Zweibrücken zugewiesen. Karl XII. kehrte, als seine Herrschaft in Schweden in Bedrängnis kam, nach Schwedisch-Pommern zurück. Doch konnte er den Krieg nicht mehr zu seinen Gunsten wenden. Erst durch seinen Tod 1718 wurde der Weg zu ernsthaften  Friedensverhandlungen frei, die 1721 in den Vertrag von Nystad mündeten. Stanislaus Leszczyński blieb selbst im Exil den Sachsen ein Dorn im Auge. Durch den entlarvten Abenteurer Valvasor, den man als Spitze eines Komplottes ansah, und durch die Achse Berlin-St. Petersburg vertiefte sich das Angstgefühl bei August II. noch.909 Aus dem Jahr 1710 stammt der erste Entwurf einer Teilung Polens, der von Zar Peter  I. ausgegangen war und eine Teilung zwischen Russland, Preußen und dem König  von  Polen vorsah.910 Flemming wurde im Dezember 1717 eigens nach Berlin entsandt, als abermals ein Gerücht in Umlauf war, Preußen und Russland würden 905 Vgl. Stern, Selma: Der Hofjude im Zeitalter des Absolutismus. Ein Beitrag zur europäischen Geschichte im 17. und 18. Jahrhundert (= Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des LeoBaeck-Instituts, 64), Tübingen 2001, S. 77. 906 Im Original „a sort of unofficial ambassadors“. Israel, Jonathan I.: European Jewry in the Age of Mercantilism, 1550–1750, London, Portland 1998, S. 137. 907 Vgl. Ranfft 1731, S. 38; Copia Goltz 1713. 908 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3516/4, Relation Malliards, unfol. 909 Siehe Kapitel „Hinter den Kulissen des Kabinetts Augusts II.“, S. 487. 910 Vgl. Förster, Friedrich Christoph: Die Höfe und Cabinette Europa’s im achtzehnten Jahrhundert, Dritter Band: Friedrich August II., König von Polen und Kurfürst von Sachsen, seine Zeit, sein Cabinet und sein Hof, Potsdam 1839, S. 206.

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untereinander Polen teilen.911 Friedrich Wilhelm stritt jegliche Geheimdiplomatie gegen Polen ab: Kurtze Zeit zuvor war der Czaar bey dem Könige von Preussen zu Berlin angelanget und sehr prächtig empfangen und bewirthet worden. Weil sich nun ein Gerüchte ausbreitete / ob hätten sich die beyden Monarchen dahin verglichen / die gantze Republick Pohlen über einen Hauffen zu werffen und solchem getroffenen Concert gemäß / nur auf die erste beste Gelegenheit warteten / der Republick den Krieg ankündigen zu können / um mit zusammen gesetzten Kräfften und Anspannung aller ihrer Macht auf das Königreich alsdenn loßzugehen und die Pohlnische Freyheit entweder gäntzlich zu Grunde zu richten / oder doch selbige dergestalt herunter zu sezen / daß es nachgehends nur bey ihnen stehen würde / die besten Provintzen von der Republick abzureissen und sothane Lande / als durch Feuer und Schwerdt eroberte Conqueten / an sich zu bringen: so ward dieser wegen der Feldmarschall im Dec. nach Berlin gesendet / sich dieses Gerüchts genauer zu erkundigen und bey dem Könige sodenn gehörige Vorstellung zu thun. Alleine es wollte derselbige nichts davon wissen / sondern gab vielmehr die allerkräfftigsten Versicherungen von sich / daß er nichts mehr wünsche und suche / als allezeit mit dem Könige Augusto und der Republick Pohlen in aufrichtiger Freundschafft und treu-nachbarlichen Vernehmen zu stehen.912

Ungeachtet dieser Versicherungen beobachtete August  II. Preußen und Russen mit Misstrauen und hielt beide vom polnischen Territorium fern, so dass Peter I. auf die Idee verfiel, den Stanislaus Leszczyński unter schwedisch-russischem Armeeschutz wieder nach Polen zurückzuholen. Die Beobachtung Leszczyńskis wurde verschärft und über Jahrzehnte aufrechterhalten. Jan Stanisław Jabłonowski, der Paladin von Russland, Woiwode und Kronfähnrich von Polen, musste in Begleitung von seinem Sekretär Valerian Wojecinsky und sechs Dienern einen dreijährigen Festungsaufenthalt 1713–17 hinter sich bringen, weil er angeblich den polnischen König ermorden wollte und dieser Verdacht durch seine Verwandtschaft mit Stanislaus Leszczyński verstärkt wurde.913 August II. bestrafte dieses Majestätsverbrechen eines Mordkomplotts dermaßen milde, da er den Polen Zugeständnisse machen musste, um die Elite an sich zu binden. Der König wählte eine indirekte Strategie, sich seines Gegners zu entledigen. Er ging auf Flemmings Plan ein, Leszczyński „durch zwölf verkappte sächsische Offiziere“ in seinem Asyl in Pfalz-Zweibrücken „aufheben zu lassen“, d. h. zu überfallen und gefangen nach Dresden zu führen.914 Die Ausführung 1716 misslang jedoch: zwei Hauptleute vom Regiment Seissan konnten in Zweibrücken festgenommen werden, 911 912 913 914

Vgl. Ranfft 1731, S. 95. Ebd. Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 21 und Nr. 22a. Förster, Friedrich Christoph: Die Höfe und Cabinette Europa’s im achtzehnten Jahrhundert, Dritter Band: Friedrich August II., König von Polen und Kurfürst von Sachsen, seine Zeit, sein Cabinet und sein Hof, Potsdam 1839, S. 206; „Flemming, Jacob Heinrich Graf von“ von Heinrich Theodor Flathe, in: ADB, Bd. 7 (1878), S. 117–118.

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und Leszczyński konnte sogar die beteiligten Offiziere, u. a. einen „Lacroix“ namhaft machen.915 Leszczyński floh vor den sächsischen Angriffen nach dem Tod Karls XII. nach Lothringen und in die elsässischen Garnisonsstädte Landau und Weißenburg. Rebellische Aufstände erschwerten in Polen die Konsolidierung der sächsischen Herrschaft. Im polnischen Bürgerkrieg besaßen die von den Zeitgenossen als „Polacken“ Konföderierten oft gute Kundschaft, wo die sächsischen Truppen standen.916 Die Polen lehnten das in ihrem Land stehende sächsische Militär ab und führten eigener Angabe zufolge nur gegen die Flemmingschen Truppen Krieg, nicht aber gegen König August II.917 Als ein Waffenstillstand geschlossen wurde, nahm der sächsisch-polnische Generalfeldmarschall zur Beschleunigung der Vertragsverhandlungen den Aufständischen das Magazin von Zamość weg. So konnte Mitte Januar 1716 ein Vergleich geschlossen werden. Dennoch führten einige, die ihn nicht anerkannten, noch ihren asymmetrischen Krieg fort, wie Flemming von zwei gefangenen Edelleuten erfuhr. So waren die königlichen Relaispferde gestohlen, die Eskorte geschlagen und der Kriegssekretär gefangen und die Bagage geraubt worden.918 Das führte dazu, dass Flemming sich auf polnischem Boden vor Anschlägen verstecken und sogar als Priester verkleidet nach Warschau reisen musste. Michael Ranfft resümierte 1731: „In Pohlen ging es nunmehro wieder aufs neue sehr bund unter einander her.“919 Aber schließlich fand August II. mit Flemming an seiner Seite „gleich als an einem Ariadnischen Faden aus dem düstersten Labyrinth der Pohlnischen Revolutionen allemahl glücklich heraus.“920 Auf dem Friedenskongress zu Warschau wurde 1717 die glückliche Harmonie beider Länder beschworen. Inzwischen setzte sich der Nordische Krieg fort. 1719 drohte Polen-Litauen ein russischer Einmarsch, was zu einem geheimen Vertrag mit Schweden führte, in dem sich August II. von der Allianz mit Zar Peter I. lossagte und sein schon geschlossenes defensives Verteidigungsbündnis mit Österreich erweiterte. Einigen Aufruhr verursachte in diesem Jahr auch eine Affäre, die August II. seine unmittelbare Gefährdungslage vor Augen führte. Bei einem Galeriebesuch war eine Schachtel mit Abdrücken von Schlüsseln, die denen zu den königlichen Zimmern glichen, auf den Boden gefallen.921 Zeugen belasteten die königliche Mätresse, Gräfin Dönhoff, die daraufhin vom Gouverneur Wackerbarth eindringlich verhört wurde. Man befürchtete, die Gräfin wolle Attentätern den Zutritt zu Augusts II. Privatgemächern ermöglichen. Die Mätressenpolitik und die Hinterzimmerdiplomatie der Faktionen 915

Vgl. Nordberg, Jöran Andersson: Histoire de Charles XII, roi de Suéde, Band 3, La Haye 1748, Urk. S. 314, zit. in: ebd., S. 206. 916 Vgl. Ranfft 1731, S. 57 f. 917 Vgl. ebd., S. 61. 918 Vgl. ebd., S. 69. 919 Ebd., S. 70. 920 Ebd., S. 86. 921 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1390/11. Die Akte enthält auch jene Schlüsselabdrücke, die in der Kiste gefunden wurden.

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am Hof lassen aber auch den Verdacht zu, dass es sich um eine Inszenierung handelte, damit sich der König von der Gräfin Dönhoff lossagen konnte. In die Schlüsselaffäre verstrickt war auch eine Gräfin von Schlangen und ein Portugiese namens Almeyda mit seinem Lakai. Erst nach einigen Wochen beruhigte sich der Hof wieder. Almeyda wurde 1720 nach Prag überführt, wo sich seine Spur verliert. Die Gräfin von Schlangen taucht in den Quellen 1728 wieder auf, als sie für die beabsichtigte zweite Ehe Augusts II. eine portugiesische Prinzessin vermittelte.922 Das Gespenst des Stanislaus Leszczyński war wiederum in Dresden umgegangen, und so blieb dieser unter Beobachtung. So musste der sächsische Resident Jacques de Puchet in Rom 1723/24 eifrig über die Umtriebe von Leszczyńskis Emissär Czacki berichten. Dieser nenne sich in Rom Locry Wolhynski, schicke seine Briefe an einen gewissen Polen, der sich Talemba nennt und Sekretär des Stanislaus sein muss. Er habe auch ein Paket über den Bankier von St. Minucci erhalten und stehe in Briefkontakt mit Tarlo und Blendowski. Puchet gelang es im November 1723, den Kammerdiener Czackis zu bestechen, der unzufrieden war.923 Dieser gab ihm gegen eine gute Belohnung von zunächst drei Louis d’Or unter der Hand die Briefe Czackis an Stanislaus. Der Graf von Manteuffel müsse nichts von diesem Geheimnis wissen, befand Puchet und drang auf höchste Geheimhaltung. Er setzte Spione auf Czacki an, erfuhr aber nur, dass dieser unter den in Rom ansässigen Polen verkehrte.924 Flemming befeuerte Puchets Eifer in dieser Sache und riet ihm, sich davon fernzuhalten, Schurken etwas über diese Affäre mitzuteilen.925 Im Februar 1724 konnte Puchet über den Abbé Accoramboni zwei Pakete mit Briefen an Czacki und dessen Antworten zu Flemming leiten.926 Die Lieferung vom April enthielt Czackis Einschätzung zur Position der Kardinäle im Konklave nach dem Tod von Papst Innozenz XIII. Das Thema dominierte über Wochen hinweg die Berichte Puchets. Als Benedikt XIII. gewählt worden war, kopierte Puchet abermals Czackis Briefe und bemerkte, Czacki verbreite über den Papst schreckliche Lügen und beginne, wo er nichts wisse, zu raten.927 Inzwischen zweifelte er auch an der Geheimhaltung dieser Spionage. Er glaubte, dass der Abbé Accoramboni dem Grafen von Manteuffel alles berichte.928 Die angeforder922 Vgl. Knöfel 2009, S. 200 f. 923 „Je decouvert tout ceci moyennant un valet de chamber, qui en ayant eté mal traité, i lest venû s’en pleindre à moy, et il m’a fait une sincere confidence de tout ce qu’il sait […].“SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 701/4, Rapport Puchets, 6. November 1723, f. 180. Bei Minucci könnte es sich um den italienischen Bischof Giovan Battista Minucci handeln. 924 „Je tiens des Espions payés qui me rapporte de jour a autre toutes ses demarches […].“ Ebd., Rapport Puchets, 25. November 1723, f. 184b. 925 „Vous ferez bien de continuer à nous donner la dessus le plus de lumieres qu’il possible, de ce coté cy nous prendrons nos messeurs contre ces menneés.“ SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 744/6, Flemming an Puchet, 8. Januar, 15. April, 13. Juli und 4. November 1724, unfol. 926 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, 701/4, Rapport Puchets, 5. und 29. Februar 1724, Loc. f. 189–191. 927 Vgl. ebd., Rapport Puchets, 10. Juni 1724, f. 243. 928 Vgl. ebd.

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ten 400 Gulden zur weiteren Bestechung des Kammerdieners und zur Bezahlung der Spione, die auf Czacki angesetzt waren, ließen auf sich warten. Am 12. August schrieb Puchet, dass Czacki keinen Auftrag mehr von Stanislaus bekäme, und im September berichtete er von dessen baldiger Abreise nach Wien, da Czacki zu Stanislaus zurückkehre.929 Der Kammerdiener habe die Adresse des sächsischen Residenten Anacker in Wien erbeten, aber er halte ihn für einen Betrüger. Flemming ärgerte sich über die unützen Ausgaben, die Puchet dementsprechend gemacht habe.930 Puchet relativierte daraufhin seine Aussage, überzeichnete den Erfolg der Bestechung und empfahl, einerseits Anacker zu warnen, und andererseits Czackis schikanenhafte Behandlung seiner Angestellten weiter auszunutzen.931 Flemming reagierte reserviert, zumal durch Czacki keine wesentlichen Nachrichten über Stanislaus ans Licht gekommen waren. Groß war die Angst, Untertanen könnten mit dem verhassten Polen in Kontakt stehen. 1723 gelang die Verhaftung eines Boten und Parteigängers von Leszczyński mit Namen Andreas de Part, genannt Buczynski. Er blieb bis Oktober 1725 in Arrest auf der Festung Königstein. Buczynski gab zu Protokoll, er habe früher im polnischen Heer gedient, aber seinen Abschied erbeten, um anderswo sein Glück zu suchen und habe bei einem Herrn Palatin de Plock in Petrikow den Auftrag für 2.000 Ecus angenommen, nach Weißenburg zu reisen.932 Auch gestand er, Briefe Leszczyńskis und Czackis bei sich zu haben. Stanislaus Leszczyńskis klagte darin dem Primas933 seine Lage. Es sei ein Verbrechen, nach ihm zu fragen, eine Gefahr, von ihm zu hören, und, ihn zu vergessen sei löblicher Eifer. Auch der schärfste Richter werde kein Verbrechen finden, was nicht durch den Krieg autorisiert sei, so Leszczyńskis weiter. Da seine Angelegenheit nicht auf dem Reichstag behandelt werden könne, bat er den Primas als obersten Bischof des Reiches sich gehörig für ihn zu engagieren, aber nicht etwa unter dem Schein einer heimlichen negotiation, sondern unter der Authorität der publiquen Ministerii, welches Ew. Durchl. exercieren.934

Auf Fürsprache der französischen Königin wurde Buczinsky nach Paris zum Grafen Hoym entlassen. Buczinsky war jedoch schwer erkrankt und musste seine Abreise mehrfach verschieben. Die Vereinbarung mit dem französischen Hof in Chambord lief über Leszczyńskis Gesandten, Graf Tarlo, der sich freute, wie wunderbar das Terrain bereitet war.935 Als Buczinsky abreiste, erwog Flemming verschiedene Methoden, ihn aus dem Weg zu räumen. Der sächsische Botschafter in Paris, Karl Heinrich Graf von Hoym, riet jedoch davon ab, Buczinsky einen Unfall zustoßen oder allmählich krank 929 930 931 932 933 934 935

Vgl. ebd., Rapport Puchets, 12. August und 9. September 1724, f. 254, 257. Vgl. ebd., Flemming an Puchet, 7. Oktober 1724, f. 259. Vgl. ebd., Rapport Puchets, 4. November 1724, f. 263. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3517/3, unfol. Der Primas Germaniae war damals der Erzbischof von Salzburg, Franz Anton von Harrach. Ebd., Leszczyński an Primas, 25. Februar 1723, unfol. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 691/1, Graf Hoym an Graf Flemming, 19. Juli 1726, f. 163b.

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werden zu lassen, da der Verdacht sofort auf den sächsisch-polnischen Hof fallen würde.936 An dieser Stelle ist der Graben zwischen der profranzösischen Ausrichtung Hoyms und seiner Gegenpartei am Dresdner Hof unübersehbar. In Naumburg gelang 1724 in größter Geheimhaltung die Festnahme des Kapitäns Christoph Ferdinand von Löwenburg, der mit Leszczyński per Chiffre korrespondiert hatte.937 Löwenburg war dadurch aufgefallen, dass er ein Paket von Frankfurt nach Breslau vorausgeschickt hatte. Um das bewusste Paket zurückzuerlangen, war absolute Verheimlichung der Arretierung oberstes Gebot. Damit Löwenburg nicht mit De Part kommunizieren konnte, blieb er auf dem Sonnenstein und der andere auf dem Königstein. Die Geheimhaltung funktionierte nicht, denn Löwenburgs Vater verlangte eine Erklärung für die Festnahme seines Sohnes in Naumburg.938 König August  II. ließ Löwenburg am 7. März wieder frei, da ihm nichts nachzuweisen war.939 Die Freilassung zweier hochrangiger Parteigänger widerspricht gänzlich den ergiebigen Verhören. In den Protokollen ist zu lesen, dass Löwenburg etliche Namen, Adressen und Auskünfte über die Gewohnheiten und Pläne Leszczyńskis preisgegeben hatte. Auch sei dessen Geheimsekretär mit Namen Biber bereit, sich von Stanislaus loszusagen, wenn er wieder in Flemmings Dienste käme, wo er bereits einmal gewesen war. Einige Sätze in der Untersuchungsakte lassen aufhorchen, denn es sei an Löwenburg viel gelegen, weil er große Dinge entdecken werde.940 Der König wolle, dass mit Löwenburg „wie mit de Part verfahren werde“.941 Kann es tatsächlich bei all den genannten Entlassungen nur darum gegangen sein, dass August II. sich die Gunst der polnischen Elite erhielt? Die Methode, viele Gefangene zu machen, auszuhorchen und sie dann wieder zu entlassen im Wissen, dass sie zurück zu Leszczyński gingen, erscheint widersinnig. Es sei denn, August II. hat einige von ihnen als Doppelspione angeworben. Warum sonst wurde Buczinsky von Hoyms Kurier nach Paris begleitet, wo er sich beim sächsischen Gesandten persönlich vorzustellen hatte?942 Warum gab es mit Löwenburg eine Chiffre?943 Einen handfesten Beweis für diese gewagte These erbringen die Quellen jedoch nicht. Zentrum des sächsischen Informationsdienstes in Sachen Leszczyński war der sächsische Gesandte in Paris, Graf Hoym. Dieser berichtete regelmäßig, was am französischen Königshof hinsichtlich Stanislaus Leszczyński zu erfahren war und gab mit seinen Einsichten Vorlagen für die nächsten geheimdiplomatischen Maßnahmen. Für bessere Einsichten müsse man in die Pariser „Clique“ um einen gewissen Knaben, den 936 937 938 939 940

Vgl. ebd., Graf Hoym an Graf Flemming, 3. Dezember 1725, f. 49. Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10922/1. Ebd. Löwenburgs sr., 10. November 1724, unfol. Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14512/6, Erlass, 7. März 1725, f. 80. Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10922/1, Kapitän Junghans an Wackerbarth, 9. Oktober 1724, unfol. 941 Ebd., Flemming an Wackerbarth, 31. Oktober 1724, unfol. 942 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3517/3. Entlassung, 24. Oktober 1725, unfol. 943 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/4, unfol.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Agenten des Stanislaus Leszczyński, einsteigen, schrieb er im Februar 1726.944 Doch Domestiquen-Angelegenheiten und die Affäre um Hoyms Neffen drängten diesen Vorschlag zur Seite, und Flemming meinte nach Beratung mit dem Gesandten in St. Petersburg, Baron Le Fort, es bedürfe noch zusätzlicher Gründe, bevor man solche Schritte einleite.945 Frankreich könne alles lesen, was Hoym in dieser Sache schreibe, war sich der Generalfeldmarschall sicher.946 Statt dessen fanden sich neue Möglichkeiten. Flemming hatte erfahren, dass ein in Coburg wohnhafter Professor namens Le Fert in Besitz von Leszczyńskis Chiffre war. Er wurde im Oktober 1725 arretiert. Mit dem Kriegsrat De la Sarraz erörterte Flemming nun ein halbes Jahr, wie man den Professor zum Kooperieren bringen könnte.947 Von einem „Freund“ abgefangene Briefe aus Paris zeigten auch die Verwendung von Decknamen.948 In Anbetracht dieser nützlichen Informationsquelle scheint man keinen Geldboten nach Coburg gesandt zu haben. Fakt ist aber, dass der König bei allem, was ihn gegen Leszczyński in Vorteil setzte, sehr großzügig war. Der Kapitän, der den Kurier Buczynski verhaftet hatte, erhielt als Dank von August II. 200 Dukaten.949 Um an die Hintermänner zu gelangen, ließ August II. die Post nach Breslau in genauen Augenschein nehmen. Diese Aufgabe schien dem engsten Kreis um den König, bestehend aus Flemming, Wackerbarth, Lagnasco und Manteuffel, so zweifelhaft, dass sie sich noch den zusätzlichen Segen des Oberküchenmeisters einholten.950 Bei der Öffnung des ersten Pakets fand sich kein verdächtiger Brief, aber das Kabinett suchte nach einer Möglichkeit, dass „die Eröfnung desto mehr verdecket gehalten würde“.951 Graf von Manteuffel erinnerte an die oft gehörten Klagen des Postamts wegen zu dicker Pakete. Ein Subalterner aus dem Marschallsamt wurde herbeigerufen, um einen auffällig dicken Brief an eine Madame Trotain, geb. Borgerin, der dem Gefühl nach eventuell Galanterie und Frauenzimmerwaren enthielt, unter diesem Vorwand zu öffnen. Nach der ergebnislosen Durchsicht wurden alle Briefe wieder versiegelt und der Post übergeben. Diese umständliche Interzeption zeugt von den Skrupeln der vier Minister und legt nahe, dass ein Bewusstsein für die Unverletzlichkeit des Postgeheimnisses vorhanden war. Unter dem Grafen Brühl sollte sich jedoch die Notwendigkeit erweisen, erneut zur Methode der Interzeption zu greifen, um eine noch realere Gefahr – die Außenpolitik des Königreichs Preußen – im Auge zu behalten. Parallel wurde weiterhin die Post des ehemaligen polnischen Gegenkönigs observiert. 1728 fand man bei der Revision des Oberpostamtes Leipzig verdächtige Korrespondenz des Oberpostkommissars Johann Christoph Jacobi, der gelegentlich „geheime 944 945 946 947 948 949 950 951

Ebd., Graf Hoym an Graf Flemming, 8. April 1726, f. 106. Vgl. ebd., Graf Flemming an Graf Hoym, 27. April 1726, f. 111. Vgl. ebd., Graf Flemming an Graf Hoym, 20. Mai 1726, f. 118. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 704/2, Flemming an De la Sarraz, 6. Februar 1726, f. 304. Ebd., Copie de Paris, 16. November 1725, f. 263; Flemming an De la Sarraz, 19. Dezember 1725, f. 273b. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 691/1, Kabinettssitzung, 11. März 1723, unfol. Vgl. ebd., Kabinettssitzung, 11. März 1723, unfol. Ebd.

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4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

Sachen“ befördert hatte, da ihm Leszczyński angeblich eine Stelle in Straßburg in Aussicht gestellt hatte.952 Wegen seiner Qualitäten im Amt und einem guten Leumund scheinen die Vorwürfe aber nicht glaubhaft gewesen zu sein. Es ist weder zu einer Untersuchung noch zu einer schweren Bestrafung Jacobis gekommen. Der Fall entpuppte sich als Intrige zur Vertuschung falscher Rechnungslegung.953 1729 ergriff der Kapitän Hauptmann – der später beste Agent Augusts II. – einen überzeugten Anhänger Leszczyńskis, Hartmann Pistoris. Dieser hatte früher in sächsischem Dienst gestanden, bis all seine Güter privatisiert wurden und er entschied, Leszczyński zu unterstützen.954 Bald darauf wurde ein gewisser Chevremont arretiert, der früher als Spion sowohl für Frankreich als auch für den Kaiser gearbeitet hatte und nun für Leszczyński zusammen mit einem Medicus offenbar für einen gefährlichen Anschlag Chemikalien in einem Labor mischte.955 Er sei „ein anderer Clement“, hieß es unter Berufung auf den Abenteurer Johann Michael Klement, denn er habe sich „die Larve aufgesetzt“ und die Mächte gegeneinander ausspielen wollen, indem er „ungleiche Nachrichtungen“ verbreitete.956 1733 wurde der Staatsgefangene Abbé Desseaults, dem offenbar Spionage zur Last gelegt worden war, aus dem Arrest in Sonnenstein entlassen und musste schwören, dass er das Königreich Polen mit all seinen Provinzen und die sächsischen Lande nicht mehr betreten werde.957 Es heißt in dem Bericht des Gouverneurs von Dresden, der Abbé habe bei der Verlesung der Bedingung gestutzt, da er in Polen seine Verwandtschaft und seine Güter habe, musste aber schließlich einwilligen. Die feierliche Abschwörung ging mit Kruzifix und Lichtern vonstatten. Zusammen mit dem Abbé durfte auch der Comte Marini die Veste Sonnenstein verlassen. Die Rechnung über die Verpflegungskosten Desseaults für den Arrest vom 28. September bis zum 10. Dezember belief sich auf monatlich folgende Summe. Tabelle 25: Verpflegungskosten des Staatsgefangenen Desseault für zwei Monate Posten Ess-, Trink- und Waschgeld Klafter Holz inkl. Macher- und Trägerlohn Bett Aufwärterin Monatlich Gesamt 952 953 954 955 956 957

Kosten 7 RT 3 RT 1 RT 1 RT 13 RT 26 RT

Vgl. Kobuch 1988, S. 194. Vgl. SächsHStAD, 10079 Landesregierung, Loc. 25192. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3497/12. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1392/4. Ebd., f. 59, 141b. Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14503/9, Bericht vom 9. Dezember 1733, unfol.

6 gl. 8 gl. 18 gl. 8 gl. 16 gl.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Hiermit wird deutlich, dass das Gouvernement Dresden die Verpflegungszeiten abrundete, somit für die zweieinhalb Monate Desseaults nur zwei Monate berechnete. Zum Jahresende 1733 schien es dem sächsischen Envoye in Berlin, Obrist von Ponickau, ratsam, die Dresdner Regierung auf einen reisenden Heiducken hinzuweisen, der von Berlin aus unter dem Namen Hans Georg Schelle unterwegs zu seiner Familie in Dresden sei.958 Bis vor Kurzem habe Schelle beim Marquis de Monti gedient, von dem zuletzt allerhand verdächtige Briefe nach Dresden geliefert worden seien. Hier handelt es sich offenbar um Antoine-Felix de Monti, den französischen Sondergesandte in Polen, der eifrig für Leszczyński agierte. Deshalb erachte er es als ratsam, Schelle bei seiner Ankunft zu examinieren. In der Tat erwartete ihn der Generalleutnant Graf von Castell am 5. Januar bereits am Weißen Tor und ließ ihn zweimal verhören und gründlich durchsuchen. Der 40jährige Schelle wusste einige Details über die Truppenwerbungen Leszczyńskis in Danzig zu berichten: die Armee nehme Krumme und Lahme, wäre noch nicht montiert und hätte noch keine Pferde. Die Stadt Danzig sei „gut stanislaisch“ und erwarte eine französische und eine schwedische Flotte. Im Gegenzug für seine Auskünfte erhielt Schelle nach zwei Tagen gegen Kaution die Freiheit, wurde aber noch einige Zeit observiert.959 August II. wie auch sein Nachfolger sahen sich also immer wieder in seinem Verdacht bestätigt, dass Stanislaus Leszczyński gegen sie operiere. Das weist auch der folgende Fall aus. Wegen eines beabsichtigten Attentats auf den König kam zusammen mit anderen Arrestanten ein Mann namens Daniel Trützschler am 12. Oktober 1735 auf die Festung Sonnenstein.960 Er war Kavalier bei der königlichen Wache Augusts III. und hatte bereits vor Weihnachten 1734 in Kopenhagen dem französischen Gesandten vorgeschlagen, er könne für Stanislaus Leszczyński gegen eine Summe Geld den polnischen König ermorden.961 Der Gesandte sagte ihm, er wolle beim nächsten Treffen die Einzelheiten besprechen, ließ ihn festnehmen und den dänischen König unterrichten. In seinem Bericht schrieb der sächsische Gesandte in Kopenhagen, Graf von Plessen, der französische Gesandte habe nichts Eiligeres zu tun gehabt, als diese Affäre auch dem Gesandten in Stockholm zu berichten, um von ihm bewundert zu werden. Trützschler sei ein Schelm und zu einer solchen Tat jedoch nicht fähig und habe gestanden, dass er einen Freund am Hofe des polnischen Königs mit dem Mord beauftragen wollte.962 Brühl vermisste nun eine Meldung seines Gesandten in Stockholm über die dort eingetroffene Nachricht, und der Gesandte Adam Adolph von Utterodt musste sich rechtfertigen. Er schrieb, er könne die Authentizität der Neuigkeit nicht garantieren und habe nicht geglaubt, darüber Nachricht machen zu müssen. Auf irgendeine Art

958 959 960 961 962

Vgl. ebd., Ponickau an Minister Gottlob von Gersdorff, 30. Dezember 1733, unfol. Ebd., Generalleutnant Castell an Gouverneur Wackerbarth, 8. Januar 1734, unfol. Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14607/3. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc 1393/3, Graf Plessen an Graf Brühl, 2. Februar 1735, f. 2. Vgl. ebd., Graf Plessen an Graf Brühl, 16. Februar 1735, f. 5.

4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

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und Weise gelang Trützschler im Sommer 1735 die Flucht, denn ein Emissär brachte aus Königsberg die Kunde, Trützschler sei dort bei Stanislaus, von dem er Order erhielte.963 In Polen war man in größter Sorge. Graf Plessen wurde per Estafette angewiesen, que vous ayez à vous informer, des que vous l’aurez recüe, sous main et sans bruit, mais par un Canal seur et indubitable, dequelle maniere ce Tritschler est sorti de sa prison.

Seinen Bericht solle er zusammen mit einer genauen Personenbeschreibung gleichfalls über eine Estafette mitteilen. Einige Tage später schrieb Plessen, er habe erfahren, dass Trützschlers Schwester Kammermädchen bei der polnischen Königin sei und stets die Morgenschokolade zubereite. Bei dieser Gelegenheit habe sie auf ein Zeichen ihres Bruders Gift in die Tasse des Königs geben sollen.964 Trützschler habe 6.000 Ecus vom französischen Botschafter gefordert und sei entkommen, da der dänische König ihm mehrere Male Ausgang gewährt habe. Am 1. September gelang die Verhaftung in Danzig.965 Trützschler kam in die Festung an der Weichselmündung und sagte aus, er sei nur einem Dieb von Königsberg nach Danzig gefolgt, der ihm einen Wechsel über 64 Reichstaler gestohlen habe.966 Später gab er zu, dem französischen Gesandten den Mordplan vorgeschlagen zu haben. Aber er hätte die Tat nie ausgeführt, sondern mit dem Geld sein Glück machen wollen. Er sei auf die Idee gekommen, da er als Werber für Stanislaus arbeitete.967 Die Überführung auf die Festung Sonnenstein fand im Herbst 1735 statt. Der sächsische Generalfeldmarschall, Herzog Johann Adolf von Sachsen-Weißenfels, bekam die Oberaufsicht über den Gefangenen, dessen Verpflegungsgeld von vier auf drei Groschen täglich herabgesetzt wurde.968 Im Original heißt die Anklage, Johann Daniel Trützschler sei „wegen einiger gefährlichen Untersuchungen wieder Ihro Königl. Mt. höchste Persohn […] berüchtigt“ und solle zeitlebens in sicheren Gewahrsam genommen werden.969 Mangels Platz im Gewölbe am Tor untergebracht, erhielt er zum Frühstück eine Semmel, zum Mittag eine Suppe, ein Stück gekochtes oder gebratenes Fleisch, ein Zugemüse oder ein Salat und eine Semmel sowie eine Kanne Bier und abends eine Kanne Bier, eine Semmel mit Butter. Er sei ein „verwegener Mensch“ und werde versuchen, sich zu befreien.970 Deshalb wurde verfügt, dass er „unbarbiert bleiben“ solle.971 Er unterbreitete in einem Brief dem Herzog von Sachsen-Weißenfels sein angeblich geheimes Wissen über eine Frau, die alle Informationen vom polnischen König August III. direkt an dessen Gegen963 964 965 966 967 968 969 970 971

Vgl. ebd., Order an Graf Plessen, 20. August 1735, f. 9. Vgl. ebd., Graf Plessen an Graf Brühl, 30. August 1735, f. 10. Vgl. ebd., Graf Bülow an Graf Brühl, 1. September 1735, f. 17. Vgl. ebd., Ausage, 2. September 1735, f. 21 Vgl. ebd., weitere Aussage, 22. September 1735, f. 32. Vgl. ebd., Herzog Johann Adolf von Sachsen-Weißenfels an August III., 7. Dezember 1735, f. 45. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14607/3, f. 2. Ebd., f. 9. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1393/3, Vortrag, 14. Dezember 1735, f. 59.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

spieler Stanislaus Leszczyński weiterleitete, mit dem sie gemeinsam die Heilige Messe besuche.972 Diese äußerst unglaubhafte Geschichte führte Trützschler nicht aus der Haft, denn der Herzog verbat sich weitere Briefe des Gefangenen. Am 1. Mai 1741 starb Trützschler in seiner Zelle, vermutlich an Krebs, den die Feldärzte 1738 diagnostiziert hatten.973 Der sächsisch-polnische Hof bemühte sich erfolgreich, die Affäre einigermaßen geheimzuhalten. So kam es, dass erst im Februar 1736 der preußische und der russische Hof sowie Graf Manteuffel von dem Komplott erfuhren.974 Die Beziehungen zwischen Sachsen und Preußen im Kontext der Affäre Klement Das Verhältnis zum nördlichen Nachbarn war traditionell von besonderer Qualität, da Nachbarschaftsstreitigkeiten immer wieder die sonst freundschaftlichen Verbindungen unterbrachen. Das prinzipiell gute Einvernehmen beruhte wesentlich auf der sächsisch-brandenburgisch-hessischen Erbverbrüderung und wurde mit zahlreichen Verbrüderungsbildern und -gesten beider Herrscher zelebriert. Als sich die Fürstenkonkurrenz in Europa verstärkte, nahmen auch die Spannungen zwischen Sachsen und Preußen zu, konnten aber in mehreren Verträgen beigelegt werden. Doch einer Fortführung der seit Generationen gepflogenen verwandtschaftlichen Beziehungen waren durch die Konversion des Wettiners ein Riegel vorgeschoben. Der konfessionelle Unterschied gab gelegentlich Anlass für Diskussionen. 1716 hatte Flemming zufolge der preußische König gegen die Katholiken Drohungen ausgestoßen, deren Ausführung verhindert werden müsse.975 In diplomatischen Gesprächen räumten die Gesandten die konfessionspolitischen Streitpunkte aus. Grundsätzlich waren sich die Könige Friedrich Wilhelm I. und August II. einander nicht unsympathisch. Zur Bestärkung des neuen Handelsvertrages wurde 1728 eine gemeinsame Gesellschaft begründet, die „Societé des antisobres“.976 Die Vorbereitungen dazu liefen im Geheimen ab. Ende Januar erhielt Flemming ein königliches Schreiben mit speziellen Instruktionen. Die geheimen Räte sollen über einer „gewißen dem Generalfeldmarschall bekannten Angelegenheit“, über die der König ihm vor der Abreise schon seinen Willen „entdecket“ hatte, „Deliberation pflegen“.977 Flemming solle nun die Grafen von Manteuffeln, Seebach und Zech zu Rate ziehen und mit ihnen nach reiflicher Überlegung ein Gutachten erstellen. Das 972 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14607/3, eigenhändiges Schreiben Trützschlers, 25. Januar 1736, f. 33. 973 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1393/3, Vortrag, 31. Mai 1738, f. 54. 974 Vgl. ebd., Graf Ponickau an Graf Brühl, 25. Februar 1736, f. 48. 975 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 744/6, Flemming an Puchet, 16. Januar 1716, unfol. 976 Vgl. Haake 1900; Rous 2014b; SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 668/5. 977 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2090/36, Brief Augusts II. an die Gräfin Flemming, 31. März 1728, unfol.

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Besuchszeremoniell für den preußischen König, seinen Sohn und die höfische Elite besorgte Graf Wackerbarth. Die von Festivitäten umrahmten Gespräche mündeten nicht nur in den Handelsvertrag, sondern auch in jene „Gesellschaft zur Bekämpfung der Nüchternheit“. Die Mitglieder, ein Großteil des preußischen Tabakskollegiums und der sächsischen Militärelite, gaben sich Decknamen und befolgten geheime Statuten. Regelmäßige Besuche und Gegenbesuche zum gemeinsamen Trinken, Jagen und Amusement schufen ein vertrauensvolles Klima. Man beschenkte sich gegenseitig mit ausgesuchten Weinen und Musikanten. 1729 fragte der preußische dirigierende Minister Grumbkow in Dresden an, ob man sich nicht zu zweit enger an den Kaiser anbinden wolle, um den Frieden im Reich zu erhalten.978 In Pirna wurde ein mehrtägiges Gelage veranstaltet; die schriftlichen Zeugnisse berichten von reichlichem Alkoholkonsum. Inhaltliche Aspekte rückten völlig in den Hintergrund, und statt dessen wurden Anekdoten von umgekippten Nachttöpfen, umschifften Höhlen der Nüchternheit und vinographischen Bibliotheken ausgetauscht.979 In einer solch fröhlich-vertraulichen Stimmung ließen sich kleinere Unstimmigkeiten rasch beilegen. So gab es eine Affäre um zwei ungarische Rekruten, die bei Magdeburg herumspionierten.980 Dem Kommandanten von Magdeburg zufolge hatten sich ein Unteroffizier und ein gemeiner Rekrut als sächsischer Untertan und Arzt ausgegeben, um angeblich Medizin nach Coburg zu bringen. Sie wurden unweit Gommern arretiert und nach Belzig abgeführt. Graf Wackerbarth wünschte deren Auslieferung, die Preußen aber versagte und stattdessen sechs Janitscharen-Musiker sandte.981 Die Säulen der sächsisch-preußischen Beziehungen waren Grumbkow, Wackerbarth und Manteuffel. Die beiden letzteren hatte schon vor 1728 eine enge Freundschaft verbunden.982 Wackerbarth und Grumbkow standen sich wegen ihrer gemeinsamen Heimat Pommern nahe.983 978 Vgl. SächsHStAD, 10026, Loc. 2969/9, Vorschlag für eine Defensiallianz, 22. Januar 1729, unfol. 979 Vgl. ebd., Journal, f. 48 ff.; ebd., Loc. 3423/5, Brief vom 7. Mai 1729, unfol. 980 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3281/2, König Friedrich Wilhelm  I. von Preußen an Graf Wackerbarth, 13. September 1731, f. 29. 981 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3281/2, Graf Wackerbarth an König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, 29. September und 11. Dezember 1731, f. 66, 72. 982 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3424/6; Loc. 3381/3. 983 So schrieb Wackerbarth nach Berlin in Mundart: „Denn glöfft my man myn leuwer Pommerscher freynd dat ick an de Schererey so enn Adam bin dat nüscht daran affgahn sall. Schrifft my doch wat unse leuwe Compatron mackt, denn ick hör gar to lydent gern wennn he lostig un von goder humeur is Och wenn my beyde man ock nunu deufl von der welt Patron au Compatron wern de dyfel selwst soll uns nich de lost verdriewen Unse Patron de es curi gesund un lett sick woll wesen. Wull doch de lewe gott dat wy man by de vorsynde besichtigung von syne kriegs lyede so macken können, dat he nu de Compatron davunt to frehyde was. Ick well das to dohn wat ick kan, un nu paß ick all unt ehl ungedult op de zydt da ick jun Patron meynem blohten degen mit num groten Buckling weisen kan. Bunt dahen plagt, ju man mich unt dem schrinwen au my, ick halb ock genoch to dohn, dat ick mich alle tydt so als ick wohl wull antworten kan. Behnnt ju de lewen Gott, supt mich to recht und glöfft my man dat ick von harten bin jun Mecklenburgischer freund und denner

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Zur Beruhigung der anderen Mächte war ein „Pro-Forma-Traktat“ mit fingierten Paragraphen aufgerichtet worden. Der preußische Staatsminister Ilgen befürchtete aber, damit mehr „srupulierens“ zu wecken, so dass jenes Traktat im Schreibtisch verblieb.984 Zur weiteren Stabilisierung der Beziehung schrieb der mit dem Pseudonym „Diaphan“ versehene Ulrich Friedrich von Suhm bis 1740 mit Kronprinz Friedrich 62 Briefe und unterhielt eine vertrauliche Korrespondenz mit Peter Ludwig Dumoulin, dem späteren General unter Friedrich II.985 Die Freundschaft zwischen Patron und Compatron kommt auch in den Porträts der Könige und der preußischen Königin zum Ausdruck, die 1809 von einem Konditor im Haus Grumbkows wieder entdeckt wurden.986 Ein weiteres Indiz für das sächsisch-preußische Einvernehmen ist der Umstand, dass die preußischen Gesandten in ihren Relationen so gut wie keine Chiffren benutzten. Im ganzen Jahr 1718 sind lediglich drei Postskripta verschlüsselt worden, die die Situation in Kurland thematisierten.987 Der Bruch des guten Verhältnisses kam erst in der nächstfolgenden Generation zustande, als nach dem Regierungsantritt Friedrichs  II. die Vertraulichkeiten endeten. Dennoch hat es auch in der Regierung Augusts II. mehrere Krisen im sächsisch-preußischen Verhältnis gegeben, von denen die schwerste wohl die Affäre Klement war. 1718 bezichtigte der 30jährige Abenteurer Johann Michael Klement in Berlin Flemming und den Prinzen Eugen eines Anschlags auf die Person des Königs in Preußen.988 Diese angebliche Verschwörung hatte sich Klement aus persönlichen Rachegründen und Geltungssucht erdacht. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits ein geübter Spion und hatte zuvor dem Prinz Eugen die gestohlenen Papiere des Fürsten Rákóczi ausgeliefert, bei dem er als Agent im ungarischen Aufstand tätig gewesen war. Er hatte sich zunutze gemacht, dass Ungarn die Protestanten mehr und mehr zu gewinnen suchte, um mit ihnen gemeinsam gegen den Kaiser zu agieren. Die Bedeutung ungarischen Weines als Bestechungsmittel in Mitteleuropa und den Zusammenhang zwischen dem ungarischen Aufstand und der Weinbörse hat Alexander Schunka hervorgehoben.989 Weiterhin erschienen Klement gefälschte Pässe und Briefe, chiffrierte Nachrichten, Pseudonymität und Korruption probate Mittel zu seiner Besserstellung. Der preußische Hofprediger

984 985 986 987 988 989

de olle Wackerbart. Greent doch den ehrlacken Germanicus un sagt em man Hyth hebb ick denne Tydt noch wat och fantzosisch to schrieven. Zum broder gresst ju den breff, de Patron hesst nu leuf awers ick segge nu immer he soll kene Schulden machen dat sagt nu man ock.“ Vgl. SächsHStAD, 10026, Loc. 3423/5, Brief Wackerbarths an Grumbkow, 10. April 1730, unfol. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 395, Ilgen an König Friedrich Wilhelm I., 23. Februar 1728, unfol. Vgl. GStA PK, VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Ulrich Friedrich von Suhm, Nr. 1; SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3058/1, Brief vom 15. Januar 1729, unfol. Vgl. GStA PK, BPH Rep. 46, Friedrich Wilhelm I., Nr. L. 5. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, Z L, fasc. 34, Reskripte vom 22. Januar und 19. Juli 1718, unfol. Vgl. „Flemming, Jacob Heinrich Graf von“ von Heinrich Theodor Flathe, in: ADB, Bd. 7 (1878), S. 117–118. Vgl. Schunka 2014.

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Jablonski engagierte sich soweit, dass er heimlich mit Klement in die Niederlande und nach England reiste und Geheimbriefe aus Ungarn erhielt. Als die politische Situation der Ungarn ausweglos geworden war, hatte der hoch verschuldete Klement 1715 die Seiten gewechselt und Prinz Eugen exklusive Informationen geliefert. Prinz Eugen hatte ihm jedoch die erhoffte Stellung vorenthalten, so dass er sich in Brüssel und Paris mit gefälschten Plänen des Prinzen Geld erhoffte. Max Braubach titulierte Klement dementsprechend als „Malefizkerl“.990 1717/18 wandte er sich mit dem gleichen Geldbeschaffungstrick nach Dresden und bot dem Grafen Flemming seine Dienste an. Der im Handschriftenkopieren und Siegelfälschen beschlagene Klement versuchte, auf Kosten von Österreich und Sachsen sein Glück zu machen. Er sammelte drei finanziell ruinierte, aber mit großem Wissen ausgestattete Hofbeamte aus Berlin um sich und erfuhr alle nötigen Details des preußischen Hofes. Es handelte sich um den preußischen Finanzrat von Heidekam, den Kriegssekretär Bube und den Weimarer Residenten in Berlin namens Lehmann, mit deren Hilfe Klement eine Verschwörung gegen Friedrich Wilhelm I. vorbereiten konnte.991 Von Dresden aus schrieb er über Jablonski an den König und bat ihn um eine persönliche Unterredung, um ihm Wichtiges mitzuteilen. Klement wurde ein Paß nach Berlin ausgestellt, und Friedrich Wilhelm I. besuchte ihn in Jablonskis Wohnung am Oranienburger Weidendamm. Dort eröffnete ihm der selbsternannte Agent des Ministers Flemming, Dresden und Wien hätten ein Komplott gegen ihn geschmiedet. Wenn eine Allianz zwischen Preußen, Sachsen und dem Kaiser nicht zustande käme, sollte Friedrich Wilhelm I. gefangengenommen und eine Vormundschaftsregierung eingesetzt werden, solange sein Sohn in Wien bis zur Volljährigkeit eine katholische Erziehung genösse. Er sei beauftragt, in Den Haag die Seemächte für den Plan zu gewinnen, habe sich aber wegen seiner Neigung für den protestantischen Glauben zur Offenbarung der Verschwörung entschlossen. Wegen der kaiserlichen Politik gegen die Protestanten und die preußischen Ansprüche auf Geldern, Limburg und Jülich schien dem König dieses Komplott durchaus glaubhaft. Zur Krönung übergab Klement ihm gefälschte Briefe von Flemming, Prinz Eugen, verschiedenen preußischen Ministern und auch dem alten Freund des Königs, Leopold von Anhalt-Dessau. Friedrich Wilhelm I. ließ ihn mit einem großzügigen Geldgeschenk von 12.000 Reichstalern weiterreisen und war fortan misstrauisch gegen jedermann, bis er schließlich dem Dessauer von jener Verschwörung berichtete und dieser ihn überzeugen konnte, einem Betrüger aufgesessen zu sein. Als der preußische König weitere Beweisbriefe zu sehen wünschte und Klement erklärte, sie seien in Den Haag, ließ man ihn dahin reisen, um die Briefe zu holen. Als

990 Vgl. Braubach 1963–65, Bd. 4, S. 57. 991 Für die folgenden Ausführungen vgl. Hiltl, Adolf: Jakob Clement, in: Die Gartenlaube 28 (1863), S. 440–444. Hiltls falsche Namensgebung für Johann Michael Klement basiert auf einem Fehler von Karl Gutzkow: Gutzkow, Karl: Chevalier Clement. Novelle, in: Morgenblatt für gebildete Stände, Bd. 22, Bd. 27, 199–209 (1833), 20. August–31. August 1833.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

der König nun befürchtete, Klement würde sich absetzen, schickte er ihm Jablonski mit dem Offizier Demoulin nach, um Klement zurück nach Berlin zu locken. Von dort übermittelte Jablonski an Rákóczi geheime Nachrichten über Klement, informierte ihn über die Weiterreise des Prinzen Eugen nach England und bat um ein Faß Wein.992 Demoulin verhinderte eine Flucht Klements auf dem Rückweg in Cleve. In Berlin wurde Klement im Beisein des Königs verhört und auf der Zitadelle Spandau gefangen gehalten. Erst angesichts der Folter gestand Klement die Betrügerei ein und sagte aus, dass die Höfe von Wien und Dresden nie eine Gefangennahme des Königs geplant hätten und dass alle Briefe gefälscht seien. Friedrich Wilhelm wollte nun wiederum nicht an das Geständnis glauben, da er meinte, Klement sei das Bauernopfer der großen Verschwörung gegen ihn. Der sächsische Legationssekretär Wilhelmi stand im Verdacht, in die Verschwörung verwickelt zu sein. Preußen bemächtigte sich heimlich seiner Chiffren, was einen Disput über die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Völkerrecht nach sich zog.993 Die sächsische Regierung tat sich nun schwer mit der Auslieferung des zu August II. geflohenen Lehmanns. Man wünschte zu wissen, „ob derselbe zur Captur hinlänglich graviret“ war, und mochte auch nicht ignorieren, dass Lehmann Weimarer Agent war.994 Aus einem Bericht des aus dem Urlaub über Berlin zurückgereisten Kapitäns von Bernewitz war hervorgegangen, dass Wilhelmi sehr hart behandelt wurde und die Grobheit der preußischen Durchsuchung auf Befehl von Ilgens „ärger alß bey Türcken und HottenTotten“ beschrieb.995 Eine Frau aus Manteuffels Haushalt hatte das Treffen zwischen Bernewitz und dem ihrer Aussage nach nur von Spionen umgebenen und damit quasi unter Hausarrest stehenden Wilhelmi arrangiert.996 Als der Baron von Ilgen den König von Polen von der Mittäterschaft Lehmanns überzeugen konnte, wurde dieser auf der Festung Königstein arretiert. Erst die schriftlichen Proteste, die der Generalleutnant Adrian Bernhard von Borcke aus Wien und Dresden lieferte, konnten die Affäre beschließen. August II. lieferte Lehmann aus, da er sich dem Kaiser und dem König von Preußen „willfährig erzeigen“ wollte.997 Wilhelmi hatte als Faustpfand den gewünschten Effekt gehabt. Er konnte fortan wieder seiner Tätigkeit als Weimarer Agent in Berlin nachgehen. Die drei vermeintlichen Mittäter folgten Klement nach Spandau. Der Kriegssekretär Bube, der aufgegriffen worden war, als er in Frauenkleidern an einem der Berliner Tore auf und ab flanierte, vergiftete sich.998 Klement wurde 1720 gehängt, Lehmann geköpft und ge992 Vgl. AFSt, Daniel Ernst Jablonski an Franz II. Rákóczi, 5. Januar 1712 [eigentlich: 1719], Stab/F 11,2/17: 91. 993 SächsHStAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 4603/13, Protokoll, 20. Dezember 1718, f. 19–28; ebd., Gutachten der Geheimen Räte, 19.1.1719, Bl. 55–65; Matzke 2011, S. 39. 994 Ebd., Sächsische Räte an den preußischen König, 21. Dezember 1718, f. 9. 995 Ebd., Bericht von Bernewitz’, 20. Dezember 1718, f. 22. 996 Vgl. ebd., f. 20–22. 997 Ebd., Erlass Augusts II., 26. Juni 1719, f. 92. 998 Vgl. Klepper, Jochen: Der König und der Abenteurer, in: Der Vater. Roman eines Königs, Berlin 1937.

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vierteilt, der ehemalige Baron Heidekam, zu lebenslanger Haft verurteilt, überlebte nur zwei Jahre. Alle weiteren Denunzierten wurden freigelassen. Jablonski brauchte einige Monate, um seine Verwicklung in den Fall aufzuklären. Er gelangte zwar wieder in sein Predigeramt, musste sich aber allen politischen Kontakten enthalten. Der Pietismus gewann am Berliner Hof in dem Maße an Einfluss, wie Jablonskis Prestige abnahm. Diese zentrale Rolle des Hofpredigers ist in der Jablonski-Forschung bis zu Alexander Schunkas Entdeckung nicht bekannt gewesen.999 Es zeigt sich hier einmal mehr der Wert der Mikrogeschichte, um derlei Hintergrundbeziehungen aufzudecken. Die direkten diplomatischen Folgen waren nicht weniger weit reichend: Prinz Eugen war ernstlich verstimmt, dass man ihm die Rolle des „Räuberhauptmannes“ zugetraut hatte.1000 Preußens internationales Renommee hatte Schaden genommen, doch durch gutes Krisenmanagement konnte die Freundschaft mit Sachsen gewahrt werden. Der preußische Kriegsminister Katsch war im Auftrag Friedrich Wilhelms I. bei August II., um ihn davon zu überzeugen, dass die preußische Bewaffnung nur defensiven Charakter hätte und nicht gegen Sachsen gerichtet sei. Im Gegenzug sollte Sachsen seine „Werbungsexzesse“ und Rüstungsvorbereitungen einstellen, damit durch Klements „vergifftetes Anbringen“ das gute Einvernehmen nicht getrübt werden könne.1001 Die Grafen Katsch, Posadowsky, Manteuffel und Flemming hielten ein abendliches Treffen und eine morgendliche Konferenz ab, bis schließlich alle „völlig zufriedengestellt“ waren und Flemming sogar in Sachsen „nach langen Kerls suchen“ wollte.1002 In der Tat war in der preußischen Regierung der Respekt vor der sächsischen Armee zu jener Zeit noch hoch.1003 Eine Interzeption sächsischer Post hat es nicht gegeben, denn die wenigen Interzepte aus der Regierung Friedrich Wilhelms  I. stammen von nichtsächsischen Adeligen.1004 Besonders der Vorsprung in der Kartographie soll, wie jüngst Frank Göse festgestellt hat, „beträchtlich“ gewesen sein.1005 Bis zum Regierungswechsel in Berlin 1740 ist angesichts des personellen und kulturellen Austauschs und wiederholter Kontroversen eine friedvolle Koexistenz mit einem unterschwelligen Misstrauen zu beobachten. Es war für die sächsische Regierung eine Herausforderung, sich im Zuge der Aufladung des Dualismus zwischen Berlin und Wien als „Pufferstaat“ im Koordinatensystem zu positionieren.1006 999 Vgl. Bahlcke, Korthaase 2008; Schunka 2014. 1000 Schunka 2014 S. 196. 1001 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 58, Ilgen an Katsch, 30. September 1719, unfol. 1002 Ebd., chiffrierte Berichte Katschs, 7. und 10. Oktober 1719, unfol. 1003 Vgl. Göse, Frank: Ressentimentgeladenheit und Rezeptionsbereitschaft: Bemerkungen zum kursächsisch-preußischen Verhältnis auf dem Gebiet der Militärgeschichte von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Müller, Christian Th.; Rogg, Matthias (Hrsg.): Das ist Militärgeschichte! Probleme – Projekte – Perspektiven, Paderborn, München, Wien u. a. 2013, S. 383–398. 1004 Vgl. GStA PK, VI. HA, Nl Grumbkow, F. v., Nr. 2, sechs aufgefangene Briefe von Mons. Reichenbach und Mons. Tulmeier, 30. September 1730, f. 1–5. 1005 Ebd., S. 392. 1006 Vgl. ebd., S. 394 f.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Verhältnis mit Rom und Wien Durch die Konversion 1697 setzte Papst Innozenz XII. große Hoffnungen in August II., die Gegenreformation voranzutreiben. Nicht zuletzt von der Verteidigung katholischer Angelegenheiten machte sein Nachfolger Clemens XI. seine Politik gegenüber Sachsen abhängig. Flemming erhielt den Auftrag, am Kaiserhof die Vermählung des Kurprinzen mit einer Kaisertochter zu verhandeln, die August II. bereits 1701 vom Nuntius, Francesco Pignatelli, vorgeschlagen worden war.1007 Der Bedingung Wiens, die Pragmatische Sanktion anzuerkennen, stellte Sachsen den Wunsch gegenüber, die älteste Tochter für die Hochzeit zu erhalten. Schließlich reiste nach hartnäckigen Verhandlungen die Erzherzogin Maria Josepha, älteste Tochter Josephs I., die ältere Cousine von Maria Theresia, nach Dresden.1008 Der Erfolg war durch eine Korrespondenz Flemmings mit einigen führenden Damen des Wiener Hofes befördert worden.1009 Graf Wackerbarth erledigte mehrere Sondergesandtschaften nach Wien und ließ den sächsisch-polnischen Hof nach seiner Abreise von seiner Frau weiter mit Informationen versorgen. Die Gräfin Wackerbarth schrieb ab 1706 dem Grafen Flemming etliche chiffrierte Briefe über „Nouvellen“ am Wiener Hof.1010 Der Druck aus Rom führte dazu, dass der Prinz 1712 heimlich zum Katholizismus übertrat. Erst als 1717 mit Anna Sophie die evangelische Mutter Augusts II. auf ihrem Witwensitz, Schloss Lichtenburg in Prettin, starb, wurde die Konversion bekannt gemacht. Preußen allerdings hatte schon längst, sogar vor dem tatsächlich erfolgten Glaubenswechsel darauf spekuliert.1011 Die darüber erstellte Akte ist jedoch aus dem Archiv verschwunden. 1719 feierte der Hof die Hochzeit mit in Dresden zuvor nie gesehener Pracht, u. a. durch mehrwöchige Planetenfeste. Das Verhältnis zwischen Kaiserhof und August II. blieb dennoch angespannt, da es nicht gelang, Sachsen-Polen vollständig ins kaiserliche Lager zu ziehen. Immerhin unterstützte der polnische König aber offenbar die Wiener Ziffernkanzlei, die an sämtlichen mitteleuropäischen Verkehrsknotenpunkten interzipierte, und der August II. von Polen „besonders professionelles Logenpersonal“ für die Wiener Ziffernkanzlei gestellt habe.1012 Im Hintergrund jedoch interzipierte Flemming fleißig die Korrespondenz des Reichshofratspräsidenten von Wurmbrand und des kaiserlichen Feldmarschalls Friedrich Heinrich von Seckendorff.1013 Er bekam aber nur ein Stück weit Einblicke in die Perzeption in Wien, da die chiffrierten Textabschnitte für die Dresdner Kanzlisten nicht auflösbar waren. 1007 1008 1009 1010 1011 1012 1013

Vgl. Knöfel 2009. S. 204. Ebd., S. 203–217. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3301/2. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 714/1. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1626; Nr. 1627. Beyrer 2007, S. 56. Vgl. HHStAW, AT-OeStA/HHStA StK Große Korrespondenz 226/1.

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Die Einbindung Manteuffels in das geheime Netzwerk des Prinzen Eugen von Savoyen überbrückte den Abstand zwischen Wien und Berlin und verhalf dazu, 1728 einen Freundschaftsvertrag zwischen Friedrich Wilhelm  I. und August  II. abzuschließen. Manteuffels Sturz ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass die profranzösische Partei um Karl Heinrich von Hoym am Dresdner Hof stärker war als Prinz Eugens Agenten. Manteuffel hatte zuvor noch versucht, Hoym seinerseits zu Fall zu bringen, indem er mit Hilfe von Abschriften aus Briefen Hoyms an Prinz Eugen dessen Unehrlichkeit belegen wollte. Allerdings war Prinz Eugen in diesem Punkt nicht kooperativ, da er nicht absehen konnte, wer von beiden seine Position behaupten würde.1014 Durch die Schlesische Frage forderte Preußen bald darauf Habsburg und Sachsen heraus, die sich daraufhin einander annäherten. Neben territorialen Gewinnen erhoffte sich Friedrich II. von Preußen auch die Erlangung des Vorsitzes im Corpus Evangelicorum, die wegen der Konversion 1700 formal auf Sachsen-Weißenfels übergegangen war. Graf von Flemming schrieb 1757, Preußen habe schon zu deutlich sein Bestreben, das Directorium „an sich zu reißen […] verrathen.“1015 Die Entwicklung gipfelte im preußischen Einmarsch 1756. Als Informant für Angelegenheiten des Heiligen Stuhls hatte August II. den Agenten Puchet in Rom.1016 Puchet war in Rom zunächst als Legationssekretär, ab 1717 als Resident tätig.1017 Sachsen-Polens Interesse an der päpstlichen Politik war angesichts der konfessionellen Schwierigkeiten in der Personalunion ungemein hoch. Flemming beauftragte Puchet, mit Kardinal Albani Freundschaft zu schließen, damit August III. dadurch noch zuverlässiger Nachrichten aus dem Pontifikat erhalte. Kardinal Albani erschien dem Grafen Flemming gar als Beschützer des polnischen Königreiches.1018 Dennoch rückte Albani nicht auf die Gehaltsliste des Königs: Au reste sur ce qu’il vous a dit de sa pension vous luy avez fort bien repondu que l’argent etoit fort rare en Pologne.1019

Ein weiterer wichtiger Kanal verlief von dem Residenten Puchet über den Abbé Accoramboni. Er war Kanonikus im Ermland und Abt zu Warschau, Rat und Geheimer Sekretär in Italienischen Angelegenheiten.1020 Diesem berichtete Puchet mündlich die Details über das Auftauchen von Leszczynskis Emissär Czacki und leitete Briefe und Pakete des Agenten Puchet an Graf Flemming weiter.1021 Accoramboni wurde so wichtig, dass Puchet dafür plädierte, ihm selbst und auch Accoramboni eine Chiffre zu1014 1015 1016 1017 1018 1019 1020 1021

Vgl. Vogel 2003, S. 125. Copie Flemming 1757, S. 7. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Instruktion, Loc. 701/4, 13. Mai 1721, f. 1. Vgl. Matzke, S. 197. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, 701/4, Flemming an Puchet, 3 September 1724, Loc. f. 256. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 744/6, Flemming an Puchet, 26. August 1724, unfol. Vgl. Matzke 2011, S. 123. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 701/4, Rapport Puchets, 6. November 1723, f. 179.

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zuteilen.1022 Flemming reagierte etwas verärgert, dass Puchet schon die Chiffre besitze, um seine Rapporte, wann es ihm nötig erscheine, zu verschlüsseln.1023 Puchet war multiloyal, denn er wurde in seiner 20jährigen Zeit sowohl aus der Gesandtschaftskasse Augusts II. als auch von der Reszczpospolita bezahlt.1024 Ein weiterer Agent in Rom war Baron Hecker. Dieser sollte auf einer geheimen Mission 1721 in Rom eine Unterstützung der sächsisch-polnischen Politik seitens der Kurie absichern.1025 Er ging soweit, eigenmächtig den Grafen Flemming für die Nachfolge als Erzbischof von Gnesen in Position zu bringen, was der Vatikan als vielversprechendes Zeichen für die Rückkehr der Sachsen zur katholischen Kirche ansah – bevor Flemming diesem Plan sein Placet verweigerte. Sachsen im Spanischen Erbfolgekrieg Sachsen blieb von den Kampfhandlungen des Spanischen Erbfolgekrieges weitgehend unberührt. Allerdings bekamen die Einwohner und auch die Fürsten etwas von den Nebenkriegsschauplätzen und Stellvertreterkämpfen zu spüren. Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel hatte im Februar 1702 wegen der Übertragung der Kurwürde an die jüngere Linie seines Hauses durch den Act of Settlement von 1701 die Fronten gewechselt und war zum Gegner des Kaisers geworden. Als dieser ihn der Mitregentschaft enthob, floh er nach Sachsen-Gotha und konnte erst durch einen Vergleich seines Bruders im April 1702 und die Anerkennung der hannoverschen Primogenitur nach Wolfenbüttel zurückkehren. Parallel wurde die Freie Reichsstadt Nordhausen 1702 durch Brandenburg-Preußen besetzt. König Friedrich Wilhelm I. vereinbarte mit dem Braunschweiger Herzog Anton Ulrich in einem geheimen Traktat die Bildung einer Partei und die vertrauliche Behandlung der „Nordhäuser Sache“.1026 1705 informierte Dresden die Herzöge Johann Ernst  III. und Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar sowie Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach über ein Patent, das vom Fränkischen Kreistag in Nürnberg ergangen war und den Frontenwechsel der bayerischen Kurfürstin Therese Kunigunde betraf. Sämtlich „durchschleichende“ bayerische Truppen seien nach ihren kaiserlichen Pässen zu fragen und bei Nichtbesitz gefangen zu nehmen.1027 Auf die gleiche Weise machte man die Vettern auf die Kundschafterei durch gefangene Franzosen und jüdisches Bettlervolk aufmerksam.1028 1022 1023 1024 1025 1026 1027

Vgl. ebd., Rapport Puchets, 18. November 1724, f. 266. Vgl. ebd., Flemming an Puchet, 20. Dezember 1724, f. 268. Vgl. Matzke, S. 136. Vgl. Lemke 1962. Vgl. Kuhlbrodt 2011/12, S. 73. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9300/24, Nachricht an Sachsen-Weimar-Eisenach vom 28. Januar 1705, f. 1. 1028 Vgl. ebd., Nachricht an Sachsen-Weimar-Eisenach vom 3. Februar 1705, f. 3.

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4.3.3 Hinter den Kulissen des Kabinetts Augusts II. Der Sturz des Großkanzlers von Beichlingen 1703 Graf Wolf Dietrich von Beichlingen wurde 1693 in Dresden Hof- und Justizrat und bezog 600 Gulden im Jahr. Kurz darauf übernahm er zusätzlich das Amt eines Legationsrates, das ihm weitere 500 Gulden einbrachte. Als Wirklicher Geheimer Rat verdiente er nach 1697 über 4.000 Reichstaler. Verheiratet war er mit Anna Katharina von Neitschütz, der Schwester der Mätresse von Johann Georg IV., was eine „Hebelwirkung“ auf seine Karriere hatte. Bereits früh zeigte sich seine profranzösische Ausrichtung in der Beteiligung an der Freilassung des Grafen von Schöning. 1697 war er in die Geldbeschaffung zur Bestechung des polnischen Adels für die Königswahl in Polen eingebunden.1029 Nach dem Erfolg des sächsischen Kurfürsten mussten organisatorische Anpassungen für die Doppelherrschaft vorgenommen werden. So wurde Fürst Egon von Fürstenberg Statthalter des Kurfürsten in Sachsen. Zur Abwicklung der Regierungsgeschäfte und zur Kontaktpflege zwischen Polen und der Statthalterei wurde die Geheime Kammerkanzlei in Polen geschaffen. An die Spitze jener Kanzlei berief der König einen Großkanzler, der zwangsläufig in Konkurrenz zum Statthalter stand. Dieses Amt übte zunächst Herzog Christian August von Sachsen-Zeitz aus, bevor es Beichlingen zusammen mit den Geheimen Räten Flemming, Goltz und dem älteren Bose übernahm. Die Aufgabenteilung sah vor, dass Beichlingen die Kasse in Polen organisierte. 1699 wurde der Graf von Beichlingen zusammen mit dem Grafen Jordan nach Paris entsandt, um die Details eines Bündnisses zu verhandeln. Im Auftrag des Königs sammelte Beichlingen in Sachsen Geld für den Krieg und bemühte sich parallel um Friedensvermittlungen bei den Seemächten. Der an Einfluss gewinnende Graf Flemming und Graf Bose indes wollten den Krieg fortsetzen. Da ihnen Beichlingen im Wege stand, „musste dessen Ausschaltung […] wünschenswert erscheinen.“1030 Am 10. April 1703 wurde er wegen Verrats verhaftet. In der Leipziger Zeitung sowie in allen Post- und Gasthäusern wurden die Anklagepunkte gegen Beichlingen publiziert.1031 Als Indizien führten seine Gegner an, dass sein Ersuchen um militärische Hilfe an die Seemächte falsch adressiert gewesen sei, da diese mit Schweden paktierten. August II. ließ das von ihm selbst befohlene Anerbieten an die Seemächte somit Beichlingen allein anhaften, denn da der König nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte, fiel ihm „als einem der mächtigsten Männer im Lande die Rolle des Sündenbockes zu.“1032 Außerdem wurde ihm zum Verhängnis, dass er Blankette in seinem Schrank in Marienburg versiegelt aufbewahrte und sich ein Brief bei ihm fand, der nicht weiter1029 1030 1031 1032

Vgl. Taube 1988, S. 30. Ebd., S. 79. Vgl. Bülau 1857, S. 231 ff. Taube 1988, S. 119.

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geleitet worden war. Das brachte ihm zusätzlich den Vorwurf der Unterschlagung ein. Beichlingen argumentierte, einmal sei ein Briefpaket ins Wasser gefallen und durch Frost so übel zugerichtet gewesen, dass er es an sich genommen und behalten habe, da es nichts Bedeutendes für den König enthalten habe.1033 Nicht zuletzt wurde ihm angelastet, dass der König, um die Kassen zu füllen, minderwertiges Geld drucken ließ. Auch habe er seinen Feinden und dem König mit schwarzen Mächten nach dem Leben getrachtet. Dadurch, dass er sich weigerte, geheime Dinge der Kommission zu beantworten, die nur ihn und den König angingen, machte er sich zusätzlich Feinde. So heißt es schließlich im Königsteiner Gefangenenverzeichnis, er habe versucht, die Regierung des Kurfürstentums an sich zu reißen.1034 Zusammen mit ihm waren seine engsten Freunde inhaftiert – so sein jüngerer Bruder und Oberfalkenmeister Gottlob Adolph, Hofrat Ritter, Kammerrat Curt Heinrich von Einsiedel und seine Freundin Luise von Einsiedel.1035 Hofrat Georg Gottlieb Ritter war engster Vertrauter des Großkanzlers Wolf Dietrich von Beichlingen gewesen, den er über Flemmings und Lagnascos Umtriebe und Patkuls Rückkehr und Kriegstreiben informiert hatte, aber nicht vor dem Sturz bewahren konnte.1036 In einem chiffrierten Brief vom 10. Februar 1703 riet der Gouverneur August Christoph Graf von Wackerbarth dem flüchtigen und incognito nach Wien gereisten Hofrat, sich zu stellen.1037 Alles Weitere wolle er besser im persönlichen Gespräch an einem geheimen Ort besprechen. Er wunderte sich über die eigenartigen Reisewege des Hofrats und bot nicht nur sein Quartier, sondern auch konkrete Hilfe an. Mit diesem Anerbieten lockte er den Hofrat in die Residenz, wo am 11. April 1703 der Zugriff erfolgte. Ritter wurde zunächst auf die Festung Sonnenstein gebracht, bevor er am 28. April auf den Königstein wechselte.1038 Scheiterte Graf Wackerbarth mit seinem ehrlichen Vermittlungsangebot oder missbrauchte er das Vertrauen Ritters? Die Beantwortung dieser Frage muss bis zur Aufarbeitung des Bestandes zum Gouvernement Dresden und der reichlichen Korrespondenz des Grafen Wackerbarth zurückgestellt werden. Auf Betreiben der Mätresse Augusts II., Gräfin Cosel, kam Beichlingens Braut nach einigen Jahren aus der Festungshaft frei. Die anderen erhielten erst 1709 wieder ihre Freiheit. Beichlingens Entlassung basierte darauf, „dass die Krisensituation, die zu seiner Verhaftung geführt hatte, 1709 überwunden war“.1039 Selbst die Freilassung ging auf äußerst geheime Weise vor sich, da der Kabinettsminister Graf Hoym mit zwei Ordern 1033 Vgl. ebd., S. 107. 1034 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 8. 1035 Gottlob Adolph von Beichlingen, der recht zuvorkommend behandelt wurde, wurde nach fünf Jahren und 9 ½ Monaten entlassen, Einsiedel nach vier Jahren und fünf Monaten. Vgl. ebd., No. 9a und No. 10. 1036 Vgl. Taube 1988, S. 69 f. 1037 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8572/11 M-Z, f. 808–810. 1038 Vgl. Engelhardt 1837, S. 623. 1039 Taube 1988, S. 129.

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zur Festung Königstein abreiste, die verschiedenartige Bedingungen zur Freiheitsgewährung enthielten.1040 Jene, die er zuerst vorlegen wollte und die von Innenminister Pflugk und ihm verfasst worden war, enthielt solche Bedingungen, die für Beichlingen unannehmbar waren. Bevor er die zweite zeigen würde, wollte er soviele Zugeständnisse wie möglich herausschlagen. Während Hoym unterwegs war, intervenierte der Kammerrat Georg Ludwig von Haxthausen jedoch persönlich beim König und verdeutlichte ihm die Ungerechtigkeit dieser Aktion. Daraufhin sandte August  II. ihn „im tieffsten Geheimnis“ mit einer geheimen Ordre zum Königstein, um vor Hoyms Eintreffen dem Großkanzler die geheimen Instruktionen bekannt zu machen. Hierbei wurden sogar umständliche Vorkehrungen für eine unbemerkte Reise getroffen. Man ließ den Kammerdiener von Haxthausens Schwester mit zwei Pferden am Ausgang des Großen Gartens in Dresden auf ihn warten, um dort einen Wechsel der Transportmittel vorzunehmen. Auf der Festung angekommen durfte er durch das handschriftliche Einlassbillett des Königs eintreten und allein in das Zimmer Beichlingens treten. Als er ihm die geheime Ordre übergab, sind aus einem großen Wandschrank Beichlingens Bruder Gottlob und aus einem anderen der Hofrat Ritter herausgekommen, die sich durch die Mauern jene Verbindungswege gegraben hatten. Die Ordre wurde eilends kopiert, und Haxthausen konnte auf der Rückreise befriedigt feststellen, dass Hoym erst am Folgetag auf der Festung eintraf und einen Gefangenen antraf, der sich in den bewussten Punkten unbeugsam gab und schließlich mit geringen Kompromissen entlassen werden musste. Fortan lebte Beichlingen auf seinem Gut in Zschorna, da sein Palais de Saxe in den Besitz Hoyms übergegangen war und ein anderes Haus an die Fürstin von Teschen gegeben worden war. Das Amt des Großkanzlers war inzwischen aufgehoben worden. Der Graf August Ferdinand von Pflugk wurde Oberhofmarschall und Direktor der geheimen Kammerkanzlei, während für geheimste Korrespondenzen August Michael Nehmitz als persönlicher Sekretär bestallt wurde. Lebenslänglich für die Hofangestellten Brand und Watzdorf Anders als Beichlingen erging es zwei Hofangestellten, die nicht Opfer diplomatischer Schachzüge waren, sondern aus eigener Kraft Verrat und Selbstbereicherung begangen hatten. In diesen Fällen kannte August II. kein Pardon, wie der Fall des Geheimrats Brand belegt. Wegen Landesverrats, Eingriffs in die Rentkammer und falschem Gebrauch von Siegeln erging gegen den Geheimen Kriegsrat von Sachsen-Merseburg Christan Friedrich von Brand am 10. April 1713 ein Haftbefehl. Brand floh, wurde aber 1715 in Naumburg entdeckt und inhaftiert. Im Bestand „Gouvernement Dresden“ sind 24 Akten über die

1040 Vgl. Bülau 1857, S. 283 ff.

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Jahre 1715/16 vorhanden, welche die regelmäßigen Berichte des Festungskommandanten von Knoch an den Gouverneur von Dresden beinhalten.1041 Von Brand ist demnach am 22. Mai 1715 um vier Uhr morgens durch einen Adjutanten mit zwei Bewaffneten zusammen mit seinem Diener festgenommen und in sichere Verwahrung auf den Sonnenstein gebracht worden. Anfangs besaß er weder Geld noch persönliche Gegenstände, doch bald wurde ihm gestattet, seiner Frau zu schreiben und etwas aus der Schatulle zu bekommen. Er durfte auch Gebetsstunden mit dem Superintendenten nehmen, mehrfach an den Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Merseburg und den Geheimrat von Kaltenbrunn schreiben und im Sommer eine Sauerbrunnenkur mit Flaschen aus Dresden machen.1042 Als ein Brief dem Gouverneur zu lang erschien, wurde dieser Brief der Gemahlin nicht weitergeleitet und Brand erhielt ein mehrwöchiges Schreibverbot.1043 Daraufhin bat die Geheimrätin den Festungskommandanten zu einem Gespräch in Dresden, das er auch mit ihr führte. Die Haftbedingungen waren scheinbar zuvorkommend, denn Brand bat im September darum, dass er für eine Auktion, von der er in Leipziger Zeitungen gelesen habe, den Katalog erhalten und einige Bücher markieren dürfe, die ihn interessierten.1044 Ob diesem Ansuchen stattgegeben wurde, ist aus der Akte nicht ersichtlich. Im Winter schien es etwas kühler im Quartier zu werden, denn Brand bat um ein Bett mit lederner Zudecke. Als er zu Weihnachten von seiner Gemahlin ein Kästchen mit Gebäck, Sekt und Büchern erhielt, wurden ihm die Lebensmittel ausgehändigt, aber die Bücher mit eingelegten Zettelchen seiner Schwägerin dem Gouverneur von Dresden weitergeleitet.1045 Von seiner zweiten Haft im Mai 1720 ist eine umfangreiche Akte erhalten.1046 Brand wurde am 4. Mai in Leipzig festgenommen, wo er sich zum Ostermarkt bei Doktor Greber auf der Heustraße einquartiert hatte. Noch vor dem Morgengrauen weckte ihn sein Diener mit der Auskunft, der Sekretär Müller von Merseburg verlange ihn zu sprechen. Als er im Schlafrock ins Zimmer trat, nahm ihn aber Major Ludewich vom merseburgischen Regiment in Arrest, während der Geheime Registrator Adami sich der Briefschaften bemächtigte. Unverzüglich brachte man Brand auf die Festung Pleißenburg, die er nach eigenen Angaben schon bei einem vorigen Arrest 1715 kennengelernt hatte. Am 25. Mai transferierte man den Geheimen Rat auf den Sonnenstein bei Pirna in „scharfe Haft“. Offenbar wurde ihm aber eine halbwegs gute Behandlung zuteil, da er notiert, dass ihm am 20. Juni sein Diener weggenommen, aber nach einer Petition am 29. August wiedergegeben worden sei. 1041 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Nr. 522, unfol.; desw. Nr. 523–527, 530, 531, 533–541, 543–545, 547–549, 552, 553. 1042 Vgl. ebd., wöchentliche Berichte des Festungskommandanten von Knoch und des Leutnants von Reyßewitz. Zur Schreiberlaubnis und zur Kur vgl. die Berichte vom 12. Juli, 28. Juli 1715. 1043 Vgl. ebd., Bericht vom 12. August 1715. 1044 Vgl. ebd., Bericht vom 1. September 1715. 1045 Vgl. ebd., Bericht vom 27. Dezember 1715. 1046 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 820/7.

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Die Inquisition erfolgte laut Aktennotiz am 24. August, und zentral stellte die Königliche Kommission ihm die Frage, ob er sich nicht erinnerte, dass er bei seiner vormahligen Erlassung einen Eid geschworen oder abgelegt hätte? Brand wünschte dagegen die Indizien gegen ihn zu sehen und protestierte wiederholt gegen seine Verwahrung, da er unschuldig sei. Die Kommission beschloss sich erst, als er sich „endlich bequemet, […] die vorhandene Registratur mitt zu unterschreiben“. Brand führte eine Liste über seine Briefe und Memorialschriften an Minister, den König etc., in denen er mehrfach im Jahr um Gnade und Anhörung bat. Bis zum Jahr 1729 sind 48 Schreiben aufgeführt. In seiner ersten Petition an König August II. stellt er die Vermutung an, „daß es entweder aus einem Mißverstand hergekommen oder abero anderes nicht aus allzuüngüttlichem Anttrag und Beschuldigung einiger meiner wiedrigen causiret“. Später bat er resigniert nur noch um Übersendung von Briefen, Arbeitsunterlagen, Geld und einem großen Koffer mit Sachen sowie Feder, Papier und Zeitungen, was ihm meistenteils gewährt wurde. Beim Verfassen der Schriften war stets ein Offizier zugegen, der beobachtete, dass Brand an seinen Sohn statt der normalen Datierung seltsame Abkürzungen in die Briefe fügte, den Satz „Wenn du klug bist, wirst du es bald finden“ hervorhob, eine gemusterte Zeichnung schickte und in einem Brief an den Gothaer Oberstallmeister nur dessen Initialen verwendete. Diese verdächtigen Umstände brachten ihn wiederum in Erklärungsnot. Er sagte aus, dass er seinem Sohn für dessen Materie etwas erklärte und beim Brief nach Gotha aus Zeitnot den Namen verkürzt habe. Mit solchen Ausflüchten konnte er keine weitere Hafterleichterung erwirken. 1724 bat Brand bei seiner Frau und seinem Bruder, sie mögen die vom Fürstentum Altenburg ausstehende Kaution in Höhe von 5.000 Gulden einholen; jedoch wurden beide immer wieder vertröstet. 1735 starb Christian Friedrich von Brand auf der Festung Sonnenstein. Ein ähnlich hartes Schicksal ereilte den Grafen von Watzdorf. Der Hofangestellte, Kammerherr und Hofrat Christian Heinrich Graf von Watzdorf saß bis zu seinem Tod 14 Jahre auf der Festung Königstein, allerdings sind die Umstände und Gründe seiner Haft in der Gefangenenliste mit „unbekannt“ beschrieben.1047 Das ist eine Umschreibung der politischen Haft des in Ungnade gefallenen Hofbeamten. 1724 hatte der Hof- und Justizrat einen diplomatischen Auftrag nicht zur Zufriedenheit ausgeführt und war hernach knapp einer Vergewaltigungsklage entgangen. Da er einen Privatkrieg mit Heinrich Graf von Brühl führte, war sein Leben am Hof mit dem Aufstieg des späteren Alleinministers unter August III. beendet. Auslöser seiner Verhaftung am 3. April 1733 war die an eigenen Zwecken orientierte Forderung, Domherren außerhalb der landesherrlichen Gerichtsbarkeit zu stellen – Christian Heinrich von Watzdorf war Domherr der Stifte Meißen und Naumburg sowie Dompropst des Stifts St. Petri zu Bautzen. Brühl hatte nach dem Tod des Königs am 1. Februar die nächste sich bietende

1047 FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 33.

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Gelegenheit ergriffen, um seinen Kontrahenten kaltzustellen. Watzdorf wurde auf die Festung Königstein überstellt, wo er 1747 – nach der Gefangenenliste der Festung bereits 1741 – starb. Immerhin gewährte er dem Toten ein ehrenhaftes Begräbnis. Dass August II. den Grafen Watzdorf nicht wieder auf freien Fuß setzen ließ, könnte darauf zurückzuführen sein, dass er dessen Schuld für erwiesen hielt, für ihn eine Antipathie empfand, keine Kenntnis über die Intrige Brühls besaß oder ihm keine besonderen Leistungen wie Beichlingen und Hoym zuerkennen mochte. Aber auch „ungebührende Äußerungen“ Watzdorfs in einer Forderung nach Haftentlassung könnten der Grund für dessen lebenslange Festungshaft sein.1048 Watzdorfs Strafe zeigt einmal mehr, dass auch hochrangige Amtsträger nicht vor einem Arrest gefeit waren. Den berühmten Friedrich Heinrich von Seckendorff traf es gleichermaßen, als er im Türkenfeldzug 1739 nicht den gewünschten Erfolg hatte und jahrelang auf der Festung Graz ausharren musste, bis ihn Maria Theresia freiließ. Der Gothaer Geheime Rat und Konsistorialpräsident Mühlpfordt wurde ein Opfer der um ihre Ehre bangenden Gräfin von Hatzfeld. Sie ließ Mühlpfordt 1718 auf der Cyriaksburg zu Erfurt einsperren, da er sich angeblich dem gräflichen Haus gegenüber ungebührliche Reden sowie Anstiftung zum Widerstand und Geheimnisverrat erlaubt hatte.1049 Der Gothaer Herzog Friedrich II. wandte sich Hilfe suchend an Kurmainz, an die Universitäten Helmstedt und Jena und sogar an den Kaiser. Doch bevor dessen Mandat wirksam wurde, starb Mühlpfordt in der Haft. An der Spitze des Staates stand man auf einem schmalen Grat. Ein Absturz konnte jählings kommen und musste noch nicht einmal selbst verschuldet sein, wie die Beispiele Beichlingen, Hoym, Seckendorff und Mühlpfordt zeigen. Bestrafung für heimliche Mehrfachloyalitäten Ebenso wurde der Geheime Kriegskanzlist Gottlieb Vogel wegen Hochverrats 1716 verhaftet. Man warf ihm vor, zusammen mit dem Controlleur des Fürstenbergischen Erbes, Johann Burkhard Popp, zahlreiche Schriftsachen des verstorbenen Statthalters Fürst von Fürstenberg heimlich „weggeschafft“ zu haben.1050 Vogel gab zu Protokoll, dass bereits 1713 einmal bei einer gefährlichen Krankheit Fürstenbergs Briefe weggeschafft wurden auf dessen Güter in Lobositz und Peterswalde. Wegen des schwedischen Einfalls 1706 habe der Kanzlist die „vornehmsten“ Sachen herausgesucht und rechts neben dem Fürstenbergschen Haus in einem versiegelten Gewölbe in einem Kasten mit vielen Privatbriefen abgelegt. Als Fürstenberg aus Wien zurückkam, sollte er erneut wichtige Briefe nach Böhmen schaffen über den Kontrolleur Popp. Nach Fürstenbergs Gene1048 Vgl. SächsHStAD, 10047 Amt Dresden, Nr. 3395. 1049 Vgl. ThStAG, GA, AAA IV Nr. 30. 1050 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9686/11, f. 1.

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sung habe er einige Briefschaften in Wermsdorf wiedergesehen, aber Genaueres wisse der Sekretär Keufel. Jener aber meinte, der Akzisrat Gerven wisse über alles Bescheid. Gerven sagte aus, dass Fürstenberg die vornehmsten Briefe selbst bei sich führte und dass er mit Popp und dem Kanzlist Vogel einige Fässchen mit Geld von Leipzig an die böhmische Grenze geschafft habe. Während Fürstenberg sich zwei Jahre in Wien aufgehalten hatte, trug Gerven über 80.000 Reichstaler die Verantwortung und brachte je nach Wunsch Gelder nach Wien, Stolpen oder Hainsbach. Die Reichstaler mussten von Amt zu Amt „umgesackt“ und die Wagen gewechselt werden.1051 Für den Kanzlisten Vogel bekam die Lage unangenehmere Züge, als 1718 das Verzeichnis jener Schriftstücke fertig wurde, die bei ihm gefunden worden waren. Darunter waren nicht nur Abschriften bedeutender Schreiben, sondern auch Stempelbögen, versiegelte Briefe, Protokolle, Kommerziensachen, Wechselbriefe und Instruktionen. Die Sammlung der insgesamt 80 aufgeführten Schriften datieren auf die Zeit ab 1709. Vogel wurde „mit Steinschürze und Schlagfüßen“ belegt, was ihm eine sehr beschwerliche Haft bereitete.1052 Am 8. September 1721 legte er schließlich ein umfassendes Geständnis ab.1053 Bei einem Umzug der Reichskanzlei in die Große Appellationsstube hätten die Konzepte unverschlossen unter anderen gelegen und wären dann vergessen worden. Auch vergaß man die Rückgabe der Konzepte in der Registratur, und als bei den Stolbergern ein Sekretär starb, kannte er einen Agenten namens Lichtner. Zudem schrieb er die Korrespondenz des Statthalters von Fürstenberg ab, denn er habe sechs Kinder durchzubringen gehabt. Mit seiner doppelten Tätigkeit habe er „große Plackerey gehabt, wenn andere des Nachts schlaffen können, habe ich, ümb an meiner Expedition auf der Canzley nichts zu verabsäumen, zu Hauße des Nachts meine Corresponenzen versorget, dabei man auch immer in Vorschuß stehen muß“. Vogel war 49 Jahre alt, hatte die Kanzlistenstelle 1703 angetreten und sei mit dem schönburgischen Kanzleidirektor von der Laage in Weimar aufgewachsen. Dieser hätte ihn 1717 mehrmals aufgefordert, nach Zwickau, Chemnitz, Freiberg zu kommen, so dass er schließlich nach Herzogswalde reiste, um sich mit ihm zu treffen. Von der Laage hätte ihm dann eröffnet, dass sein Herr mit der Majestät „in einem schweren Process stünden“ und er deshalb nach Wien müsse, er würde aber einen Vergleich wünschen, und Vogel solle den Minister Bernhard von Zech um Mithilfe bitten für den Vergleich. Am Gründonnerstag 1717 habe Zech Vogel gesagt, er wolle mit von der Laage nichts zu tun haben. Die weiteren Briefe von der Laages seien unbeantwortet geblieben, und er hätte sich auch nicht erneut mit ihm getroffen. Das traf wohl zu, da es sich mit der Aussage von der Laages deckte. Auf die Frage, ob er nicht verschiedene Agentschaften, besonders von dem Fürstenhaus Weimar über sich gehabt habe, bestätigte er dies, er habe für 24 Reichstaler Briefe verschickt, aber 1051 Ebd., f. 23b. 1052 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9686/10, unfol. 1053 Vgl. ebd.

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nichts gegen seine Kanzlistenpflicht getan.1054 Der neuen Kanzleiordnung nach durften die Kanzlisten aber keine Agentschaften annehmen, sondern nur die Advocaten. Vogel hatte jedoch von Weimar eine Instruktion erhalten, die nichts Widriges dazu enthielt. Er habe noch eine Agentschaft von Bautzen gehabt, dabei habe er aber nur Ratssachen übergeben und abgelöst. Er hatte keinen Befehl, seine Agentschaften niederzulegen, und diese Agentschaft war ihm vom Oberaufseheramt in Eisleben ausdrücklich gestattet worden. Er sei auch Agent von Görlitz, Zittau, Lauban und Kamenz gewesen, habe darüber aber keine schriftliche Instruktion oder Bestallung. Auch für das Domkapitel Merseburg habe er für 25 Reichstaler Resolutionen übergeben. Eine Regensburgische und die Leipziger Agentschaft hätten nur kurz existiert, und die Agentschaft für Naumburg habe er ausgeschlagen. Er hätte auch Agentschaften für den Kreis-Amtmann zu Tennstedt besorgt und dabei Memoria und Berichte in den Kanzleien abgegeben und Resolutionen verschickt, das sei genügsam bekannt gewesen. Und so habe er auch die Agentschaft der Grafen von Stolberg gehabt, wurde aber zwei Jahre nicht bezahlt und wollte sie aufgeben. Die Spezifikationen in seinem Besitz seien fehlerhafte Konzepte gewesen, die er behielt, ohne davon jemandem Kenntnis zu geben. Versiegelte Sachen habe er „ohngefähr mit nach Hauße genommen“, ohne dass sie jemand zu Gesicht bekam. Manches habe er aus Versehen mit eingepackt, eine Obligation habe ihm ein Kaufmann als Kuriosität wegen der alten Schreibart kommuniziert, eine Abschrift habe in einem Brief gelegen, den er nicht beantwortet hatte und an einige Schreiben könne er sich nicht erinnern. Wegen akuter Steinschmerzen, einem überstandenen Hirnschlag und einer weiteren Erkrankung entließ man Vogel mit der Auflage des Hausarrestes. Am 3. Januar 1722 bekam er die völlige Freiheit zurück und sogar seine Stelle wieder. Als Bedingung wurde ihm jegliche Agentschaft verboten, obwohl er sagte, dass er ohne seine Agentschaften nicht in der Lage sei, mit Frau und Kindern ohne ordentliche Besoldung auszukommen.1055 Eine solche Mehrfachloyalität ist für Subalterne nur heimlich möglich gewesen. Ebenso wie der Kanzlist Vogel hatte der Kanzlist Wilcke sich ein Jahrzehnt später einen Nebenverdienst aufgebaut, indem er sich von den Stolbergern und Schwarzburgern für Informationen bezahlen ließ.1056 Er habe 1731–37 den ganzen thüringischen Kreis in seiner Agentschaft gehabt, heißt es. Zur Verteidigung gab er Geldnot an und versicherte, er habe seine Kanzlistenpflicht nie verletzt, da er für das Zubrot stets nachts gearbeitet habe. Ihm wurde als Strafmaß eine zweijährige Zuchthausstrafe in Waldheim zugemessen. Jahrelang waren die Agentschaften unentdeckt geblieben. Erst durch Denunziation und die bei den Kanzlisten aufgefundenen Briefe und Schreibmaterialien waren beide

1054 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9686/9, f. 32. 1055 Sein ältester Sohn kam schließlich auf die Festung Königstein und wurde 1732 auf dringendes Bitten seines Vaters aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14611/12, Entlassung 25. Dezember 1732, f. 8. 1056 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9688/3.

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Kanzlisten ins Visier der Kommissare geraten und hatten sich durch Geständnisse und Entschuldigungen ein möglichst mildes Urteil erhofft. Die Schwere der Delikte ist an den hohen Strafen abzulesen. Heimliche Mehrfachloyalitäten wurden am sächsischen Hof nicht geduldet. Zu groß war die Gefahr, dass geheime Nachrichten übermittelt wurden. Zudem ließ der Fürst ungern Einmischung in seine offizielle Kommunikation und Politik zu und war bestrebt, das Informationsmonopol innezuhaben. Eine andere Art des Verrates beging der Stolpener Postsekretär Lübbecke. Er sammelte Informationen für Preußen, bat dann um die Demission und wollte unter dem Deckmantel eines Weinkaufmannes für Berlin arbeiten.1057 Dort fiel er auf, als er den Eid verweigerte, nie gegen die preußischen Interessen zu verstoßen. Sofort wurde vermutet, dass er mehreren Höfen diente. Preußen warnte Dresden, Hannover, Kassel und Münster vor dem Doppelspiel des Agenten. Nachdem man einige Zeit seine Projekte beobachtet hatte, wurde Lübbecke in Berlin angeklagt und nach einem mehrmonatigen Arrest entlassen. Ihm wurde jedoch verboten, jemals wieder in Postsachen tätig zu sein. Die sächsisch-französischen Beziehungen und die Affäre Hoym 1731 Das Verhältnis Augusts II. zu Frankreich war eng gekoppelt an die in Paris stationierten Gesandten Burchard von Suhm und Karl Heinrich von Hoym. Mehrfach unterstützte Sachsen den Kaiser im Reichskrieg gegen das expansionistische Frankreich. In Suhms Gesandtschaft trat ein in Europa umherreisender Agent 1709 ins Blickfeld Augusts II.: Johann Heinrich Huguetan, ein aus Frankreich geflohener Hugenotte mit einem erfolgreichen Bankengeschäft in Holland. Ludwig XIV. nutzte Huguetans Geld, doch wegen Schwierigkeiten um die Rückzahlung von Krediten musste er abermals fliehen und wurde gesucht. Der herrenlose Finanzier war mit den Pseudonymen D’Oudyck, Beaulieu und Merciere unterwegs.1058 August II. erließ einen Haftbefehl, in dem es hieß, der Gesuchte reise häufiger durch Thüringen nach Kassel. Zweifellos sah der polnische König in Huguetan eine für seine Staatsfinanzen nützliche Person. Doch Huguetan war nicht zu fassen. 1712 bekam er von August II. einen sicheren Aufenthalt in Polen angeboten. Inzwischen war dieser aber beim dänischen Hof als Kammerrat und Finanzberater eine Karriereleiter emporgestiegen und gründete die erste dänische Bank. Prinzipiell hätte er am Dresdner Hof wohl keine Auslieferung zu befürchten gehabt, da August II. den französischen König wegen dessen Unterstützung Leszczyńskis ablehnte. Nach dem Tod des langjährigen Gesandten in Paris, Burchard von Suhm, wurde Karl Heinrich von Hoym auf den Posten berufen. Hoym wollte Sachsen im Verbund mit Frankreich und England neben Österreich und Preußen zur dritten Macht im Reich erheben. Ihm gelang es als Vorsitzender des 1057 Vgl. SächsHStAD, 10026, Loc. 708/5, Suhm an Flemming, 30. Oktober 1722, f. 213. 1058 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1390/7.

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Domestiquedepartement, den König zur Entlassung des Grafen von Manteuffel zu bringen, bevor er selbst 1731 über die Intrige Brühls stürzte. Vorausgegangen war ein Verdacht Hoyms gegen einige Kanzlisten und Journalisten, sie würden mit Subalternen des Geheimen Kabinetts verkehren. Als die Spuren im Sande verliefen, richtete sich der Verdacht gegen Hoym, der Brühl der Intrige beschuldigte, aber selbst sämtliche Post von Brühl, Fleury und Manteuffel interzipierte.1059 Die komplexe Bündniskonstellation ließ eine klare profranzösische Haltung nicht zu, denn August II. benötigte die kaiserliche und preußische Hilfe in seinem Bemühen um eine wettinische Erbmonarchie in Polen. Zugleich suchte er in diesen Jahren den preußischen König auch für einen deutschen Fürstenbund zu gewinnen, der offiziell den Kaiser und inoffiziell dessen Gegner unterstützen sollte. Die Anhänglichkeit Hoyms an Frankreich führte dazu, dass der Kabinettsminister im März 1731 wegen Untreue entlassen und von einer Kommission in 18 Punkten angeklagt wurde, u. a. der Verletzung des Briefgeheimnisses, der Bereicherung und des Geheimnisverrats der Porzellanherstellung.1060 Jedoch sind diese Punkte nur unzureichend zusammengefasst, denn in den Akten stand die Amtsanmaßung und Pflichtvergessenheit im Vordergrund. Besonders schwer wog der Vorwurf, Hoym habe Informationen zurückgehalten, daß er alle diese Specificationen, Extracte und Nachrichten nebst dem Siegelbuche vor sich behalten und zu Sr. Kön. Maj. höchsten Wißenschafft nichts gebracht als was er deroselben wißen zu laßen von seiner particulier Convenienz zu seyn erachtet. Daher auch gerühret, daß er so gar diejenigen, welche außer seinen Canal, an Sr. Kön. Maj. etwas gebracht, oder welche auf Sr. Kön. Maj. selbsteigenes Verangen und Befehl eroselben ein und anders angezaiget, übel angelassen, verfolget und bloß darum, daß auf Sr. K. M. Befehl sie deroselben die verlangten Informationes und Nachrichten gegeben, auf eine unerhörte Arth tractiret.1061

Die Ignoranz der königlichen Autorität und die bewusste Beeinträchtigung der Informationsmöglichkeiten des Königs kamen einem Majestätsverbrechen gleich. Dass er die Estafetten an den Grafen Manteuffel, den Marquis de Fleury und den Kammerrat von Brühl willkürlich zurückgehalten und sich an den Briefen Augusts II. vergriffen hat, machte Hoym für die Ankläger zum Landesverräter.1062 Der Oberpostmeister Pöppelmann habe Hoym sämtliche ein- wie auslaufende Briefe und Amtspakete täglich ausliefern müssen. Dazu habe er diese Post im Beisein des Kommissionsrats Schaller separiert, die nachher durch Hoyms Sekretär namens Nohr zu Hoym gebracht und geöffnet wurden. Diese Interzeption sei aufgedeckt worden, da die von Hoym zurückgeschickten Briefe zerlesen waren und die Quecksilbermasse „nachgeklebet“ aussah.1063 1059 Vgl. Vogel 2003, S. 181. 1060 Vgl. „Hoym, Karl Heinrich Graf von“ von Virginie Spenlé: in: SäBi, URL: http://www.isgv.de/ saebi/ [24.01.2012; ASR]. 1061 SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9666/9, f. 4–4b. 1062 Vgl. ebd., f. 7b. 1063 Ebd., f. 8.

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Die Folge dessen war ein spürbarer Vertrauensverlust der Bevölkerung in das Postwesen, was der Oberpostmeister am deutlich nachlassenden Brieftransport bemerkte. Auch habe Hoym durch einen gewissen Franzosen namens La Pimpie die Briefe des Appellationsrates von Rechenberg durchsuchen lassen und diesen erpresst, damit er Briefe Manteuffels herausgäbe.1064 Der Akzisrat Bussio gab zu Protokoll, er habe gesehen, wie Hoym an der Schatulle „schelmisch gehandelt“ habe.1065 Hoyms Wirken besaß demnach etliche Mitwisser, ohne dass er Deckung von der höheren Hierarchieebene oder auch nur Mittäter auf seiner Ebene hatte. Die Anklageschrift hat denn auch erwähnt, es wäre etwas anderes gewesen, wenn der König oder der Minister des Domestic-Departements diese Maßnahmen angeordnet hätten. Nicht zuletzt griff Hoym in die Außenpolitik ein, indem er eigenmächtig nach England schrieb, damit der Chevalier Schaub von dort käme, den er dann vor der königlichen Audienz abfing und für sich behalten wollte.1066 Die Reputation Sachsens und Polens hätten durch die Postinterzeption und diese Affäre vor Preußen, England und ganz Europa Schaden genommen. Auch wirtschaftsschädigend habe Hoym gehandelt, indem er einem Franzosen namens Le Maire Porzellan zu Schleuderpreisen verkaufte, ihn und fremde Spione in alle Manufakturbereiche gehen und sie untersuchen ließ und „sich viel Mühe gegeben“ habe, das Arkanum von Stölzel und Höroldt zu erfahren. 1067 Hinsichtlich der Aufträge Augusts II. für die Manufaktur und für die Bauhütten habe Hoym „unverschämte dementi“ gegeben.1068 Durch eine Order soll er sich als unumgehbare Schaltstelle zwischen den Geheimen Räten und Dienern einerseits und dem König andererseits zu etablieren versucht haben. Unnötig, noch zu erwähnen, dass es heißt, die erlangten Zulagen für sein Ministerium hätten Hoyms Vermögen vergrößert. Insgesamt betrafen die Anklagepunkte so gut wie alle Ressorts und führten unweigerlich zum sofortigen Verschwinden Hoyms vom Hofe. August II. verfügte, der Generalfeldmarschall von Wackerbarth solle mit den Geheimräten Gottlob von Gersdorff und Ludwig von Zech in der Wohnung Hoyms nach den Skripturen sehen und diese dem Kämmerer von Brühl aushändigen.1069 In ihrer Fülle erscheinen die Vergehen geradezu unglaubhaft. Dass Hoym einer Intrige erlegen war, ist aus einem Gnadengesuch ersichtlich, das redigiert wurde. Hier ist die Formulierung „derer mir in meinem Ministerio beygemssenen Verbrechen“ durchgestrichen und durch die Formulierung ersetzt worden „derer in meinem Ministerio von mir begangenen Verbrechen“.1070 Im Juni erließ August II. ihm die Todesstrafe wegen seiner früheren Verdienste und seiner Reue. Hoym wurde vom Hof verbannt und musste 100.000 Reichstaler zur 1064 1065 1066 1067 1068 1069 1070

Vgl. ebd., f. 10b. Ebd., f. 11. Vgl. ebd., f. 9b. Vgl. ebd., f. 11b–15. Ebd., f. 15. Vgl. ebd., Dekret, 27. März 1731, f. 20. Ebd., Dekret, 27. März 1731, f. 71.

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Wiedergutmachung zahlen. Ein Geständnis wurde gefälscht, denn Hoym leugnete, ein französisches Papier, das eine „Rechtfertigung seiner Conduite wegen derer von ihm unterschriebenen 18. Punkte in sich faße“, weder gesehen noch geschrieben zu haben.1071 Er habe sich weder gegen den vorigen noch den regierenden König vergangen und habe das Papier der 18 Punkte nur unterschrieben, weil er August II. gehorsam sein wollte und weil er sich vor dem Königstein gefürchtet habe.1072 Für den König war die Verstrickung Hoyms in eine größere Affäre nicht von der Hand zu weisen. Er ließ seinen Kundschafter, Kapitän Hauptmann, der soeben von der Verhaftung des Leszczyński-Anhängers Pistoris aus Hasselfeld zurückgekommen war, ins Niedersächsische reisen, um dort die Spuren der Hoymschen Geheimkorrespondenz auszuspionieren.1073 Für diesen Auftrag erhielt Hauptmann das Pseudonym Gregori Toder Horst sowie eine umständliche Legende und detaillierte Anweisungen. Seine Instruktion ist die beste Quelle, um das Agentenwesen Augusts II. einzuschätzen. Auf die Geheimhaltung wurde größter Wert gelegt, und dazu wurden alle verfügbaren Mittel ausgeschöpft: Pseudonymität, Verstellung, verwinkelte Wegführung, Chiffrierung, Deckadressen, Steganographie. Er erhielt für den Anfang eine einfache Ersetzungschiffre mit Symbolen und anstelle eines Nomenklators für bestimmte Personen- und Ortsnamen je einen Decknamen (z. B. Lindenfels statt Leipzig, Wohnfiedell statt Hennicke). Wie schon in seinem vorigen Auftrag wurde Geheimtinte verwendet, die erwärmt sichtbar wurde. Ende Dezember 1731 reiste der Agent ab und spionierte monatelang als niederdeutscher Reisender mit plattdeutschem Akzent in den sächsischen Städten Chemnitz, Lichtenwalde, Augustusburg, Altenburg und Neustadt. Seine umfangreichen Berichte bieten einen interessanten Einblick in die Agententätigkeit, können hier aber nicht in ganzer Fülle erörtert werden, sondern stellen ein eigenes Forschungsfeld dar. Der Kapitän observierte, deckte Netzwerke auf und sorgte dafür, dass der Hof über die Hoym-Fraktion in Sachsen bis zu den Namen des Personals bestens informiert war.1074 Nach dem Tod Augusts  II. fürchtete der neue sächsische Kurfürst Hoyms profranzösische Kontakte zu recht, die seiner Wahl zum polnischen König zuwiderlaufen könnten. So war Hoym unter dem Vorwand, seine eigene Nichte, die Ehefrau des Oberkonsistorialpräsidenten Heinrich von Bünau, geschwängert zu haben, auf die Festung Sonnenstein gekommen, aber nach wenigen Wochen Arrest auf Betreiben des polnischen Kronschwertträgers, Fürst Alexander Jakob von Lubomirski, wieder freigekommen.1075 1071 1072 1073 1074 1075

SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10118/1, Verhörprotokoll Hoyms, 18. April 1736, f. 107. Vgl. ebd., Verhörprotokoll Hoyms, 3. März 1736, f. 24. Vgl. SächsHStAD, 10026, GK, Loc. 384/1, Instruktion für den Geheimagenten Toderhorst, f. 501. Vgl. ebd., Relationen Januar 1731–Juli 1733, f. 505–897. Vgl. Sahrer von Sahr auf Dahlen: Über den Cabinets-Minister Grafen Carl Heinrich von Hoym, in: ASG 3 (1865), S. 340–343; „Hoym, Karl Heinrich Graf von“ von Virginie Spenlé: in: SäBi, URL: http://www.isgv.de/saebi/ [24.01.2012; ASR].

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Als der preußische Kronprinz und spätere preußische König Friedrich II. mit Hoym Kontakt aufnahm, wurde dieser erneut des Verrats verdächtigt. Die Kunde darüber fiel genau in die Phase der Unsicherheit während des Polnischen Thronfolgekrieges.1076 Entsprechend harsch reagierte die sächsische Regierung: Graf Brühl ließ Hoyms Güter einziehen und sämtliche Papiere beschlagnahmen. Graf Manteuffel setzte sich dafür ein, die vom Kronprinzen an Hoym gerichteten Briefe heimlich wieder zurückzusenden, wobei er Rudolf Beyrich zufolge eine günstige Wirkung beim künftigen preußischen König erhoffte.1077 Im März 1736 kam Karl Heinrich Graf von Hoym „wegen Parteilichkeit und Bestechlichkeit“ für ein Jahr und vier Monate auf die Festung Königstein.1078 Während des Arrestes ließ Hoym keine Gelegenheit aus, zu erwähnen, dass die Vorwürfe „von seinen Übelwollenden wider ihn angebracht worden“ seien und dass der Vizekammerpräsident von Hennicke „eine capitale und jedermann bekannte Feindschaft gegen ihn hegen“ würde.1079 Schon bei seiner ersten Verhaftung 1731 habe er die bestellte Kommission wegen Befangenheit austauschen lassen und würde nun wieder so verfahren, obwohl man ihm bei Androhung der königlichen Ungnade „die Rechtsmittel abschneiden“ wolle.1080 In allen Befragungen stritt er konsequent die Vorwürfe ab, mit polnischen Magnaten, Franzosen, dem Wiener Hof oder anderen heimliche Korrespondenz geführt zu haben, so dass die Räte und Minister bald seine „Renitenz“ beklagten.1081 Hatte er 1731 sein Leben durch ein Scheingeständnis gerettet, so musste er sich nun aller nur denkbaren Unterstellungen der Kollaboration, des Geheimnisverrats und der Spionage erwehren. Nicht die geringste Antwort bekam die Kommission aus ihm heraus – die Negation war Hoyms neue Verteidigungsstrategie. Er stellte aber nicht in Abrede, dass ein gewisser Stockmann aus Wien ihm seine Dienste in Wien offeriert habe, dass er allerdings mit seinem Hofmann Christian– wahrscheinlich ist sein Haushofmeister Christiani Cassianus gemeint – darüber gesprochen und ihn gewarnt habe, sich nicht allzuviel mit Stockmann einzulassen.1082 Schließlich entzog sich Hoym weiterer Verhöre, indem er sich im April 1736 in seinem Zimmer selbst erhängt hat. Seinen Bediensteteten hinterließ er einen Zettel, demzufolge sie ihn abknüpfen und ins Bett legen sollten, auch den Türriegel mit einem Faden von außen zuziehen sollten, damit der Eindruck entstünde, er sei an einem Schlagfluss gestorben.1083 Für ihre Verschwiegenheit sollten sie sich mit diesem Zettel bei der Familie eine Entschädigung von 1000 Dukaten holen. Jedoch ging sein Plan nicht auf, und er wurde – wie bei Selbstmördern üblich – unehrenhaft außerhalb 1076 1077 1078 1079 1080 1081 1082 1083

Vgl. Beyrich 1913, S. 117 ff. Vgl. ebd., S. 119. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 35. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10118/1, Verhörprotokoll Hoyms, 3. März 1736, f. 46b, 48. Ebd., f. 57. Ebd., Dekret, 7. April 1736, f. 62. Vgl. ebd., Registratur, 30. April 1736, f. 141. Vgl. Kühnel 2007, S. 53.

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des Kirchhofes begraben. Man vermutete, er habe mit dem Selbstmord den Schuldspruch der Kommission und die Konfiskation seines Vermögens verhindern wollen und habe sich nicht aus Melancholie selbst getötet.1084 In seinem Gemach fanden sich überraschenderweise ein Schermesser, ein Federmesser und eine Schere, was man in Warschau dahingehend deutete, dass Hoym einen unentdeckten Kanal nach außen besaß und eine heimliche Korrespondenz geführt hatte.1085 Die daraufhin begonnene Untersuchung brachte ans Licht, dass ein komplexes Netzwerk von mehr als einem Dutzend Personen dabei half, den Grafen mit seiner Familie und den Dienstleuten in Kontakt stehen zu lassen: (1) die Wischfrau nahm die Briefe aus dem Nebenzimmer, wo sie hinterlegt waren und legte die Antwortbriefe an dieselbe Stelle, (2) zwei Musketiere brachten die Briefe von der Festung, und (3) Pirnaer Frauen brachten sie nach Dresden.1086 Der Graf besaß ein großes Tintenfass, das beim Besuch der Kommission hinter einem Ziegelstein versteckt worden war. Durch die in diesem Fall stark vertretene Weiblichkeit wurde die Kommission aufgeschreckt, da bekannt war, dass Frauen nicht nur als Botinnen dienen, sondern auch bei der Verbreitung von Gerüchten politisch Einfluss nehmen konnten.1087 Monatelang wurden die Beteiligten verhört, arretiert und schließlich mit Leibesstrafen und Landesverweisen entlassen.1088 In der Öffentlichkeit bemühte sich August II., die Deutungshoheit über den Fall zu gewinnen und sein Handeln ins rechte Licht zu rücken. Ernst Christoph von Manteuffel im Spionagenetz des Prinzen Eugen von Savoyen Der kursächsische Kabinettsminister Ernst Christoph von Manteuffel, der ab 1728 die sächsisch-polnische Außenpolitik geleitet hatte, war sowohl prohabsburgisch als auch 1084 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 957/4, Räte Stubenberg, Günther und Essenius an die Kommission, 16. Mai 1736, f. 17. 1085 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10118/1, f. 68. 1086 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 957/4, Aussagen, f. 81, 85, 107, 153, 156. Involviert waren der Hoymsche Jäger August Lische, die Musketiere Flachs und Mittag, jeweils mit ihren Frauen, die Musketiere Johann Christoph Reißinger und Georg Christoph Werner, Hoyms Bediente Teichmann, Deutsche und Backstroh, Hoyms Sekretär Matthias Mann, der Hofmeister Christiani, der watzdorffische Koch Joseph Berghammer nebst Gemahlin Maria Magdalena Berghammer und einige Soldaten. Vgl. auch: SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14635/02 und /03; 10047 Amt Dresden, Nr. 3915 und Nr. 3916. 1087 Vgl. Kühn 2012, S. 73. 1088 August III. verhängte in diesem Fall entehrende Leibesstrafen und kaum Haftstrafen: Maria Elisabeth Flachs musste zweimal zwei Stunden auf dem Esel reiten, ihr Mann musste achtmal durch die Spießrutengasse von 300 Mann laufen und die Festung verlassen, Musketier Mittag musste achtmal die Gasse durchqueren und ein Jahr Festungshaft hinnehmen, Musketier Reißinger ebenfalls acht Gassenläufe und Musketier Werner zwölf Gassenläufe. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 957/4, Memorial, 29. Juni 1737, f. 246; 10024 GR (GA), Loc. 9703/37. Dieses Gasselaufen verursachte fürchterliche Verletzungen und war ab dem sechsten Mal oft tödlich, kam also der Todesstrafe gleich. In Sachsen wurde der Spießrutenlauf 1834 abgeschafft.

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propreußisch eingestellt gewesen. Solange die profranzösische Fraktion des Grafen Karl Heinrich von Hoym beim König in hohem Kurs stand, war er nicht in der Lage, seine Qualitäten auszuspielen. Vielmehr gelang es Hoym, ihn vom Hof zu entfernen. Der aus Pommern gebürtige Manteuffel hatte sich nach seiner Entlassung mit 30 Koffern voller geheimer Briefschaften auf sein Landhaus „Kummerfrey“ – eine Anspielung auf Sanssoucci – zurückgezogen und lancierte dem preußischen Minister Grumbkow einige interessante Details.1089 Prinz Eugen erkannte den Wert von Manteuffels Wissen und Verbindungen und fügte ihn für 1.000 Dukaten im Jahr in sein Spionagenetzwerk ein.1090 1703 war Prinz Eugen an die Spitze des Hofkriegsrats gekommen und wurde nach dem Sieg von Turin Generalgouverneur der eroberten Lombardei. In dem Maße, wie sich seine Stellung am Wiener Hof verbesserte, isolierte er den langjährigen Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn, der anfangs stark die Interessen des Heiligen Römischen Reiches über jene des Hauses Habsburg stellte.1091 Beide standen jedoch in regem Kulturaustausch über ihre Bauaufträge und näherten sich einander an. Prinz Eugen entwickelte in einer Phase, als in Wien der Obersthofkanzler Philipp Ludwig Wenzel von Sinzendorf die Politik dirigierte, eine neue Methode der Außenpolitik. Indem er wichtige Posten an Vertraute gab, die ihm geheime Berichte sandten, von denen nur noch der Kaiser Kenntnis erlangte, bildete Prinz Eugen ab 1724 ein geheimes Kommunikationsnetz, das in Europa seines gleichen suchte.1092 Die Träger dieser Geheimdiplomatie waren: – der kaiserliche Gesandte am preußischen Hof in Berlin, Friedrich Heinrich von Seckendorff – der böhmische Gesandte am Immerwährenden Reichstag in Regensburg, Friedrich August von Harrach – der Reichsvizekanzler und Bischof von Würzburg, Friedrich Karl von Schönborn in Würzburg – der Vertraute des preußischen Königs, Friedrich Wilhelm von Grumbkow, in Berlin – der ehemalige sächsische Minister Ernst Christoph von Manteuffel in Berlin – der sächsische Gesandte in Augsburg und Kriegsrat, Gottfried Freiherr von Schnurbein Somit besaß Prinz Eugen an den Knotenpunkten des Reiches eigene Informanten. Ihr Auftrag war klar umrissen: so sollte z. B. Reichsvizekanzler Schönborn in der Würzburger Residenz nach habsburgfeindlichen Umtrieben suchen und „den französischwittelsbachischen Absichten entgegenwirken“.1093 Eugen selbst konnte sich auf ein

1089 1090 1091 1092 1093

Vgl. Vogel 2003, S. 152; Braubach 1961, S. 128. Vgl. Braubach 1961, S. 126. Vgl. ebd., S. 115. Vgl. Braubach 1963–65, Band IV: Der Staatsmann, Wien 1965, S. 120, 217 ff.; Braubach 1962. Braubach 1965, S. 120.

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persönliches Netzwerk besonders im Umkreis des Kriegsrates stützen. In einem solchen Kollegium war eine Geheimhaltung der übrigen politischen Köpfe natürlich undenkbar. So konnte sich eine gewisse Kooperation entfalten. Im Oktober 1731 empfahl Seckendorff dem Prinzen Eugen, sein Kollege Manteuffel solle die Frau des sächsischen Gesandten in Russland stärker einbinden: Madame Lefort soll eines der intrigantesten Weiber sein, so zu finden, Manteuffel hat sie ehedessen speziell gekannt, und glaube ich, daß er durch dieses Weib sehr viel in Moskau wird ausforschen können. Ich habe ihm daher geschrieben und gefragt, ob die Frau auch gegen ihren Mann könnte verschwiegen sein und ob Manteuffel glaubt, daß der Mann der Frau die geheimen Relationen zu lesen gibt, in diesem Fall soll Manteuffel trachten, sich der Madame durch eine Pension zu versichern, wenn sie in geheime Korrespondenz zu ihm treten will.1094

Diese Idee wurde aber ad acta gelegt, als Manteuffel einen vorzüglichen Informanten in dem russischen Vertreter in Berlin, Jaguczinsky, fand.1095 Für die Sächsisch-Polnische Union interessierte sich Prinz Eugen insofern, als er Polen als möglichen Verbündeten gegen die Osmanen zu gewinnen suchte.1096 Die Kontakte zwischen dem polnischen König August II. und Peter I. von Russland stellten für Österreich eine Bedrohung dar. Polnischerseits war die Witwe des polnischen Kronfeldherrn Sieniawski, Elżbieta Sienawska, offenbar als Informantin für Prinz Eugen tätig.1097 Mit Manteuffel besaß Eugen nun noch einen Informanten, der sowohl Berlin wie Dresden abdecken konnte. Manteuffel diente bis 1736 als Informant, wurde 1740 aus Berlin ausgewiesen und lebte fortan in Leipzig. Über sein spätes Wirken gibt eine anonyme Enthüllungsschrift Auskunft, die dem Feldkriegskommissariat in Breslau zugestellt wurde und Friedrich II. über das Ausmaß von Manteuffels Geheimdiplomatie informierte.1098 Der Autor gab sich als guter Bekannter von Dresdner Jesuiten zu erkennen. Der Schrift zufolge blieb er lange in Baruth bei der Gräfin Solms und schickte alle über Boten in Berlin eingesammelten Nachrichten per Express nach Dresden. Zugleich habe Graf Manteuffel mit verschiedenen Personen sehr vertraulich und besonders stark mit dem russischen Gesandten in Berlin korrespondiert und traf sich mehrmals inkognito mit diesem auf geheimen Konferenzen. Für August II. sei er einige Male in Schlesien gewesen, um die Militäraktionen der Jahre 1740/41 vorzubereiten. 1094 Friedrich Heinrich von Seckendorff an Graf von Manteuffel, 20. Oktober 1731, zit. in: Braubach 1961, S. 129. 1095 Vgl. ebd. 1096 Vgl. Auer, Leopold: Die Korrespondenz Prinz Eugens mit den kaiserlichen Gesandten in Polen. Vortrag auf der Tagung „Das europäische System der ,Balance of Power‘ und die österreichischrussischen Beziehungen am Anfang des 18. Jahrhunderts, Wien, 6.–8. Dezember 2012. 1097 Vgl. ebd. 1098 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 916.

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Zum Lebensende soll er „größere Teile seiner Briefschaften selbst vernichtet“ haben, so Johannes Bronisch.1099 Damit folgte er dem Beispiel seines Kollegen und Freundes Seckendorff, der vertrauliche Briefe direkt nach ihrer Beantwortung verbrannte.1100 Die Quellenlage zu diesen Persönlichkeiten der Diplomatie ist deshalb ziemlich unbefriedigend. Da Manteuffel stets knapp bei Kasse war, bezahlte Graf August Christoph von Wackerbarth ihm seine zahlreichen Informanten und half auch, indem er Manteuffels Geheimkorrespondenz über den Posthalter in Baruth leitete.1101 Doch er warnte ihn auch, beim Grafen Brühl den Bogen der Forderungen und Wünsche nicht zu überspannen. Die Position Brühls kalkulierend versuchte Manteuffel mehrfach, den Grafen Brühl ins Netzwerk des Prinzen Eugen zu ziehen. Insbesondere sollte die französische Partei um Thioly und Fleury am sächsisch-polnischen Hof geschwächt werden.1102 Manteuffel scheiterte aber wiederholt an Brühls Widerstreben, sich einzuordnen, obwohl er lockte: Ich wage euch zu versichern, daß, obwohl ich auf dem Lande lebe, ich von langer Hand die meisten Kanäle zustande bringe, durch die ich über viele Dinge instruiert sein könnte, die den anderen zuweilen entschlüpfen.1103

Schließlich vereitelte der Tod Augusts II. 1733 und der anschließende Polnische Thronfolgekrieg diese Bemühungen. Die Geheimdiplomatie des Prinzen Eugen gipfelte 1730/31 in der Auflösung der feindlichen Bündnisse und in der Garantie der Pragmatischen Sanktion durch das Reich.1104 Durch seine Aktivitäten gelang ihm die Vermittlung zwischen Kaiser und Papst im Spanischen Erbfolgekrieg. Allerdings musste sich Prinz Eugen auch verschiedener Probleme erwehren. So wurden zu Beginn der 1730er Jahre geheime Schriftstücke der Reichskanzlei bekannt, was nicht nur den Reichsvizekanzler Schönborn in Bedrängnis brachte. Mit Johann Christoph Bartenstein trat eine neuen Generation ins Rampenlicht. Als Bravourstück seiner Diplomatie gilt die Heiratspolitik, die Maria Theresia mit Franz Stephan von Lothringen zusammenführte, und der Tausch  Lothringens gegen die Toskana, was den Polnischen Erbfolgekrieg 1735 beendete, der für den gealterten Prinzen Eugen einen unrühmlichen Schlusspunkt bedeutete. Da sämtliche Korrespondenzen des Prinzen mit den kaiserlichen Gesandten aus der Zeit vor 1710 fehlen, geht Leopold Auer von einer nachträglichen Vernichtung aus.1105 Erst danach hatte Prinz Eugen seinen Geheimdienst so fest installiert, dass dieser nicht 1099 1100 1101 1102 1103 1104 1105

Bronisch 2010, S. 26. Vgl. Pretsch 1970, S. 20. Vgl. Vogel 2003, S. 214. Vgl. Braubach 1961, S. 130. Graf Manteuffel an Graf Brühl, 19. Januar 1731, zit. in: Vogel 2003, S. 194. Vgl. Braubach 1965, S. 120. Vgl. Auer 2012.

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mehr vor dem eigenen Herrn geheimgehalten werden musste. Der Prinz wurde wegen seiner Fähigkeiten bereits zu Lebzeiten ein Mythos und gilt bis heute als herausragender Stratege. Erst kürzlich ist die Verankerung seiner Person im kulturellen Gedächtnis eingehend untersucht worden.1106 Das Netzwerk des Sekretärs Hamann Angedockt an Manteuffels Wirken bestand ein Netzwerk zwischen Dresden, Hannover und Den Haag. Im Zentrum stand der Sekretär des Geheimen Kriegsrats Georges Louis de la Sarraz. Dieser Kriegsrat war als früherer Kaplan des Arnold Joost van Keppel, 1. Earls of Albemarle, besonders gut mit den niederländischen Angelegenheiten vertraut. In seiner Funktion als Geheimer Kriegsrat stand er gewiss Pate bei einem Personennetzwerk, das sich um seinen Sekretär Hamann sponn (Grafik 22).

Grafik 22: Das Netzwerk des Sekretärs Hamann

1106 Großegger, Elisabeth: Mythos Prinz Eugen. Inszenierung und Gedächtnis, Wien 2014.

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Hamann bot 1728 einem gewissen Lefèvre in Hannover an, ihm zweimal wöchentlich Memoirs zu schicken und verlangte 100 Ecus pro Jahr dafür.1107 Lefèvre, der nur der hessische Resident in Hannover sein kann,1108 vermochte bei seinem Hof nur 50 Ecus zu erlangen, versprach aber, den Rest aus eigener Tasche dazuzulegen.1109 Er zeigte sich mit den einkommenden Nachrichten zufrieden und stellte Bonuszahlungen für häufigere Berichte in Aussicht. Außerdem äußerte er den Wunsch, etwas aus der Kanzlei des Ministers Manteuffel zu erfahren. Er fragte Hamann, ob dieser die ersten drei Louis d’Or in Berlin oder in Dresden empfangen möchte.1110 Für seine Bemühungen empfing Hamann nach einem Jahr von Lefèvre eine Kassette mit sechs Tassen.1111 Hamann agierte sehr vorsichtig und unterschrieb seine Briefe nicht, behielt für sich aber offenbar immer eine Kopie zurück. Doch zunächst scheint Hamann keinen Weg gefunden zu haben, heimlich an Manteuffels Korrespondenzen heranzukommen. Dann, ab Mitte 1730, baute er sich fast generalstabsmäßig allmählich ein Netzwerk auf. Im Juni 1730 schlug er Herzog Christian von Sachsen-Weißenfels über seinen „sehr guten Freund“ Fritske ein Arrangement vor und bekam die Zusage, für die regelmäßigen Berichte 100 Ecus zu schicken.1112 Zwei Monate später hatte er in Wien bei Pircheisen Erfolg, und wiederum zwei Monate darauf ließ er sich von Sachsen-Eisenach 100 Ecus bezahlen. Der Geheime Rat Ludwig Adolph Zech in Merseburg bot 15 Ecus pro Quartal.1113 Auch der kursächsische Gesandte Christian Ernst von Polenz in Berlin bedankte sich für die Korrespondenzen Hamanns. Da von Polenz eine gute Position am preußischen Hof erlangt hatte und auch im Tabakskollegium Mitglied war, konnte er für Hamann ein idealer Türöffner bei Friedrich Wilhelm  I. sein. Die Pension von 100 Ecus, um die Hamann gebeten hatte, war aber zu „exorbitant“.1114 Der Herzog von Weißenfels zahle nur 50 Ecus, wie man wisse, und man könnte 60 Ecus pro Jahr zahlen und für kurze  Intervalle eine ansehnliche Zusatzgratifikation vereinbaren. Somit ist Hamann auch am Weißenfelser Hof vorstellig geworden und konnte von dort Zahlungen erwarten. Die von den verschiedenen Höfen gewünschten Informationen sammelte Hamann über einen Freund in Warschau. Eifrig knüpfte der findige Sekretär einen Kontakt zu seinem Kollegen beim Grafen Manteuffel. Madame Jeanne Vaucher, eine Bekannte von de la Sarraz, und der sächsische Gesandte Debrose in Den Haag waren ihm hierbei behilflich. Sie stellte ein Verbindungsglied zu Manteuffels Sekretär Joggel dar. Wahrscheinlich war sie die Frau des sächsischen Korrespondenten in den Niederlanden, 1107 1108 1109 1110 1111 1112 1113 1114

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc.356/14, Lefèvre an Sekretär Hamann, 11. Januar 1728, unfol. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, E 1 M, 33/1. Vgl. ebd., Lefèvre an Sekretär Hamann, 25. Januar 1728, unfol. Vgl. ebd., Lefèvre an Sekretär Hamann, 6. Juni 1728, unfol. Vgl. ebd., Lefèvre an Sekretär Hamann, 13. März 1729, unfol Vgl. ebd., Hofrat Witschke an Sekretär Hamann, 28. Oktober und 2. November 1730, f. 128, 130. Vgl. ebd., Geheimrat Ludwig Adolph von Zech an Sekretär Hamann, 31. Oktober 1730, f. 129. Ebd., Christian Ernst von Polenz an Sekretär Hamann, 28. November 1730, f. 135.

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Guillaume Vaucher.1115 Auch ein Gefangener in Warschau, eine „schöne Frau“ mit ihrem Ehemann und die Damen Hennequin und Ziehm in Dresden waren in dieses Netzwerk integriert. Möglicherweise ist es auf Betreiben des Grafen Flemming 1730 initiiert worden, da ein Angestellter aus Flemmings Kanzlei, Ulrich von Spenner, zwischendurch eine Reise nach Den Haag unternahm und über eine Deckadresse den Sekretär Manteuffels kontaktierte.1116 Zudem scheint die Tätigkeit Hamanns offiziell gedeckt gewesen zu sein, da der Finanzkontrolleur Johann Low im Dezember 1730 die Bezahlung mit Hamann in Leipzig vereinbarte, wobei er um Verständnis dafür bat, dass keine Quittung möglich sei.1117 Dass Ernst Christoph von Manteuffel von dem Informationsfluss erfuhr, ist aus der Akte nicht zu ersehen. Diese konzertierte Aktion erfolgte in jener Zeit, als Karl Heinrich Graf von Hoym im Kabinett die profranzösische Haltung durchsetzte und Flemming sich durch eine solche Informationskampagne Verstärkung bei den kleineren Mächten und in Wien holen konnte. Hamanns Informationsdienst funktionierte sehr lange: im Jahr 1746 wusste der preußische Gesandte Klinggräf zu berichten, dass der „Agent“ Hamann in Dresden für Geld allerhand Zeitungen schriebe.1118 Brühl äußerte Klinggräf gegenüber, er wolle Hamann bestrafen, denn diese Nouvellen seien eine Pest für den Staat. Am 31. März wurde Hamann „mit Behutsamkeit“ arretiert, und die bei ihm gefundenen Papiere belasteten ihn stark, da sich „gar vieles von Bedencklichkeit eusert“.1119 In mehreren Verhören schob Hamann Erinnerungslücken und Lügen vor. Durch die Untersuchung kam aber ans Licht, dass ein Hoftagebuch vom Dezember und dem halben Januar sowie die dann schon öffentlich bekannte Dresdner Kapitulation an Preußen von 1745 unter den Torwächtern, Sekretären und Aufwärtern in Abschrift kursierte.1120 Hamann verübte aus Verzweiflung einen Suizidversuch. Man erließ ihm die Todesstrafe und verurteilte ihn zu vier Wochen Zuchthaus, die er wegen seines „melancholischem Gemühts […] gleich einem Armen“ verbüßen solle.1121 Der Kreis der 1115 1116 1117 1118

Vgl. Matzke 2011, S. 395. Vgl. Ulrich von Spenner an Sekretär Joggel, 29. September 1730, f. 74. Vgl. ebd., Robert Low an den Sekretär Hamann, 29. Dezember 1730, f. 147. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 310, preußische Räte an Kursachsen, 24. März 1746, unfol. 1119 SächsHStAD, 10025, Geheimes Konsilium, Loc. 5216/09, Registratur des Amts Dresden, 31. März 1746, f. 1; ebd., Loc. 5216/08, Erlass Augusts III., 16. April 1746, f. 14. Hamann kommunizierte 1746 noch an Sachsen-Weimar, Anhalt-Köthen, Anhalt-Bernburg und Sondershausen, mit Geheimrat von Plessen, mit Graf Sapieha, mit dem preußischen Offizier Polenz, mit dem holländischen Residenten in Berlin namens Marteville, mit Le Fevre in Hannover, Leonhard und Seiffert zu Regensburg und Kauderbach in Den Haag und dem preußischen Baron Wylich. Auch habe er vor Jahren mit dem preußischen Kriegskommissar Vogel kooperiert. Vgl. ebd., Auflistung der Korrespondenten, 8. April 1746, f. 5 f. 1120 Vgl. SächsHStAD, 10025, Geheimes Konsilium, Loc. 5216/09, Capitulationspuncta so des Königs in Preußen Mayt. Der Vestung Dresden accordieret haben vom 17.12.1745, eine von vier Abschriften f. 43–50b. Diarium Dresdense 1.12.1745 bis 12.1.1746, f. 51–58. 1121 Ebd., Loc. 5216/08, Erlass, 28. Mai 1746, f. 53

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Befragten wurde unterdessen immer größer, und auch der Hofarchivar Glafey musste sich erklären. Es zeigte sich, dass die „Dresdner Kapitulation“ nur aus „Curiosität“ und Unbedachtheit abgeschrieben und verbreitet worden war, woraufhin alle mit einer starken Vermahnung davonkamen.1122 Als erneut Gerüchte über Zeitungen auftauchten, ließ Graf Brühl zum Beweis seiner Tatkraft den Bruder des Großkanzlers und Krakauer Bischofs, den DomestiquenReferendar Graf Załuski, sowie den Notar Lubinsky den Quellen dieser Meldungen nachspüren. Doch das Interesse an der Verfolgung dieser Sache ließ rasch nach, weil offenbar nichts zu finden war. Die Geheimschrift Augusts des Starken und sein Verständnis von Geheimdiplomatie August II. entwarf im März 1731 eigenhändig eine Chiffre, die sein Interesse und Verständnis für die Kryptologie belegt (Abbildung 18). Die Chiffre taucht in den Papieren des Christoph Dietrich von Bose wieder auf und zeigt an, dass sie im Generalstab Verwendung fand. Sogar die Erläuterung, die handschriftlich vom König überliefert ist, findet sich hier in Kanzleischrift wortwörtlich wieder.1123 Die Geheimschrift besteht aus einem Nomenklator mit 104 militärischen Begriffen und einer Instruktion zum Algorithmus, dessen Kern die Schlüsselziffern 4, 7 und 9 waren. Am Ende jedes verschlüsselten Textes wurden drei weitere Nummern genannt,

Abbildung 18: Eigenhändige Erklärung König Augusts II. von Polen zum Gebrauch seiner Geheimschrift, Anfang 18. Jh., SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 2097/45, Bl. 4 1122 Ebd., Protokoll des Verhörs von Johann Adam Steinhäuser, 11. Juli 1746, f. 77 1123 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 8236/15, f. 37 f.

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von denen diese drei Nummern subtrahiert wurden. Aus den beiden ersten Subtraktionsergebnissen ergibt sich die Spalten- und Zeilenzahl einer Tabelle, in die jene Worte des Geheimtextes eingetragen wurden. In welcher Spalte begonnen wurde, bestimmte die dritte Differenz. Erst, wenn der Geheimtext in dieser Art angeordnet wurde, war er lesbar, und man musste nur noch manche verzifferte Begriffe mit Hilfe des Nomenklators auflösen. Tabelle 26: Geheimschrift Augusts II. mit Geheim- und Klartext Geheimtext Exempehl dem wierd mich conduit 59. zu vor und 65. seiner laßent vallor ich die Gelegenheit im über 88. wießen übrigen 86. welche zu auf hiermit er gebrauchen seine. 9.11.16 Klartext ich über 86 hiermit dem 59 65 (schicke) (General) (Rebel) die 88 welche er wierd zu seiner (Chiffre) Gelegenwießen zu gebraumich vor Laßent heit chen im

Übrigen

auf

seine

conduit

und

Vallor

Ein zweiter, kurzer Nomenklator enthält  – für die damalige Zeit untypisch  – auch Symbole wie Davidstern, Kreuz, Rechteck und Dreieck.1124 Diese Anormalität begründet den Verdacht, dass diese altmodische Chiffre dem König als Denkspiel diente. August II. besaß zwar Kenntnisse, einen Text mit einem komplizierten Algorithmus wirksam zu verschlüsseln, aber die Symbolchiffre und zwei weitere Indizien zeugen von wenig Praxiserfahrung. So hat der König die Zahlen 1–104 konsequent in der Reihenfolge notiert, die Begriffsliste aber intuitiv entwickelt und nicht wie üblich bestimmten Begriffsfeldern zugeordnet. So stehen die Worte „chifres“ „courrier“, „chleinig“ und „expressen“ ebenso hintereinander wie „brieffes“, „aufgefangen“ und „unglick“. Aus dieser Zusammenstellung wird das Verständnis Augusts  II. sichtbar, dass er Interzeption als Unglück betrachtete, wichtige Informationen aber chiffriert per (Express-) Kurier schleunigst befördert sehen wollte. Auch die unmittelbar hintereinander notierten Begriffe 98 bis 104 „forsierren“, „Spion“, „verbrannt“, „gehenket“, „überleffer“, „debochiret“ und „ingenieurs“ zeigen, wie er das Begriffsfeld der Geheimdiplomatie abarbeitete. Dass er die „Chiffre“ in seiner Liste ebenso zweimal aufschrieb (als Nummer 17 und Nummer 88) wie den „Spion“ (Nummer 42 und Nummer 99)

1124 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2097/45, unfol.

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hinterlässt den Eindruck ihrer hohen Relevanz für den König. In ihrer ersten Erwähnung stehen die Worte im Umfeld von „Brieffe“ und „investieret“ bzw. „desertiret“ und „capitulieren“. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf seine Interpretation dieser Methoden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass August der Starke den Wert der Geheimdiplomatie kannte, aber auch ihren Preis („investiret“). Er sah die Möglichkeiten der Spionage, z. B. dadurch eine Kapitulation zu erreichen, aber auch ihre Gefahren, durch Überläufer ausspioniert zu werden. Ihm waren Zeit und Geheimhaltung als bedeutsame Faktoren für ein erfolgreiches Informationswesen bewusst. Aus diesem Wissen schuf er jedoch keine Institution oder veranlasste eine professionelle Geheimdiplomatie. Vielmehr ist eine an der Tagespolitik orientierte Nutzung der geheimpolitischen Methoden unter August II. zu beobachten. Die im Spanischen Erbfolgekrieg und im Türkenkrieg gereifte Weitsicht eines Prinzen Eugen für Belange der Intelligence besaß August II. nicht. Abenteurer und Hochstapler am Hof Augusts II. Aus dem 18. Jahrhundert sind etliche durchreisende Hochstapler und Abenteurer aktenkundig, die daran erkennbar sind, dass sie ohne Auftraggeber und aus eigenem Impuls heraus aktiv waren. Der Fall Klement, der die sächsisch-preußischen Beziehungen stark belastete, wurde wegen seiner großen Bedeutung bereits ausführlich behandelt.1125 Er zeigte besonders eindrucksvoll die fehlende Qualitätssicherung bei der Nachrichtenübermittlung: Dem Betrüger wurde geglaubt, sofern er seine Geschichte in den Rahmen der Vorurteile einpasste und sich die Perspektive seines Gesprächspartners zu eigen machte. Hier wird das Fehlen eines Warnsystems zwischen den Höfen für Preußen schmerzhaft bemerkbar. Wie sonst hätte Klement, der schon in Frankreich mit gefälschten Informationen gehandelt hatte, in Preußen nochmals eine solche Staatskrise auslösen können? Das Misstrauen der Dynastien untereinander war der Nährboden, auf dem politische Intrigenspiele und wirtschaftlich lukrative Betrügereien florieren konnten. Diese Beobachtung trifft gleichermaßen auf den Valvasor-Fall zu, der im Folgenden kurz skizziert wird. Unter dem Pseudonym eines Baron Georg Sigmund von Valvasor erhielt August II. 1714 eine falsche Denunziation, Stanislaus Leszczyński wolle August und den Krongroßkanzler Szembek mit einem Tatarengift umbringen lassen.1126 Wie zum Beweis traf 1125 Vgl. Kapitel „Hinter den Kulissen des Kabinetts Augusts II.“, S. 487. 1126 Das Gift sei, selbst wenn der König „1000 Leben hätte“, schon beim Einatmen binnen vier Wochen tödlich, beim Schmecken binnen Stunden. Es habe 48h lang destillieren müssen. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1392/1, Valvasors Briefe, 6. September, 3. Dezember 1714, f. 1–14.

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einige Tage später ein entsprechendes Pulver ein, das der Hofmedicus Geier jedoch als „mehr von Spitzbuben als vom königlichen Laboranten gemachtes […] mit Arseni vermischtes Sublimat“ erkannte und warnte, es sei keine „Universalmedizin“ wie benannt.1127 Als Nachforschungen über eine im Brief genannte Person ans Licht brachte, dass diese längst tot sei, griff der für die Landesverteidigung zuständige Gouverneur Wackerbarth zu und arretierte den Mann, der angeblich ein Treffen zweier schwedischer Offiziere in Frankfurt am Main beobachtet hatte, die über die Mordpläne nachts in einer Pension im Nachbarzimmer gesprochen hätten.1128 Wackerbarth erinnerte sich an einen ähnlich gelagerten Fall, bei dem die Hannoveraner bekannt gaben, sie seien von einem Franz Anton von Premei vor der Vergiftung des Prinzen von Wales mit einem Giftbrief gewarnt worden.1129 Der Täter habe auf eine Belohnung spekuliert, war aber nicht gefasst worden. Wackerbarth bekannte dem König, der Prinz Eugen habe ihm unter der Hand eröffnet, sowohl ihm als auch dem Kaiser Karl VI. und dem Herzog Louis von Burgund sei ähnliches „Hazards“ geschehen und meinte, es sei „eine ganze Bande dieser chevaliers d’industrie“ unterwegs.1130 Der identische modus operandi überführte den Täter als „Spieler und Betrüger“ ebenso wie die gar zu detaillierte Beschreibung und das mutige Observieren jener angeblichen Täter.1131 Eine Personenbeschreibung und ein Handschriftenabgleich lieferten abschließende Beweise, dass der Betrüger von Wien und Hannover identisch mit dem in Breslau gefangenen Valvasor war. Der Mann war 40 Jahre alt, groß, mager, kam aus Krain, schwatzte viel und trug immer viele Briefschaften bei sich.1132 Diese Darstellung legt nahe, dass Valvasor das Abenteuer zur Stärkung seines Egos suchte. Aber auch der pekuniäre Aspekt einer möglichen Belohnung dürfte eine Rolle gespielt haben. Allerdings befürchtete Wackerbarth hinter der Geschichte tatsächlich ein Komplott und verständigte sich mit den Offizieren stets mit Hinweis auf größte Geheimhaltung. Eine Chiffre wurde nicht eigens benutzt, weil ihre Fertigung wahrscheinlich zuviel Zeit in Anspruch genommen hätte und möglicherweise Aufsehen erregt hätte. Eine Verschwörung wurde aber nie aufgedeckt und hat wohl auch nie bestanden, denn es wurden keine weiteren Komplizen bekannt. Mit Großbritannien und Wien musste Wackerbarth die Auslieferungsgesuche verhandeln. Schließlich wurde Valvasor 1716 vor dem Appellationsgericht Prag dazu verurteilt, „auf ewig auf die 1127 Ebd., Hofmedicus Geier, 11. Dezember 1714, f. 15. Er habe nach dem Selbstversuch tagelanges Spucken und Brennen im Hals verspürt, bei seinem Hund sei Erbrechen und weißer Schaum zu beobachten gewesen. 1128 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 712/5, Brief Wackerbarths, 9. Januar 1715, f. 19. 1129 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1392/1, Kopie des Schreibens von George I., 19. August 1714, f. 46. 1130 Vgl. ebd., August Christoph von Wackerbarth an August II., 19. Januar 1715, f. 55. 1131 Ebd., Obrist Christoph Friedrich von Pflugk, 11. Januar 1715, f. 31. 1132 Vgl. ebd., Beschreibung, undat., f. 58.

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Galeren geschnürt“ zu sein.1133 Die Akte endet jedoch mit einer Überraschung aus Breslau: Ew. Excell. Habe hiermit unterthänigst berichten wollen, daß der hier lang geseßene Valvasor alß er auf die Galleren gebracht werden sollen echappiret […].1134

Der Verurteilte war entkommen. Das war symptomatisch – die Höfe waren den Abenteurern stets einen Schritt hinterher und hatten mit diesen nicht zu packenden Nebelgestalten schwer zu kämpfen. Der Valvasor-Fall hatte für den sächsisch-polnischen Hof gravierende Folgen, denn die gestiegene Nervosität verstärkte die Spannungen zwischen August  II. und Stanislaus Leszczyński, der zwar unschuldig an dieser Zuspitzung war, aber noch schärferen Wind aus Sachsen zu spüren bekam. Hätte es einen weiteren Zwischenfall gegeben, wäre es möglicherweise der letzte Funke gewesen, der den offenen Konflikt entfacht hätte. Glücklicherweise gelang es keinem weiteren Betrüger, Fuß zu fassen und die zwischenstaatlichen Animositäten zu schüren. Stattdessen kam der Baron von Klettenberg, der den Geldbedarf Augusts II. für sich auszunutzen verstand. Dieser selbsternannte Baron, der 1707 in Frankfurt am Main einen Edelmann im Duell erstochen hatte, konnte jahrelang an mehreren Höfen untertauchen und sich mit betrügerischer Alchemie das Vertrauen erschleichen.1135 Er war als Baron von Wildeck ab 1707 in Sachsen-Weimar und verließ den Hof, als man ihn als Scharlatan entlarvte, Richtung Sachsen, wo er den hohen Geldbedarf Augusts II. für seine Zwecke als nützlich erachtete. In Leipzig trat er als Baron von Klettenberg mit einer Schrift hervor, in der er alle bisherigen Goldmacher als Betrüger bezeichnete. Seinen Taschenspielertricks erlag auch August  II., der den vermeintlichen Adepten sich direkt unterstellte und ihm als Kreishauptmann von Senftenberg monatlich 1.500 Reichstaler gewährte. Erst die Bekanntgabe einer Wechselschuldensumme in Höhe von 24.000 Reichstalern machte den Hof misstrauisch und führte zu seiner Inhaftierung in Hohnstein und später auf der Festung Königstein. Seine mehrfachen Fluchtversuche scheiterten im ersten Fall daran, dass alarmierte Bauern ihn in Pfaffendorf aufhielten und im zweiten Fall mit einem 18-Meter-Sturz beim Abseilen von der Festungsmauer. Auslieferungsgesuchen von Frankfurt am Main leistete August II. keine Folge. Schließlich wurde er 1720 durch das Schwert hingerichtet. Der glänzende Hof Augusts  II. zog zahlreiche Betrüger an, die sich Gewinn versprachen. Von denen sind offenbar jedoch nur jene aktenkundig, die nicht rechtzeitig den Absprung schafften oder den Bogen überspannten und deshalb gefasst wurden. Allerdings dürfte in der Gegenüberlieferung anderer Höfe die eine oder andere Spur noch zu finden sein, so dass hier noch Forschungsbedarf besteht. 1133 Ebd., Mitteilung an den Residenten Vesnich in Wien, 30. Mai 1716, f. 96. 1134 Ebd., Christian Neugebauer aus Breslau an August Christoph von Wackerbarth, 16. Februar 1717, f. 101. 1135 Zum Baron von Klettenberg vgl. Scholze 1999, S. 26.

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4.3.4 Die „kleine Geheimdiplomatie“ der ernestinischen Herzogtümer Im Vergleich zu der großen europäischen Politik, auf deren Bühne August II. eine zentrale Rolle spielen konnte, vollzogen die Ernestiner eine Hausmachtpolitik kleineren Maßstabes. Durch ihre engeren Grenzen und ihre bescheideneren Mittel besaßen sie auch eine geringere politische Reichweite. Die kulturellen Ausprägungen der Höfe vermochten zwar, eine gewisse Aufmerksamkeit auf die Residenzen zu ziehen, aber die Politik der Fürsten behielt bis auf Ausnahmen eine Tendenz zur Provenzialität. Weimar leistete sich 1709 immerhin einen Agenten in Hamburg.1136 Schon wegen ihrer beschränkten politischen Bedeutung und mangels besserer Aussichten hatten die Fürsten der Kleinstaaten keinen Grund, sich mit den Mitteln der Geheimdiplomatie auseinanderzusetzen. Entsprechend spärlich sind die Quellen zur Spionage, Chiffrierung oder Interzeption jenseits des Jahres 1567. Einzig die militärischen Engagements ernestinischer Familienmitglieder wie Bernhards von Sachsen-Weimar im Dreißigjährigen Krieg oder die im Krieg nützlichen ernestinischen Regimenter boten Anlass für vereinzelte Geheimdiplomatie. Alchemisten in Thüringen Da in den thüringischen Kleinstaaten besonderer Wert auf die höfische Kultur gelegt wurde, dürfte die allgemeine Alchemie-Begeisterung, die sich in Dresden in der Suche nach dem Stein der Weisen und dem weißen Gold niederschlug, auch bei den ernestinischen Höfen anzutreffen gewesen sein. In der Tat wurden in Meiningen, Schwarzburg oder Arnstadt Laboratorien eingerichtet. Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg ließ seit 1676 den angeblich seriösesten Alchemisten seiner Zeit, Franz Gassmann alias Pantaleon alias Baron von Gastorf, für sich arbeiten, um Gold zu gewinnen.1137 Der Alchemiker bekam eine Zweitresidenz in Altenburg und ein hohes Jahresgehalt von 500 Talern im Jahr. Der Gothaer Leibarzt Jakob Friedrich Weitz musste die Experimente im Labor monatelang beobachten. Da aber weder ein Durchbruch noch eine Entdeckung gelang, erreichte das naturwissenschaftliche Interesse an den Höfen in Thüringen keine politische Dimension, abgesehen von einer Einbindung in Wissenschaftsnetzwerke. Bestochene Arkanisten oder geheime Tinten finden sich in den Weimarer und Gothaer Quellen des 18. Jahrhunderts nach derzeitigem Kenntnisstand nicht. Das mag an der geringen außenpolitischen Relevanz der Region in jener Zeit gelegen haben. Erst im 19. Jahrhundert stieg das Renomée der Ernestiner infolge ihrer erfolgreichen Heiratspolitik wieder. 1136 Vgl. ThHStAW, Auswärtige Angelegenheiten, Beziehungen zu Hamburg, D 511. 1137 Vgl. Mulsow, Martin; Telle, Joachim (Hrsg.): Alchemie und Fürstenhof. Frühneuzeitliche Alchemica in Handschrift und Druck auf Schloss Friedenstein in Gotha (in Vorbereitung); Schmieder, Karl Christoph: Geschichte der Alchemie, Halle 1832, S. 442 f.

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Die Entlarvung eines Maulwurfs Aus Sachsen-Gotha kann ein eindrucksvolles Beispiel für heimliche Kommunikation im Krisenmanagement berichtet werden. Gustav Adolph Gotter, Sohn des Kammerdirektors von Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, stieg zu einem einflussreichen Staatsdiener in Gotha und später in Berlin auf. Als Jüngling durfte er seinen Vater auf dessen Dienstreisen in Wien unterstützen. Auf dem Weg dorthin reiste er nach unverbürgten Angaben – wohl aus Abenteuerlust – mit seinem Freund Gerlach von Münchhausen, dem späteren englischen Premierminister, im Versteck unter Deck eines Schiffes von Regensburg nach Wien, das von den zwei Nichten des Prinzen Eugen gechartert worden war.1138 Als das Schiff in einen gefährlichen Donaustrudel geriet, gelang es, so die Überlieferung, dem vom Unterdeck auftauchenden Gotter das Schiff vor dem Kentern zu bewahren. Dank dieses Erlebnisses soll er umgehend in den gesellschaftlichen Kreisen bekannt geworden sein. Seine vertrauliche Freundschaft mit dem Prinzen Eugen ist jedoch, wie neuere Forschungen zeigen, die Frucht jahrelanger Anstrengungen und beruht nicht auf dem Mythos seines kometenhaften Aufstiegs durche jene legendenhafte Tat.1139 Er durfte sich, nachdem er sich durch ein kostspieliges Leben in die Gesellschaft eingelebt hatte, nach einigen Jahren zu den sehr wenigen Freunden des Prinzen zählen, die ungehinderten Zugang zu ihm genossen. Angeblich besaß nur der päpstliche Nuntius zu Wien einen ähnlichen Stellenwert wie Gotter.1140 Sachsen-Gotha profitierte von Gotters gewinnendem Wesen in seiner Position nicht wenig: die in Wien anhängigen Prozesse wurden beschleunigt und ausstehende Gelder gezahlt. Der Gothaer Jungdiplomat wurde auch von anderen Höfen als Gatekeeper angefragt. Nachdem er das Handwerk von seinem Vater erlernt hatte, wurde dieser 1717 abberufen, so dass dem 25jährigen jetzt die Beziehungen zwischen Gotha und Wien allein oblagen. 1723 gelang ihm die Entlarvung eines Maulwurfs, der den Gothaischen Anstrengungen am Wiener Hof entgegenarbeitete.1141 Gotter war damit beauftragt, beim Kaiser ausstehende Gelder einzutreiben, die noch aus der Bereitstellung von vier sächsischgothaischen Regimentern für den Feldzug 1713 resultierten und die mit den Auslagen für die nun in Italien stehenden Regimenter verrechnet werden sollten. Dazu waren Gotter von Thüringen aus drei Gehilfen zur Seite gestellt worden, um die Rechnungen 1138 Vgl. Beck, August: Graf Gustav Adolf von Gotter. Ein Lebensbild aus der Zeit Friedrichs des Großen und Maria Theresias, Gotha 1867, S. 4 f. Diese Legende besitzt einige Ungereimtheiten: Prinz Eugen besaß nur eine Nichte, und Münchhausen dürfte kaum an einer Donaureise teilgenommen haben, da er sich soeben eine Berufung an das Oberappellationsgericht nach Celle erarbeitet hatte. Vgl. Krüger, Kurt: Gustav Adolph Graf von Gotter. Leben in galanter Zeit, Erfurt 1993, S. 8. 1139 Vgl. Krüger 1993, S. 9. 1140 Vgl. Beck 1867, S. 6. 1141 Vgl. ThStAG, GA, D II, Nr. 75. Bislang war der Forschung diese Akte und ihr äußerst aufschlussreicher Inhalt entgangen.

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zu prüfen, die dem Kaiser vorgelegt werden sollten: der Geheimsekretär Ludwig Andreas Gotter1142 sowie der Oberkommissar Kessel und der Obristwachtmeister Siegfried. Insgesamt belief sich die von Wien zu fordernde Summe auf 78.055 Gulden. Am 25. November 1722 berichtete er seinem Herzog, er habe nicht begreifen können, warum die anfänglich so erfolgversprechende Arbeit kurz vor dem Abschluss ins Stocken geriet: […] daß ich nichts als lauter Indifferenz verspühret, und auch mit aller meiner Sollicitation und Bemühung weiter nichts auszurichten vermagk, bis ich endlich mit vieler Bestürtzung glaubwürdig erfahren, daß mich darinnen der Major Siegfried am meisten traversiret. Denn er hat in einem hirher abgelassenen Schreiben (worden mir doch die specialia noch zur Zeit zu eröfnen verbothen) nicht allein alle arcana und was den Pratenten abgegeben und versprochen worden, specifice entdecket, sondern sich auch erbohten, falls Ihro Kays. Mayt. Ihn in Diensten auffnehmen wollten, mit den in Händen habenden Documenten klärlich zu erweißen, daß dieselben dem Gothaischen Regimentern nicht allein nichts schuldig blieben, sondern diese au contraire considerable summen zu restituiren hätten. Wobey er denn seinen freund sehr gebehten alles so geheim zu tractiren, damit der Printz Eugene und General Kriegs Commissarius wie auch Buchhalter Hertmüller nichts davon erführen, weilen diese theils praeoccupirt, theils bestochen wären, sondern es müsste Kayserl. Mayt. Durch den Italienischen Obrist Kriegscommissarium Grafen den Neßelnrodt (so ohne diß au rem Principis hat, nur mit dem Grafen von Thurheim nicht wohl stehet) insinuiret werden. Ob ihm nun wohl von seinem Confidenten geantwortet worden, daß ihm unmöglich sey, seine Vorgesezte ordentliche obrigkeit vorbey zu gehen, und sich in dergleichen intriquen zu meliren, so hat er doch sich zugleich offeriret, einen Brieff, worinn er en detail herausgehen und seinen Vorschlag weiter bescheinigen sollte, an den Grafen von Neßelrodt zu bestellen. Dieser Brief wird nun täglich erwartet, und kan zwar als eine den Dienst und Nutzen Kayserl. Mayt. angehenden Sache eher die größte Verantwortung nicht zurückbehalten werden, man hat mir aber selbigen dennoch vorhero zu meiner Erbrech- und Abcopirung zuzustellen versprochen, und wird bey dem gedachten Grafen von Neßelrodt solche Verbauung thun, daß selbiger vermuthlich den darunter absehenden schädlichen Endzweck nicht erreichen wird. Unterdeßen besorget man nun es möchte dergleichen zu Lebens Zeiten des Hof Cammer Raths Palms, mit welchem der Major Siegfried auch in correspondenz gestanden, schon an Hand gegeben worden seyn, weilen jener auf eine so hefftige Art sich der Tauschhandlung wiedersetzet, und solche durch eine weitläuffige Schrifft übern Hauffen zu werffen gesucht. Nach der mit dem confidenten geschehenen Überlegung können Euer Hochfürstl. Durchl. Doch ohne unterthänigste Zielsetzung jetzo nichts anderes thun, als daß Sie sich sub specioso fitalo aller bey dem Siegfrieden befindlichen schrifftlichen Rechnungen und Documenten bemächtigen, und die hiesige relationen, woraus es die partiucularia gesagen, in genugsame Sicherheit bringen, wir auch 1142 Er war Onkel des Gustav Adolphs von Gotter.

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auf der Post wegen künfftigen Zurückbehaltung seiner Briefe hinlänglich Anstalten treffen, auch ihn übrigens durchgehends mit solchen glimpff und douceur tractiren laßen, daß er ohnmöglich was vermercken und die Kayserl. Confirmation hintertreiben könne. Von dem äußeren diesen ohnfehlbahr bevorstehenden Zeit Verlust, wo nicht größten Schaden Prostitution und Ruin meines Credits wie nichts gedencken, weilen selbiges leicht zu erachten, sondern bedauern nur, daß ich von dises schändlichen Vorhaben und Verrätherey zu erst denuncyren mus, bitte aber anbey ihm solches nach Verdienst nicht entgelten sondern dero angestamte fürstl. Gnade und Milde statt der Gerechtigkeit vorwalten zu laßen, als zu welcher mich ebenfalls devotest empfehle und mit submittester beneration verharre, Ew. Hochfürstl. Durchl. Unterthänigst treu-gehorsamst Gustav Adolph Gotter.1143

Der Major beging demnach regelrecht Hochverrat, indem er nicht nur die Tätigkeit der Gesandtschaft sabotierte und der Korruption bezichtigte, sondern sogar die Seiten wechseln wollte und behauptete, Sachsen-Gotha stünde dem Kaiser nicht als Gläubiger, sondern als Schuldner gegenüber. Gotter behielt zwar den Namen seines Denunzianten für sich, jedoch schickte er am 20. Dezember den Major belastende Kopien des Oberkommissars Johann Richard Pachner nach Gotha, der damit als Gewährsmann bekannt wurde. Diese Kopien seien „secreta, weil denen Ehre, Pflicht und reputation oder intenstentz dependirt“.1144 Wie sah das Krisenmanagement Herzog Friedrichs  II. von Sachsen-Gotha-Altenburg in diesem Fall aus? Seine Finanzpolitik in Wien wurde vom eigenen Mann unterminiert, gegen den offenbar ausreichende Beweise vorlagen. Der Herzog hätte sofort den untreuen Major festnehmen und damit unschädlich machen können. Da jedoch die Ausmaße des Verräterkreises nicht klar waren, beschloss er, den Angeklagten unter Druck zu setzen, um diesen womöglich zu einem Fehler zu provozieren. Der Herzog trug Gotter auf, dieser solle den Major offensiv ansprechen und fragen, ob dieser Kontakte mit dem kaiserlichen Kommissariat pflege.1145 Zudem setzte er bei einem glücklichen Ausgang der Affäre eine Belohnung in Höhe von 600 Gulden aus – ein stolzer Preis, der deutlich macht, wieviel ihm die Vermeidung eines Gesichtsverlustes wert war. Ab diesem Moment führten beide, der Herzog und Gotter eine geheime Parallelkorrespondenz, indem sie handschriftliche Briefe der offiziellen Post eigenhändig beifügen und so vor den Sekretären verbargen. Das geht daraus hervor, dass Tinte und Handschrift von den eigenhändigen Briefen mit der Unterschrift bei der dem Kanzlisten diktierten Post übereinstimmen. Am 2. Januar gab Gotter bekannt, dass sein Vertrauter ihm kundgetan habe, die Siegfriedsche Post sei bei Nesselrode eingegangen. Da nun ein ernsthafter politischer Schaden zu befürchten stand, weihte der Herzog die Geheim1143 Ebd., Gustav Adolph von Gotter an Herzog Friedrich von Sachsen-Gotha, Wien 25. November 1722, unfol. 1144 Ebd., Abschrift an Gustav Adolph von Gotter, 20. Dezember 1722, unfol. 1145 Vgl. ebd. Herzog Friedrich an Gustav Adolph von Gotter, Gotha 30. Dezember 1722, unfol.

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räte von Bachoven, von Schwarzenfels und von Jäger ein, denen gegenüber er seine Belohnung von 600 Gulden verteidigte.1146 In Wien führte Gotter seinerseits intime Gespräche mit dem Vorgesetzten von Pachner, Kriegsrat Quarient, der am 9. Januar bereits wusste, dass ein „böser Mensch“ das ganze Werk „verdorben“ habe.1147 Inzwischen trieb Gotter mit großzügigen Geschenken für den Hofkriegsrat Brockhausen, der dem einflussreichen Prinz Eugen nahestand, die Beendigung des „Militärabrechnungswerkes“ voran.1148 Geld als Schmiermittel übte in diesem Prozess offenbar große Wirkung aus: Brockhausen versprach Gotter bei Realisierung ein Viertel der Summe oder wenigstens 2.000 Dukaten, und der ebenfalls hilfsbereite holländische Gesandte müsse entsprechend gewürdigt werden, schrieb er nach Gotha.1149 Daneben versuchte er, den aus 85 Einzelschritten bestehenden Weg durch das Labyrinth der Wiener Hofkammerverwaltung über den Hofkriegsratssekretär und Prinz Eugen zu verkürzen. Da der Wiener Hof eine für Wien Aktiva aufführende Rechnung des Majors wünschte, riet Gotter dem Herzog, man möge Major Siegfried sofort alle Unterlagen entziehen, um ihn in Not zu bringen und zur Fälschung zu zwingen. Er selbst wolle später sich vom Major dessen Rechnung erläutern lassen und diesen damit überführen.1150 Zudem habe er mit Nesselrode gesprochen, wobei beide einig waren, dass man in Wien den Major Siegfried nicht gern aufnähme. Auch vermutete er, dass Siegfried die Briefe in Erfurt selbst auf die Post gebe und abhole, so dass er eine Interzeption der Briefe empfahl.1151 Zwischen Juli und November hielt sich Gotter beim Kaiser in Prag auf und versuchte in Audienzen, den Abschluss der Verhandlungen zu erreichen. Inzwischen war der Druck auf den Major Siegfried offenbar so gewachsen, dass dieser in einem seitenlangen Entschuldigungsbrief dem Herzog die Motive für sein Handeln offenlegte, auf seine Schuldennot verwies und die Aufhebung der Ungnade erbat.1152 Der Herzog erhielt indes bald schriftliche Beweise für den Verrat des Majors und die Unhaltbarkeit der ausgestreuten Gerüchte, Gotter sei der Korruption verdächtig. Die „Original-billets“ des Geheimen Kriegsrats von Quarient und die nachgeschickten Briefe Pachners ließen keinen Zweifel mehr. Somit schrieb Herzog Friedrich Anfang 1725 an Gotter, er werde der „Siegfriedigten bösen correspondenz Ziel zusezen bedacht seyn“.1153 Die lange Dauer dieser Affäre lag u. a. daran, dass Quarient als glaub1146 Vgl. ebd., Herzog Friedrich an die Geheimräte, 3. Februar 1723, unfol. 1147 Ebd. Gustav Adolph von Gotter an Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg über den Besuch Quarients am 9. Januar, 31. Januar 1723, unfol. 1148 Vgl. ebd., Gustav Adolph von Gotter an Herzog Friedrich II., 8. Mai 1723, unfol. 1149 Vgl. ebd., Gustav Adolph von Gotter an Herzog Friedrich II., Wien, 5. Juni 1723, unfol. 1150 Vgl. ebd., Kopie des Generalfeldwachtmeisters und Obrist-Kriegskommissars Graf von Neßelrod an Oberkriegskommissar Pachner mit Anmerkungen von Gustav Adolph von Gotter an Herzog Friedrich II., Wien 20. Januar 1723, unfol. 1151 Vgl. ebd., Kopie des Majors Siegfried an Oberkriegskommissar Pachner, o. D. und Gustav Adolph von Gotter an Herzog Friedrich II., Wien 12. März 1723, unfol. 1152 Vgl. ebd., Major Siegfried an Herzog Friedrich II., f. 164. 1153 Vgl. ebd., Herzog Friedrich II. an Gustav Adolph von Gotter, 19. Janar 1725, unfol.

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würdiger Bürge sich wegen seiner hohen Position längere Zeit scheute, schriftliche Erklärungen abzugeben und schließlich durch einen Unfall beiderseits gebrochene Arme hatte und dadurch an der Aufsetzung des Schreibens gehindert worden war. Erst am 15. Dezember 1724 schickte er an Gustav Adolph von Gotter einen Brief, in dem er klarstellte, dass nur die Beschuldigungen gegenüber Gotter und sein Respekt gegenüber dem Gothaer Herzog ihn nötigten, „aus der Schule zu schwaizen“ und unter größter Diskretion zu bezeugen, dass sein Vetter, der Regensburgische Gesandte mit ihm über Siegfried gesprochen habe und dieser nur Intrigen stiften wolle, dass er – Quarient  – die Originaldokumente Siegfrieds in eigenen Händen gehabt habe und daraus „alerley malitiose proceduren“ ersehen konnte.1154 Durch seine Aussage kommt auch zum Ausdruck, dass Pachner dem Major geschrieben hätte, er könne nicht den Generalkriegskommissar umgehen, woraufhin Siegfried sein Scheitern erkannt habe und die Korrespondenz einstellte. Somit stellt sich das Informationsnetzwerk folgendermaßen dar (Grafik 23). Der von Major Siegfried ausgehenden geheimen Korrespondenz (rote Kanten) und der von ihm intendierte Weiterleitung (gestrichelte Kanten) wurde durch die von Pachner ausgehenden Informationsbriefe und den zum Krisenmanagement gehörigen geheimen Austausch der Beteiligten (grüne Kanten) entgegengearbeitet. Es ist deutlich zu erkennen, dass es zwei unabhängige und andere Personen isolierende Kommunikationsnetze gab: Einerseits bemühte sich der Major um Geheimhaltung gegenüber den kaiserlichen wie auch gothaischen Entscheidungsträgern, andererseits baute sich nach der Denunziation ein weiteres Kommunikationsnetz (grüne Kanten) auf, das nun seinerseits den Major isolierte. Die kaiserliche Gruppe (in schwarzer Schrift) ragt in jenes zweite geheime Kommunikationsnetz hinein. Zudem kommt in der Visualisierung stark

Grafik 23: Informationsnetzwerk zum Fall „Major Siegfried“ 1723 1154 Vgl. ebd., Christoph von Quarient an Gustav Adolph von Gotter, 15. Dezember 1724, unfol.

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zum Ausdruck, dass der Gothaer Hof sich bemühte, so gut wie keine weiteren Mitwisser einzuweihen, außer den zur Bewilligung der Belohnung erforderlichen Räten. Die dicke grüne Kante zwischen dem Herzog und Gotter versinnbildlicht die intensive geheime Korrespondenz beider, in die auch die Berater des Herzogs nach Quellenlage nicht einbezogen wurden. Insgesamt konnte eine Rufschädigung Sachsen-Gothas insofern vermieden werden, als offenbar weder Prinz Eugen noch der Kaiser von den verräterischen Umtrieben in Kenntnis gesetzt wurden und der Kriegsrat von Quarient zusammen mit dem Kommissar Pachner in verschwiegener Weise zur Klärung des Falls beitrugen. Dass der Verrat des Majors überhaupt bekannt wurde, war dem aufmerksamen Oberkriegskommissar Pachner zu danken, der zwar die Briefe des Majors an Nesselrode weiterleitete und somit in dessen Absicht handelte, aber parallel dazu den Gothaer Gesandten in Wien Gotter über Siegfrieds Aktivitäten informierte. Seinen Vorgesetzten Quarient zog Pachner kurz darauf ins Vertrauen und übergab diesem somit die Verantwortung, inwiefern eine solche Affäre unter der Hand geregelt werden kann. In der Tat entschied sich Quarient zu einer Zeugenschaft ohne Einbeziehung des Generalkriegskommissars Graf von Thürheim, der in der Akte nur am Rande Erwähnung findet. An diesem Beispiel zeigt sich, dass die Höfe bemüht waren, das Ansehen schädigende Begebenheiten rechtzeitig und heimlich zu klären. Wie hier geschehen, kam der Fall ans Tageslicht, weil der untergeordnete Beamte Pachner den Mut aufbrachte, selbstständig zunächst Gotha und danach den Vorgesetzten von Quarient über Unregelmäßigkeiten zu informieren. Interessanterweise nahm der Herzog nicht die alle Siegfrieds in Sippenhaft, sondern ernannte vielmehr ein als Obristwachtmeister dienendes Mitglied der Familie am 3. Februar 1723 zum Obristleutnant.1155 Ob diese Beförderung in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Fall um den Major Siegfried steht, muss dahingestellt bleiben, da von dem Obristleutnant nur eine Seite der Ernennungsurkunde überliefert ist. Von Gotter war dieser Fall äußerst dienlich, da er sich bei seinem Herzog durch die Aufklärung des Verrats in eine Vertrauensposition setzte und großen Kredit genoss. Mit seiner Ernennung zum Hofrat 1723 und zum Legationsrat 1725 dürfte diese Angelegenheit jedoch nicht in Zusammenhang stehen, da erstere noch vor Beendigung der Affäre geschah und letztere eine Reaktion des Herzogs auf die kaiserliche Diplomierung Gotters zum Reichsfreiherrn war. Möglicherweise verhalf ihm auch seine überaus kräftige Stimme zum Erfolg, denn er wurde in Wien allgemein „jupiter foudroyant“ („der donnernde Jupiter“) genannt.1156 Wie sein Herr liebte auch er Pracht und glaubte, Gotha durch die glanzvollste Haushaltsführung in Wien adäquat zu vertreten. Durch seine Verdienste um die Missheirat Anton Ulrichs von Sachsen-Meiningen erwarb er sich den Aufstieg zum Hofrat und 1155 Vgl. ThStAG, GA, II LVI, Nr. 19. 1156 Vgl. Beck 1867, S. 15.

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Legationsrat. Der Kaiser erhob ihn in den Reichsfreiherrnstand, Zar Peter II. verlieh ihm den Alexander-Niewski-Orden. Gotter kam durch seine persönliche Nähe in den „Mitarbeiterstab“ des Prinzen Eugen und war zusammen mit Friedrich Heinrich von Seckendorff für das Königreich Preußen zuständig. Letzterer gilt als zentrale Figur in der mitteleuropäischen Politik jener Zeit. Zunächst in gothaischen Diensten, ab 1709 für Sachsen-Polen als hochrangiger Militär erfolgreich, bevor er 1717 in kaiserliche Dienste wechselte. Das hinderte ihn aber nicht daran, zwei Dienstherren zugleich zu dienen und 1721 Gouverneur in Leipzig zu werden sowie parallel zum kaiserlichen Feldzeugmeister und sächsisch-polnischen General der Infanterie aufzusteigen. Ab 1726 war Seckendorff als kaiserlicher Gesandter in Berlin. Seine militärische Karriere wurde ausgebremst, als er wegen des missglückten Türkenfeldzuges 1737–40 unter Hausarrest gestellt wurde. Einem kurzen Intermezzo auf bayerischer Seite folgte wieder ein Wechsel zum Kaiserhof. Durch seine Vielzahl an Einblicken war Seckendorff zum unentbehrlichen Informanten des Prinzen Eugen geworden, dem er seit dem Spanischen Erbfolgekrieg verbunden war. Gotter hatte es somit mit einer der schillerndsten Figuren der europäischen Diplomatie zu tun. Nachdem Friedrich Wilhelm I. sich 1725 in Hannover vertraglich an England und Frankreich angelehnt hatte, sah sich Wien genötigt, den König etwas genauer zu observieren. Somit wurde Friedrich Heinrich von Seckendorff 1726 als österreichischer Gesandter in Berlin damit beauftragt, Preußen aus dem Vertrag von Hannover herauszulösen. Gotter seinerseits führte die Verhandlungen zwischen Wien und Berlin um die preußischen Ansprüche auf Jülich und Berg. Schließlich fand man in der preußischen Garantie der Pragmatischen Sanktion den Kompromiss. Durch seine Finesse hatte er beim König von Preußen Eindruck gemacht. Auf besonderen Wunsch Friedrich Wilhelms I. von Preußen erhielt Gotter 1728 in Berlin das Amt eines Geheimen Staatsrats. Auch die freiwerdende Stelle als Domherr von Halberstadt ließen seine Einkünfte beträchtlich steigen. Der Gothaer Herzog versuchte ihn durch die Gesandtschaft in Regensburg an sich zu binden. Nach dem Tod des Herzogs und wegen der anstrengenden Reisen zwischen Wien und Regensburg erbat sich Gotter 1732 die Entlassung aus Gothaer Diensten. Fortan war er als preußischer Minister in Wien tätig. Nach einer krankheitsbedingten Pause ab 1735, in der er das Schloss Molsdorf bei Erfurt errichten ließ und Neudietendorf ausbaute, berief ihn Friedrich  II. von Preußen 1740 wieder zurück, und Gotter wurde Geheimer Staats- und Kriegsrat. Im Alter von 61 Jahren war er der einzige preußische Generalpostmeister bürgerlicher Herkunft. In dieser Funktion kümmerte er sich um die Bereinigung des sächsisch-preußischen Postkriegs, die Streitigkeiten mit der Reichspost und die Nachrichtenübermittlung im Siebenjährigen Krieg.1157 1157 Vgl. Krüger, Helmut Otto: Gustav Adolph Reichsgraf von Gotter. Kgl. Preußischer Generalpostmeister, in: Archiv für deutsche Postgeschichte 1979, H. 2, S. 37–54.

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Sachsen-Gotha war indessen damit beschäftigt, die kaiserliche Spionage einzudämmen. 1737 bemühte sich der Gothaer Herzog, Friedrich Heinrich von Seckendorffs geheimpolitisches Engagement zu zügeln: sind wir auf Euer in dem Bericht von 13 Mart. geschehene Anfrage, ob nicht unßer an Kayserl. Maj. des von Hering wegen abgelaßenes Antwort Schreiben unter der Hand an ein und andern Reichsständischen Gesandten public gemacht werden möchte, der Meynung, daß hiemit annoch Anstand zu nehmen sey, wie ihr denn auch sonst zu verhüten euch bemühen werdet, damit was ferner in dieser Sache gehandelt wird, nicht so gleich kund werde.1158

Desgleichen wurde Sachsen-Eisenach über falsche Gerüchte informiert, die in Wien unter der Hand kursierten und ausgeschmückt wurden. Hintergrund dessen war wohl eine leidige Personalie. Der kaiserliche Hof drängte darauf, den Sachsen-Gothaischen Gesandten in Regensburg, von Hering, abzuberufen, da dieser im Trunk „unanständige Betastungen nicht läugnete“ und eines groben Verbrechens verdächtigt wurde.1159 Sachsen-Gotha konnte Hering nicht „mit honneur“ wieder bei sich einstellen, bot ihm eine stille Pension an und suchte ihn anderswo unterzubringen.1160 Friedrich Heinrich von Seckendorff erwog, dem ehemaligen Gothaer Vizekanzler und jetzigen Stiftskanzler von Zeitz, Johann Christoph Zeumer, wegen seiner Geschicklichkeit die Nachfolge zu empfehlen. Den Brief schickte er jedoch nicht an den Herzog ab. In Lauterbach sondierte der Gesandte bei Herrn von Danckelmann, ob jener „H v. H.“ nicht in kaiserliche Dienste treten könne oder am Kasseler Hof Anstellung fände, die ihn weder an Gehalt noch an Rang einbüßen ließen. Auch Weimar, Eisenach, Hannover, Wolfenbüttel und Bayreuth mochten Hering nicht annehmen. Dieser Fall war derart delikat, dass in den Akten nur von der „bewusten Sache“ und der „bewusten Person“ die Rede war.1161 Der Gesichtsverlust und Imageschaden Sachsen-Gothas war eklatant. 4.3.5 Der Polnische Thronfolgekrieg Am 1. Februar 1733 starb August  II. von Polen. Eilig wurde die Todesnachricht an die Höfe durch drei verschiedene Kuriere versandt und die Tore der Stadt Dresden verschlossen.1162 Sofort nach Empfang der Botschaft bestellte der preußische König  einen Agenten bei seinem Vertrauten, Generalleutnant Adrian Bernhard von Borcke: 1158 ThStAG, GA, CCC (C3), VI, Nr. 8, undat., unfol. 1159 Ebd., Notiz eines Unbekannten, 20. Juni 1737, unfol; ebd., Friedrich  III. von Sachsen-Gotha an Geheimrat Oppel, 21. Juni 1737, unfol. 1160 Ebd., Friedrich III. von Sachsen-Gotha an Geheimrat Oppel, 21. Juni 1737, unfol. 1161 Ebd. 1162 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 60, Bericht Sellentin, 14. Februar 1733, unfol.

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Mein lieber General Lieutnant von Borck. Ihr sollet mir cito citissimo jemand vorschlagen, den ich nach Dresden schicken könnte, von dorten das vorfallende zu berichten. Es darf eben kein Mann von großen caractere seyn, sondern mir ein Legationssecretaire, der nicht viel kostet. Ich bin Euer wohlaffectionirter König FrWilhelm citto.1163

Der Generalleutnant schlug Hofrat Sellentin oder d’Alencon vor, und der König entschied sich für die erste Wahl. Sellentin sollte seine Reise „aufs äußerte cachieren“ und den Vorwand gebrauchen, er reise privat in der Monteaulieuschen Konkurssache.1164 Besonders interessant waren für Friedrich Wilhelm I. laut Instruktion die Parteibildung im Vorfeld der Wahl, die Absichten des sächsischen Kurfürsten, personelle, religiöse und finanzielle Veränderungen am Hof, mögliche Armeebewegungen und Bündniswechsel. Dem § 11 zufolge ging man davon aus, dass „die evangelische Religion daselbst anjetzo woll gäntzlich zu Grunde gehen dörffte“ und die Einwohner dazu bewegt werden würden sich in der Nachbarschaft niederzulassen, was Sellentin unter der Hand befördern sollte.1165 Der Hofrat berichtete eifrig in chiffrierten Briefen und ging in seiner Aufstellung wichtiger Amtsträger am Hof auf die Konkurrenzbeziehung zwischen Brühl und Sułkowski ein: Wenn die Eifersucht nicht explodiere, sei sie ein schwelendes Feuer.1166 Stanislaus Leszczyński wurde nach dem Tod des Königs mit französischer Unterstützung erneut für wenige Monate polnischer König. Kursachsen gelang auch diesmal mit russischer und österreichischer Hilfe der Sturz Leszczyńskis und die Durchsetzung des Kronprinzen Friedrich August als Thronerbe. Entscheidend war die erfolgreiche Belagerung Danzigs, das im Juli 1734 kapitulierte. Stanislaus Leszczyński floh und kam völlig heruntergekommen in Marienwerder an.1167 Günstig wirkte sich zum anderen aus, dass die Interzeption funktionierte. Aus den Jahren 1734/35 sind viele polnische chiffrierte Briefe von Sachsen aufgefangen worden, von denen etliche entschlüsselt werden konnten.1168 Die Polen verwendeten vor allem 1163 1164 1165 1166 1167

Ebd., Friedrich Wilhelm I. an Generalleutnant Adrian Bernhard von Borcke, 4. Februar 1733, unfol. Ebd., Instruktion, 7. Februar 1733, unfol. Ebd. Vgl. ebd., Bericht, 24 März 1733, unfol. „Jezo aber berichte mit bestürzter Feder, wie daß der Liebe und alte Greiß, Rex Stanislaus, heuthe um 3/4. auf 2. zu Mittag bey Uns in armer und elender Equippage und Gestalt angekommen ist. Sein Fahrzeug war ein bäurischer Bretterwagen, das Polster ein Bund Stroh, das Angespann ein paar schlechte Pferde, darauf zugleich der Kutscher ein elender zerlumpter Junge geseßen. Deß lieben Herrn Kleydung ein grauer Bauer Rock, große Lederne pomp-Hosen, zugleich ein paar geflickte Stiefel. Zur größern Fatalität bey solchem elenden Aufzug eines solch seeligen Herrn, der allerdings die meisten Herzen hier an sich hat, mußte der liederliche Kutscher in das vornehmste Wirthshauß allhier sogleich gegen der Haupt Wache über ist, zu fahren, da Ihn dann alsogleich einige Soldaten im ersten Anblick erkannten, die eben damahls in Warschau unter dem von Prevendowischen Regiment waren, so dann durch die ganze Statt eclatierte.“ SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3579/6, Schreiben aus Marienwerder, 3. Juli 1734, f. 27. 1168 Vgl. ebd.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

den Sachsen unbekannte Kästchenchiffren und Buchstabenchiffren, was den Wert der Dechiffrierung noch steigert.1169 Auch die Spionageabwehr war erfolgreich. Im Oktober 1734 wurden der Fähnrich von Kalisch und Starost von Koso namens Melchior Gurowski sowie der Stolnik von Posen und Starost von Kopanice aus dem Geschlecht Poniński festgenommen, da sie „viele unserem Interesse nachtheilige Dinge in denen Groß Pohlnischen Palatinates unternommen“ hätten.1170 Als Inhaber höchster regionaler Würden besaßen sie beim polnischen Adel eine weit reichende Macht.1171 August III. wollte sie wegen ihrer Illoyalität zeitweise kalt stellen und durch diese Machtdemonstration den polnischen Adel disziplinieren. Beide wurden auf die Festung Sonnenstein gebracht. Da Franciszek Poniński „einer von denen listigen sey“, die bei Gelegenheit entspringen, sollte der Generalmajor ein desto genaueres Auge auf ihn haben.1172 Er wurde engmaschig überwacht, durfte keinen Besuch empfangen, hatte aber einen beinahe luxuriösen Lebensstandard. Auf seine Bitte hin durfte er einen katholischen Geistlichen sprechen, eine lateinische Bibel und einen polnischen Kalender sowie französische Briefe und Zeitungen lesen, an seine Frau schreiben, sich bedienen lassen sowie Uhr, Tabak und Medizin erhalten. Er wurde nicht verhört. In seiner Kammer war Poniński umgeben von Büchern, Wachsleuchtern, Servietten, Fuchspelz, Zobelmütze und Samtbürste, er aß Pökelfleisch, eingesalzene Fische, Butter, polnischen Käse und Zwieback, trank Wein, Kaffee und Branntwein. Bei seiner Entlassung am 25. Januar 1735 bot man ihm noch 200 Dukaten Reisegeld an, die er jedoch nicht annahm. Parallel zu den diplomatischen und militärischen Anstrengungen hatten der Graf Wackerbarth und der General Baudissin in Polen eine breite Zustimmung für den sächsischen Kandidaten organisiert, indem sie binnen eines Jahres 746.609 Ecus aufwandten, zum Teil für Bestechung.1173 So erhielt ein Mann namens Choroncy 200 Dukaten für seine „Expeditions pour la Saxe“. 300 Dukaten wurden ausgegeben, um zu verhindern, dass einige ihre Unterschrift nachbearbeiten. Mehrere hohe Summen gingen an einen nicht näher bezeichneten „Mr. Le C.“, der möglicherweise Choroncy sein könnte. Die Liste der gesamten geheimen Ausgaben enthält etliche polnische Namen aus der Adels- und Offziersschicht, so dass man sicher nicht fehlgeht, in dieser Aufstellung die Bestätigung zu sehen, dass der spätere August  III. die erfolgreiche Durchsetzung seiner Anwärteransprüche sowohl auf auswärtiges Militär wie auf Korruption begründete. Die heimlichen Verhandlungen zur Allianz mit Österreich leisteten die Sondergesandten Anton von Lützelburg und Ludwig von Zech, die am 4. März nach Wien 1169 1170 1171 1172 1173

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2101/86. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14607/5, f. 1. Ein Starost war ein Vermögensverwalter, der Stolnik ein Brotmeister. Vgl. Bues 2007, S. 71. Ebd., Brief an den Generalmajor Grumbkow, 25. Oktober 1734, f. 4. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Das polnische Negotium (Compte des depenses secretes du Caissier Klinckicht), 1733, loc. 3623/10.

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geschickt wurden.1174 Seitens Österreichs wurde die Bedingung gestellt, dass Sachsen die Pragmatische Sanktion anerkennen müsse. Das auf den 20. Juli datierte Traktat ergänzten fünf geheime Zusatzartikel.1175 Im ersten verpflichtete sich der sächsische Kurfürst Friedrich August, der polnischen Verfassung gemäß zu regieren, im zweiten gewährte er dem Herzogtum Kurland völlige Freiheit, und im dritten garantierte er den inneren und äußeren Frieden Polens, besonders mit Russland. Des Weiteren erbot sich Friedrich August, die preußische „Einstimmung“ zu diesem Vertrag beizubringen, wogegen der Kaiser seine und die alliierten Truppen zur Unterstützung der Wahl Friedrich Augusts zum polnischen König versprach. Dieser letzte Geheimartikel war besonders ausführlich gehalten worden und beinhaltete auch Waffenhilfe gegen die Feinde der Republik Polen, die Tataren, die polnische Gegenpartei und potentielle zukünftige Feinde. Der gesamte Vertrag solle auch in dem Fall gelten, dass Friedrich August den polnischen Thron nicht erlange. In der Verhandlungsphase war der Artikel zunächst noch recht kurzgehalten und ohne Geheimhaltungsklausel im Vertragstext aufgeführt worden: Neundtens ist ausdrücklich ausbedungen worden, daß gleichwie Ihro Kayserl. Maj. auf Arth und Weiß, wie der vorhergehende Articul ausweiset, zu Ihro Churf. Durchl. Behuf, allimmer thunliche Mittel, optima fide, anwenden werden und sich hierzu auf das kräfftigste verbinden, Also herentgegen in dem Fall, wann wieder Verhoffen, sothaner mittel, umb die freye Wahl entweder per unanimia, oder durch eine Scission, auf Ihro Durchl. Durchl. höchste Person zu leiten, nicht zureichend seyn solten1176

Dieser Artikel war nachträglich als „articulum secretum“ deklariert worden, weil es sonst das Ansehen gewinnen möchte, als ob ihro Königl. Hoheit das Pohln. WahlGeschäfft selbst mit sehr indifferenten Augen ansehen.1177

Friedrich August nutzte demnach die Geheimhaltung zur Verbergung der bestehenden Unsicherheit hinsichtlich der Königswahl. Nach außen sollte seine Kandidatur so selbstbewusst wie möglich erscheinen. Zugleich mit der Geheimhaltung gelang es den sächsischen Unterhändlern, den Kaiser zu jedweder militärischer Unterstützung gegen die oben genannten Gegner zu verpflichten und auch als starker Alliierter des Kurfürstentums Sachsen aufzutreten. Wien ließ sich die sächsische Garantie der Pragmatischen Sanktion viel kosten, und Friedrich August wusste, ihr hohes Interesse daran für seine Zwecke auszunutzen.1178 So wurde nicht nur die Unterstützung bei der Wahl thematisiert, sondern auch eine mögliche Heirat des Kurprinzen Friedrich Christian 1174 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3426/5, Friedrich August II. an die Gesandten von Anton von Lützelburg und Ludwig Adolph von Zech, 13. April 1733, f. 36 f. 1175 Vgl. ebd., Articuli secreti, f. 377–383. 1176 Ebd., Kayserliches Projet und Gegenproject, f. 285–304, hier f. 300. 1177 Ebd., Einige Anmerkungen zur Information derer beeden Minister zu Wien, undat. f. 305–308. 1178 Vgl. Beyrich 1916, S. 56.

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mit Maria Theresia. Als Köder erwog man kurzzeitig eine Unterstützung Österreichs gegen Bayern.1179 Jedoch rieten die Räte von einer Einmischung in den habsburgischwittelsbachischen Konflikt ab. Die Stimmung zwischen Dresden und Wien nahm Schaden, da der Kaiserhof das Projekt zu früh gegenüber den Alliierten bekannt gemacht hatte. Friedrich August ließ hierzu an von Lützelburg und von Zech melden: Daß man mit Communication des Projects an die Alliierten Höfe vorgeeilet, ist eine so unvermuthete als höchst beschwerliche Sache, nachdem man darüber mit Ihro Königl. Hoheit noch nicht verstanden gewesen, und die anderen Höfe, es als eine schon geschloßene Sache angesehen, mithin auch Ihres Orths sich berechtiget zu seyn glauben, Ihro Königl. hoheit gleichergestalt solche Conditiones anzusinnen, deren Erfüllung in deroselben Willkühr nicht beruhet.1180

Die Geheimhaltung des Allianzprojektes wenigstens bis zur Ratifizierung diente dem Zweck, den König gegenüber den anderen Höfen freie Hand zu gewähren. Gerade die noch laufenden Gespräche mit Russland waren durch die Offenlegung des Projektes erschwert worden. Dieses Beispiel ist ein weiterer Beleg dafür, wie Geheimhaltung, die Außenwirkung der eigenen Person und der Faktor Zeit im Verlauf von politischen Verhandlungen stets von großer Bedeutung waren. Friedrich August II. konnte nun nicht mehr zurückziehen und unterzeichnete am 16. Juli den Vertrag zur Defensivallianz mit dem Kaiser. Auch die Aktionen der Mitbewerber mussten im Auge behalten werden, wobei sich bald die polnische Partei als gefährlich herausstellte. Im Dezember 1733 reiste Oberkommissar Gottlob Friedrich Kopp zu geheimen Verhandlungen mit dem kaiserlichen Gesandten in Berlin, Friedrich Heinrich von Seckendorff.1181 Er berichtete, Poniatowski habe bereits beim preußischen König einen freien Durchmarsch für polnische Truppen erwirkt, um in Sachsen einzubrechen und zu brandschatzen. Zudem wurde Friedrich August II. mit den sächsischen Rechten auf Jülich unter Druck gesetzt. Der sächsische Kurfürst reagierte mit Sicherheitsmaßnahmen an den Grenzen und in den Städten, musste aber angesichts der zweideutigen Haltung Preußens gewahr werden, dass er auch die englische und dänische Unterstützung benötigen könnte. Während er sich im Fall Englands auf das geschlossene Defensivbündnis verlasssen konnte, blieben die Bemühungen in Kopenhagen ohne Erfolg.1182 Um rechtzeitig über einen Seitenwechsel Preußens informiert zu sein, wandte Graf Manteuffel ungewöhnliche Methoden an: er suchte durch einen ihm bekannten jungen preußischen Offizier Kontakt zu den weiblichen Kreisen um den Kronprinzen Fried-

1179 Vgl. Beyrich 1913, S. 125. 1180 SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3426/5, Friedrich August II. an die Gesandten Anton von Lützelburg und Ludwig Adolph von Zech, 13. April 1733, f. 307 f. 1181 Vgl. Beyrich 1913, S. 54. 1182 Vgl. ebd., S. 59.

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rich.1183 Jedoch erfuhr er nichts Handfestes. Vielmehr brandete die sächsisch-preußische Gegnerschaft auf, als Hoym wegen seiner heimlichen Korrespondenz mit dem Kronprinzen als Verräter verhaftet wurde. In dieser aufgeladenen Stimmung musste Graf Manteuffel den Grafen Brühl bremsen, der Friedrich Wilhelm I. durch eine anonyme Druckschrift über die Herrschaftspläne seines Sohnes in Kenntnis setzen wollte, die Manteuffel auskundschaftete. Manteuffel argumentierte, der Kronprinz würde alle Punkte abstreiten und sich später für diesen Geheimnisverrat an Sachsen rächen.1184 In einem vertraulichen Gespräch informierte Manteuffel die Regierung in Dresden, dass er zurzeit ohne Bestechungsgelder auskomme und erst bei Erneuerung der Gefahr wieder Mittel zur Gewinnung von Personen beiderlei Geschlechts benötigen würde.1185 Für dieses Gespräch war der Legationsrat Walter unter dem Vorwand, den Grafen Solms in Baruth zu besuchen, nach Berlin gereist.1186 Sachsen-Polen gewann durch Manteuffel sehr wichtige Einblicke in die preußische Politik, u. a. in den geheimen Plan Friedrich Wilhelms von 1735. Diesem zufolge sollten sowohl Friedrich August als auch Stanislaus für großzügige Pensionen auf die Krone verzichten und eine Neuwahl zulassen. Jedoch war die russische Rückendeckung für den sächsischen Kandidaten durch den Grafen Biron gewährleistet, und die Friedensverhandlungen 1735 in Wien gelangten zu einem erfolgreichen Ende. 4.3.6 Spionagehysterie in Europa Mitte des 18. Jahrhunderts Aufrüstung auf dem Gebiet der Kryptologie in den 1730er Jahren Nach dem Polnischen Thronfolgestreit änderte sich die politische Kultur. Nicht, wie in der Forschung beschrieben, erst im Zuge der Amerikanischen Revolution, sondern bereits jetzt setzte ein „paranoid style“ ein.1187 Korrespondenzen wurden zunehmend chiffriert, um die Inhalte vor den Schwarzen Kabinetten zu verbergen. Die Chiffren wurden immer komplizierter, um die Entschlüsselung möglichtst zeitaufwändig zu gestalten. Dennoch sind parallel zu den ins Fünfstellige reichenden Zahlen auch noch sehr einfache Nomenklatoren benutzt worden (Abbildung 12 und Abbildung 19).1188 Über das Risiko, dass das Postgeheimnis nicht gewahrt blieb, waren sich die Zeitgenossen im Klaren. So schrieb Generalmajor von Löwendahl an Sułkowski, er würde, um sicher zu gehen, dass die Briefe nicht in falsche Hände fallen, lieber einen Boten 1183 1184 1185 1186 1187 1188

Vgl. ebd., S. 117. Vgl. ebd., S. 120. Vgl. Bericht des Legationsrats Walther an Friedrich August II., 29. Dezember 1734, zit. in: ebd., S. 120. Vgl. Graf von Wackerbarth-Salmour an Graf Brühl, 19. Dezember 1734, zit. in: ebd., S. 120. Zwierlein, De Graaf 2013, S. 16. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 675/10, Chiffre zwischen Heinrich von Bünau in Wien und Heinrich von Brühl, November 1740, f. 14; komplizierte Chiffre der Gesandtschaft in Wien, ca. 1721–28, f. 10.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Abbildung 19: Einfacher Nomenklator des Grafen Brühl, 1740, SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 675/10, Bl. 14

wie den Kapitän Lettau mit dem Transport betrauen, als die Post zu nutzen.1189 In der Tat wurde die Post unterwegs mit großer Wahrscheinlichkeit abgefangen und gelesen, denn die Interzeption hatte sich inzwischen allgemein etabliert – allerorten wurde über geöffnete oder zu spät angekommene Briefe geklagt. Die Gesandten und Hofbeamten waren angewiesen, relevante Nachrichten zu verschlüsseln. Entsprechend verbreitet waren verschiedene Chiffrenschlüssel eines Hofes. Bei den Nomenklatoren zeigt sich, dass die Teilhaberkreise mit fünf Personen am stärksten mit gut vernetzten Personen besetzt waren, dass sich hier die „Spinnen im Netz“ trafen. Bei den mehrfach vergebenen Chiffren tauchen immer wieder folgende Namen auf: Loß1190, Bülow, Petzold, Vicedom (Vitzthum), Brühl, Utterodt, Lynar, Wackerbarth-Salmour sowie der Herzog von Sachsen-Weißenfels. Diese dürfen als die am besten vernetzten Personen am Dresdner Hof gelten. In Zusammenhang mit der Erziehung der Prinzen wechselte Graf Wackerbarth-Salmour mit dem Grafen Brühl einige Briefe „secrète et separée“, die auch vor dem König verheimlicht wurden.1191 Des Weiteren nutzte er auf der Grand Tour durch Italien des Öfteren eine Geheimschrift 1189 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 460/2, Löwendahl an Aleksander Sułkowski, 7. August 1734, f. 13. 1190 Da die Brüder Christian von Loß und Johann Adolph von Loß zeitgleich Gesandte waren, ist nicht immer zweifelsfrei festzustellen, wer gemeint ist. 1191 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 722/8, Brühl an Wackerbarth-Salmour, 11. Juli 1740, f. 4.

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für die Korrespondenz mit dem Abbé Accoramboni und dem Kardinal Albani, den Säulen der augusteischen Italienpolitik.1192 Die Chiffrennetzwerke lassen den Verdacht aufkommen, dass August III. nicht nur von Premierminister Brühl allein gelenkt wurde, sondern von Brühl und seinem Küchenkabinett. Es waren mithin zahlreiche Personen, die den Grafen Brühl in seinem Tun unterstützten und damit ihren König hintergingen. Eine nähere Untersuchung der Brühlschen Netzwerkarbeit ist notwendig, um Licht hinter den Mythos des Grafen zu bringen und das geklitterte Geschichtsbild zu korrigieren. Sämtliche Forscher haben die Quellen nur punktuell erarbeitet und es bisher nicht geschafft, auf der Basis bestehenden Materials eine sichere Analyse zu erstellen. Ein Zugang über Mikropolitik dürfte der Forschung neue Impulse liefern. Die Chiffrennetzwerke der diplomatischen Korrespondenz des Hofes sind ein erster Ansatzpunkt. Ihren Einsatzorten entsprechend sind lokale Schwerpunkte der Chiffrierung festzustellen. Von einigen Höfen ist die Korrespondenz fast komplett chiffriert, während Gesandte an anderen Höfen offenbar gar keine Geheimcodes erhielten. Als Zentren der Geheimdiplomatie dürfen Wien, St. Petersburg und Paris gelten, aber auch von und nach Berlin, Italien und London sind häufig Chiffren gesandt worden. Tabelle 27: Zentren der Geheimdiplomatie nach Anzahl der überlieferten sächsischen Nomenklatoren Häufige Chiffrenverwendung

St. Petersburg Wien Paris

Berlin Sachsen-Weißenfels

seltene Chiffrenverwendung

Warschau Stockholm London Italien

Kopenhagen Madrid

Wie unsicher die Kommunikation war, beweist eine Notiz des Annibale Kardinal Albani de San Clemente an den Abbé Accoramboni in Warschau vom 5. Januar 1735: Je les ay toutes recues, mais comme la Poste de Pologne arrive un peu irregulierem, vous ne devés pas être surpris si je ne vous en accuse pas la reception a point nommé.1193

Daneben schreibt er, dass ihm die Zeit fehle, um Chiffren zu verwenden, aber er gebrauche die üblichen Vorsichtsmaßnahmen.1194 Allerdings scheint er gelegentlich doch 1192 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3422/14. 1193 SächsHStAD, 10026 GK, Kardinal Albani an Abbé Accoramboni, 5. Januar 1735, Loc. 3422/13, unfol. 1194 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Kardinal Albani an Abbé Accoramboni, 31. Januar 1735, Loc. 3422/13, unfol.: „Le peu d’intervalle, qu’il y a entre l’arrivée de la poste d’Italie et le depart de celle de Pologne, ne me donne pas assez de tems pour me servir du chiffre, mais j’ay pris les mêmes precautions que l’ordinaire precedent.“

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chiffriert geschrieben zu haben, da Wackerbarth-Salmour an Accoramboni schrieb, er werde gleich den Brief des Kardinals von San Clemente dechiffrieren. Die Professionalisierung der geheimdienstlichen Methoden erreichte in den 1740er Jahren ihren Höhepunkt. Die Militärs und Fürsten in Europa hatten ein Wettrüsten auf dem Gebiet der Chiffrierung und Spionage durchgeführt, das nach dem Siebenjährigen Krieg schlagartig beendet war. Österreichs und Frankreichs Intelligence in den Schlesischen Kriegen Im Vorfeld des Ersten Schlesischen Krieges war es kein Zufall, dass auf schlesischem Territorium ein schwedischer Gesandter, der Major Sinclair, auf der Rückreise von Konstantinopel überfallen, bestohlen und ermordet wurde.1195 Sinclair war der Untersuchungsakte zufolge am 17. Juni 1739 mit einem Franzosen unterwegs und wurde von zwei Oberoffizieren und vier Soldaten zu Pferde verfolgt, die ein Schreiben vom Generaloberpostamt Breslau zu ihrer Verfügung hatten und demnach auf österreichischen Befehl ritten. Die Postkutsche Sinclairs wurde vor Grünberg aufgehalten und nach Breslau gemeldet, „daß die Officiers diejenigen, welche sie gesuchet, angetroffen“ hätten.1196 Die Kutsche wurde zur Umkehr genötigt, und Sinclair musste seine Schlüssel und Koffer abgeben, das geheime Schloss öffnen und die gewünschten Briefe zeigen. Kurz vor Naumburg wurde erneut gehalten und lange einzeln mit den beiden 60  Schritte vom Wagen entfernt gesprochen, dann ertönte hinter einem Gebüsch ein Schuss, man sah jemanden weglaufen und hörte einen Ruf unbekannter Sprache. Der Kapitän habe gesagt: „es geschähe dem Schelm schon recht, er hätte zehnmal den Galgen verdient.“1197 Die Soldaten hätten alles untersucht und auch die Schuhe aufgeschnitten, aber nichts gefunden. Daraufhin fuhr der Kapitän mit dem Franzosen und den Soldaten fort, Sinclair wurde vier Tage später von einem Schäfer gefunden, mit Schlag- und Stichverletzungen, aber ohne Schussverletzung. Die Tat geschah laut Untersuchungsakte auf kaiserlich schlesischem Boden 9 Uhr abends in unmittelbarer Nähe der sächsischen Grenze. Vom 31. August bis zum 7. September dauerten die Untersuchungen der Kommission im schlesischen Christianstadt, wobei peinlich darauf geachtet wurde, einen Eklat zu vermeiden. Man hat „in aller Stille, und ohne daß es ein Mensch gewahr worden, die Gegend quaestionis aufgenommen“, heißt es.1198 Anwesend waren der Kammerrat von Nimptsch, Hofrat Vogel, ein Oberaktuariusschreiber und Hauptmann Gürtler von 1195 1196 1197 1198

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2248/16; Klüber 1809, S. 35. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3348/16, Bericht von Christianstadt, 31. Juli 1739, f. 499. Ebd. Ebd., Kommissionsbericht, 31. August bis 7. September, unfol.

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Dresden. Die Postillone erhielten von ihren Vorgesetzten Aussageverbot. Der Kanzleidirektor Rediger wusste aus Breslau zu berichten, dass über diese Affäre viel räsoniert werde, als ob der Mordfall auf sächsischem Boden geschehen sei. Die Kommission fertigte einen Riss der Ortslage und befragte Verwalter und Bürger unter Eid, stellte aber schließlich fest, dass unter den Rippen doch eine Schusswunde existierte und dass Sachsen mit der Aufklärung nichts zu tun habe. Wahrscheinlich ist das dem sächsischen Kabinett sehr entgegengekommen, als sich abzeichnete, wer für die Tat in Frage kam. Im Folgenden soll zuvor der Fall in seinem politischen Kontext erörtert werden. Schweden als Garantiemacht des Dreißigjährigen Krieges hatte den französischen Kandidaten Stanislaus Leszczyński im Polnischen Erbfolgekrieg 1733–36 unterstützt und stand damit klar auf der österreichfeindlichen Seite. Die zwei Parteien im schwedischen Parlament spiegelten diesen Dualismus wider: es gab die russlandfreundichen Mössorna und die frankophilen Hattarne, die sich durchsetzten. Grund dafür war nicht zuletzt, dass Ludwig XV. den Schweden Hilfe bei der Rückeroberung ihrer alten Großmachtstellung zugesichert hatte, um ein Gegengewicht zu Russland aufzubauen. Die Schweden und die Osmanen schlossen darüber hinaus auch noch ein Bündnis. Bei diesem Botenüberfall in Schlesien kann die Politik jenes Jahres wie durch ein Brennglas betrachtet werden. Hier kreuzten sich Europa- und Balkanpolitik, denn der Überfall geschah auch im Kontext des Russisch-Österreichischen Türkenkrieges 1735–39. Russland strebte die Expansion zum Schwarzen Meer an, während Österreich seine Verluste in Italien während des Polnischen Erbfolgekrieges auszugleichen suchte. Habsburg und Russland achteten als Verbündete darauf, dass der Einfluss des Anderen auf dem Balkan überschaubar blieb. Den Friedensschluss von Belgrad am 18. September initiierte Frankreich, das traditionell gute Beziehungen mit der Hohen Pforte pflegte. Kriegsmüdigkeit war jedoch nicht der einzige Grund; Russland beobachtete die Rüstungen Schwedens mit großer Sorge und erwartete demnächst einen Angriff an seiner nördlichen Flanke, was den Friedensschluss im Süden erstrebenswert machte. Österreich verlor die meisten seiner Erwerbungen wieder an die Osmanen. Bezieht man diese diplomatische Großwetterlage mit ein, so erscheint der Überfall auf den Boten am 17. Juni keinesfalls zufällig. Vielmehr ist ersichtlich, dass Österreich am meisten von den erbeuteten Depeschen profitierte. So konnte es im Voraus von den osmanischen Friedensplänen erfahren. Wie bereits erwähnt, hat diese Nachricht dem Haus Habsburg dennoch keinen Erfolg in den Verhandlungen eingebracht. Die einwöchige Untersuchung der Angelegenheit durch die sächsisch-polnische Kommission erfolgte auf Grund der Kaisertreue Augusts III. so unauffällig wie möglich und nur so lang wie nötig. Für Sachsen von großem Nutzen war Johann Kaspar Thürriegel, der nach seiner Zeit im bayerischen Freikorps „Gschray“ in französische Dienste unter Marschall Moritz von Sachsen übertrat. Mitte der 1740er Jahre wurde ihm vom Generalstab die deutsche Korrespondenz im Departement der Kundschafter übertragen. Im Siebenjährigen Krieg spionierte er für Frankreich. Nachdem er wieder in die preußische Armee gewechselt

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hatte und von Gschray aufgenommen worden war, nahm sein Leben eine besondere Wendung. Der Freikorpsführer fürchtete, dass Thürriegel selbst nach dem Kommando strebe und versuchte ihn, bei Hofe „anzuschwärzen“.1199 Thürriegel überwarf sich mit seinem Vorgesetzten und kam in die Festung Magdeburg. Nach seiner Haft unterstützte er in Spanien die landesweite Kolonisation und warb süddeutsche Siedler ab. Parallel dazu veröffentlichte er eine Schmähschrift gegen Gschray. Durch politische Umbildungen stürzte der für Kolonisation zuständige Minister, und das Ende des Projektes brachte Thürriegel wegen Zollvergehens bis zu seinem Lebensende in Kerkerhaft. Die rege Geheimdiplomatie der 1740er Jahre, in der Thürriegel eine große Rolle spielte, kommt auch in dem folgenden Fall zum Ausdruck. Als 1747 der russische Resident in Warschau, Golembiewski, von seinem Kollegen in Preußen, Bestucheff, ein teilweise chiffriertes Schreiben zugespielt bekam, übermittelte er an seinen Hof den darin enthaltenen Inhalt und fügte die Kopie eines teilweise chiffrierten Briefes an. Es habe ihm Bestucheff mitgeteilt, der französische Gesandte in Stockholm wolle einen Kurier namens Obrist Baumann nach Polen schicken, um die Polen zu animieren, in die Allianz Frankreichs einzutreten. Er, Golembiewski, habe noch nie von Baumann gehört, wolle sich aber bemühen, „umb ihn und in was seine Commission bestehen muß, aus zu forschen“.1200 Die Lage schätze er so ein, dass Polen sich in keine Allianz einlasse, um die Nachbarn nicht zu erzürnen. Somit könnte jener Obrist mit seinen Intrigen nichts ausrichten und die Absichten der Höfe von Stockholm, Berlin und Paris „zu Waßer werden“. Seltsamerweise endet dieser Brief unvermittelt und ohne formellen Gruß mit dem Satz „Es folget eine Seite Chiffres.“, was darauf hindeutet, dass auch jene Post zwischen Golembiewski und dem König abgefangen worden war und die Chiffre nicht aufgelöst wurde. Zusätzlich gibt auch die in dem Brief eingelegte Abschrift Rätsel auf, denn dieser Brief ist teilweise chiffriert und scheint eine Antwort an Bestucheff zu sein, da in der Klarschrift zu lesen ist: „Ich habe von dem [5 Ziffern; ASR] vor welchen E. L. mir unterm 2.ten hui. Zu schreiben geruhen, dahier noch nichts gehört […]“. Es wäre außerordentlich unüblich, wenn Golembiewski seine chiffrierte Antwort und nicht Bestucheffs Original seinem Dienstherrn beifügen würde. Vielmehr scheint es ein weiteres Indiz zu sein, dass die beiden, unabhängig voneinander abgesandten Briefe Golembiewskis abgefangen wurden: einerseits seine teilchiffrierte Antwort an Bestucheff, andererseits sein Mitteilungsbrief an den eigenen Hof. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man bedenkt, dass der Name Golembiewskis oben einmal falsch (Golzbiewski) geschrieben wurde. Somit war es Sachsen-Polen gelungen, in die russische Korrespondenz einzudringen, auch wenn die Dechiffrierung nicht gelang. Dass es sich um Golembiewskis Post handelte, war wohl nicht zufällig, denn dieser war auch den Preußen und der Kaiserin Maria Theresia als einflussreiche Person bekannt. In einem Schreiben der 1199 „Thürriegl, Josef Kaspar“ von Karl Theodor von Heigel, in: ADB, Bd. 38 (1894), S. 230–233. 1200 SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/1, Brief Golzbiewski an Bestucheff, 12. August 1747, unfol.

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beiden preußischen Kabinettsminister Kaspar Wilhelm von Borcke und Heinrich Graf von Podewils an Friedrich II. wird Golembiewski ausdrücklich als vertrauenswürdiger Außenminister erwähnt, der zusammen mit Keyserlingk, dem russischen Gesandten in Dresden, für Preußen die sächsische Geheimpolitik aufdecken helfen könnte.1201 Andererseits versprach sich die Kaiserin, mit Hilfe dieser beiden mehr Polen in die vereinigte Armee zu bekommen.1202 Auf der Gegenseite befürchtete Ludwig  XV. von Frankreich einen Verlust seines Einflusses in Polen sowie einen russischen Angriff, was ihn verstärkten Geheimdiplomatie bewog.1203 Sein Botschafter in Sachsen-Polen, Charles-François, Comte de Broglie, begann ab 1752 über die Vorgänge am sächsisch-polnischen Hof zu berichten und den Thronanwärter Louis Francois de Bourbon, Prinz Conti, zu unterstützen. Nach dem Renversement des alliances und dem Zerwürfnis zwischen Prinz Conti und Ludwig XV. veränderte sich die Zielstellung des Königs, der sein „Secret du roi“ nun vor allem zur Erlangung eines Bündnisses mit Polen einsetzte, um einen Puffer gegen Russland zu erhalten.1204 Diese Politik organisierte er im Untergrund gegen den eigenen Außenminister, François-Joachim de Pierre de Bernis. Ludwig XV. hatte mit Alexander Mackensie Douglas, einem Schützling des Prinzen Conti, auch einen Spion nach Russland entsandt, der dort als Kaufmann getarnt war und vor dem Außenministerium geheimgehalten wurde.1205 Dieser sollte versuchen, die Zarin für eine stärkere Unterstützung der französischen Europapolitik zu gewinnen. Jene Konspiration des Königs mit Broglie gegen den eigenen Außenminister hatte zur Folge, dass manchmal die Diplomaten widersprüchliche Anweisungen bekamen. Ludwig XV. erwartete von Broglie, dass er die Arbeit des Außenministers sabotierte, ohne dass Bernis es merkte. Der Geheimdienst des Königs („Le secret du roi“) konnte unter solchen Bedingungen nicht erfolgreich sein. Als weitere Informantin besaß Frankreich die Gräfin Charlotte Sophie von Bentinck. Die Gräfin hatte 1748 ihre Güter in Bückeburg verlassen müssen und der Zwangsverwaltung durch ihren geschiedenen Ehemann zustimmen müssen. Sie lebte fortan in Berlin und Wien. Sie leitete Briefe vom Wiener Hof über Voltaire an die Alliierten weiter.1206 Da sie 1755 um ihrer ostfriesischen Interessen willen an die Großfürstin Katharina von 1201 „Le seul ministre etranger, auquel Vous pourrez Vous adresser la-dessus avec quelque confiance, c’est le resident Golembiewski.“ Kaspar Wilhelm von Borcke und Heinrich Graf von Podewils an Friedrich II. von Preußen, 23. März 1744, zit. in: Skibiński, Mieczysław: Europa a Polska w dobie wojny o sukcesye austryacka w latach 1740–1745, Krakau 1912, S. 88. 1202 Brühl an Gottlob von Gersdorff, 27. März 1744, „Die zwischen der Kayserin Elisabeth und ihro königl. Mayt. In Pohlen Augustus den III. und Chur-Fürst zu Sachsen errichtete neue DefensivAllianz im Jahr 1743 und 1744, Loc. 3019, f. 319–320, zit. in: Skibiński 1912, S. 92. 1203 Vgl. „King’s Secret“, in: Buranelli, Buranelli 1982, S. 177 f.; „Louis XV.“ in: ebd., S. 197; „Secret du Roi“, in: Aumale, Faure 1998, S. 390 f. 1204 Perrault 1992, S. 229. 1205 Vgl. Goodman 2009, S. 36. 1206 Vgl. Ebd., S. 35.

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Russland herantreten wollte, führte sie mit deren Mutter, Johanna Elisabeth Fürstin von Anhalt-Zerbst, eine Brieffreundschaft und ließ sich ermutigen, über Luise Gottsched an Douglas und Broglie zu schreiben. Um das Auffangen der Post durch die Preußen zu verhindern, wurde ein abgesicherter Transportweg gewählt. Die zunächst an Luise Gottsched alias „Sapho“ in Leipzig adressierten Briefe gingen weiter an den fürstlichen Sekretär Harold und gelangten dann an die Fürstin, so dass zwei Zwischenstationen in den Brieftransfer eingebaut waren. Die Fürstin leitete dann die Briefe der Gräfin weiter über Broglie oder Douglas an den Zarenhof. Die Absenderin bat darum, ihre Briefe nicht aufzuheben, da es in den Briefen bald nicht mehr nur um Ostfriesland ging. Dass die Gräfin Charlotte Sophie ihn hinterging, war Friedrich II. von Preußen durchaus bewusst, doch er konnte nicht hinter die Intrigen der Gräfin kommen. Hier wird die Geheimhaltungskraft der Methode des Stafettenbriefs deutlich. Dieser Fall zeigt, dass angesichts politischer Feindschaften auf europäischem Parkett auch auf privater Ebene eine Geheimkommunikation notwendig wurde und diese Kanäle auch für politische Informationen genutzt wurden. Die weiblichen Korrespondenznetze waren Teil der französischen Anstrengungen in der Osteuropapolitik. Parallel zu Douglas versuchte der Chevalier d’Éon, Zarin Elisabeth für eine profranzösische Linie zu gewinnen. Problematisch war für die französischen Geheimagenten, dass ihre Aufträge den Instruktionen des Außenministers zuwider liefen. Der Außenminister dachte, dass er den Rückhalt des Königs hätte, die polnischen Nationalisten zu unterstützen. Schließlich scheiterte das Engagement Frankreichs. Während Paris sich zwei Jahrzehnte um Osteuropa kümmerte, hatte im Rücken Frankreichs die kommende Großmacht England begonnen, französische Einflusspositionen in Amerika und Indien zu bedrohen. Ein weiterer bedeutender Vertreter, der aktiv die verschiedenen Methoden der Geheimdiplomatie praktizierte, war der in Frankreich dienende Moritz von Sachsen, bekannt als Maréchal de Saxe. Der uneheliche Sohn König Augusts II. von Polen trat in französische Militärdienste und stieg bis zum Generalfeldmarschall auf. Für seine Erfolge nutzte er Spione und schrieb 1756 eine Abhandlung über die Theorie des Geheimdienstwesens.1207 Man solle soviel Geld als möglich in Spione investieren und diese nah am möglichen Schlachtort requirieren. Spione sollten überall im gegnerischen Lager platziert werden, besonders im Kommissariat und in der Vorratshaltung des Militärs. Die Spione dürfen einander nicht kennen, und im Umgang mit ihnen sei höchste Vorsicht wegen möglicher Doppelagententätigkeit geboten. Ebenfalls im Dienste des französischen Königs war der Chevalier de Meslé als Spion vor Ausbruch des Siebenjährigen Krieges in Deutschland unterwegs, der später die Gazette de France herausgab.1208 In seiner Tätigkeit als Journalist ertrank er 1758 beinahe vor Informationen der politischen Ressortleiter und des Polizeileutnants von 1207 Vgl. „Saxe, Marshal“, in: Buranelli, Buranelli 1982, S. 282 f. 1208 Vgl. Anklam 2007, S. 207.

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Paris, so dass er seine Zeitschrift nicht mehr wöchentlich, sondern zweimal pro Woche herausbrachte.1209 Die Bemühungen Frankreichs auf dem Gebiet der Intelligence waren nicht von dem Erfolg gekrönt, den man sich davon versprach. Es sind keine größeren Fälle bekannt, in denen ein messbarer Vorteil sich auf vorherige geheimdiplomatische Maßnahmen stützte. Gleichermaßen hatte Österreich sein Arsenal an geheimdiplomatischen Waffen ausgebaut. Im Vordergrund agierte der österreichische Gegenspieler Wenzel von Kaunitz, der auf den Vorarbeiten des Rochus Stella von Santa Croce ein Postabfangsystem etablierte, das täglich 80 bis 100 Interzepte zu bearbeiten hatte.1210 Die interzipierte Korrespondenz des französischen Ministers Broglie und der Preußen liegt heute im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv.1211 In dieser Geheimen Ziffernkanzlei unterlief der Irrtum, einen Brief an den Herzog von Modena mit dem Siegel des Herzogs von Parma wieder zu verschließen.1212 Es waren einzelne Flüchtigkeitsfehler, die das Agieren der kaiserlichen Geheimen Ziffernkanzlei offenbarte. Auch war der Kreis der Eingeweihten recht groß, denn von allen wichtigen Geheimdokumenten wurden in Österreich fünf Kopien angefertigt: für Kaunitz, Maria Theresia, ihre Söhne Joseph und Leopold und für den Grafen von Starhemberg in den österreichischen Niederlanden. Insofern kann die Wiener Ziffernkanzlei nicht als das beste aller europäischen Schwarzen Kabinette gelten. Aber immerhin  – als Kaunitz 1792 abdankte, hinterließ er Fürst Clemens von Metternich ein gut ausgebautes Spionagesystem samt Informationsbüro für dessen Auseinandersetzung mit Napoleon Bonaparte.1213 Russlands Misstrauen und Frankreichs Spion – Die Affäre La Salle Die diplomatischen Verwicklungen, die sich durch die Enttarnung eines Spions ergeben konnten, werden besonders gut durch die Affäre La Salle offenbar. Der russische Obristleutnant de La Salle war 1744 in seine französische Heimat zurückgekehrt und war dort in militärische Dienste getreten, ohne bei der Zarin seinen Abschied erbeten oder genommen zu haben.1214 Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen des Österreichischen Erbfolgekrieges konnte den Franzosen La Salle überaus nützlich sein. 1209 Vgl. Quenet, Grégory: Le tremblement de terre aux XVIIe et XVIIIe siècles: la naissance d’un risqué, Seyssel 2005, S. 281. 1210 Vgl. „Kaunitz“, in: Buranelli, Buranelli 1982, S. 173 f.; Beyrer 2007, S. 53. 1211 Vgl. HHSTAW, AT-OeStA/HHStA Kriegsakten, 330–1. 1212 Vgl. Bauer 1997, S. 71. 1213 Vgl. HHSTAW, Informationsbüro, Polizeiberichte, 1792–1805, K. 2. 1214 Vgl. Adelung, Johann Christoph: Pragmatische Staatsgeschichte Europens von dem Ableben Kaiser Karls VI. an bis auf die gegenwärtigen Zeiten, 10. Buch, Gotha 1765, § 252-§ 254, S. 303–309.

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Die Franzosen sandten ihn 1748 in einer geheimen Mission nach Warschau, um den russischen Marsch durch Polen zu behindern, indem er die Polen aufstacheln sollte. Nachdem er diesen Auftrag nicht ausführen konnte, erreichte er Mitte März unter dem Pseudonym eines Obristen von Lewardt Danzig, wo er den Russen verraten wurde, noch bevor er sein Creditiv dem Präsidenten der Stadt übergeben konnte. Somit besaß der russische Agent die Handhabe, ihn und seinen Sekretär am 16. März in Danzig wegen Fahnenflucht arretieren zu lassen. La Salle überreichte dem französischen Agenten Mathi einen förmlichen Protest gegen die an ihm ausgeübte Gewaltätigkeit der Freiheitsberaubung und die Verletzung der Neutralität einer Gesandtenwohnung. Trotz seines Widerstands wurde er in die Festung Weichselmünde überführt, während sein Sekretär freigelassen wurde. Eine Auslieferung an Russland war nur auf Befehl des polnischen Königs möglich, der jedoch meinte, Frankreich müsse seine Genugtuung mit Russland aushandeln.1215 Die Affäre erregte soviel Aufsehen, dass die Zarin sich des Falls annahm. Große Verwirrung stiftete, dass La Salles Creditiv von dem französischen Staatssekretär Louis-Philogene Brulart, Marquis de Pussieux, mit dessen Geburtsnamen Brulart unterzeichnet war. Auch fiel die in Kanzleien sehr unübliche Anrede „Sehr liebe und gute Freunde!“ auf, so dass das Creditiv für eine Fälschung gehalten wurde.1216 Zudem warf Russland La Salle seine Umtriebigkeit während der geheimen Mission vor. Er habe „feine Kunstgriffe“ als „Auskundschafter“ angewandt und Emissäre an die Grenze nach Litauen geschickt, um die dortigen Mühlen „zu Grunde zu richten oder anzustecken“.1217 Es galt als „unziemlich“, dass La Salle, der 1744 für ein Jahr vom Militärdienst freigestellt worden war, nicht wieder zur Truppe zurückgekehrt war und weder eine Verlängerung noch einen Abschied beantragt hatte. Die Verdächtigung der Desertion und Spionage war nicht unberechtigt. La Salle behauptete zwar, dem Kanzler des russischen Hofes einen solchen Antrag geschickt zu haben, aber dieses Schreiben fehlte und wäre auch richtiger an die Generalität adressiert gewesen, was La Salle als Offizier zweifellos wusste. Zudem war er nicht wie üblich mit einer Kommission angemeldet worden, sondern auf Umwegen und unter falschem Namen nach Danzig gereist. La Salle führte an, er habe aus gesundheitlichen Gründen und wegen umständlicher Wohnungssuche sein Creditiv noch nicht eingereicht. Jedoch schienen den Anklägern neun Tage Aufenthalt für diese Begründung doch zu lang. Angesichts der Dauer der Affäre bemühte sich König August  III. von Polen nun im Interesse des Danziger Handels um eine Vermittlung. Der sächsische Gesandte in Versailles, Graf Johann Adolph von Loß, berichtete zudem, in Frankreich habe man nie von dem vorigen russischen Engagement La Salles gewusst.1218

1215 Adelung 1765, S. 378. 1216 Ebd., S. 306; SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2728/12, Relation an Mr. Malbran de la Noué, 27. Mär 1748, f. 52–57. 1217 Adelung 1765, S. 307 f. 1218 Bülau, Bd. 2, S. 414.

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Ende Mai floh La Salle mit Stricken aus der Festung Weichselmünde und durchschwamm einen Flussarm. Allerdings konnte er binnen 24 Stunden wieder eingefangen und in noch sicherere Haft genommen werden. An seiner Schuld bestand in St. Petersburg nun kein Zweifel mehr. Mitte August versuchte La Salle in Kleidung eines Festungsangestellten zu entkommen, wurde aber von der Schildwache erkannt.1219 Der dritte Versuch gelang schließlich, nachdem er sich tagelang krank gestellt und somit die Wachen eingeschläfert hatte. In den Kleidern seines Kammerdieners, der zurückblieb, konnte La Salle bis nach Frankreich flüchten. Auch hatten die Vermittlungsbemühungen Sachsen-Polens inzwischen in St. Petersburg zur Ermüdung geführt – „die Reclamationen waren seltener und weniger dringend geworden“.1220 Da La Salle in Frankreich in Untersuchungshaft „auf einige Zeit“ in die Bastille kam, ließ Russland die Angelegenheit schließlich auf sich beruhen.1221 Die Geschichte La Salles zählt zu den Klassikern der frühneuzeitlichen Gesandtschafts-Historiographie und wird meist als Auftakt für die weltpolitisch bedeutendere L’Estocq-Affäre am russischen Hof ausgebreitet. Die Härte der Zarin wird verständlich angesichts des nun schwelenden Verdachts gegenüber Frankreich, es arbeite mit Schweden und Preußen gegen das Zarenreich. Auch ihr Misstrauen gegenüber der politischen Elite war durch die La Salle-Affäre noch verstärkt worden. Somit wird es nachvollziehbar, dass der Vizekanzler Bestucheff in den Verstrickungen schließlich zehn Jahre später gestürzt wurde.1222 Die Geheimdiplomatie Friedrichs II. von Preußen Die Geheimdiplomatie des preußischen Königs ist wiederholt als mustergültig hervorgehoben worden. Sein diplomatischer Krieg spielte sich auf mehreren Schauplätzen ab:  in der Propaganda, in der Ausspionierung der Gegner und in der Aufklärung feindlicher Spionage. Offensive ist stets das Merkmal der friderizianischen Politik gewesen. Auf dem Gebiet der Interzeption gelang es Friedrich  II., seine Gegner beinahe vollständig auszuhorchen, wie im Zusammenhang mit dem Siebenjährigen Krieg 1219 Vgl. ebd. 1220 Ebd, S. 415. 1221 Vgl. Wagner, Daniel Ernst: Geschichte des Russischen Reiches von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten, Bd. 5, Hamburg 1810, S. 200. 1222 Bestucheff ließ 1748 den Elisabeth-Günstling L’Estocq beobachten und konnte ihn mit Mühe an einer Intrige hindern. Während einer schweren Krankheit der Zarin Elisabeth berief Bestucheff zusammen mit Marschall Apraxin die russischen Truppen aus Preußen zurück, um im Fall des Todes der Monarchin im Sinne ihres Nachfolgers, des propreußischen Thronerbens, gehandelt zu haben. Nach der Genesung Elisabeths wurde Bestucheff wegen Hochverrats verbannt und Apraxin unter dem Verdacht, von Friedrich II. von Preußen bestochen worden zu sein, in den Kerker geworfen, wo er noch vor Ende der Verhandlungen 1758 starb.

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noch gezeigt wird.1223 Somit kann konstatiert werden, dass der preußische König zu seiner Zeit  die Intelligence bestens für seine Zwecke einzusetzen wusste. Mit der Gräfin Camas, die gemeinhin als seine Vertraute galt, hat er diese Praxis nicht ausführlich schriftlich thematisiert  – zumindest enthalten die überlieferten Briefe davon ebensowenig eine Erwähnung wie von seiner Politik gegenüber SachsenPolen.1224 Bereits vier Jahre nach Amtsantritt, 1744, begann Friedrich II. eine publizistische Auseinandersetzung mit Sachsen, indem er eine Denkschrift über die Rolle Kursachsens im Ersten Schlesischen Krieg drucken ließ. Mehrere folgende Manifeste und Gegenschriften befeuerten die Spannungen, so dass die Rückkehr zu normalen Beziehungen zwischen Sachsen und Preußen fürs Erste ausgeschlossen war.1225 Außerdem gelang es Friedrich  II., seine Aufmarschpläne für den Zweiten Schlesischen Krieg vor dem ehemaligen Verbündeten Sachsen völlig geheim zu halten. So mutmaßte Brühl, er werde sich an den Rhein wenden, um Frankreich und Kaiser Karl VII. gegen Österreich zu unterstützen.1226 Sachsen-Polen erhielt nur die unbestimmte und ihm unglaubhafte Meldung, dass eine preußische Division nach Böhmen oder in die Lausitz verlegt werden sollte. Als dann der preußische Gesandte Wallenrodt in Warschau und Oberst Winterfeldt in Dresden den Durchmarsch der preußischen Truppen durch Sachsen forderten, waren die Geheimen Räte „äusserst bestürzt und ratlos“.1227 Schließlich gaben sie den Drohungen nach und bekamen den Befehl zum Widerstand zwei Tage zu spät. Auf die schnelle Kriegseröffnung Preußens war Sachsen in keiner Weise vorbereitet, was aber auch an der hervorragenden Geheimhaltung der preußischen Pläne lag. Dieses Szenario wiederholte sich 1756 – weder der sächsische König noch Brühl hatten aus ihrem Fehler gelernt und Friedrich II. ein zweites Mal unterschätzt. Neben Interzeption und Propaganda setzte Friedrich II. besonders die Spionage für seine Zwecke ein. Er war so misstrauisch, dass er gewissermaßen sein eigener Spionagechef wurde.1228 In seiner Schrift über die Grundprinzipien des Krieges widmete er den Spionen ein eigenes Kapitel.1229 Er betonte, wie generös diese bezahlt werden müssen, 1223 Vgl. Kapitel „Geheimdiplomatie am Scheitelpunkt“, S. 580. 1224 Vgl. GStA PK, BPH, Rep 47 König Friedrich II., Briefe der Oberhofmeisterin Gräfin von Camas an König Friedrich II. von Preussen, 1745, 1756, 1760–65, Nr. 1097. 1225 Den Beginn der Kriegspropaganda vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 837; Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 85, 1423 bis 1440. 1226 Vgl. Krell 1911, S. 51. 1227 Vgl. ebd., S. 52. 1228 Vgl. „Frederic the Great“, in: Buranelli, Buranelli 1982, S. 124. 1229 Friedrich II., König von Preußen: Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen, 1748, § 14 Spione und ihre Anwendung und wie man sich Nachrichten vom Feinde verschafft, in: Volz, Gustav Berthold (Hrsg.): Die Werke Friedrichs des Großen. Bd. 6: Militärische Schriften, Berlin 1913, URL: http://friedrich.uni-trier.de/de/ volz/6/text/ < 39>; [19.06.2012; ASR].

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da sie für den Staat lebenswichtige Informationen sammelten und ihren eigenen Hals riskierten. Es gebe vier Kategorien von Spionen: – unwichtige Leute, die für ihn für wenig Geld oder kleine Gefälligkeiten spionieren – Doppelagenten, die für Fehlinformationen auf der Gegnerseite genutzt werden – wichtige Leute wie Generäle oder Regierungsbeamte, die für hohe Bestechungsgelder gewonnen werden können – Agenten, die nur unter Androhung von Gewalt kooperieren Einwohner und Überläufer taugten höchstens zur Erkundung eines Lagerplatzes, da sie sonst nur verwirrende Kundschaft geben würden. Bei den Soldaten wie auch bei der Vorhut einer Armee höre die Kenntnis jenseits ihrer kleinen Truppe meistens schon auf. Vielmehr nutzte der König korrupte hochangesehene Subalterne wie den Dresdner Kanzlisten und Brühl-Vertrauten Friedrich Wilhelm Menzel oder den österreichischen Legationssekretär Weingarten. Letzterer genoss die hohe Gunst des Gesandten Puebla in Berlin, war aber mit der Tochter des Kastellans von Charlottenburg, Friedrich Karl von Koch, liiert und verriet Preußen alle Geheimnisse der österreichischen Gesandtschaft. Als dritte Säule seiner Spionage führte Friedrich II. seit 1755 eine geheime Korrespondenz mit dem russischen Großfürsten und späteren Zaren Peter III., der ihn über die Verhältnisse am Zarenhof unterrichtete. Somit war der preußische König bestens über die Politik in Wien, St. Petersburg und Dresden informiert.1230 Friedrich bat seine Spione um konkrete Informationen oder Schriftstücke und gab dezidierte Handlungsanweisungen für eine zielgerichtete Spionage. Das unterschied seine Methode zu den meist allgemein gehaltenen Spionageaufträgen im Elisabethanischen England, in der Wiener Ziffernkanzlei oder bei König Ludwig XV. von Frankreich. Zugleich hatte der preußische König den Vorteil, dass er nicht auf Schmeichler und Lakaien angewiesen war und auf deren Informationsfilter verzichten konnte. Selbst Kardinal Richelieu hatte in der Ausübung seiner Spionagetätigkeit nie vergessen, dass er seinem König untergeordnet war, was seine mit unvermeidlichen Floskeln versehenen Berichte etwas im Wert sinken ließ, da die Phrasen den klaren Informationsfluss hemmten. Hinsichtlich der Doppelspione unterschied Friedrich II. nicht zwischen Informationsträgern, die eine falsche Nachricht bewusst verbreiteten und jenen, die, ohne es selbst zu wissen, damit ausgesandt wurden. Als ein Beispiel für Doppelspione berichtete Friedrich II. von einem Italiener bei Schmiedeberg, der für die Österreicher im preußischen Lager spionierte und dem sie weis machten, sie würden sich beim Anmarsch des Feindes nach Breslau zurückziehen. Da er diese Kunde dem Prinzen von Lothringen überbrachte, sei der Gegner betrogen worden und die preußische Armee habe einen 1230 Vgl. Stenzel, Gustav A. H.: Geschichte des preußischen Staats, Band 4, (Geschichte der europäischen Staaten. 3, 4), Hamburg 1851, S. 386; Trenck, Friedrich Freiherr von: Des Friedrich Freyherr von der Trenck merkwürdige Lebens Geschichte, von ihm selbst geschrieben, Berlin 1787.

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Vorteil daraus ziehen können. Ebenso habe der Marschall von Luxemburg 1692 bei Steenkerken einen schweren Überfall erlebt, weil er sich auf Nachrichten eines Doppelagenten verlassen hatte. Auch den in der Zitadelle Spandau inhaftierten Spion Käsebier ließ Friedrich II. 1757 noch zweimal in der belagerten Stadt Prag kundschaften, bevor Käsebier spurlos verschwand.1231 Während die ersten beiden Fälle ohne ihr Wissen den Österreichern schadeten, war Käsebier ein umgedrehter Spion. Aus Sicherheitsgründen war die Variante der unwissenden Doppelagenten sicherer. Friedrich  II. betrachtete es als große Herausforderung, die strengen Visitationen der österreichischen Armee zu durchdringen. Indem er Husarenoffiziere bestach, die öfter „miteinander herumplänkeln“, sei es ihm gelungen, Briefe in die Reihen der Kaiserlichen zu schmuggeln. Zur Desinformation oder Unterminierung der gegnerischen Truppenmoral empfahl Friedrich II. einen zuverlässigen Soldaten, der zum Schein überliefe und nach erfolgter Mission auf einem Umweg zurückkehre. Friedrich II. kannte auch verschiedene Täuschungsmanöver außerhalb des Schlachtfeldes. Um den Feind über die eigenen Absichten im Unklaren zu lassen, schlug er doppelte Lebensmitteldepots vor, die nicht die Route des Kriegszuges vorauswiesen. Die letzte Möglichkeit der Feindaufklärung, die er selbst im Lager bei Chlum erfolgreich angewandt habe, sei die Verkleidung eines der Landessprache mächtigen Soldaten. Dieser begleitete als Kutscher einen bemittelten und erpressten Einwohner auf der Reise ins gegnerische Lager, was unter dem Vorwand geschah, letzterer wolle sich über erlittene Schäden beschweren. In der militärischen Aufklärung konnte Friedrich II. Erfolge für sich verbuchen. Mehrere Spione der Gegner wurden gefangen genommen, darunter der österreichische Spion Alexander Renazzi, der bis 1787 in der Festung Spandau einsaß. Die Frau des italienischen Sprachmeisters hatte Renazzi einige Zeit die Korrespondenz mit dem General Daun und den kaiserlichen Gesandten ermöglicht, ihn aber schließlich doch verraten.1232 Ebenso wurden der Kornett Plotho und der General August Kazimierz Sułkowski verhaftet.1233 1757 enttarnte man den Vorleser Friedrichs II., Jean Martin de Prades, als französischen Spion und setzte ihn in der Zitadelle Magdeburg fest, bevor er nach Kriegsende nach Glogau verbannt wurde.1234 1745 ergriff man einen in russischen Diensten stehenden Ingenieurkapitän, der Grundrisse für die Gegenpartei kopiert und sie in Geheimfächern aufbewahrt hatte.1235 Neben anderen soll ein Maler namens Weber aus Glauchau ihm dabei geholfen haben, war aber nicht ausfindig zu machen. Auch der preußische Resident in Danzig konnte als Spion überführt werden.1236 Johann Constantin Ferber hatte sich vom russischen Vizekanzler Bestucheff 1231 1232 1233 1234 1235 1236

Vgl. Bergk 1807, Drittes Heft, S. 21. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1471. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1441; Nr. 1444. Vgl. GStA PK, VI. HA, Nl Prades J. M. de, Nr. 9. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 49 Fiscalia, Nr. 127. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 49 Fiscalia, Nr. 129.

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gebrauchen lassen, „die Disharmonie zwischen beiden Höfen [Russland und Preußen; ASR] zu heben“.1237 Dazu war er in ein Netz des schwedischen Offiziers Witting in St. Petersburg und des russischen Gesandten in Danzig eingewoben worden, so dass angesichts der bei Ferber gefundenen zahlreichen chiffrierten Briefe nach Russland dessen Schuld zweifelsfrei feststand. Da keine üblichen Ziffernchiffren, sondern Kästchenchiffren und Musikchiffren mit Noten verwendet wurden, wurde Ferber ausgiebig über jene Geheimschriften und ihren Gebrauch verhört und schließlich hingerichtet. Der König nahm, wie er selbst schrieb, keine Botschafter in seine Spionage auf, da ihm die Gefahr einer Gegenspionage zu groß erschien. Aus dem Jahr 1758 ist überliefert, wie Friedrich II. im Hauptquartier in Olmütz einen Spion selbst zum Geständnis brachte, der beauftragt gewesen war, Magazin und Bäckerei in Brand zu stecken (Abbildung 20).1238 Die Szene wurde vom deutschen Kupferstecher Johann Meno Haas nachträglich, 1793, festgehalten. Ein anderer Fall wirbelte ebenso etwas Staub auf dem diplomatischen Parkett auf. Marquis de Fraigne, der in Zerbst „das Handwerk eines Spions“ trieb, indem er die Franzosen über das preußische Militär informierte und „heimliche Anschläge“ auf die Stadt Magdeburg durchgeführt hatte, wurde von Preußen festgenommen und in der Zitadelle Magdeburg inhaftiert.1239 Friedrich II. ließ den Gegnern sagen, sie hätten ihrerseits ebenfalls vor nicht langer Zeit den preußischen Kapitän Lambert mit Billigung des polnischen Königs aus einer Hauptstadt einer neutralen Republik fortgeschleppt. Jener erwähnte Fall ist in den Archiven allerdings nicht überliefert. Dem Marquis gelang es, aus der Zitadelle in Frauenkleidern bis nach Zerbst zu entkommen, wo ihn aber, da er nach Toreschluss ankam, die Stadtwache wieder aufgriff. Nach einer kurzen Bestrafungsfolter erhielt er in Magdeburg wieder einen gemäßigten Arrest. Mehrere Staatsgefangene wurden in der Zitadelle Magdeburg inhaftiert. Dazu zählten nicht nur Spione, sondern auch der umtriebige kaiserliche Gesandte Friedrich Heinrich von Seckendorff, der dem preußischen König schon länger und spätestens seit dem Frieden von Füssen ein Dorn im Auge war. Mit der Begründung, er habe mit Österreich einen für Preußen nachteiligen Briefwechsel geführt – was angesichts von Seckendorffs Position auf der Hand lag – wurde der 75jährige im Dezember 1758 für ein halbes Jahr in Magdeburg arretiert. Dabei war es für den König unerheblich, dass Seckendorff ihm als Kurprinzen einstmals die Flucht vor seinem Vater ermöglicht hatte. Im Mai fand ein Gefangenentausch gegen Prinz Moritz von Anhalt-Dessau statt, bei dem Seckendorff noch 10.000 Reichstaler für seine Freilassung zahlen musste. Friedrich II. agierte also pragmatisch und klammerte sich nicht an Ideologien, sonst hätte er diesen argen Feind bis zum Kriegsende in Haft behalten. Seckendorff wand1237 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 49 Fiscalia, Nr. 128. 1238 Vgl. Meno Haas: Das Geständnis, Radierung, 1793, HAB, Graph. A1, 903. 1239 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1443, Brief aus Berlin, 9. März 1758, f. 123.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Abbildung 20: Friedrich II. verhört einen Spion, Johann Meno Haas, 1793, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Graph A1 903

te sich aber, von der Gefangenschaft geschwächt, endgültig von der Politik ab und nahm für seine letzten Lebensjahre den Ruhesitz Meuselwitz im Sächsischen. Insofern hatte der preußische König mit diesem Spionageabwehr-Coup großen Erfolg gehabt. Dass August III. allerdings ebenfalls nicht unerfahren in geheimdiplomatischen Angelegenheiten und der preußischen Kunst der Kriegführung nicht hilflos ausgeliefert war, zeigt das folgende Kapitel. Sächsisch-Polnische Geheimdiplomatie im europäischen Mächtesystem Nach der auf Pragmatismus ruhenden Vereinbarung mit Österreich aus der Zeit des Polnischen Erbfolgekrieges neigte der sächsisch-polnische Hof Mitte der 1730er Jahre mehr zu Russland hin. Auch mit England-Hannover wurde im August 1736 das Defensivbündnis erneuert. Um die Kontrolle über Polen zu behalten, wurden bei

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höchster Geheimhaltung etliche Spione umhergeschickt. Sie lieferten Berichte ohne Quittungen: Vor die Espions in Pohlen zuhalten: so mir von allen Nachricht geben. Von denen aus den Poln. Gränzen abgeschickten und unterhaltenen Espions habe weder Bescheinigung noch Belege zu produciren, ist mir auch nicht bekand (ob wohl eine geraume Zeit gedienet) das von solchen Persohnen jemahls einige Bescheinigungen abgefordert worden, wie denn zu der Zeit als ich kohmen unter Commando des Herrn General gestanden, einen Espion verschafft, dem zu unterschiedenen Mahlen 20 und mehr Thaler gezahlet, so auch gedachten Hr. General richtig bonificiret, und niemahles von ihm einige Bescheinigung gefordert worden.1240

Die kursächsischen Räte agierten innerhalb ihrer Möglichkeiten flexibel und konnten ihre Vorhaben recht gut geheimhalten. Russland nahm allmählich die Position ein, die früher Frankreich inne hatte. Der Günstling der Zarin, Graf Ernst Johann von Biron, der durch sächsische Vermittlung den Herzogstitel von Kurland erhalten hatte, beförderte dieses Verhältnis.1241 Biron war für Sachsen-Polen eine bedeutsame Mittlerfigur, um dem an Macht gewinnenden Preußen etwas Paroli bieten zu können. Insofern nutzten August II. und später August III. das Herzogtum Kurland als Verhandlungsmasse gegenüber Russland und erhielten dafür die Gunst der Zarin. Als der Kaiser 1738 ernsthaft erkrankte, sagten sich Russland und Sachsen-Polen insgeheim gegenseitige Hilfe zu. August III. rechnete besonders für seine Posterität auf dem polnischen Thron auf russische Unterstützung. Die Geheimen Räte empfahlen dem König in ihrem Gutachten, zur Stärkung der sächsischen Ansprüche Vertrauenspersonen in jene Gebiete zu senden, die Sachsen zugeneigt und Frankreich abgeneigt seien, z. B. nach Böhmen.1242 Hinsichtlich der möglicherweise bevorstehenden Kaiserwahl vermuteten sie, Preußen werde sich als protestantischer Bewerber melden und gegen Kurbayern und den Herzog von Lothringen antreten. Sie befürworteten auch eine Kandidatur Augusts III., allerdings nicht ohne einen vorigen Gebietszuwachs in Gestalt von Böhmen, Mähren und Schlesien.1243 Die von August II. angestrebte territoriale Erweiterung war also auch nach seinem Tod keineswegs aus den Köpfen der sächsischen Politiker verschwunden. Eigentlich wollten die Räte diese Agenda vom 17. September 1738 erst bei Eintreten des Todes der kaiserlichen Majestät an die Verbündeten in Russland übermitteln, doch Graf Brühl instruierte den Gesandten in St. Petersburg bereits am 9. Oktober darüber, so dass noch im Oktober beide Seiten entsprechende Versprechungen machten. Da sich nach dem Tod Kaiser Karls VI. zwei Jahre später, 1740, die politische Lage gänzlich 1240 1241 1242 1243

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 996/2, Hans Christoph von Dresky, 9. August 1735, unfol. Vgl. Beyrich 1916, S. 58; Knöfel 2009, S. 215 ff. Vgl. Beyrich 1916, S. 62. Vgl. ebd., S. 63.

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anders darstellte, wurde dieser geheime Plan obsolet. Folgenreich war dieser Plan aber insofern, als er nach Aussage Friedrichs II. von Preußen in einer Intrige Brühls gegen Sułkowski eine Rolle spielte. Friedrich der Große berichtete in seinen Schriften allerdings widersprüchlich darüber. Einerseits heißt es, dass Brühl dieses Projekt seinem Widersacher unterstellte und dem Wiener Hof mitteilte. Andererseits habe die Hofburg Brühl gegen Sułkowski austauschen wollen und ihm dessen Position in Aussicht gestellt, wenn er jenen „geheimen Plan Augusts des Starken“ (sic!) zur Teilung der österreichischen Erbschaft ausliefere.1244 Jedoch sind die Berichte über Sułkowskis Sturz äußerst diskrepant und führen auch Respektlosigkeit, Moralkritik an den sexuellen Beziehungen des Königs, Unterschleif und Fehler im Türkenkrieg an. Da Sułkowski auch nach seinem Sturz mit Brühl gute Beziehungen unterhielt und keine Quellenbelege für Brühls Intrige vorliegen, hält es Rudolf Beyrich für ausgeschlossen, dass Brühl den Sturz Sułkowskis mit einer Intrige herbeiführte.1245 Die borussische Perspektive setzte sich jedoch durch und beschädigte die Reputation Brühls nachhaltig. In der Zuschreibung einer Intrige durch Friedrich II. kommt die Gegnerschaft beider Persönlichkeiten deutlich zum Ausdruck. Die tiefere Ursache ist in den Anfangsjahren der Regierung des preußischen Königs zu suchen. Brühl versuchte durch den Schwenk in Richtung Österreich 1742 seine persönlichen Gegner am Hofe ihrer Angriffspunkte zu berauben.1246 Damit zog er jedoch die Feindschaft Preußens auf Sachsen und hob seinen persönlichen Konflikt mit Friedrich II. auf eine politische Ebene. Friedrich II. seinerseits hatte bereits gegenüber Sachsen Argwohn gehegt. Dieser wurde noch bestätigt, als er 1741 eine anonyme Schrift über die gegen Preußen gerichteten Aktionen erhielt.1247 In der Anzeige, die auf Informationen Dresdner Jesuiten beruhte, heißt es, die sächsische Armee werde sich mit der hannoverschen Armee vereinigen und Pulver und Kanonen auf der Elbe nach Torgau ins Lager verschiffen. Auch seien einige Offiziere Sachsens ins österreichische Lager nach Schlesien incognito abgeschickt worden, die den Österreichern Unterricht im Schnellfeuern gaben und mit ihnen exerzierten. Sachsen achte fleißig darauf, dass der Pass nach Sachsen frei bleibe. Es sei geplant, mit einer kleinen Truppenabteilung in Niederschlesien einzudringen und die dortigen „Rebellen“ mit ihrem angeblichen Anführer, Friedrich Wilhelm Graf von Röder festzunehmen. Der preußische König ergriff Gegenmaßnahmen, aber von einer Freundschaft beider Länder war nun nichts mehr vorhanden. Der Minister Brühl betrieb in dieser Zeit eine starke Geheimdiplomatie, denn es sind anonyme Briefe u. a. aus Berlin sowie verschlüsselte Schreiben überliefert, die nicht

1244 Vgl. Friedrich II. von Preußen: Histoire de mon temps, Redaktion von 1746, hrsg. von M. Posner, S. 183 ff.; Ders.: Oevres II, Berlin 1775, S. 107. 1245 Vgl. Beyrich 1916, S. 66. 1246 Vgl. Krell 1911, S. 41. 1247 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 916.

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die übliche Ziffernchiffre beinhalteten, sondern eine zu dieser Zeit ziemlich seltene Buchstabenchiffre, die bislang noch nicht aufgelöst werden konnte.1248 Besonders die aufkommende Feindschaft mit dem preußischen König ließ den Grafen Brühl Sorgfalt auf die Geheimhaltung legen. Auf der Gegenseite ließ Friedrich II. von Preußen Brühls Post besonders gut überwachen. So interzipierte man im März 1742 einen geheimen Brief Brühls an den sächsischen Gesandten in Berlin, Friedrich Gotthard von Bülow. In diesem Schreiben stellte Brühl wegen der Erkrankung Kardinal Fleurys, des schon fast 90jährigen französischen Premierministers, Mutmaßungen über die Veränderungen am französischen Hof an.1249 Brühls Neigung zu Geheimdiplomatie reifte während der 1740er Jahre.1250 Ein späteres Beispiel aus dem Siebenjährigen Krieg zeigt, dass der Graf Brühl die Methoden der Kryptologie und Steganographie beherrschte. Er unterdrückte nicht nur die Namen von Schreiber und Empfänger sondern verwendete sogar sympathetische Tinte. Der auf den ersten Blick unverfängliche Brief in deutscher Sprache enthält zwischen den Zeilen eine stark verblasste, französische Schrift.1251 Hier bedarf es des Einsatzes moderner Technik, um den Inhalt lesbar zu machen und das Geheimnis und Versteckspiel des Grafen Brühl zu lüften. In der diplomatischen Verwicklung im Sommer 1744 versuchte sich Brühl durch ein Doppelspiel aus der Affäre zu ziehen, indem er ungeachtet des Vertrages mit Maria Theresia vom 13. Mai auch Friedrich II. heimlich Avancen machte.1252 Indem er beide Majestäten gegeneinander ausspielte, wollte er den Preis für die sächsische Unterstützung in die Höhe treiben und zugleich eine öffentliche Positionierung solange wie möglich hinauszögern, um Beistand abzuwarten.1253 Brühl nutzte die Geheimhaltung von Vertragsklauseln, um für Sachsen bestmögliche Voraussetzungen zu schaffen. Dennoch bewirkten diese Winkelzüge eher das Gegenteil, denn Wien wurde angesichts der Ausreden misstrauisch. Kaum war der Zweite Schlesische Krieg in Gang gekommen, wollte Brühl den Plan des russischen Gesandten Bestucheff in die Tat umgesetzt wissen. Dieser sah einen Angriff auf das von Truppen völlig verlassene Preußen vor. Friedrich habe sich soweit von seiner Heimat entfernt, dass man sich mit „10.000 Mann zum Herrn von Berlin machen könnte“, schrieb Bestucheff.1254 Doch der Befehlshaber der sächsischen Truppen, Herzog Johann Adolf II. von Sachsen-Weißenfels, war gut beraten, dieses unreife Projekt abzulehnen. Er zweifelte daran, dass die Armee den preußischen König entsprechend lange beschäftigen könne. Mit dieser Meinung entsprach der Herzog 1248 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3241/1, Brief vom 21. Februar 1744, unfol. 1249 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 308, Graf Brühl an Graf Bülow, März 1742. 1250 Vgl. Hanke 2006. 1251 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 308, Brief vom 22. Juni 1763. 1252 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 809; Hanke 2006, S. 37. 1253 Vgl. Krell 1911, S. 56. 1254 Zit. in: ebd., S. 58.

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auch seiner Instruktion, denn August  III. hatte ihn ermahnt, nie die Sicherheit des Kurfürstentums außer acht zu lassen.1255 Ein anderer hochrangiger Militärangehöriger Sachsens, Feldmarschall Rutowski, setzte stattdessen auf die Ausspionierung Preußens, um mit einem Wissenszuwachs den gefährlichen Nachbarn im Felde zu schlagen. Zu diesem Zweck verpflichtete er für 36 Dukaten einen Hallenser Klempner zur Spionage in Magdeburg, Berlin und im preußischen Lager bei Dieskau.1256 Jener Tobias Hermann war, als Fleischer verkleidet, Rutowski sehr nützlich und konnte nach dem Krieg seine Karriere als Spion fortsetzen. Sowohl Preußen als auch Sachsen versuchten den polnischen Sejm zu beeinflussen. Als Wallenrodts Bemühungen um eine propreußische Partei ohne Erfolg blieben, aber auch Brühl keinen Fortschritt errang, griff der sächsisch-polnischen Minister zu einer Intrige. Er inszenierte eine Bestechungsszene, die den preußischen Gesandten Wallenrodt öffentlich desavouieren sollte.1257 Die Abgeordneten durchschauten aber die Täuschung und ließen den Reichstag nun endgültig scheitern. Das Kriegsglück war dem preußischen König 1744 nicht hold; er wurde aus Böhmen vertrieben und in Schlesien hart attackiert. Brühl wähnte sich bereits im Siegestaumel und verhandelte mit Österreich über die künftigen Abtretungen sächsischer Gebiete. Im geheimen Vertrag zu Leipzig am 18. Mai 1745 wurde vereinbart, dass beide die Waffen nicht eher ruhen ließen, bis Schlesien und Glatz an Österreich zurückgekommen seien und Sachsen-Polen Mageburg nebst dem Saalkreis, das Herzogtum Crossen, die böhmischen Lehen, den Züllichauer und den Schwiebusser Kreis erhalte.1258 Jedoch konnten die Preußen Österreich wieder bis nach Böhmen zurückdrängen. Johann Adolf klagte über widersprüchliche Meldungen der Kundschafter, die eine Lokalisierung Friedrichs II. mit seinem Heer unmöglich machten, so dass er sich vor der Schlacht von Hohenfriedberg abermals über die preußischen Stellungen versichern musste und Zeit verlor.1259 Noch dazu ließ sich die österreichisch-sächsische Armee von durch Friedrich II. aufgebaute Zelte und nachts brennende Wachtfeuer täuschen und traf bei Striegau statt auf eine kleine Kompanie auf das geballte Heer des preußischen Königs.1260 Dieser Überraschungseffekt, gepaart mit der Schwerfälligkeit der Allianzarmee und der Nachlässigkeit Johann Adolfs von Sachsen-Weißenfels und des Prinzen Karl Alexander von Lothringen, brachte den Preußen einen klaren Sieg ein. Der Dresdner Hof wurde nun in ängstliche Aufruhr versetzt, zumal Friedrich II. alle Register der psychologischen Kriegführung zog. Die plötzliche Abreise des preußischen Gesandten aus Dresden, der Hinauswurf des sächsischen Residenten aus Breslau und 1255 Vgl. ebd., S. 69. 1256 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 846, Brief von Christian Otto Mylius, 18. Februar 1749, f. 5. 1257 Vgl. Krell 1911, S. 71. 1258 Vgl. ebd., S. 80 f. 1259 Vgl. ebd., S. 99. 1260 Vgl. ebd., S. 102 ff.

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großmundige Drohungen verstärkten die Furcht, die Preußen würden Sachsen mit Krieg überziehen.1261 Alles wurde für die Absicherung von Leipzig, Halle, Dresden, Magdeburg und der Lausitz vorbereitet. Friedrich II. beklagte sich, der sächsische Hof würde nichts gegen ausgestreute antipreußische Gerüchte unternehmen.1262 Sofort war der Verdacht auf den Sekretär Hamann gelenkt, der mit dem Schreiben von Zeitungen Geld verdiente. In den bei ihm gefundenen Papieren an verschiedene Höfe und Einzelpersonen fand das Geheime Konsilium allerhand verratene Informationen über die Stimmungslage und den Wissensstand des Sächsisch-Polnischen Hofes. Unter anderem hätte Sachsen von Friedrich II. nichts zu befürchten, sollle sich nur den preußischen Desseins nicht widersetzen.1263 „Es scheint, daß der König von Preußen den Tanz also von neuem wieder anzufangen Lust habe“, schrieb Hamann und erzählte über schon aus Prag flüchtende Familien und dass den bei Kesselsdorf desertierten Soldaten bei Rückkehr Pardon gegeben werde.1264 Die Preußen interessierten sich jedoch nur dafür, ob Sachsen einen Vertrag mit Russland oder Schweden geschlossen hatte.1265 In Sachsen war in der Tat das Bedürfnis, sich zu verteidigen, gewachsen. Brühl legte bereits einen Fluchtplan über Prag nach Polen vor und sandte einen seiner Brüder nach Berlin, um Erkenntnisse über die tatsächlichen Pläne der Preußen zu gewinnen.1266 Die preußischen Politiker ließen alles offen, aber in Wirklichkeit wollte Friedrich II. nur Verwirrung stiften und den Preis für einen Friedensschluss in die Höhe treiben. Die internen Uneinigkeiten bei den Verbündeten wurden nicht geringer: Johann Adolf geriet wegen fingierter Gerüchte über heimliche Truppenteilungen und eine vorgetäuschte Krankheit in Misskredit, da man an seiner Loyalität zweifelte.1267 Sachsen konnte sich aus der Verstrickung in Probleme nicht lösen und kam aus der Defensive nicht heraus. Auch verließ sich Brühl zu sehr auf die Option, Russland würde ihn mit Truppen unterstützen.1268 Die von René Hanke detailliert herausgearbeitete Geheimdiplomatie jener Jahre zeigt, wie eifrig, aber letztlich nicht risikobereit genug Brühl in den komplexen internationalen Beziehungen mit all den Fehlperzeptionen und Drohkulissen agierte. Seine „Trittbrettfahrer-Politik“ machte sich von starken Bündnispartnern abhängig und setzte eine Verständigung zwischen Wien und Versailles voraus.1269 Die Zeit war 1261 Vgl. ebd., S. 121, 150. 1262 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 310, preußische Räte an Kursachsen, 24. März 1746, unfol. 1263 Vgl. SächsHStAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 5216/08, Auszüge aus Hamanns Scripturen, Eintrag 21. März, f. 27b. 1264 Ebd., f. 28b. 1265 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 310, Instruktion an den Gesandten Klinggräf, 30. April 1746, unfol. 1266 Vgl. Krell 1911, S. 126 f., 150. 1267 Vgl. ebd., S. 129, 138. 1268 Vgl. Hanke 2006, S. 67. 1269 Ders., S. 324.

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ein entscheidender Faktor, denn einerseits konnte Brühl nicht zu früh ein einseitiges Bündnis eingehen, und andererseits spielten die sich hinziehenden geheimen Verhandlungen Preußen in die Hände. Hanke resümiert, Brühl habe die Quadratur des Kreises versuchen müssen.1270 So war Friedrich II. den Verbündeten fast immer einen Schritt voraus. Der bereits erwähnte Spion Tobias Hermann aus Halle war nach dem Krieg Einnehmer in Zwochau und konnte für Dresden noch eine Liste der sächsischen Kriegsgefangenen in Halle bei seinem Schwager, einem Unteroffizier im anhaltischen Regiment namens Vogel, organisieren.1271 Dafür erhielt er 50 Taler und eine ebensolche Summe sowie ein Pferd, als es gelang, einen bestimmten, von Brühl gewünschten Unteroffizier aus der Gefangenschaft zu befreien. Als er dem Grafen Brühl ein Beispiel seiner Spionagekunst zeigte, erhielt er eine Sondergratifikation. Der nächste Coup im Jahr 1749 misslang jedoch. Als Tobias Hermann einen Deserteur namens Baptist aus Halle wegbringen sollte, war der schön vorbereitete Plan verraten worden. Hermann und Vogel wurden mit dem Strang bestraft, die Mitwisser mit einem bis zwei Jahren Festungshaft. In der sächsischen Politik zementierte das Ende des Zweiten Schlesischen Krieges die Stellung des Grafen Brühl. 1746 starb Johann Adolf von Sachsen-Weißenfels, und im selben Jahr rückte Graf Brühl in die Position des Premierministers. Er reduzierte die Armee aus Kostengründen binnen eines Jahrzehnts von 46.000 Mann auf 19.000 Mann, während die preußische Armee kontinuierlich auf über 150.000 Mann anwuchs, was eine wesentliche Ursache für die verheerende Niederlage im Dritten Schlesischen Krieg (Siebenjährigen Krieg) war.1272 Zur Sicherung seiner Macht griff der Premierminister straff gegen jeglichen Anschein von Widerstand durch. Er ließ die Briefschaften an den König kontrollieren und unterschlug einige davon, um den König über die tatsächlich sehr schlechte Lage Sachsens zu täuschen. Sein Intendant, Carl Heinrich von Heineken, arbeitete Brühl zu, was ihm den Ruf einbrachte, „Präsident“ eines „schwarzen Kabinettes“ zu sein.1273 Der Kurprinz charakterisierte Brühl als Gatekeeper, der dem König als einziger Informationen übermittelte, und Heineken als dessen einzige Kontrollinstanz, die ihn auch einmal vor unüberlegten Schritten warnte.1274 Ein prominentes Opfer Brühls war der Kammersekretär Georg Gottlob Seyfert, dem die Beteiligung an dem Plan einer Lotterie, die Brühl zufolge den Umsturz des Steuerwesens beabsichtigte, zum Verhängnis wurde.1275 Sein Schicksal genügte, um in der Bevölkerung Angst vor der Allmacht 1270 Ders. S. 331. 1271 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 846, f. 6 ff. 1272 Vgl. Ziekursch, Johannes: Sachsen und Preußen um die Mitte des 18. Jahrhunderts, Breslau 1904, S. 205; Szabo, Franz A. J.: The Seven Years War in Europe, Harlow 2008, S. 21. 1273 Schmidt 1916, S. 299; Hanke 2006, S. 26. 1274 Vgl. Friedrich Christian 1751–57, S. 87–89, 95, 152. 1275 Vgl. Kapitel „Wirtschaftsspionage“, S.205.

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Brühls zu schüren. August III. ließ gezielt die Bestrafung Seyferts als Präzedenzfall für „Raisonnierer“ publizieren, dass: […] jedermann alles ungebührlichen Raisonnirens, Critisirens, und Beurtheilens, es sey schrifft- oder mündlich, über die publiquen Angelegenheiten unserer Lande und deren Regierung, ingleichen der unbefugten Einmischung in fremde, ihn nicht angehende Sachen, wie nichtminder der Verleitung anderer zu ebenmäßigen straffbahren Unternehmungen, auch des boßhafften Verunglimpfens und Bezüchtigens Unserer Ministres und Collegiorum, sich, wie ihm ohnedies gebühret, bey Vermeidung Unserer höchsten Ungnade, schlechterdings und gäntzlich enthalten soll.1276

Fortan hieß das Motto hinter vorgehaltener Hand in der Bevölkerung: „Nicht räsonnieren!“ Nur, wer mutig war, leistete sich noch einen Hinweis auf die Festung Königstein und den Sekretär Seyfert oder ging bewusst ein hohes Risiko ein. Die Warnung des Gouverneurs, auch Mitwisserschaft von Landesverrat werde mit dem Strang bestraft, dürfte ihre Wirkung nicht verfehlt haben.1277 In der Tat sind im Zweiten Schlesischen Krieg nur wenige Spione in Sachsen enttarnt worden. Beispielsweise ist 1747 der Fall von einem Soldaten namens Gottlob Geyer überliefert. Dieser hatte vier räuberischen preußischen Deserteuren als Wegweiser und Spion gedient und ihnen den Weg nach Dippoldiswalde gewiesen.1278 Zwei Jahre zuvor war er freiwillig in preußische Kriegsgefangenschaft gegangen, dort den Preußen entkommen und von Tharandter Einwohnern verraten worden, worauf ihn nach der Auslieferung die Preußen mit 300 Stockhieben bestraft hatten. Nun wurde er als Verräter wiederum den Preußen ausgeliefert. Dieser sehr dünn dokumentierte Fall lässt einige Fragen offen. Der Umstand, dass Geyer freiwillig in Kriegsgefangenschaft ging und zweimal den Preußen ausgeliefert wurde, lässt ihn als potentiellen Spion erscheinen. Möglicherweise war er auf der Rückreise aus der Kriegsgefangenschaft auf dem Weg, einen Bericht zu erstatten, als er in Tharandt unglücklich in Schwierigkeiten geriet. In diesem Fall hätte er aber von seinem Führungsoffizier aus dem Tharandter Arrest nach Dresden geholt werden müssen. Somit scheint es sein eigener Antrieb gewesen zu sein, zwischen den Fronten zu changieren. Er ist demnach eher Abenteurer als Spion gewesen. Zur gleichen Zeit hat ein gewisser Johann Georg Fritzsche aus Kesselsdorf in Braunsdorf für die Preußen spioniert, drei preußische Husaren und zwei Deserteure polnischer Truppen nach Tharandt geführt und den Bürgermeister mit Feuer und Schwert erpresst, damit dieser sage, wo wohlhabende Bürger wohnten. Im Gegensatz zum Fall Geyer weisen die Umstände hier aber auf eine organisierte Aktion der Preußen hin. Über den Verbleib der beiden ist nichts weiter bekannt. Es ist jedoch festzuhalten, dass neben der staatlichen Spionage auch ein Gemenge heimlicher und undurchsichtiger Aktivitäten 1276 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1393/4, Druckwerk, f. 238; SächsHStAD, 12883 Mandate, Nr. 3671. 1277 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14614/15. 1278 Vgl. SächsHStAD, 10052 Amt Grillenburg, Nr. 706.

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auf beiden Seiten zu entdecken ist. Fazit: Die sächsische Spionageabwehr hat vor dem Siebenjährigen Krieg kaum eindeutige preußische Spione entlarven können. Canalettos Darstellungen der sächsischen Festungen Selten sind Forts und Festungen aus solcher Nähe gemalt worden, wie es dem sächsisch-polnischen Hofmaler Bernardo Bellotto möglich war, der in elf Ansichten die Stadt Pirna samt Festung Sonnenstein und in fünf Veduten die Festung Königstein vor dem Siebenjährigen Krieg geradezu porträtierte.1279 Diese für den Privatgebrauch ausgeführten Werke dienten allerdings nicht als Machtdemonstration Augusts III. in Friedenszeiten.1280 Da erst 1734 eine vielbeachtete Kupferstichfolge über die Festung Königstein veröffentlicht worden war, bedurfte der König, dem diese Festung und alles Militärische auch weit weniger wichtig war als noch seinem Vater, nicht der militärischen Propaganda. Vielmehr entsprang die Ortswahl rein künstlerischen Gründen Canalettos. Dieser hatte für seine geplanten Landschaftsgemälde 1753 in Pirna beste Voraussetzungen für eine Komposition von Berg, Ebene und Fluss einerseits und die Darstellung des Alltagslebens in Stadt und Garnison andererseits.1281 Somit bat er offenbar den König um dessen Einverständnis und hat in seinen Bilderzyklen Monumentalität mit der Schönheit der Landschaft und der einfachen Realität verknüpft. Von jedem Gemälde schuf Canaletto für seinen Förderer Brühl eine Kopie. Durch den Ausbruch des Siebenjährigen Krieges konnte Canaletto die 1756 begonnenen Festungsgemälde von Königstein nur nach Skizzen in seinem Stadtatelier malen. Er verließ schließlich Dresden wegen der Kriegsereignisse und ging für einige Jahre nach Wien. Den Festungsdarstellungen Canalettos lag somit keine politisch-militärische Intention zugrunde. Da mehrere Veduten jedoch 1768 per Kauf an Zarin Katharina II. und 1796 nach England gelangten, ist ihnen neben einem hohen künstlerischen Wert zweifellos auch eine Rolle als unfreiwillige Informationsträger zuzuschreiben. Stefan Kroll betont zwar, dass Canaletto dem Interesse seines Dienstherrn folgend die fortifikatorischen Bauten auf seinen Veduten „vernachlässigt“ habe und die höfischen Gebäude und „ein hohes Maß an unkriegerischer Harmlosigkeit“ ins Zentrum rückte.1282 Dennoch hätten 1279 Ausgenommen ist natürlich die Militärkartographie. Für Sachsen ist die im 16. Jahrhundert durchgeführte Landesaufnahme zur Regierungszeit Kurfürst Augusts zu erwähnen. Vgl. Tagung „Kurfürstliche Koordinaten. Landesvermessung und Herrschaftsvisualisierung im frühneuzeitlichen Sachsen“, Dresden, 21./22. Januar 2011. Neueste Forschungen für Österreich vgl. Pálffy, Géza: Die Anfänge der Militärkartographie im Habsburgerreich. Die regelmäßige kartographische Tätigkeit der Burgbaumeisterfamilie Angielini an den kroatisch-slawonischen und den ungarischen Grenzen in den Jahren 1560–1570, Budapest 2011. 1280 Vgl. Kroll 2013, S. 687. 1281 Vgl. Schmidt, Werner: Canaletto malt Pirna und die Festung Königstein für König August III., in: Schmidt 2000, S. 43–56, 47. 1282 Kroll 2013, S. 691, 693.

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Russland und England für einen Angriff mit diesen detailgetreuen Gemälden ausgezeichnete Einblicke in die topographische und bauliche Situation und sogar in die Bewaffnung der beiden Landesfestungen besessen. Das mit den Veduten verbundene Gefahrenpotential hat August III. 1753/56 wahrscheinlich nicht in Betracht gezogen und der Kunst den Vorrang vor landesherrschaftlicher Vorsicht gegeben. Mehr noch – der Dresdner Hof hätte die Königsteiner Ansichten nach dem Siebenjährigen Krieg noch von Canaletto kaufen können, tat dies aber nicht, um nicht an die Schmach von 1756 erinnert zu werden, als die sächsische Armee am Königstein vor den Preußen kapitulieren musste. Statt dessen ließ man dem Maler die Möglichkeit offen, die Bilder anderweitig zu verkaufen, so dass sie in die Hände britischer Privatsammler gelangten.1283 Insofern ist auch dem Nachfolger Augusts III. die mit den Bildern verbundene militärische Informationsdichte nicht bewusst gewesen, sondern höchstens ihr künstlerischer Wert. Es kommt einem grotesk vor, vergegenwärtigt man sich diesen Widerspruch: Während die Geheimdiplomatie auf ihrem Höhepunkt war und ein unmäßiger Aufwand betrieben wurde, um Staatsgeheimnisse zu bewahren und an Chiffren der Gegner zu gelangen, hat August III. andererseits Veduten seiner Festungen malen und kopieren lassen, die allerbestes Spionagematerial abgegeben hätten! Wäre der Geschichtsverlauf anders gekommen, wäre Sachsen mit diesen aus der Hand gegebenen Informationen sehr angreifbar gewesen. Andererseits markiert dieser Fall die sich ändernden Prioritäten von der Machtpolitik weg und hin zur prestigeträchtigen Förderung der Künste, die mit der Darstellung mythischer Symbole wie einer uneinnehmbaren Festung schon eine „ferne Vorahnung romantischer Visionen“ anklingen ließen.1284 Ein Filou unterwegs in Europa – Maubert de Gouvest Jean-Henri Maubert de Gouvest1285 aus Rouen hat ein abenteuerliches Leben vorzuweisen, das ihn auch als Geheimagenten nach Sachsen führte, wo er sich durch Anhängen des Titels „de Gouvest“ eigenmächtig adelte. Als Publizist der „Irokesischen Briefe“1286 von 1752 ist er in der Literaturgeschichte zu einiger Bekanntheit gelangt. Seine Spionagetätigkeit ist bislang aber in keiner neueren Untersuchung erforscht worden, und auch Friedrich Bülau hat in seiner Sammlung von Staatsgefangenen der Festung Königstein Maubert nur kurz erwähnt.1287 Einzig Pierre Coquelle hat 1900 in seinem Werk über die englische Spionage im Siebenjährigen Krieg kurz Bezug auf diesen Spion 1283 Vgl. Schmidt 2000, S. 142. 1284 Schmidt 2000, S. 56. 1285 Bülau nennt ihn fälschlich „Louis Henri de Gouvest, eigentlich Johann Heinrich Maubert, auch Bruder Bernhard geheißen“. Vgl. Bülau 1887, S. 110. 1286 Maubert, Jean-Henri: Lettres iroquoises, Lausanne 1752. 1287 Bülau 1850, S. 432.

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genommen.1288 Die detaillierte Geschichte des Maubert ist 1759 von einem gewissen Saint-Flour in Lüttich niedergeschrieben worden und im Eigenverlag auf französisch und deutsch erschienen.1289 Verschiedene Stellen im Text legen den Verdacht nahe, dass es sich um eine Autobiographie Mauberts handelt, zumal dies die einzige Publikation jenes Saint-Flour ist, von der noch zwei weitere Auflagen 1762 und 1783 (posthum?) erschienen. Es sind in den deutschen Bibliotheken kaum zwölf Exemplare verfügbar, die wenigsten dürften bereits benutzt worden sein, da sonst Mauberts Fall in den einschlägigen Spionagegeschichten zweifellos erwähnt worden wäre. Bei dem Exemplar in der Forschungsbibliothek Gotha mussten einzelne Seiten noch mit dem Papiermesser aufgeschnitten werden, was eine erstmalige Benutzung nachweist. Die Biographie beginnt damit, dass der siebzehnjährige Maubert in den Kapuzinerorden zu Rouen eintrat und den Namen Bruder Bernhard annahm. Dem engen Klosterleben entfloh er jedoch bald und ging nach Spanien, wo er in Madrid französischer Sprachlehrer wurde. Er machte Bekanntschaft mit einem nicht näher bezeichneten Ducrey und entwendete ihm dessen wichtige Papiere aus dem spanischen Ministerium. Sein Weg führte ihn nach Sachsen und Warschau. Er gab sich als französischer Edelmann aus und wurde Hofmeister beim Sohn des Grafen Heinrich von Brühl. Er erschlich sich das Vertrauen des ersten Ministers, indem er ihm ein Projekt gegen den preußischen König vorlegte. Saint-Flour zufolge „überhäufte“ Brühl ihn mit Geschenken.1290 Maubert erforschte mittels Nachschlüssel einige der vertraulichen Staatssachen in Verwahrung des Ministers und „entwarf einen Anschlag, nach welchem der Minister das erste Schlachtopfer werden sollte“.1291 Es ging dabei um die Absetzung König Augusts III., die Neuwahl eines anderen Königs, die Anzettelung eines blutigen Reichskrieges und eines Volksaufruhrs, was Sachsen noch größeres Unglück als der gegenwärtige Krieg verursacht hätte. Indem er einige Papiere verfälschte, erweckte Maubert den Anschein, als ob August III. im Begriff stünde, die Freiheit der polnischen Republik durch neue Gesetze abzuschaffen und sich zum unumschränkten Herrscher zu machen, „kurz, daß die ganze Verfassung des Königreichs Pohlen durchaus geändert werden sollte“.1292 Durch Handschriftenfälschung des Grafen Brühl und Verwendung von dessen Siegel erweckte Maubert den Anschein, als ob dieser schon viele Jahre jenen Schlag vorbereite und 60.000 Reichstaler dazu verwendet hätte. Jedoch verriet ein Briefbote dem Minister diese Intrige und wies ihn darauf hin, dass der Hofmeister mit gewissen Herren vertraulich verkehre, ganze Nächte hindurch schreibe, das Zimmer Brühls eilig verlasse usw. Ohne zu zögern wurde Maubert beim nächsten Nachtisch unter einem Vorwand, ein fremder Edelmann erwarte ihn am Schlosstor, nach außen 1288 Coquelle, Pierre: L’Espionnage en Angleterre pendant la guerre de Sept ans, d’après des documents inédits , 1900. 1289 Saint-Flour 1759. 1290 Ebd., S. 23. 1291 Ebd., S. 24. 1292 Ebd., S. 25.

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geführt und gefangen genommen. Da Graf Brühl oft mit dem Verräter an einer Tafel gespeist hatte, empfand er eine „gewisse Zärtlichkeit“ für ihn und wollte ihm die Todesstrafe ersparen.1293 Es mag auch dazu beigetragen haben, dass er zuvor beim Feldmarschall Rutowski in Diensten gestanden hatte.1294 Auf der Festung Königstein saß er vom 31. Juli 1747 bis zum 20. März 1752 als Staatsgefangener unter dem Namen „Bruder Bernhard“.1295 Er suchte Hafterleichterung durch ein umfassendes Geständnis. Er sagte aus, dass er von „einigen Großen“ beauftragt worden sei und dass ihn die Belohnung gelockt hätte.1296 Durch Bestechung des Kommandanten erhielt er Bücher sowie Begleitung bei Spaziergängen und durfte an dessen Tafel speisen. Ebenso gelang es Maubert, den päpstlichen Nuntius mit geheimnisvollen Andeutungen für einen Besuch auf die Festung zu locken, wo er ihm zu Füßen liegend seine Flucht aus dem Kapuzinerkloster bekannte und schwor, den Rest seines Lebens in Klausur zu verbringen, wenn er frei würde. Daraufhin bat sich der Nuntius den Gefangenen im Namen des Papstes aus und schickte ihn zum Prager Prior Grundtmann. Zusammen mit dem Feldkaplan Pater Bleinel verließ er die Festung Königstein.1297 Ein kursächsischer Soldat wohnte der Zeremonie bei, als Maubert sein Ordensgewand wieder überstreifte. Der Prior sprach drei Tage eindringlich mit dem reuigen Sünder, der nun um eine Vergebensreise zur Generalkurie nach Rom bat, die ihm auch in Begleitung zweier Ordensmitglieder gewährt wurde. In einer italienischen Stadt machte er einem durchreisenden Kardinal die Aufwartung und bekam verschiedene Empfehlungsbriefe. In Rom erreichte Maubert de Gouvest die Wiederaufnahme in den Orden. Auf dem Rückweg konnte er nördlich von Lyon seinen Bewachern entfliehen und gab sich im Fort L’Ecluse mit seinem gefälschten Pass als Pole aus, woraufhin ihm die freie Weiterreise nach Genf gewährt wurde. Hier schlug er sich mit Betrügereien durch und veröffentlichte unter Verwendung der entwendeten Staatspapiere Ducreys die politischen Testamente des Kardinals Alberoni.1298 Er geriet mit den Schweizer Diplomaten in Schwierigkeiten und ging in die Niederlande. Der französische Gesandte in Den Haag, Marquis de Bonnac, wusste nichts von Mauberts Vorgeschichte, da er sich eine neue Identität zulegte und als ein angeblicher Londoner Peer die moderne Geschichte studierte. Maubert gelang es, Bonnac für sich zu gewinnen: für monatlich 200 Pfund Sterling im Voraus sollte er unter dem Pseudonym Botteman ab Januar 1756 für Bonnac in England spionieren. Seine Berichte betrafen Projekte des englischen Premiers William Pitt d. Ä. und Reichsangelegenheiten. Seine Post bekam er an die Adresse „Bei MM. Chamflour, in Paradise Row, Chelsea“ geschickt und sendete sei1293 1294 1295 1296 1297 1298

Ebd., S. 30. Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 41. Vgl. Bülau 1887, S. 110. Saint-Flour 1759, S. 29. Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 41. A. M.: Testament politique du cardinal Alberoni, recueilli de divers mémoires, lettres & entretiens de son éminence par Monsignor A. M. traduit de l’italien par le C. de R. B. M., Lausanne 1753.

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nerseits über einen Drucker in Den Haag und schrieb als Absender zur Täuschung „M. Hollmane, banquier à Hambourg“ auf die Umschläge. Der Drucker seinerseits reichte die Briefe weiter an einen Buchhändler, der sie schließlich Bonnac aushändigte. Deckadressen erwiesen sich als gute Tarnung. Zusätzlich datierte der Botschafter seine Briefe fälschlich aus Basel und unterzeichnete mit Zezelin. Dieses System war ausgeklügelt, brauchte aber mehrere Mittelsmänner, die zugleich gefährliche Mitwisser waren. Durch die Wachsamkeit des britischen Vertreters in Den Haag namens Yorke und der holländischen Post wurden die Briefe manchmal aufgehalten, aber durch die benutzten Chiffren entgingen Yorke deren Inhalte. In den nächsten neun Monaten informierte Maubert seinen Dienstherrn über preußische Aktivitäten und die russische Politik. Gleichermaßen versorgte er auch den sächsischen Hof mit Nachrichten. Graf Brühl wusste von der neuen Identität Mauberts und bewies seinen Pragmatismus darin, dass er den flüchtigen Spion für sich arbeiten ließ. Der Beweis dafür ist eine Bestallungsurkunde für das Amt eines Sekretärs aus dem Jahr 1758.1299 Brühl zeigte sich für Mauberts schriftstellerische Arbeit auch überaus interessiert und freute sich über zugesandte Schriftproben.1300 Der letzte Kontakt Mauberts mit Sachsen lässt sich auf den 16. April 1765 datieren, als er einen  Brief an Prinz Xaver, den Administrator von Sachsen, schrieb.1301 Maubert wohnte bei verschiedenen Geistlichen, auf deren Namen er beträchtliche Schulden anhäufte und die er ins Elend stürzte.1302 Des Weiteren ruinierte er einen Papierhändler, einen Edelmann beim russischen Gesandten und trieb unerlaubten Handel mit Juwelen, Seide, Leinwand, Uhren, Möbeln, Wein und Büchern. Weil die Gläubiger ihm auf den Fersen waren, bot Maubert dem englischen Minister Lord Holderness an, für ihn in Frankreich Nachrichten zu sammeln, die Küsten zu zeichnen und im Geheimen Kabinett zu forschen. Mit diesem Auftrag ausgestattet, blieb er 1299 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Bestallung, Loc. 589/53, 20. Dezember 1758, unfol. 1300 Vgl. ebd., Brühl an Maubert de Gouvest, 26. März 1753, 2. September 1757, 27. Mai 1758, 26. Dezember 1758, 13. Juni 1760, 25. Mai 1761, unfol. 1301 Vgl. ebd., Maubert an den Administrator Prinz Xaver von Sachsen, 16. April 1765, unfol. 1302 Als ein Prediger einen falsch adressierten, für Maubert chiffrierten Brief bekam, keimte Misstrauen in ihm auf, doch er verbrannte dieses Beweisstück und wies Maubert aus dem Haus, da er ihn nun nicht mehr anzeigen konnte. Diese Stelle der Biographie birgt die Frage in sich, woher der Autor diese Umstände und Gedanken des Predigers wissen konnte. Auch ist die Szene in sich unschlüssig, denn wo misstrauische Gedanken und Überlegungen einer Anzeige keimen, kann nicht die Kurzschlussreaktion folgen, das einzige Beweisstück zu vernichten. Ein Hausverbot vermochte nur scheinbar, das Problem des Gastgebers zu lösen, denn der Absender besaß noch immer dieselbe Adresse, so dass Mauberts Post zumindest eine kurze Zeit weiter bei dem Geistlichen auflief und die Situation weiter für ihn gefährlich blieb. Die Lage wäre für ihn befreiender gewesen, wenn er Maubert mit dem Brief in der Hand konfrontiert hätte, um dessen Reaktion zu prüfen – oder wenn er Maubert kurzerhand mit dem Brief als Beweis angezeigt hätte. Mauberts Dreistigkeit ging sogar so weit, dass er bei Beschwerden zu Gegenbeschuldigungen griff und durch sein Redetalent und falsche Zeugenaussagen die Öffentlichkeit auf seine Seite zog und die Anderen als Lügner darstellte, so dass z. B. der Prediger nach Indien ausreisen musste und der Papierhändler finanzielle Not erlebte.

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jedoch in Den Haag und besuchte verschiedene Gesandte, denn er hatte nie vor, als entlaufener Mönch und Soldat seinen Häschern in Frankreich entgegenzulaufen. Lord Holderness entlohnte ihn für seinen Bericht, so dass Maubert sich wieder in London aufhalten konnte, wenn auch nur auf der „Freiheit“, einem Schutzort mit besonderen Privilegien und Befreiungen von Gerichtsbarkeiten, Abgaben oder Obliegenheiten.1303 Maubert de Gouvest erhielt durch diesen Wohnsitz Immunität. Er ging nur nachts verkleidet aus und ließ sich von einem italienischen vorbestraften Taschenspieler namens Bottarelli und einem Iren helfen, der „Nachteule“ hieß. Als der englische Minister zwei aufgefangene Briefe erhielt, die Maubert entlarvten, ließ er ihn trotz 500 Pfund Sterling Schulden ins Exil nach Den Haag gehen. Europaweit inzwischen bekannt, erfuhr Maubert dort Verachtung und wurde auch in Berlin nicht aufgenommen. Rachsüchtig reagierte er mit einer aufsehenserregenden Schrift gegen den Premierminister William Pitt und anderen Veröffentlichungen, darunter einem gefälschten Brief des Prinzen von Preußen an seinen Bruder, König Friedrich II. Mit solchen Verleumdungen zog er sich den gewaltsam durchgesetzten Verweis aus den Generalstaaten zu. Mit Reisegeld des Grafen von Cobenzl und des Brüsseler Residenten ging er nach Lüttich. Direkt nach dem Tode Nadir Schahs (auch Kouli-kan genannt) griff Maubert de Gouvest dessen Lebensgeschichte in einer fiktiven Biographie des Daniel Moginié auf. Er erzählt darin seltsame Begebenheiten und geheime Nachrichten aus Persien und Indostan.1304 Nadir Schah krönte sich 1736 selbst zum König von Persien, bezwang die Osmanen mehrfach und wurde wegen seiner militärischen Erfolge mit Alexander dem Großen oder Napoleon verglichen. Nach einem Attentat ließ er seinen Sohn blenden, den er als Anstifter vermutete, und wurde zunehmend paranoider, bevor seine Generäle ihn ermordeten. Sein Sohn kam an den Hof Maria Theresias, wo er die Taufe empfing und als Baron von Semlin eine militärische Karriere begann, die ihm im Siebenjährigen Krieg zahlreiche Auszeichnungen eintrugen. Maubert de Gouvest wusste um die besonderen Emotionen, die das Türkische in Mitteleuropa hervorrief. Die Türkenangst war einer gewissen Faszination gewichen und versprach entsprechenden Publikationen reißenden Absatz. Im Fall Maubert de Gouvest zeichnet sich das häufig zu beobachtende Muster ab, dass ein Betrüger verschiedene Stationen durchläuft und die Parteien gegenseitig ausspioniert. Das Fehlen eines Warnsystems ermöglichte es, immer neue hochrangige Beamte, einflussreiche Minister und gut gläubige Leute zu täuschen. Mehrfach wurde die Möglichkeit einer Verhaftung Mauberts verpasst. Besonders Graf Brühl unterließ es, die anderen Höfe von dem Betrüger zu informieren, und brachte sich um die Chance,

1303 „Freiheit“, in: Grimm, Bd. 4, Sp. 111–113. 1304 Vgl. Gouvest, Maubert de: Der erlauchte Bauer oder Lebensgeschichte und Begebenheiten Daniel Moginies […]: enthaltend verschiedene geheime Nachrichten von den letzten Veränderungen in Persien und Indostan […] von ihm selbst an seinen Bruder […]. Franz geschrieben. Aus dem Französischen, Berlin, 1755.

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später im Gegenzug gleichfalls vor Spionen u. ä. gewarnt zu werden. Statt dessen machte er von Mauberts neuer Position Gebrauch und suchte den Vorteil für Sachsen. Auch Giacomo Casanova versuchte, auf solche Weise Geld zu verdienen und war ein Abenteurer auf Europareise.1305 Er sammelte Informationen, besuchte Sachsen hingegen  nur für Verwandtenbesuche. Deshalb genügt an dieser Stelle ein Hinweis auf ihn. Weitsichtige Politik oder das Erwirken neuer Verhaltenskodizes, die im weiteren Verlauf positive Rückwirkungen zeitigten, war im 18. Jahrhundert nicht praktikabel. Das Handeln wurde am derzeitigen Nutzen ausgerichtet. Erst im Zuge der Aufklärung veränderte sich die politische Kultur wenigstens in Ansätzen. 4.3.7 Brühls Geheime Expedition In den 1730er Jahren etablierte sich für die Interzeption der preußischen Post eine Abfangstation, die sich „Geheime Expedition“ nannte und bis 1747 operierte.1306 Sie war die Vorgeschichte zu der später vom preußischen König Friedrich II. ausgehenden Ausspionierung Sachsens im Vorfeld des Siebenjährigen Krieges ab 1752. Beide Aktivitäten stehen miteinander in dichtem Zusammenhang, wie die folgende Analyse zeigen wird. Überlieferung und Quellen Die Geschichte der Geheimen Expedition in den Archivquellen aufzuspüren, ist äußerst aufwendig, da die Spuren gut verwischt wurden. Ausgangspunkt ist die 1791 in den Stats-Anzeigen erschienene „Lebensbeichte“ des Hofrats Siepmann, der quasi als Leiter der Institution tätig war.1307 Die gedruckte Version deckt sich mit der hand1305 Nachdem er 1755 wegen Schmähungen gegen die Religion durch einen „confidente“ – einen venezianischen Spion der Staatsinquisition – zur Strecke gebracht und in die Bleikammern Venedigs eingekerkert worden war, gelang ihm nach 15 Monaten die allseits Bewunderung auslösende Flucht. Er reiste fortan durch Europa, besuchte Holland, die Schweiz, England, Spanien und Russland. Seine Aufenthalte an den Höfen von Friedrich II. von Preußen und von Zarin Katharina II. beweisen seinen Bekanntheitsgrad. Wegen Duellierung, unerlaubten Waffenbesitzes, Affären und einem Totschlag musste er mehrfach fliehen oder Haftstrafen verbüßen. Zurück in Venedig, arbeitete er ab 1776 aus wirtschaftlichen Gründen für die Staatsinquisition als Spion. Ein Pamphlet brachte ihm die Verbannung aus Venedig ein, so dass er 1783 über Dresden nach Wien reiste und in Böhmen das Schloss Dux als Altersruhesitz wählte. Schon 1764 hatte sein jüngerer Bruder Dresden als Wirkungsstätte seines künstlerischen Schaffens gewählt. Auch seine Mutter war als Opernsängerin in Dresden engagiert, so dass ihn sein Weg häufig durch diese Stadt führte. Hier trat er als Kartenspieler im Zwinger auf, übernachtete im Hotel Stadt Rom am Neumarkt und besichtigte die Gemäldegalerie. Vgl. Scheible, Hartmut: Giacomo Casanova. Ein Venezianer in Europa, Würzburg 2009, S. 41 f. 1306 Vgl. Rous 2014c. 1307 Vgl. Schlözer 1791.

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schriftlichen Fassung in den Prozessakten.1308 Siepmann hat 1777 sein Wirken schriftlich festgehalten, nachdem er 1750 von Brühl unter Anklage gestellt worden und deshalb in eine große finanzielle Notlage geraten war. Nach Siepmanns Tod diente diese Quelle dem aufklärerischen Publizisten Schlözer als Vorlage für eine Kritik am absolutistischen Politikwesen.1309 1850 griff Friedrich Bülau in seiner Sammlung über Merkwürdigkeiten aus dem Archiv die von Schlözer geschilderte Geschichte auf. Er hat Siepmanns Schriftstück als „Selbstanklage“ missverstanden und zog keine weiteren Quellen heran.1310 Die Abschriften der Geheimen Expedition sind als „bedrohliche Diskurse“ des preußischen Residenten Hoffmann verzeichnet.1311 Die von Siepmann überlieferte Korrespondenz enthält lediglich unverfängliche Inhalte seiner Hobbies (Malerei, Porzellan, Pferde), so dass von einer bewussten Nachlassbereinigung ausgegangen werden kann.1312 Auch die tausende Seiten umfassenden Protokolle und Berichte des Geheimen Kabinetts schweigen sich über die Geheime Expedition aus, als hätte es sie nie gegeben.1313 Von König August III. sind keine eigenen Aussagen über die Geheime Expedition überliefert, obwohl er von der Institution nicht nur wusste, sondern sie auch förderte.1314 Das ergeben indirekte Hinweise auf die königlichen Instruktionen und wertschätzenden Ermunterungen in der Korrespondenz des Grafen Brühl. Offenbar wollte der König im Hintergrund bleiben und nicht Gefahr laufen, als oberster Leiter mit dieser unmoralischen Angelegenheit in Berührung zu kommen. Ausführlichere Nachrichten über den Aufbau und Alltag der Expedition liefern die Korrespondenzen des Grafen Brühl mit dem Kriegsrat Johann Heinrich Simonis, die mehrere Aktenbände umfassen. Der Briefwechsel zwischen Brühl und Simonis hebt sich von anderen Korrespondenzen durch seine knappe Sachlichkeit ab. Brühl verzichtet zu Beginn auf jegliche Formalien und geht nach einem kurzen „Monsieur“ sogleich in medias res. Die Briefe von Simonis liegen durchnummeriert als Konzepte vor.1315 Vom 1. August 1736 bis zum 25. September 1738 hat der Kriegsrat 234 Briefe verfasst. Zwischen ihm und Brühl muss eine vertrauensvolle und professionelle Arbeitsbeziehung existiert haben.1316 Brühl in1308 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1399/3, Factum, 9. Oktober 1777, f. 58–68. 1309 Vgl. Schlözer 1791. Über den Herausgeber der Staatsanzeigen, die 1782–93 erschienen, vgl. Nicklas 2012; Fink, Gonthier-Louis: L’écho de la révolution américaine dans les „StatsAnzeigen“ de Schlözer (1782–90), in: Krebs, Roland; Moes, Jean (Hrsg.): La revolution américaine vue par le périodiques de langue allemande 1773–1783. Actes du colleque tenu à Metz (octobre 1991), Metz 1992, S. 35–51; Warlich, Bernd: August Ludwig von Schlözer (1735–1809). Ein Beitrag zur Pathogenese frühliberalen Staatsdenkens im späten 18. Jahrhundert, Diss. Erlangen-Nürnberg, 1972. 1310 Bülau 1850, S. 294. 1311 SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2984/5. 1312 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1399/1. 1313 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10057/4; 10057/5; 10057/6. 1314 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3583/1. 1315 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3596/1. 1316 Johann Heinrich Simonis hatte 1735 den Präliminarfrieden mit Russland ausgehandelt und stieg infolgedessen am Hofe weiter auf. Von seinen Boni erwarb er 1749 das Gut Pannewitz für 13.500 Taler.

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formierte den Kriegsrat über politische Vorgänge und fügte bisweilen Kopien relevanter Dokumente an. Private Anmerkungen fehlen in den Briefen, so dass nicht von einer Freundschaft beider auszugehen ist. Tief in die hohe Politik scheint Simonis auch nicht eingedrungen zu sein, da von ihm nur zwei Nomenklatoren überliefert sind. Einer ist eigens für seine Person „ab August 1736 in Warschau“ verfasst worden.1317 Der andere ist undatiert, lässt sich aber anhand der Chiffrenteilhaber (Generalmajor Löwendahl, General Baudissin, General Herzog Johann Adolf II. von Sachsen-Weißenfels) auf die Jahre 1732–46 eingrenzen.1318 Dieser scheint einzig der militärischen Korrespondenz vorbehalten geblieben zu sein. Wegen der geringen Überlieferung an Chiffren und fehlender Nachweise dafür, dass diese Chiffren auch benutzt wurden, ist davon auszugehen, dass kein gesteigerter Bedarf an Verschlüsselung der Korrespondenz bestand oder dass eine konsequente Vernichtung der Papiere nach Erhalt angeordnet war. Simonis befand sich zusammen mit der Expedition fast immer in derselben Stadt wie König August III., was vorwiegend mündliche Absprachen vermuten lässt. Der andere, von Siepmann erwähnte Direktor, Kriegsrat von Goltze, spielte höchstens eine untergeordnete Rolle und taucht in den Quellen nicht auf. Jedoch war Löwendahl über die Inhalte der preußischen Post informiert: 1735 wusste er dem Minister Aleksander Józef Sułkowski über einen Plan aus den Depeschen des preußischen Residenten Hoffmann zu berichten. So sollte Hoffmann England und Holland animieren, zusammen mit Preußen Briefe an den Zaren zu verfassen, damit dieser dem russischen Gesandten in Dresden, Baron von Keyserlingk energische Befehle zu Gunsten der Dissidenten erteile.1319 Somit begann die Interzeption der preußischen Post 1735. Allerdings schien man die Tätigkeit noch verbessern zu wollen, denn aus der gelegentlichen Interzeption wurde sukzessive eine systematische Interzeption durch eben jene Institution, die sich „Geheime Expedition“ nannte. Am 1. August 1736 übersandte Simonis dem Grafen Brühl einige Briefe der Preußen, und am 4. August informierte er ihn, dass sich der Jude Israel Hirschel schon auf der Reise befinde.1320 Dieser war mit ziemlicher Sicherheit jener, der in der Geheimen Expedition die Siegel nachstach und eine Sammlung von über 30 gefälschten Siegeln schuf. Die Institution konnte nunmehr ihre Arbeit in organisierter Form aufnehmen.

1317 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3234/1. Dieselbe Chiffre vgl. Chiffres, so bey dem verstorbenen Gln. Legations-Rath Saul, in einer Brief-Tasche vorgefunden worden, 1740, Loc. 3234/2. Saul starb aber erst 1766, so dass der Hinweis auf seinen Tod 1740 irritiert. 1318 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3234/7. 1319 Vgl.SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 460/2, Brühl an Sułkowski, 17. August 1735, f. 40. 1320 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3596/1, Kriegsrat Simonis an Graf Brühl, 1. und 4. August 1736, unfol.

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Die Arbeitsweise der Expedition im Kontext der politischen Veränderungen Siepmann wurde die Direktion angetragen. Vom 20. Juni 1736 ist seine Instruktion als „Maitre des Paquettes“ überliefert.1321 Der Generalkronpostmeister Georg Hermann von Holtzbrinck war eingeweiht und sandte die Depeschen über den Kronpostsekretär Kahle und den Geheimen Registrator Saul an ihn. Die Stoßrichtung war auf Polen sowie Preußen gerichtet. Für polnische Übersetzungen wurde der Auditeur Jenisch einbezogen. Im März 1736 öffnete der Kassenkopist Klingemann, der in Posen die Feldpost beobachten sollte, das Paket des Generalmajors Klingenberg auf Anfrage des Kriegsrats Simonis.1322 1736 verdichten sich die Quellen zur Expedition, wenngleich diese Institution nie in den offiziellen Protokollen und Papieren der Geheimen Kriegskanzlei Erwähnung fand, sondern nur in den Korrespondenzen des Simonis.1323 Offenbar kommunizierten die Verantwortlichen und Mitglieder vorwiegend mündlich oder vernichteten alle Belege. Angesichts des Quellenmangels bleibt bei der Geschichte der Geheimen Expedition einiges im Dunkeln, doch ermöglicht die Überlieferung eine vage Beschreibung. Am 25.8.1736 schreibt der Kriegsrat Simonis an Brühl einen sehr aufschlussreichen Brief. Er arbeite fünf Nächte pro Woche „aux expeditions secretes“, und es wäre sehr zufriedenstellend, wenn sie immer gut gelingen würden.1324 Den Worten des preußischen Königs an seinen Residenten zufolge schöpfe dieser keinen Verdacht. Weiter heißt es: Ms. Siepman pourra se ressouvenir, que le Resident cachete souvent fort mal ses lettres. A la verité, Monseigneur, je ne vante pas mon habilité ni celle de mes Colleques. Je n’ay jamais fait cet ouvrage, et il y a plus de vingt ans, que je n’ay vû le faire. […].

Seit 20 Jahren waren solche Brieföffnungen in Sachsen-Polen nicht erfolgt. Im Brief des Kriegsrats sind im Weiteren personelle Details zu lesen: Low me paroit encore trop jeune et avoir trop de liaison de famille, pour qu’il etre employé aux susdites expeditions. Il nous faudroit un home qui ecrit vite et qui en tout temps fut à portee pour rapporter les lettres; et pour etre envoyé jour et nuit à la poste et au Juif. Si Votre Excellence l’aggreoit, je voudrois dresser à ce metier mon home, à qui Elle a fait la grace de donner une survivance à la Chancelerie des accises et qui a pretè ferment au Roy. Naturellement ce garcon a le talent de parler plutot trop peu, que trop. Au retour de la Cour on le trouverait peutetre formé au metier. A cet egard je ne puis me vanter que de la bone volonté et d’un zele infatigable – pour le service de Sà Majesté.

1321 1322 1323 1324

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2999/9, Instruktion, 20. Juni 1736, f. 2e. Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Loc. 10862/6, Brief Klingemanns, 21. März 1736, unfol. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Die Geheime Kriegskanzlei, 1733–36, Loc. 983/2; 1740–63, Loc. 984/2. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 459/6, Kriegsrat Simonis an Graf Brühl, 25. August 1736, f. 20. Derselbe Brief ist auch in der Gegenüberlieferung vorhanden. Vgl. ebd., Loc. 3596/1, No. 8.

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Die Identität des genannten Low, der zu jung war und zuviele familiäre Verpflichtungen hatte, konnte geklärt werden. Bereits unter August II. war ein Robert Low für die Geheime Kriegskanzlei beschäftigt, und ebenso wurde 1720 von einem Finanzkontrolleur namens Low berichtet.1325 Der „junge Low“, der an späterer Stelle als „Controlleur“ erwähnt wird1326 und ab 1737 als Supernumerarius im Departement für Auswärtige Affären im Geheimen Kabinett tätig war, könnte sein Sohn Jacob sein.1327 Andererseits sind mit einem gewissen Johann Low Differenzen wegen eingerichter Rechnungen aktenkundig.1328 Ständige Verfügbarkeit, schnelles Schreiben, Tag- und Nachtarbeit, Botendienste zur Post und zu „dem Juden“ sowie absolute Verschwiegenheit hob er als die wichtigsten Voraussetzungen hervor. Zudem erwähnte er, dass eine Ausbildungsphase in Dresden nötig sei und empfahl dafür seinen eigenen Mann. Offenbar wurde im August 1736 eine Umstrukturierung notwendig. Brühl plante, die Postmeister von Breslau nicht mehr für die Expedition arbeiten zu lassen, doch der Kriegsrat Simonis übermittelte ihm die Bitte des Postmeisters Holtzbrinck, man möge das „arrangement“ wenigstens bis Ende September fortsetzen, da erst ab dem 20. oder 24. September ein sogenanntes „etablissement“ seine Arbeit aufnehmen könnte.1329 Im September schöpfte der Resident Hoffmann Verdacht. Er stellte den Generalkronpostmeister Holtzbrinck zur Rede, dass er das Gefühl habe, seine Briefe würden geöffnet. Doch sowohl er als auch sein Gehilfe Kahle versicherten dem Residenten, sie wüssten absolut nichts und würden es bemerken, wenn etwas mit den Briefen in den Staaten geschehe. Jedoch wüsste der Resident gewiss nicht, ob sein preußischer Hof gut oder schlecht mit dem Wiener Hof umginge?1330 Damit hatten beide den Verdacht von sich abgelenkt und den für seine Schnüffelei bekannten Kaiserhof ins Spiel gebracht. Simonis ließ Graf Brühl wissen, er werde, falls sich der Resident auch an ihn wende, ebenso antworten. Die Expedition arbeitete jetzt noch vorsichtiger. Simonis entschuldigte sich, dass aus Zeitmangel die Briefe des Primas an Stanislaus Leszczyński und den Grafen Ossoliński nicht hatten übersetzt werden können, aber es seien nur Geldrückforderungen gewesen.1331 Zur Korrespondenz des Großgenerals Józef Potocki mit dem Primas – dem Erzbischof von Salzburg, Leopold Anton von Firmian, – übermittelte Simonis dem Grafen Brühl nur in groben Zügen einen Überblick.1332 Der Fokus lag jedoch nicht darauf, den Primas zu überwachen, sondern vielmehr den Großgeneral, dem gegenüber Brühl kein vollkommenes Vertrauen hatte. Immerhin sollte man aber 1325 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 703/9, De la Sarraz an Wackerbarth, 16. Januar 1720, f. 14. 1326 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3596/1, Brühl an Simonis, 15. August 1737, unfol. 1327 Seltsamerweise liegt von Jacob Low keine Eidesverpflichtung vor. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Verpflichtungen und Eides Formula bei der Geh. Cabinets Canzlei, 1733–1763, Loc. 941/2. 1328 Vgl. SächsHStAD, 50155 Standesherrschaft Königsbrück (D), Nr. 396 und Nr. 397. 1329 SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 459/6, Kriegsrat Simonis an Graf Brühl, 29. August 1736, f. 25. 1330 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3596/1, Kriegsrat Simonis an Graf Brühl, 8. September 1736, unfol.; Loc. 459/6, f. 28. 1331 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 459/6, Kriegsrat Simonis an Graf Brühl, 12. September 1736, f. 34. 1332 Vgl. ebd.

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dem beim Primas akkreditierten Begleiter des Gesandten verbieten, so freizügige Korrespondenz „avec tout le monde“ zu pflegen, die ein ums andere Mal gedruckt werde, mahnte Simonis weiter.1333 Man solle ihn anhalten, mit der Hand zu schreiben, und Kaliszki müsse mit der Kontrolle der Post beauftragt werden, schlug er vor. Es kam in diesem Fall tatsächlich auf die Überwachung des eigenen Personals an, um Leichtfertigkeiten auszubügeln, ohne durch Abberufung Aufsehen zu erregen. Daneben war ein interessantes Extract der durchgesehenen Briefe, dass der ungarische Wein dieses Jahr schlecht sei und nicht nach Polen geliefert werden müsse.1334 Danach beginnt eine für den König gefährliche Entwicklung. Die Entdeckung eines Attentatsplanes auf August  III. wurde  – wohl in Erinnerung an das rechtzeitig verhinderte Attentat Daniel Trützschlers von 1735  – so ernst genommen, dass sich Siepmann und Kahle im Dezember 1736 nach Lublin begaben, um dort vier Wochen zu spionieren. Der Erfolg blieb ebenso aus wie das Attentat, so dass beide zurückberufen wurden. Die Geheime Expedition trat 1737 in ihre zweite Phase. Inzwischen hatten sich weitere Indizien für eine Unruhestiftung in Polen gefunden. Wie sich rekonstruieren lässt, hat der Primas dem Kriegsrat Simonis mitgeteilt, dass mehrere Senatoren der Meinung seien, der König benötige im nächsten Jahr keinen Reichstag und dass es ausreichen würde, den normalen Reichstag im Jahr 1738 einzuberufen.1335 Der König wünsche die Namen und Argumente der Urheber dieser Initiative zu wissen. Auch solle  sich Simonis um die zwei von der preußischen Botschaft entsandten Männer kümmern: Sur ce que vour aviez depuis peu de couvert que le Resident Hoffmann avoit derechet à la main deux grands hommes pour les envoyer au Roi de Prusse, j’ai à Vous dire, Monsieur, que l’on seroit bien aise ici, que vous puissiez sous main concerter avec quelque Seigneur Polonais de confiance p. e. avec le Palatin de Russie ou d’autre, des mesures propres pour enlever ces grands hommes destinez pour l’Armée Prussiene.

Da Siepmann zufällig den Sekretär des preußischen Residenten Hoffmann namens Jäger traf, den er von einer Sitzung im Assessorialgericht in Marienburg kannte, öffnete sich für die Geheime Expedition eine neue Möglichkeit. Jäger wusste gegen Bezahlung zu berichten, dass der Resident die wichtigen Dinge nur seinem Schreiber Rothe anvertraute und dem Koch die Übermittlung der Depeschen überließ. Brühl ließ daraufhin den Schreiber und den Koch mit 200 Reichstalern und klingenden Titeln und Posten für künftige Anstellungen in Polen bestechen. Am 9. Februar bestätigt Brühl, unter den berichteten Umständen könne man fortfahren, dem Koch („le cuisinier“) seinen Dukaten im Monat zu geben und es spräche 1333 Vgl. ebd., Kriegsrat Simonis an Graf Brühl, 19. Dezember 1736, f. 126b. 1334 Vgl. ebd., Kriegsrat Simonis an Graf Brühl, undat., f. 47. 1335 Vgl. SächHStAD, 10026 GK, Loc. 3586/6, Graf Brühl an Kriegsrat Simonis, 5. Dezember 1736, f. 4.

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auch nichts gegen die drei Dukaten für den Rothe, die der König bewilligt habe.1336 Man solle dem Sekretär Rothe seine drei Dukaten und 16 Ecus im Voraus bezahlen, um ihm seine Sorgen zu vertreiben und vom Akt der Verzweiflung abzulenken, damit er für die Zukunft zu gleichem Fleiß angespornt werde. Schon im vorigen Brief berichtete Brühl, der König sei sehr zufrieden mit den Berichten und lobe auch, dass Simonis die abgefangenen neuen chiffrierten Rapporte kopiere und die Kopien herschicke, wo man Mittel habe, sie zu dechiffrieren.1337 Die Dukaten seien für die Öffnung, wie sie geschehe, gut angelegt. Simonis möge Rothe zur Ausdauer ermahnen. Der Großkanzler wolle Kaliszki mit dem Vertrieb der „Gazette Polonaise“ in Warschau beschäftigen, aber der König vertraue den Leuten nicht und gebe seine Gunst lieber dem Vizekanzler Małachowski. Simonis und Holtzbrinck sollten einen fähigen Mann vorschlagen, der die Gazetten schreiben könne. Mit Małachowski pflegte Brühl in der Tat sehr vertrauliche Beziehungen, da der Umschlag einer „Correspondance secret“ beider aus dem Jahr 1756 überliefert ist.1338 Im Spätherbst 1737 war das Schwarze Kabinett bereits so gut etabliert, dass Brühl an den Kriegsrat nur eine kurze einseitige Notiz schicken musste, auf welche Namen sich dessen Wachsamkeit richten sollte: Plusieurs raisons exigeant d’avoir l’oeil à certaines Correspondences; vous aurés la bonté de faire d’abord apeller le Sr. Kahle, en lui enjoigenant de vous faire regulierement remettre le Paquet de Leopold, tant celui qu’on y expedie que celui que en vient. Vous ferés ouvrir ensuite les lettres, qu’il contient sous l’adresse d’un nommé Schwartze aussibien que sous celle de Pelisson et Valentin, en continuant ainsi quelques postes de suite. Je vous recommande aussi, Monsieur, et à votre vigilance ce qui pouroit venir sous le nom d’Orguelin, et j’attends un avis exact de l’issue de vos recherches.1339

Die bewährte Verwendung von Deckadressen und -namen ist hier gut nachweisbar. Simonis in Warschau war demnach für Verteidigungsfragen ebenso zuständig wie für die Organisation und Aufsicht der Brieföffnung. Im Februar 1738 bemerkte der preußische Gesandte Ammon wiederum eine Brieföffnung. Offenbar hatte man den Sekretär Rothe im Verdacht.1340 Sofort reagierte Ammon, noch ehe die Sachsen davon erfuhren, und schickte, um die Schnelligkeit der Post zu kontrollieren, per Estafette einen Testlauf von Dresden nach Potsdam, der unterwegs auf jedem Postamt (Großenhain, Koßdorf, Annaburg, Wittenberg, Treuenbrietzen, Berlin, Potsdam) mit Uhrzeit der Ankunft und Weiterleitung von den Postmeistern unterzeichnet wurde.1341 Nachdem König Friedrich Wilhelm I. über die Umstände in 1336 1337 1338 1339 1340 1341

Vgl. ebd., Graf Brühl an Kriegsrat Simonis, 9. Februar 1737, f. 1. Vgl. ebd., Graf Brühl an Kriegsrat Simonis, 19. Januar 1737, f. 2. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3596/1. SächHStAD, 10026 GK, Loc. 3586/6, Graf Brühl an Kriegsrat Simonis, 16. November 1737, f. 17. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, Z E 1, fasc. 5. Vgl. ebd., 9. Februar 1738, unfol.

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Kenntnis gesetzt worden war, wurde Ammon instruiert, an August III. von Polen zu schreiben und sich darüber zu beschweren.1342 Sein versiegelter Brief vom 8. Februar 1738 sei auf seinem Weg zum preußischen König auf der Poststation Annaburg geöffnet angekommen, von wo ihn der Postmeister mit einem Postsiegel versehen und zusammen mit einem eigenhändigen Zertifikat weitergesendet habe. Eine solche Brieföffnung sei unter guten Freunden und Nachbarn unüblich und verstoße gegen das Menschenrecht sowie das Recht der Unverletzlichkeit der Post und verletze seinen Herrn. Eine solche Unsensibilität könne den Handel trüben, drohte er unterschwellig Konsequenzen an. Das Dresdner Postamt beeilte sich zu versichern, dass es sich um einen „accidens“ handele, da zwischen Koßdorf und Annaburg „das äußerste Siegel vermuthl. durch öffteres rütteln in den Estafetten Beutel aufgerieben worden“ sei und bat für die fehlende Behutsamkeit um Verzeihung.1343 In einem persönlichen Gespräch sollte der Kabinettskanzlist Talon wieder das Vertrauen mit dem Residenten herstellen.1344 Wie zufällig erinnerte er ihn, dass im Vorjahr in Warschau ein Sekretär des preußischen Residenten in Warschau, Karl Friedrich Hoffmann, entdeckt und arretiert worden sei, der Trabanten für das preußische Militär abwarb, indem er sie mit 130 Dukaten Handgeld und Weinflaschen zur Desertion bewegte. Die widerrechtliche Interzeption wurde somit in Beziehung zu der unerlaubten preußischen Werbung gesetzt. Ammon konterte mit der Forderung, es müsse der flüchtige Ingenieur arretiert werden, der in Preußen wegen Unterschlagungen gesucht werde und der sich zur Zeit unter dem falschen Namen Massdorff in Gräfenhainichen und Wittenberg aufhalte.1345 Als dies geschehen war und WackerbarthSalmour einen Kabinettskanzlisten wegen einer unterlassenen Titulatur gerügt hatte, waren die Beziehungen zunächst wieder aufgebessert.1346 Friedrich Wilhelm I. schlug ein gemeinsames „Cartel“ zur Vermeidung von Irregularitäten vor, indem die zwei Staatsminister Viebahn und Kalckstein regelmäßig in Zinna konferieren sollten.1347 Auf dieser Vertrauensbasis konnte der preußische König sogar den Wunsch äußern, einen gefangenen Soldaten aus Zwickau freizugeben. Dieser war nach einem Verwandtenbesuch wegen verspäteter Rückkehr in Meerane aufgegriffen worden, weil er länger als acht Tage als ungemeldeter Fremdling in Sachsen geweilt hatte.1348 Somit schien die Beilegung des Konfliktes zwischen Sachsen und Preußen gelungen zu sein. Die Geheime Expedition musste nun wiederum noch besser auf Geheimhaltung ihrer Tätigkeit bedacht sein. Drei Monate später, im August desselben Jahres, wurde die preußische Regierung von einem Denunzianten auf den Verräter Rothe in der Gesandtschaft in Dresden aufmerksam gemacht. Dem preußischen König erschien die Sache „windigt 1342 1343 1344 1345 1346 1347 1348

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2971/3, Ammon an August III., 9. März 1738, unfol. Ebd., Pro Memoria des Dresdner Postamts, 11. März 1738, unfol. Vgl. ebd., Pro Memoria des Kabinettskanzlisten Talon, 13. März 1738, unfol. Vgl. ebd., Ammon an August III., 12. März 1738, unfol. Vgl. Ebd., Pro Memoria, 12. März und 15. Mai 1738, unfol. Ebd., Ammon an August III., 1. April 1738, unfol. Vgl. ebd., Ammon an August III., 15. Mai 1738, unfol.

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oder unerweißlich“, und da Rothe schon seit Ende März verschollen war, wurde die Sache schnell als erledigt betrachtet.1349 Was die Preußen nicht wußten: Johann Christoph Rothe war nach Polen geflohen und wurde von Brühl am 28. März 1739 eine Stelle als Kanzlist in der General-Akzise-Commission bestallt.1350 Höchste Vorsicht war nun geboten. Den Maßstab für Unauffälligkeit bildete stets die Beförderungszeit. An dieser Stelle ist der Frage nachzugehen, wo die Geheime Expedition ihren Standort hatte. Hofrat Siepmann selbst erwähnte, dass er das Material von Großenhain aus per Estafette erhalten habe. Um keinen Verdacht zu erregen, ließen die Sachsen die Preußen ihre Post zunächst auf den normalen Beförderungsweg bringen. Falls sich an jener Stelle jemals schriftliche Belege befunden haben sollten, dürften sie beim großen Stadtbrand von Großenhain im Jahr 1744 vernichtet worden sein.1351 Aus der Lokalisierung der Briefe der Protagonisten wird deutlich, dass sich Rothe, Simonis und Siepmann eher in den Hauptstädten aufhielten. Die Institution wechselte offenbar ihren Standort zwischen Dresden und Warschau und war an das Reisekönigtum Augusts III. gekoppelt. Die preußische Gesandtschaft reiste ebenso mit dem Hof wie ihre Spitzel. Dabei war die Situation in Dresden weniger günstig als in Warschau: hier zog die Kriegskanzlei fünfmal um, bevor 1733 in Dresden-Neustadt vom Geheimen Kriegsratskollegium das Gervsche Haus gekauft wurde, um es als neues Kanzleigebäude für die verschiedenen Institutionen einzurichten.1352 Die Oberlandbaumeister Pöppelmann und Knöffel waren mit Rissen beauftragt, jedoch zeigte sich 1736, „daß es daselbst an dem vor gesamte Collegia erforderlichen gnugsamen Raum ermangeln wolle“.1353 Die Kanzlei war demnach in großer Unordnung; eine Lokalisierung der Geheimen Expedition in Dresden ist nach heutigem Wissensstand nicht möglich. Hingegen ist überliefert, dass im Sommer 1738 ein erstes festes Quartier der Geheimen Expedition in Warschau gesucht wurde. Jenisch, Rothe und der Sekretär Jäger sollten darin logieren und über ein Konferenzzimmer verfügen.1354 Jedoch konnte keine passende Wohnung nahe dem Krakauer Tor ausfindig gemacht werden, so dass Jenisch in seiner Wohnung blieb und Jäger sich auf die Suche nach einer etwas abgelegenen Unterkunft machte. Da man aber nicht wusste, wo „das bewusste Werkzeug“ und der Koffer voller Konzepte sicher vor Dieben und Feuer untergebracht sein könnte, so kam beides zusammen mit dem Bargeld zu Rothe in das Zimmerchen über Brühls Wohnung auf dem Schloss. Der Kriegsrat Simonis schlug dem Grafen Brühl alsdann vor, diese Dinge „zwischen dem 1349 GStA PK, I. HA, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, Z E 1, fasc. 5, Resolution, 3. September 1738, unfol. 1350 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 941/2, Verpflichtung von Johann Christoph Rothe, 28. März 1739, f. 68. 1351 Vgl. SächsHStAD, 10036 Finanzarchiv, Loc 39900, Rep. 15, Hain, Nr. 0044. 1352 Vgl. SächsHStAD, 11237 GKRK, Nr. 807, f. 1. 1353 SächsHStAD, 10036 Finanzarchiv, Loc. 37291, Rep. 22, Dresden, Nr. 0201, Erlass Augusts  III., 27. September 1736, f. 15. 1354 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 459/8, Kriegsrat Simonis an Brühl, 27. August 1738, f. 79.

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Senatorensaal und Ihrem Appartement unter dem Gang, wo die Marschallswache postiert zu sein pflegt“ unterzubringen.1355 Weitere Angaben zur Verortung der Geheimen Expedition sind nicht überliefert. Bei dem Transport der Informationen durfte möglichst kein Tag verloren gehen. Deshalb ärgerte sich Brühl über die verspätete Ankunft eines Briefes in Breslau.1356 Holtzbrinck solle alle Stationen anweisen, dass die Post in Breslau pünktlich einzutreffen habe. Immer wieder wurde auch der Zeitverlust bei der Passage über die Warthe erwähnt, weshalb Brühl eine raschere Beförderung der Postillone mit dem Großkanzler vereinbarte.1357 Im September 1738 erließ der Gouverneur von Friesen auf Geheiß des Grafen Brühl die Arretierung eines namentlich nicht genannten Auditors.1358 Der Adjutant Held wurde von Hofrat Siepmann persönlich instruiert und übernahm die Verhaftung. Aus der fünfseitigen Akte sind nur wenige Dinge bekannt, die zur Aufklärung der Identität des Arrestanten beitragen können. Er war Adjutant beim „Cheveaulegers-Regiment“ des Generalmajors Sybilski, wohnte mit Frau und Kind beim Wilsdruffer Tor unweit des Schießhauses bei der Witwe Bartholdi und besaß Papiere, an denen der Regierung sehr gelegen war.1359 Sämtliche Briefschaften wurden in einem Koffer, mit dem Siegel des Grafen Brühl verschlossen, an den Hofrat Siepmann geliefert. Die Verhaftung geschah unter absoluter Geheimhaltung; die genaueren Umstände sind wohl nicht mehr aufzuklären. Nachdem sich 1738 die Arbeit der Expedition etabliert hatte, wurde Siepmann in das Departement für Bittschriften abkommandiert. Möglicherweise hat die Geheime Expedition einige Jahre pausiert, da sich keine Quellen für ihre Tätigkeit erhalten haben. Siepmann wurde nachfolgend 1740–46 Resident in Berlin, von wo aus er exzellent Nachrichten schicken konnte. In dieser Funktion oblag ihm die Korrespondenz über Freipässe für den Salzhandel zwischen Polen und der Lausitz sowie über Werbungsexzesse und Durchmärsche der Preußen.1360 Des Weiteren wusste Siepmann zu berichten, dass eine Person namens Maurain aus Warschau sich rühmte, für Friedrich Wilhelm I. aus dem polnischen Archiv in Warschau Dokumente über Polnisch-Preußen gestohlen zu haben, weil der König diese Provinz seinem Herrschaftsgebiet inkorporieren wollte.1361 Maurain habe durch eine Dame, die als „die schöne Palatine“ bekannt sei, eine Anstellung als Kanzleisekretär in Warschau erhalten. Bei einem Ball habe Maurain den preußischen Kronprinzen mit jener Dame 1355 1356 1357 1358

Ebd. Vgl. SächHStAD, 10026 GK, Loc. 3586/6, Graf Brühl an Kriegsrat Simonis, 22. August 1736, f. 17. Vgl. ebd., Graf Brühl an Kriegsrat Simonis, 17. September 1737, f. 13. Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14507/15, Hofrat Siepmann an den Adjutanten Held, 16. September 1738, unfol. 1359 Vgl. ebd., Bericht des Adujdanten Held, 17. September 1738, f. 5. 1360 Vgl. SächHStAD, 10026 GK, Loc. 3388/9; Loc. 3389/3; Loc. 3390/2. 1361 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2999/1, Pro Memoria, 23. Oktober 1740, unfol.

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verkuppelt, wobei auch die Sprache auf das „Mysterium von der vorzunehmenden Expilation der Urkunden“ kam, und der Kronprinz bis zur „Veränderung“ in der Regierung Einhalt gebot.1362 Nach dem Regierungsantritt Friedrichs II. habe Maurain in Schloss Charlottenburg eine Unterredung gehabt, von der Maurain guter Dinge zurückkehrte. Siepmann erfuhr von ihm aber nur, dass Maurain ein Kapitänsamt angetragen worden sei und dass ein vornehmer Pole auch von dieser ganzen Sache wüßte. Angeblich sei dieser zusammen mit der erwähnten Dame auf dem Weg nach Berlin. Maurain zufolge wollte Friedrich II. sogar zur katholischen Konfession wechseln, gab Siepmann unkommentiert weiter. Dass es sich um eine Irreführung handelte, war im Oktober 1740 keineswegs so klar. Siepmann beließ es als Anfänger in der Residentur bei einem einfachen Bericht. Ein schon länger im Gesandtendienst tätiger Mann wäre wohl besser in der Lage gewesen, diesen Sachverhalt zu interpretieren. Doch da Siepmanns Pro Memoria über Maurain durch den Filter des Grafen von Brühl lief, unterblieb eine tiefere Analyse. Zwei Monate später begann Friedrich II. den Ersten Schlesischen Krieg. Sachsen unterstützte ihn, aber dennoch bat der König seinen Residenten um besondere Wachsamkeit und fleißige Erkundigung, wie folgendes repräsentatives Beispiel belegt: Wir sind, was ihr von ein und dem andern weiter in zuverläßige Erfahrung, auf eingezogene fleißige Erkundigung bringen könnt, von euch ferner zu vernehmen gewärtig, begehren auch insonderheit hiermit, ihr wollet die Anstalten zu dem bei Neubrandenburg oder Golze zu formirendem Lager und die Absichten damit, genau zu exploriren suchen und davon gehorsamste Anzeige thun.1363

Offiziell waren Sachsen-Polen und Preußen Verbündete, so vermied man jeden Missklang. Deshalb war es ein Politikum, als am 13. März 1742 der preußische Resident Ammon in Dresden den Diebstahl einer Schatulle mit Geld, wichtigen Papieren und einer Chiffre aus seiner Wohnung im Holländischen Haus auf der Schlossstraße beklagte. Die Hausgenossen, Angestellten und Ammons Bedienter, Johann Gottlieb Danzig, wurden arretiert und „aufs schärfste“ verhört, das Haus visitiert und durchsucht.1364 Schließlich fand sich am Folgetag bei der Suche mit einer Wünschelrute die Schatulle im Vorkeller „hinter zusammen gesezten Steinen, unter einem Fasse“ wieder an.1365 Der Rat hegte zwar einen starken Verdacht gegen den Wünschelrutengänger, den Hofjäger Gottfried Heintze. Aber da die Räte nicht an die Kraft der Wünschelrute glaubten, musste alle Beteiligten mangels Beweisen Ende Mai freigelassen werden. Ammon hatte zunächst

1362 Ebd. 1363 SächHStAD, 10026 GK, Loc. 3388/9, August III. an Resident Siepmann, 6. April 1741. 1364 SächsHStAD, 10025, Geheimes Konsilium, Loc. 5594, Schreiben des Rats zu Dresden, 3. April 1742, f. 7. 1365 Ebd., Lationes decidendi, f. 18.

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auf ein Verhör Heintzes mit Folter gedrängt, da er glaubte, hinter dem Diebstahl stecke eine Intrige und die Briefschaften könnten gelesen, kopiert und die Schatulle wieder verschlossen worden sein.1366 Jedoch ließ er die Angelegenheit auf sich beruhen. Hintergrund könnte sein, dass aus Berlin im Zuge einer generellen Tauschaktion aller Chiffren auch Ammon in diesen Tagen eine neue Chiffre erhalten hatte.1367 Damit war das Geheimnis wieder gesichert. Auf Grund des gemeinsamen Bündnisses richtete Preußen im Ersten Schlesischen Krieg seine Geheimdiplomatie nicht gegen Sachsen, sondern gegen Bayern. Friedrich  II. beorderte 1741 den Grafen von Schmettau zu einer geheimen Mission nach München, um die dortigen Kriegsvorbereitungen zu erkunden.1368 Der in München weilende preußische Gesandte Klinggräf sollte ihm die erforderliche Hilfe gewähren. Zur Verbesserung der Bündnislage erneuerte Preußen 1743 seine Allianz mit HessenKassel von 1688 und fügte Geheimartikel an.1369 Im Folgejahr wurde diese Geheime Allianz aktualisiert.1370 Anders entwickelte sich nun das Verhältnis zwischen Dresden/Warschau und Berlin. Während des Zweiten Schlesischen Krieges rückten Sachsen und Preußen deutlich voneinander ab. Bei Ausbruch des Krieges verließ der preußische Vertreter Cagnoni Dresden, woraufhin auch der sächsische Gesandte Bülow aus Berlin abreiste.1371 Als Sachsen sich für die antipreußische Koalition entschieden hatte, ließ Friedrich II. auch den sächsischen Residenten in Breslau ausweisen; die diplomatischen Beziehungen waren damit abgebrochen, auch wenn der preußische Resident in Warschau verblieb, da Polen nicht direkt beteiligt war.1372 Auch die gegenseitige Beobachtung nahm zu. 1744/45 wurde Siepmann auf die preußische Beobachtung des Pferdemarktes während der Leipziger Messe aufmerksam. Die Preußen wollten, wie aus einem Erlaß Friedrichs II. hervorging, keine Remonta-Pferde, also ausgebildeten Militärpferde, durch ihr Territorium hindurchlassen, da sie einen für Preußen schädlichen Handel befürchteten. Siepmann war es erst nach mehreren Wochen fleißiger Tätigkeit gelungen, eine Abschrift dieses Erlasses zu bekommen, den die sächsisch-polnische Regierung offenbar als Beleg der antisächsischen Politik Preußens benötigte.1373 1366 Vgl. ebd., Registratur des Benjamin Friedrich Schreiber, 28. Mai 1742, f. 43. 1367 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, L 8b, fasc. 1b, Staatsminister Ilgen an Eichel, 23. Mai 1742, unfol. 1368 Vgl. GStA PK, BPH, Rep. 47 König Friedrich II., Nr. 1313, König Friedrich II. an den Geheimrat v. Klinggräf in München, 1741. 1369 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Staatsverträge, Nr. 372, Vertrag zwischen Preußen und Hessen-Kassel 1743. 1370 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Staatsverträge, Nr. 375, Vertrag zwischen Preußen und Hessen-Kassel 1744. 1371 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 142. 1372 Vgl. Matzke 2011, S. 38. 1373 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Bericht Siepmanns, 1. Februar 1745, Loc. 3389/9, unfol.

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In einem Spionageauftrag an den Akzisrat Siepmann vom 5. April 1745 wünschte der polnische König genaue Informationen über die preußischen Truppen in Sachsen: Wir begehren demnach gnädigst, ihr wollet ein zuverläßiges Verzeichnis und sonst genaue Nachricht dieserwegen unter der Hand zu erlangen bemühet seyn, und mit deren Einsendung gehorsamsten Bericht erstatten. Daran geschiehet Unser Wille und Meynung, Und Wir sind euch mit Gnaden gewogen.1374

Erst nach einer Woche, am 12. April, erhielt Siepmann das Schreiben in Berlin. Die Aufschrift auf dem Kuvert lässt die große Wertschätzung für Siepmann deutlich werden: „Dem Besten, unserem Hof- auch Accis-Rath und lieben getreuen Alexander Heinrichen von Siepmann. Berlin.“ In dieser Zeit änderte sich die politische Gesamtlage dahingehend, dass die mit Preußen verbündeten Bayern durch den Frieden von Füssen die Pragmatische Sanktion anerkannten und aus der Allianz ausschieden. Das folgende Bündnis zwischen Österreich, Großbritannien, den Niederlanden und Sachsen wurde noch ergänzt durch den bereits erwähnten geheimen Vertrag von Leipzig zwischen Österreich und Sachsen. Friedrich II. von Preußen stand jetzt isoliert da, und offenbar sorgte sich August III. um die eigene Sicherheit. Als er die Nachricht vom Frieden von Füssen erhielt, gab er Anordnung, die Postroute in Richtung Hannover und Hamburg zeitweise zu ändern, damit die Korrespondenzen nicht über preußisches Gebiet gingen.1375 Die Verlegung auf eine südliche Umfahrung des Harzes über Bad Langensalza und Göttingen rief den Reichspostmeister der Taxis’schen Post auf den Plan, der eine Benachteiligung seiner Einnahmen beklagte. Die geplante Zusammenlegung der Hannoverschen und Leipziger Post in Nordhausen und die daraus resultierende Aufkündigung des Vertrages mit der Reichspost verzögerten sich und mussten schließlich zurückgenommen werden.1376 Durch den Aufruhr um das Postwesen konnte der gewünschte Effekt gegenüber Preußen nicht mehr eintreten, zumal sich die Lage mit dem Ende des Österreichischen Erbfolgekrieges wieder beruhigte. Es zeugt von der Naivität Augusts III., dass er sich der Illusion hingegeben hatte, eine solche Verlegung der Postroute geräuschlos durchführen zu können und die Preußen durch fortgesetzte Sendung belangloser Mitteilungen auf der alten Strecke täuschen zu können. Sein Misstrauen gegenüber Preußen erwies sich jedoch als begründet. Den Preußen gelang im Mai 1745 die Abschrift eines Briefes von Siepmann an den Gesandten von Unruh in Danzig, den sie samt Chiffrenschlüssel abgefangen hatten.1377 August III. war sich darüber im Klaren, dass die Gegenseite sich anstrengte, ihn aus1374 SächsHStAD, 10026 GK, Brief Augusts III. an Siepmann, 5. April 1745, Loc. 3389/9, unfol. 1375 Vgl. SächsHStAD, 10036 Finanzarchiv, Loc. 35562, Rep. XXXI, Nr. 16, Befehl an Hofrat Sebastian Evert zu Leipzig, 26. April 1745, f. 1. 1376 Vgl. ebd., Erlass an den Oberpostmeister zu Leipzig, 19. September 1748, f. 204. 1377 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 141, Brief Siepmanns an Konstantin von Unruh, 22. Mai 1745.

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zuspionieren. Deshalb sandte er Emissäre aus, die ihm die Position der feindlichen Vorposten bis in die Gegend um Radeberg meldeten.1378 So erließ er im Dezember den Befehl, wegen der „gegenwärtigen höchstgefährlichen Conjuncturen“ solle der Stadtmagistrat ein besonders wachsames Auge auf alle diejenigen haben, die möglicherweise vom Feind zur Verräterei und Spionerie gebraucht werden könnten.1379 In den Schänken sollen alle Fremden nach dem Grund ihres Aufenthalts examiniert und gegebenenfalls ausgewiesen werden. Die Gastwirte seien darauf hinzuweisen, dass sie bei Strafe des Galgens keine verdächtigen Personen beherbergen oder unangezeigt lassen dürften. Zur Vermeidung von Mordbrennerei müsse die Visitierung der Vorstädte und die Löschausrüstung auf dem besten Stand gehalten werden. Ein Opfer dieses Argwohns war der Kapitän Ernst Wilhelm von Üchteritz. Anfang Oktober wurde er in Luckau arretiert, da er sich in mehreren Punkten verdächtig gemacht hatte.1380 Erstens gab er der Torwache nicht seinen Namen an, da er erst kürzlich aus der Haft gekommen war. Zweitens reiste er ohne Pass und Gepäck nach Berlin, war unüblicherweise erst in Großenhain zugestiegen und nicht bereit, seinen Reisegrund zu nennen. Daraufhin wurde er dem Obristleutnant Behr vorgestellt, der ihn aus Dresden her kannte und angesichts sichtbarer Unruhe des Mannes meinte, Üchteritz sei heimlich aus Dresden entkommen. Üchteritz wurde arretiert und am Folgetag nach Dresden überführt, wo er im Stockhaus einsaß. Im Verhör sagte er aus, er sei 66 Jahre alt, gebürtig aus Schlesien und bis 1728 in preußischen Diensten gewesen.1381 Nach dem Tod seines Vaters habe er um Dimission gebeten. Er hätte in Bautzen wegen des Testaments seines Bruders um dessen Güter Ober- und Niederwiesa in der Oberlausitz einen Prozess zu führen gehabt und wohne deswegen in Dresden. Am 3. Oktober sei er von Dresden mit einem Mietpferd aus der Großen Brüdergasse nach Großenhain geritten, um Bewegung zu haben und zwei Bekannte vom letzten Jahrmarkt zu treffen, die er aber nicht angetroffen habe. Ziel der Reise sei eigentlich Schlesien gewesen, wo er Geld einzutreiben habe. Da die Österreicher aber in die Niederlausitz einmarschiert wären, hätte er beschlossen, nicht den unsicheren Weg über Görlitz, sondern den Umweg über Berlin zu nehmen und dort zunächst zu versuchen, Geld aufzutreiben. Da er keine Gewährsmänner in Berlin nennen konnte und seiner Wirtin in Dresden beim Abschied gesagt hatte, er reise nach Bautzen, machte sich Üchteritz weiter verdächtig. Er begründete seine Falschaussage damit, dass er sie nicht wegen des Mietzinses in Unruhe haben bringen wollen, wenn er ihr das wahre Reiseziel im Ausland genannt hätte. Auch der Umstand, dass Üchteritz seinen Koffer nach Berlin vorausgeschickt hatte, war den Dresdnern suspekt. Später stellte sich heraus, dass sein nach Berlin

1378 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14614/15, Lagebericht, undat., f. 7. 1379 Vgl. ebd., Erlass Augusts III., 2. Dezember 1745, f. 3. 1380 Vgl. SächsHStAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6149/17, Obristleutnant Behr an General Adam Heinrich Bose, 3. Oktober 1745, f. 3. 1381 Vgl. ebd., Verhöre, undat., f. 4 und 44.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

vorausgeschickter Koffer tatsächlich nichts Bedeutsames außer Wäsche und einigen Prozesspapieren enthielt.1382 Der größte Verdacht, weswegen er auch weiterhin in Haft blieb, war jedoch der Umstand, dass Üchteritz vorbelastet war. Schon am 31. Mai hatte man ihn wegen Verdacht auf Kundschafterei und Korrespondenz mit auswärtigen Mächten zusammen mit dem Leutnant von Kottwitz verhaftet.1383 Ihnen konnte eine enge Verbindung mit den preußischen Gesandten nachgewiesen werden. In ihren Quartieren, dem Gasthof zur Weintraube auf der Dresdner Webergasse und dem Gasthof „Zu den drei Linden“ in Bautzen, fanden sich etliche belastende Schriftstücke, die sofort sichergestellt wurden.1384 Es waren eingezogene Erkundigungen über die Magazine und Zustand der sächsischen Armee, Kriegsnotizen sowie Korrespondenzen mit dem preußischen Kriegsminister von Bees, von dem Üchteritz laut einer Quittung 100 Dukaten erhalten hatte. Es zeigte sich, dass Üchteritz durch Böhmen und über Prag nach Bautzen und Dresden gereist war, um die sächsische Armee auszuspionieren. Kottwitz besaß das Konzept eines Gesuches, um beim Herzog von Sachsen-Weißenfels nötigenfalls den Dienst in der sächsischen Armee zu erbitten. Aus einem Brief des preußischen Adjutanten von Greben ging hervor, dass Üchteritz bereits im Dezember 1742 im Dienst König Friedrichs II. aktiv war. Auch hatte Üchteritz einen Tischler aus Bautzen angeworben, ihm einen Esel nach Dresden zu führen, der dort für die preußische Gesandtschaft benötigt wurde.1385 Gleichfalls besorgte Üchteritz einen Bauern, der zehn Wagen und zwei Pferde zum Transport des Gesandschaftsgepäcks herbeibrachte.1386 Da der Tischler und der Bauer aber glaubhaft machen konnten, nicht gewusst zu haben, dass die preußische Gesandtschaft der Adressat war, kamen sie sogleich wieder auf freien Fuß. Überraschenderweise wurden auch Üchteritz und Kottwitz bereits wieder am 3. August 1745 mit Landesverweis entlassen. Da Kottwitz in einem Schuldprozess aussagen musste und Üchteritz den besagten Erbschaftsprozess in Bautzen führte, durften sie sich zur Klärung ihrer Angelegenheiten noch etwas länger im sächsischen Land aufhalten.1387 Wie erwähnt, saß Üchteritz im Oktober abermals im Arrest. Ihn entlastete der Umstand, dass er am Tag seiner Arretierung vom Grafen von Unruh einen Pass nach Schlesien ausgestellt haben wollte und in diesem Antrag auch geschrieben hatte, dass er über Berlin reisen werde.1388 Somit hatte er sein Reiseziel dem Grafen von Unruh zwar nicht verheimlicht, aber es bestand immer noch die Möglichkeit, dass es sich bei der Angabe, nach Schlesien zu gehen, um ein Ablenkungsmanöver handelte, und 1382 1383 1384 1385 1386 1387 1388

Vgl. ebd., Nota vom Amt Dresden, 29. November 1745, f. 54. Vgl. SächsHStAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 4672/3, Registratur, 31. Mai 1745, f. 1. Vgl. ebd., Liste der Schriften von Kottwitz und Üchteritz, f. 33. Vgl. ebd., Registratur zum Verhör Lambertus Holtzapfels, 1. Juni 1745, f. 6. Vgl. ebd., Registratur zum Verhör Christian Wenzels, 1. Juni 1745, f. 7. Vgl. ebd., Brühls Erklärung zur Entlassung 1. September 1745, f. 42. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9122/2, Ernst Wilhelm von Üchteritz an den Reichsgrafen von Unruh, 3. Oktober 1745, f. 20; Verhörprotokoll, 8. November 1745, f. 40.

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Üchteritz tatsächlich nur nach Berlin wollte. Die Sachsen übergaben Üchteritz dennoch einer preußischen „Invasion“ mit königlicher Ordre, um die Beziehungen nicht weiter zu belasten.1389 Von den bei der Verhaftung mitgeführten 209 Reichstalern waren nach Abzug der Verpflegung noch 86 Reichstaler übrig. Diese erpresste Üchteritz nach seiner Befreiung Ende des Jahres mit Hilfe seines Sohnes und des preußischen Generals Dumoulin von den Sachsen.1390 Eine Nebenhandlung wurde indes zum Nachspiel des Falles: Der Luckauer Bürgermeister Passerin hatte zusammen mit dem Gerichtsschreiber Ölfeill Üchteritz in seinem Arrest besucht, mit ihm und den Wachen Wein getrunken und ihm zu Feder, Tinte und Papier verholfen.1391 Dafür bekamen beide jedoch keinen Verweis, da der Denunziant Adolf Siegmund von Wolffersdorf, der diese Beobachtung dem Obristleutnant Behr gemeldet hatte, sich im Laufe der langjährigen Untersuchung mit etlichen Gegenzeugen konfrontiert sah. Er wurde schließlich wegen Falschaussage und Verunglimpfung zu vierwöchiger Gefängnisstrafe verurteilt.1392 Üchteritz’ Fall beweist die Nervosität Sachsens hinsichtlich vermeintlicher preußischer Kundschafter. Dass Üchteritz gleich zweimal von den Sachsen ergriffen wurde, lag an den äußerlich sichtbaren Auffälligkeiten wie fehlendes Gepäck, seltsamer Reiseweg, fehlende Kontaktpersonen, Lügen, körperliche Merkmale der Unruhe. Am schwersten wog aber seine Nähe zum preußischen Militär, das er vor 17 Jahren verlassen hatte. Dass Üchteritz dennoch ein ganzes Quartal nur in leichter Untersuchungshaft in Dresden saß und von dort problemlos vom preußischen Obrist Knobloch weggeführt werden konnte, belegt, dass ihm eigentlich keine strafbare Handlung nachzuweisen war. Dieser Fall zeugt von der großen Geschicklichkeit der preußischen Intelligence. Um die feindlichen Pläne noch früher zu kennen, führte Sachsen seine geheimdienstlichen Methoden in einer bisher nicht gekannten Weise zur Blüte und betrieb Anstrengungen, dauerhaft in die preußische Post einzubrechen. Dadurch ist die dritte Phase der Geheimen Expedition ab 1746 gekennzeichnet. Die preußischen Depeschen wurden unterwegs in Großenhain vom Oberpostmeister abgefangen und an Siepmann weitergegeben. Dieser war wieder mit der Direktion der Geheimen Expedition beauftragt worden, obwohl er dieses Amt lieber dem aus Preußen nach Polen entflohenen Schreiber Rothe überlassen hätte. Allerdings stand er, wie wir wissen, beim König und bei Brühl in „ungemein großen Gnaden“ und es hieß sogar, der König habe ihm 1389 „Demnach nun bey der lezthin vorgewesenen preuß. Invasion, am 19. Curr. Die preuß. Obriste Knobloch uns eine Specification derer vorhandenen Ambstgefangenen abgefordert und sodann die Andeutung gethan, daß der inhafftierte Üchteritz sofort in sein Quartier gesendet werden sollte, welches zu bewerkstelligen bey damahligen Zeitumbständen wir uns nicht entschlagen konnten.“ Ebd., Bericht an das Geheime Konsilio, 29. Dezember, f. 71; SächsHStAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6149/17, Nota, 29. Dezember 1745, f. 83. 1390 Vgl. ebd. 1391 Vgl. ebd., Wolffersdorf an August III. von Polen, 19. Oktober 1745, f. 27. 1392 Vgl. ebd., 31. Juli 1749, unfol.

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die Kammerschlüssel zugedacht „um ihm dadurch die Heyrath mit der Tochter eines reichen Leinwandhändlers zu Zittau, Lohs, zu faciliedren, die 5 Tonnen Goldes reich ist“.1393 Im Februar 1746 begann der preußische Gesandte Klinggräf seinen Dienst in Dresden.1394 Dieser benutzte seine Chiffre sehr intensiv, wie sich an dem überlieferten zerfledderten Nomenklator und den dechiffrierten Rapporten ablesen lässt.1395 Dennoch gelang in seiner Dienstzeit dem sächsisch-polnischen Hof eine Interzeption besonderen Ausmaßes. Der „Baron von Scheel“, ein begabter Handschriftenimitator, den Siepmann kannte, wurde für die Expedition gewonnen. Es scheint sich bei ihm um Alexander von Schell aus Nördlingen zu handeln, dessen Briefe in Siepmanns Nachlass gefunden wurden.1396 Der Baron war aus Berlin gekommen und wegen seiner mathematischen und zeichnerischen Fähigkeiten als Fähnrich im Kadettenkorps als Lehrer angestellt gewesen. Da er aber „nicht ins militärische Fach“ passte, nutzte man ihn als Kurier und zum Nachahmen von Handschriften. Die Preußen ihrerseits wurden vorsichtiger. Sie führten einen Testlauf durch, bei dem alle Stationen Erhalt und Weitersendung mit Uhrzeit auf einem Laufzettel notieren mussten.1397 Zusätzlich chiffrierten sie verstärkt ihre Briefe. Sachsen besaß den Nomenklator nicht. Durch den Sekretär Rothe gelang die Kontaktaufnahme und Bestechung des Kammerdieners von Klinggräf, der den Nomenklator und regelmäßige Abschriften lieferte. Wieder war Sachsen über die Vorgänge in der preußischen Gesandtschaft bestens unterrichtet. Darüber hinaus konnten auch die anderen Mächte ausspioniert werden. Die interzipierte Post der Französischen Gesandtschaft Brühl gelang es 1748, im letzten Jahr des Österreichischen Erbfolgekrieges, den Briefwechsel des französischen Gesandten abzufangen.1398 Ludwig XV. führte in dieser Zeit eine geheime Korrespondenz, die darauf ausgerichtet war, durch erfolgreiche Informationspolitik in Osteuropa den französischen Einfluss auszuweiten. Der Chevalier D’Eon war darin eingebunden und nannte sich in Warschau Madame Duchène. Anna Maria 1393 SächsHstAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 5216/08, Auszüge aus den Briefen des Agenten Hamann, Eintrag vom 18. März 1746, f. 27. 1394 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 69 und Nr. 143. Seine Korrespondenz umfasst acht Bände. Vgl. ebd., Nr. 69–76. 1395 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, L 8 b, fasc. 2; I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 72. 1396 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2999/9, Nr. 28. Möglicherweise ist dieser Alexander Schell identisch mit dem gleichnamigen Porträtzeichner und Lustspielautor. URL: http://d-nb.info/ gnd/1047321440 [15.10.2020; ASR]. 1397 Vgl. GStA PK, XX. HA, Etatsministerium, 113 d, Nr. 35. 1398 Vgl. SächsHStA, 10026 GK, Loc. 2728/12.

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Romellini war von Frankreich in Polen installiert, um als Geliebte Adam Ponińskis und Mätresse des Bruders des polnischen Königs Spion- und Kurierdienste auszuführen.1399 Die Direktion dieses Netzwerkes, das 1743–74 bestand, oblag dem französischen Gesandten in Warschau, Louis-Adrien Duperron de Castéra und später dem Prinzen Conti und dem Gesandten Charles-François Comte de Broglie. Für einzelne Spionageaufträge wurde auch der Philosoph Voltaire gewonnen.1400 Der Dresdner Hof gelang zeitweise ein Einbruch in dieses „Secret du Roi“.1401 Allerdings scheint dieses Leck schnell entdeckt worden zu sein, denn die Briefe stammen nur aus dem Zeitraum 14. Januar bis 29. Mai 1748. Zudem war es den Sachsen nicht möglich, den Chiffrenschlüssel zu erraten – seitenlang sind die Abschriften der „Lettres intcepteés“ ohne Auflösung chiffriert. Dennoch waren die unchiffrierten Abschnitte für Sachsen-Polen äußerst wertvoll. 1741 in die antipreußische Koalition gewechselt, war es zwar seit 1745 aus dem Krieg ausgeschieden. August III. musste aber jederzeit um seine Ostgrenze mit Russland fürchten und immer noch mit einem erneuten Vorstoß Frankreichs und Preußens gegen Österreich rechnen, was mit ziemlicher Sicherheit auch wieder das sächsische Territorium berührt hätte. Sachsen hatte eine zentrale Rolle während des Krieges gespielt, was zunächst dadurch begründet war, dass August III. eine Tochter Josephs I. geehelicht hatte und damit Ansprüche auf die Erbfolge in Österreich besaß. Der um die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion geführte Erbfolgekrieg, ausgelöst durch den Tod Kaiser Karls VI., ging 1748 bereits ins achte Jahr. Im Krieg hatte es zahlreiche Wechselfälle und Geheimnisse selbst unter Alliierten gegeben. Sachsen stand anfangs im antipreußischen Bündnis, aber als Preußen in Frankreich und Bayern starke Alliierte gefunden hatte, wechselte August  III. bereits nach wenigen Monaten die Seite. In einem geheimen Abkommen mit Bayern wurden die habsburgischen Erblande bereits aufgeteilt, bevor sie in Besitz genommen waren. Friedrich II. von Preußen sicherte sich in der Geheimkonvention von Klein-Schnellendorf mit Maria Theresia das begehrte Niederschlesien mit Festungsbauten und der Neiße. Gegenüber seinen Waffengefährten hielt er dieses Abkommen geheim, da diese selbst starkes Interesse an jener Einflusssphäre hatten, wie sich rasch zeigte. Denn der bayrisch-sächsisch-französische Angriff auf Prag 1742 rief Preußen erneut auf den Plan, um die Aufteilung Böhmens zu vereiteln. Zu starke Einzelinteressen ließen kein vereintes antiösterreichisches Vorgehen zu. Dennoch konnte Maria Theresia kein Kapital aus den Disharmonien ihrer Gegner ziehen. 1742 hatten die Wittelsbacher Karl Albrecht zum Kaiser Karl VII. krönen lassen, zugleich hatte sich Maria Theresia der spanischen Truppen in Italien zu erwehren. In der Folgezeit gelang den Österreichern mit britischer Hilfe die Zurückdrängung Bayerns und Frankreichs. Die Waage schien sich wieder für Maria Theresia zu neigen. Nach dem Tod des Kai1399 Vgl. Lindemann 2006, S. 213–217. 1400 Vgl. Perrault 1992, S. 146–149. 1401 Vgl. „Secret du Roi“, in: Aumale, Faure 1998, S. 390 f.

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sers Karl VII. musste auch das militärisch geschwächte Bayern Frieden mit Österreich schließen, so dass Friedrich II. isoliert war. In einer Quadrupelallianz schlossen sich Österreich, die Niederlande, Großbritannien und Sachsen zusammen und vereinbarten die Rückeroberung Schlesiens sowie einiger brandenburgischer Gebiete, die unter Österreich und Sachsen aufgeteilt werden sollten. Auch gegen diese Übermacht gelangen Friedrich  II. 1745 Siege bei Hohenfriedberg und bei Kesselsdorf, die zum Dresdner Frieden führten. Interessanterweise arbeitete der Geheime Rat unter Leitung des Feldmarschalls Johann Adolf II. von Sachsen-Weißenfels bereits vor der Schlacht von Kesselsdorf am 15. Dezember die Kapitulationsurkunde aus. Seit dem 28. November 1745 war der englische Bevollmächtigte in Dresden von Friedrich II. von Preußen als Vermittler eingeschaltet gewesen, um Dresden zur Annahme der Hannoverschen Konvention zu bewegen.1402 Nach anfänglichem Zögern wurden aber am 13. Dezember Verhaltensbefehle an das Dresdner Kabinett gerichtet, um Verhandlungen einzuleiten, und Friedrich II. von Preußen schrieb nicht ohne Spott: Mich hat gar sehr gewundert, gerade an dem Tage einer Schlacht Friedens-Anträge zu erhalten.1403

Die Details der Vorverhandlungen erschienen schon nach einigen Monaten im Druck und führte aller Welt das sächsische Zaudern vor Augen.1404 Das dürfte einer Indiskretion aus dem Umkreis des englischen Bevollmächtigten geschuldet gewesen sein, da die in dem Band versammelten elf Briefe von und an Podewils sowie Friedrich II. sämtlich über Villiers Sekretariat liefen. Sachsen musste im Dresdner Frieden vom 25. Dezember sehr nachteilige Bedingungen eingehen und seine Truppen in die preußische Armee eingliedern lassen. Frankreich gelang mit Moritz von Sachsen an der Spitze der Armee die Einnahme eines großen Teils der österreichischen Niederlande, während die österreichischen Truppen stark in Italien gebunden waren. Am 30. November 1747 schloss Maria Theresia mit Zarin Elisabeth einen Vertrag, der vorsah, dass 37.000 russische Soldaten an den Rhein vorrücken würden. An dieser Stelle setzen die abgefangenen Briefe des französischen Gesandten ein, mit deren Hilfe sich Sachsen ein noch besseres Bild von der Kriegslage machen konnte. Immerhin regierte August III. mit Polen und Litauen eine Personalunion, die sich des starken Nachbarns Russland und seiner Begehrlichkeiten erwehren musste. Russische Truppenbewegungen waren demnach immer eine Gefahr und mussten im Auge behalten werden. Entsprechend ist der Wert der französischen Korrespondenz sehr hoch gewesen. 1402 Vockerodt 1746, S. 6. 1403 Friedrich II. von Preußen an den englischen Gesandten in Dresden, Villiers, 18. Dezember 1745, zit. in: Vockerodt 1746, S. 51. 1404 Vgl. ebd.

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Die Briefe zeigen, dass auch Frankreich über den Standort der russischen Armee und den Beginn der Offensive keine verlässlichen Informationen besaß. Der französische Gesandte in Polen, Des Issart, schrieb am 5. Januar an den Kollegen in Frankfurt, Malbran de la Noué, man spreche vom Marsch der Russen, aber auch D’Aillon wüsste nichts Konkretes über den Standort der russischen Armee und glaubte nicht, dass sie an den Rhein oder in die Niederlande rücken würden.1405 Am 31. Januar schrieb Des Issarts an Malbran De la Noué, er habe Nachricht von Castéra, dass die Russen nicht am 14. Januar in Litauen eingefallen sind, wie das Gerücht in Warschau besagte.1406 Die Abschriften dieser Korrespondenz sind immer wieder unterbrochen von Notizen der Kanzlisten. Sie vermerken u. a., wann Chiffren auftauchen (aber nicht, wie lang der chiffrierte Text ist) und wenn ein Brief an verschiedene Adressaten gesandt wurde: „La même lettre et les mêmes chiffres ont eté ecrits à Mr. de Valory à Berlin“.1407 Die nicht lesbaren Chiffren wurden komplett abgeschrieben. Das geschah wohl in der Hoffnung, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt eine Auflösung der Geheimschrift ergeben könnte. Die Briefe Des Issarts waren jedoch manchmal nicht völlig chiffriert, sondern enthielten Abschnitte in Klarschrift. Da sich hierbei auch Danksagungen für erhaltene Briefe befinden, die nicht in der Akte liegen, ist zu schlussfolgern, dass der Posteingang der französischen Gesandtschaft nur in wenigen Fällen kontrolliert werden konnte. Nur vier an Des Issarts gerichtete Briefe schaffte die sächsisch-polnische Kanzlei zu interzipieren. Hauptadressaten des französischen Gesandten waren sein Hof in Versailles, wohin er beinahe wöchentlich berichtete, Malbran de la Noué in Frankfurt und Castéra in Litauen. Malbran de la Noué berichtete z. B. aus Frankfurt, Herzog Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen halte sich seit einigen Monaten dort auf, und der Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar-Eisenach habe einen Schlaganfall erlitten. Des Issarts gab er einen Einblick in den sächsischen Kommunikationsstil: er profitiere von der Offenheit Brühls ihm gegenüber und bemühe sich, diese Offenheit zu erwidern und nicht zu täuschen. In diesem Punkt sei er auch bei seinen Angestellten streng.1408 Später schreibt Des Issart, ein Brief von La Salle sei sehr gut durch Brühl angekommen.1409 Auch in weiteren Briefen wird deutlich, dass Des Issarts regelmäßig von Brühl mit Kopien und Nachrichten versorgt wurde. Somit hat Brühl seine Kommunikationswege auch den Franzosen zur Verfügung gestellt und auf diese Weise abermals einen Vorteil errungen. Inhaltlich befassten sich die Briefe mit der Aufstellung der russischen Armee und dem Präzedenzfall zwischen Des Issarts und dem Grafen Johann Adolph von Loß. Mehrfach kam auch die Auseinandersetzung zwischen Polen und England zur Sprache. Der Grund der Klage gegenüber England wird im nächsten Brief deutlich. Polnische

1405 1406 1407 1408 1409

Vgl. SächsHStA, 10026 GK, Loc. 2728/12, f. 7. Vgl. ebd., f. 14. Ebd., f. 14. Vgl. ebd. f. 20. Vgl. ebd., f. 25.

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Schiffe von Danzig würden durch englische Schiffe nach Bordeaux geleitet und dort sowie in anderen französischen Häfen festgehalten, untersucht und abgefangen.1410 Am 25. Februar benachrichtigte Des Issarts Paris über detaillierte Aufmarsch- und Versorgungspläne der Russen, was er durch den General von Litauen erfahren habe, womit vermutlich der Großhetman Radziwiłł gemeint war.1411 In den folgenden Relationen erwähnt der französische Gesandte, Herzog Friedrich III. von Gotha habe auf der Versammlung in Nürnberg Frankreichs Wünschen entsprechend gehandelt, und der junge Weimarer Herzog Ernst August Konstantin solle Chef des Hauses Sachsen werden. Diese Andeutung bezog sich auf das schon länger von Frankreich verfolgte Projekt, Sachsen zu schwächen, indem mit den Revisionsgelüsten der Ernestiner die beiden wettinischen Linien gegenseitig ausgespielt wurden. Wichtig für die französische Politik war auch Des Issarts Einschätzung des preußischen Königs. Er zweifle daran, dass Friedrich II. klug und beruhigend für Deutschland agieren werde.1412 Ebenso erwähnt Des Issart, dass zwischen Warschau und St. Petersburg eine Rückgabe der russischen Deserteure ausgehandelt worden sei.1413 Ende März ist die La Salle-Affäre Hauptthema der Korrespondenz. In diesem Zusammenhang schickte Des Issarts auch unchiffrierte Briefe an verschiedene Korrespondenten. Die interzipierten Briefe zeigen auch, dass Dresden als Weiterleitungsinstanz zwischen Paris und Litauen bzw. Danzig genutzt wurde. Nur im Kontext mit der La Salle-Affäre war den Instruktionen an Des Issarts eine Abschrift der Korrespondenz Dritter beigelegt. Das sowie der Umstand, dass Des Issarts Korrespondentenkreis in diesen vier Monaten relativ klein war, lässt die Vermutung zu, dass der Gesandte im normalen Alltag nur mit wenigen Personen Austausch pflegte oder über deren Angelegenheiten informiert war. Er kann demnach keine zentrale Figur des französischen diplomatischen Personals gewesen sein. Vielmehr scheint Malbran de la Noué im Mittelpunkt gestanden zu haben, da er von verschiedenen Seiten Informationen gereicht bekam und dem Des Issarts oft wortgleiche Relationen seiner Pariser Depeschen schickte. Im Siebenjährigen Krieg besaß Prinz Xaver direkte Kontakte zum französischen Heer. Dieser vierte Sohn Augusts III. hatte nach der Kapitulation am Lilienstein 1756, als Teile seines Infanterieregiments in die preußische Armee inkorporiert worden waren, aus Deserteuren im März 1758 ein Korps von 10.000 Mann aufgestellt, das bis zum Ende des Krieges unter einem französischen Kommando Erkundungen über den Feind einholte. Prinz Xaver stand in einem sehr engen Briefkontakt mit dem französischen Marschall, Victor-François de Broglie, Bruder des Gesandten in Sachsen-Polen und Direktor des Schwarzen Kabinettes in Paris ab 1767.1414 Interessanterweise wurden diese Briefe mit

1410 1411 1412 1413 1414

Vgl. ebd., f. 25 f. Vgl. ebd., f. 32. Vgl. ebd., f. 36. Vgl. ebd., f. 52. Broglie 1903–05; „Broglie“, in: Aumale, Faure 1998, S. 69.

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sehr sensiblen Informationen nicht chiffriert, was auf einen sicheren Transport durch Extraboten schließen lässt. Der Prinz wirkte zwar für den sächsisch-polnischen Hof, stand aber Brühl durch seine aufklärerische Einstellung konträr gegenüber. Sein Adjutant Martange besaß für die offiziellen Berichte mehrere Chiffren vom sächsisch-polnischen Hof.1415 Die entsprechende Korrespondenz liegt bereits gedruckt vor.1416 Xaver, dem durch sein häufiges Entfernen von seiner Truppe nicht das beste Zeugnis ausgestellt werden kann, verlor nach der Schlacht von Minden zudem seine Kassette mit ihn schwer belastenden antipreußischen Dokumenten, was aber Brühl offenbar nicht bekannt wurde. Der Prinz setzte die Praxis der Geheimdiplomatie auch nach Kriegsende noch eine Weile fort. Aus der Zeit, als Prinz Xaver für seinen Neffen die vormundschaftliche Regentschaft führte, sind 42 Seiten dechiffrierte Briefe von 1763/64 überliefert.1417 Prinz Xavers Bestrebungen, den polnischen Thron zu erlangen waren ebensowenig von Erfolg gekrönt, wie der Wunsch, Hochmeister des Deutschen Ordens zu werden. Seine Reformen, die als Rétablissement bekannt sind, richteten seinen Fokus allerdings dann stärker auf Verwaltungs- und Innenpolitik. Sein Nachlass kam im 19. Jahrhundert ans Licht der Öffentlichkeit und prägte das Bild des umsichtigen Rétablissement-Politikers.1418 Seine Persönlichkeit erscheint nun in etwas weniger strahlendem Licht, da sie um die Nuance eines etwas nachlässigen Arbeitsverständnisses im Siebenjährigen Krieg ergänzt wurde. Brühls Verrat der Geheimen Expedition Das Ende der Geheimen Expedition kann recht genau auf Herbst 1747 datiert werden. Am 14. Juli wurde der Kanzlist Rothe für drei Wochen auf der Festung Königstein arretiert, wobei er aber relativ viele Freiheiten genießen durfte.1419 Brühl war dabei so vorsichtig, den Haft- und den Entlassungsbefehl nicht direkt an den Gouverneur Rutowski gelangen zu lassen, sondern über Obristen. Ebenso sind offenbar alle Spuren auf der Festung beseitigt worden, da Rothe dort nicht als Gefangener in den Archivquellen auftaucht. Wie aus Siepmanns Bericht hervorging, hat Brühl gegenüber dem französischen Gesandten Informationen geäußert, die er morgens acht Uhr erhalten hatte, der preußische Emissär, der dieses Gespräch mithörte, jedoch erst seit Kurzem in den Händen hielt.1420 Es entstand Verwirrung. Brühl versuchte sich zu erklären, konnte aber den Ver1415 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/5. 1416 Vgl. Bréard, Charles: Correspondance inédite du Général-Major De Martange, aide de camp du Prince Xavier des Saxe, Lieutenant general des armées (1756–1782), Paris 1898. 1417 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2101/86. 1418 Vgl. Thévenot, Arsène: Correspondance inedited du Prince Francois-Xavier de Saxe connu en France sous le nom de Comte de Lusace, Paris 1874. 1419 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14611/12, Befehle an Rutowski, f. 83–86. 1420 Vgl. Schlözer 1791, S. 145.

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dacht nicht ausräumen. Sofort sandte Preußen über einen Feldjäger eine neue Chiffre an Klinggräf. Aus Akten des Archives in Berlin lässt sich feststellen, dass am 22. August 1747 Podewils noch keine Ahnung von dem Geheimnisverrat hatte, aber immerhin folgende Mahnung an Klinggräf schickte: im übrigen haben wir bisher angemerckt, daß Eure Relationes von eurem Secretario mit gar zu großer Fahrläßigkeit chiffriret und darein allemahl fast durchgehends einerley Zahlenn gebrauchet worden, ins besonderen bey denen Worten de , ce, que, et, vre, Majeste, Comte de Bruhl und noch anderen. Es hat zwar eben so leicht keine Gefahr, daß der Chiffre dadurch sollte verrathen werden können, beßer, und sicherer aber ist es, daß man mit denen Zahlen wechselt, und deshalb finden sich auch deren verschiedene bey denen Worten, die öffters vorzukommen pflegen, welche man sich bey dem chiffriren billig zu nutzen machen mus. Man kann auch, wie euch nicht unbekant seyn wird, öffters noch mehr Zahlen employiren, als bey denen Worten stehen, wenn man jene unterstreicht, und damit anzeiget, daß ein-, zwei, oder mehr Buchstaben wegbleiben sollen. Ihr werdet euch diese Erinnerung zu eurer Direction dienen laßen, übrigens aber den eure Chiffre unter eure selbst eigenen Verwahrung sorgfeltig in acht nehmen und nicht in die hände eures seretärs laßen.1421

Am 4. Oktober ist davon zu lesen, dass ein „überdurchschnittlich zuverlässiger“ Feldjäger mit einer neuen Chiffre zu Klinggräf auf den Weg geschickt wurde.1422 Somit ist zwischen diesen beiden Daten der Brühlsche Geheimnisverrat zu verorten. Die Anfang 1748 erfolgte Abberufung Klinggräfs nach London wurde schon ab Juni 1747 diskutiert, hat somit nichts mit den Vorfällen zu tun.1423 Es dauerte aber noch etliche Monate, bis die Neubesetzung erfolgte. Im Februar 1748 wurde Podewils in Berlin so misstrauisch, dass er dem als Ablösung für Klinggräf nach Dresden gesandten Voß folgende Mitteilung schrieb: P. S. Outre l’instruction generaleque je vous ai envoyée le dernier ordinaire, j’ai jugé necessaire de vous avertir de preter une attention toute particuliere à la secreté de vos Chiffres. Pour cet effet vous ferez bien de les tenir constamment sour votre propre clef, et de ne vous en desaifir jamais. Ce n’est pas que je me defie de la fidelité de votre Secretaire Müller. Cependant le plus sûr est, que vous chiffriez et dechiffriez vos depeches, vous même, et qu’au cas que vous n’en trouviez point de loisir, le Secretaire n’y travaille, que dans votre Cabinet et sour vos yeux. Vous observerez de plus, de ne laisser en clair, que des choses tout a fait indifferentes, et rien qui peut servir d’indice pour de chiffrer le reste.1424 1421 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 145, Podewils an Klinggräfe nach Dresden, 22. August 1747, unfol. 1422 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 145, Brief vom 4. Oktober 1747, unfol. Die Rechnung von Leopold Mechow vom könglichen Feldjägerkorps zu Pferde für die Strecke Berlin-Dresden-Berlin belief sich auf 26 Reichstaler. 1423 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 144. 1424 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 146, Podewils an Voß, 27. Februar 1748, unfol.

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Die Preußen witterten demnach die Gefahr, hatten aber den falschen Sekretär im Verdacht. Der Kammerdiener nutzte eine Reise des Residenten nach Leipzig zur Flucht aus und erhielt in Polen eine Stelle. Friedrich II. setzte auf ihn ein Kopfgeld in Höhe von 1.000 Dukaten aus. Baron Scheel reiste nach dem Tod seines Vaters nach Hause und war nie wieder gesehen worden. Erst im Januar wechselte Klinggräf nach London, während Voß die Dresdner Gesandtschaft übernahm.1425 Bei der Antrittsaudienz habe er alle nötige Aufklärung über seinen Vorgänger erhalten, schrieb er nach Berlin.1426 Von Klinggräf bekam er den Hinweis, bei den Aussagen des britischen Gesandten, Chevalier Williams, vorsichtig zu sein.1427 Der seit acht Jahren tätige Diener namens Hecht blieb für den neuen Gesandten da, während der Sekretär Michel mit Klinggräf nach London ging.1428 Bei der Dienstübergabe erhielt Voß die Chiffren und Ordres eigenhändig von seinem Vorgänger überreicht und achtete sehr darauf, sie nicht aus der Hand zu geben. Dadurch gelang der Expedition kein weiterer Einbruch in die Gesandtschaft. Die direkte Ausspionierung der preußischen Gesandtschaft war zwar beendet, aber aus Misstrauen gegen Preußen verlegte man sich jetzt wieder darauf, die Korrespondenz auf dem Postweg abzufangen. Im Februar 1748 informierte der preußische Gesandte seinen König, er habe die Briefe erhalten, „qu’on ouvre à la poste“.1429 Aber auch diese Mitteilung wurde interzipiert und an den Kriegsrat Kauderbach gesandt. Die Preußen verkleisterten ihre Briefe jetzt dreifach.1430 Siepmann lieferte in den Folgejahren noch einige Interzepte an Brühls Vertrauten Heineken. 1750 fiel er aber in Ungnade wegen angeblichen Kontaktes mit dem Gegner. Die Umstände lassen zumindest Fragezeichen aufkommen, denn Siepmanns Quartier wurde in dessen Abwesenheit durchsucht und versiegelt. Zudem wurde er wegen einer suspekten Korrespondenz mit einem Abbé Colemann befragt.1431 Auch soll er mit dem Holländer Marteville dubiose Porzellangeschäfte getätigt und eine intime Beziehung mit Martevilles Frau gepflegt haben, obwohl er angewiesen war, das Martevillesche Haus „auszuspähen“, das interessant war, da Martevilles Frau mit dem früheren preußischen Gesandten Ammon verwandt war.1432 Statt sie auszuhorchen, habe Siepmann ihr Interna über den Premierminister ausgeplaudert. Brühl habe „die Augen aufgerissen über den infamen Charakter dieses Mannes“.1433 Johann Heinrich 1425 1426 1427 1428 1429 1430 1431 1432

Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 146. Vgl. ebd., Bericht Voß, 11. März 1748, unfol. Vgl. ebd., Klinggräf an König Friedrich II., 5. März 1748, unfol. Vgl. ebd., Resolution, 24. Februar 1748, unfol. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2974/9, Bericht, 20. Februar 1748, unfol. Vgl. Cramer 2011, S. 157 f. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1399/3. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2999/9, f. 1e. Dass Marteville eigentlich sehr zuverlässig und korrekt war, wird in einer Darstellung von 1845 berichtet. Vgl. Wilkinson, James Garth: Abriss des Lebens und Wirkens Emanuel Swedenborg’s, Stuttgart 1845, S. 275–280. 1433 GStAK PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Brief des preußischen Gesandten, 17. Januar 1750, unfol.

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Kauderbach und Friedrich Wilhelm Menzel übernahmen die streng geheime Untersuchung.1434 Der Sekretär der preußischen Gesandtschaft klagte darüber, dass seine besten Freunde ihm keine Auskunft gäben und sich völlig zugeknöpft zeigten.1435 Da Siepmann nach aktuellem Forschungsstand der wichtigste Gewährsmann für die Existenz der Geheimen Expedition ist, bedarf es einer kurzen Analyse seines Charakters. Über Privata ist nur soviel bekannt, dass er als Freimaurer in drei Logen war und somit bis zu seinem Sturz als anerkannte Persönlichkeit eine hohe gesellschaftliche Stellung inne hatte.1436 Aus den sächsischen Quellen lässt sich sein loyaler Dienst ablesen, bis er ein Gegner des Grafen Brühl wurde. Er wirkte aktiv und uneigennützig am Fortschritt der Institution mit, zeigte aber auch Tendenzen, sich aus diesem Geschäft zurückziehen zu wollen. Sein Bericht ist aus dem Motiv heraus entstanden, im Konflikt mit Brühl eigene Leistungen herauszustellen, späte Anerkennung zu gewinnen und die Schuld am Untergang der Expedition auf Brühl abzuwälzen. Siepmanns Selbstrechtfertigungsschrift ist als Quelle kritisch zu sehen, doch mangels weiterer Quellen können aus ihr wenigstens die grundlegenden Verlaufslinien entnommen werden. Da Brühl dieser Schrift nicht widersprach und sie Eingang in die Akte erhielt, dürfte ihr zumindest ein gewisser Wahrheitsgehalt zugesprochen werden. Mit der Untersuchung gegen Siepmann verfolgte Brühl offenbar das Ziel, ihn loszuwerden. Er erließ ihm die strengste Strafe, so lange er sich still in Hohnstein benehme.1437 Wegen des dortigen äußerst ungesunden Klimas durfte sich Siepmann einen Aufenthaltsort seiner Wahl suchen. Man verweigerte ihm zwar Frankreich, ließ ihn aber nach erneuertem Schweigegelöbnis nach Altona ziehen, wo er auf einen Gesandtenposten spekulierte.1438 Dass Siepmann die Geheime Expedition nicht öffentlich machte und nach aktuellem Kenntnisstand in seinem Exil tatsächlich ruhig sein Leben fristete, unterstreicht seinen aufrichtigen Charakter. Selbst, als im Siebenjährigen Krieg die Pensionsbezüge gänzlich ausblieben und er nach Kriegsende nur sehr wenig Geld erhielt, behielt Siepmann das Geheimnis der Geheimen Expedition für sich.1439 Die Geheime Expedition arbeitete indes unter der Direktion des Geheimen Kriegsrats Simonis weiter. Die Zeit nach Brühls Verrat kann als letzte, vierte Phase bezeichnet 1434 Vgl. Gebhardt 1829, S. 405. 1435 „[…]se tiennent entierement boutonnés“ Vgl. GStA PK, I. HA. GR. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 81, Bericht Malzahns, 31. Oktober 1750, unfol. 1436 Siepmann war seit 1731 in der Loge St. Thomas nr. 1 in Paris, seit 1742 in Berlin in der Großen Königlichen Mutterloge zu den drei Weltkugeln und seit 1744 in der schottischen Loge L’Union. Vgl. Gerlach 2007, S. 211. 1437 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1399/3, Brief vom 20. April 1750, unfol. 1438 Vgl. GStA PK, I. HA. GR. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 81, Bericht Malzahns, 31. Oktober 1750, unfol. 1439 Vgl. Gebhardt 1829, S. 406. Sein Nachlass enthält keinerlei Hinweise auf sein Wirken in der Geheimen Expedition. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1399/1; Loc. 1399/2. Statt der erhofften Absolution erhielt er zum Lebensende einen Steuererlass. Vgl. ebd., Loc. 1399/3, Erlass für Siepmann, 31. Januar 1778, unfol.

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werden. Man erweiterte den Fokus auf Polen, Wien und St. Petersburg. Die Abschriften der Briefe sind in dicken Konvoluten überliefert.1440 Man beschränkte sich oftmals nur darauf, die wichtigen Passagen zu kopieren. Da sie stets die gleiche Handschrift haben und stets mehrere Briefe von einem Datum hintereinander abgelegt sind, ist von einer institutionalisierten Interzeption mit einem Kopisten auszugehen. Das Original gelangte anschließend zu seinem Empfänger, während auf der Kopie die zentralen Aussagen unterstrichen wurden, damit die Regierung raschen Nutzen daraus ziehen konnte. 1750 gelangte der Hof in den Besitz von 73 Briefen zwischen Warschau und Wien, Warschau und Mitau in Kurland, Wien und St. Petersburg. Besonders die Warschauer Postbeamten scheinen die Interzepten in ihrer Tätigkeit unterstützt zu haben, indem sie Briefe bestimmter Absender beiseite legten. Es finden sich auf den Briefen stets die gleichen Namen der preußischen, österreichischen oder polnischen Eliten. Für die Interzeption der Wiener Post waren besonders die Korrespondenzen von den Grafen Ulfeldt und Sternberg ausersehen worden.1441 Eine Publikation unter dem Titel „Unparteiische Gedanken eines redlich gesinnten Danziger Patrioten“ von 1751 gab den Anlass für die gründliche Beobachtung der Danziger Post. Der Verdacht wurde dadurch genährt, dass ein dichter Briefwechsel zwischen Dresdner und Danziger Sekretären sowie Kaufleuten bestand.1442 Dem Premierminister erschien besonders die Verbindung des kursächsischen Sekretärs Böhme zu Danziger Kaufleuten, dem dortigen Bürgermeister Gottfried Ferber und der Handelsgesellschaft verdächtig genug, um von jeden einzelnen Brief innerhalb dieses achtköpfigen Netzwerkes Exzerpte anfertigen zu lassen. Die Interzeption blieb acht Monate lang unbemerkt. Am 22. August aber schrieb Böhme, er wisse nicht, wie ein Extract von seinem an Kaufmann Tritt gerichteten Schreiben vom 1. August hier dem Premierminister übergeben werden konnte, da ihm doch dasselbe von Tritt am 12. beantwortet worden sei. Es könne deshalb nicht anders sein, als dass seine Briefe auf der Post abgefangen werden. Jedoch vermochte sich Böhme eine solche Interzeption nicht vorzustellen: Ihro Excell. H. Premier Ministre wären viel zu gerecht als daß höchstdieselben wegen seiner redlichen Gesinnungen einige Ungnade auf ihn werffen sollte.1443

Ob diese Bemerkung gespielte Unschuld oder tatsächliche Naivität war, muss dahingestellt bleiben. Jedenfalls war es wiederum eine Unaufmerksamkeit, welche die Interzeption ans Licht brachte. Böhme konnte unter solchen Bedingungen der Danziger „Crämer-Societät“ nicht mehr zur Verfügung stehen. Als Friedrich II. von Preußen aus Schlesien bzw. Berlin seinem Minister Voß schrieb, blieb das gleichermaßen nicht unbemerkt. Es zeigt sich aber, dass der sächsisch-pol1440 1441 1442 1443

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3242/3. Vgl. ebd., Jahr 1750, unfol.; SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2888/1. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3656/1. Ebd., Böhme an Tritt, 22. August 1752, unfol.

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nische Hof die Chiffre nicht kannte, da der komplett chiffrierte Brief in voller Länge abgeschrieben aufgehoben wurde. Ebensowenig besaß man den Schlüssel für die Wiener Korrespondenz zwischen den Grafen Sternberg und Ulfeldt. Der Kopist vermerkte: „NB 3 Bogen Chiffre gehen vorher“.1444 Gleichermaßen verfuhr er, als französische Korrespondenten in ihrem Brief drei Seiten verschlüsselten.1445 Solche Blätter, die nicht von Preußen stammten, durfte er offenbar aus Zeitgründen von der Abschrift auslassen. Preußen kam mithin eine Sonderrolle zu, da hier sowohl die gesamte Chiffrierung mit allen Zahlen als auch sonst die Briefe in voller Länge transkribiert wurden. Trotz dieser Exaktheit entging den Sachsen der Gegenschlag Friedrichs II. Diesem gelang es, als Reaktion auf die Entdeckung der Geheimen Expedition ab 1752 die Sachsen bis zum Beginn des Siebenjährigen Krieges durch den korrumpierten Kanzlisten Menzel auszuspionieren. Für ihre Blindheit in der eigenen Kanzlei sind zweifellos die Sekretäre heranzuziehen, aber andererseits ist auch eine Zersplitterung der Kräfte zu bemängeln. Der Blick der sächsischen Hofbeamten war eben nicht nur auf Preußen fokussiert, sondern musste entsprechend des weitgestreuten Aufgabenfeldes auch notwendigerweise viele andere Regionen abdecken. Allein die Fülle der Interzepte aus Polen zeigt, dass man sich in der sächsischen Regierung eher vor der polnischen Opposition fürchtete.1446 Nach 1752 verlieren sich die Spuren der Interzeption in den Akten. Möglicherweise stellte die Geheime Expedition ihre Arbeit ein, aber auch eine noch gründlichere Beweismittelvernichtung ist angesichts des heraufziehenden Krieges in Erwägung zu ziehen. Mit Preußen bemühte man sich um eine friedliche Koexistenz, obwohl beide Seiten wussten, dass sie sich unter der Hand gegenseitig ausspionierten. Als 1754 ein preußischer Werber in Schafstädt festgenommen werden konnte, ließ man ihn nach zwei Wochen Arrest als „nachbarliche Gefälligkeit gegen des Königs in Preußen Majestät“ wieder frei.1447 August III. verfolgte immer noch die Strategie, preußischen Aktionen gegenüber nachsichtig zu sein. 4.3.8 Geheimdiplomatie am Scheitelpunkt – der Siebenjährige Krieg Mit dem preußischen Einmarsch in Sachsen 1756 wurden die diplomatischen Beziehungen schlagartig abgebrochen. Friedrich II. setzte sogleich unmißverständliche Zeichen. Zunächst verhaftete man Brühls Intendanten Carl Heinrich von Heineken. Über den Aufsehen erregenden Vorfall schrieb der Geheime Rat Adam Friedrich von Watzdorf 1444 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3242/3, Graf Sternberg an Graf Ulfeldt, 12. August 1750, unfol. 1445 Vgl. ebd., Des Issarts an Mr. De Puissieux, 19. August 1750, unfol. 1446 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3596/1, Polonia, Auszuge aus Correspondenzen vieler pohl. Großen und dergl. d. e. 1754, anscheinend zum Theil aus eröfneten Briefen, unfol. 1447 Vgl. SächsHStAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6149/1, Entlassungsdekret Kalbes, 6. August 1754, f. 36.

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in einem Brief an seine Geliebte. Die Öffentlichkeit sei noch nicht informiert, aber es müsse schwerwiegende Vorwürfe geben, denn der Graf sei aus dem Rathaus von zwei Offizieren und zwei bewaffneten Fußsoldaten herausgeführt worden.1448 Über die Verhöre Heinekens sind sämtliche Akten verschwunden. Sodann stand dem preußischen König in der Residenzstadt niemand mehr im Wege. Preußische Spionage in Sachsen Nach der Einnahme Dresdens am 10. September 1756 ließ Friedrich II. sogleich das Gesandtschaftsarchiv von Dresden in Sicherheit bringen und an die Spree transportieren.1449 Die polnische Königin Maria Josepha, die das Archiv bewachte, musste „hinweggetragen“ werden, um die Archivpforte öffnen zu können.1450 Zweck der Maßnahme war es, dass die Sachsen keine ihn belastenden Papiere entdecken konnten. Zugleich wollte er die Urschriften der Kopien sichern, die ihm von einem Spion zugestellt worden waren. Die preußischen Soldaten fanden, bereits mit den Aktensignaturen ausgestattet, die wichtigsten Papiere in für den Abtransport bereitgestellten Kisten. Einige Konvolute entgingen ihnen aber, da sie in einem alten Gewölbe unter dem Ratszimmer verborgen waren und 1759 zur Festung Königstein verbracht werden konnten.1451 Dass Friedrich II. so zielgerichtet vorgehen konnte, verdankte er dem bestochenen Kanzlisten Menzel, der ihm in den vergangenen fünf Jahren mit Nachrichten und Kopien versorgt hatte. Der preußische König brachte Friedrich Wilhelm Menzel jedoch nicht in Sicherheit, sondern ließ ihn aus Warschau weiter spionieren. Erst etliche Monate später wurde in Warschau der Spion enttarnt. Der Fall ist bestens dokumentiert, da eine umfangreiche Untersuchung stattfand. Menzel gab ein umfangreiches Geständnis ab, dem auch die beiden letzten Briefe beiliegen, die bei der Verhaftung in seinen Taschen gefunden wurden.1452 Zusätzlich zum Verhörprotokoll ist noch eine eigenhändige Aussage überliefert.1453 Menzel war seit 1740 kursächsischer Geheimer Kabinettskanzlist bei dem Grafen Heinrich von Brühl und genoss dessen tiefstes Vertrauen. Im April 1752 war er von einem Mann namens Rhenitz angesprochen worden, der ihm Wechselschulden in Höhe von 300 Reichstalern vorhielt. „Er pressiert mich entsetzlich“, so Menzel in seiner Aussage.1454 Da er nicht zahlen konnte, erklärte ihm der preußische Hofrat Rhenitz, wie er zu regelmäßigen Zulagen 1448 1449 1450 1451 1452

Vgl. SächsHStAD, 12827 Personennachlass Adam Friedrich von Watzdorf (1718–1781), Nr. 19. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 151. Vgl. Huschberg, Johann F.: Die drei Kriegsjahre 1756, 1757, 1758 in Deutschland, Leipzig 1856, S. 55. Vgl. SächsHStAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482/4. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/5, Untersuchungsprotokoll Menzels, 25. September 1757, f. 1–9b; Geständnis, f. 19–36b; Protokoll Erfurths, 26. September 1757, f. 10–17b. 1453 Vgl. ebd., f. 37–46. 1454 Ebd., f. 37.

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kommen könnte. Menzel habe sich dem Vorschlag der Verräterei „keineswegs resolvieren“ können und den Vorfall sogar gleich im Brühlschen Palais dem Minister oder dem Vizekammerpräsidenten Hennicke melden wollen, aber beide nicht angetroffen. Nach einigen Tagen habe er sich wieder mit Rhenitz getroffen und sei von ihm zum preußischen Gesandtschaftssekretär Hecht und dann zum Gesandten Malzahn geführt worden. Dieser bat ihn, für monatlich 100 Reichstaler gelegentlich etwas Neues aus der Kanzlei mitzuteilen. Angesichts seiner finanziellen Verlegenheit nahm Menzel das Risiko auf sich. Ab dem zweiten Jahr bezog er seinen Schwager, den Goldschmied Benjamin Erfurth, in die heimliche Kollaboration mit ein, der aber nicht wusste, was in den Briefen stand, die er transportierte.1455 Insbesondere habe sich Preußen für das Arkanum der Porzellanmanufaktur und für den Briefwechsel mit St.  Petersburg sowie mit Wien interessiert. Im Dezember erhielt Menzel vom Geheimrat Eichel durch den Gesandtschaftssekretär Plessmann einen Schlüsselbund, mit dem er versuchen sollte, das Etranger-Departement aufzuschließen. Durch eine leichte Korrektur der Schlüssel konnte Menzel im März dann das Schloss öffnen. Nun kommunizierte Menzel die ganze Korrespondenz Sachsens mit Wien, Russland, Holland, England und Frankreich nebst andern Sachen.1456 In den Mittagsstunden am Sonntag und am Donnerstag besaß er so die Möglichkeit, Briefschaften mitzunehmen und sie Plessmann zu übergeben, der sie zügig von seinem Sekretär March kopieren ließ, bevor Menzel sie wieder einschließen konnte. Menzel habe auch manchmal beim Abschreiben geholfen. Den Inhalt der Briefe vermochten Menzel und March nicht zu erfassen, da sie der französischen Sprache nicht mächtig waren. Während March im Kopieren geübt war, konnte Menzel angeblich nicht sehr schnell schreiben. Als Boten fungierten March sowie einige preußische Bauern. Neben seiner gefährlichen Arbeit musste Erfurth 1756 für die Preußen auch einen Kundschafterdienst leisten. So sollte er, als die Preußen erfuhren, dass ein verkleideter katholischer Geistlicher aus Paris nach Dresden reise und im doppelten Boden einer Perückenschachtel Wechselbriefe mit sich führe, diesem entgegenreiten, ihn beschatten und den Preußen anzeigen.1457 Menzel hat nach eigener Aussage über die Jahre 3000 Reichstaler von Preußen empfangen.1458 Diese Summe ist jedoch untertrieben, denn Plessmann nannte später in seiner Aussage die monatlichen Zahlungen.1459 Wenn jene Summen über fünfeinhalb Jahre (April 1752- Sept. 1757) addiert werden, ist eine Summe von ca. 7.000–8.000 Reichstalern realistisch. Nach und nach etablierte sich ein Spionagenetzwerk (Grafik 24).

1455 1456 1457 1458 1459

FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 65. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/5, f. 94. Vgl. ebd., f. 40. Vgl. ebd., Untersuchungsprotokoll Menzels, 25. September 1757, f. 1. Menzel habe monatlich 100 Reichstaler und jährlich 3–400 Reichstaler Sonderzulage erhalten. Vgl. ebd., Nota, 20. November 1757, f. 75.

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Grafik 24: Das Netzwerk im Fall „Menzel-Erfurth“ mit Chronologie (Schritte 1–5)

Wien unterhielt in Berlin gleichermaßen Spione und wusste daher von den sächsischen Depeschen, die aus dem Archiv kamen. Der Gesandte in Wien, Karl Georg von Flemming, hatte Brühl wohl schon 1754 Nachricht davon gegeben, aber dieser konnte den Verräter nicht stellen.1460 Durch diesen Spion war Friedrich II. bestens über die Vorgänge am Dresdner Hof informiert. Der Kanzlist Menzel reiste am 20. Oktober mit dem Hof nach Warschau ab und hat dort weiter spioniert. Durch seine Verschwendung habe er einen leichten Verdacht auf sich gelenkt und sei vom Generalleutnant Spörken in fröhlicher Gesellschaft gewarnt worden. Allerdings wurde er wohl denunziert.1461 Menzel konnte noch fliehen und wandte sich nach Böhmen, wo er im September 1757 in Prag aber festgenommen, eine Zeitlang auf dem Spielberg bei Brünn inhaftiert und schließlich nach Warschau ausgeliefert wurde. Erfurth wurde am Eingang zum War1460 Vgl. Förster, Friedrich Christoph: Friedrich der Große, geschildert als Mensch, Regent und Feldherr, Berlin 1850, S. 134. 1461 Vgl. Macht der Wahrheit 1758, S. 8.

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schauer Schloss angehalten und ob der bei ihm gefundenen Schriften sogleich arretiert. Zwischen den Geständnissen seien in dem Prozess auch „präparierte Akten“ verwendet worden, so Walter Fellmann.1462 Allerdings lässt sich diese These nicht erhärten. Bei Menzel wurden zwei Zettel gefunden, die er eigener Aussage nach dem preußischen Sekretär zu überbringen geplant hatte. Neben Exzerpten aus drei Briefen militärischen Inhalts mit Informationen über die österreichische und russische Armee vom 21. September sind auch einige persönliche Anmerkungen an Benoît notiert: Ich will hoffen, daß Sie das vorherige, welches der Ihrige, weil es seine Hand ist, gefüllet verlohren gehabt, und erst einen Jungen, der es gefunden, wieder abnehmen müßen, andern richtig erhalten haben. Unterdeßen bitte denselben auf beßere Achthebung aufzweisen. Derjenige Mann der vor diesen den gewesen hat diesen weit an witz übertroffen Denn wenn mich alhier ein Verschulden und durhc eines andern Nachläßigkeit sollte unglcüklcih gemacht sehen, so mag es lieber gar unterbleiben. Um mich aber in Zukunfft dergleichen je mehr zu exponieren, und damit alles commode und sicher geschehen möge, so habe ich den meinigen gar nit mehr bestimmt, sondern er befindet sich an einen eigents besundern Orte, wohin der Ihrige allezeit gehen und so was fertig, es abhohlen, und noch bringen kann. Ich will hoffen es werden diese meine getroffenen Anordnungen approbiren. War die Versicherung Ihrer schutzbaren Freundschaft bin verbunden, und bitte nits mehr als die Sache so umzuleiten, damit wir nicht so weithinaus in Noht gerathen. Ich sollte wohl meynen daß diejenige Zufriedenheit, wovon Sie gedenken, die Nichtigkeit schon längstens möchte ungeornet haben, als daß man deswegen so uffe angegangen seyn wollte. […]

In diesen Zeilen ist Menzels Sorge um die Sicherheit des Verfahrens deutlich abzulesen. Auch die in aller Eile niedergeschriebene Handschrift verrät den Stress, unter dem Menzel stand. Die Exzerpte sind untereinander und ohne einen überflüssigen Buchstaben notiert, z. B. „an Ponickau, 21. ibd.“. Am Ende des Zettels ist zu lesen: Weil dieses gestern und vorgestern nit hat angebracht werden können, so kommtes erst heute; Der Gen. Major Zboinski gehet statt Lambsdorffe zur Rußischen Armee ab.

Die Beweise und Geständnisse waren für den sächsisch-polnischen Hof ausreichend. Schon in der nächsten Nacht nach der Verhaftung wurden beide nach Olmütz eskortiert.1463 Dort lag Menzel, wie er in einem Gnadengesuch klagte, in einem „ganz steinern gewölbten Behältnisse“ von 15×15 Ellen auf einem selbstgekauften Strohsack ohne Decke, als ein „in unerträglichen Ketten und Banden liegender Sklave“ für zwanzig Jahre mit einem Eisenstab zwischen den Beinen.1464 Er werde von Ungeziefer fast aufgefressen und die Kleider fielen ihm vom Leibe, schrieb er weiter. Mehrere zum Teil gedichtete Bittgesuche bei Hofrat Friedrich Traugott Ferber, Graf Brühl, dem König und der 1462 Fellmann 2000, S. 304. 1463 Vgl. ebd., Notiz, 27. September 1757, f. 35b. 1464 Ebd., Gesuch, 5. Oktober 1757, f. 51.; Fellmann 2000, S. 311.

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Kaiserin Maria Theresia blieben ungehört.1465 Nach 30 Wochen variierte Menzel seine Verteidigungsstrategie.1466 Er schrieb, er habe nur spärlich mit den Preußen kommuniziert und verjährte Sachen mitgeteilt. Man wisse ja nicht, ob Plessmann nicht noch andere Zuträger gehabt habe. Er sei gewiss von den bestochenen preußischen Bauern, die als Boten gedient hatten, verraten worden. Bei Benoît seien genug verkleidete Husaren „durch die Gartentür“ gegangen. Er könne bei Freilassung für Sachsen gewiss „durch Fleiß und Mühe, ein nochweit mehrerers herausbringen und erfrahren“, bot er in dem versiegelten Schreiben dem Grafen Brühl an. Es war vergebens. Interessanterweise ist der preußische Legationssekretär Carl Otto Plessmann ebenfalls am 23. September abgeführt und nach Wien gebracht worden.1467 Er gab zunächst „unter der vorgeschützten Gewißens Zärtigkeit“ in zwölf Verhören Menzels Namen nicht preis, bevor er – angeblich ohne Zwang – am 19. November dann doch den Kanzlisten benannte.1468 Plessmanns Aussage zufolge hat ihn dieser seit ao. 1752 bis auf die letztere Zeiten so wohlin Dreßden als zu Warschau fast alle Geheime Königl. Pohln. Chur-Sächßische Archiv-Schrifften und Correspondentzen mit vielen auswärtigen Höfen beständig communiciret.

Er habe dafür monatlich 100 Reichstaler und jährlich 300 bis 400 Reichstaler Sonderzulage erhalten. Erfurth habe hingegen kein Gehalt, sondern nur seit einigen Jahren Gelegenheitsgeschenke im Wert von insgesamt etwa 28 Reichstaler bekommen. Plessmanns Bedienter, Ernst Gottlieb March, wurde ebenfalls befragt, war jedoch rasch als unwissender Bote wieder entlassen. Die „Etats-Verbrecher“ Menzel und Erfurth jedoch erlitten Einzelhaft bis zu ihrem Tode.1469 Bislang ist der Spion, den Friedrich der Große in Dresden hatte, in der Forschung weitgehend anonym geblieben. In den Darstellungen über den Siebenjährigen Krieg ist Menzels Name nicht zu finden, obwohl einige Schriftsteller Menzel bereits identifiziert hatten.1470 Geradezu sträflich ist die Vernachlässigung der preußischen Intelligence in den älteren und sogar den neueren Darstellungen zum Siebenjährigen Krieg.1471 Friedrich II. erfuhr die wichtigsten Nachrichten nicht durch seine Gesandten, sondern durch inoffizielle Kanäle. Insofern ist es nur die halbe Wahrheit, dass Naudé schrieb, Malzahn hätte einen vertraulichen Brief Flemmings aus Wien an Brühl in Dresden kopiert.1472 Die Gelegenheit zur Abschrift erhielt der preußische Botschafter nur durch die heimlichen Lieferungen Menzels. 1465 1466 1467 1468 1469

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/5, f. 138. Vgl. ebd., Schreiben an Brühl, 6. März 1757, f. 148–154. Vgl. ebd., Nota, 20. November 1757, f. 75. Ebd. SächsHStAD, 12254 GD, Loc. 14606/15, Rapport über sämtliche auf der Festung detinirten Personen, 2. Oktober 1768, f. 70. 1470 Vgl. Bülau 1850, S. 286–311; Kraszewski 1953; Vgl. Jürgas 1984. 1471 Vgl. Naudé 1886; Salisch 2009; Weber 2009; Externbrink 2010. 1472 Vgl. Naudé 1886, S. 457.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Der Menzelsche Coup ist als Nachspiel für die langjährige Bestechung von Mitgliedern der preußischen Gesandtschaft in der Geheimen Expedition zu verstehen. In dem Sekretär Menzel spiegelt sich gleichsam die Kunstfertigkeit Friedrichs des Großen, den Gegner zu demontieren. Da die Entlarvung jedoch kein Erfolg der Aufklärungsabteilung in Dresden oder Warschau war, sondern auf einer Denunziation basierte, wuchsen Brühls Misstrauen und Angst vor preußischer Ausspionierung auch nach der Verhaftung Menzels weiter. 1758 wurde der Geheime Kabinettskanzlist Jacob Low verdächtigt, mit dem preußischen Residenten Benoît und dessen Leuten einen heimlichen Umgang zu pflegen.1473 Ein Denunziant namens Wilhelm Michael Koch hatte dem General Spörken angegeben, ihn beim Haus des Residenten ein- und ausgehen gesehen zu haben. Lows Ehefrau musste zu Hause Wäsche für ihn packen und sämtliche Papiere, auch die Schreib- und Malbücher der Kinder, herausgeben. Auf Befragen sagte sie aus, sie habe bei einem Besuch ihrer Schwiegermutter im Haus des Jägers Kleinholtz einmal eine Kutsche gesehen, die dem preußischen Residenten gehörte, dessen Schreiber sich dort wohl mit einem Juden über einen Pferdehandel unterhalten habe. Ihr Mann sei aber nicht involviert gewesen und sei völlig unschuldig. Low, der bereits 1736 für die Geheime Expedition arbeiten sollte, somit vertrauenswürdig schien, aber wegen seines jungen Alters für nicht geeignet befunden worden war, ist seitdem im Geheimen Kabinett tätig gewesen. Nun wurde er zeitgleich zu diesem Verhör verhaftet und, da in Warschau kein Staatsarresthaus zur Verfügung stand, kurzerhand in Brühls Landhaus in Wola arretiert. Bei der Gegenüberstellung bekannte der Denunziant Koch, dass Low zwar die Statur, Perücke und den Pelzmantel jenes Mannes habe, den er gesehen hatte, dass er aber das Gesicht nicht sicher bezeugen könne.1474 Brühl war der Haftbefehl beim General Fermor unangenehm gewesen, da es sich abermals um einen Fall von Untreue gegen den König handelte. Im sicheren Glauben, der Verdacht werde sich erhärten, hatte Brühl bereits den Pass für den Ingenieurkapitän Fröhlich ausgestellt, der Low auf die Festung Königsberg bringen sollte.1475 Ob es soweit kam, ist unbekannt, da die Akte abbricht und keine weiteren Spuren von Low auffindbar sind. Nach Kriegsende war er jedenfalls nicht mehr im Geheimen Kabinett tätig. Für die Jahre 1760–62 führte das Gouvernement 26 Personen auf, die der Spionage verdächtigt wurden, teilweise von der kaiserlichen Miliz eingeliefert worden waren und nun dem Stadtgericht vorgeführt wurden.1476 Der Generalmajor Albrecht Friedrich von Wilmsdorf-Prebendow kam 1760 wegen angeblicher „Gemeinschaft mit Preußen“ in Arrest in Dresden, denn ihm wurde vorgeworfen, er sei 1473 1474 1475 1476

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 784/3, Registratura, 13. Februar 1758, unfol. Vgl. ebd., Registratura des Generals Spörken, 14. Februar 1758, unfol. Vgl. ebd., Kabinettspass für Fröhlich, 13. Februar 1758, unfol. Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Nr. 574.

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[…] der Ersten einer geweßen, welcher ao 1757 bei Eintritt des Königs von Preusen in die sächsische Lande zu Unterredung mit dem König in die bey Torgau liegende Pulver mühl beruffen worden, wohin Er sich auch eiligst verfüget und mit dem König in Preusen der ein Stund wegs aus Torgau geritten, den Rit aber nach der Pulver Möhl zu Fuß gegangen, ein ziemliche weil ins geheim sich gewesen, zeithero habe Er sein Gesinnen durch aufsuchen deren Preußisch Deserteurs und in gesellschaft feindlicher officiers so wohl dieß als jenseit der Elbe an Tag gegeben.1477

Er habe mitgewirkt, dass der kursächsische Amtmann von Mühlberg von den Preußen festgenommen wurde, da dieser sämtliche Gelder an die kaiserlichen Husaren abgeliefert habe. Der Amtmann sei erst nach Zahlung von 1.500 Reichstaler wieder freigekommen. Sein Sohn habe den Argwohn geschürt mit der Aussage: Er wole daß er Teuffel den Spionnen (den Wilhelmsdorff meynend) hohle, welcher nur der König dahin persuadiren, daß die Officiers durch ihn geschoren seyn müsten1478

Als gebürtiger Preuße, der sich vor dem Krieg im sächsisch-polnischen Dragonerregiment bis zum Obristen hochgedient hatte, dann aber die reiche Tochter der Familie Vitzthum von Eckstädt geehelicht und 1751 den Abschied genommen hatte, zog er zusätzlich Verdacht zusätzlich auf sich.1479 Er stritt sämtliche Vorwürfe verbotener Korrespondenz ab und leugnete die Aussagen der Zeugen. Er gab lediglich zu, vom preußischen General Winterfeldt per Express zu König Friedrich II. vorgeladen worden zu sein, mit diesem aber nur die Parade gesehen, gegessen und Privatsachen besprochen zu haben. Das war jedoch gelogen, da Winterfeldt 1753 dem König geschrieben hatte, der Generalmajor Vitzthum wolle dem König dienen und warte in Lauchstädt auf ein Zeichen.1480 Ab Oktober lieferte er über den preußischen Major Henning versiegelte Briefe an die Preußen aus. In seinem Schreibtisch wurden einige preußische Papiere gefunden, u. a. die Kontribution der Stadt Dresden in Höhe von 500.000 Reichstalern vom 8.2.1758 und eine Repartition des preußischen Generalleutnants von Funck. Sie waren jedoch nicht belastend genug, um ihn zu überführen. Trotz der Gegenüberstellung mit den Zeugen und wiederholter Befragungen blieb Wilmsdorf bei seiner Aussage. Somit erließ die Juristenfakultät der Nürnberger Universität das Urteil, weitere Untersuchungen gegen ihn einzustellen und ihm nur für die ungebührlichen Reden gegen den Amtmann eine Strafe von 100 Reichstaler sowie die Auslagen des Prozesses aufzuerlegen.1481 Wilmsdorf wurde noch „bis nach wieder hergestelltem Ruhestand“ –

1477 1478 1479 1480

SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9688/1, 17.September 1760, f. 10. Ebd. Vgl. ebd., Aussage Wilmsdorfs, 3. Oktober 1760, f. 11. Vgl. GStA PK, I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 601 D, Brief Winterfeldts, 11. März 1753, f. 1. 1481 Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 9688/1, Urteil, 20. Februar 1762, f. 137.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

gemeint ist das Kriegsende – in einem Zimmer der Kaserne arretiert.1482 Im April 1763 wurde er auf freien Fuß gesetzt und des Landes verwiesen. Die Tilgung der Schulden in Höhe von 98 Reichstalern dauerte bis 1769 an.1483 Die sächsische Regierung konnte Wilmsdorf nicht überführen. Drei Zeugen waren gegen ihn aufgetreten: ein Deserteur, der Amtmann sowie der Amtsbote. Da Aussage gegen Aussage stand und keine Beweise vorlagen, konnte ihm kein Landesverrat nachgewiesen werden. Obwohl für Sachsen an dieser Stelle die Chance bestanden hätte, Wilmsdorf mit entsprechenden Zahlungen in die preußische Armee als Spion einzuschleusen, da er beim König Friedrich II. sehr gutes Vertrauen genoss, ist diese Möglichkeit nach Aktenlage nicht in Erwägung gezogen worden. An dieser Stelle ist ein Versäumnis festzustellen, zumal im Jahr 1760 die Kriegslage für den preußischen König äußerst schlecht stand und eventuell mit zusätzlichen Informationen die Allianz zu einem siegreicheren Feldzug und einem rascheren Kriegsende hätte gebracht werden können. Einmal mehr offenbart sich hier die defensive Einstellung in der sächsischen Regierung. Wilmsdorf war nicht der einzige preußische Spion. Auch der sächsische Leutnant Wallis ließ sich von General Winterfeldt als Kundschafter rekrutieren und ein Rittmeister Unruh wollte gern „Comisarii loci“ sein.1484 Den Preußen gelang die Unterwanderung des sächsischen Militärs demnach recht gut. Die Interzeption durch Preußen Sofort nach Kriegsbeginn begann die preußische Kontrolle von Boten. Im Zuge der Interzeption der sächsisch-polnischen Post gelang bei Lindow die zeitweise Beschlagnahme zweier Frachtwagen des Grafen Brühl.1485 Wegen der überhand nehmenden Interzeption gab es in Preußen auch Bedenkenträger, die sich hören ließen, man müsse der Post einen freien und sicheren Lauf gewähren.1486 Aber jene Stimmen wurden ignoriert. Auch hielt man in Dresden einen Menschen an, der Briefe an einige Damen dabei hatte, und in Pirna einen Mohren mit verdächtigen Briefen vom Peterswalder Postmeister.1487 Die Briefe waren wegen unsicherer Wege bisweilen wochenlang unterwegs, was die Möglichkeiten der Interzeption verbesserte. Andererseits dienten die 1482 Ebd., Erlass, 6. April 1763, f. 170. 1483 Vgl. ebd., Note, 15. April 1769, f. 196. 1484 Vgl. Vgl. GStA PK, I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 601 D, Brief Winterfeldts, 22. August und 24. September 1753, unfol. 1485 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1522. 1486 Vgl. ebd., Brief eines Ungenannten, 20. November 1756, unfol. 1487 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1525, Berichte vom März 1757, unfol.

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weiten Transportwege auch zur Spionageabwehr. Um die Kontrolle der Korrespondenzen zu umgehen, verwendeten die sächsischen Diplomaten und Militärs zudem die Methode des Stafettenbriefs über mehrere, weit auseinanderliegende Orte. Das geht aus einem preußischen Interzeptionsbericht hervor. Die Dicke mehrerer Briefe in zwei Paketen war den Kontrolleuren verdächtig erschienen.1488 Der Inhalt ergab mehrere Dutzend Briefe, die vom polnischen Birnbaum durch den Wachmann Pracht nach Frankfurt gebracht werden und vom dortigen Kaufmann Schröder zum Galanteriehändler Engelbrecht in Dresden weitergesandt werden sollten, der sie an den General Graf von Unruh zu befördern hatte. Bei der Durchsuchung wurde nichts Bedenkliches gefunden. Auf Gesuch des sächsischen Legationssekretärs Sternickel hin wurden die Briefe mit der Post dem Grafen Unruh zugestellt und der Wachmann Pracht wieder freigelassen.1489 In Sachsen war somit die Zurückbehaltung der Unruh’schen Post aufgefallen. Eine erfolgreiche Intervention war in diesem Fall möglich, eine Verhinderung weiterer Interzeption nicht. An den wichtigsten Poststationen wurden eingehende Briefe und Pakete in Augenschein genommen und durchsucht. Ein Postangestellter in Bautzen nannte den Kontrolleur eine „Canaille“, und aus dem Leipziger Oberpostamt berichtete man dem Grafen Brühl, man könne nicht feststellen, ob und wieviel der preußische Postbediente Marcus mit seiner Instruktion des Generalpostmeisters von Gotter zur Seite schaffe.1490 Unter dem Vorwand, der Tisch im Postamt sei ihm nicht genehm, durfte er sogar Briefe mit in sein Quartier nehmen.1491 Auch sei es vorgekommen, dass ein Postschreiber mit eigener Hand Eingriffe in die Briefe vornehme. Aus Spremberg wurde gemeldet, dass der preußische Rittmeister von Prittwitz etliche Briefe und Geld entwendet habe, gleiches war aus Meißen zu hören.1492 Die Klagen rissen nicht ab, kümmerten aber das preußische Generalfeldkriegsdirektorium nicht weiter. Die sächsischen Postbeamten stießen gewissermaßen auf taube Ohren und hatten auch die immer neuen Erhöhungen der Stationsgelder zu ertragen. Pakete von Prag und Warschau gingen weite Umwege über Wien und sogar über Ungarn, um sie sicher ans Ziel zu bringen.1493 Brühl war mit diesen Speditionen unzufrieden, da zu hohe Portospesen und gewaltige Verspätungen entstanden. Er mutmaßte gar, wegen der langen Transportzeit wären die Pakete auf irgendeiner Station liegengeblieben. Die Geschwindigkeit genoss bei Brühl höhere Priorität als die Sicherheit. Er zeigte trotz einiger Verärgerung aber Verständnis, dass die Um1488 Vgl. ebd., Bericht, 18. November 1759, unfol. 1489 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1567. 1490 SächsHStAD, 10036 Finanzarchiv, 35631, Rep 31, Lit. P, Nr. 54, Christian Wilhelm Pappermann aus Bautzen, 25. September 1756, unfol. 1491 Vgl. SächsHStAD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6484/45, Oberpostamt Leipzig an das preußische Generalfeldkriegsdirektorium, 18. Januar 1757, unfol. 1492 Vgl. ebd., Brief vom Hofpostamt Dresden, 16. November und 22. Dezember 1759, f. 83–98. 1493 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 785/4, Ferber an Brühl, 6. Juli 1762, f. 54.

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stände in Schlesien entsprechende Vorsorge erforderlich machte und billigte im Nachhinein die getroffenen Maßregeln und Umwege als „gut und nöthig“.1494 Er gab aber keinen Befehl zur Umleitung von Post, sondern diese nahm ihre Wege automatisch durch möglichst befriedetes Gebiet. Schwedische Militärs und der französische Botschafter in Kopenhagen lenkten ihre Korrespondenzen nach Danzig über Leipzig, wo sie zwar vereinzelt abgefangen, aber nicht dechiffriert werden konnten.1495 Friedrich II. von Preußen gelang zumindest zeitweise die Interzeption der Korrespondenz fast aller seiner Kriegsgegner. Das zeigt sich eindrucksvoll in folgender Grafik (Grafik 25).1496 Es ist ersichtlich, dass die Interzeption deutlich zunahm, als Preußen im Krieg in Schwierigkeiten geriet. Besonders die sächsische, holländische und österreichische Post konnte abgefangen werden. Die Interzeption erfolgte organisiert in den verschiedenen  preußischen Poststationen, u. a. in Duderstadt, beim Amtsrat Krüger in Neustettin, beim Postamt Leipzig sowie beim Feldpostmeister Bertram. Über die sonstigen Abläufe der Interzeption schweigen sich die Quellen weitgehend aus. Kontrollen der Boten werden wiederholt genannt. Unachtsamkeit spielte den Preußen bisweilen in die Hände. So konnte 1758 eine sich über drei Monate erstreckende russische Korrespondenz im Krug von Hohenkränig bei Küstrin „aufgefunden“ werden, die ein russischer Offizier „liegengelassen“ hatte.1497 Angesichts der eigentümlichen Auffindsituation  könnte aber auch eine bewusste Inszenierung zur Fehlinformation der Preußen von den Russen geplant gewesen sein. Korrespondierende Dokumente liegen nicht vor. Im Berliner Archiv existieren aus Friedrichs II. Regierungszeit 14 Akten allein mit Abschriften interzipierter sächsischer Post ab 1742, die meisten aus dem Siebenjährigen

Grafik 25: Interzeption durch Preußen im Siebenjährigen Krieg 1494 1495 1496 1497

Vgl. ebd., Brühl an Klinger, 24. Juli 1762, f. 56. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1442. Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1441–1470. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1446.

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Krieg und häufig in Hamburg, Leipzig oder Magdeburg abgefangen.1498 Es ist keine Überraschung, dass Preußen besonderes Interesse auf die Absender bzw. Adressaten in Wien und Regensburg legte. Auch etliche Berichte des holländischen Gesandten in St. Petersburg konnten erbeutet werden.1499 Für Sachsen-Polen war die Gefangennahme des Generals August Kazimierz Sułkowski bei Zorndorf und die Beschlagnahme der bei ihm gefundenen Papiere ebenso ärgerlich wie der Verlust einer Kassette des Prinzen Xaver.1500 Zumeist gelang es den Preußen aber, ihre Interzeption zu vertuschen, indem sie die Post heimlich auffingen und die Interzepte nicht mehr einbehielten, sondern Abschriften anfertigten. Zur Zeitersparnis wurden die chiffrierten Passagen nicht 1:1 kopiert, sondern nur die Bemerkung „Chiffren“ in den Text eingefügt. Die Post wurde weiterbefördert. So ist Sachsen eine Interzeption 1742 verborgen geblieben, 1745 jedoch nicht. Da Sachsen sich zu jener Zeit noch nicht als Gegner Friedrichs II. betrachtete, reagierte man in Dresden entsprechend aufgebracht. In der Beschwerde, dass die Post zwischen Dresden und Polen in Schlesien einige Tage zurückbehalten und eröffnet werde, verpackte man sogar die Drohung, „daß die Sache leicht zu mißliebigen Gegen-Veranstaltungen Anlass geben könnte“ und Sachsen seinerseits die königliche Post nach Danzig „interrumpiren“ könnte.1501 Preußen leugnete die Interzeption und fügte den interpretationsbedürftigen Satz an, es sei nicht verlangt worden, dass die Grenzposten in die Hände des Kriegsministers Graf von Münchow arbeiteten.1502 Sachsen schien sich damit begnügt zu haben. Als sehr schädlich für Sachsen erwies sich der über fünf Jahre unbemerkt gebliebene Verrat des Sekretärs Menzel. Doch nach dessen Enttarnung verlor Sachsen als besetztes Land die Hoheit über seine Post. Der preußische Legationssekretär Adrian Heinrich von Borcke gelangte an den gesamten Postverkehr, aus dem er alle kriegswichtigen Informationen in Ruhe kopieren konnte.1503 Besonders der Wiener und Regensburger Post galt sein Interesse. Systematisch schickte er seine Exzerpte alle zwei bis fünf Tage an das Departement für auswärtige Beziehungen. Zum Verschließen benutzte er das Siegel der königlichen Kriegsdirektion. Borcke passte seinen Beobachtungsradius dem Kriegsverlauf an, so dass immer mehr Absendeorte seiner Interzepte auftauchten. In seinen Briefen verzichtete er auf alle Formalien und fügte den Exzerpten nur Absendeort und Datum bei. Offenbar besaß Borcke drei verschiedene Kopisten. Einmal bemerkt er, dass die Relation aus Wien noch nicht eingetroffen sei, ein anderes Mal wird konstatiert, dass sich diesmal nichts Bemerkenswertes in der Relation aus Wien finde. 1498 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 308; Nr. 141; Nr. 843; Nr. 865; Nr. 850–852; Nr. 867; Nr. 1567; Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1463; Nr. 1466; Nr. 1467; Nr. 1469. 1499 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1445. 1500 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1444 (Die Akte scheint unvollständig zu sein, da die Foliierung mit 169 beginnt); Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 865. 1501 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Akten, Nr. 8211, Podewils an das Generaldirektorium, 21. August 1745, unfol. 1502 Vgl. ebd., mündliche Resolution, 10. September 1745, unfol. 1503 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1754.

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1762 setzte Feldpostmeister Bertram diese Arbeit direkt an vorderster Linie der Front fort.1504 Seine Exzerpte fertigte er aus diplomatischer, privater und Feldpost an. Der Zugang gelang ihm durch die offenbar selbstverständliche „Revision der Briefe“, aber darüber hinaus sind ihm auch einige Briefe „unvermuthet in Hände gekommen“.1505 Sein Quartier befand sich in Stauchitz bei Riesa und somit im Zentrum des Geschehens, da es für Prinz Heinrich von Preußen nach der Schlacht von Torgau galt, die Vereinigung der aus Chemnitz anrückenden Reichsarmee mit der österreichischen Hauptarmee bei Dresden und Dippoldiswalde zu verhindern. Am 12. Mai siegten die Preußen bei Döbeln über die Österreicher und konnten bis Freiberg vorrücken. Am 16. Mai bekam Bertram die Nachricht von der Einnahme Freibergs und erfuhr, dass nun alle Truppen bei Dippoldiswalde stünden.1506 Sofort wechselte er seinen Beobachtungsstandort nach Pretzschendorf bei Dippoldiswalde, von wo er ab 17. Mai seine Briefe absandte, die fast immer an den Kriegsrat in Magdeburg adressiert waren. Die Festung Magdeburg war zugleich letzter Zufluchtsort des preußischen Staates, so dass Friedrich II. bereits Archiv und Verwaltung dahin auslagern ließ. Genaueres über die internen Abläufe der Interzeption geht aus den Akten leider nicht hervor. Es kann aber konstatiert werden, dass die preußischen Kriegsberichterstatter in Sachsen wertvolle Informationen über die feindlichen Linien lieferten. Vergleichbares haben die sächsischen Postmeister nicht liefern können – von Oberpostmeister Naumann sind nur kurze Nachrichten aus Leipzig und den Schlachtfeldern gesammelt worden.1507 Der sächsische König wurde über Scharmützel und Verluste informiert, nicht aber über Pläne und Absichten wie die Preußen. Am 21. Mai kam es zur Schlacht von Burkersdorf, bei der Friedrich II. die österreichische Armee unter General Daun über seine tatsächliche Stärke täuschen konnte, indem er die Russen, die nach dem Friedensschluss eigentlich nur noch eine Zuschauerrolle besaßen, in seine abendliche Angriffsformation einbaute und sie am Morgen einfach zurückließ. Ihm gelang ein großer Sieg. Die Waagschale hatte sich im Verlauf des Frühjahres deutlich zu Gunsten der Preußen geneigt. Ende Oktober fiel in der letzten Schlacht des Krieges bei Freiberg die Entscheidung zu Gunsten Preußens. Es gereichte Prinz Heinrich zum Vorteil, dass er vor dem Kampf regelmäßig in den Abendstunden einen Trupp leichte Reiterei aus Kroaten und Jägern zur Beobachtung des Feindes aussandte.1508 Der Ausspähung und Informationssammlung kam in dieser entscheidenden Phase des Krieges eine enorme Bedeutung zu. Immer wieder ist zu lesen, dass die Entscheidung, welche Maßnahmen getroffen wurden, von den einkommenden Nachrichten abhängig gemacht wurde.1509 1504 1505 1506 1507 1508 1509

Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1469. Ebd., Bericht Bertrams, 17. Mai 1762, f. 317. Vgl. ebd., Brief des Bankiers Peiser aus Leipzig, 16. Mai 1762, f. 317. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Oberpostmeister Naumanns Relationen, 1761, Loc. 3265/20. Vgl. Kessel 2007, S. 791. Allein zum Feldzug der Preußen in Sachsen gegen den österreichischen Feldmarschall Andreas Hadik von Futak (September bis Dezember 1762) vgl. ebd., S. 774, 785, 791, 794, 805, 818, 824.

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In Sachsen war man sich nur dessen bewusst, dass die Post unterwegs teilweise abgefangen und geöffnet wurde. Die Sachsen akzeptierten es zu Kriegszeiten aber kritiklos, was belegt, dass Interzeption im Krieg ein gebilligtes Mittel war. Die sächsischen Gegenmaßnahmen gehen aus einem Bittbrief hervor, interzipierte Briefe zu Hausangelegenheiten des Grafen von Unruh zurückzugeben.1510 Die polnische Kanzlei hatte ein Paket Briefe einem Wachtmeister mitgegeben, der es in Frankfurt an einen Kaufmann zur Weiterbeförderung an einen Dresdner Kaufmann ausliefern sollte. Allerdings wurde der Wachmann in Frankfurt zeitweise inhaftiert und erhielt bei seiner Freilassung die Briefe nicht wieder, so dass der Legationssekretär der sächsisch-polnischen Botschaft in Berlin intervenierte und Erfolg hatte. Dieser Fall offenbart, dass Sachsen-Polen zur Geheimhaltung vertrauenswürdige Boten, aber auch Kaufmannsadressen als Zwischenposten benutzte, aber dennoch nicht verhindern konnte, dass Preußen unterwegs in den Besitz von Korrespondenzen gelangte. Die Wirksamkeit der preußischen Spionage ist hierdurch einmal mehr belegt. Passiv bemühte Sachsen sich um Schutz des Briefgeheimnisses mittels Kryptologie. Die abgefangenen, in Geheimschrift verfassten Briefe Johann Heinrich Kauderbachs von Den Haag nach Sachsen-Polen konnten die Berliner Kryptologen aber nicht auflösen.1511 Aktenfunde in Amsterdam zeigen, dass auch die Niederländer Kauderbachs Briefe interzipierten, wenngleich schon 1755/56, und gleichfalls an der Verschlüsselung scheiterten, so dass sie die chiffrierten Briefe einfach archivierten.1512 Sowohl Preußen als auch die Niederlande konnten demnach nicht immer von der Interzeption profitieren. Die direkte Speisung von Informationen aus der Dresdner Kanzlei durch Borcke war für Preußen umso wichtiger. Dass die Sachsen nach dem Fall Menzel ihre Kanzlei nicht abdichten konnten, belegt ihre Naivität, aber auch die preußischen Fertigkeiten. Friedrich II. hatte im Gegensatz zu August III. erkannt, dass bei der Intelligence nicht gespart werden darf. In dem erwähnten Protestschreiben gegen die Interzeption kommt angesichts des knappen, unterwürfig gefassten Stils das mangelnde Selbstbewusstsein der Sachsen und die Distanz beider Höfe zum Ausdruck. Keine Rede von Empörung, keine Forderung einer Entschuldigung, keine Androhung von Beschwerden beim Kaiser – welch ein Kontrast zu einem ähnlichen Fall im Jahr 1745! Im Siebenjährigen Krieg wusste Sachsen zwar nicht um die Größenordnung der preußischen Interzeption, hätte aber mit selbstsicherem Auftreten wenigstens den Respekt des Gegners erlangt. Statt dessen höhnte 1510 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1567. 1511 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 850, Briefe vom 20. Dezember 1756 und 24. September 1757. Die Chiffren Kauderbachs aus den verschiedenen Jahren befinden sich in folgenden Konvoluten: SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3234/2; Loc. 3234/6; Loc. 3233/4; Loc. 3233/5; Loc. 3233/7; 10024 GR (GA), Loc. 8236/11. 1512 Palast Noordeinde Den Haag, Archiv des Prinzen Willem V, inv. nr. 201, Briefe vom 20. Juni, 5. August 1755 und 16. März 1756. Weitere abgefangene Briefe Kauderbachs siehe Algemeen Rijksarchief, Fagel family. Für den Hinweis danke ich Karl de Leeuw sehr herzlich.

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Friedrich II. über die Sachsen. Offenbar war Sachsen durch die Enttarnung des 1752–57 von Preußen bestochenen Sekretärs Menzel gedemütigt. Eine gewisse Resignation vor dem Gegner ist August III. kaum abzusprechen. Somit profitierte Friedrich II. von Interzeption in der Dresdner Kanzlei wie auch in den Poststationen, während Sachsen seine Abwehrmaßnahmen nur auf die Postübermittlung legte und seine Kanzleikontrolle vernachlässigte. Die Sensibilität für Interzeption richtete sich nur auf den Weg, den die Post von A nach B nahm, aber nicht auf mögliche Gefahren in der eigenen Kanzlei. Durch diesen Fehler konnte der Spionagebetrieb des preußischen Königs erfolgreich operieren. Offensive und aggressive Geheimdiplomatie der Sachsen Im März 1757 fingen die Preußen in Pirna einen vermeintlichen Spion namens Cuprasch, der vom Kriegskommissar General Zeutzsch nach Aussig geschickt worden war, um zu bestellen, dass die Fourage über Tetschen geleitet werden müsse. Dort angekommen, traf er den Sekretär Scharff nicht an, und der österreichische Obrist ließ ihn zurück nach Sachsen melden, diese Forderung sei „nicht thunlich“.1513 Nach diesem ersten Botengang für einen Reichstaler und einige Groschen überbrachte er mehrmals Nachrichten zum Amtmann nach Tetschen und zu österreichischen Offizieren und sächsischen Generälen. Dabei war er stets im Gebiet zwischen Aussig, Tetschen, Struppen und Pirna unterwegs. Nachdem er etliche Dukaten und einen Louis d’Or verdient hatte, warf er die Briefe ins Wasser und betrieb mit seinem Bruder einen Getreidehandel, indem er billiges böhmisches Getreide teuer auf dem Königstein verkaufte. Er habe die alte preußische Uniform, in der er aufgegriffen worden war, gekauft, ohne sich etwas dabei zu denken. Cuprasch gab an, dass er 58 Jahre alt und früher in der Garnison auf der Festung Königstein stationiert war. Über sein weiteres Schicksal schweigen die Quellen. Es gibt nur die wenig Hoffnung machende Aussage von Podewils, er habe bereits einige Komplotte entdeckt und sei gezwungen zu handeln, da bekannt sei, dass keine Kontakte zum Dresdner Hof außer von den Außenministern zugelassen seien.1514 Ein weiterer interessanter Fall stammt aus dem Spätsommer desselben Jahres. Graf Brühl empfahl seinem Kollegen Kaunitz in Wien einen Iren, der bei seinem mehrmonatigen Aufenthalt in Warschau der Allianz gute Dienste getan hat. In Wien möge er an einem günstigen Ort eingesetzt werden, wo er Kenntnisse sammeln könne.1515 Es handelte sich bei jenem Fitz-Patrick Tarden allerdings laut Aktentitel um einen preu-

1513 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1525, Bericht an Generalmajor von Rohr, 29. März 1757, unfol. 1514 Vgl. ebd., Podewils an Friedrich de Haseler in Kopenhagen und andere Gesandte, 16. April 1757, unfol. 1515 Vgl. SächsHStAD 10026 GK, Loc. 3269/2, Graf Brühl an Graf Kaunitz, 13. Juli 1757, f. 115.

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ßischen Spion, den die Sachsen erst sehr viel später enttarnt hatten. Vielmehr meinte Brühl, Tarden liefere ihm nützliche Informationen. Leider handelt es sich hier um die einzige Quelle zu diesem Fall, so dass weder der Zeitpunkt der Enttarnung noch die Berichte Tardens bekannt sind. Denkbar ist, dass er bei Kaunitz aufflog und in Dresden dann der Hinweis „enth. u. a. ein preußischer Spion Fitz Patrick Tarden (Chevalier Buonacorfi)“ auf der Akte vermerkt wurde.1516 Der Deckname bezieht sich wahrscheinlich auf den spätmittelalterlichen Florentiner Biagio Buonaccorsi, einen Freund Niccolò Macchiavellis, der dessen Schrift „Il Principe“ handschriftlich kopiert und verbreitet hatte. Friedrich II. hatte seinen irischen Spion eine Zeitlang erfolgreich einsetzen können. Es sind folgende Szenarien denkbar, aber mangels Quellen keine zu verifizieren: – Tarden erhielt von Friedrich II. den Auftrag, sich in Polen als Spion anzubieten und das Vertrauen Brühls zu erwerben, um dann mit dessen Empfehlung in Wien desgleichen zu tun. – Tarden war von Preußen als Spion ausgesandt, nutzte in Polen aber seine Position, um als Doppelspion mehr zu verdienen, ohne Preußen davon zu unterrichten und ohne als preußischer Spion erkannt zu werden. Er ging ein hohes Risiko ein und wurde zum Abenteurer, der auf eigene Rechnung arbeitete. – Tarden wurde doch von Brühl entlarvt, aber getäuscht, und Brühl sandte Kaunitz parallel ein Warnschreiben, um Friedrich II. desinformieren zu können. Waren im ersten Fall die Alliierten die Geschädigten und Preußen der Gewinner, so war im zweiten Fall Tarden der Sieger und Preußen der Verlierer. Wäre die dritte Möglichkeit real gewesen, hätten die Grafen Brühl und Kaunitz den preußischen König gründlich getäuscht. Diese Überlegungen lassen sich in einem Perzeptionsschema darstellen (Grafik 26). Vom einfachsten (erstgenannten) Fall bis zum unwahrscheinlichsten (letztgenannten) Fall müssen bis auf spätere Aktenfunde alle drei Szenarien für möglich erachtet werden. In anderen Fällen ist die Quellenüberlieferung dichter und erlaubt tatsächlich Einblicke in die sächsische Geheimdiplomatie. Etwas klarer lässt sich der Umstand erklären, dass 1756 und 1759 sächsische Agenten in der russischen Armee tätig waren. Sie erhielten für ihren Auftrag beide dieselbe Chiffre.1517 Lambsdorff war im Vorfeld des österreichisch-russischen Allianzvertrages vor Ort, und ein gewisser Hiller1518 im Winterlager, als Saltykow, Laudon und Daun die Vereinigung ihrer Truppen vereinbarten. Gleichermaßen waren auch Agenten in die österreichische und schwedische Armee mit Chiffren gesandt worden. Sachsen-Polen wählte somit explizit neuralgische Ziele für die Sonderkundschafter aus. Brühl wollte die Kontrolle behalten und sich in seiner Notlage der russischen Hilfe versichern. 1516 Vgl. ebd., Deckblatt. 1517 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3233/5. 1518 Vermutlich handelt es sich um den Oberpostkommissar Hiller.

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Grafik 26: Anwendung des Perzeptionsschemas auf den Fall des Spions Tarden

Da Russland assoziierter Partner bzw. Alliierter war, kann hier nicht von Spionen gesprochen werden, sondern nur von geheimen Agenten. Um das Netzwerk zu vervollkommnen, bekam der französische Botschafter auf der Durchreise zu seinem Zielort St. Petersburg 1757 in Warschau ebenfalls eine Chiffre. 1761 wurde der Briefträger Kleymann aus Halle auf eine Denunziation aus Magdeburg hin von dem preußischen Generalleutnant und Leipziger Kommandanten Keller befragt, was er in der Leipziger Poststation erlebt hatte, wo der sächsische Postmeister Morgenstern den Preußen einigen Schaden zugefügt hatte.1519 Kleymann verriet, dass die Sachsen einen heimlichen preußischen Kurier auf dem Weg nach Gotha in Langensalza arretiert hatten. Auch sei ein Wiener Paket mit geheimen Briefen in Leipzig angekommen, das für die Preußen bestimmt war. Der sächsische Postmeister Morgenstern ließ die Briefe unter besonderer Vorsicht in der Rocktasche des Postillons zum Hauptquartier transportieren. Auch habe er Abschriften von einem geheimen Brief aus Eisleben gemacht und nach dem Verschnüren die Petschaft etwas gerieben, „damit 1519 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1525, Bericht, 1. September 1761, unfol.

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die Expedition, welche die Briefe durchzusehen pfleget nichts mercken solle“.1520 Auch seien einige Wiener Briefe vor der Kontrolle durch die „bestellten Aufmacher“ unterschlagen worden, da Morgenstern sie im Postkasten auf dem Boden hat liegen lassen.1521 Anderentags habe er einen großen Brief, den er vor den Augen eines preußischen Feldbriefträgers in der Poststube habe in einen Sack hineinlegen müssen, heimlich wieder heraus genommen. Aus der Frankfurter Post sollte Kleymann auf Morgensterns Befehl hin einen Brief, der mit drei roten Kreuzen bezeichnet sei, entwenden, habe dieses aber einen anderen machen lassen. Alle eingesammelten Briefe habe Morgenstern einem Sekretär des Grafen Brühl zugesteckt, der in der Montur eines Kaufmanns in der Poststube erschienen war. Kleymann benannte fünf Mitarbeiter der Leipziger Poststube, die seine Aussage bezeugen könnten.1522 Er selbst sah es als seine Pflicht an, diese Aussage zu tun, da er im Preußischen geboren sei. Jene erfolgreiche Schädigung der Preußen war für Sachsen ein Gewinn, da etliche Nachrichten trotz erfolgter Interzeption ihren Empfänger erreichten. Erst Jahre später war der Schaden offenbar geworden. Die Interzeption der preußischen Post Die erfolgreichen Spione Friedrichs II. ließen ihn auch seine Schwachstellen erkennen. So wurde eine Aussage des schwedischen Generalfeldmarschalls Ungern-Sternberg kolportiert, wonach er sich rühmte, gute Kundschafter in Berlin und Stettin zu haben.1523 Friedrich  II. von Preußen erließ sofort den Befehl, die Postbeamten mögen ihre Sorgfalt verdoppeln und Kaufleute kontrollieren, damit sie nicht „unter ihrem Kuvert“ Briefe des Feindes transportierten, also ihren Namen als Deckadresse hergaben.1524 Verdächtige Schreiben seien aufzufangen und einzusenden. Doch konnte  auch der preußische König die Spionage auf dem Postweg nicht gänzlich unterbinden. 1758 kamen die Sachsen in den Besitz zahlreicher preußischer Korrespondenz. Im Felde klagte man, dass die Kommunikation zwischen Berlin und dem Hauptquartier des Königs unterbrochen war. Über eine Woche herrschte im September Funkstille über den Frontverlauf und die Kriegsereignisse. Die Regierung ordnete an, man möge die Kuriere lieber etwas verspätet am Tage aussenden, als sie in die Gefahr zu bringen, dass sie durch streifende feindliche Gruppen aufgefangen und „bloßgestellt“ werden

1520 1521 1522 1523

Ebd., unfol. Ebd., unfol. Vgl. ebd., unfol. Vgl. GStA PK, I. HA, Rep. 103 Generalpostmeister bzw. Generalpostamt, Nr. 865, Brief von Podewils und Finckenstein an das Generalpostamt, 30. November 1757, unfol. 1524 Ebd.

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würden.1525 Preußen wollte sich und seine Pläne vom Gegner um keinen Preis durchschauen lassen. Als sich durch die Verlagerung der Front abzeichnete, dass kein sicherer Kurs zur Armee möglich war, wurde umgehend der Postmeister in Baruth in Kenntnis gesetzt, damit er keine Kuriere in die Gefahr schickte.1526 Die bereitstehenden Boten häuften sich, als auch der Feldpostmeister Bertram befahl, es sollten keine Botschaften abgesetzt werden, bis die Sicherheit wieder gewährleistet sei. Der Generalleutnant von Finck schlug vor, über Prinz Heinrich von Preußen an den König zu schreiben, was aber ebenfalls wegen zu großer Gefahr der Interzeption unterlassen wurde. Erst am 1. Oktober konnten sich vier Kuriere wieder auf den Weg machen. Als im Jahr 1760 erneut einige Österreicher den Nachrichtentransport störten, beendete der Hofpostmeister Jordan wieder umgehend die Kommunikation und ließ zu, dass sich 21 Schreiben ansammelten.1527 Man schätzte demzufolge die Sicherheit der Beförderung höher ein als deren Schnelligkeit. Die preußische Regierung reagierte flexibel auf wahrgenommene Interzeption. Das von allen eingehaltene Kommunikationsverbot kam einem Abtauchen gleich und spricht in Verbindung mit der funktionierenden raschen Meldekette Bände über das professionelle und vertrauensvolle Agieren innerhalb der preußischen Elite. Welche Interzeption konnte diesen Preußen eigentlich wirklich etwas anhaben? Anhand der Adressaten und Absender der Interzepte lässt sich rekonstruieren, dass sowohl der Sekretär Beck als auch der Resident Benoît in Warschau ausspioniert wurden. Am Anfang, im September 1758, fiel den Postbeamten in Warschau ein besonders dicker Brief auf. In ihm verborgen waren mehrere Briefe preußischer Residenten, darunter ein Brief, der mit geheimer Tinte geschrieben war. Dem Interzepten kam das leere Blatt verdächtig vor, so dass er es mit Vorsicht behandelte und schließlich seinen Verdacht bestätigt sah. Als er das Blatt mit einer braunschwarzen Farbe bestrich, wurde darunter eine helle Schrift des Preußen Beck sichtbar. Die sächsische Regierung war alarmiert. Das Blatt ist bei den Interzepten verblieben und zeigt nur eine nicht richtig lesbare Schrift.1528 Ob die Preußen jenes Blatt vermissten und auf die Spionage aufmerksam geworden waren, lässt sich nicht feststellen. Es ist seitens der Preußen offenbar nur einmal der Versuch gemacht worden, mittels Tinte steganographisch zu arbeiten. Offenbar glaubten sie, der Zettel sei auf dem Reiseweg verloren gegangen und mangels sichtbarer Schrift weggeworfen worden, so dass ihnen diese Methode als zu unsicher erschienen sein mag. Die preußischen Residenten fuhren fort, mehrere Briefe an verschiedene Adressaten in einem Briefumschlag zu versenden. Auf der Post konnte diese wichtige Korrespondenz herausgefiltert werden; eine aufwändige Interzeption begann. Die Interzeption erwies sich als recht erfolgreich. Selbst von den Preußen zur Verschleierung benutzte Deckna1525 GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1473, Podewils und Finckenstein aus Magdeburg an Jordan in Berlin, 28. September 1759. 1526 Vgl. ebd., Brief vom Postamt Lübben, 23. September 1759. 1527 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1475, Bericht Jordans, 26. September 1760, unfol. 1528 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3242/3, Beck an Klement, 23. September 1758, unfol.

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men durchschauten die Sachsen, da sie im Kuvert eines „Milord Stormond“ – womit der Viscount of Stormont gemeint war – den Brief des preußischen Residenten Reimer an seinen Kollegen Benoît entdeckten. So hieß es fortan auf den Abschriften: „Sous l’adresse de Milord de Stormond, Reimer à Benoît ce 4. Nov.“1529 Im September bereits hatte der Sekretär Beck den Mediziner Klement gebeten, ihm unter den Namen Kade oder Steiff zu schreiben.1530 Gelang es 1758 noch, vom September bis zum Jahresende durchgängig zu interzipieren, so war es im darauf folgenden Jahr schwieriger, wie die sporadischen Interzepte belegen. Becks Name verschwand, so dass davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit, ihn auszuspionieren, nicht mehr gegeben war. Die Interzeption konzentrierte sich ab 1759 nur noch auf die Korrespondenz zwischen Benoît und Reimers. Es ist auffällig, dass auf den Abschriften der preußischen Post jetzt nur noch die Initialen erschienen, und bald darauf auch diese weggelassen wurden, so dass die Briefe nur noch ein Datum trugen. Da es den Sachsen unschwer gewesen wäre, „B“ als „Benoît“ und „R“ als „Reimers“ zu identifizieren und auszuschreiben, wie es auch bei anderen Namen weiterhin geschah, muss die Abkürzung seitens der Interzepten erfolgt sein und mag zur größeren Geheimhaltung ihrer Arbeit, vielleicht auch nur zur schnelleren Kopierarbeit gedient haben. Die Abschriften sind kurzzeitig von zwei verschiedenen Schreibern getätigt worden, denn eine erste, hastige Abschrift wurde später in eine feine Kanzleischrift übertragen. Aus dem Jahr 1760 liegen 67 Briefe vor, die fast alle zwischen Benoît und Reimers gewechselt wurden. Zusätzlich kamen die Sachsen auch in den Besitz der Briefe des Kanzlers von Kurland, Finkenstein, an Benoît. 1761 fielen den Interzepten nur noch Post von Reimers an Benoît in die Hände und nicht mehr die Gegenbriefe. Die Interzeption wurde zunehmend schwieriger, gelang aber für Reimers’ ausgehende Post bis in den Mai 1762 hinein. Die folgende Grafik zeigt den Umfang der erbeuteten Briefe (Grafik 27).

Grafik 27: Interzeption der preußischen Korrespondenzen 1529 Vgl. ebd., Reimer an Benoit, 4. November 1758, unfol. 1530 Vgl. ebd., Beck an den Mediziner Klement, 30. September 1758, unfol.

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Grafik 28: Anzahl der Interzepte in Relation zur Zeit

Die erlangten Interzepte in Beziehung zum Zeitraum gesetzt (Anzahl : Monate), zeigt, dass das Jahr 1758 wahrscheinlich am erfolgreichsten für Sachsen war, als in einem Quartal fast so viele Briefe aufgefangen wurden wie im ganzen Jahr 1761 (Grafik 28). Allerdings kann diese Tendenz erst abgesichert werden, wenn weitere Forschungen klären, ob Preußen in diesem Jahr überdurchschnittlich viele Briefe versandte und in welchem Maße hier Überlieferungslücken bestehen. Propagandakrieg und Diskussion um die Präventivschlag-These Im Siebenjährigen Krieg verstärkte sich die Propagandamethode Friedrichs  II. Wie im Militärwesen agierte Friedrich  II. auch auf dem Gebiet der Informationspolitik nicht nur defensiv, sondern auch offensiv. Er reizte die Möglichkeiten der inhaltlichen Täuschung durch Druckschriften aus und begann damit sogleich bei Kriegsausbruch. Die Bekanntmachungen, auch Acta publica genannt, seien auch für die Nachwelt geschrieben, heißt es im Vorwort einer Sammlung.1531 Die Zeitgenossen nahmen die Publikationen als Neuerung auf: Kein Krieg ist vielleicht fruchtbarer an dergleichen Staatsschrifften gewesen als der gegenwärtige.1532

1531 Vgl. Allerneueste Acta Publica 1757, Vorwort. 1532 Ebd.

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Insofern hat 1756 eine neue Art der Kriegführung mit Feder und Druckerpresse begonnen, die von Pro Memoria und Gegen-Memoria getragen wurde.1533 Aus dem Propagandafeldzug Friedrichs II. und des Grafen Brühl hatte sich eine neue Chance für die Buchhändler ergeben. Sie konnten an der Neugier der Bevölkerung einerseits und der Streitlust der Kriegsparteien andererseits verdienen. Der Herausgeber gab die Versicherung, er werde seine Arbeit, die Publikationen zu sammeln, zu ordnen und zu drucken, bis zum Kriegsende fortsetzen. Offenbar fand man rasch eine Zielgruppe, da bereits von „Liebhabern“, die zu unterhalten und zu „vergnügen“ diese Bände gemacht seien.1534 Der Sammelband für das Jahr 1756 umfasste 35 Publikationen, denen zum besseren Verständnis vier Traktate von 1742 und 1745 vorausgeschickt und neun Privatschriften angehängt waren. Dieser Umfang spiegelt den diplomatischen Aufwand wider, der für diesen Schriftkrieg nötig war. Um seine Eroberungspolitik zu verschleiern, ließ Friedrich II. im Januar 1757 öffentlich auf dem Dresdner Altmarkt eine Schrift verbrennen, die seine Expansionspläne demaskierte.1535 Es handelte sich um die anonyme Schrift „Kurzer, doch gründlicher Beweis, daß das Königreich Böhmen Sr. Königl. Majest. in Preussen zustehe“. Nach offizieller Verlautbarung sollte durch diese Verbrennung aller Welt gezeigt werden, dass Friedrich II. niemals an den Erwerb Böhmens gedacht habe. Außerdem wurde von der preußischen Zensurbehörde auch eine Abhandlung unterdrückt, die entgegen der religiösen Toleranzidee die Gegensätze zwischen Katholiken und Protestanten betonte und somit das vom preußischen König als Kriegsanlaß verkündete Bündnis zwischen Sachsen, Österreich und Frankreich in Frage stellte.1536 Im März 1757 nahm der sächsische Gesandte in Wien, Karl Georg Graf von Flemming, Stellung zu den preußischerseits in aller Öffentlichkeit verbreiteten Falschmeldungen. In diesen Drucken, die unter dem Titel „Königl. Preußische Kriegs-Manifeste, Circularien und Memoires“ firmierten, wurden auch Memorials Flemmings, die für den internen Gebrauch am sächsisch-polnischen Hof gedacht, aber von den Preußen aus dem Archiv entwendet worden waren, zitiert. Interessanterweise hatte Flemming zu jenem Zeitpunkt noch nicht gewusst, dass Friedrich II. die betreffenden Schriften nicht erst nach seiner Einnahme von Dresden aus dem Archiv bekannt wurden, sondern bereits zuvor durch den bestochenen Sekretär Menzel überbracht worden waren. Auch wusste Flemming nicht, dass dieser Spion in Warschau nach wie vor noch am Werke war und erst ein halbes Jahr später entlarvt werden würde. In anderen Streitschriften lenkte Preußen die Frage, ob die Urkunden wohl „schon lange in Preußischer Verwahrung gewesen“ seien, geschickt ab, indem man die Eröffnung des Archives als

1533 1534 1535 1536

Vgl. Pro Memoria 1757. Ebd. Vgl. Kobuch 1988, S. 154. Vgl. Treuhertzig gemeinte Vorstellung, und recht väterliche Admonition, Gotha 1756; Kobuch 1988, S. 156.

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Legitimations- und Verteidiungsmaßnahme diskutierte.1537 Obwohl ihm das Ausmaß der preußischen Spionage nicht bewusst war, reagierte Flemming im März 1757 auf die preußische Informationspolitik mit heftiger Gegenwehr, um sich gegenüber dem Wiener Hof und den anderen Alliierten nicht desavouieren zu lassen. Flemming belegte in seinem Widerspruch, dass diese Zitate aus dem Zusammenhang gerissen wurden, und stellt sie in ihrem Kontext der Öffentlichkeit vor Augen. Er gibt zwei Grundsätze zu bedenken, von denen der eine lautet, daß wenn ein Ministre Berichte an seinen Hof erstattet, die blos zu dessen geheimen Nachricht dienen sollen, und worinne er also die Worte und Ausdrückungen nicht so als wenn er vor das Publicum schreibt, abzumessen nöthig hat, seine Meynung nicht aus letzten, sondern aus dem ganzen Zusammenhang und Vortrag der Sache genommen und erkläret werden müße

und der andere dahin gerichtet ist, dass Mutmaßungen und Ergänzungen des Herausgebers dieser Druckschriften als eigene Kombinationen gekennzeichnet werden müssten.1538 Flemming verwahrte sich damit gegen die zu Propagandazwecken erfolgte Verkürzung, Verfälschung und Veröffentlichung seiner Memorials. Dieser Fall zeigt, wie der preußische König seinen Wissensvorsprung gegenüber den Gegnern zu nutzen verstand und diese in eine Defensivposition rückte. Auf der anderen Seite wird hier deutlich, dass der polnische König im Hintergrund gehalten und vor dieser Auseinandersetzung geschützt wurde, die die Betroffenen untereinander ausfochten. Nach der Enttarnung Menzels wandte sich der Propagandakrieg von Flemming ab und dem Grafen Brühl zu. 1758 erschien unter dem Titel „Macht der Wahrheit“ mit fingiertem Druckort Warschau eine von Preußen lancierte Propagandaschrift, in der Brühl mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden sollte.1539 Der anonyme Autor hangelte sich entlang eines angeblich von Brühl an einen Berliner Kaufmann geschriebenen Briefes mit Menzels Fall. Ziel der Publikation war es, Brühl als Verbrecher zu überführen, der zuerst die Fürsten ausspionierte und Frankreich, Österreich und Russland gegen den preußischen König aufwiegelte. Allerdings stand die Argumentation auf tönernen Füßen, denn die Preußen konnten keinerlei Beweis für ihre Anklage beibringen, sondern Brühl nur auffordern, seine Unschuld nachzuweisen. Der Autor bezeichnete das Protokoll der Aussage Menzels als Fälschung, nutzte das Protokoll aber als Beweis für Brühls „Zurüstungen zu dem Blendwerk“.1540 Diese Praktiken würden einen Einzelnen 1537 Beantwortung der Sächsischen Schrift, welche unter dem Titul die gerechte Sache Chur-Sachsens neulich im Druck erschienen, in: Teutsche Kriegs-Canzley 1757, Nr. 91; Beantwortung derer sogenannten Anmerkungen über die von Anbegin des gegenwärtigen Krieges bis anhero zum öffentlichen Druck gediehenen königl. Preußischen Kriegs-Manifesten, Circuarien und Memoires, in: Ebd., Nr. 1. 1538 Copie Flemming 1757, S. 4. 1539 Vgl. Macht der Wahrheit 1758. Vgl. Weller 1864, S. 92. 1540 Macht der Wahrheit 1758, S. 8.

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zum Verbrecher machen, aber in der Hand eines Monarchen gälten sie als Zeichen für dessen weise Vorsicht.1541 Preußen stritt somit die eigenen Aktivitäten als Verteidungsmaßnahme nicht ab, lenkte aber die Schuld für das als unsittlich und niederträchtig gebrandmarkte Verhalten auf den Grafen Brühl. Der Autor reflektierte die zeitgenössischen Praktiken der Täuschung und vor allem die verschiedenen Interpretationen des Verrats. Zur Verdeutlichung zeichnete er eine Parallele zu den Grumbachschen Händeln (Grafik 29). Dieser Vergleich implizierte, dass sich Friedrich II. für das ihm angetane Unrecht zur Wehr setzte und somit genug Legitimation für die Ausspähung durch Menzel und für den Angriff auf Sachsen 1756 besaß. Auf diese preußische Offensive konterte Sachsen-Polen mit einem fingierten 20seitigen Brief Benoîts an jenen Kaufmann.1542 Darin verwies man darauf, dass Menzel und Weingarten gleichzeitig agierten, Sachsen-Polen dadurch nicht der einzige Betrogene war. Auch wurde hervorgehoben, dass jenes „nützliche Werkzeug“ Menzel nur „currente“ Sachen verraten hatte und nichts aus dem Archiv.1543 Die Spionage sei „nicht der schönste Zug in unsern Gemählden“, lässt der Autor Benoît sagen, denn „aufrührerische Unterthanen conspirieren gegen ihren Oberherrn, nicht aber freye Völker gegen einander“.1544 Brühl habe auch zur „Schelmerey“ angestiftet und sei keineswegs ein wehrloses Opfer. Zuletzt wurde die Legitimität der „Macht der Wahrheit“ untergraben, da der sächsisch-polnische Hof von sich aus die Aussage Menzels in Regensburg bekannt gemacht habe und seinen Schaden öffentlich bekannt machte.1545 Brühl versuchte also, seine Stärke und Wehrhaftigkeit herauszustellen, den Propagandafeldzug aus Berlin ins Leere laufen zu lassen und die Unmoral der Bestechung in den Vordergrund zu rücken.

Grafik 29: Angebliche Parallele zwischen Brühls und Grumbachs Politik 1541 1542 1543 1544 1545

Vgl. ebd., S. 6. Vgl. Menzelische Verrätherey 1758. Ebd., S. 10. Ebd., S. 15, 17. Vgl. ebd., S. 20.

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Diese Debatte war Teil des Propagandakrieges um den preußischen Einmarsch. Inwiefern war die Präventivschlagsthese Friedrich II. wirklich gerechtfertigt? Friedrich II. hegte schon länger den Verdacht, dass die verbündeten Armeen gegen ihn einen geheimen Überfall verabredeten und ließ allerorten Spione arbeiten. So schrieb Friedrich der Große 1756 an den General Winterfeldt, es dürfe kein Geld gespart werden: Ich muss das Project der Campagne aus Wien haben, drei Cojons habe ich dorten, aber man kann nicht genug haben.1546

Zwei dieser „Cojons“ waren Pfaffen und ein weiterer saß in der Kanzlei des österreichischen Feldmarschalls Browne. Ab dem 17. Juni erhielt er Nachrichten von der österreichisch-französischen Annäherung  – dem kommenden Renveresement des alliances – sowie von russischen Truppenbewegungen.1547 Für Friedrich II. stand dadurch außer Zweifel, dass der Angriff kurz bevorstand und ließ heimlich seine Truppen mobilmachen. Umgehend schickte er seinen General Hanns Karl von Winterfeldt im Juli 1756 unter dem Vorwand einer Kur in Karlsbad auf Spionagereise, um sich über den Kamm des Erzgebirges und auch die sächsischen Festungswerke, besonders die Festung Königstein, zu informieren.1548 So besuchte Winterfeldt seinen guten Bekannten, den sächsischen General Michael Lorenz von Pirch, der auf Königstein Kommandant war. Von der Festung aus konnte er das Terrain erkunden und in Skizzen festhalten.1549 Der Eindruck Winterfeldts, dass es keiner großen Anstrengung bedürfe, die Sachsen in preußische Dienste zu ziehen, führte ihn jedoch in dieser Hinsicht etwas in die Irre, so dass er über die schwierige Einnahme des sächsischen Heeres im Lager bei Pirna überrascht war und seinen Plan eines kurzen dynamischen Kriegszuges nicht umsetzen konnte.1550 Der Umstand, dass er mit vierfach unterlegener Truppenstärke in den Krieg zog, lässt sich nur dadurch erklären, dass er auf den raschen Anschluss der sächsischen Armee spekulierte. Winterfeldt hatte bei seiner Kur in Karlsbad bei Gesprächen mit österreichischen Offizieren auch erfahren, dass die psychologische Wirkung des Königs so groß war, dass Österreich am Erfolg einer Auseinandersetzung mit Preußen zweifelte.1551 Sachsen erhielt durch den österreichischen Gesandten in Berlin, Graf von Puebla, spätestens Anfang Juli die ersten deutlichen Hinweise auf die preußischen Kriegsvorbereitungen.1552 Auch Generalfeldmarschall Rutowski warnte in einer Denkschrift am 1546 Friedrich II. von Preußen an General Winterfeldt, 22. Dezember 1756, Zit. in: Huschberg, Johann F.: Die drei Kriegsjahre 1756, 1757, 1758 in Deutschland, Leipzig 1856, S. 54. 1547 Vgl. Salisch 2009, S. 55. 1548 Vgl. Pawluschkow 2000, S. 34. 1549 Vgl. Salisch 2009, S. 55. 1550 Vgl. ebd., S. 55, 287. 1551 Vgl. ebd., S. 57. 1552 Vgl. ebd., S. 59.

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8. Juni vor einem möglichen Krieg und wies auf den schlechten Zustand der Armee hin.1553 Seine Pläne zu einer Zusammenziehung bei Pirna und Auffüllung der Magazine wurden in Abwesenheit des Königs jedoch zunächst ignoriert. Seine ausführlich geschilderten Maßregeln vom 2. Juli ließen bei August III. jedoch noch keine Besorgnis aufkommen, da er sich darauf verließ, dass Preußen die sächsische Neutralität achten werde. Zudem verließ man sich auf die Kooperation mit Österreich, offenbar ohne Kenntnis von der auch dort ungenügenden Rüstung zu haben.1554 Die Frage, inwiefern der Präventivschlag Friedrichs II. gerechtfertigt war, ist bis heute umstritten.1555 Flemming leugnete später, dass eine Offensiv-Abrede gegen Preußen bestanden habe, denn es sei „so unwidersprechlich […] daß nicht das mindeste Concert exitirt.“1556 Am 7. Juli 1756 schrieb er, der König von Preußen sei im Unrecht, wenn er glaube, etwas anderes als bloße Defensivmaßnahmen seien gegen ihn im Gange.1557 Dazu wolle der sächsisch-polnische Hof es sich angelegen sein lassen, Frankreich von der Meinung abzubringen, zwischen Österreich und Bourbon müsse ein unaufhörlicher Hass fortdauern. In Flemmings Rechtfertigungsschrift heißt es weiter, der Graf Kaunitz habe ihm in einem Gespräch noch im Juli 1756 mitgeteilt, es ließe sich Frieden und Ruhe erhalten, wenn der König von Preußen die Sachen nicht weitertreibe. Man müsse erst sehen, ob die Kommunikation über Truppen überhaupt nötig und erforderlich sein werde.1558 Allerdings erlangte Friedrich der Große von seinen Spionen darüber Kenntnis, dass Spanien nicht der anti-preußischen Allianz beitreten würde. Mit dieser Information konnte Friedrich Ende August 1756 den Krieg mit kalkulierbarem Risiko beginnen. Noch am 19. August verharrte der polnische König in Untätigkeit und hegte keine Vorbereitungen zur Verteidigung der Hauptstadt. Inzwischen brachten „Spione, lokale Behörden oder auch beauftragte Jäger“ von der Landesgrenze beunruhigende Nachrichten über die sich nähernden Preußen.1559 Trotz der dringlichen Bitten der Generäle wurde vom Dresdner Hof befohlen, die versiegelten Order noch verschlossen zu halten. Erst, als unter hartem Drängen der König am 24. August zum Handeln schritt, wurde über eine Versorgungslogistik der Truppe nachgedacht – ein schwerwiegender Zeitverzug. Am 25. August schrieb Freiherr von Rochow aus Naumburg, dass die Spione in Halle beobachteten, wie mehr und mehr Truppen einrückten, mit Kavallerie, schwerer Artillerie und Husaren und dass auch der Prinz von Braunschweig sowie der preußische 1553 Vgl. ebd., S. 59. 1554 Vgl. ebd., S. 66. 1555 Vgl. Tischer, Anuschka: Offizielle Kriegsbegründungen in der Frühen Neuzeit. Herrscherkommunikation in Europa zwischen Souveränität und korporativem Selbstverständnis (= Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit. 12), Berlin 2012, S. 37 f. 1556 Copie Flemming 1757, S. 7. 1557 Vgl. ebd., S. 8. 1558 Vgl. ebd., S. 9. 1559 Salisch 2009, S. 63.

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König dort vermutet werden würden.1560 Mehrere sächsische Generäle (Ämilius von Rochow, Friedrich Heinrich Eugen von Anhalt-Dessau, Friedrich August von Rutowski) öffneten in Eigenverantwortung die Order und ließen die Truppen in Bereitschaft setzen. Die langdauernde „Lethargie“ Augusts III. und seines Premierministers brachte Sachsen-Polen in eine gravierende organisatorische Zeitnot, obwohl die Geheimdienste und General Rutowski die Situation zu einem für eine Verteidigung noch rechtzeitigen Moment richtig einschätzten. Auch war Rutowski sich der Bedeutung seiner Position bewusst und versuchte mehrfach, seine Bedenken schnellstmöglich kundzutun. Es waren somit nicht mangelnde Informationen, die dazu führten, dass Sachsen so unvorbereitet überfallen wurde, sondern die mangelhafte Auswertung der Berichte. Einzig die Selbstständigkeit einzelner Generäle verhinderte, dass die Preußen sich der sächsischen Soldaten in den Garnisonen bemächtigen konnten, nachdem sie am 28./29. August die Grenze überschritten hatten. In Pirna am Fuße des Königsteins verschanzten sich die sächsischen Regimenter in der Hoffnung auf rechtzeitige österreichische Unterstützung. Den Preußen war es ein Leichtes, das Lager zu umstellen und von der Versorgung abzuschneiden. Die anrückenden Österreicher konnte die preußische Armee am 1. Oktober bei Lobositz in Böhmen besiegen. Die Not der sächsischen Soldaten führte zu einzelnen Verteidigungsgefechten und einem versuchten Ausbruch über die Elbe. Friedrich II. klagte: „Die Sachsen verderben mir die ganze Campagne … […].“1561 Da war es ein erfreulicher Erfolg für die Preußen, dass es ihnen gelang, mehr als einhundert Briefe der sächsischen Soldaten an ihre Familien abzufangen und somit Einblicke in die Zustände des Lagers zu erhalten.1562 Nach der erneuten Einschließung am Lilienstein nahm Preußen am 16. Oktober die Kapitulation der sächsischen Armee an und begann mit der Übernahme der Truppen ins preußische Heer. Viele Soldaten desertierten in der Folgezeit. Der König verließ mit seinem Hof Sachsen und zog sich nach Warschau zurück, während die Königin Maria Josepha in Dresden zurückblieb. Als 1758 die österreichische Armee sich Dresden näherte, ordnete der preußische Gouverneur Karl Christoph Graf von Schmettau die Zerstörung der Vorstädte an. Infolge dieser massiven Angriffe war Sachsen schwer geschwächt. Im Folgejahr geriet Friedrich II. in eine prekäre Lage, so dass im Jahr 1759 die preußische Geheimdiplomatie besonders intensiv war, wie aus den Akten hervorgeht. Johann David Erdmann Preuß schrieb in seiner Friedrich-Biographie von dem geheimen Postverkehr zwischen dem preußischen General Schmettau, der Anfang September 1759 in Dresden gegenüber der Reichsarmee kapituliert hatte, und dem heranrückenden General Finck mit dem Ent1560 Vgl. ebd., S. 65. 1561 Friedrich II. an Winterfeldt, 7. Oktober 1756, in: Die politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Bd. 13, Nr. 8171, URL: http://friedrich.uni-trier.de/de/politKorr/13/505-o3/ [22.10.2020; ASR]. 1562 Diese Briefe sind leider nicht bis zum heutigen Tag überliefert und wahrscheinlich im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen.

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satzheer.1563 Der preußische Nachrichtendienst war ausgeklügelt; die Generäle erhielten viele geheime Informationen. In den Briefen Friedrichs II. und in der von ihm selbst mitverfassten „Geschichte des Siebenjährigen Krieges“ kommt die Informationspolitik des preußischen Königs indirekt zur Sprache. Häufig heißt es „Ich war unterrichtet“ oder „ich wusste auch“ „indessen hatte der König erfahren“ usw.1564 Hintergrund dieses Spionageaufwandes war die äußerst kritische Lage, in der sich Friedrich II. befand. Von Informationsfülle und Wissensvorsprung versprach er sich die Lösung zur Abwendung der völligen Niederlage, die in jenen Monaten kurz bevorstand. Nach der verlorenen Schlacht von Kunersdorf soll der preußische König sogar Suizidgedanken gehegt haben. Die aus Uneinigkeit resultierende Untätigkeit seiner Gegner und der von ihm erwartete, aber nicht durchgeführte Marsch Richtung Berlin eröffneten ihm jedoch eine Chance. Dieses „Mirakel des Hauses Brandenburg“ führte zur Fortsetzung des Krieges, der sich in den Folgejahren zu einem frühmodernen Stellungskrieg entwickelte. „Dieser Krieg dauert mir zu lange […]“ – Militärische Kriegführung während der Schlacht von Torgau Die Österreicher ihrerseits waren auch über die Manöver des Gegners gut im Bilde, wurden aber wiederholt durch List und Fehlinformationen getäuscht.1565 Erfolgreich war die österreichische Spionage aber insoweit, als die Spione der Reichsarmee halfen, einer Schlacht mit Friedrich II. aus dem Weg zu gehen.1566 Mit seiner herausragenden Militärstrategie hätte der preußische König seine Gegner anderenfalls günstig stellen und sie in einer Schlacht entscheidend bezwingen können, was den Verlauf der Geschichte vermutlich deutlich verändert hätte. Eine solche Kriegführung der Österreicher war geschickt, denn mit ihrem Manövrieren im Schicksalsjahr 1760 konnten sie eine möglichst gute Ausgangsposition für eine Schlacht suchen und einen Sieg wahrscheinlicher werden lassen. Im Falle eines österreichischen Erfolges, so wusste Friedrich II., sollten die östlich der Oder lagernden Russen unverzüglich in die Mark Brandenburg einmarschieren. Unverkennbar befand sich der Krieg im Herbst 1760 militärisch in einer entscheidenden Phase. Unter diesem Druck stellte für die Preußen 1563 Vgl. Preuß, Johann David Erdmann: Friedrich der Große. Eine Lebensgeschichte, Band 2, Berlin 1833, S. 221 f. 1564 Vgl. Jeschke 2010, S. 16 f. 1565 Vgl. Lloyd 1787, S. 137, 295. 1566 Ein weiteres Beispiel aus dem Jahr 1759: „Dieser [General Deville; ASR] aber erfuhr durch seine Spione in guter Zeit den Anmarsch des Königs, und zog sich weislich in so guter Ordnung in die früher schon vorbereitete Stellung bei Zukmantel zurück, dass der König nicht für entsprechend hielt, ihn dort anzugreifen.“ Thielen, Maximilian Friedrich: Die Kriege der Österreicher und ihrer Verbündeten vom Jahr 1756 bis zur gegenwärtigen Zeit, Band 1: Der Siebenjährige Krieg von 1756 bis 1762, Wien 1836, S. 123.

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die Ungewissheit über den Standort der österreichischen Armee die größte Schwierigkeit dar. Beide Parteien besaßen eine gewisse Informationsdichte, die jedoch nicht ausgereicht hat, um den Gegner entscheidend in einen Nachteil zu setzen, denn weder in der Schnelligkeit noch in der Genauigkeit der Nachrichtenübertragung konnte einer den anderen überflügeln. Diese Pattsituation war für die Kriegführenden äußerst unbefriedigend. Um sein Informationsdefizit auszugleichen, ließ Friedrich II. Ende Oktober seine Truppen beiderseits der Mulde Richtung Eilenburg marschieren. Der Geheime Kriegsrat August Friedrich Eichel schilderte dem Kabinettsminister Graf Finck von Finckenstein die verzweifelte Lage, das österreichische Heer unter Graf Leopold von Daun nicht orten zu können: Düben, 30. Oktober 1760. So allgemein gestern der Bericht von dem Marsch des Daun gegen Leipzig war, so hat sich solcher doch unrichtig gefunden … Es ist nicht zu begreifen, wie Armeen so wenig Nachricht voneinander haben können. In höchst Eil, Eichel.1567

Die hier beklagten Mängel der gelieferten Informationen betrafen besonders die Zuverlässigkeit der Nachrichten. Stattdessen erhielt Friedrich  II. weniger relevante Informationen, denn aus Nordhausen wusste der Amtmann Vopel nach Berlin über die Bewegungen der Truppen des Herzogs Carl Eugen von Württemberg zu berichten.1568 Die Schwierigkeit bestand darin, die einkommenden Nachrichten richtig zu sortieren und zu beurteilen. In solchen Fällen des Informationsmangels ist stets auch an eine gelungene Desinformation durch den Gegner zu denken. Somit ist ein weiterer Beweis geliefert, dass sich die Nachrichtenpolitik der Österreicher und der Preußen auf hohem Niveau nahezu egalisierten. Friedrich II. hatte am Vortag zwar Nachricht vom Abmarsch Graf Dauns erhalten, aber diese Teilinformation bedeutete für ihn lediglich erhöhte Alarmbereitschaft. Er spekulierte darauf, dass sich Daun zur Reichsarmee nach Leipzig wenden würde. Somit ließ er am 29. Oktober ein Korps mit zwei Husaren das jenseitige Ufer der Mulde aufklären und den Flussübergang der übrigen Armee vorbereiten. Doch schon wenige Stunden später erfuhr er, dass Daun in der Gegend von Torgau stünde. Offenbar traute er dieser Information aber nicht, denn er ließ seine Truppen Richtung Eilenburg marschieren, um sich alle Möglichkeiten offen zu halten, „sei es, daß Daun auf Leipzig zur Reichsarmee, oder daß er auf Torgau oder daß er schließlich gar nicht abmarschiert war.“1569 Gewissheit über den Standort Dauns erhielt der preußische König erst, als beim Vorrücken ein paar Husaren ein sächsisches Reiterregiment angriff, das sich nach kurzem Beschuss zusammen mit einem etwas versetzt aufgestellten Kroatenbatallion auf die Eilenburg-Torgauer Straße zurückzog. Während 1567 Politische Correspondenz Friedrichs des Großen, Berlin 1893, S. 42, zit. in: Jeschke 2010, S. 19. 1568 Vgl. Berichte des Amtmannes Vopel in Nordhausen nach Berlin über die Bewegungen und das Verhalten der Truppen des Hzgs. von Württemberg im Gebiet der Grafschaft Hohenstein und der Stadt Nordhausen, GStA PK, I. HA, GR, Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1191 und Nr. 1195. Zit. in: Kuhlbrodt 2011/12, S. 432. 1569 Ebd., S. 20.

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Friedrich sein Lager in Eilenburg bezog, verhinderte der kaiserliche Generalmajor Ried durch einen Beobachtungsposten am Waldrand die Aufklärung der preußischen Truppen gegen Torgau.1570 Während er somit in Eilenburg zu einem Rasttag gezwungen wurde, gelang in einer schnellen Aktion die Vertreibung der Reichsarmee aus Leipzig. Friedrich II. war dadurch für die bevorstehende Schlacht in Torgau abgesichert. Ihm gelang es in der Zwischenzeit aber nicht, den Aufenthaltsort Dauns festzustellen: Die Patrouillen konnten wegen der vielen allhier befindlichen Wälder, die alle mit Croaten besetzt waren, nicht durchkommen, und Kundschafter, auf deren Rapport man sich hätte verlassen können, mangelten uns jetzso, so wie alle Zeit, wir glaubten von den Bauern zu erfahren, wo der F. M. Daun kampirte, und diese widersprachen sich so, daß man nicht wußte, was man glauben sollte, man irrte also wie im Finstern herum, formierte Muthmaßungen, hielt diese in der Folge für Wahrheiten, und machte in Absicht derselben Vorkehrungen, die eine jede verflogene widersprechende Nachricht wieder über den Haufen warf.1571

Der preußische Generalmajor Kleist, der Kommandant der Zitadelle „Fort Preußen“ bei Neisse, berichtete von Patrouillen-Nachrichten und Aussagen gefangener feindlicher Marketender, jedoch wurde ihm kein Glauben geschenkt, da er in Ungnade beim König stand.1572 Demzufolge nutzte der König neben seinen militärischen Nachrichtenquellen auch zivile, um seine Lücken zu füllen. Dabei war er kritisch genug, seinen Informanten nicht blindlings zu glauben. Trotz fehlender ausreichender und sicherer Informationen war Friedrich  II. jedoch gezwungen, eine Entscheidung zu suchen, bevor sich die Lage weiter zugunsten Dauns veränderte oder die Wege zum Magazin in Magdeburg unterbrochen würden. Mit einem Entschlossenheit demonstrierenden Anmarsch auf die Schildauer Höhen an der Elbe wollte der preußische König die Österreicher mit ihrer Verbindung nach Dresden nervös machen und aus dem Versteck locken.1573 Der Stoß auf den Berg bei Schildau, wo Daun zuletzt vermutet worden war, ging jedoch ins Leere. Erst durch Gefangenenaussagen bekam Friedrich II. endlich die sichere Nachricht, wo sich Daun befand. Dieser hatte dadurch erneut Zeit gewonnen, um sich auf den Kampf vorzubereiten. Für den Folgetag gab der preußische König die Weisung für den Angriff aus: „Dieser Krieg dauert mir zu lange […] wir wollen ihn morgen enden.“ General Zieten bekam in einem Vieraugengespräch die Details für die Offensive des rechten Flügels, den er selbstständig kommandieren sollte.1574 Offenbar sollte durch den Ausschluss aller anderen 31 Generäle verhindert werden, dass durch irgendwelche Lecks der Feind von der genauen Kriegsformation und Angriffsstrategie Kenntnis erhielt. Mit einer Zan1570 Vgl. ebd., S. 21. 1571 Gaudi, Friedrich Wilhelm Ernst Freiherr von: Journal vom Siebenjährigen Kriege, Band 8, 1760, Nachdruck,Teil 2, Buchholtz 1997, S. 196, zit. in: Jeschke 2010, S. 25. 1572 Vgl. ebd., S. 25. 1573 Vgl. ebd., S. 26. 1574 Vgl. ebd., S. 35 f.

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genbewegung sollte der Feind zugleich in der Front und im Rücken attackiert werden. Mit einer bislang nie erprobten Taktik zweier unabhängig voneinander operierender Truppenteile wollte Friedrich II. seinen strategischen Nachteil ausgleichen. Darin sah er die einzige Möglichkeit, die Österreicher noch zu schlagen, die mittlerweile eine großartige Stellung hatten einnehmen können. Sein Zeitverlust infolge der fehlenden Information machte nun ein erhöhtes Risiko erforderlich. Tatsächlich ergaben sich im Verlauf Probleme: General Zieten wich wegen Nachrichten über die Stellung des Feindes von der angeordneten Marschroute ab und übersah den österreichischen Stellungswechsel, während Daun durch „ständig eingehende Meldungen seiner bestens postierten Beobachtungseinheiten über die Bewegungen seiner Gegner gut informiert“ war.1575 Der König wurde zur Änderung seiner Pläne gezwungen, geriet in ansteigendem Gelände in eine gewaltige Kanonade, die Daun zu einer verfrühten Siegesnachricht an Maria Theresia verleitete. Die verbissene Wiederaufnahme der Kämpfe durch General Zieten in der hereinbrechenden Dunkelheit und sein von den Österreichern unbemerktes Manöver zu einem Durchgang an den unbesetzten Schafteichen brachte einen Erfolg für die Preußen, die nun im Nachtkampf die Anhöhen besetzen konnten.1576 Der knappe Sieg in der Schlacht von Torgau am 3. November 1760 brachte den Preußen schwerste Verluste bei. Indem sie sich vorsichtig zurückzogen, ließen die Österreicher keine Vernichtungsschlacht entstehen, die Friedrich II. intendiert hatte. Für eine entschlossene Verfolgung und Zerstörung der österreichischen Armee besaß auch der preußische König keine ausreichenden Truppen mehr. Nach der Schlacht von Torgau war seine Position durch den hohen Blutzoll noch schlechter als zuvor, und sein Ziel, das Kurfürstentum Sachsen für sich zu gewinnen, hatte er ebensowenig erreicht, wie im Juli desselben Jahres, als er an der Inbesitznahme Dresdens gescheitert war. Friedrichs beinahe aussichtslose Lage konnte sich nur noch durch ein weiteres Wunder verbessern: Der Tod der Zarin Elisabeth und der Regierungsantritt ihres Neffen, Peters III., der ein glühender Bewunderer des preußischen Königs war und sofort die Fronten wechselte, führte zur Wiedererstarkung Preußens. Dieses „Mirakel des Hauses Brandenburg“ rettete Friedrich II. vor der Niederlage, der er bereits ins Auge geblickt hatte. Dass sich die Waagschale zugunsten Preußens neigen würde, war am 3. November nicht zu ahnen. Die hier detailliert beschriebenen Begebenheiten im Vorfeld jener als Entscheidungsschlacht anvisierten Schlacht von Torgau zeigen die große Bedeutung von gesicherten Informationen und die Auswirkungen bei mangelhafter Nachrichtenlage. Wie sehr Friedrich II. geheimdiplomatische Mittel anwandte, beweisen auch die in Sachsen entlarvten preußischen Spione, die nur die Spitze des Eisberges sein dürften. Ein Mann ist in den sächsischen Akten besonders ausführlich dargestellt worden: Christian Friedrich Hertzer. 1575 Ebd., S. 54. 1576 Vgl. ebd., S. 107 f.

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Der „berüchtigte“ preußische Spion Hertzer Unter allen Spionagefällen ist der Fall Hertzer am besten belegt. 1760 wurde Christian Friedrich Hertzer erstmals aktenkundig, als er bei Prinz Xaver von Sachsen um Versorgung in Sachsen gebeten hatte.1577 Auf sein Ansuchen hin wurde nun im Vertrauen recherchiert, ob Hertzer ein „getreuer Sachse“ im Kriege war. Hertzer jedoch sollte man „noch nicht davon Lermen machen“. Der zuständige Auditor bezeichnete ihn als einen „fast allenthalben berufenen Preuß. Handels-Espion, der dem Vernehmen nach zum Nachtheil hiesiger Lande und Unterthanen schon vieles Unheil gestifftet“.1578 Er habe aus Preußen seinen Abschied als Sekretär genommen und werde sich solange in Krugsreuth bei Adorf1579 und in Plauen aufhalten, bis die Relation von Prinz Xaver zurückkomme. Daraufhin sollten drei Militärangehörige (Hauptmann von Ehrenstein in Adorf, Rittmeister von Theler in Oelsnitz und Kapitän von Schlieben in Plauen) sich Hertzers Person, seiner Effecten und Schriften mit Vorsicht „alsbald zu verführen suchen“. Am 27.  Oktober erhielt der Hauptmann von Ehrenstein den Befehl, mit sechs Soldaten Hertzer in Adorf in aller Stille zu arretieren. Falls er in Krugsreuth sei, sollte der Leutnant Tropitzsch dahin kommandiert werden, der den Gerichtsherrn Baron von Zedtwitz darüber informieren möge. Diese Instruktion erhielten auch der Hauptmann von Schlieben in Plauen und der Major August Stanislaus von der Goltz in Schneeberg, denn man wusste nicht, ob sich Hertzer etwa bei seinem Vater in Plauen aufhielte, der mit Papier handelte. Auch war bekannt, dass Hertzer soeben mit zwei Pferden in Schneeberg war und Ortskenntnis zeigte. Er gäbe sich als ein sächsischer gedienter Feldscherer unter dem Rochowitzischen Regiment aus, aber niemand erinnere sich an seinen Dienst. Laut Befehl sollte Hertzer nach Oelsnitz oder Reichenbach geschafft werden. Zur Beschreibung gab man den Hinweis, dass Hertzer unter der Perücke rote Haare trage, klein und dick sei und Sommersprossen habe. Alles solle mit Vorsicht geschehen, „daß nicht etwa der Vogel entfliehen möge“. Schlieben schrieb aus Plauen, er zweifele, dass Hertzer sich in Plauen aufhalte, weil er dort großes Renommee genieße und allzu bekannt sei und weil die Stadt voller Kriegsgefangener und Kommandierter sei. Am 29. Oktober gelang die Arretierung in Krugsreuth. Bei seinem Bedienten fand man etliche Reichstaler. Die Liste der Sachen von Hertzer reichte von Kleidungsstücken über zwei Pistolen bis zum Reitzubehör für seine zwei Pferde. Man brachte Hertzer nach Oelsnitz. Ein preußischer Major hatte sich in Hertzers Haus einquartiert. Nach zwei Tagen kamen ein Koffer und 120 Reichstaler für Hertzer auf der Post an sowie 1577 Für den folgenden Abschnitt vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/9. 1578 Ebd., f. 1. 1579 Krugsreuth ist eine Gemeinde im Bezirk Asch zwischen dem vogtländischen Adorf und Selb in Franken. Dieser Bezirk liegt heute auf tschechischem Territorium.

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100 Gewehre bei seinem Schwager, der gleichfalls Papiermacher war. Der Landkammerrat von Beust schrieb: „Der Fang des berüchtigten Land-Verräthers und Preuß. Spions Hertzers hat mich ungemein erfreuet […] bin über die gemeldete Victorie ganz ausser mir; Te deum laudamus“.1580

Hertzers Briefe wurden nun geöffnet und offenbarten seine Tätigkeit. In einem Schreiben an seinen Vetter berichtete er von einer hitzigen Schlacht mit Kanonade über zweieinhalb Tage hindurch. Hertzer wusste von 4.000 Gefangenen, darunter drei Generälen, und der Erbeutung von vier Batterien mit 36 Kanonen. Er habe jedoch noch keinen Brief vom Doktor bekommen, der ihn offenbar mit weiteren Nachrichten versorgen würde. Ansonsten tauschte er sich mit Bergwerksmeistern über Mineralien aus. In einem Rapport vom 13. Januar 1761 wird über das Ergebnis der Verhöre berichtet und lässt sich noch mit seinem umfangreichen Geständnis von 1770 ergänzen.1581 Christian Friedrich Hertzer war 32 Jahre alt, von Beruf Chirurg, hat sich nachher der Metallurgie gewidmet, bevor er in Kriegsdienste trat. Als er 1757 hörte, dass der Prinz Moritz von Anhalt-Dessau einen Anschlag auf Eger plante, verriet er das dem dortigen Kommandanten und wollte aus der preußischem Armee in kaiserlichen Dienst treten. In Prag hat man ihn als preußischen Parteigänger verhaftet, musste ihn aber mangels Überführung freilassen. Sodann wurde er in Leipzig angehalten und gefragt, ob er lieber in der preußischen Armee oder in Magdeburg dienen wolle. Als Sekretär bei der preußischen Kriegskanzlei habe er für monatlich 15 Reichstaler keine geheimen Angelegenheiten erledigt, sondern nur ordinäre Briefe kopiert und portofrei nach Preußen transportieren lassen. Mitte 1760 habe er vom Leipziger Kommandanten Keller Befehl erhalten, die sich in Altenburg versteckt haltenden Kaufleute aufzuheben, die er aber entwischen ließ. Es verlangte ihn danach, in sächsische Dienste zu wechseln, aber bereits auf dem Weg zu seinem Regiment war er in Adorf verhaftet worden. Am 10. November bat Hertzer um Begnadigung: „Ich habe nichts gethan, und muß so sehr leiden“. Seine redliche Gesinnung sei nicht strafbar, und er habe dem Vaterland vielen Nutzen getan. Er sei in preußische Dienste teils gezwungen worden und teils aus Not geraten und sitze nun seit 14 Tagen ein und wüsste nicht, warum. Er wolle wieder in sächsische Dienste und bitte um ein bisschen Wäsche. Als Reaktion auf dieses Flehen wurde sein Verpflegungsgeld leicht heraufgesetzt. Die Verhöre gingen unterdessen weiter. Ein Bamberger Proviantamtssekretär bat darum, dass Hertzer über einen bayreuthischen Spion befragt werden sollte, dessen Namen er kennen müsste. So wurde er mit einem Transport nach Würzburg zum sächsischen Corps gebracht. Die Kooperation Kursachsens mit dem Fürstbischof von Bamberg und Würzburg erklärt sich durch die religiöse Strenge des Herrschers, Augusts III., und eventuell das soeben beginnende Bemühen des jüngsten wettinischen Prinzen Clemens Wenzelslaus um eine 1580 Ebd., Brief des Landkammerrats von Beust, 1. November 1760, f. 21. 1581 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/7, Bericht, 9. März 1770, f. 76–107.

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Position im geistlichen Stand.1582 Durch die Befragung Hertzers in Würzburg konnte ein organisierter Spionagering in Bayreuth vom Jahr 1759 aufgedeckt werden, auf den im nächsten Kapitel noch genauer eingegangen wird. Christian Friedrich Hertzer gelang es durch diese Amtshilfe von der Festung loszukommen. Der Würzburger Oberauditor notierte, dass man bei Hertzer weder Bargeld noch verdächtige Briefschaften gefunden hatte. Er beklagte sich, dass einige Dinge in seinem doppelt versiegelten Koffer fehlten: eine silberne Petschaft, den Abschied und Pass aus preußischen Diensten, eine Landkarte usw. Anbei legte er eine Aufstellung mit 20 Dingen, wie Porzellan, Mikroskop, Gewichte, Knöpfe, Pistolen, wertvolle Dosen und Ringe und eine Uhr.1583 Auch habe er nicht die 33 Reichstaler für seine gewaltsam genommenen und verkauften zwei Pferde erhalten und wolle Klage darüber führen. Zugleich kämpfte er auch mit privaten Schwierigkeiten, denn seine Frau war ihm während der Haft entwichen und zu einem Kapitän Arenswald in Berlin gezogen, der ihr die Ehe versprochen hatte.1584 Hertzer wurde aber nicht auf freien Fuß gesetzt, sondern zur französischen Armee abgeliefert, auf die Festung Petit-Pierre im Elsass gebracht und dort bis zum Januar 1763 detiniert. Nach seiner Entlassung blieb er einige Zeit in Frankfurt am Main, um sich dann über Bayreuth und Sachsen nach Berlin zu wenden. Er reiste mit dem Obristen von Anhalt über die Niederlande nach Frankreich, wo er Plätze, Passagen und Flussübergänge in Augenschein nahm und mit den Ingenieuroffizieren Heron, Solerol und Chivert sondierte, um sie als Informanten für den preußischen König zu gewinnen. Weil er den Befehl des preußischen Königs auf eine neuerliche Reise nach Spanien verweigerte, erhielt er den Charakter eines Vizedirektors der Clevischen Lotterie. Allerdings ließ er sich überreden, als Bergwerksinspektor nach Schlesien zu gehen und Kobalterze in Kupferberg aufzusuchen.1585 Wegen zu geringer Erträge überwarf er sich aber mit dem dirigierenden Minister in Schlesien, Ernst Wilhelm von Schlabrendorf. Hertzer habe nun erneut in die preußische Armee eintreten wollen und sich bis zur Einberufung in Sachsen bei seinen Verwandten auf den Papiermühlen in Kirchberg 1582 Dieser Wettiner orientierte sich nach der Schlacht von Torgau (3. November 1760) wegen körperlicher Gebrechen um und erhielt seine Tonsur am 17. Mai 1761. Vgl. „Clemens Wenceslaus“ von Franz Xaver Kraus, in: ADB, Bd. 4 (1876), S. 309–314. 1583 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/10, Christian Friedrich Hertzer an Obristleutnant, 20. März 1762, unfol. 1584 In seinem Brief an Arenswald wird Hertzers Charakter greifbar: er liebe seine Frau und erlebt den nächsten Monat nicht, wenn Arenswald ihm nicht die Frau zurückschicke. Er wisse noch nicht, was sie für einen Vogel hätte und dass sie voll Niedertracht und verstellter Frömmigkeit sei. Er habe nachgeforscht, dass sie als bezahlte Hure bekannt sei. In einem Atemzug schwärmt er voller Liebe, im nächsten verflucht er die eben Angebetete. Vgl. ebd., unfol. Über die Identität Arenswaldes kann nur spekuliert werden. Möglicherweise ist es Gottlieb Georg Ernst Freiherr von Arenswald, Kapitän der sächsischen Leibgrenadiergarde, der 1781 Suizid beging. Vgl. SächsHStAD, 11326 Kriegsgerichte der Infanterieformationen bis 1867, Nr. 1748. Zum Stammbaum der Familie Arenswald vgl. URL: http://www.arnswald.de/name.html [22.10.2020; ASR]. 1585 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/8, f. 7b.

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und Leubnitz aufgehalten. Als er aber vom preußischen König keine Antwort erhalten hatte, schrieb er erneut an Prinz Xaver, um sich ihm oder nötigenfalls der französischen Armee anzudienen. Dadurch geriet er wieder ins Visier der Sachsen. Am 27. Juli 1767 erhielt der Kammerpräsident von Poigk folgende Nachricht: Es ist angezeigt worden, daß der währenden letzten Krieges als ein gefährlicher Landes-Verräther und Spion berüchtigte Hertzer vor einiger Zeit in hiesigen Landen als ein angeblicher Preußischer Bergwercks-Inspector wieder zum Vorschein gekommen sey, und sich in dem unterm Amte Wiesenburg gelegenen Städtgen Kirchberg aufhalten solle, ohne daß man zur Zeit wüßte, was sein Bewerb und Hanthierung sey. Nachdem iedoch soviel in zuverläßige Erfahrung gebracht worden, daß gedachter Hertzer fast alle Wochen auf der Post theils Briefe, theils Paquets an den Grafen von Anhalt in das Brandenburgische abführt, welche von Kirchberg über Zwickau und Leipzig in das Brandenburgische abliefen, alß ist resolvirt worden, daß auf diese Briefe und Paquets durch das Ober-Post-Amt in Leipzig genaue Obsicht getragen, solche zurückbehalten und zum Churfürstl. Cammer-Collegiis, von diesem aber weiter, und zwar uneröfnet eingesendet werden sollten.1586

Man vermutete, dass Hertzer Teil einer Bande sei, zu der auch der Zwickauer Postmeister Lots gehört haben soll, durch den der preußische König einige Leute verschickte, die blaue Farbe und Porzellanerde ins Brandenburgische schafften.1587 Mit diesem Verdacht der Wirtschaftsspionage wurde der politische Spion Hertzer nun in Zusammenhang gebracht. Ihm traute man beinahe alles zu, und er ließ an seiner Untreue auch keinen Zweifel. Sich seiner Bedeutung als Wissensträger bewusst, setzte er den Kurfürsten unter Druck: Wenn er in Sachsen nicht versorgt würde, wollte er in Frankreich Offiziere aufsuchen, die ihm die Pläne von den französischen Festungen schicken und im letzten Krieg alle Nachrichten gegeben hätten. Er hätte auch einen Bekannten namens Ranis, der im Chiffrieren geübt sei; es könnte sich hierbei um den königlichen Fechtmeister handeln, von dem eine kryptologische Abhandlung im Archiv überliefert ist.1588 Hertzer ging noch weiter: Wenn er Gehalt und Titel in Sachsen erhielte und seine Schulden in Höhe von 6.000 Taler beglichen würden, käme er gern in sächsische Dienste.1589 Über sein Angebot, als Doppelagent für Sachsen zu arbeiten, ist aber keine Reaktion Kursachsens aktenkundig. Da zwei belastende Briefe direkt in die Hände der Untersuchungskommission gelangten, schien Hertzers Landesverrat belegt. Hertzer kam am 8. September 1767 auf die Festung Königstein. Am 16. September 1767 verfügte Prinz Xaver, dass „besagten Hertzers fortdauernde Detention auf dem Königstein noch zur Zeit verborgen gehalten, vielmehr dem davon dem Vernehmen

1586 SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/11, Befehl an Kammerpräsident von Poigk, 27. Juli 1767, unfol. 1587 Vgl. ebd., Bericht des Carl Friedrich von Graffen, 24. Juli1767, unfol. 1588 Vgl. SächsHStAD, 13540 Materialien zur älteren Landes- und Ortsgeschichte Sachsens, Nr. 51; 10026 GK, Loc. 1406/8, f. 8. 1589 Vgl. 10026 GK, Loc. 1406/8, f. 9.

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nach schon unterrichteten Publico, als ob derselbe von dar wieder über die Grenze nach Böhmen geschafft worden wäre, beygebracht wißen wollen“.1590 Auch sollte der Adjutant glaubhaft machen, dass ihm unbekannt war, wohin sich Hertzer als nächstes gewendet hatte. Die Inhaftierung der Person Hertzers erschien Kursachsen offenbar so brisant, dass sie für ihn im weiteren Verlauf ab 24. September ein Pseudonym einführten – Hertzer wurde in Quittungen nun als „Variani“ geführt.1591 Er selbst beschwerte sich später, man habe ihm seinen angeborenen Namen geraubt und unmenschliche satanische Grausamkeiten an ihm ausgeübt.1592 Für die Unterbringung Hertzers wurde ein Zimmer vorgeschrieben, „wovon die Fenster nicht auf die Festung herein sondern hinauswärts gehen“ und wo ein absolutes Kommunikationsverbot durchgesetzt werden konnte. Auf dem Königstein hat Hertzer tatsächlich nur den Garnisonsmedicus, den Festungswachtmeister Uhle und den Profos1593 Weltzer als Bedienung gesehen.1594 Die Quittung über das Verpflegungsgeld notiert „funffzig Thaler zu einem gewißten Behuff “.1595 Im Verlauf seiner Haft bat Hertzer darum, sich selbst rasieren zu dürfen und Hamburger Zeitungen zu erhalten, da er eine Anzeige an seine Frau hineingesetzt habe. In der Hoffnung auf Verschonung schrieb der Inhaftierte an Prinz Xaver am 30. November einen Brief, in dem er allerlei Wissen preisgab. Ein kursächsischer Vasall ziehe verschiedene Untertanen, darunter Mechaniker, nach Polen, von denen einer „einen importanten Vortheil und Geheimnüß des Artillerie Wesen betreffend besitzet, wofür in einen gewißen Staat, ein großes Praemium zur Belohnung für dieses Secret ausgesezet worden“ sei. Das Reisegeld nach Polen komme von einem Kommissionär in Dresden, der bei einem kurfürstlichen Collegium in Diensten stehe. Genauere briefliche Nachricht wolle Hertzer nach seiner Entlassung aus dem Arrest geben, und er wisse auch von anderen nachteiligen Umständen in Dresden, die er vor Ort genauer recherchieren müsse. Bei Entlassung wolle er auch andere „importante und reelle Dinge zu leisten“ bereit sein, aber er sei schon einmal nicht angehört worden, wodurch „unersezlicher Schaden und Nachtheil verursachet“ worden sei. In der Haft habe er seine Gesundheit schon verloren, klagt er weiter, denn die Härte des Arrests „naget mir das Herz ab“.1596 Seine Freilassung hat Hertzer mit diesen Andeutungen nicht erreicht, wohl aber durfte er Zeitungen lesen. Als Doppelspion wurde er nicht akquiriert. Am 15. April 1768 (nach der Gefangenenliste im Festungsarchiv von Königstein am 18. März1597) wurde sein Sekretär Hübler arretiert. Seine Verhaftung versuchte Hübler zu verschleiern, indem 1590 SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14606/15, f. 7. 1591 Ebd., f. 74; FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 71. 1592 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 1406/7, Hertzer an Kurfürst Friedrich August III., 27. Juni 1770, f. 161. 1593 Ein für Strafsachen zuständiges Mitglied des Militärs. 1594 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14606/15, f. 150. 1595 Ebd., f. 11. 1596 SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14606/15, f. 26 f. 1597 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 72.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

er seinem Buchhalter gegenüber eine wichtige und eilige Reise nach Prag vorgab.1598 Im Februar 1769 hielt es der neue Kurfürst Friedrich August III., der später den Beinamen „der Gerechte“ erhielt, für nötig, dem Arrestaten Hübler schriftlich seine Anklage vorzulegen, zu der er Stellung nehmen könne. Seine Antwort solle er an den Kabinettsminister und Staatssekretär des Innern, Freiherrn Leopold Nicolaus von Ende, adressieren.1599 Am 16. März notiert der Adjutant, dass die Antwort in einem „ziemlich starcken Paquet bestanden“ hat und versiegelt an von Ende abgegeben wurde. Aber erst viel später, nach insgesamt neuneinhalb Jahren Haft, kam Hübler am 27. August 1777 nach geleisteter Urfehde wieder auf freien Fuß.1600 Hertzer kooperierte und stand in einem umfangreichen Verhör Rede und Antwort. Was ist von Hertzers Geständnis zu halten? Die Kommission fand im Abgleich seiner zahlreichen Aussagen etliche Ungereimtheiten und konfrontierte ihn damit, so dass er punktuell einige Eingeständnisse zu fingierten Angaben machen musste. Obwohl er 1760 dem Prinzen Xaver seinen Dienst angeboten hatte, habe er am 16. Juli 1767 beim preußischen König rückständige Gelder für die Zeit von 1760 bis Juni 1763 eingefordert. Auch habe er selbst vorgeschlagen, Erze und Porzellanerde im Schlesischen zu suchen. Das überführe ihn als Spion, und Hertzer gab auf die Frage, was ihn bewogen habe, die Geheimnisse seines Vaterlandes zu verraten, zur Antwort „aus Geldbegierde“.1601 Die Kommissare bescheinigten Hertzer, sein „gefährlicher Gemüths-Character“ und „Wanckelmuth“ seien unverbesserlich, denn dieser „berüchtigte Landesverräther“ habe eine „Erzählung“ seines Lebens geliefert.1602 Er sei statt der bisherigen kostbaren Unterbringung in aller Stille auf Lebenszeit in ein Zuchthaus einzuweisen, empfahlen sie dem Kurfüsten. Dieser hielt sich wie bereits erwähnt aber nicht daran, sondern verwies Hertzer am 24. April 1770 nach abgelegter Urfehde, also beeidetem Fehdeverzicht, mit einem Reisegeld über die Grenze nach Böhmen. Falls er Sachsen je wieder betrete, erwarte ihn lebenslanges Zuchthaus. Von Böhmen aus dankte Hertzer seinem Befreier und dem Generalfeldmarschall, dem Chevalier de Saxe Johann Georg für die Order „wegen des mir zugestoßenen Unfalls“. Nachdem er sich nach Hof gewendet hatte, schrieb er abermals ans Gouvernement und bat um die bislang zurückbehaltenen Schriften. Im gleichen Atemzug beschuldigte Hertzer den Feldscherer der Festung Königstein, dass dieser eines Tages versucht habe, ihn mit Opium statt einer Medizin zu seinen Leibschmerzen zu vergiften.1603 Die Papiere wurden im Oktober an das preußische Ministerium übersandt, die Verhöre der Festungsärzte wegen des ver1598 1599 1600 1601

Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14606/15, f. 68. Vgl. ebd., f. 73. Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 72. SächsHStAD, 10026 GK, Der auf der Bergfestung Königstein unter dem Namen Variani detinierte Christian Friedrich Hertzer, 1767 ff., Bericht, 9. März 1770, Loc. 1406/7, f. 76–107, 99. 1602 Ebd., f. 95b, 102, 106. 1603 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/7, Hertzer an Kurfürst Friedrich August III., 27. Juni 1770, f. 161.

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meintlichen Attentats aber brachten keine Erhellung.1604 Vielmehr wunderte man sich, warum Hertzer nicht früher davon Kunde gegeben hat. Hertzer sagte aus, man habe ihm verboten, Beschwerden einzureichen. Da Hertzer in einem Privatschreiben aber bezüglich des Feldscherers zugab: „dieser Papillon hat mich viel geärgert“, ist von einer falschen Denunziation aus Rache auszugehen.1605 Das preußische Spionagenetz Die Befragung Hertzers brachte ein erstaunliches Spionagenetzwerk ans Tageslicht, das erneut beweist, welchen Aufwand Friedrich II. von Preußen in der Geheimdiplomatie betrieb, um hinter die Geheimnisse der Österreicher zu gelangen. Das überlieferte sechsseitige Fragment des Verhörprotokolls enthält nur lückenhafte und angedeutete Informationen, so dass der Zusammenhang durch weitere Recherchen und Kombination hergestellt werden musste.1606 Aus der Quelle sind folgende, teils zusammenhangslos erwähnte Fakten herauszulesen: Zwei Jäger namens Müller und Seyfried sowie ein Kammerdiener Lohwasser organisierten von Bayreuth aus die Verteilung von Nachrichten aus verschiedenen Kanälen. Zum einen berichtete ein Gesandter vom Gothaischen Hof in Wien, zum anderen der holländische Offizier Schenk.1607 Die Nachrichten wurden über den Sekretär Hoffman in Ilmenau an den Kanzler Rüxleben nach Gotha geleitet, aber ebenso nach Bayreuth, Altenburg und an den preußischen Gesandten am Reichstag zu Regensburg, Ernst Christoph von Plotho, gemeldet. Diese Zusammenstellung beruht auf einem erstaunlichen Spionagenetz. Der Jäger Müller war vom bayreuthischen Markgrafen Friedrich III. nach Zwickau zu General Prinz Heinrich von Preußen gekommen, dem Bruder Friedrichs II. Der Jäger habe ihn von der „Position des von Zweibrücken“ informiert, womit der Glaubenswechsel Christians IV. von Pfalz-Zweibrücken gemeint sein mag oder auch der Umstand, dass dessen Neffe Karl August sich von Österreich abwandte, nachdem man ihm die erhoffte habsburgische Prinzessin verweigerte. Weiterhin habe Hertzer ihm Nachrichten des von Plotho über das Reichsheer weitergeleitet. Dieser wiederum hatte seine Informationen aus mehreren Quellen. Kaufmann Scharnau und Kaufmann Lebau in Leipzig haben dem preußischen Kommandanten Keller Nachrichten verschafft und im Gegenzug Geld von ihm bekommen. Auch ein Apotheker namens Gallisch ist im Netzwerk zu finden. Nicht zu vergessen ist der Hinweis, dass „die preußischen Offiziersweiber in Sachsen“ auch Nachrichten lieferten. Bei 1604 1605 1606 1607

Vgl. ebd., Protokoll, 11. August 1770, f. 203. Ebd., Hertzer an Obristleutnant Hermann, 22. Oktober 1770, f. 228. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 4607/9, Relation von Hertzer, f. 22–24. Von Gothaer Akten her konnte das Spionagenetzwerk nicht erhellt werden, denn zu den betreffenden Jahren erwähnen die Berichte des herzoglichen Gesandten Rehboom vom Wiener Hof keinen der Namen. Vgl. ThStAG, GA, AAA III, Nr. 28 und Nr. 29.

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der französischen Armee hielten sich zudem zwei Volontäre als Offiziere auf, einer aus Cleve, der andere aus Westfalen. Sie gaben Nachricht an Preußen oder direkt an Prinz Heinrich und hätten den Operationsplan mitgebracht, wie es heißt. Man hatte sie im Hauptquartier in Leipzig im Frühjahr 1760 gesehen. Dadurch, so wird im Protokoll vermerkt, habe Prinz Heinrich von Preußen den in der Quelle so bezeichneten „Coup von Münchberg“ schaffen können. 1759 hatte Friedrich  II. eine defensive Strategie verfolgt und seinem Bruder aufgetragen, die Vereinigung der Reichsarmee mit der österreichischen Armee in Franken zu verhindern. Die von Prinz Heinrich vollführte Zangenbewegung hätte bei Kulmbach fast die Reichsarmee eingeschlossen.1608 Seine Kriegführung richtete sich daran aus, den Gegner auszumanövrieren und seinen Nachschub abzuschneiden bzw. zu vernichten. Das bewerkstelligte er durch rasche Märsche und absolute Geheimhaltung seiner Vorhaben, was soweit führte, dass er seine Bataillone in Bewegung setzte, ohne den Generälen genaue Zielpunkte zu nennen, sondern ihnen erst in letzter Minute ihre exakten Weisungen zu erteilen.1609 Prinz Heinrich organisierte ein Netzwerk von Kundschaftern, die ihm verlässliche Nachrichten lieferten, aber weitestgehend anonym blieben.1610 Durch die hier ausgewertete Quelle gewinnt dieses Informationssystem nun an Kontur. Einige Personalien konnten durch weitere Recherchen ermittelt werden. So ist die Identität der Adeligen und Militärs unzweifelhaft. Lediglich der holländische Offizier Schenk konnte nicht näher identifiziert werden. Allerdings scheint es sich bei dem erwähnten Kammerdiener Lohwasser um den späteren Stallmeister des preußischen Gesandten Ernst Christoph von Plotho zu handeln, der sich 1764 auf dessen Fourirliste bei der Wahlbotschaft zur Krönung Josephs II. zum Kaiser befand.1611 Werden die Bruchstücke in einen logischen Zusammenhang gebracht, wird ein Informationsnetz offenbar (Grafik 30). Erst durch die rekonstruierten Kommunikationswege wird das Spionagenetzwerk verständlich. Die beabsichtigte direkte Übermittlung Wien-Gotha und Wien-Altenburg (gestrichelte Kanten) konnte deshalb torpediert werden, weil die Post durch preußisches Gebiet musste, wenn man nicht den langen Umweg über Böhmen und Kursachsen nutzen wollte.

1608 Vgl. Omlohr, Erik: Die Invasion des Hochstifts und die Besetzung Bambergs durch das preußische Détachement von Driesen 1758, Norderstedt 2007, S. 114; Leipold, Andreas: Der Siebenjährige Krieg in Oberfranken. Unter besonderer Berücksichtigung der Plünderungen der Bischofsstadt Bamberg, Hamburg 2009, S. 14. 1609 Vgl. Lloyd, Henry: Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland, Bd. 3: 1759, Berlin 1787, S. 13. 1610 In Lloyds Darstellung werden fast einhundert Mal Nachrichten erwähnt, die von verlässlichen Personen dem Prinzen Heinrich zugetragen wurden. Vgl. ebd., S. 86, 139, 140, 263, 277, 315, 320, 322, 323, 329. 1611 Vgl. Ausführliches Diarium wie sowohl der churfürstliche Collegial-Tag als auch die Wahl und Krönung Ihro königlich-römischen Majestät Josephi des Andern in der Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn in dem Jahr 1764 vollzogen worden, Mainz 1767, S. 57.

4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

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Grafik 30: Netzwerk des Jägers Müller

Es ist sofort ersichtlich, dass Preußen (grüne Gruppe) die meisten Personen im Netzwerk besaß und seine Informationen aus Leipzig, Wien, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha-Altenburg, der französischen und der holländischen Armee bezog. Umschlagplatz der Nachrichten war Bayreuth, wo die Nachrichten aus Wien auf dem Weg nach Gotha bzw. Altenburg abgefangen und an den Reichstagsgesandten von Plotho sowie den General Prinz Heinrich weitergeleitet wurden. Inwiefern Gotha von dieser Praxis Kenntnis bekam, darüber konnte in den Akten des Staatsarchivs Gotha kein weiterer Hinweis gefunden werden. Da Ilmenau auf der Strecke zwischen Wien und Gotha liegt, war die Übermittlung durch Ilmenau relativ unverdächtig. Andererseits erscheint es seltsam, dass die Post aus dem nicht befreundeten Sachsen-Weimar von einem Sekretär direkt an den Kanzler ging. Zudem irritiert die Formulierung Hertzers, es habe die Order geheißen, auf die Korrespondenz Rüxlebens sei „Obacht zu nehmen“.1612 Inwiefern hier eventuell an eine Illoyalität des Kanzlers gedacht werden kann, ist schwer nachprüfbar. Über den Kanzler Rüxleben ist aus jener Zeit nicht einmal eine eigene Akte verzeichnet.1613 Darüber, ob dieser Umstand die Folge einer Vertuschungsaktion oder anderer (Kriegs-) 1612 SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1406/9, f. 23. 1613 Vgl. ThStAG, GA, UU I. Es ist lediglich eine Pension für die Geheime Rätin von Rüxleben 1770 erwähnt. Die Bestallung als Gothaer Hofrat im Jahr 1732 aus Quedlinburgischen Diensten heraus „in Ansehung seiner uns geleisteten Dienste“ findet sich in ThStAG, OHMA, Nr. 145, f. 1.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Einwirkungen ist, konnte das Gothaer Archiv leider keine Aussage treffen. Jedoch ist das Fehlen von Unterlagen über einen Kanzler zumindest beachtenswert. Wenn aber Rüxleben aus persönlichen oder anderen Gründen seine Briefe ganz regulär über Ilmenau erhielt und Gotha keinen Verdacht schöpfte, dass die Post interzipiert worden war, bleibt dennoch die Frage offen, ob nicht etwa die Ermittlungsbehörden nach dem Verhör Hertzers wenigstens Nachricht an Gotha gaben. Die Brandenburg-Bayreuther hatten wegen der antipreußischen Einstellung Sachsen-Gothas und mangels familiärer Verbindungen keine Veranlassung. Auch dürfte Kursachsen seine erlangte Information wegen der bestehenden Konflikte mit Sachsen-Gotha-Altenburg kaum weitergegeben haben. Die Hintergründe, warum Sachsen-Weimar von den Preußen begünstigt wurde, liegen in der Verwandtschaft begründet – Im Gegensatz zu Gotha bestanden zwischen Weimar und den Hohenzollern seit 1681 enge Familienbeziehungen. Zudem trennte Gotha und Weimar weit mehr als nur 50 km, da zwischen diesen ernestinischen Linien eine tiefe Kluft herrschte, die auch in den vermieden Vermählungen ersichtlich ist. Eine Weitergabe der bei der Postinterzeption gewonnenen Informationen auch an Dresden, das gleichfalls mit den Herzögen von Sachsen-Gotha-Altenburg auf Kriegsfuß stand, verbot sich aus preußischer Sicht wegen der feindlichen Beziehungen zwischen Preußen und Kursachsen. Wegen seiner zentralen Position im Netzwerk musste der Jäger Müller häufig den Namen wechseln. Er konnte sich darauf verlassen, dass ein Postmeister ihm „durch Schleiffwege“ hindurchhalf und dass ein Sekretär von der Altenburger Regierung ihm zur Seite stand. Hertzer berichtete auch, dass die Altenburgische und Gothaische Ordonanz (Gefechtsaufstellung) brieflich über Gera und Kahla wöchentlich zweimal hinund hergeschickt wurde. Offenbar waren die Preußen im Besitz wichtiger militärischer Nachrichten der thüringischen Herzöge. Der Aufklärung feindlicher Spionage ist im Krieg große Bedeutung beizumessen, da sich die Informationslage im Erfolgsfall deutlich zu den eigenen Gunsten verändern kann. Insofern brachte die mehrfache Verhaftung Hertzers und dessen umfängliche Aussage für Sachsen einen gewissen Vorteil mit sich. Überhaupt waren die Sachsen im Ergreifen von Spionen während des Siebenjährigen Krieges recht erfolgreich: neben Hertzer gelang 1757 in Plauen die Ergreifung des preußischen Rittmeisters Padra, der als Spion zur Exekution nach Prag geschafft und durch unbekannte Vermittlung begnadigt wurde. Auch einen gewissen Avenarius, einen preußischen Advokat und Resident in Mühlhausen, der Nachrichten an die preußische Armee gab, konnten die Sachsen entlarven. Allerdings hatte dieser Spion zuvor einigen Erfolg gehabt, denn er schrieb im Winter 1757 an Generalleutnant von Zieten, dass 800 Remonte-Pferde1614 für die kaiserliche Armee Langensalza passieren würden, woraufhin diese Pferde durch ein Husarenkommando aufgehoben wurden und ihren Bestimmungsort nicht erreichten.

1614 Pferde in der Grundausbildung der Kavallerieschule.

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Friedrich II. klagte offenbar deshalb nie über die aufgefangenen Spione, weil sich die Schwächung Preußens und die positive Wirkung für Sachsen in Grenzen hielt. Geheimbriefe im Siebenjährigen Krieg Neben der Aussage von Spionen sind auch einige Quellen überliefert, die zeigen, auf welche Weise Sachsen-Polen seine politischen Geheimnisse vor den Gegnern zu verbergen suchte. Auf dem Deckblatt einer Akte von 1759 steht die Notiz eines Archivars, er sei genötigt gewesen, die Briefe von Geheimrat Baron Johann Georg von Ponickau aus dem Jahr 1758 zu verbrennen. Erhalten haben sich jedoch vier anonyme Briefe vom Juli 1759 an jenen sächsischen Gesandten in Regensburg, bei denen zwischen den Zeilen einer unverfänglichen deutschen Mitteilung mit anderer Tinte militärische Nachrichten auf französisch stehen.1615 Die anonymen Briefe sind unterzeichnet mit „ergebenster Freund und Diener X.“ oder „ergebenster Diener Z.“1616 Zur besseren Veranschaulichung sei an dieser Stelle ein Auszug eingefügt.1617 Tabelle 28: Auszug aus einem Geheimbrief von 1759 Text der Klarschrift

Text der verborgenen Schrift

G. den 18.ten Jul. 759 als den 15.ten Tag meines Arrestes. Ich bediene mich dieser Gelegenheit, nachdem unser Brief Wechßel letzthin unterbrochen worden, Ihnen zu melden, daß ich noch immer hier zu meinem großen Leidwesen aufgehalten werde, ja es scheint noch nicht daß ich so gleich möchte erloeset werden, indem noch nicht Zeugen genug da seyn, welche die Sache, ohne zu risquieren, in ihr völliges Licht setzen können. Diese Behutsamkeit dient zwar wohl entlich zu meiner künfftigen Sicherheit, da wir aber alle sterbliche Menschen seyn, so befürchte ich sehr wahrscheinlich, da’ich erst crepiren und so dann frey gesprochen werde werden. Zu der Not läst man mich so Hunger und Noth leyden, daß ich ehester Tagen aus Verzweiflung entspringen und davon laufen, oder gar Hertz genug bekommen werde, meinen Gegner zu trotzen. Wie froh will ich seyn wenn ich Ihnen werde, obschon mit bleichen und magern Angesicht mündlcih werde sagen können ich sey Ew. Hochdl. treuergebenster Freund und Diener X.

Gestern ist das Corps de reserve nebst denen Grenadiers nach Oberlichtenau marchirt. An eben diesen Tag hat Har[r]ach mit 36000 M Ober Landthut [Landeshut] den Fouqué coute qui coute angreifen sollen. Die Nachricht vom Ausgange fehlt mir noch. Bey Lauban verschantzt sich Laud[on], das Landvolck wird mit erstaunenden Härte zu Arbeit getrieben. Hadeck [Hadik] steht heute zu Drum. Gen. B. Blunquet od. Guasco bleiben mit Bretlach cuirassier od. Harrach und Hildburghausen Inf. zu Linnay bey Toplitz [Teplitz] und Brentano zu Ossig [Aussig] stehen. Hadeck dürfte wohl übern Schirg[i]swalde aus Bautzen rücken. Hier wird nahesten [nächstens; ASR] das Korn fouragiert werden.

1615 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 959/8, Geheimrat Baron von Ponickaus Briefe von 1759, 18., 20. und 24. Juli 1759, f. 26–30. 1616 Ebd. 1617 Ebd., f. 26, 28.

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Text der Klarschrift

Text der verborgenen Schrift

Gerlachsheim den 20ten Jul. P. S. Ich weiß daß Sie sich recht wundern werden, daß ich mich nach immens in dieser Unglücklichen Gegend aufhalten muß, mit meinen Willen geschiehet es warlich nicht und was noch mehr so ist immer noch kein Anscheinen daß ich unser unge bethenen Gäste von hier loß werde werden. Dieses habe ich Ihnen nur melden wollen, daß Sie aus der Gewißheit kommen, denn viel neues kann ich Ihnen nicht berichten, was altes aber ist es daß ich zeitlebens verharre Ew. ergebenster Diener Z.

Peut etre qu’on saura deja que le C. de Broglis le Cadet a surprise Minden y a fait jusqu’a 1200 presonneurs et pris le Magazin. Gemmingen marche aujourd’hui vers Herrnhut. Hadick est actuellement a Reich[s]stadt, entrera demain ou apresdemain en Alsace [Elsass], se joindra avec le Premier et percera par la Basse Alsace [aussi loin qu’il pourra. Les perance de voir la fin de nos malheurs me fait supporter les prefens avec patiences quoique a vie le vrai onnagae guere avec nous comme des Sujets d’un hoy allié.

Somit scheint es sich um für Sachsen wichtige Kundschaftermitteilungen über Truppenbewegungen bei Rumburk 1759 zu handeln, die auf diese Weise steganographisch vor dem Feind verborgen gehalten wurden und dem sächsischen Reichstagsgesandten übermittelt wurden. Im Vorfeld der Schlacht im schlesischen Kay im Juli 1759 versuchte Friedrich II. von Preußen die Vereinigung der beiden Heere von Österreich und Russland zu verhindern. Das nordböhmische Rumburk liegt an der Grenze zum Kurfürstentum Sachsen, so dass es für sächsische Kundschafter relativ einfach war, Erkundigungen einzuholen. Die in dem Schreiben erwähnten kaiserlichen Militärs (Harrach, Laudon, Hadik, Guasco, Brentano) führten einen erfolgreichen Sommerfeldzug gegen die Preußen, was nicht zuletzt an den unzureichenden Informationen Friedrichs II. lag. Der nach der Schlacht bei Kay zusammengeschlossenen Armee gelang schließlich der große Sieg bei Kunersdorf, durch den der preußische König an den Rand einer völligen Niederlage gebracht wurde. 1759 war, wie aus den Ponickau-Briefen zu ersehen ist, Sachsen über die Stellungen weit besser informiert gewesen als Friedrich II. Leider ist der Absender nicht zu ermitteln, aber aus zwei kurzen Vermerken in der linken oberen Ecke ist zu ersehen, dass die Nachricht jeweils zwei Tage nach der Briefdatierung „über Abradt S. P.“ sowie „über F. B. Stein“ an Ponickau gelangte. Überliefert sind diese Briefe, da sie in den Besitz der Witwe des Obersalzinspektors Johann Zacharias Hermann kamen und von ihr 1803 in Zusammenhang mit einem Bittbrief der sächsischen Kanzlei zurückgegeben wurden. Ihre Familie besaß die Güter Weidlitz und Pannewitz, die nur 10–15 km nordöstlich von Baron von Ponickaus Gütern Pohla, Stacha, Schönbrunn und Taschendorf lagen. Somit ist eine Überlieferung durch die räumliche Nähe und Bekanntschaft denkbar. Möglicherweise hatte er bedeutsames Mobiliar und Schriften während der Kriegshandlungen bei seinen Nachbarn untergestellt. Ein weiterer Fall eingesetzter geheimer Tinte ist in der Korrespondenz des Grafen Brühl mit dem Kurprinzen Friedrich Christian zu finden. Der Prinz war auf Grund

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seiner Ausbildung durch den Grafen von Wackerbarth-Salmour zu großem Politikverstand gelangt und blieb während der ersten Kriegsjahre in Dresden, um so lange wie möglich die Verwaltung zu organisieren. 1618 Schließlich floh er 1759 ins Münchner Exil. In Brühls Briefen von 1758 sind fast durchgängig zwischen den Zeilen eingefügte Zeilen enthalten, die mit einer anderen Tinte geschrieben wurden.1619 Welche chemische Zusammensetzung die Tinte enthielt, ist nicht ohne Weiteres festzustellen. Heute erscheint die geheime Tinte kaum noch lesbar, da sie stark verblasst und vielfach nur noch ansatzweise erkennbar ist. Aus den lesbaren Passagen wird ersichtlich, dass es sich teilweise um Klagen Brühls über die Preußen sowie um Bitten um Gefälligkeiten handelte. Der Graf diskutierte sehr oft auch außenpolitische Belange in dieser Heimlichkeit. Vorrangiges Ziel dürfte die Sicherung seiner Gedanken vor einer Entdeckung durch die Preußen gewesen sein. Die Einrückungen sind nachträglich in den schon geschriebenen Brief eingefügt worden, wie an der Absatzausrichtung des Textes abzulesen ist. Der Graf hat extra große Zeilenabstände gelassen, die aber typisch für seine Briefe sind. Seinem Briefstil eigen ist auch ein großer Leeraum zwischen Anrede und Textbeginn, in dem sich eine versteckte Nachricht gut unterbringen ließ. Die bewusste Seitengestaltung und das routinierte Nebeneinander von offiziell unbedenklichen Nachrichten und solchen delikaten Inhalts legen Zeugnis von dem Kalkül Brühls ab. Jene hier sichtbare Tinte hat sicher auch bei anderen Briefkonvoluten Anwendung gefunden. Allerdings sind Brühls Briefe noch nicht dahingehend untersucht worden. Die umfangreiche Korrespondenz Brühls mit dem Kurprinzen zu beleuchten, muss künftigen Forschern überlassen werden.1620 Während er mit Brühl durch sympathetische Tinte kommunizierte, schrieb sich der Kurprinz mit dem Generalfeldwachtmeister De Vela während des Krieges unter Verwendung von Chiffren.1621 Der Kontakt musste vor den Preußen wie auch vor dem Premierminister Brühl geheimgehalten werden, der solche heimlichen Beziehungen hinter seinem Rücken nicht duldete. Dass diese Korrespondenz ohne Wissen Brühls geschah, ist deswegen zu vermuten, weil kein Nomenklator erhalten ist, obwohl die Überlieferungsdichte bei Chiffren im Siebenjährigen Krieg sehr hoch ist und einige Dutzend Nomenklatoren mit Brühl als Teilhaber vorliegen. Wird die verbreitete Ansicht, dass der Prinz dem Premierminister gegenüber Vorbehalte hegte, durch die entdeckte Geheimtinte etwas relativiert? Brühl hätte sich ihm wohl kaum in der Weise geöffnet, wenn er eine harsche Ablehnung wahrgenommen hätte. Allerdings war er auch klug genug, sich schon frühzeitig mit dem künftigen Herrscher gut zu stellen. Möglicherweise war die 1618 Vgl. Paul, Martin: Graf Wackerbarth-Salmour. Oberhofmeister des sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian; ein Beitrag zur Reorganisation des sächsischen Staates 1763, Leipzig 1912. 1619 Die erste sichtbare Verwendung datiert auf den 31. Dezember 1757. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 30539/3, Graf Brühl an Kurprinz Friedrich Christian, 31. Dezember 1757, unfol. 1620 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3059/5; 30540/1; 30540/2; 30539/2; 30539/3; 30539/4; 30539/5; 30539/6. 1621 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3447/28.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Geheimtinte ein geschickter Schachzug mit dem Hintergedanken eines Annäherungsversuches an den Kurprinzen. Dass er ihm pflichtgemäß zu berichten hatte, wird bei Betrachtung der Briefe aus der Zeit vor dem Siebenjährigen Krieg ersichtlich. Damals beschränkte sich Brühl noch auf die Übermittlung von kurzen eigenhändigen, oberflächlichen Berichten oder von Journalen, die von seinen Sekretären kopiert worden waren.1622 Die Intensivierung der Korrespondenzbeziehung nach 1757 mag dem Krieg geschuldet gewesen sein. Es kann aber auch vermutet werden, dass Brühl von den chiffrierten Briefen des Kurprinzen an den Generalwachtmeister de Vela wusste und Friedrich Christian bewusst als Mittelsmann gebrauchte, um dessen Integrität zu nutzen, bestimmte Informationen an De Vela zu lancieren und im Militär zu verankern. Ohne weitergehende Studien über die Inhalte der Hunderten, wenn nicht Tausenden, Briefe bleiben solche Überlegungen aber reine Spekulation. Eines ist aber unbestritten: Die respektvolle Unterschrift behielt Brühl auch 1758 noch bei und signierte nicht mit dem bei ihm oft anzutreffenden Kürzel „HvB“ oder „Br.“. Das spricht dafür, dass er mit dem Kurprinzen nie eine tiefere Beziehungsebene erreichte, was angesichts des Rangunterschiedes zwischen Graf und Thronanwärter auch schwer möglich war. Die günstige Ausgangslage, die der Emporkömmling Brühl Anfang der 1730er Jahre im Verhältnis zum doch recht naiven Kurprinzen Friedrich August genossen hatte, besaß der alte Brühl im Kontext seiner gescheiterten Politik bei einem politisch aufgeklärten Kurprinzen wie Friedrich Christian nicht. Umso bemerkenswerter ist seine vertrauliche Korrespondenz. Zusammenfassend sind folgende Interpretationen möglich: Ganz sicher diente die Geheimtinte schlicht als Mittel zur Abwehr gegnerischer Spionage. Aber es wäre bei einer Person wie Brühl auch ein kalkulierter Annäherungsversuch zur eigenen Rettung denkbar. Drittens ist auch eine intendierte Instrumentalisierung des Kurprinzen zur Weitergabe der Informationen an den Generalwachtmeister nicht auszuschließen. Die Berichte des Generalmajors Riedesel Ein besonders wichtiger Knotenpunkt im Siebenjährigen Krieg war der Kaiserhof in St.  Petersburg und seine Generalität. Wie sich später zeigte, war der Tod der Zarin Elisabeth und das Ausscheiden Russlands aus der antipreußischen Allianz kriegsentscheidend. Es ist dieses „Mirakel des Hauses Brandenburg“, das Friedrich II. zu Friedrich dem Großen werden ließ. Sachsen hatte ab Juli 1759 im Zentrum des russischen Militärs den Generalmajor Volpert Christian Riedesel postiert, um über die dortigen Geschehnisse auf dem Laufenden zu sein. Graf Brühl hatte Riedesel beauftragt, im russischen Hauptquartier

1622 Vgl. ebd., Briefe von 1756–57.

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Informationen zu sammeln und das russische Militär zu einem besseren Einverständnis mit Österreich zu bringen.1623 Dieser informierte sich durch Rapporte vor Ort und, wenn diese ausblieben, durch vertrauliche Mitteilungen eines Chevalier de Menager – wohl ein Kavalier der Menagerie – und eines Kapitän Muret.1624 Die Berichte des Generalmajors liegen zusammen mit Abschriften der Briefe Brühls im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden in dicken Konvoluten vor.1625 Beide Korrespondenten schrieben einander in Deutsch. Riedesel verzichtete in seinen Rapports auf einleitende oder abschließende Formalien, sondern übermittelte ohne Anrede, Gruß oder Unterschrift seine Beobachtungen. Ebenso ist auffällig, dass er niemals Geheimschrift einsetzte, auch dann nicht, wenn Brühl von ihm vertrauliche Mitteilungen erbat oder er die militärische Aufstellung eines russischen Regiments kommunizierte.1626 Dazu war er von Brühl per Geheimschrift instruiert worden: Er möge den Bestand in „gewohnter rühmlicher Exactitude […] in Zeiten und sobald möglich vertraut“ mitteilen, damit sich die dringend nötige Aufstellung der sächsischen Armee danach richten könne.1627 Die Gegenbriefe von Brühl sind 1854 aus dem Nachlass Riedesels ediert worden, der mittlerweile nicht mehr auffindbar ist.1628 Die anfangs dichte Kommunikation ließ später etwas nach: auf durchschnittlich acht Briefe Brühls im Monat während des Jahres 1760 kamen in den Folgejahren nur noch vier Briefe monatlich. Neben den militärischen Details der Operationen sind besonders die chiffrierten Passagen von Interesse. Erst im Sommerfeldzug 1760 setzte die Verschlüsselung ein, da zuvor die Briefe zwischen Warschau und dem russischen Generalstabsquartier Marienburg ohne Chiffre ausgetauscht wurden.1629 Riedesel hat die verschlüsselten Stellen interlinear dechiffriert, so dass in der Edition keine Lücken entstanden, sondern diese Abschnitte eingerückt gedruckt werden konnten. Es handelt sich in den drei Jahren um 18 Stellen, von denen 55 % auf das Jahr 1760 entfallen. 1762 wandte Brühl wieder verstärkt die Geheimschrift an, was auf die Wirren um den Thronwechsel in Russland zurückzuführen ist. Leider sind die chiffrierten Originale nicht mehr erhalten, sondern nur die Brühlschen Konzepte, in denen er teilweise diejenigen Abschnitte einrahmte, die später verschlüsselt wurden.1630 1623 1624 1625 1626

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Vgl. Eelking 1854, S. 3. Vgl. Brühl an Riedesel, 26. November 1761, zit. in: Eelking 1854, S. 339. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3264/6; 3260/3; 3260/4; 3260/5; 3260/6. Beispielhaft vgl.  ebd., Repartition der unter dem Commando des Gen. Feldm. Gr. v. Butturlin Excell. stehenden Russ. Kayserl. Armeé wie solche dermahlen in denen Winter Quartieren an verschiedenen Orten vertheilet, Loc. 3264/6, f. 132. Oder ebd., Verzeichnis derer auf das Jahr 1760. zum Feldzug befinlichen Rußischen Kayserl. Combattanten, f. 6. Brühl an Riedesel, 14. Oktober 1760, zit. in: Eelking 1854, S. 119. Vgl. Eelking 1854. Beim SächsHStAD ist ein solcher Nachlass nicht vorhanden. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3260/3. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3260/5, Brühl an Riedesel, 9. Juni und 14. November 1761, f. 249, 545b; ebd., 4. Januar, 11. Februar, 4. März, 22. Mai 1762, Loc. 3260/6, f. 7, 59, 76, 182. An dieser Stelle wird ein großes Quellenproblem evident: die Klartexte in Archivalien sind keine Garantie dafür, dass keine Geheimschrift angewandt wurde. Archivrecherchen können nur einen Bruchteil

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Brühl informiert Riedesel mittels der Chiffre zumeist über die österreichischen Operationspläne, wie das folgende Beispiel zeigt. Von diesem [Laudon] habe demselben im engsten Geheimniß melden, daß sie aus Böhmen gerade nach Schlesien gerichtet sein werden, welches jedoch äußerst secretiret und der Ruf daß der Marsch in und durch die Oberlausitz gehe, unterhalten wird um die preußische Attention zu detourniren, da ohnehin die Eindringung nach Schlesien durch die schon ziemlich besetzten Defilees nicht ohne Mühe und Schwierigkeit sein dürfe, folglich sehr gut wäre, wenn diese Laudon’sche Operation wenigstens zuerst durch das Posensche Corps auf der anderen Seite secundiret würde und selbiges die Attention des Prinz Heinrich auf sich zöge.

Auch später setzte der Premierminister Brühl Riedesel chiffriert sämtliche Vorhaben en détail auseinander oder verschlüsselte seine Meinung über bestimmte Generäle. Sein Wissen über die ihm mitgeteilten Geheimnisse solle Riedesel aber verbergen und es nur indirekt einsetzen, wünschte Brühl.1631 Einmal scheint jedoch der Chiffreur für Brühl nicht verfügbar gewesen zu sein, da er Riedesel „im engsten Vertrauen und zu Ew. Hochwohlgeb. alleiniger Direction“ ohne Geheimschrift Personalien über die künftige russische Generalität zusandte.1632 Im Konzept ist diese Stelle eingerahmt und somit  für die Chiffrierung vorgesehen gewesen.1633 Riedesel erhielt diesen Brief aber ohne Verschlüsselung. Brühl hat also nicht die Mühe der Chiffrierung auf sich genommen. An anderer Stelle schickt Brühl chiffriert die eigene Einschätzung der Verluste bei den Österreichern, von denen er nur die von Preußen publik gemachten Zahlen kannte. Wenn auch nur ein Drittel davon wahr wäre, sei der Schaden allemal wichtig genug, so Brühl.1634 Er brachte seinen Wunsch zum Ausdruck, darüber zuverlässig und umfassend informiert zu werden, woraufhin Riedesel rasch von den getöteten und gefangenen Soldaten und Offizieren berichtete und auch erwähnte, dass die ganze Equipage des preußischen Generals Paul von Werner erbeutet worden sei.1635 Als dieser General im Rücken der Russen Depots zerstören sollte, wurde er gefangen genommen.1636 Solchen Erfolgen standen bei der Allianz aber noch größere Schwierigkeiten gegenüber. Im Juli 1760 ereignete sich bei jenem österreichischen General Laudon eine Panne in der Informationsübermittlung geheimer Dokumente. Der General hatte einen chiff-

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der  tatsächlich eingesetzten Kryptologie zu Tage fördern und nicht einmal die Dunkelziffer bestimmen. Der Premierminister erwähnt oft in den chiffrierten Passagen, er teile etwas „im Vertrauen“ mit. Riedesel möge sein Wissen secretiren. Brühl an Riedesel, 29. Januar 1761, zit. in: Eelking 1854, S. 192. Brühl an Riedesel, 26. November 1761, zit. in: Eelking 1854, S. 339. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3260/5, Brühl an Riedesel, 26. November 1761, f. 561. Vgl. Brühl an Riedesel, 21. August 1760, zit. in: Eelking 1854, S. 87. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3264/6, Riedesel an Brühl, 27. August 1760, f. 39. Vgl. Eelking 1854, S. 184.

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rierten Brief an den Generalmajor von Defin gesandt, den dieser aber mit den ihm zur Verfügung stehenden Nomenklatoren nicht dechiffrieren konnte. Riedesel zufolge war der Brief aus dem Versehen von einem Sekretär „in ein gantz unrechtes Chifre übersetzet worden“.1637 Der Überbringer wurde zu Graf von Sternberg geschickt, wo man hoffte, den Brief entschlüsseln zu können. Wie Riedesel schrieb, war es das größte Unglück, dass dieser Offizier auch keine mündliche Instruktion besaß. Offenbar ist ein paralleler Informationstransport durch schriftliche Verschlüsselung und mündliche Instruktion eher üblich gewesen, da sich Riedesel sonst nicht so darüber verwundert hätte. Brühl reagierte aufgebracht: Der mit dem chifferirten Briefe des Gen. Laudon sich ereignete Zufall, so lediglich der Unachtsamkeit seines Secretairs beizumessen, ist um so mehr unangenehm, als bei jetzigen Umständen alle Stunden kostbar sind, durch obigen Umstand aber vielleicht 5–6  Tage verloren gehen.1638

Die Bedeutung der Zeit für Sieg oder Niederlage kam einmal mehr in dieser Panne zum Vorschein. Gerade die pünktlichen und raschen Rapports des Generalmajors waren dem Premier ein steter Grund zum Lob. Neben dem Faktor Zeit schätzte Brühl auch die Position Riedesels im Hauptquartier, wovon direkt und zuverlässig die wichtigsten Nachrichten kamen. Zudem besaß Riedesel eine Stellung, aus der heraus er Einfluss nehmen konnte. Brühl fungierte mit Riedesel als Sprachrohr des Kaiserhofes, der die Zögerlichkeit der russischen Armee nicht mehr hinnehmen wollte. So schrieb der Premierminister, Riedesel solle dahin wirken, dass die künftigen Winterquartiere der russischen Armee im Feindesland liegen müssten, damit die Operationen zeitiger und druckvoller erfolgen könnten.1639 Die Unzufriedenheit des Zarenhofes mit der „Conduité und Nachlässigkeit seiner Generalität“ brachte Brühl wiederholt zur Sprache.1640 Dieses Wissen, so der Herausgeber der Briefe, habe der Chronist Tempelhoff nicht besessen, was die sächsische Informationspolitik in ein gutes Licht rückt.1641 Damit Russland sich stärker für die hiesige Seite engagierte, setzte Brühl auch das Mittel der Korruption ein. In einem chiffrierten Absatz erwähnt er seine Enttäuschung darüber, dass das „ansehnliche Präsent“ für den russischen Feldmarschall Soltikow zu wenig Wirkung gezeigt hätte.1642 Riedesel wurde aufgefordet, insgeheim mit den französischen und österreichischen Offizieren entsprechende Aktivitäten bei den Russen zu forcieren.1643 1637 1638 1639 1640 1641 1642 1643

SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3264/6, Riedesel an Brühl, 24. Juli 1760, f. 327b. Brühl an Riedesel, 27. Juli 1760, zit. in: Eelking 1854, S. 80 Brühl an Riedesel, 11. Oktober 1760, zit. in: ebd., S. 116. Brühl an Riedesel, 14. November 1761, zit. in: ebd., S. 330. Vgl. ebd., S. 333. Brühl an Riedesel, o. D. (wohl August 1760), zit. in: ebd., S. 88. Vgl. ebd.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Auf der Gegenseite setzte auch Friedrich II. von Preußen Mittel der Täuschung ein, um ein russisches Korps von der Strasse nach Breslau wegzutreiben.1644 Er schrieb seinem Bruder, Prinz Heinrich von Preußen, einen Brief und gab ihn einem Bauern, der sich gegen reiche Belohnung von den Russen gefangen nehmen ließ. In dem Brief stand, er habe die Österreicher völlig geschlagen und werde nun mit einem Brückenschlag über die Oder die Russen angreifen, wofür Heinrich die verabredeten Bewegungen machen solle. Friedrich II. erreichte sein Ziel: General Soltikow zog das Korps zurück, so dass der Weg nach Breslau frei wurde. Solche eindeutigen Beweise für gesteuerte Fehlinformationen sind rar. Über ein anderes Täuschungsmanöver Preußens war Brühl gut im Bilde. Riedesel informierte im Juli 1760 den Premierminister darüber, dass Prinz Heinrich unter der Hand ein Manifest auf Polnisch und Latein in hiesigen Gegenden ausstreute, demzufolge er einen Einfall in Polen plane.1645 Die russische Armee war darüber sehr besorgt, während Riedesel und Brühl dieses Manifest als List durchschauten. Dergleichen Finten wurden in diesem Krieg immer wieder eingesetzt. Im Juni 1761 schrieb Brühl an Riedesel, die „übertriebenen Ausstreuungen in Ansehung ihrer angeblichen ottomanischen Allianz und derselbe dem Publico vorbildenden Folgen“ würden noch geprüft, um sie gegebenenfalls der Öffentlichkeit bekannt zu machen.1646 Interessanterweise ist diese Passage nicht in Geheimschrift kommuniziert worden. Über die Gründe lässt sich spekulieren: Entweder ist ein sehr sicherer Kommunikationskanal benutzt worden oder Brühl ging das Risiko ein, dass Preußen von seinem Wissen Kenntnis bekam. Ohnehin besaßen solche Falschinformationen nur eine kurze Halbwertszeit, da sie sich schnell enttarnten. Zum Jahreswechsel 1761/62 thematisierte Brühl in seinen verschlüsselten Briefabschnitten die Krankheit der Zarin Elisabeth und die aktuelle Aufstellung der russischen Generalität zum neuen Jahr. Mit dem Thronwechsel keimte Hoffnung auf bessere Konjunkturen für die Allianz auf, die Peter III. jedoch zerstörte, als er mit Preußen über Waffenstillstand und Gefangenenaustausch verhandelte. Brühls geheime Mitteilungen darüber sind nüchtern gehalten, was Ausdruck seiner Ratlosigkeit angesichts der verwirrenden Aktionen des neuen Zaren war. Er bat Riedesel darum, seine „Attention zu verdoppeln“.1647 Seiner Vermutung nach hintertrieben Preußen und England den Krieg zwischen Russland und Dänemark, um die russische Armee in Holstein zu binden.1648 Schließlich musste die Allianz den Tatsachen ins Auge sehen, dass nach der Absetzung Peters III. Zarin Katharina die russischen Truppen zurückzog. Riedesel wurde nach Warschau zurückberufen und erhielt nach Kriegsende den Posten des Gouverneurs von Dresden.

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Vgl. ebd., S. 102. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 3264/6, Riedesel an Brühl, 24. Juli 1760, f. 327. Brühl an Riedesel, 27. Juni 1761, zit. in: Eelking 1854, S. 268. Brühl an Riedesel, 4. März 1762, zit. in: ebd., S. 381. Vgl. Brühl an Riedesel, 22. Mai 1762, zit. in: ebd., S. 400.

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Wie gezeigt werden konnte, sind in dieser Korrespondenz vielfältige Aspekte des sächsischen Informationsmanagements anzutreffen. Besonders die Zielgerichtetheit und Konsequenz Brühls fällt auf. Der Generalmajor konnte als öffentlich sichtbarer Spion agieren. Obwohl er über sämtliche Operationen und Entwicklungen im Bilde war, konnte Riedesel im Hauptquartier keinen deutlichen Vorteil für die SächsischPolnische Union erringen. Das Hauptziel, Russland enger an Österreich zu binden, wurde verfehlt. 4.3.9 Fiktionale Literatur und Historiographie über den Grafen Brühl Im Jahr 1760 wurden anonym Brühls „Leben und Character […] in vertraulichen Briefen“ publiziert. Es handelt sich jedoch nicht, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte, um den Druck authentischer Briefe des Grafen von Brühl, sondern um eine im Genre des Briefromans verfasste Biographie. Der Inhalt behandelt Lebensstationen, Charakter, Familiäres und das Brühlsche Finanzwesen, beruht aber nicht auf authentischen Quellen, sondern auf dem Wissen aus Zeitungen und Nachrichten von Bekannten des Autors. Der aufklärerische Charakter der Publikation kommt in den Klagen über Winkelzüge, Habsucht, Gier und Tyrannei des Grafen, aber auch in der Beschreibung des preußischen Königs zum Ausdruck. Es heißt, Friedrich II. von Preußen sei der weiseste, der gütigste Monarch, der wahre Menschen-Freund, der jetzo Dresden belagert, […]das schönste, das edelste, das wahrhaftig menschlich gesinnte Herz, welches der Weltweise von Sanssouci in seinen unsterblichen Gedichten zeiget.1649

Es folgen Überlegungen über die Zusammenhänge zwischen Brühls Regierungsführung und dem Ausbruch des währenden Krieges, wobei der Autor über erstaunliches Detailwissen verfügte. So erwähnt er Urkunden des Dresdner Archivs, denen zufolge Sachsen erst in den Krieg hätte eingreifen sollen, wenn die Allianz den preußischen König schon größtenteils überwunden hätte.1650 Brühl habe, so der Autor, nicht den Fall einkalkuliert, dass Friedrich II. von den geheimen Verbindungen zwischen Wien, Petersburg und Dresden frühzeitig erfahren könnte und die diesbezüglichen Warnungen des Geheimratskollegiums ignoriert.1651 Solche fingierten und oft anonymen „Geheimveröffentlichungen“ waren in der Zeit der Aufklärung keine Seltenheit. Sie haben sich, wie der Autor selbst zugibt, wohl blendend verkauft.1652 Mit Initialen der Personen und Orte wurde der Geheimnischarakter

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Justi 1760, S. 2. Vgl. ebd., S. 7. Vgl. ebd., S. 7 f. „[…] so faßte ich den klugen Entschluß, diese Briefe sofort drucken zu lassen; und daraus einen ansehnlichen Gewinnst zu ziehen.“ Justi 1760, S. IX.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

verstärkt.1653 Die Rahmenbedingungen, die diese spezielle Veröffentlichung begleiten, sind jedoch recht merkwürdig. In der Vorrede erklärt der Herausgeber, er sei zwei Korrespondenten auf die Spur gekommen, da er Postsekretär in einem Grenzpostamt sei. Ein „gewisser Minister an einem gewissen Hofe“ habe ihn für 100 Dukaten gebeten, auf die Briefe eines bestimmten Absenders zu achten und sie ihm zu kopieren.1654 Als ein Brief mit dem beschriebenen Wappen ankam, habe er ihn „auf die, denen klugen Postbedienten bekannte Art“ geöffnet und beim Lesen festgestellt, dass es sich nicht um die gedachten Personen, aber wohl um einen interessanten Inhalt handelte.1655 Das Siegel habe er durch eine bekannte Masse von Quecksilber und Silber abgedruckt und konnte es original wieder verschließen. Seine Poststation verriet der Herausgeber nur scheinbar, indem er dem Grafen Brühl indirekt anbot, ihm eine Nachricht zu diesem Band zukommen zu lassen über folgende Adresse: „An Herrn Veit Spitznase, erbaren Schneider-Meister in Hamburg, abzugeben im blauen Engel, in der kleinen Schiffer-Strasse, par Breslau oder Stettin.“1656 Da die Postrouten Breslau-Hamburg und Stettin-Hamburg völlig verschiedene sind (südliche bzw. nördliche Strecke), ist das Grenzörtchen nicht zu identifizieren. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass dieses Angebot ironisch gemeint war. Dass die Interzeption durch Staatsbediente veranlasst wurde, hatte sich jedenfalls bis zu den Schriftstellern durchgesprochen. Die auf den 24. August datierte Veröffentlichung ergänzte noch ein „Schreiben an das Publicum“. Hierin bekennt sich ein Schriftsteller, er habe „zu Verkürzung einsamer Stunden einem meiner Herzensfreunde das Betragen des Königl. Pohlnischen PremierMinisters, Grafen von Brühl, in vertraulichen Briefen entworfen.“1657 Es folgt ein Brief, den der Verfasser aus „H“ an den Herausgeber am 26. September 1760 geschrieben haben soll. Darin heißt es, er habe mit dem Versand dieser Briefe an den Freund nicht die Veröffentlichung derselben beabsichtigt und beschwerte sich bei dem Herausgeber, der auf der Poststation widerrechtlich die Briefe geöffnet, abgeschrieben und sie danach in Druck gegeben habe. Als er, der Verfasser, die Interzeption und Drucklegung bemerkte, habe er sofort die Korrespondenz ruhen lassen. Nunmehr werde er selbst die weiteren Briefe selbstständig herausgeben. Interessanterweise berichtet er auch, dass von den gedruckten Büchern 1760 zunächst alle Exemplare konfisziert worden waren, aber später den Buchhändlern wieder ausgehändigt wurden.1658 Sollte diese Angabe richtig sein, so hat Graf Brühl, gewiss durch den Titel aufmerksam geworden, sofort 1653 Ein weiteres Beispiel: Anonymus: Leben und Begebenheiten der sächsischen Gräfinn von ***, o. O., 1763. Darin heißt es: „Sie haben die Geschichte meiner spanischen Gräfinn von X. günstig aufgenommen.“ 1654 Justi 1760, S. VI. 1655 Ebd., S. VII. 1656 Ebd., S. XIII f. 1657 Justi 1760a, S. 4. 1658 Vgl. ebd., S. 9.

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eine Beschlagnahme aller Bände veranlasst, um dann zu sehen, dass deren Inhalt ihn in keiner Weise belastete. Anders ging er mit Alexander Durand de Servigni um, der wegen Kritik an Brühl 1747 zunächst auf der Festung Sonnenstein interniert war, bevor er zwei Jahre später auf die Festung Königstein verlegt wurde. Dort saß er weitere sieben Jahre ein und versuchte schließlich die Flucht durch Abseilen, fiel dabei aber herab und starb an den Folgen seiner Verletzungen.1659 Diese Aktion ist sogar in eine offizielle Federzeichnung eingegangen, um wahrscheinlich diese Stelle für die Wachmannschaften als äußerst gefährliche Absturzstelle zu kennzeichnen.1660 Offensichtlich unterschied Brühl zwischen offen geäußerter kritischer Meinung, die nicht tolerierbar war, und im Roman versteckter Kritik, die er durchgehen ließ. An das Publikum gerichtet, gab der Verfasser vor, diese von ihm verfassten acht Briefe, die die Geschichte des Grafen von Brühl darlegten, könnten nützlich sein, „die beleidigte und unterdrückte Menschheit gegen einen Mann zu rächen, welcher durch seine Handlungen nicht den geringsten Betracht davor zu erkennen giebt“, ja sogar „den besten und gütigsten Regenten […] auf die listigste Art hintergehet.“1661 Er als Autor sei nichts anderes als derjenige, der das zu Papier bringe, was das Publikum täglich denke und mündlich sage.1662 Die Meinung des Volkes dringe schon längst nicht mehr durch den „dicken Pelz“ derjenigen, die sich auf Kosten anderer bereicherten. Aber wenn sie „durch die glückliche Erfindung der Druckerpresse geschärfet“ seien, würden sie gefühlt werden – „da ist man gleich mit Feuer und Block darhinter her.“1663 Zugleich helfe er dem König, die Hintergehungen des Grafen von Brühl zu erkennen. Unter Berufung auf Charles de Montesquieu schreibt er ferner, es sei kein Majestätsverbrechen, den Minister eines Kurfürsten zu beleidigen. Zudem gebe ihm Sicherheit, dass er weder sächsischer noch polnischer Untertan sei.1664 Dennoch zog er es vor, seinen Namen vorerst noch geheim zu halten, denn er verwunderte sich des Aufruhrs, den die Veröffentlichung in Hamburg hervorrief. Sogar Bücherverbrennungen dieser Bände haben stattgefunden, so dass sich der Autor nun seitenlang über den (Un-)Sinn von Bücherverbrennungen und deren absatzfördernde Wirkung ausließ. Wie angekündigt, publizierte der Verfasser 1761 einen zweiten Teil, der in Hamburg und Leipzig erschien. 1762 entstand ein ähnlicher Band über die Gräfin Maria Anna von Brühl und 1764 der dritte Band über das Brühlsche Leben. Bereits 1760/61 waren Übersetzungen der ersten zwei Bände ins Englische erschienen, die im Untertitel neue Erkenntnisse über die Ursache des Krieges versprachen. Alle Publikationen sind Johann 1659 Vgl. Scholze 1999, S. 30. 1660 Vgl. SächsHStAD, 12881 Karten und Risse, Nr. 11254, Prospect von neuen Wercke, in den Hornwerck gegen über anzusehen, Loc. 14604/6, Bl. 82. 1661 Justi 1760a, S. 11, 21. 1662 Vgl. ebd., S. 17. 1663 Ebd., S. 17. 1664 Vgl. ebd., S. 24.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Heinrich Gottlob Justi oder vereinzelt auch Johann Christoph Adelung zugeschrieben worden.1665 Adelung scheint jedoch aus mehreren Gründen auszuscheiden, da er die Publikation über Brühl mehrfach erwähnt, aber „nur sehr unpersönlich davon spricht, was er bei eigener Autorschaft wohl nicht getan hätte.“1666 Die Forschung zu Adelung hat auch herausgearbeitet, dass dessen früheste Werke zur Kulturgeschichte mit einer polemischen Kritik an den gepriesenen Fürsten, „Königen und Helden“ ab 1759 einsetzen.1667 Jedoch war der Linguist erst 1765 nach Leipzig gekommen und hatte erst zwanzig Jahre später als Bibliothekar an der Dresdner kurfürstlichen Hofbibliothek Zugang zu Quellen, die er für eine kritische Geschichtswissenschaft sammelte.1668 In den Jahren 1758–62 war er als Lehrer an einem Erfurter Gymnasium tätig gewesen. Es entstanden drei Bände „Auserlesene Staatsbriefe hoher Potentaten“ und weitere historische Schriften. Dass er in dieser Zeit die anonym erschienenen „Denkwürdigkeiten Friedrichs des Großen“ in 14 Bänden publizierte, ist durch Adelungs eigenes Zeugnis erwiesen.1669 Dass er sich parallel auch intensiv mit dem ärgsten Widersacher des Preußenkönigs beschäftigt haben wird, wäre aber natürlich durchaus möglich. Zwar schreibt Adelung diese Bücher Justi zu, aber insgesamt scheint es so zu sein, dass die „Identifizierung anscheinend unmöglich ist.“1670 Es ist kaum denkbar, dass die Differenzen zwischen Verfasser und Herausgeber sowie die Geschichte der Drucklegung den Tatsachen entsprach, denn wahrscheinlich hat der Verfasser diese Rahmenhandlung erdacht, um durch persönliche Dramatik die Bände noch interessanter zu machen. Diesem Muster entsprechen alle vier Bände. Das 1763 gedruckte Buch über Brühls jüngst verstorbene Gemahlin enthält sechs Briefe, die der Verleger angeblich von einer Person, die er sehr schätzte, mit der Bitte um Drucklegung erhalten hatte.1671 Andere Schriftsteller wagten es nicht, vor dem Tod des Grafen Brühl irgendwelche „Wahrheiten“ zu verfassen. 1764 wurde ein „vertrautes Gespräch“ zwischen dem König 1665 Vgl. Sickel 1933, S. 220; Kobuch 1988, S. 226 ff. 1666 Ebd., S. 220. 1667 Adelung beschäftigte sich in den späten 1750er Jahren u. a. mit politischer Geschichte und Kulturgeschichte. Vgl. Pragmatische Staatsgeschichte Europens 1740–59, 9 Bde., Gotha 1762–69, Bd. 1, S. 12. Vgl. Mühlpfordt, Günter: Vitam impendere vero. Der Aufklärer Adelung als Kultur- und Wissenschaftshistoriker, in: Bahner 1984, S. 40–54, 44; Strohbach, Margit: Johann Christoph Adelung. ein Beitrag zu seinem germanistischen Schaffen mit einer Bibliographie seines Gesamtwerkes, Berlin, New York 1984, S. 11. 1668 „Adelung betrieb sicherlich keine Landesgeschichte Sachsens im engeren, politischen Sinn. Ihm ging es vornehmlich darum, gewissermaßen kulturgeschichtliche Quellen für eine künftige kritische Geschichtswissenschaft zu sammeln, bereitzustellen und Hinweise für ihre weitere Bearbeitung zu geben.“ Czok, Karl: Zur Entwicklung des kursächsischen Territorialstaates im 18. Jahrhundert, in: Bahner 1984., S. 35–39, 38. 1669 „Die Denkwürdigkeiten Friedrichs des Großen, jetztregierenden Königs in Preußen, die ich vor sieben Jahren zu beschreiben angefangen habe, sind von dem Publico mit so beliebtem Beyfall aufgenommen worden, daß selbe mit dreyzehn Bänden fortgesetzt werden können.“ Zit. in: Sickel 1933, S. 99; Anonymus: Denkwürdigkeiten Friedrichs des Großen, 14. Bde., 1757–1766. 1670 Sickel 1933, S. 220. 1671 Vgl. Justi 1763, Vorbericht S. 2v.

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und dem Grafen Brühl gedruckt, das, wie der Autor versichert, auf dem Zeugnis eines früheren Hofbeamten beruhe. Dieser habe ihm auf seiner Europareise von dem „despotischen Betragen“ Brühls berichtet.1672 Im gedruckten Buch wurde die Geschichte Sachsens seit 1733 in Form eines Zwiegespräches nacherzählt, jedoch weitaus weniger elegant als dies bei Justi erfolgt war. König August III. gelangt schließlich zu der Erkenntniss: „Ich war demnach nicht König, sonder der Gefangene von Euch. Schreckliches Beyspiel von dem Uibermuthe und Stolze eines Ministers!“1673 Aus diesen Beispielen ist deutlich ersichtlich, dass die gebildeten Zeitgenossen nicht mehr als ein vages Wissen von den geheimen Operationen des Grafen Brühl besaßen. Nichts Konkretes war von den Kanzleien an die Öffentlichkeit gelangt. Zwar kursierten einige Gerüchte über Spione und Kryptologie, aber die Drucke waren in den fürstlichen Bibliotheken und die Handschriften in den Archiven verwahrt, so dass das Wissen davon nicht die Bevölkerung erreichte. Es gab eine feine Linie, die den politischen Untergrund vom Licht der Öffentlichkeit trennte. Selbst die in Kriegszeiten als Boten und Spione benutzten Untertanen genügten nicht, um der breiten Bevölkerung ein Bild der verborgenen Geschehnisse und Zustände zu vermitteln. Die Angst vor den Repressionen für den Fall eines Geheimnis- bzw. Landesverrats war angesichts der Festungen, Gefängnisse und Leibstrafen in den Köpfen so verinnerlicht, dass auch kein Untertan etwas von dem Verbotenen wissen wollte. Es gab bis zur Aufklärung in der Bevölkerung zwar Neugier, intime Kenntnisse aus der Politik zu gewinnen. Sie drückt sich in den absatzstarken Briefromanen aus. Aber die Einwohner hüteten sich, darüber hinaus zu viel wissen zu wollen. Auf der anderen Seite blieb die Geschichtsschreibung über den Siebenjährigen Krieg, was die Spionage anging, relativ unscharf. Sie ist bis in die heutige Zeit von der borussischen Sichtweise geprägt, die sich bereits in der Druckschrift „Macht der Wahrheit“ von 1758 spiegelt: Die vernünftige und unpartheyische Welt wird über das Verfahren des Preußischen Hofes nicht mehr Abscheu empfinden als sie das nehmliche Verfahren aller anderen Höfe verabscheuet. Sie wird die Klugheit, den Muth und die Standhaftigkeit des Königs von Preußen bewundern. Dagegen wird sie bey Lesung dieser Verhöre über die Einfalt des Sächsischen Hofes lachen, daß er sich bey aller seiner eingebildeten Weisheit ganze vier Jahre hat um die Fichte führen lassen.1674

Nicht nur August III. war ein Opfer dieser Historiographie, sondern auch Graf Brühl. Letzterer geriet zusätzlich durch die populäre Literatur ins Zwielicht. In Polen ist die Sachsenzeit bis heute negativ besetzt und Brühl als intriganter Politiker verrufen. Stark geprägt wurde das öffentliche Bild durch die Veröffentlichungen von Józef Kraszewski. 1672 Domicello 1764, Vorrede. 1673 Ebd., S. 66. 1674 Macht der Wahrheit 1758, S. 14.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Der nach dem polnischen Novemberaufstand von 1830 wegen Mitgliedschaft in einem Geheimklub zur Emigration gezwungene Schriftsteller verfasste, während er in Dresden lebte, 1863–83 u. a. sechs Bücher über die Sächsisch-Polnische Union. Die abenteuerliche Dramaturgie des Bandes zum Siebenjährigen Krieg sponn er um einen Spion mit dem Namen Max de Simonis.1675 Diesen Namen dürfte er in Anlehnung an den Kriegsrat Simonis gewählt haben, der tief in die Geheime Expedition eingebunden gewesen war. Auch Einlassungen zum Seyfert-Fall, zu Menzel, Rutkowski und dem Verbot für Untertanen, über die Politik zu räsonnieren, zeigen gründliche Kenntnisse des Autors von der sächsischen Geschichte jener Zeit. Dass der zweiten Hauptfigur wegen Spionageverdacht mit Erschießung gedroht wurde, entsprach allerdings nicht den frühneuzeitlichen Praktiken, sondern ist, wie auch das Giftattentat, der dichterischen Freiheit zuzuschreiben.1676 Der im Roman gescheiterte Attentäter, ein Kammerdiener namens Glasow, saß in Wirklichkeit wegen privaten Gebrauchs des königlichen Siegels für ein Jahr in der Festung Spandau ein. Auch die Intrigen der Gräfin Brühl lassen sich nicht an Quellen nachweisen, sondern beruhen auf den bereits erwähnten Enthüllungsromanen und zeugen von einem falschen Verständnis von Patronage. Kraszewskis Spionageroman korrespondiert mit biographischen Erlebnissen des Autors, der unter mehreren Pseudonymen für die Unabhängigkeit Polens eintrat. Das brachte ihn in Verdacht der Spionage für den französischen Geheimdienst.1677 1883 wurde er verhaftet und zu dreieinhalb Jahren Festungshaft in Magdeburg verurteilt, aber krankheitsbedingt vorzeitig entlassen. Er wechselte von Dresden nach San Remo, bevor er, um einer erneuten Auslieferung zu entgehen, nach Genf ging. Seine Erfahrungen flossen in die Darstellung der Spionagegeschichte des Siebenjährigen Krieges ein. Da die DEFA Kraszewskis Sachsenromane 1985–87 im Rahmen der geschichtspolitischen Wende verfilmte kann und diese Produktion zu den erfolgreichen Großproduktionen des DDR-Fernsehens gehört, fand das negative Bild von Brühl und August IIII. weite Verbreitung.1678 Zur Spionageabwehr nutzte die Staatsführung Menzels Fall für propagandistische Zwecke und ließ vom „Militärverlag“ eine belletristisch aufbereitete, spannende Kurzgeschichte bei der „Druckerei des Ministeriums für Nationale Verteidigung“ herausbringen.1679 Das große Vertrauen Königs Augusts III. in seinen Premierminister einerseits und die von Brühl ausgehende Kontrolle des Königs andererseits schufen eine enge Verbindung zwischen beiden. Nachdem sie infolge des Hubertusburger Friedens nach 1675 Vgl. Kraszewski, Józef: Aus dem Siebenjährigen Krieg. Historischer Roman, Dresden 1875, übers. von Alois und Liselotte Hermann, Rudolstadt 1953. Verfilmung unter dem Titel „Aus dem Siebenjährigen Krieg“ in der Reihe „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“, 6-teiliger Fernsehfilm, Regie: Hans-Joachim Kasprzik, DEFA 1985–87. 1676 Vgl. Kraszewski 1953, S. 332, 351; Rödenbeck 1840, S. 302 f. 1677 „Kraszewski, Józef Ignacy (Pseudonyme: Bogdan Bolesławita, Kaniowa, Dr. Omega, Kleofas Fakund Pasternak, JIK; B. B.)“ von Erhard Hexelschneider, in: SäBi, URL: http://www.isgv.de/saebi/ [18.01.2014; ASR]. 1678 Vgl. Kilb, Andreas:„Gestern ein König“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.06.2010. 1679 Vgl. Jürgas 1984.

4.3 Das Zeitalter der Kabinettskriege 1650–1792

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Dresden zurückgekehrt waren, unternahmen sie, von schwerer Krankheit gezeichnet, eine gemeinsame Kur in Teplitz. Der König starb am 5. Oktober 1763, Brühl folgte ihm am 28. Oktober desselben Jahres. Bereits am Vortag war Brühls Intimus, Carl Heinrich von Heineken, festgenommen und wegen der Brühlschen Veruntreuung mitangeklagt worden. In einem sich über Jahre hinziehenden Prozess stürzte das fein aufeinander abgestimmte System des Grafen Brühl ein. Es zeigte sich, dass er stets unter Druck gestanden hatte, die Spuren seiner unsauberen Tätigkeiten zu tilgen, den Zugang zum König zu kontrollieren und Friedrich II. Paroli zu bieten. Die jüngere Forschung ist bemüht, durch diese Aspekte dem Grafen Brühl eine realistischere Beurteilung zuteil werden zu lassen als dies bisher geschah. Zum einen ist die Machtstellung Brühls nur durch die Schwäche Augusts III. ermöglicht worden, zum anderen war die Verstellung ein Symptom jener Zeit. René Hanke sprach auch davon, Brühl habe zu viele Fäden in der Hand gehabt, um den Puls seines Gegenübers zu fühlen.1680 Das Jubiläum 2013 zum 250. Todestag zeigte erneut, wie die Person Brühls wegen seines ambivalenten Charakters bis heute polarisiert. 4.3.10 Zusammenfassung Die Außenpolitik Ludwigs XIV. von Frankreich zwang alle europäischen Höfe, sich zu positionieren und zu engagieren. Die diplomatischen Winkelzüge mündeten in heimliche Allianzen und Verträge mit Geheimartikeln. Allmählich wuchsen die Nomenklatoren in Anzahl und Komplexität. Seitens Frankreich ist anstelle von Spionage die aggressive Methode der Mordbrennerei angewandt worden. In den Auseinandersetzungen mit Frankreich einerseits und den Osmanen andererseits erwuchs der sächsischen Diplomatie eine Basis an Erfahrungswissen. König August II. von Polen bediente sich einer Vielzahl von Methoden zum Erreichen seiner weit gesteckten Ziele und zur Abwehr von Angriffen seiner Widersacher. Dass Geheimdiplomatie gewissermaßen Chefsache war, ist beispielsweise aus der vom König selbst erdachten Geheimschrift für seine Generäle ersichtlich. Seine engsten Berater waren zuverlässig, engagiert, verschwiegen und auch intrigant, aber nicht skrupellos oder korrupt. Im Gesandtschaftswesen wurden chiffrierte Berichte gebräuchlich. Der sächsisch-polnische Hof beschäftigte zahlreiche Kundschafter und bestach gezielt Informanten und Agenten aus dem gegnerischen Lager. Streckenweise ließ sich der König von den Faktionen seines Hofes beeinflussen sowie manipulieren und war gegenüber Hochstapelei und Abenteurertum blind. Konsequent, aber letztlich noch milde, ging er gegen scheinbare Hochverräter und der Politik unzuträgliche Personen vor. Die Herzöge von SachsenWeißenfels waren aufgrund ihres Generalsranges ebenso wie andere hohe Militärs eng

1680 Vgl. Hanke 2006, S. 27.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

in die geheime Politik eingebunden. Die anderen Sekundogenituren und die thüringischen Höfe indes blieben deutlich im Schatten der Sächsisch-Polnischen Union. Von den Ernestinern sind einige Spuren geheimer Kommunikation mit ihren Verbündeten und punktuell Spionage oder Chiffrierung auffindbar. Das mit Preußen seit 1728 bereinigte und einvernehmliche Zusammenleben wurde erst mit dem Regierungswechsel in Preußen 1740 beendet. Dieses Jahr stellte eine entscheidende Zäsur dar. In den Schlesischen Kriegen fand eine geheimdiplomatische Aufrüstung statt. Um der preußischen Interzeption zu entgehen, nutzten die Sachsen Umwege und Deckadressen. Jahrelang unbemerkt konnte die verdeckte Interzeption im Schwarzen Kabinett des Grafen Brühl erfolgen. Sie wurde aber bitter gerächt mit der wesentlich schädlicheren Ausspionierung durch den korrupten Kanzlisten Menzel. Die kombinatorische Dechiffrierung abgefangener Briefe war angesichts des gestiegenen Komplexitätsgrades und hoher Wechselquote der Nomenklatoren nicht mehr möglich. Hinsichtlich der Informationsverwertung haben König August III. und sein Premierminister Brühl gegenüber dem preußischen König das Nachsehen gehabt, da sie eher defensiv und weniger zielgerichtet agierten als Friedrich II. Die heftigen öffentlichen Beschwerden bei enttarnter Geheimdiplomatie belegen die damals neue Macht der Öffentlichkeit und die gewachsene Bedeutung der Moral. Die Informationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit wurde intensiviert, da diese durch das ausgreifende Zeitungswesen aufnahmebereit dafür war. 4.4 Ausblick 4.4.1 Geheimpolitik 1763–1815 Nachwirkungen des Hubertusburger Friedens Im Februar 1763 wurde auf Schloss Hubertusburg der Frieden zwischen Preußen, Österreich und Sachsen unterzeichnet. Die Bestimmungen stellten den Vorkriegszustand wieder her und bestätigten Friedrich II. von Preußen den Besitz Schlesiens. Im Herbst starb König August III. von Polen, und Zarin Katharina setzte als Nachfolger Stanislaus II. Poniatowski ein. In Kursachsen begann unter dem neuen Kurfürsten Friedrich Christian und dem späteren Minister Thomas Freiherr von Fritsch die Politik des Wiederaufbaus, das so genannte Rétablissement. Als erste Amtshandlung entließ der Kurfürst den ihm verhassten Premierminister Brühl. Die Zeit des Wiederaufbaus sollte Friedrich Christians Amtszeit jedoch überdauern. Er starb nach wenigen Monaten, so dass Sachsen durch die folgende Vormundschaftsregierung zusätzlich geschwächt wirkte. In dem Maße, wie Sachsen aus der ersten Reihe der europäischen Mächte verdrängt wurde, nahm auch die Geheimdiplomatie in dieser Region ab. Die Emanzipation aus

4.4 Ausblick

637

der Geheimdiplomatie-Routine war erst möglich geworden, als ein Konfliktfeld bereinigt wurde, das die Politik stark prägte. Durch das Renversement des Alliances und die endgültige Klärung der Schlesienfrage im Siebenjährigen Krieg waren sowohl der bourbonisch-habsburgische Gegensatz als auch die preußisch-österreichische Konkurrenz überwunden. Die Denkmuster von Konkurrenz und Verdacht ließen sich jedoch nicht in sieben Jahren zerstreuen und die bewährten Praktiken nicht von der Aufklärung ausrotten. Im Oktober 1770 wurde der Sohn des Grafen Brühl nach Großbritannien entsandt, um die dortigen Meinungen zu den polnischen Unruhen in Erfahrung zu bringen sowie die Beziehungen zwischen Großbritannien und dem Haus Bourbon zu beobachten.1681 Er erhielt zusammen mit der Instruktion zwei Chiffren, wobei diejenige für französischsprachige Korrespondenz einen hohen Komplexitätsgrad besaß (721 Zeichen, zehn Nonvaleurs) und stark abgenutzt ist, während der deutsche Nomenklator einfacher ist (278 Zeichen, ein Nonvaleur) und kaum Gebrauchsspuren aufweist. Das wieder aufflammende Interesse Sachsens an Polen wurde durch die polnische Teilung 1772 sabotiert. Über die Warschauer Politik ließ sich der Dresdner Hof von einem Residenten unterrichten. Ein fünfseitiges chiffriertes Schreiben des Kabinettsministers im auswärtigen Departement, Graf von Sacken, an den Residenten von Essen in Warschau ist mangels Nomenklator bislang noch nicht dechiffrierbar gewesen.1682 Die polnische Verfassung vom 3. Mai 1791 transformierte die Wahlmonarchie in eine Erbmonarchie und setzte den Kurfürsten von Sachsen als künftigen König ein, ohne vorher dessen Zustimmung einzuholen. Vom 25. bis zum 27. August 1791 trafen in Pillnitz der Kaiser Leopold II., König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, der russische Admiral Karl Heinrich Nikolas Prinz von Nassau-Siegen und der Bruder des französischen Königs, Charles Philippe Graf von Artois, zusammen, um über die Folgen der Französischen Revolution zu beraten und die Maiverfassung zu billigen. Aus Wien und Berlin wurde eine Übernahme der polnischen Krone befürwortet, was auch in einem der sechs geheimen Artikel der Pillnitzer Deklaration niedergelegt wurde.1683 Die Geheimhaltung vor der Öffentlichkeit gelang aber nicht, da der Graf von Artois die Urkunde schnell bekannt machte und bereits zur Ostermesse anonyme Publikationen über die polnische Offerte erschienen.1684 Das Geheime Konsilium und der Kirchenrat verurteilten diese verfrühten Abhandlungen. Wegen der Instabilität der Rzeczpospolita und Einwänden gegen einzelne 1681 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2684/8. 1682 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 2814/12. 1683 Vgl. Kobuch 1994, S. 16. Die Zielerklärung, den König von Frankreich wieder in seine alten Rechte einsetzen zu wollen, griffen die revolutionären Kräfte in Frankreich als Kampferklärung auf und nutzten sie für die Propaganda zu Gunsten einer weiteren Radikalisierung, die in den Ersten Koalitionskrieg mündete. Die anderen geheimen Artikel betrafen die gemeinschaftliche Teilung gemachter Eroberungen und die Königswahl des Erzherzogs Franz. 1684 Vgl. Kobuch 1994, S. 23. Insgesamt kamen sechs Publikationen im Zeitraum September 1791 bis Februar 1792 in Kursachsen heraus. Nur eine warnte vor einer erneuten Verbindung Sachsens mit Polen. Vgl. ebd., S. 31, 82.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Bestimmungen der Verfassung sowie wegen der Ablehnung Russlands und aus Gründen der Neutralitätspolitik des Kurfürsten entschloss man sich in Dresden am 24. Mai für eine Absage an das polnische Rumpfparlament.1685 Es zeigt sich, dass bis 1792 Polen im politischen Gedankenspiel des Königs eine Rolle spielte. Dennoch praktizierte Friedrich August III. keine Methoden der Geheimdiplomatie zur Erlangung seiner politischen Pläne. Zentren der Spionage- und Intelligence-Aktivitäten waren ausgangs des 18. Jahrhunderts Frankreich und England. Daniel Hailes, der englische Gesandte in Frankreich, schrieb 1785, jeder Franzose jeglicher Couleur, der einen Fuß auf die Insel setze, sei mehr oder weniger ein Spion und brächte geheime Nachrichten heim, um sich beim Minister einzuschmeicheln.1686 Nach 1800 leuchtete die britische Krone den profranzösischen Untergrund in München aus und baute ein Spionagezentrum auf, um durch Aufwiegelung und Infiltration die Franzosen „schachmatt zu setzen“.1687 Zentrum der Aktivitäten waren die Spione Drake in München, Horn in Regensburg sowie ein Mann namens Méhée de la Touche, der in Deutschland unter dem Decknamen Stanislaus Jablonski arbeitete und in Frankreich als „Bordeaux“, „Toulouse“ oder „Challans“ geführt wurde.1688 Die Anweisungen waren mit sympathetischer Tinte auf Taschentücher geschrieben und oft chiffriert. Die englischen Vorhaben wurden immer aggressiver und dadurch gefährlicher. Im März 1804 legte Napoleon Bonaparte dem Senat die ihm bekannt gewordenen Machenschaften Großbritanniens offen.1689 Die folgende Empörung, begleitet durch Festnahmen, Ausweisungen, Entführungen englischer und holländischer Vertreter auf dem Kontinent war dem französischen Kaiser ein großer Prestigeerfolg. Spuren der englischen Spionageaffäre führten allerdings nicht nach Sachsen. Durch die Industrialisierung gewann die Wirtschaftsspionage stark an Bedeutung, was die zahlreichen aufgegriffenen Kundschafter belegen, die beim Skizzieren und Spionieren in den britischen Docks und Maschinenhallen festgenommen worden waren.1690 Bald hieß es pauschalisierend in Deutschland, jeder reisende Engländer sei ein Spion.1691 In Amsterdam jedoch nahm man dieses Problem nicht so ernst, da die Agenten des Lord Hawkesbury ohne Mittel seien, sich die nötigen Kenntnisse anzueignen und ihre Informationen nur von Mätressen, ehemaligen Offizieren, Deserteuren oder 1685 Vgl. Jenak, Rudolf: Der Beitritt des Kurfürstentums Sachsens zum Rheinbund am 11. Dezember 1806. Die politisch-militärischen Begleitumstände dieses Vorgangs. Vortrag auf der Tagung „Bündnisse, Festungen und Reformen. Europa um das Jahr 1806. 12. Tagung der Historiker und Festungsforscher, Torgau 28.–29. Oktober 2011. AHF-Information 2011, Nr. 217 http://www.ahf-muenchen. de/Tagungsberichte/Berichte/pdf/2011/217–11.pdf [25.12.2011; ASR]. 1686 Hailes an Carmarthen, 1. September 1785, zit. in: Black, Jeremy: British foreign politicy in an age of revolutions 1783–1793, Cambridge 1994, S. 103. 1687 Schütz 2007, S. 120. 1688 Vgl. ebd., S. 121 f. 1689 Vgl. ebd., S. 125. 1690 So Margret Bradley in ihrem Beitrag „French Observers on their Travels in the late 18th and early 19th Centuries“ auf der Tagung „Treading the Border. Topographical Drawing, Military Scetching and Visual Espionage in Europe from the 16th to the 20th Century.“, Berlin, 3. Dezember 2011. 1691 Vgl. Cölln 1805, S. 233.

4.4 Ausblick

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missvergnügten Jakobinern erhielten und deshalb nur „grobe Spionerie“ treiben könnten.1692 Auch enttarnte der gealterte König Friedrich II. von Preußen 1778 noch einen österreichischen Spion in Schlesien, der kein Einzelfall war.1693 Zwischen Österreich und Preußen bestand weiterhin großes Misstrauen, und für Preußen ist eine ungebrochene Tradition der Chiffrierung festzustellen.1694 Das preußische Bergbauministerium selbst schickte einen jungen Agenten in den 1780er Jahren auf „technologische Reisen“ nach Holland und England, von wo er Skizzen von steinkohlebetriebenen Backöfen, von Bergbaupumpen sowie geologische Karten sandte.1695 Vereinzelte Notizen lassen erkennen, dass sich in Sachsen erst nach vielen Jahren der Inaktivität wieder die Aufmerksamkeit in Richtung Spionage wandte. Leider sind diese Fälle nur unzureichend überliefert. Eine anonyme Denunziation benannte zwei Oberlausitzer als ehemalige österreichische Spione von 1763, die bis zu ihrem Lebensende 400 bzw. 100 Gulden Pension genossen.1696 Das Geld mussten der Wirt eines Gasthauses zwischen Marienthal und Ostritz und der Zimmermann aus Seitendorf vierteljährlich in Prag persönlich abholen, um zu beweisen, dass sie noch am Leben seien. Auf die Anzeige hin wurden Erkundigungen eingezogen, und da sich von dem Gastwirt nichts in Erfahrung bringen ließ, wurden der Zimmermann, der Bürgermeister und der Tagelöhner von Ostritz arretiert und verhört. Wie dieser Fall ausging, ist nicht überliefert. Es ist davon auszugehen, dass diese verspätete Denunziation aus persönlichen Gründen erfolgte, eventuell von Nachbarn, Konkurrenten usw. In den 1770er Jahren beherbergte die Festung Königstein wieder einige Spione und Rebellen. Der Gouvernementsadjutant August de L’Estocq wurde wegen aufrührerischen Betragens gegen den Gouverneur seines Amtes enthoben und durchlebte 1771–74 mit eigenen Möbeln, Freigang, Schreiberlaubnis und guter Kost einen gelockerten Arrest.1697 Nach seiner Entlassung verließ er die ihm zugewiesenen Aufenthaltsorte und pflegte verdächtige Korrespondenz, so dass er abermals für einige Jahre inhaftiert wurde.1698 Der Name L’Estocq ist auch später wiederholt in den Kriminal-Listen aktenkundig geworden, und es ist von einer kriminellen Karriere des Mannes auszugehen, der angeblich schließlich nach Amerika ausgewandert ist.1699 1692 Ebd., S. 240. 1693 Vgl. Wachter 1880; GStA PK, I. HA, GR, Rep. 49 Fiscalia, L 1, Nr. 7. 1694 Es sind für die Zeit nach 1763 zahlreiche Nomenklatoren überliefert Vgl. GStA PK, III. HA Ministerium des Äußeren, Zentralbüro, Nr. 73; Nr. 76; Nr. 102; Nr. 109 und Nr. 110; I. HA, GR, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, L 8b, fasc. 1a; fasc. 1b; fasc. 5; fasc. 5a; fasc. 5b; fasc. 6; fasc. 7; fasc. 8; fasc. 9; fasc. 10; fasc. 11; fasc. 12; fasc. 13; fasc. 14; fasc. 15; fasc. 16; Z L fasc. 1. 1695 Vgl. Weber, Wolfhard (Hrsg.): Briefe und Berichte eines Industriespions. Friedrich August Alexander Eversmann in England, Essen 2019. 1696 Vgl. 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6432/13, f. 1–10. 1697 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14609/5; 14609/6; 14609/7; 14610/1; Nr. 0564. 1698 Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14603/33; 14610/8; GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1784. 1699 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 1385/6; Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 40/51 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten: Innenpolitik, Verfassung und Verwaltung, Bü 430.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Ein Agent namens Pierre Aloysius Marquis d’Agdollo war vom 21. April 1777 bis zu seinem Tod am 27. August 1800 auf der Festung Königstein inhaftiert. Er soll in eine Verschwörung verwickelt gewesen sein, „welche die Hinwegschaffung des regierenden Ch.Fürsten zum Zwecke hatte“.1700 Dieser kurfürstlich sächsische Obrist der Kavallerie und Generaladjutant des Prinzen Xaver und Träger des St. Heinrichsordens kannte vor seiner 23jährigen Haft die Festung bereits, denn er war aus „unbekannten“ Gründen am 18. September 1776 für 21 Tage in der Johann-Georgen-Burg inhaftiert, wofür ihm 50 Reichstaler aus der Kriegsgerichtskasse zur Verpflegung zustanden.1701 Prinz Xaver hatte diesen Spion zu allerlei geheimen Missionen gebraucht, und die Kurfürstinwitwe Maria Antonia benutzte […] ihn im J[ahre] 1776 zu geheimen Verhandlungen mit den Ministern ihres Sohnes, als es sich darum handelte, ihre für 200.000 Thlr. in Rom und den Niederlanden versetzten Juwelen einzulösen und sie von einer Schuldenlast von mehr als 700.000 Thlrn. durch Abtretung ihrer künftigen, auf viele Millionen angeschlagenen Ansprüche an den Allodial-Nachlaß des kinderlosen Kurf. Max Joseph von Baiern an ihren Sohn zu befreien.1702

Der Marquis war jedoch sehr erbittert, da er bei der Beförderung übergangen wurde und spielte ein intrigantes Doppelspiel. Er verkehrte mit seinem Kontrahenten Marcolini und teilte geheime Briefe der Kurfürstinwitwe, die im Ausland lebte, den sächsischen Ministern mit. Zudem bot er sich dem preußischen König als Spion an und lieferte Maria Theresia in Wien die Briefe der Kurfürstinwitwe gegen gutes Geld, damit diese sich ihre Ansprüche auf Bayern besser zurechtlegen konnte. Die Kurfürstinmutter kam hinter diese Intrige und veranlasste seine Verhaftung. Über die Gründe für die langjährige Festungshaft konnten die auswärtigen Gesandten nur spekulieren. Der Kurfürst wahrte dieses Geheimnis selbst vor seinen Ministern und ließ keine Untersuchungsakten führen. Ein katholischer Geistlicher soll den Gefangenen vernommen und die Aussagen mündlich dem Kurfürsten übermittelt haben. Auch habe Friedrich August III. von Sachsen Teile seiner Korrespondenz mit seiner Mutter selbst vernichtet.1703 Die europäischen Höfe waren vom Siebenjährigen Krieg halbwegs genesen, da stürzte der Tod von Maximilian III. Joseph von Bayern 1777 sie in einen erneuten Krieg, den Bayerischen Erbfolgekrieg. Auch dieser wegen harmloser militärischer Scharmützel sogenannte „Kartoffelkrieg“ ließ Spionageangst aufkommen. So wurde Graf von Kayßermark aus Berggießhübel „wegen in diesem Kriege geführter Correspondence“ verdächtigt und kam 1778 für 20 Tage nach Königstein.1704 Am 12. September 1778 (nach Festungsunterlagen am 14. Februar 1779) wurde der ehemalige Sous-Leutnant Dankgott 1700 1701 1702 1703

FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 92. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 88. „Agdollo, Peter Aloysius Marquis d’“ von Paul Gautsch, in: ADB, Bd. 1 (1875), S. 137–138. Vgl. Weber, Karl von: Maria Antonia Walpurgis, Churfürstin zu Sachsen, geb. kaiserliche Prinzessin in Bayern, Dresden 1857. 1704 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 93.

4.4 Ausblick

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Friedrich von Obernitz vom Graf Solmschen Regiment von Zwickau zum Königstein gebracht, weil er sich „wegen getriebener Spionage“ verdächtig gemacht hatte.1705 In der Zeit bis zu seiner Entlassung am 26. Mai 1779 kostete seine Unterbringung monatlich drei Reichstaler.1706 Jedoch wurde er bereits einige Jahre zuvor auf Königstein festgehalten: die Liste datiert seinen ersten Aufenthalt auf die Zeit zwischen dem 19. Februar 1773 und dem 18. Februar 1774 und begründet diesen mit einer wiederholten Duellaufforderung seines Bruders.1707 Fast gleichzeitig, am 15. September 1778, bezog ein gewisser Johann Gottlieb Fischer eine kleine Stube ohne Kammer in der zweiten Etage der Johann-Georgen-Burg, einem Haftgebäude auf der Festung Königstein. Die Gefangenenliste beschreibt, der Vagabund habe sich wegen getriebenem Spionierens verdächtig gemacht.1708 Er durfte seiner Frau nicht schreiben und zugeschicktes Geld nicht zur Verfügung gestellt bekommen. Aus dem Paket seiner Frau erhielt er jedoch Winterkleidung, Butter und Mandelkäse. Diese Nahrungsmittel brauchte er auch, denn ihm standen täglich nur zwei Groschen Verpflegung zu. Er wurde am 29. Mai 1779 „nach hergestelltem Frieden“ zusammen mit Obernitz wieder freigelassen.1709 Sie erhielten eine ernstliche Verwarnung, sollten sich direkt in ihre Heimat begeben und sich „alles unruhigen Betragens gegen jedermann gänzlich […] enthalten“. Einen besonders abenteuerlichen Weg schlug der französische Schriftsteller und Agent Robert-André Andréa de Nerciat ein, den seine Auftragsreisen durch Sachsen führten, ohne hier nachhaltigen Einfluss zu nehmen.1710 1705 1706 1707 1708 1709 1710

FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 95. Vgl. SächsHStAD, 11254 GD, Loc. 14515/5. Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 81. Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 94. Ebd. Nerciat reiste ab 1776 durch Europa und war für verschiedene Herrscherhäuser als Doppelagent tätig. Zunächst war er in Flandern, später längere Zeit in Kassel angestellt, bevor er für die französische Armee in der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen die Aufständischen unterstützte, um das Haus Oranien zu destabilisieren. Es gibt widersprüchliche Quellen, die ihn für Frankreich in Diensten des Herzogs zu Braunschweig und des preußischen Königs beschreiben. Unter dem Pseudonym Certani (Anagramm von Nerciat) und der Identität eines neapolitanischen Musiklehrers war er aber zweifelsfrei für die Revolutionsregierung 1792 als Geheimagent unterwegs. Seine Aufträge führten ihn nach Neuwied, Hamburg und Leipzig, wo er jeweils im Anschluss als Bibliothekar arbeitete. Als er für Friedensverhandlungen 1796 nach Wien geschickt wurde, legte er u. a. auch in Halle, Leipzig, Dresden und Prag Zwischenhalte ein. Da er sich mit dem Grafen Waldstein zur Leipziger Messe getroffen hatte, reiste er wahrscheinlich mit ihm weiter und bewohnte eine Weile das Schloss Dux in Böhmen, wo er auch mit Casanova zusammentraf. Nerciat soll seine Berichte an das französische Außenministerium in einer eigenen Notenchiffre verschlüsselt haben. Nachdem in Wien seine Tarnung aufflog und er als Geheimagent festgenommen worden war, musste er die Stadt verlassen. Da er auch in Linz erkannt wurde, reiste er über Basel und Regensburg zurück nach Frankreich. Nun sandte ihn das Außenministerium unter dem Decknamen eines Barons nach Italien, wohl um den Lebenswandel der Josephine Bonaparte zu überwachen, offiziell jedoch zur Vorbereitung des Friedens von Campo Formio. 1797 erhielt er Bezüge vom König von Neapel-Sizilien und wurde zugleich noch von Frankreich bezahlt, so dass er wiederum als Doppelagent wirkte. Die Königin sandte ihn zu Spionagezwecken nach Rom, wo er nach der Einnahme der Stadt durch die Franzosen in der Engelsburg inhaftiert wurde.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Diese Aktivitäten treffen zeitlich mit dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg in der Neuen Welt zusammen, in dem Spionage und Kryptologie kriegsentscheidende Einflüsse hatten. Das war für Europa die Initialzündung zur verstärkten Anwendung geheimdiplomatischer Mittel in den kommenden Konflikten. Die Französische Revolution und ihre Folgen Der Ausbruch der Französischen Revolution wird teilweise einer englischen Verschwörung gegen Frankreich angelastet. Die englische Politik hatte im Mai 1789 ein Ansuchen Ludwigs XVI. abgelehnt, ein wenig des in großer Menge in England gehorteten Getreides nach Frankreich zu liefern, um der großen Hungersnot abzuhelfen. Der venezianische Botschafter in Paris, Capello, gilt als Kronzeuge für die britischen Aktionen in Vorbereitung des Sturms auf die Bastille, die als „Hungerverschwörung“ bekannt sind.1711 Diese hat der Journalist Montjoie öffentlichkeitswirksam zum Beginn des Prozesses gegen Ludwig XVI. gestreut, um sein Blatt zu verkaufen. Jedoch musste er vor den Royalistenverfolgungen mehrfach fliehen. Doch seine Verschwörungstheorie zur Französischen Revolution ist bis heute in der Forschung auffindbar.1712 Im Zuge der französischen Unruhen und Expansionsbestrebungen wuch bei der sächsischen Regierung die Besorgnis eines Krieges, was sie auf potentielle Spionage achtsam werden ließ. So wurde 1790 das Gastwirtehepaar zu Großengösteritz wegen unerlaubter Korrespondenz mit einem österreichischen, in Mühlhausen wohnenden Offizier namens Otto verhört, und es gab Nachforschungen in Bautzen und Weißenfels.1713 Im Zusammenhang mit den revolutionären Ereignissen in Paris sind auch in Deutschland vielerorts Unruhen entstanden. Johann George Brandtner, ein Häusler aus Nösgen bei Nossen, kam am 11. September 1790 für sieben Monate auf die Festung Königstein, weil er sich bei dem im August stattgefundenen Bauernaufruhr beteiligt hatte.1714 Ebenso traf es 33 weitere Häusler mit zwei- bis fünfmonatiger Haft auf dem Königstein.1715 Zahlreiche weitere Verhaftungen fanden statt, denn 225 Grundherrschaften meldeten Revolten, so dass schließlich 2071 Urteilssprüche gefällt wurden.1716 Der Fokus 1711 Vgl. Montjoie, Galart de: Histoire de la conjuration de Louis-Philippe-Joseph d’Orléans,: Premier prince du sang, duc d’Orléans, de Chartres, de Nemours, de Montpensier & d’Etampes, comte de Beaujolais, de Vermandois et de Soissons, surnommé Egalité, Oxford 1796, darin: Capello-Depesche Nr. 189 vom 20. Juli 1789. 1712 Vgl. Beaudry, Pierre: Bailly, Jean-Sylvain, The French revolution’s Benjamin Franklin, Berlin 2001, URL: http://bueso.de/artikel/scheitern-amerikanischen-revolution-frankreich []22.11.2011; ASR]. Der Begriff der „Verschwörungstheorie“ kommt erst in den 1980er Jahren auf. Vgl. das Dissertationsprojekt von Andrew McKenzie-McHarg (Forschungszentrum Gotha). 1713 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, f. 11–32. 1714 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 111. 1715 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 112 bis Nr. 144. 1716 Vgl. Walter 2013, S. 422 f., 431. An dieser Stelle sei Thomas Walter für seinen Hinweis gedankt.

4.4 Ausblick

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der Landesregierung galt aufrührerischen Schriften und der Überwachung vor allem französischer und polnischer Personen. Es stellte sich heraus, dass der Bauernaufstand nicht durch französische Agenten oder äußere Einflüsse ausgelöst worden war, sondern durch den Despotismus einiger Grundherren.1717 Diese Revolte ließ die Regierungen ob möglicher Infiltration seitens Frankreich aufhorchen. Im Herbst 1792 brachen an der Universität Jena, die unter Aufsicht der vier ernestinischen Herzogtümer Sachsen-Coburg-Saalfeld, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Weimar-Eisenach stand, am 10. Juni 1792 Unruhen aus. Die Hochschule war bereits durch die verbotenen Duelle und Geheimorden auffällig geworden.1718 Die Studenten hatten ihr Quartier in Nohra bei Weimar. Doch nicht nur Studenten wurden auf Geheiß des Herzogs ausspioniert. Die von dem Jenaer Professor Schütz herausgegebene Allgemeine Literatur-Zeitung gab wegen ihrer proaufklärerischen Tendenz Anlass zur Sorge um etwaige bestehende Pläne für einen Staatsstreich, so dass das Geheime Konsilium entsprechende Maßnahmen beriet, u. a. die Überwachung der Briefe von Verdächtigen. Aus Gotha, von wo man Kunde über aufgegriffene Exemplare erbat, kam die Empfehlung zur heimlichen Spionage: Diese Absicht, wäre sie vorhanden, kann man nicht besser vereiteln, als wenn man alle mögliche, geheime, die geheimste Wachsamkeit beobachte, aber ja nichts thue, was in die Augen falle – Käme man auf Spuhren von geheimen Verständnissen – so würden sie zu verfolgen seyn biß man auf den Grund komme und wircksame Mittel mit dem wenigsten Geräusch dargegen zu ergreifen seyn.1719

Herzog Carl August instruierte seinen Geheimrat Christian Gottlob von Voigt entsprechend: indeßen bemühen Sie immer auf die bekannte Weise dieses Maulwurfgeschlecht, und geben mir von Zeit zu Zeit Nachricht von dem Erfolge, und von denen Bewegungen der hintersten Bierfäßer im Keller, es ist nöthig: daß mann dergleichen Sachen nicht übersehe.1720

In der Tat lief die Spionage bereits seit Monaten auf Hochtouren. Der Kammerrat von Hendrich berichtete von Kundschaften seines Spions über die Meinungen unter den Studenten, Emigranten und Professoren sowie von Auskünften eines Wegeknechts.1721 Der Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe plädierte für eine Belohnung des Jenaer Stadtkommandanten von Bentheim für seine Ausgaben für die Spionage.1722 Bentheim 1717 1718 1719 1720 1721

Vgl. ebd., S. 428. Vgl. Wilson 2004, S. 15 f. Herzog von Sachsen-Gotha an Carl August, Oktober 1792, in: ebd., Nr. 236. Carl August an Geheimrat Voigt, 24. November 1792, in: ebd., Nr. 287. Vgl. Promemoria Kammerrat Hendrich an das Geheime Konsilium, 19./20. Juli 1792, in: ebd., Nr. 127 und Nr. 128. 1722 Vgl. Geheimrat Goethe an Geheimrat Voigt, 10. September 1792, in: ebd., Nr. 214; Geheimrat Voigt an Carl August, 17. August 1792, in: ebd., Nr. 181.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

hatte bezahlte wie unbezahlte Spitzel, die er „vertraute Kundschafter“ nannte und die in der Studentenschaft ein beständiges gegenseitiges Misstrauen nährten. Tatsächlich erhielt er u. a. ein Geschenk über 100 Reichstaler aus der Kriegskasse.1723 Eine gemeinsam von Weimar und Gotha geleitete Untersuchungskommission wurde seitens Gotha immer weiter verschleppt. Die Studenten besaßen gegenüber Weimar stärkeres Vertrauen als gegenüber Gotha, denn aus den Berichten Voigts an Herzog Carl August geht hervor, dass die Studenten die Bestrafungen eher dem Gothaer Herzog anlasteten als dem Weimarer.1724 Zusammen mit seinem „Geschäftsfreund“ und Kollegen Voigt verfasste Geheimrat Goethe eine Propagandaschrift unter dem Titel „Actenmäßigen Nachricht […] über die Unruhen“.1725 Der Geheimrat Voigt entschuldigte sich gar, Goethe in dieser „sonderbaren Crisis der Jenaischen Universität“ stark eingebunden zu haben: Wir sind sehr in der Avantgarde und ich komme eben itzt […] von einer Besprechung mit Goethe zurück, die uns beide ganz überzeugt hat, daß wir in Ansehung der Ordnung und Sitten eine neue Periode in Jena anheben wird. […] Der Geheime Rat von Goethe ist für Staat und Academie itzt so geschäftig und nützlich gewesen, daß Ew. Durchlaucht gnädigst verzeihen werden, wenn er einige Tage noch hier bleibt, um die ganze Krisis noch mit in Ordnung zu bringen.1726

Nach seiner Rückkehr wurde Goethe von Herzog Carl August noch verpflichtet, auf das Weimarer „Häuflein“ um Herder und Knebel politisch einzuwirken, indem er seine „Bindekraft“ spiele lasse und dem Herzog gelegentlich Nachricht davon gebe.1727 Allerdings hat Goethe seine eigenen Briefe vom Herzog zurückgefordert und verbrannt.1728 Nach Abflauen der Studentenunruhen und der Gefahr einer französischen Invasion wurde die Spionage gegen die Universität wieder aufgehoben. Goethe selbst dürfte über diese Arbeit wenig erfreut gewesen, sein, hatte er doch früher „die Blüte des Vertrauens der Offenheit“ gepriesen und die Versteifung und das eiserne Schweigen im schwierigen Gelände der Diplomatie als unangenehm empfunden.1729 Auch war er während seiner Italienreise selbst Opfer von österreichischer Spionage geworden, als der Wiener Hof hinter seinem Romaufenthalt eine Geheimmission vermutet und seinen Begleiter, den Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein ausgehorcht hatte.1730 Jedoch besaß Goethe panische Angst, dass die Ordnung, die ihn schützte und privilegierte, unter1723 Vgl. Resolution von Carl August, 27. August 1792, Nr. 195; Ordre des Geheimen Konsiliums an Bentheim, 14. September 1792, in: ebd., Nr. 219. 1724 Vgl. Brief von Geheimrat Voigt an Carl August, 6. August 1792, in: Wilson 2004, Nr. 167. 1725 Vgl. Wilson 2004, S. 27; Safranski 2013, S. 473. 1726 Brief von Geheimrat Voigt an Carl Augsut, 20. Juli 1792, in: ebd., Nr. 132. 1727 Vgl. Brief von Carl August an Johann Wolfgang von Goethe, 27. Dezember 1792, in: ebd., Nr. 330. 1728 Vgl. ebd., Fn. 192, S. 492. 1729 „Ich habe die Götter gebeten, daß sie mir meinen Mut und mein grad sein erhaltenen wollen bis ans Ende.“ (17./19 Mai 1778), in: Goethes Werke (143 Bände in 4 Abteilungen; Sophienausgabe), hrsg. im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar 1887–1919, Bd. 4, 3, S. 224 f. 1730 Vgl. Safranski 2013, S. 250, S. 334.

4.4 Ausblick

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miniert werden und schließlich zusammenbrechen könnte“, wofür die Halsbandaffäre des Hochstaplers Guiseppe Balsamo alias Cagliostro ein erschreckendes Symptom gewesen war.1731 Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, musste sich der Fokus wieder stärker auf die Außenpolitik richten, da die Koalitionskriege begonnen hatten. Napoleon konnte in seinen Feldzügen Vorteile aus seinem taktischen Geschick, aber auch aus der desolaten militärischen Ausstattung und der Uneinigkeit des Heiligen Römischen Reiches ziehen.1732 Doch auch die Hohenzollern wussten noch Spionage einzusetzen. So nahm der aus Bayreuth stammende Oberst LeCoq 1801 das Land zwischen Werra, der Elbe, dem Harz und dem Thüringer Walde militärisch auf und regte an, dass über die Stellungen, Lager und Märsche, welche der Feind wählen könnte, militärische Memoires ausgearbeitet werden.1733 In diesem Zuge war auch die preußische Aufklärung erfolgreich und enttarnte einen französischen Agenten in Dresden namens Lavalette.1734 Einen anderen Staatsgefangenen namens Stürler wollte man nach Preußen bringen, wogegen Kursachsen aber Protest einlegte.1735 Die vielen überlieferten Chiffren für Gesandte in Preußen aus der Zeit der Koalitionskriege lassen eine starke Kryptologieabteilung vermuten, mit der Sachsen nicht mithalten konnte.1736 Auch ließen die Preußen die Postkurse prüfen, um eventuelle Möglichkeiten feindlicher Interzeption zu ermitteln.1737 Sachsen beschränkte sich darauf, fremde Mächte mit der Spionageabwehr zu beauftragen.1738 Aus der Freundschaft mit Bayern erwuchs ein Transfer von militärtechnischem Wissen und Kartenmaterial sowie die Möglichkeit, sächsische Kavalleristen in der Oberpfalz auszubilden.1739 Das Zusammengehen mit Preußen 1805 wurde Ende August 1806 von einer geheimen Militärkonvention gekrönt. Sachsen war verpflichtet, 21.000 Soldaten in die Schlacht von Jena und Auerstedt zu schicken. Im Vorfeld der Schlacht wurde als militärische List ein Täuschungsmanöver durchgeführt: Die Bauern zündeten nachts auf Befehl des Herzogs von Braunschweig einige Feuer zwischen Kösen und Auerstedt an, um Lager vorzutäuschen und ein weiteres Vorrücken der Franzosen zu verhindern. Aus dem französischen Heer schlichen daraufhin einige verkleidete Soldaten in die 1731 Ebd., S. 368, 336. An dieser Stelle sei Katja Knöfel für Ihre hilfreichen Hinweise gedankt. 1732 Vgl. Gramm, Ernst: Der Dritte Koalitionskrieg. Vortrag auf der Tagung „Bündnisse, Festungen und Reformen. Europa um das Jahr 1806. 12. Tagung der Historiker und Festungsforscher, Torgau, 28.– 29. Oktober 2011. AHF-Information 2011, Nr. 217 http://www.ahf-muenchen.de/Tagungsberichte/ Berichte/pdf/2011/217–11.pdf [25.12.2011; ASR]. 1733 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Staatsverträge, Nr. 2977. 1734 Vgl. ebd., Bericht von LeCoq, 29. Januar 1801, unfol. 1735 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 1538. 1736 Vgl. GStA PK, III. HA Ministerium des Äußeren, Zentralbüro, Nr. 73/1; 73/2; 73/3; 73/4; 73/5; 73/6; 73/7; Nr. 76; 76/1; Nr. 102. 1737 Vgl. GStA PK, I. HA, GR, Rep 52a Erfurt, Eichsfeld, Nordhausen, Mühlhausen, Nr. 6; Nr. 16. 1738 Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Loc. 30083/7. 1739 Vgl. BayHStAM, Abt. IV Kriegsarchiv, Zivil- und Strafsachen, Bund 397; Bund 398 und Bund 400.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Bauerndörfer, gaben sich als Preußen aus und fragten nach den Franzosen.1740 Auf diese Weise wollte Napoleon in Erfahrung bringen, wieviel über seine Standorte bekannt war. Auf der anderen Seite war seine eigene Aufklärung zu diesem Zeitpunkt alles andere als optimal, da er über die Standorte der anderen Truppen nicht Bescheid wusste. Die Preußen ihrerseits waren ebensowenig kundig: sie hatten das Gelände unzureichend rekognosziert und blieben im Sumpf stecken, wussten „so gut als gar nichts“ vom Feind“, was angeblich daran lag, dass König Friedrich Wilhelm das Spionagewesen „zuwider“ war.1741 Ein bei Dornburg aufgegriffener französischer Parlamentär wurde einen Tag später wieder freigelassen.1742 Als er nach der Schlacht abermals in preußische Hände fiel, musste er vor der Wut der Soldaten geschützt werden und verhinderte die Plünderung Halles durch die Franzosen. Der Pastor von Wenigenjena wurde von dem Marschall Lannes gezwungen, ihm den kürzesten und sichersten Weg zu den Preußen zu zeigen.1743 Aus Schlesien wurde durch Überinterpretation einer Zeitschriftenannonce das Gerücht kolportiert, die Russen rückten an: „Aus Breslau meldet Jemand einem hiesigen Handelsfreunde, daß die Zobel angekommen sind und in gutem Preise stehen.“1744 Der österreichische General Karl Mack von Leiberich unterhielt einen Spion namens Schneehals. Als die Franzosen diesen ergriffen, nutzten sie ihn als Doppelspion. Er sollte auf der Gegenseite berichten, in Paris sei ein Aufruhr ausgebrochen und die Engländer seien in Boulogne gelandet und marschierten auf Paris zu, so dass die französische Armee ihren Rückzug vorbereite.1745 General Mack war hocherfreut und sandte den scheinbar nutzbringenden Spion abermals über die feindlichen Linien, wo Schneehals untertauchte. Diese dort erfolgte Niederlage lief für Sachsen glimpflich ab, da Napoleon über die interne Situation informiert war und die irrationale Entscheidung nachsah. Die mit Frankreich ausgehandelten Friedensbedingungen führten zur Aufgabe der sächsischen Neutralität und zum Beitritt Sachsens zum Rheinbund sowie zur Erhebung des Kurfürstentums zum Königreich. Mit 6.000 Mann musste Sachsen nun auf Seiten Frankreichs gegen die eben noch verbündeten Preußen kämpfen. Infolgedessen waren erneut preußische Spione in Sachsen unterwegs. Der preußische Hauptmann Baron Borck von Wallenstein wurde am 9. April 1807 an der schlesischen Grenze bei Waldau mit angenommenem Namen Hofmann unter dubiosen Umständen und in Verbindung mit mehreren verdächtigen bewaffneten Personen (einen Kaufmann namens Löhnig und den preußischen Oberjäger Hayn) aufgegriffen, „weil derselbe sich des Spionierens und solcher Handlungen, im damaligen Grenz Cordon zu schaden und die Militair Straße

1740 1741 1742 1743 1744 1745

Vgl. Bergk 1807, Erstes Heft, S. 7. Bergk 1807, Drittes Heft, S. 22. Vgl. ebd., S. 27. Vgl. Bergk 1807, Erstes Heft, S. 14. Vgl. Bergk 1807, Zweites Heft, S. 91. Vgl. Bergk 1807, Drittes Heft, S. 19.

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4.4 Ausblick

zu beunruhigen verdächtig gemacht“ hatte.1746 Er war nicht uniformiert und konnte sich nicht rechtfertigen und behauptete, er wolle nach Pommern zu seinem Vater. Am 9. Juni schickte man ihn auf die Festung Königstein, aber er wurde als Kriegsgefangener und nicht als Spion behandelt, erhielt Hafturlaub sowie Monatsgeld und wurde „auf allerhöchstes Rescript“ im August 1808 wieder auf freien Fuß gesetzt.1747 Einige preußische Spione sollen den Fürst Hohenlohe hintergangen haben, andere waren verdächtig, da sie aus freien Stücken kamen: Angeblich soll auch eine Französin bei den Preußen Informationen angeboten haben, die sie über ihren Bruder im Generalstab erhielte.1748 Die französische Armee betrieb hingegen eine erfolgreichere Spionage und soll bestens unterrichtet gewesen sein. In den eroberten Städten setzte Napoleon Kommandanten ein, die durch Denunziation der Einwohner viele Informationen zugetragen bekamen.1749 Jedoch lehnten weite Kreise der Bevölkerung in Deutschland das französische Vorgehen ab. Sachsen selbst ließ im Frühjahr 1809, als man österreichische Überfälle befürchtete, den Erblehnrichter Böhme die feindlichen Armeecorps ausspionieren. Er wurde unter dem Vorwand, Hopfen einzukaufen und Handlungsschulden einzukassieren, nach Böhmen ausgesandt, vom dortigen Hauptquartier zurückgeschickt, auf dem Rückweg von den Böhmen aufgegriffen und hatte erhebliche Schäden und Auslagen zu beklagen, die er noch zwei Jahre später nicht erstattet bekommen hatte.1750 In dieser wenig ertragreichen Operation erschöpft sich die sächsische Intelligence in diesem Feldzug aber nicht. Im Jahr 1809 gab der Oberst Johann Adolph von Thielmann 570 Reichstaler für Spionage aus „welches alles einzeln aufzuführen ohnmöglich ist, aber worunter ich nur anführen will“.1751 Tabelle 29: Liste für Spionage 1809 Posten dem französischen Kundschafter Passarelli einen Menschen aus Freiburg, welcher dreimahl die Tour über Dresden nach Borna mitten durch den Feind zu Pferde machte einen Schützen, der als Zimmermann verkleidet von Eisenberg nach Dresden ging denen von der Mulde aufgestellten Offizier, so wie denen in Rücken des Feindes geschickten

1746 1747 1748 1749 1750 1751

Betrag 86 RT, in 16 Stück Louisdor 30 Ducaten 10 Dukaten 15 Dukaten

Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Nr. 121, unfol. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 160. Vgl. Bergk 1807, Drittes Heft, S. 23. Vgl. ebd., S. 31. Vgl. SächsHStAD, 10026 GK, Nr. 121, Vortrag von Erblehnrichter Böhme, 12. Dezember 1811, f. 1. SächsHStAD, 11237 GKRK, Nr. 787, Übersicht und Berechnung der bei dem Feldzug in Sachsen unter meinem Kommando im Jahr 1809 gehabten außerordentlichen Ausgaben, Ausgaben ohne Belege, unfol.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Posten Offizier von den Cordonnisten Pfarrer in Peterswalda einen Menschen aus Nossen, der es übernahm dem Major v. Wolan von der Affaire von Wilsdruf zu avertiren Einen dergleichen aus Tanneburg

Betrag Geld für eine Uhr 10 Dukaten 6 Dukaten 4 Dukaten

An diese Liste von Ausgaben ohne Belege heftete Leutnant Klotsch seine Rechnung über 70 Reichstaler, die Ausgaben mit Belegen betraf.1752 Daraus geht hervor, dass Kundschafter jeweils für ein bis drei Tage an die Grenze und in einige böhmische Städte geschickt worden waren.1753 Sachsen führte eine umfangreiche Feldaufklärung durch. In Weimar beließ man es nach derzeitiger Quellenlage bei aufmerksamer Beobachtung der englischen Spionage in Russland.1754 Napoleons Engagement auf dem Gebiet der Geheimdiplomatie zur Absicherung seiner Macht mündete in einen Polizeiapparat mit einem enggespannten Netz überzeugter Anhänger. Die Abwehrmaßnahmen waren erfolgreich und legitimierten aus Napoleons Perspektive seine Einschnitte in die bürgerlichen Freiheiten. Joseph Daumont, ein ehemaliger Kapitän in französischen Diensten, kam am 20. April 1809 „wegen eines verdächtigen Anschlags gegen Ihro Kayserl. Französische Majestät eines Einverständnisses mit England“ auf die Festung und wurde am 21. Oktober zur Galeerenstrafe nach Frankreich ausgeliefert.1755 Die Bevölkerung fürchtete die französische Geheimpolizei, die sie 1806–13 mit zunehmender Intensität überwachte und von Beamten Spitzelberichte forderte.1756 In Halle wurden 1807 Kritiker der Franzosen ohne Ansehen der Person inhaftiert: Postamtsleiter Matthias Wilhelm von Madeweis, Polizeiratsmeister Keferstein, Universitätskanzler Niemeyer, Landrat Wedell-Piesdorf und Major von Heyden.1757 Die sächsische Regierung ließ die Franzosen gewähren und fahndete an verschiedenen Orten nur nach Spionen, die die sächsische Politik auskundschafteten.1758 Die Gesellschaft war durchsetzt von Misstrauen. Wiederholt waren die Postrouten unterbrochen, und in den Privatbriefen jener Zeit findet man häufig Klagen über fehlende Briefe und Störungen in der Kommunikation. Maria Pawlowna, die Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, benutzte in Briefen an ihre Mutter Chiffren, bevorzugte aber, brisante Inhalte auf Russisch zu 1752 Vgl. ebd., Ausgaben mit Belegen, unfol. 1753 Genannt werden die Städte Marienberg, Passberg, Saaz, Portelberg, Kaden, Teplitz, Theresienstadt, Brix und Leitmeritz. 1754 Vgl. ThHStAW, Großherzogliches Hausarchiv A XXV (Maria Pawlowna), Nr. 1748. 1755 FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 163. 1756 Vgl. Töppel 2005, S. 195. 1757 Vgl. Weinreich 2011, S. 64. 1758 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 163, f. 33–52.

4.4 Ausblick

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schreiben.1759 Zudem teilte sie wichtige Dinge über mehrere Briefe hinweg mit, die durchnummeriert waren und erst alle zusammen die Botschaft ergaben.1760 So konnte ein gestohlener Brief allein nicht die ganze Aussage verraten. In der zugespitzten Lage 1812 schlug Maria Fedorowna eine Verschlüsselung mit Code-Phrasen vor. Wichtige Informationen waren mit Hilfe eines dreiseitigen Vokabelheftes in „alltägliche Trivialitäten“ übersetzt.1761 Da sie in der Kriegszeit von ihrem Außenposten politische Details nach Russland sandte, hatte Maria Fedorowna zu Recht Sorge um ihre Tochter, zumal es prominente Zeitgenossen gab, die hoher Gefahr ausgesetzt waren. Der Schweizer Politiker Fréderic-César de La Harpe, zugleich Erzieher der Zarenfamilie, nutzte mit seinem Zögling, Zar Alexander I., auch einen Nomenklator, als er fliehen musste: Napoleon hieß hier „Tiberius“, und „Goethe“ stand für Deutschland.1762 Fürst Pückler, der 1810 nach der Rückkehr aus Frankreich seine Herrschaft von französischen Truppen besetzt vorfand, verweigerte die Zusammenarbeit mit den Besatzern, obwohl er prinzipiell eine Sympathie für Frankreich empfand. Da er sich um Aufnahme in die russische Armee bemühte und Kontakte zu Preußen besaß, ließ Napoleon, dessen Truppen den fürstlichen Besitz in Bad Muskau verwüsteten, Pückler unter Spionageverdacht arretieren. Allerdings entkam dieser durch die Fürsprache des Generals Baron Radet der Hinrichtung und kämpfte in den Befreiungskriegen gegen Napoleons Armee.1763 Als Generaladjutant des Weimarer Herzogs nahm er später an der Völkerschlacht von Leipzig teil. In den niederen Ständen beförderte der Widerstand gegen die Franzosen die Herausbildung eines Nationalbewusstseins. Die Bildung einer antifranzösischen Armee zwischen Russland und Preußen infolge des Ende 1812 geschlossenen Waffenstillstands von Tauroggen ließ eine nationale öffentliche Meinung entstehen. Der Tischlergeselle Adam Heinrich Eiswald aus Dresden wurde am 13. März 1813 wegen erregter Unruhen zur einstweiligen Detention auf Verlangen des französischen Generals Reynier zusammen mit acht weiteren Arbeitern und Bauern für ein paar Tage in der Festung inhaftiert.1764 Diese Initiative fand noch vier Tage vor der offiziellen Kriegserklärung Preußens an Frankreich und dem Aufruf zu einem Freiheitskrieg durch Friedrich Wilhelm statt. Die Franzosen zogen sich langsam zurück, und auch Cottbus wurde preußisch. Da es seit 1807 dem Königreich Sachsen zugehörte, wurden im Juli 1813 drei

1759 Vgl. Schedewie 2015, S. 50 f. 1760 Vgl. ebd., S. 193. 1761 „Bei uns in Weimar ist alles ruhig.“= „Unterrichtet Herr Storch immer noch?“; „Wir werden gequält.“ = „Ich verliere Zeit, Mama, aber es kümmert mich nicht.“; „Napoleon will mich persönlich.“ – „Ist der Graf Golovkin immer noch schuld?“; „Man will mich nach Paris bringen.“ = „Ich habe Genickstarre, Mama.“ Diese Codes setzte Maria Pawlowna aber nie ein. Vgl. ebd., S. 53. 1762 Vgl. ebd., S. 111 f., 132. 1763 Neue Branitzer Briefe XVII, in: Der Märkische Bote (2009/10). 1764 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 181 bis Nr. 191.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Verdächtige in die Festung Königstein verbracht, die Aufstände im Cottbusser Kreis angestiftet haben sollten.1765 Welcherart diese Aufstände waren, ist bislang ungeklärt. Im Umkreis der Freikorps, die sich allerort bildeten, ist ebenfalls Untergrundtätigkeit zu beobachten. 1809–13 fand eine Untersuchung gegen Christian Gotthelf Dietrich aus Waldheim statt, da dieser als ehemaliges Mitglied des Freikorps des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels angeblich spioniert und aufrührerische Schriften verbreitet haben soll.1766 Dieses Freikorps war für seine Kompromisslosigkeit bekannt, denn es führte den Titel „Schar der Rache“, trug das Symbol des Totenkopfes und wurde von der Bevölkerung als Helden-Freikorps verehrt. Dass sich ein Sachse diesem Freikorps anschloss, spricht für seinen nationalen patriotischen Geist. Über seinen Austritt und die Umstände seiner Spionage ist leider nichts Näheres bekannt. Der Eifer der französischen Geheimpolizei zwang die Publizisten zu allerlei Winkelzügen. Im Leipziger Zeitungswesen umging der Journalist Adam Borgk die Zensur und die französische Spionage durch Verwendung wechselnder Pseudonyme wie Dr. Heinichen, Frey, Albrecht usw.1767 Wie nahmen die Zeitgenossen diese Praxis wahr? Britische Satiriker zeichneten Verräter als Ratten, Börsenspekulanten, Sphinx, Wendehals, Januskopf, Teufel oder zerlumpten Sansculotten.1768 Auf einem Blatt schaute die nationale Personifikationsfigur John Bull in das „Sack Office“ und sah, wie der Oppositionsführer, Charles Fox, gerade an „my dear Tally“ schreibt, während in seinem Büro geheime Post in Säcken abholbereit nach Paris, Wien, St. Petersburg, Konstantinopel und Schweden verpackt ist und alles mittels „secret service money“, Mühen und Sorgen sowie Zuckerpflaumen bezahlt wird (Abbildung 21).1769 Talleyrand, der am häufigsten angegriffen wurde, soll gegenüber Zar Alexander I. auf dem Wiener Kongress gesagt haben: „Verrat, Sire, ist nur eine Frage des Datums.“

1765 Vgl. FAK, Staatsgefangenen-Liste, Nr. 192 bis Nr. 194. 1766 Vgl. SächsHStAD, 10047, Amt Dresden, Nr. 4859. Bereits 1809 hatte der Herzog, dessen Territorium durch Napoleons Bruder Jerôme Bonaparte als Königreich Westphalen beherrscht wurde, in Wien mit dem Erzherzog das Freikorps gegründet. Diese schwarzuniformierte Schar zog von Böhmen über Leipzig und Braunschweig bis zur Nordseeküste, wo sie sich nach England einschiffte, für die Krone gegen das französisch besetzte Spanien kämpfte und erst 1814/16 zurückkehrte. 1767 Vgl. Rühlmann, Paul: Die öffentliche Meinung in Sachsen während der Jahre 1806 bis 1814, Gotha 1902, S. 10. 1768 Vgl. Dumouriez als Verräter und Informant Englands, 1803, aus der Serie Talleyrand, SLUB, Deutsche Fotothek, Inv.-Nr.: Tall.Graf.III,4,11 (Aufnahme-Nr.: df_tal_0000510, Datensatz-Nr.: obj 71039627); Laudable Secrecy respecting peace or John Bull to inquisitive, 1806, aus der Serie Talleyrand, SLUB, Deutsche Fotothek, Inv.-Nr.: Tall.Graf.II,6,9 (Aufnahme-Nr.: df_tal_0000293, Datensatz-Nr.: obj 71040296); A Democrat, or Reason and Philosophy von James Gillray, British Museum London; Talleyrand als Bischof und Verräter, SLUB, Deutsche Fotothek, Inv.-Nr.: Tall. Graf.II,4,10; Verrat Marmonts an Napoleon, 1814, aus der Serie Talleyrand, SLUB, Deutsche Fotothek, Inv.-Nr.: Tall.Graf.III,4,6. 1769 Vgl. Charles Fox als Verräter Englands, 1806, aus der Serie Talleyrand, SLUB, Deutsche Fotothek, Inv.-Nr.: Tall.Graf.II,6,10.

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Abbildung 21: Secrets upon secrets or John Bulls peep into the sack office, aus der Serie Talleyrand, 1806, SLUB, Deutsche Fotothek, Inv.-Nr.: Tall.Graf.II,6,10, obj. 71040297

Im Jahr 1811, als Sachsen sich anschickte, die Franzosen beim Russlandfeldzug zu begleiten, befürchtete man prorussische Aktivitäten Preußens.1770 Deswegen veranlasste das sächsische Kabinett die Überwachung aller Landesfremder. Der Chef des sächsischen Generalstabs, Carl Friedrich Wilhelm von Gersdorff beabsichtigte jedoch, diese Überwachung auch auf die sächsische Bevölkerung auszuweiten. Im Folgejahr wurde die Hohe Polizei unter dem Außenminister Friedrich Christian Ludwig Graf Senfft von Pilsach installiert. Aus den Landkreisen liefen die Informationen der Bürgermeister und Räte bei den Gendarmerieinspektoren zusammen. Ein französischer Spion namens Passarelli wurde vom französischen Botschaftssekretär in Dresden nach Zittau entsandt, um dort die Volksstimmung zu studieren. Solche Berichte führten Napoleon Bonaparte zu der Einsicht, dass die Bevölkerung von dem französischen Bündnis entfremdet war und dass die sächsische Treue an dem Erfolg der Waffen hing. Für den französischen Kaiser waren in der Spionage zahlreiche Personen tätig, von denen einer Berühmtheit erlangte: Karl Schulmeister, der 500 Agenten die 48 Herbergen in Erfurt beobachten ließ, als 1808 Napoleon dort ein Fürstentreffen abhielt.1771 Eine sächsische Agentin Napoleons war die Gräfin Auguste Charlotte von Kielmann1770 Vgl. Töppel 2008, S. 132. 1771 Vgl. Boucard 1934, S. 31.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

segge, deren Memoiren 1927 gedruckt wurden.1772 Sie war die Tochter des sächsischen Hausmarschalls Peter von Schönberg. Aus ihrer Begeisterung für die Französische Revolution machte sie kein Hehl. Nach ihrer Zwangsehe mit dem Grafen Rochus von Lynar soll sie diesen der Sage nach aus Liebe zu Napoleon mit frischem Kirschkuchen vergiftet haben. Die von Napoleon geschenkte schwarze Halskette wurde in der Sage zu einem Strick, den sie lebenslang als Buße für die Tat umhängen musste. Sie ging eine zweite Ehe mit dem hannoverschen Gesandten in Sachsen, dem Grafen Kielmannsegge, ein, der bald als Verräter von den Franzosen inhaftiert wurde. Um das Leben ihres Mannes bittend kam die Gräfin nach Paris und wurde die Vertraute des Kaisers.1773 Mit ihr sondierte er die Stimmung und die Interessen in den politischen Salons. So lebte sie 1809–13 am französischen Hof bei Napoleon und kehrte erst zur Völkerschlacht von Leipzig nach Dresden zurück. Sie ließ sich scheiden und bewohnte ein Wasserpalais in Dresden-Plauen. Dort soll sie geheime Wissenschaften betrieben haben und mit unsichtbaren Gesprächspartnern gesprochen haben. Auch besaß sie einen toten Briefkasten, um ihre Korrespondenzpartner geheim zu halten.1774 Der Streit um ihren Nachlass ist im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden überliefert.1775 Napoleon und sein Polizeiminister Joseph Fouché nutzten die ganze Bandbreite der Geheimdiplomatie: aggressive Methoden wie Entführungen und Morde,1776 die offensiven Formen der Interzeption und Spionage, aber auch defensive Mittel wie Geheimschriften und mündliche Nachrichtenübermittlung. Am 19. Oktober 1813 sandte Napoleon den Herzog von Bassano, der im Gefolge des sächsischen Königs reiste und als Bote zwischen Napoleon und Friedrich August I. diente, nochmals zum leitenden Kabinettsminister Graf Detlev von Einsiedel, um ihm die Ansichten über die politische Lage des Königs mitzuteilen und ihm drei chiffrierte Briefe an die französischen Kommandanten in Dresden, Torgau und Wittenberg zu überreichen.1777 Friedrich August I. diente Napoleon damit als Zwischenposition, um die sichere Übermittlung der Briefe nach Sachsen zu gewährleisten. In der Völkerschlacht trat der sächsische König erst sehr spät auf die alliierte Seite über. Nach der Niederlage in der Völkerschlacht begann der sächsische König seine Reise ins preußische Exil, wo er am 26. Juli 1814 das Schloss Friedrichsfelde bezog und seinen Kabinettsminister Detlev von Einsiedel in dessen Privathaus in der Nähe wohnen ließ. 1772 Vgl. Kielmannsegge, Auguste Charlotte von: Memoiren der Gräfin Kielmannsegge über Napoleon I., Dresden 1927. 1773 Angeblich soll sie sogar ein Kind mit Napoleon gehabt haben, den so genannten „Dresdner Findling“, der sich Ernst Graf Napoleon Bonaparte nannte. Aus Verzweiflung, dass seine angebliche Mutter ihn nicht anerkannte, soll er sich in der Elbe ertränkt haben. Vgl. SächsHStAD, 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 1349; 11045 Amtsgericht Dresden, Nr. 739. 1774 Vgl. „Die Gräfin Kielmannsegge“, in: Meiche, Alfred: Sagenbuch des Königreichs Sachsen, Leipzig 1903, S. 1007–1010. 1775 Vgl. SächsHStAD, 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 1459. 1776 Vgl. Daudet 1895. 1777 Zit. in: Weber, Karl v.: Detlev Graf v. Einsiedel, in: ASG 1 (1863), S. 58–116, 86.

4.4 Ausblick

653

Dieser zeigte sich weniger über Sachsens Schicksal als über die Sicherheit der Post besorgt. Die Zweifel brachten ihn dahin, seine Briefe durch französische Kuriere des Fürsten Talleyrand transportieren zu lassen und sie an „Mademoiselle Rosenzweig in Berlin, Leipziger Straße, Reussisches Haus No. 5“ zu adressieren.1778 Diese war die Erzieherin der Gräfin von Einsiedel gewesen. Über sie erhielt der Kabinettsminister regelmäßig kryptische Briefe, in denen sich „Jennisch“ über „wahre Freunde“ und Streitfragen ausließ, wobei er alle Personen- und Ortsnamen änderte. Aus Österreich wurde Gera, aus England wurde Madame Schumann, aus Preußen Frau von Mohrenheim.1779 Die Kombination von Deckadressen, Pseudonymität und Verschlüsselung zeigt die Notwendigkeit komplizierter Geheimhaltungstechniken gegen eine exzellent arbeitende Geheimpolizei. Für die Nibelungentreue Friedrich Augusts I. gegenüber Napoleon wollte Preußen sein langgehegtes Ziel durchsetzen und Sachsen annektieren. Der österreichische Kanzler Metternich verhinderte jedoch die Auflösung Sachsens, das allerdings drei Fünftel seines Territoriums an Preußen abtreten musste. Während des Wiener Kongresses spionierten sich alle Teilnehmer untereinander aus, waren aber „amateurs“ verglichen mit Metternich.1780 Besonders Zar Alexander I. konnte er blendend überwachen, da er dessen Bekannten und Sprachlehrer bestochen hatte. Mit dem Wissen über die russischen Pläne bot Metternich dem Zaren die Heilige Allianz an. Zugleich wandte sich seine Beobachtung nach innen – insbesondere gegen die liberalen Geister im Land richtete sich sein Geheimes Ziffernbüro in der Wiener Stallburg, das 1848 von der wütenden Menge gestürmt wurde. Die Protokolle und Polizeiberichte dieses Informationsbüros, das in Sektionen gegliedert war, belaufen sich auf über 200 Aktenkonvolute.1781 Auch auf gesellschaftlicher Ebene haben die geheimdiplomatischen Folgen der Französischen Revolution in Sachsen ihre Spuren hinterlassen. Der Schriftsteller August von Kotzebue wurde als Spion beäugt, da er sich dem russischen Außenminister angedient hatte und regelmäßig über das Leben in Weimar berichtete.1782 Der Informant brachte durch diese nicht verheimlichte Tätigkeit die Bevölkerung gegen sich auf. Den Studenten war er als rückwärtsgewandter Burschenschaftshasser ohnehin ein Dorn im Auge. Kotzebues Arbeit für Russland dürfte den radikalen Burschenschaftler Karl Ludwig Sand bestärkt haben, ihn mit den Worten „Hier, du Verräter des Vaterlandes!“ 1819 zu ermorden. Dieser Mord diente Fürst Metternich als Vorwand, stärker gegen die Burschenschaften vorzugehen und die Karlsbader Beschlüsse zu erlassen. Ganz andere Bezüge hat ein anderer Fall, der gleichfalls im kulturellen Bewusstsein verankert ist und mit der Geheimdiplomatie nach 1789 verknüpft ist: die Legende um 1778 1779 1780 1781 1782

Vgl. Weber 1863, S. 95. Vgl. ebd., S. 96. „Metternich“, in: Buranelli, Buranelli 1982, S. 208. Vgl. HHSTAW, Informationsbüro, Polizeiberichte und Zentralinformationsprotokolle, VI/2/5. Vgl. Hagen Schulze: Sand, Kotzebue und das Blut des Verräters (1819), in: Alexander Demandt (Hrsg.): Das Attentat in der Geschichte, Frankfurt am Main 1999, S. 256–276.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

die so genannte „Dunkelgräfin“. Von 1810 bis 1837 soll sich in Sachsen-Hildburghausen incognito die unter dem Namen Madame Royal bekannte Marie Therèse Charlotte von Frankreich, die Tochter des guillitonierten Königs von Frankreich, Ludwigs XVI., aufgehalten und nur nachts in Verschleierung gezeigt haben.1783 Mittlerweile gibt es über 200 Veröffentlichungen zum Mythos der „Dunkelgräfin“, und inzwischen hat sich auch die seriöse Wissenschaft des Themas angenommen.1784 Nachdem eine kürzlich erfolgte Exhumierung mit DNA-Abgleich klärte, dass die bestattete Person nicht die Prinzessin ist, soll die Identität durch weitere Nachforschungen festgestellt werden.1785 4.4.2 Kontrolle der öffentlichen Meinung nach dem Wiener Kongress Die endgültige Niederlage Napoleons bei Waterloo führte dazu, dass die Gräfin Kielmannsegge als Agentin des französischen Kaisers verhaftet und auf ihre lausitzischen Güter verbannt wurde. Sie trat zum katholischen Glauben über und spielte 1848 wegen ihrer Freundschaft mit der Witwe von Robert Blum in der Märzrevolution eine Rolle. Diese Erhebung bildete den Kulminationspunkt des Einsickerns und Fruchtbarwerdens revolutionärer Ideale. Fürst Pücklers Landbesitz fiel infolge des Wiener Kongresses an Preußen, und der Graf blieb gegenüber dem Metternich’schen System skeptisch. Seine Sympathien für Frankreich mündeten in eine enge Freundschaft mit dem Bürgerkönig Louis Philippe, wodurch er in den Fokus des Metternich’schen Geheimdienstes rückte. Graf Metternich betrieb zur Abwehr der freiheitlich-demokratischen Bewegung einen Geheimdienst, 1783 Die zahlreichen Quellenbefunde lassen diese mystriöse Geschichte in der Tat als wahr erscheinen. Nach dem Tod ihrer Eltern wurden die Kinder voneinander getrennt. Dauphin Louis Charles starb unter mysteriösen Umständen, während die Halbschwester Ernestine Lambriquet fliehen konnte und Marie Thérèse eine lange Isolationshaft erlitt. Die auch als Madame Royale bezeichnete Prinzessin wurde angeblich Weihnachten 1795 in der Schweiz gegen französische Kriegsgefangene eingetauscht und kam zur österreichischen Verwandtschaft ihrer Mutter. Vermutlich wurde sie für die Hochzeit mit ihrem Cousin, dem Herzog von Angouleme nochmals vertauscht, um einen Skandal zu verhindern, da Marie Thérèse angeblich während ihrer Gefangenschaft vergewaltigt worden war und schwanger gewesen sei oder – so die zweite These – da sie wegen der elterlichen Geschichte psychisch krank geworden war. Nun habe ihre Halbschwester Ernestine Lambriquet ihre Rolle übernommen, während sie sich versteckt halten musste. Mit einem holländischen Diplomaten Leonardus Cornelius van der Valck soll sie vor Napoleon Bonaparte quer durch Deutschland geflohen und in Gotha und Jena aufgetaucht sein, bevor sie 1807 in Hildburghausen angekommen sei. Der Schutz durch das Herzogspaar erklärt sich daraus, dass die Mutter von Herzogin Charlotte eine Jugendfreundin der französischen Königin Marie Antoinette gewesen war. 1784 Vgl. Lilienstern, Helga Rühle von; Salier, Hans-Jürgen: Das große Geheimnis von Hildburghausen. Auf den Spuren der Dunkelgräfin, Leipzig, Hildburghausen 2008; Nagel, Susan: Marie-Thérèse, Child of Terror. The Fate of Marie Antoinette’s Daughter, New York 2008; Literaturdatenbank unter www.madame-royale.de [07.09.2011] 1785 Vgl. „Dunkelgräfin von Hildburghausen war keine Königstochter“, Meldung des MDR vom 29. Juli 2014; URL: http://www.mdr.de/thueringen/dunkelgraefin/index.html [31.07.2014; ASR].

4.4 Ausblick

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der auf den Vorkenntnissen früherer Schwarzer Kabinette basierte.1786 Bis zur Märzrevolution 1848 bestand in Wien eine äußerst effektive Postloge, die das Briefgeheimnis nicht nur der diplomatischen, sondern auch der privaten Post systematisch verletzte. Die Kontrolle des politischen Gegners wandelte sich zur Überwachung der öffentlichen Meinung. Der Staatsschutz musste sich angesichts der revolutionären Umtriebe mehr nach innen denn nach außen richten. Juristisch wurden die entsprechenden Maßnahmen vom Strafgesetzbuch des Jahres 1803 abgedeckt.1787 Burschenschaftliche Vereinigungen wurden überwacht, ihre Mitglieder festgenommen und die Publikationen zensiert. Die Repression jeglicher Kritik förderte ein gesellschaftliches Klima der Angst und des Misstrauens. Das Bankhaus der Rothschilds verwendete zur Geheimhaltung von Informationen das so genannte Judendeutsch als Geheimsprache sowie Codewörter.1788 Aus Erwähnungen der Problematik in ihrer Korrespondenz ist ersichtlich, dass dünne Briefe mit Kaufmannsadressen einen sichereren Transport erwarten konnten.1789 Auch in anderen europäischen Staaten hatte sich die Interzeption und Spionage institutionalisiert.1790 So etablierte Carl Ferdinand Friedrich von Nagler, der Chef des Nachrichtenbüros im preußischen Außenministerium, einen Nachrichtendienst mit Spitzeln, der 1820–46 sehr gut funktionierte. Mit der Auffindung, Festnahme und dem Verhör von Burschenschaftlern war auch die preußische Gesandtschaft in Dresden intensiv beschäftigt.1791 Man führte zudem Namenslisten preußischer Deserteure, die nach Kursachsen geflohen waren.1792 Auch in Bayern war Briefspionage an den Knotenpunkten der Postkurse üblich. Ein prominentes Exempel zeugt von der verbreiteten Kenntnis der Postlogen. 1825 schrieb Fürst Pückler an seine Ehefrau Lucie, der Prinz Carl Friedrich von Sachsen-Weimar habe einen Brief in die Hand bekommen, dessen Kuvert von Lucie überschrieben worden sei, so dass er nun an einen Spion glaube, der die Post geöffnet, gelesen und wieder verschlossen habe: Wehe dir dann, Schnucke, du wirst eingesteckt, und endigst den Karneval auf der Festung, nachdem Du noch vorher Deinem Wunsche gemäß bei dem Ordensfeste mit dem Badeorden bekleidet worden bist.1793

1786 Vgl. Vaillé 1950. 1787 Vgl. Czech, Philip: Der Kaiser ist ein Lump und Spitzbube. Majestätsbeleidigung unter Kaiser Franz Joseph, Wien, Köln, Weimar 2010, S. 60. 1788 Vgl. Liedtke, Rainer: N M Rothschild & Sons. Kommunikationswege im europäischen Bankenwesen im 19. Jahrhundert, Köln 2006, S. 96 1789 Vgl. ebd., S. 92. 1790 Vgl. ebd., S. 91. 1791 GStA PK, I. HA, Rep. 81 Gesandtschaft Dresden nach 1807, Nr. 530 bis Nr. 544. 1792 Vgl. GStA PK, I. HA, Rep. 81 Gesandtschaft Dresden nach 1807, Nr. 580. 1793 Hermann von Pückler-Muskau an Lucie, Januar 1825, in: Briefwechsel und Tagebücher des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau, Bd. 6, Bremen 2010, S. 256.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

Für England, das Mutterland des Secret Service, ist ebenfalls eine solch systematische Interzeption zu beobachten. In Frankreich setzte Napoleons ehemaliger Polizeiminister Joseph Fouché unter der nächsten Regierung seine Tätigkeit im französischen Apparat fort, beobachtete Fremde und Bonapartisten und ließ vorwiegend in London, in den Niederlanden und in Preußen spionieren.1794 Sachsen war nach 1815 in seiner Bedeutung so stark gesunken, dass es in der internationalen Spionageszene keine Rolle mehr spielte. Während man in Dresden auf die Einhaltung des Briefgeheimnisses achtete, führte Preußen 1855 eine geheimdiplomatische Operation mit Decknamen durch, um an der Friedenskonferenz in Wien teilnehmen zu können.1795 In Sachsen waren die Methoden der offensiven Geheimdiplomatie nur noch selten zu finden. Auf europäischer Ebene erlangten die Ernestiner und besonders das Haus Coburg und Gotha bei der Vergabe von Herrscherämtern hohe Würden. Großangelegte Korruptions- und Spionageprogramme waren für den Gewinn der Königstitel nicht erforderlich, sondern vielmehr eine glückliche Hand bei der Heiratspolitik sowie das individuelle Engagement Leopolds I. von Belgien.1796 Die Saturiertheit Sachsens zeigt sich besonders in der Ablehnung des griechischen Throns. Die Philhellennen, die in den 1830er Jahren den griechischen Aufstand gegen das Osmanische Reich unterstützten, waren wegen ihrer europäischen Vernetzung unter den Verdacht geraten, eine Verschwörung gegen die Restauration zu organisieren.1797 Es entstand ein Gegensatzpaar Diplomatie  – Revolution. Besonders die diplomatischen geheimen Informationskanäle waren im Blick der Aufständischen. Während die politischen Nachrichten bei den Entscheidungsträgern zusammenliefen, erschienen diesen die Netzwerke der philhellenischen Vereine als suspekt und bedrohlich, da sie sich der Kontrolle entzogen. König Ludwig I. von Bayern konnte durch beträchtliche Geldspenden zugunsten der Revolutionäre seinem Sohn Otto zur griechischen Königskrone verhelfen. Zuvor hatten zwei sächsische Prinzen abgelehnt: Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld wegen seiner Anwartschaft auf den belgischen Königsthron, auf dem er dann tatsächlich als Leopold I. Platz nahm, und Prinz Johann von Sachsen aus Respekt vor der Herausforderung und um seinen älteren Bruder nicht in der Heimat allein lassen zu müssen, wie er seinem Freund in einem Privatbrief berichtete.1798 1794 1795 1796 1797

Vgl. Daudet 1912. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 10401/5; GStA PK, BPH, Rep. 192 Nl Saegert, K. W., Nr. 63; Vgl. Knöfel 2009, S. 400. Vgl. Conter, Claude D.: „Tausende von glühenden Griechenfreunden aus allen Teilen Europas“. Philhellenische Solidarität – ein literarischer Mythos? Vortrag auf der Tagung „Verflochtenes Europa. Netzwerke und europäischer Raum 1800–2000“, Köln, 27. Januar 2012. 1798 „Denke dir, daß, als ich vorgestern Abends zum König komme, mir derselbe eröffnet, daß er durch den Französischen Gesandten den Antrag erhalten habe mich zum Fürsten von Griechenland unabhängich von der Pforte zu machen. Ich war wie aus den Wolken gefallen; denn ich hätte mir eher des Himmels Einfall als diesen Einfall Carl des Xten vermuthet. Ob ich nun gleich im Anfang fühlte, daß ich den Antrag würde von der Hand weisen müßen, so habe ich mich doch erst gestern Abends zu einer bestimmt abschlägichen Antwort entschließen können. Wenn ich in einer so wichtigen

4.4 Ausblick

657

Der erwähnte Prinz Leopold geriet in den 1820 Jahren in einen handfesten Skandal, die Panam-Affäre. Eine gewisse Madame Pauline Alexandre Panam bedrohte mit mit der Publikation pikanter Memoiren das Prestige der Coburger Dynastie und erpresste Prinz Leopold.1799 Allerdings dürfte diese privaten Enthüllungen und die Bemühungen, sie einzudämmen, nicht als „Geheimdiplomatie“ deklariert werden, wie das zugehörige Kapitel bei Grunewald heisst. Es ging zwar um politisches Rennomee, aber weniger um außenpolitische Diplomatie. Die Zeichen der Zeit hatten sich geändert – statt geheimen Absprachen über Machtzuwachs um jeden Preis stand nunmehr die Familie im Vordergrund. Statt chiffrierter Depeschen sandten die gekrönten Häupter zu so einem wichtigen Thema Freundschaftsbriefe von Schloss zu Schloss. Diese Haltung entspricht dem Ideal der Romantik. Im bürgerlichen Milieu gewann die Kryptologie als Rätselspiel viele Anhänger. Aus Liebhaberei erfand in Altenburg 1876 der Zivilingenieur Alexis Köhl eine neue Geheimschrift.1800 Chiffren kamen in der Diplomatie aber höchstens im Kriegsfall noch zum Einsatz. Für Preußen ist eine starke Nutzung von Geheimschrift in den Jahren 1807–13 zu konstatieren.1801 Das preußische Chiffrierbüro erhielt jedoch danach immer weniger Arbeit.1802 Viele Staaten reorganisierten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihr Postwesen. Die Entwicklung vom geheimen zum öffentlichen Postverkehr ist auch in den zahlenmäßig rückläufigen Akten über Transportvorfälle ablesbar. Im Juni 1818 wurde versehentlich eine bayerische Depesche durch einen Geheimen Registrator geöffnet.1803 Dass dieser Umstand in einer eigenen Akte Erwähnung fand, verdeutlicht die gestiegene Transparenz im Postwesen. Verspätungen bei der Beförderung und aufgehaltene Kuriere wurden beanstandet, um die Einhaltung des Postgeheimnisses durchzusetzen. Insgesamt ist aber zu konstatieren, dass im 19. Jahrhundert die Postwege weitgehend sicher waren; nur vereinzelt ist von Überfällen oder Diebstählen zu lesen. Im Felde ist allerdings die Intelligence weiter von großer Bedeutung geblieben. Die militärische Aufklärung ist Mitte des 19. Jahrhunderts unter den zwölf Militärszenen

1799 1800 1801 1802 1803

Sache meinen Neigungen mehr Gehör als meiner Vernunft hätte schenken wollen, so glaube ich, hätten die Einflüsterungen des Ehrgeitzes und der Eitelkeit über die Besorgniß wegen des ungewissen Schicksals, über die Aussicht allen Lebensgenüßen entsagen zu müßen u. a. m. den Sieg davon getragen. Aber meine Vernunft sagte mir einerseits, daß ich mich selbst vor allem meinem Vaterlande und den Meinigen schuldig sey; daß ich meinen Bruder, der dann ganz allein stehen würde, bei seinem ohnehin wenig mittheilenden Character ganz ohne Freund auf dem Trohn einst lassen würde; daß ich endlich weder physisch und moralisch der schweren Rolle gewachsen sey […]“ Vgl. Brief Prinz Johann von Sachsen an Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen, 26. November 1829, in: Sachsen, Johann Georg, Prinz von: Briefwechsel zwischen König Johann von Sachsen und den Königen Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm l. von Preußen, Leipzig 1911. Vgl. Grunewald 2013, S. 101–164. Vgl. ThStAA, Ministerium zu Altenburg, Abteilung des Innern (1866–1922), Nr. 1333. Vgl. GStA PK, III. HA, Ministerium des Äußeren, Zentralbüro, Nr. 73/1 bis 73/7, Nr. 76, 76/1, Nr. 102, Nr. 109–110, Nr. 110/1. Vgl. GStA PK, III. HA Ministerium des Äußeren, Zentralbüro, Nr. 137. Vgl. GStA PK, III. HA Ministerium des Äußeren, Zentralbüro, Nr. 122.

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4. Spuren von Geheimdiplomatie in Sachsen während der Frühen Neuzeit

bildlich dargestellt worden und wurde demnach ganz selbstverständlich zu den Praktiken der Kriegführung gezählt. 1804 Wie Alain Dewerpe in seiner Analyse feststellte, gehörte das Geheimnis fortan zur konstitutiven Dimension politischen Handelns, war nun aber mit Legitimationsstrategien verknüpft und von einer professionellen „équipe clandestine“ getragen, die das Rekrutieren, Motivieren und Kontrollieren beherrschte.1805 Die geheimdienstlichen Methoden erfuhren angesichts neuer technischer Möglichkeiten einen Wandel. Die Heroisierung nahm infolge der publizierten Memoiren von Spionen, der fiktionalen Literatur und der nationalen Aufladung zu. Sie ist bis heute in den von der Kinobranche geformten Kunstfiguren der Spionagefilme zu erkennen. Die planmäßigen Arbeitsweisen der Geheimdiplomatie fanden sich ausgangs des 19. Jahrhunderts in den Ordnungssystemen der Verwaltung wieder. Die Reaktivierung der Geheimdiplomatie im Kontext der Außenpolitik war den kommenden barbarischen Kriegen vorbehalten, während eine Überwachung der Bevölkerung zu Friedenszeiten nur in undemokratischen Herrschaften durchgesetzt werden konnte. 4.4.3 Zusammenfassung Nach der Zäsur von 1763 benötigte Sachsen eine Phase der Erholung und des Wiederaufbaus. Dementsprechend gab es nur Einzelfälle von Chiffrierung und Spionage. Im Zuge der Französischen Revolution sah sich die Monarchie von Aufständischen bedroht und richtete Augen und Ohren nach innen. Professoren und Bauern wurden gleichermaßen beobachtet und im Bedarfsfall arretiert. Die Koalitionskriege ließen wieder alte Muster von Feindbildern und Spionageangst aufbrechen. Mit dem Geheimdienst Napoleon Bonapartes konnten die sächsischen Fürsten nicht mithalten. Da ihre Politik nicht auf konkrete Ergebnisse oder eine Vision abzielte, war der Einsatz von Kryptologie, Spionage und Interzeption obsolet. Der andernorts durchorganisierte Polizeiapparat war die Vorlage für die konsequente Überwachung der öffentlichen Meinung in der Ära Metternich. Zensur, Interzeption und Ausspähung nahmen Ausmaße an, welche die Freiheit einschränkten. Erst nach 1848, konnte sich die bürgerliche Gesellschaft in ihrer Welt der Transparenz und verspielten Heimeligkeit einrichten. Im Militär gediehen die für den Krieg benötigten Strategien aber weiter und wurden an die neuen Voraussetzungen angepasst, so dass es ausgangs des 19. Jahrhunderts eine Geheimdiplomatie unter veränderten Vorzeichen gab.

1804 Vgl. Jean-Frédéric Wentzel: Bilderbogen: Militärs-Scenen, Federlithographie, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Graphische Sammlung, Inventar-Nr. HB 19565, Kapsel-Nr. 1212. 1805 Dewerpe 1994, S. 117 ff., 379.

5. Schluss 5.1 Die politische Kultur des Geheimen Bei Betrachtung geheimer vormoderner Praktiken erweist sich das politische System als ein Neben- und Ineinander von gewöhnlicher und geheimer Diplomatie. Die Begriffe „geheim“ und „Diplomatie“ erscheinen bei näherer Betrachtung nicht mehr als Widerspruch, da dem diplomatischen Verkehr Elemente des Inoffiziellen immanent sind. Beispielhaft sei bei Verhandlungen das Zurückhalten von Informationen genannt, um sie zum geeigneten Zeitpunkt einzubringen. Zur Geheimdiplomatie wird Diplomatie aber erst, wenn sie jenseits der öffentlichen Wahrnehmung langfristig, methodisch und organisiert zum Schutz von politischen Geheimnissen und zum Zweck der eigenen Bevorteilung in den Bereichen Informationssammlung, -auswertung und -streuung operiert. Die in den Kanzleien und Archiven aufbewahrten Nomenklatoren erscheinen als Fossile, als Überreste der diplomatischen geheimen Praktiken. Die abgefangenen Briefe waren gewissermaßen heimliche Trophäen, sofern sie im Original einbehalten wurden. Die geheime Weitergabe von Abschriften an befreundete Höfe und die teilweise erfolgte Publikation legen davon Zeugnis ab. Die Verhörprotokolle enttarnter Spione und verdächtiger Kundschafter legen dar, dass die Akteure der Geheimdiplomatie verschiedenen sozialen Gruppen entstammten. Einfache Sekretäre und Bauern, Köche, Handwerker oder Händler, Mütter oder Jugendliche – sie alle konnten mit wenig Aufwand und hohem Risiko binnen Kurzem einen gewissen Einfluss auf die große Politik bekommen und für sich versprochenes Geld, Leben, Sicherheit oder Ruhm gewinnen. Mit der Spionage war also keine Funktionselite betraut, wie dies bei der Kryptologie zutrifft. Die Justizakten sind gewissermaßen Beweise eines verlorenen Spieles jedes Einzelnen. Alle geheimdiplomatischen Quellen zusammen zeigen ein zugegebenermaßen etwas löchriges Abbild des großen Spiels der Diplomaten. Eine Interpretation dieser Quellen und auch der Lücken führt ins Zentrum der politischen Kultur des Geheimen, hinter den Horizont des Offiziellen zu den Gesetzmäßigkeiten und Gepflogenheiten der Akteure.

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5. Schluss

5.1.1 Der geheimdiplomatische Rüstungswettlauf Die Dynamik der Geheimdiplomatie in Krisenzeiten ist durch drei Elemente bedingt, die einzeln für sich oder auch in Kombination geheimdiplomatische Anstrengungen auslösen können: eine Orientierungslücke, die Wahrnehmung sozialen Drucks und das Bedürfnis, im Vergleich mit Anderen nicht in Rückstand zu geraten. Die Hohenzollern reagierten auf den beginnenden Prestigedruck, indem sie sich auf konkrete Ziele außerhalb ihres Bewegungsradius (beispielsweise Schlesien) fokussierten und die dafür notwendige offensive Geheimdiplomatie praktizierten. Fast alle Wettiner hingegen orientierten sich am Kaiser und am Ist-Zustand. Ihr fast konsequent defensiver Politikstil kommt im überwiegenden Einsatz defensiver Mittel wie der Chiffrierung und in der seltenen Anwendung von Spionage (bei Kurfürst Moritz und Kurfürst Friedrich August I.) zum Ausdruck. Sie verweigerten sich oft dem großen Spiel der großen Mächte und beließen es bei kleinen Einsätzen. Dass es sich dennoch lohnt, eine Geschichte der sächsischen Geheimdiplomatie zu untersuchen, liegt zum einen an den genannten Ausnahmepersönlichkeiten, die, von Ehrgeiz getrieben, zur Überwindung des Status quo auch größere Risiken eingingen, und zum anderen daran, dass sich die defensive Strategie letztlich auszahlte, wie noch zu sehen sein wird. Geheimhaltung war eine Strategie, die sich gegen den politischen Gegner richtete und durch Ausgrenzung an Wissenskontexten eine Behinderung des politischen Ehrgeizes bewirkte. Die individuelle Wahrnehmung einer Benachteiligung steigerte das Misstrauen und führte zu verstärkten Anstrengungen, die Geheimhaltung des Anderen zu überwinden. Damit einher wuchs die Bereitschaft, größere Risiken und Kosten auf sich zu nehmen, um den (vermeintlichen) Rückstand aufzuholen. Eine aus dem erhöhten sozialen Druck resultierende Grenzenlosigkeit des Misstrauens bzw. Vertrauenverlust waren notwendige Voraussetzung für die Verbesserung der Geheimschreibmethoden und den verstärkten Einsatz anderer Mittel der offensiven Geheimdiplomatie. Die Optimierung der Geheimschreibmethoden geschah eindeutig als Folge des sich verschärfenden Konkurrenzdruckes zwischen den europäischen Mächten und einer damit einhergehenden stetigen Spezialisierung der Methoden. Dieser Prestige- und Machtkampf wirkte sich auf die Geheimhaltung diplomatischer Korrespondenzen aus, so dass von einem Rüstungswettlauf gesprochen werden kann. Die angelsächsische Forschung führt Geheimhaltung auf die Geheimhaltung der Gegenseite zurück1 und missachtet meines Erachtens dabei den großen Einfluss des Prestigewettbewerbes. Wer war aber der Prometheus, der das Feuer der Geheimdiplomatie angefacht hat? Die Frage, wodurch die Aufrüstung der Geheimkommunikation begann, berührt die politische Psychologie. Die Furcht vor Spaniens Universalmonarchie und die Konkurrenz der vielen Höfe auf der Apenninenhalbinsel leisteten zweifellos zu Beginn der Neuzeit der

1

Vgl. Murray 2016, S. 21.

5.1 Die politische Kultur des Geheimen

661

Geheimdiplomatie einen großen Vorschub. Der konfessionelle Konflikt und das Expansionsstreben Frankreichs unter König Ludwig XIV. veranlassten spätere Generationen zu verstärkten Anstrengungen. Für Sachsens explosionsartigen Ausbau der Spionageund Kryptologietechniken waren aber zweifellos der Aufstieg Preußens und der Ehrgeiz Kurfürst Friedrich Augusts I. maßgeblich. Eine erfolgreiche Geheimdiplomatie gelang ihm aber nur durch eigenes Vermögen und eine kluge Zusammenstellung ausgewählter talentierter Berater. Das Königtum Preußen und diese besondere Konstellation von Persönlichkeiten bedingten den Erwerb der polnischen Krone, um deren Erhalt erbittert gekämpft wurde. Befeuert wurden die Anstrengungen der Chiffrensekretäre durch die ideologische Aufladung mit den wechselnden Feindbildern (Katholiken, Kaiser, Osmanen, Schweden, Leszczyński-Anhänger, Preußen, Revolutionäre, Liberale). Wie die sehr dünne Überlieferung in den thüringischen Archiven beweist, wurde Geheimdiplomatie erst ab einem gewissen Status relevant, da die Notwendigkeit einer finanziell und personell aufwändigen Kryptologie und Spionage sonst nicht gegeben war und die Ressourcen gesprengt hätte. Eine automatische Teilnahme kleiner Höfe am kryptologischen Wettstreit hat es nicht gegeben. Vielmehr kamen die meist defensiven Praktiken nur im Sonderfall zur Anwendung. Chiffrierung und Interzeption bedingen einander, aber aus den Quellen ist eindeutig ersichtlich, dass Geheimschriften erst bei wahrgenommener Unregelmäßigkeit bzw. bei erwartbarer Interzeption eingesetzt wurden. Kryptologie war somit die Reaktion auf eine erfolgte aktive Maßnahme der Gegenseite. Der Reichtum an überlieferten Nomenklatoren bringt in Kombination mit den geringen Spuren von Spionage das reaktive, defensive Verhalten der sächsischen Regierungen deutlich zum Ausdruck. Der weitaus geringere Überlieferungsumfang im Berliner Archiv könnte einer Bereinigung geschuldet sein. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass die Sachsen deutlich mehr Nomenklatoren für eine potentielle Wiederverwendung aufbewahrten und ihr Chiffrenarchiv aktiv nutzten, während die Preußen dies nur vereinzelt taten. 5.1.2 Die Frage der Professionalisierung Innovation und Konstanz verhalten sich wie zwei Gewichte, die die Dynamik im historischen Prozess darstellen. Im vorliegenden Themenkomplex als innovativ kann die Chiffrierung mittels Zahlencode gelten, die eine deutlich komplexere Kryptographie erlaubte als die symbolische oder alphabetische Chiffrierung. Auch wechselte die Methodik der Spionage. Sir Francis Walsingham, Kardinal Richelieu und Joseph Fouché können als Reformer der Geheimdiplomatie gewürdigt werden: ersterer begründete den wohl ersten so modern durchorganisierten Spionagegeheimdienst, Richelieu installierte ein Schwarzes Kabinett zur Postinterzeption und Fouché begann die gesellschaftsübergreifende Überwachung im heutigen Sinne einer Geheimpolizei. Damit stehen alle drei an den Eckpunkten der sich wandelnden Geheimdiplomatie und sind

662

5. Schluss

Beleg dafür, dass die Ausschöpfung der Möglichkeiten von Geheimpolitik personenabhängig war. Die Auseinandersetzung mit offenem Visier, gekennzeichnet durch ungenierte Überfälle auf Boten und als solche erkennbare Geheimschriften, wich zu Gunsten eines systematischen Handelns, bei dem die Zurückverfolgbarkeit von Taten schwieriger und die Informationssammlung unsichtbar wurde. Auf höchstem Niveau schließlich operierte die Geheimdiplomatie kaum wahrnehmbar aus dem Untergrund heraus. Auch fand die Informationsanalyse und Entscheidungsfindung zunehmend in kleineren Gremien und Zirkeln innerhalb der Geheimen Räte, Kabinette oder Ministerien statt. Eine große Organisationsreform bzw. institutionelle Erneuerung der Geheimdiplomatie geschah in Anpassung an die geänderten Verhältnisse im diplomatischen Protokoll. Jedoch verbesserten die Diplomatenhandbücher nicht die Praktiken der Gesandten, sondern spiegelten sie nur wider. Auf den gestiegenen Konkurrenzdruck reagierten die Höfe mit der Einrichtung von Schwarzen Kabinetten. Den anfänglichen Kompetenzüberschneidungen im Gesandtschaftspersonal wurde mit Arbeitsteilung, Sonderbotschaftern und geheimen Korrespondenzen begegnet, bevor sich die Aufsplittung in Fachbereiche durchsetzte. Als im Zuge der Aufklärung die Forderung nach Transparenz laut wurde, mussten sich die Höfe mit zahlreichen anonym erschienenen Publikationen zum Wesen und Wirken der Geheimdiplomatie auseinandersetzen. Die Sprachlosigkeit der Bevölkerung war beendet. Aus dem stummen Zuschauer des politischen Schauspiels wurde ein kritischer Gegenpol. Zugleich lud sich die Politik patriotisch-nationalstaatlich auf und erregte die mobilisierte kritische Öffentlichkeit zusätzlich. Dieses Nationalverständnis stieß die Spionage in eine Identitätskrise. Der dadurch ausgelöste Perspektivwechsel hin zur Bevölkerung kann als Neuerung eingeschätzt werden, da er die Überwachung der gesamten Einwohnerschaft auf der Basis von Spitzeldienst und Denunziantentum um 1800 ermöglichte und für spätere totalitäre Überwachungsstaaten als Blaupause dienen konnte. Diese auf Besitzstandswahrung ausgerichtete Politik wollte den Geist der Freiheit zurückhalten. Jene Bestrebungen mündeten schließlich in die Ära der Restauration, in der Fürst von Metternich im Vormärz die Institution der Geheimpolizei mit modernen Mitteln zu einer neuen Blüte führte. Die Auswirkungen der Aufklärung und die Versuche, jene neue kritische Öffentlichkeit zu kontrollieren, können als Erklärung dafür dienen, warum die Geheimdiplomatie nach ihrer „Blütezeit“ der 1730er bis 1760er Jahre ihr Niveau nicht halten konnte. Ebenso, wie sich das Verhältnis zur Bevölkerung veränderte, ist auch ein Wandel im Umgang mit der Religion festzustellen. Die Säkularisierung drückt sich darin aus, dass nach dem Dreißigjährigen Krieg die Propaganda und Spionage gegen Andersgläubige nachließ und keine religiöse Symbolik in den Chiffren mehr zu finden war. Bis zur Nationalstaatlichkeit ist eine Phase der Entideologisierung eingetreten. Die Rolle der geistlichen Amtsträger in der Geheimdiplomatie nahm indes nicht ab, da ihre Vertrauensposition bis ins 19. Jahrhundert hinein Bestand hatte und sie sich zudem auf ihr Berufsgeheimnis berufen können.

5.1 Die politische Kultur des Geheimen

663

Ein weiterer Beleg der Modernisierung ist in einem veränderten Verhältnis zu Zeit und Geschwindigkeit zu sehen. Die zunehmende Anspannung der politischen Beziehungen und die immer komplexer werdenden diplomatischen Auseinandersetzungen zogen eine größere Anzahl von Beteiligten nach sich. Die Expansion der Großmächte zu den Kolonien nach Übersee konnte das bestehende Missverhältnis kaum adäquat auflösen. Dadurch vergrößerte sich das Operationsfeld und der Personalaufwand in den Kanzleien. Die Fürsten gaben den Prestigedruck, den sie im Powerplay der Mächte empfanden, nach unten weiter, und so wuchs mit der Zeit die Notwendigkeit, rascher zu reagieren als Andere. Nicht nur der Zeitdruck bei den Kanzlisten nahm zu, sondern auch das Arbeitspensum der Gesandten. Von ihnen wurden zügig sicher übermittelte Nachrichten mit wertvollen Informationen verlangt, um damit rasch eine ausgereifte Entscheidung zu treffen und anderen Höfen zuvorzukommen. Diesem neuen Zeitmanagement entsprachen auch die immer besser handhabbaren Nomenklatoren und Chiffrenbücher, die eine zügige (De-) Chiffrierung ermöglichten. Dieser Dynamik stehen aber auch Konstanten gegenüber, beispielsweise Faktoren, die das Handeln beeinflussen oder die über Jahrhunderte sich kaum verändernde Topographie. Die natürliche Umwelt und menschliche Verhaltensreflexe sowie die grundlegenden Faktoren der Informationspolitik waren binnen jener drei Jahrhunderte 1500–1800 so gut wie gleich geblieben und sollten erst im Zuge der Industrialisierung eine massive Veränderung erfahren. Auch die Zielstellungen der Akteure ähnelten sich über die Jahrhunderte: Geld, Verbreiterung der Machtbasis, Ideologie, Erreichen einer höheren Sicherheit. Als konstante Antriebskräfte der Geheimdiplomatie können Wachstumsstreben und Bedrohungsperzeption beschrieben werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass weniger von einem Fortschritt in der Geheimdiplomatie gesprochen werden sollte als vielmehr von einem Veränderungsprozess, in dem es punktuelle Tendenzen zur Professionalisierung gab. 5.1.3 Moral und Routine der Geheimdiplomatie Nach Ansicht der Aufklärer widersprach die verbreitete Praxis der Kabinettspolitik, Verhandlungen nicht öffentlich durchzuführen, dem Gemeinwohl und dem Interesse an politischer Transparenz. Während die Kritiker der Geheimdiplomatie die Politiker in Romanen und fiktiven Lebenserinnerungen abwerteten, erachteten die politisch Verantwortlichen ihre Praxis nicht als anstößig und moralisch verwerflich, denn abfällige oder wertende Aussagen darüber sind in fürstlichen Briefen oder ähnlichen Quellen nicht zu finden. Geheimdiplomatie ist für sich genommen jedoch neutral und ordnet sich dem Staatsziel unter. Sie kann für positiv oder negativ bewertete Zwecke eingesetzt werden und wurde auch in Sachsen entsprechend gebraucht: zur Vorbereitung eines Friedens, zur Landesverteidigung gegen Aggressoren, zur eigenen Sicherheit, zur Ver-

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5. Schluss

teidigung der Glaubensfreiheit, für Expansion, Erpressung und zur Schädigung des Anderen. Die bewusste Täuschung Anderer war und ist in der Kriegführung ein probates Mittel. Sie wurde für politische Belange auch in der Vormoderne in einigen Fällen differenziert gesehen. So war die Interzeption bei den Zeitgenossen geächtet, während gescheiterte Spione und Chiffren für beide Seiten nur ein Ausweis der ausgeübten Praktiken waren und nicht für moralische Strafpredigten ins Feld geführt wurden. Gefangene Spione erfuhren eine repressive, befristete Sicherstellung und seine Unterlagen wurden beschlagnahmt. Die Haftzeit diente weniger der Bestrafung als vielmehr einem Unterbindungsgewahrsam, der die Spione an weiteren schädlichen Ausforschungen hindern sollte. In den Gerichtsakten sind dementsprechend auch kaum Urteilssprüche zu Spionen zu finden. Verräter wie der Kanzlist Menzel hingegen gehörten einer anderen Kategorie an und erhielten einen Prozess mit meist hohen Strafen. Der Verräter handelte ehrlos und stand somit außerhalb der Gesellschaft. Die Ehre stellte im Kontext der Geheimdiplomatie aber keinen Beweggrund für die Akteure dar. Durch Beteiligung an der Geheimdiplomatie kam niemandem Ehre zu – weder den Auftraggebern noch den Auftragnehmern. Es war kein Zeichen von Prestige, besonders viele Chiffren zu besitzen, sondern es war vor allem umständlich und unbeliebt. Ebensowenig rühmte sich ein Spion seiner Arbeit, sondern vermied es bei Strafe, sich Dritten gegenüber dazu zu äußern. Im Militär wurden zwar Spezialkräfte mit Kundschafterdiensten betraut, aber daneben sind zahlreiche Fälle überliefert, in denen die Einheimischen zur Spionage herangezogen wurden oder sich selbst dazu anboten, wenn sie sich etwas erhofften. Für den Staat war Geheimdiplomatie kostenintensiv und mit dem Risiko des Prestigeverlustes behaftet. Dennoch ließ die Hoffnung auf einen gewissen Erfolg die Fürsten zu diesen Mitteln greifen. Es mochte fast jeder Fürst seine Kundschafter umherschicken und Kanzleiangehörige oder Kammerdiener bestechen – zur diplomatischen Regel wurden solche Praktiken keinesfalls. Regeln sind etwas allgemein Vereinbartes, dessen Existenz unter den Teilnehmern keiner Geheimhaltung bedarf. Im politischen Spiel wurde aber über die praktizierte Spionage geschwiegen, und entlarvte Spione erregten Aufsehen. Es bildete sich keine Gewohnheit jenseits der Kriege aus, da keine Wiederholung unter gleichartigen Bedingungen oder gar Stereotypisierung von Reaktionsweisen zu beobachten ist. Der organisatorische Aufwand für Missionen, Informationsübermittlung und Deckung der Spione ließ kein Alltagsgeschäft daraus werden. Demnach gehörte die Geheimdiplomatie nicht zur Normalität. Lediglich Krisen- und Kriegszeiten brachten diesem Metier eine Hochkonjunktur. Die gehäufte Überlieferung in solchen Phasen erscheint folgerichtig. Die Geheimdiplomatie war die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln in äußerst bedrohlichen Situationen – eine alternative Diplomatie.

5.1 Die politische Kultur des Geheimen

665

5.1.4 Geheimhaltung und Transparenz Zum Umgang der frühneuzeitlichen Diplomaten mit der Bevölkerung und der öffentlichen Wahrnehmung der Geheimhaltungsmethoden in der Politik lässt sich aus den Quellen ablesen, dass bis ins 18. Jahrhundert hinein eine starke beiderseitige Abgrenzung bestand. Die Untertanen hatten kein besonderes Interesse an Einblicken in die Arkana regni, und die Herrschenden konnten ohne Reflexion der Wirkung ihres Tuns auf die Bevölkerung agieren. Angesichts der Realpolitik wurde das Idealbild des Gesandten als unpraktikabel betrachtet, so dass ein Kompromiss zwischen Geheimnis und Offenheit notwendig wurde.2 Trotz der Akzeptanz von Heimlichkeit als diplomatischer Klugheit wurde der Verstellung nach wie vor Grenzen gesetzt. Im corps diplomatique etablierte sich eine untergründige Kultur, die eine nicht sichtbare, weil moralisch anfechtbare, diplomatische Praxis beinhaltete. Um die Tugendlehre der Aufrichtigkeit mit der politisch notwendigen Geheimhaltung der Arkana vor dem Gegner zu vereinbaren, verlief die interessenorientierte Politik im Untergrund ab. Mit der beginnenden Aufklärung mussten die Akteure aber ihre Praktiken dem Strukturwandel der zunehmenden Öffentlichkeit anpassen, personale und finanzielle Netzwerke aufbauen und eine eigene Logistik zur Geheimhaltung etablieren. Während der Französischen Revolution wurde das Privileg der Arkanisierung ebenso attackiert wie andere Vorrechte des Adels. Der vertrauensvollen Kooperation der Gesandten untereinander wurde zwar ein „zivilisierender Einfluss auf die internationalen Beziehungen“ zugeschrieben,3 doch qua Amt und Aufgabe waren die Diplomaten als Kriegstreiber verdächtig, so dass die Aufklärer meinten, dass mit ihnen keine Friedenspolitik möglich sei. In der Tat zeigen die Quellen der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, dass die Kultivierung der Geheimhaltung die Distanz zwischen den Fürsten verstärkte und eine Abschottung in mehrfacher Hinsicht herbeiführte. Nicht nur die Monarchen, sondern auch die Faktionen innerhalb der einzelnen Höfe und die Menschen innerhalb der politischen Gremien konnten sich des um sich greifenden Misstrauens nicht erwehren. So bestand eine Misstrauenskultur, die sich in Denunziation und einer Neigung zu Intrigen niederschlug. Geheimhaltung ist demnach einem friedvollen Miteinander tatsächlich nicht förderlich. Diese richtige Einschätzung durch die Aufklärer dürfte aber auch aus der Verletztheit rühren, die sich durch die langjährige Überwachung der Bevölkerung seitens der Politik ergab. Immer wieder nahmen die Herrscher die eigene Bevölkerung als Bedrohung wahr und wandten die in der Außenpolitik angewandten Praktiken auf Verdächtige im eigenen Land an. Dass diese Vorgehensweise nicht erst zur Französischen Revolution einsetzte, zeigt die Überwachung polnischer Adeliger und Kritiker durch August II. 2 3

Vgl. Kugeler 2006, S. 140. Ebd., S. 146.

666

5. Schluss

und August III. von Polen. Hinter der offiziellen Zielsetzung, den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren, verbarg sich die persönliche Absicht des eigenen Machterhaltes. Die Dichotomie zwischen Friedensabsicht und Geheimhaltung in der Diplomatie erscheint nicht auflösbar, da es der Balance bedarf, Aufrichtigkeit, Vertrauen und die Kunst des Geheimen situativ richtig einzusetzen. 5.2 Erfolg der Geheimdiplomatie Die bekannte Geschichte großer Geheimagenten scheint den Beweis zu liefern, dass Geheimdiplomatie den Gang der Geschichte beeinflussen kann. In England wurden Maria Stuart und König Karl I. die Entschlüsselung ihrer geheimen Briefe zum Verhängnis. In Frankreich gelang die Einnahme der Hugenottenburg Realmont dank der Arbeit des Kryptologen Antoine Rossignol. Sir Francis Walsingham konnte England 1588 rechtzeitig vor der herannahenden spanischen Armada warnen. Jener Begründer des secret service ist ebenso wie Kardinal Richelieu und Maria Theresia mit einem die Herrschaft sichernden Schwarzen Kabinett hervorgetreten. König Friedrich II. von Preußen gelang eine meisterhafte Spionage im gegnerischen Lager. Die Chiffren des Zarenhofes galten als überaus schwierig und eigentlich unauflösbar. Durch die Untergrundtätigkeit von Karl Ludwig Schulmeister, dem „Kaiser der Spione“, wie Napoleon ihn nannte, wurde die Niederlage des Generals Mack bei Ulm 1805 herbeigeführt und der Sieg Napoleons bei Austerlitz errungen. Doch es existieren keine Beispiele, um der sächsischen Geheimdiplomatie einen Platz in der Weltgeschichte einzuräumen. Die Gründe dafür sind vielfältig. 5.2.1 Eine Bilanz der sächsischen Geheimdiplomatie Dennoch können die Wettiner nicht als erfolglos gelten, da sie immerhin einen gewissen Ruhm erreichten. Bis auf wenige Ausnahmen (Herzog Albrecht, Herzog Moritz, Kurfürst Friedrich August I.) waren die sächsischen Kurfürsten auf Zurückhaltung eingestellt und verließen sich auf ihre Kaisertreue. Ihre defensive Strategie war politisch gar nicht unklug, denn sie besaß viele Vorteile. Dadurch, dass sie sich vorwiegend defensiv am stillen Krieg der Spionage und Kryptologie beteiligten, standen sie nicht am Rande. Sie galten zwar als wankelmütig und nicht verlässlich, vermieden aber oft das Risiko großer Niederlagen und Verluste, wie sie in den Jahren 1515, 1547, 1567, 1706 und 1815 erlitten wurden. An diesen Wendepunkten der sächsischen Geschichte lernte die Dynastie, dass sich Courage nicht auszahlte, solange die erforderliche Basis fehlte. Der Rückzug auf die Defensivarbeit war angebracht, auch wenn er als Kapitulation vor dem Konkurrenten Preußen interpretiert werden kann. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchten die Fürsten in Krisenzeiten, militärisch und diplomatisch angemessen zu operieren.

5.2 Erfolg der Geheimdiplomatie

667

Dafür, dass nur sehr wenige Dynastievertreter über die Erwartungen hinaus agierten, erreichten die sächsischen Fürsten aber immerhin eine großes Renommee, nicht nur auf dem Gebiet der Kultur. Der Dresdner Hof baute sich ein gut organisiertes und funktionierendes Kontaktnetz auf, das er bei Bedarf wie andere Höfe in Krisenzeiten für Geheimdiplomatie aktivierte. Die Potentaten besaßen demnach dasselbe Potential, vermieden aber meistens ein Umschalten von Normalbetrieb auf offensive bzw. aggressive Geheimdiplomatie, was bedeutet hätte, in Friedenszeiten gepflegte Beziehungen während eines Krieges für geheime Mitteilungen und Spionage auszunutzen. Vielmehr genügte es den Fürsten, die Geheimhaltung wichtiger Mitteilungen abzusichern und eine zusätzliche Spannungsaufladung zu vermeiden. Ein Beispiel dieses Auftretens ist die Ehrlichkeitsoffensive des sächsischen Kurfürsten, der die Interzeption der Protestanten an den Kaiser verriet. Trotz ihrer Grundhaltung waren die Wettiner keine Außenseiter. Mit Hinblick auf die Bemühungen um ein protestantisch-antikaiserliches Bündnis 1530, eine Friedensvermittlung 1619, eine Dritte Partei 1675 sowie einen Fürstenbund 1730/31 und 1783 ist den sächsischen Fürsten ein soziales und diplomatisches Engagement nicht abzusprechen. Auch eine Negation von informeller Bündnisarbeit, wie beim Widerstand gegen die Gründung der protestantischen Union 1609, zeugt von der Vorsicht des um Deeskalation bemühten Kurfürsten Johann Georg I. Neben der Vernetzung besaßen die sächsischen Herrscher auch stets ausreichende Handlungsoptionen. Gerade die anfängliche Neutralität im Dreißigjährigen Krieg wirkte sich in der ersten Kriegshälfte vorteilhaft für das Land Sachsen aus. Einem Korsett aus Bündnissen wollte sich keiner aussetzen, was die Beobachtungen von Uneinigkeit unter Bündnispartnern wie im Schmalkaldischen Bund oder der Union sowie Differenzen zwischen Alliierten im Dreißigjährigen Krieg bestätigen. Handlungsfreiheit, die ein Effekt von sehr guter Geheimdiplomatie sein kann, wenn Informationssammlung und -analyse ineinandergreifen, erlangte Sachsen demnach durch seine Defensive. Das Sicherheitsgefühl und Selbstbewusstsein in der Regierungszentrale, das sich aus einer gut organisierten Geheimdienstarbeit speisen kann, genossen die Sachsen hingegen kaum. Wie verzagt und anfällig sie waren, erwies sich in den häufigen Frontenwechseln ebenso wie in der Anhänglichkeit an den Kaiser. Diese Unsicherheit resultierte daraus, dass sie kein ausreichendes Wissen über Tun und Denken ihrer Nachbarn und Gegner besaßen. Zu oft übersahen sie leichthin das vor ihren Füßen liegende nutzbare Potential beispielsweise der kaiserlichen, schwedischen und preußischen Interzepte oder einer sich mehrfach anbietenden Doppelspionage. Zum Teil waren solche Informationsnachteile und versäumte Kontrollen einer eventuellen Fehlwahrnehmungen Grund für ihre Niederlagen in diversen Kriegen. Sorglosigkeit in Kombination mit Unvermögen sind unvereinbar mit einer effektiven Geheimdiplomatie und waren stellenweise fatal für Sachsen. So sind mehrere Aspekte zu nennen, in denen die sächsischen Fürsten nachlässig waren. Für Krisensituationen haben die sächsischen Fürsten es versäumt, einen funktionierenden Geheimdienst aufzustellen oder zumindest dafür die Voraussetzungen zu

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5. Schluss

schaffen. Die Niederlage Johann Friedrichs I. in der Lochauer Heide 1547 wäre mit einer Feindaufklärung parallel zum Informationsnetz der Herzogin von Rochlitz vermeidbar gewesen. Die von ihr im Schmalkaldischen Krieg nahezu vorbildlich geleistete Informationssammlung, -sortierung und -analyse konnten die beiden Bundeshauptleute nicht für einen erfolgreichen Feldzug in Sachsen nutzen. Auch im Dreißigjährigen Krieg war es Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen nicht möglich, die ihn erreichenden Interzepte der kaiserlichen und schwedischen Armeen in eine anerkennenswerte Leistung Sachsens umzumünzen, beispielsweise gewonnene Schlachten oder diplomatische Erfolge bei den Friedensbemühungen. Ebensowenig zeichneten sich nach derzeitiger Aktenlage die Wettiner bei ihren Einsätzen in Reichskriegen durch geheimpolitisches Engagement aus. Das lässt darauf schließen, dass auch für Kaiser und Reich keine abrufbare Beherrschung der Intelligence-Methoden vorlag. Neben solchen Versäumnissen gab es etliche Fehler, die Sachsens potentiellen Aufstieg ausbremsten. Die Geheimhaltung der Kommunikation gelang nicht immer. Die meisten sächsischen Fürsten besaßen keine Vision, deretwegen sich ein offensives Engagement lohnte. So erfolgreich Kurfürst Moritz von Sachsen war, so wenig konnte er angesichts seines kurzen Lebens das eben Erreichte festigen. Herzog Albrecht von Sachsen und Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar konnten ihre Pläne gegen äußere Widerstände nicht durchsetzen. König August  II. von Polen seinerseits besaß eine Vision und sogar ein Feindbild, was es ihm leichter machte, erfolgreiche Geheimdiplomatie gegenüber Stanislaus Leszczyński zu betreiben. Die Niederlage 1706 fußte auf einer Fehlkalkulation und militärischen Misserfolgen, konnte aber nach drei Jahren wieder beglichen werden. Die Anerkennung seiner polnischen Königswürde erreichte er im Frieden von Nystad aber nicht, sondern erst viele Jahre später in einer Friedensdeklaration mit Schweden 1732. Der Nordische Krieg war für König August II. ein Misserfolg, wie er auch die erbliche Monarchie in Polen und die Landverbindung beider Staaten nicht erreichte. Die Geheimdiplomatie stieß hier an die Grenzen einer bei ihm speziellen Prioritätensetzung, da er die Kulturpolitik über alles stellte. Ihm und seinem Nachfolger kann zwar eine gewisse Erfolgsquote bei der Entlarvung von Spionen attestiert werden, wie die Gefangenenlisten der Staatsfestungen belegen. Jedoch hat die Jahre dauernde Ausspionierung durch den von Preußen bestochenen Kanzlisten Menzel dem Gegner einen Informationsvorteil gegenüber Sachsen erbracht und Friedrich II. einen Vorwand für seinen Präventivkrieg geliefert. Preußen war es gelungen, dem sächsischen Hof viele Geheimnisse zu entlocken. Dadurch war er ihm nicht nur einen Schritt voraus, sondern schädigte seinen Nachbarn durch das Enttarnen zusätzlich. Sachsen war insofern durch die jahrelange Bespitzelung doppelt gestraft. Weitere Fehler zeigen, dass ein grundlegendes Verständnis für die Funktionsweise von Geheimdiplomatie nicht gegeben war. Die Akteure dosierten beispielsweise die Geheimhaltung nicht, obwohl es gelegentlich für ihre Zwecke sinnvoll gewesen wäre, dem Gegenüber die eigenen Fertigkeiten zu zeigen. So erfolgte die Verhaftung von Spionen äußerst heimlich, und nur selten zeigte man eine erfolgreiche Interzeption

5.2 Erfolg der Geheimdiplomatie

669

an. Einen offensiven Propagandakrieg mit Instrumentalisierung der öffentlichen Wahrnehmung durch Preisgabe erfolgreicher Spionage(abwehr) praktizierte man in Sachsen nur höchst ungern. Zu oft misslang auch die Kontrolle und Koordination aller Kräfte. Bei den Chiffrennomenklatoren musste der Gefahr einer Verzettelung durch konsequente Buchführung vorgebeugt werden. Dass es keinen Chiffrenkatalog gab, lag an der Geheimhaltung, ist aber auch Ausweis der untergeordneten Priorität dieser Praxis, da er bei stärkerer Nutzung des Geheimschriftwesens nötig gewesen wäre. Einem internationalen Vergleich sind die geheimen Praktiken in der Vormoderne bislang noch nicht unterzogen worden. Wie die für Sachsen und teilweise auch Preußen ans Licht gebrachte Geheimdiplomatie hinsichtlich Aufwand, Nutzen, Qualität und Geheimhaltung in Gegenüberstellung zu anderen Höfen einzuordnen ist, müssen weitere problemorientierte und regionalhistorische Forschungen erweisen. Die Erforschung des bellum silentium offenbarte also noch viele unbeschrittene Wege hinter der Tür zum nun nicht mehr ganz so dunklen Gang der Geschichte. 5.2.2 Thesen zur sächsischen Geheimdiplomatie 1.

2.

3.

Die meisten sächsischen Fürsten besaßen wenig politischen Ehrgeiz und reagierten eher auf Gegebenheiten, als dass sie eine Vision verfolgten. Nur selten sahen sie die Notwendigkeit, sich einer Herausforderung zu stellen oder ein politisches Risiko einzugehen. Insofern war der sächsische Politikstil überwiegend defensiv, was mit einer verhaltenen Informationspolitik und dem adäquaten Einsatz geheimdiplomatischer Methoden einherging. Der Wert von Informationen bemisst sich nach Schnelligkeit und Pünktlichkeit (Zeit), Vollständigkeit und Relevanz (Inhalt), Zuverlässigkeit und Authentizität (Quelle), Sicherheit und Exklusivität (Geheimhaltung). Des Weiteren ist die Verarbeitung der Informationen entscheidend. Nur die Kombination aus einer sich aus mehreren Quellen speisenden Informationssammlung, einer zeitnahen Analyse, einer situationsgerechten Einschätzung und Relevanzbewertung kann zu einer optimalen Ausnutzung der Möglichkeiten von Geheimdiplomatie führen. Wer schnell vollständige, relevante und zuverlässige Nachrichten begehrte und ihrer Exklusivität sicher sein wollte, musste viel Geld investieren, ein hohes Maß an Menschenkenntnis besitzen und ein gut funktionierendes Kontrollsystem zur Vermeidung von Verrat und Betrug besitzen. Notwendig waren somit starkes Misstrauen, geschickte Personalpolitik und abgestufte Informationskordons. Gelegentlich ist auch eine gewisse Selbstständigkeit der Akteure vonnöten, um Nachteilen durch den Zeitverzug bei langsamer Kommunikation über lange Distanzen vorzubeugen. Wenn zuverlässigen Beamten oder Gesandten keine Selbstverantwortung zugestanden wurde, war bei den weiten Wegen und langen

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4.

5.

6.

7.

4 5

5. Schluss

Übermittlungszeiten oftmals der Nachrichtendienst ineffektiv.4 Um schädliche Eigenmächtigkeiten zu verhindern, ist ein großes Maß an Menschenkenntnis hinsichtlich des Personals für die entsprechenden Dienste erforderlich. Eine wohl überlegte und sich bewährte Kabinettsbesetzung ist vor allem bei König August II. von Polen zu sehen, während bei anderen sächsischen Herrschern viele Klagen über intrigante und korrupte Geheime Räte überliefert sind. Für die Lageeinschätzung unerlässlich ist die Berücksichtigung politischer Maximen. Beispielsweise heißt es, dass sich ein Herrscher nicht mit einem Teilerfolg zufrieden geben darf, nur mit ausreichender finanzieller und personeller Macht offensiv werden sollte und dass keine zwei gleich starken Mächte friedlich koexistieren können.5 Diese in pfälzischen Gutachten zu lesenden Maximen wurden von den Beratern der sächsischen Fürsten nie ins Feld geführt. Somit ignorierten die Geheimen Räte jene Gesetzmäßigkeiten und enthielten ihrem Dienstherrn wesentliche Informationen vor. Spionage speiste sich stets aus vier Motivationsbereichen: Geld, Ideologie bzw. Überzeugung, Zwang sowie Stärkung des Ego. Entsprechend differenziert ist die gelieferte Informationsqualität der Spione zu betrachten. Wer auf rasches Geld aus war (wie die Informanten der Elisabeth von Rochlitz) und wer zu Kundschafterdiensten gezwungen wurde (wie Michael Gruner), war weniger zuverlässig als ein stark motivierter Überzeugungstäter (wie Christian Friedrich Hertzer). Bei einem starken Geltungsdrang ist anzunehmen, dass derjenige als Abenteurer (wie Maubert de Gouvest oder Johann Michael Klement) Schlagzeilen suchte und es in seinen Berichten mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Die Motivation bestimmte stets die Informationsqualität. Nicht wahrgenommene inhaltliche Mängel sowie Unzuverlässigkeiten waren eine unmittelbare Folge unzureichender Menschenkenntnis. Eine erfolgreiche Geheimdiplomatie konnte nicht ohne gut organisierte Koordination auskommen. Dazu gehören auch klare und übersichtliche Gutachten der Geheimen Räte, die dem Fürsten eine Entscheidung erleichtern, ohne ihn mit Detailinformationen zu überfrachten. Diese Kriterien erfüllen beispielsweise die von Kardinal Richelieu überlieferten Gutachten in ihrer Knappheit und Präzision auf besonders anschauliche Weise, nicht aber die ausschweifenden sächsischen Gutachten für die Kurfürsten und Herzöge. Bei der Kryptologie lag die Qualität in der Vermeidung von Chiffrierfehlern und in der Einhaltung von Geheimhaltungsschranken. Eine Vermeidung von Korruption diente unmittelbar der Verhinderung von Einbrüchen in die Staatsgeheimnisse. AlVgl. Rothenberg 1992, S. 111. „Haben sie das jung Tigerthier genommen, so wurdt ihr die Mutter grimmig nacheilen, und werden also deß raubs nit genüssen künden, sie fangen dann allebeide“ […] „Teutschland will nit von 2. Sonnen beschinen werden.“ Secretissima instructio 1620, § 23.

5.3 Der „stille Krieg“ als Alternative?

8.

9.

671

lerdings waren aus Sparsamkeitsgründen die Kanzleien oft personell unterbesetzt, die Kanzlisten und Hofangestellten unterbezahlt, wurden wichtige Nachrichten nicht mündlich sondern mit der regulären Post transferiert. Das hatte gravierende Sicherheitsmängel zur Folge. Die Schnelligkeit der Informationsübermittlung bemaß sich gleichermaßen am Geldaufwand. Sofortige Lieferung bedeutete Abkopplung von den festen Zeiten der Post, was Extrakosten für Estafetten oder Botenlohn bedeutete. Auf internationalem Parkett war ein selbstbewusstes Auftreten und eine gelegentliche politische Kampfansage unumgänglich, um im Wettbewerb der Höfe bestehen zu können. In Sachsen vermied man es, der Konkurrenz die seltenen geheimdiplomatischen Erfolge vorzuweisen. Sachsen konnte infolge seiner vorwiegend defensiven Haltung, mehrerer gravierender Nachlässigkeiten und Fehler bei der Geheimdiplomatie und nicht zuletzt wegen der Ignoranz maßgeblicher Grundsätze nicht reüssieren. Die meisten Regenten Sachsens hatten sich entschlossen, im internationalen Gefüge Amboss und nicht Hammer sein zu wollen. Die Ambitionen der übrigen reichten nicht aus, um Sachsen einen Platz in der Liga der stärksten Mächte zu sichern. 5.3 Der „stille Krieg“ als Alternative?

Von zentraler Bedeutung für die Bewertung der Geheimdiplomatie ist die Frage, ob ihr eine stabilisierende, positive friedensstiftende Wirkung zuzuschreiben ist oder ob sie graduell zugunsten einer wachsenden Konfliktbereitschaft wirkte. Besaßen die Methoden ein Potential zur Deeskalation? Eine Bilanz der Geheimdiplomatie bemisst sich am Erfolg im Kleinen wie im Großen. Es mag siegreiche Schlachten infolge gelungener Überraschungscoups und geglückte Verhandlungen durch konsequente Geheimhaltung gegeben haben, Niederlagen durch schlechte Aufklärung oder Fehler in der Kryptologie. Stets ist es der menschliche Faktor, der den Ausschlag gibt. Erfolgreiche Spione waren meist nur einen Wimpernschlag davon entfernt, enttarnt zu werden, denn erst in unmittelbarer Gefahr bei größter Feindberührung konnten sie die wichtigen Informationen sammeln oder streuen. In den meisten Fällen zahlte sich das eingegangene Risiko nicht aus. Einzig bei der Kombination aus gelungener Geheimhaltung und hohem Risiko ist ein Nutzen möglich. Besitzt die Geheimdiplomatie deswegen befriedenden Charakter? Während für das Entstehen von Kriegen bereits die vielfältigsten Gründe genannt wurden,6 ist die Geheimhaltung als forcierendes Element für den Ausbruch von politischen Krisen bislang nicht ins Feld geführt worden. Somit scheint sie zumindest nicht vordergründig kriegstreibend zu sein. Zumindest im

6

Vgl. Vocelka 1990; Wegner 2000.

672

5. Schluss

gesellschaftlichen Kontext können sich Geheimnisse positiv auf den sozialen Frieden auswirken, wie Rüdiger Brandt an mittelalterlichen Beispielen nachwies: Das Geheimnis dient hier nicht primär dem Schutz des Negativen, sondern dem Schutz der Gesellschaft vor diesem Negativen.7

Das Potential von Geheimnissen als Gruppengeneratoren hat zuletzt auch Alois Hahn betont und dabei die Dichotomie von positiven Effekten (Differenzierung, Stabilisierung) und negativen Auswirkungen (Intransparenz, Opposition) herausgestellt.8 Im Einzelnen sind aber die verschiedenen Methoden der Geheimdiplomatie separat zu betrachten. Es war den Teilnehmern durch die interzipierte Post rein theoretisch möglich, ihre Sichtweise auf das Gegenüber zu korrigieren und Fehlperzeptionen zu vermeiden. Doch es liegt in der Natur des Menschen, oft nur diejenigen Dinge sehen zu wollen, die die vorgefasste Meinung bestätigen. Chiffrierung auf diplomatischer Ebene ist in der Moderne durch technische Neuerungen als Variation anzutreffen: in Form abhör- und einbruchssicherer Räume, Telefone und Satellitenverbindungen. Die geheime Kommunikation hat sich durchgesetzt und ist legitim. Durch Geheimhaltung von laufenden Verhandlungen wird die Gesellschaft vor einer Überbewertung von nicht vollständig durchdachten Plänen, flexiblen Netzwerken, diplomatischen Testballons, Bluffs u. ä. verschont. Wenn Diplomatie in aller Öffentlichkeit scheitert, ist ein größerer Schaden zu beklagen, als wenn Verhandlungen und Annäherungen bis zu einer gewissen Stabilitätsmarke geheim erfolgen. Einige Politikwissenschaftler glauben, dass sich Krisen durch vertrauliche Gespräche entschärfen lassen.9 Durch einen geschickten und begrenzten Einsatz dieser Methode der Geheimdiplomatie ist in der Tat eine politische Entspannung möglich. So wird die Arbeit der Geheimdienste als Präventivmaßnahme betrachtet. Geheimverhandlungen sind bis zur Vertragsreife zugelassen und werden oft praktiziert.10 Das gescheiterte Rambouillet-Abkommen zum Kosovo-Konflikt zeigt jedoch, dass das daraus resultierende Misstrauen nicht immer überwunden werden kann. Die in der vorliegenden Untersuchung angeführten Beispiele zeigen auch, dass eine partielle Geheimhaltung von Vertragsklauseln zwischen zwei Vertragspartnern durchaus eine sinnvolle Annäherung nach sich ziehen kann und friedenssichernd wirkt, sofern keine Lagerbildung und bewusste Schädigung der Ausgeschlossenen intendiert ist. Dennoch ist mit Hinblick auf die Erfahrungen der Geheimdiplomatie im Vorfeld des Ersten Weltkrieges in der Charta der Vereinten Nationen ein Verbot sämtlicher Geheimverträge verankert.11

7 8 9 10 11

Brandt 1997, S. 85. Vgl. Hahn 2002, S. 27 f. Blair 2012. Vgl. Czempiel, Ernst-Otto: Eine Welt ohne Feind?, in: Der Spiegel 43 (2000) vom 23. Oktober 2000. Vgl. Charta der Vereinten Nationen, Art. 54 und Art. 102, URL: http://www.unric.org/de/charta [13.03.2014; ASR].

5.3 Der „stille Krieg“ als Alternative?

673

Philipp Treiber führte 1520 als positiven Umstand an, dass ausgesandte Spione Leben retten und Ruhm bewahren könnten.12 Im 17. Jahrhundert legitimierte man dieses tyrannische Mittel mit dem Sicherheits- und Stabilisierungsargument, demzufolge Autoritätsschwäche und Aufruhr sowie Untreue und Intrigen früher erkannt und der Bevölkerung einige Unruhen erspart werden könnten.13 Bis heute besteht teilweise die Ansicht, dass der durch Spione gelungene Transfer von Geheimnissen prinzipiell einen Ausgleich bewirken kann, der tatsächliche militärische Aktionen unmöglich oder unnötig machten.14 Die Kriegserfahrungen des 20. Jahrhunderts brachten andererseits die Meinung hervor, dass Spionage als schädlich zu betrachten ist. Somit haben sich die heutigen Nachrichtendienste vorwiegend der Spionageabwehr verschrieben. Aus der Frühen Neuzeit ist anzuführen, dass die Spione überwiegend im Krieg agierten und nicht zur Vorbereitung eines Friedens, sondern für die Vorbereitung von Angriffen ausgesandt wurden. Vereinzelt gab es Fälle, in denen Spione freiwillig oder bei Ergreifung und Enttarnung im Verhör die Gegenseite warnten und gewaltmindernd agierten. Insgesamt kann der Spionage allerdings kein Zeugnis als friedensstiftende oder -erhaltende Maßnahme ausgestellt werden. Für eine negative Wirkung von geheimer Kommunikation sprechen noch andere Gründe. So lässt sich aus den Befunden dieser Untersuchung konstatieren, dass gelungenes Verheimlichen in der Geschichte der Frühen Neuzeit häufig zu Fehlwahrnehmungen und Missverständnissen mit teils kriegerischen Folgen geführt hatte. Wie Michael Rohrschneider feststellte, bewirkte die Geheimdiplomatie eine Entwertung der mediatorischen Bemühungen.15 Lucien Bély zufolge hing der Erfolg von Geheimverhandlungen bei Friedensschlüssen stets von der politischen Erfahrung der Akteure ab. Fähige Diplomaten waren in der Lage, das Vertrauen ihres Souveräns und ihrer Verhandlungspartner zu erfassen.16 Nur wenn alle Seiten einen gemeinsamen Rhythmus in den Gesprächen fanden und sich mit offenem Visier begegneten, war einem politischen Konzil ein Erfolg beschieden. Jedoch fand das gegenseitige Ausspionieren weniger auf dem diplomatischen Parkett in Beratungsräumen als auf den Wegen der Korrespondenzpost statt. Die Kongressdiplomatie wirkte somit nur scheinbar der Geheimdiplomatie entgegen. Erfolgreiche Geheimdiplomatie ist für die Vermeidung von Krisen und Kriegen weniger dienlich als misslungene Missionen schädlich sein können. Spionage und Chiffrierung sind für Entscheidungen im Tagesgeschäft nützlich, Interzeption mittelfristig. Ein langfristiger Nutzen über ein Jahrzehnt ist nur bei erfolgreichen geheimen Verhandlungen zu konstatieren. Deshalb ging die Forderung nach Abschaffung der Geheimdi-

12 13 14 15 16

Vgl. Treiber 1700, S. 22. Vgl. Weber 1992, S. 309. Vgl. Horn 2002, S. 140. Vgl. Rohrschneider 2011. Vgl. Bély 2011, S. 133.

674

5. Schluss

plomatie seit der Aufklärung mit der Hoffnung auf eine Befriedung der Politik einher. Immanuel Kant hat in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ unter die Präliminarien auch das Verbot von Spionage gesetzt.17 Jedoch haben der gescheiterte Völkerbund und die beiden Weltkriege die Grenzen jener idealistischen Einstellung gezeigt. Die Spionage hat im Verlauf der Weltkriege und des Kalten Krieges konfliktverschärfend gewirkt. Dennoch ist seit 1925 seitens der Staatschefs keine Forderung nach einer Abschaffung von Geheimdiplomatie mehr erfolgt, weil diese sich nicht durchsetzen ließ.18 Warum nahm die Geheimdiplomatie mehr negativen als positiven Einfluss auf den Lauf politischer Entwicklungen? Paul Reinsch, dessen Buch von 1922 nichts an seiner Aktualität verloren hat, macht die Geheimhaltung und die daraus resultierende Teilung in Insider und Outsider für den ungünstigen Einfluss auf politische Prozesse verantwortlich. Der Ausschluss potentiell fähiger Mitarbeiter von Analysen und Entscheidungen sowie die Deklarierung der Publizität als Übel behinderten das internationale Krisenmanagement, so Reinsch.19 Geheimdienste verzerrten oft die Wahrheit, aber durch öffentlichen Druck könne eine offene Gesellschaft die „Eliminierung von Geheimhaltung“ erwirken und somit zur Friedenspolitik beitragen.20 Persönliche Kontaktpflege und Gipfelpolitik können einer „diplomatischen Brüderlichkeit“ (diplomatic fraternity) in Form einer Weltpolitik auf unterschiedlichsten Ebenen den Weg bereiten – wie sie durch die Lehre des Zweiten Weltkrieges inzwischen schon mit mehr oder weniger Erfolg betrieben wird. Die Interessen der Menschheit den Interessen der Nationen überzuordnen, ist ein Fortschritt des vergangenen halben Jahrhunderts. Es hat sich erwiesen, dass Vertrauen und Vertrauensvorschuss in der Politik für den Frieden förderlich ist. Politik hat heutzutage stellenweise schon jenen anderen „spirit“, den Reinsch 1922 propagierte. Einzig die Methoden haben nicht in gleichem Maße Schritt gehalten, sondern sich nur dem technischen Fortschritt angepasst. In autokratischen Systemen ist das Staatsgeheimnis die Regel, in Demokratien soll es die Ausnahme sein.21 Die Wirkung der Affäre von WikiLeaks 2011 zeigt jedoch die bis heute auch in westlichen Demokratien bestehende Intransparenz der Diplomatie und die Auswirkungen, wenn Geheimnisse öffentlich werden. Nun hat Europa zwar keine Kriegserklärung wegen der offen gelegten Informationen zu befürchten, aber negativen Einfluss auf die diplomatischen Beziehungen, wenn nicht gar Disharmonie, haben die Enthüllungen von WikiLeaks dennoch ausgeübt. Immer noch sieht die Öffentlichkeit selbst in den westlichen Demokratien der Politik mehr durch Milchglas zu, als dass sie die Praktiken durchschaut. Immer noch sind Kontrolle, Korruption, Desinformation, Lüge, Täuschung und Verrat in der Politik gang und gäbe und lösen Krisen aus. Nur 17 18 19 20 21

Vgl. Bobbio 1988, S. 104. Vgl. Czempiel, Ernst-Otto: Friedensstrategien. Eine systematische Darstellung außenpolitischer Theorien von Macchiavelli bis Madariaga, Darmstadt 1998, S. 186. Vgl. Reinsch 1922, S. 216 f. Ebd., S. 218. Vgl. Bobbio 1988, S. 105.

5.3 Der „stille Krieg“ als Alternative?

675

dem Pazifismus, der geänderten politischen Kultur und Moral und der europäischen Idee ist es zu danken, dass aus diesen Krisen heute meist keine Kriege mehr entstehen. Eine größere Offenheit und Transparenz in Verbindung mit Öffentlichkeitsarbeit auch der Nachrichtendienste kann demnach der Krisenprävention dienen. Eine kritische Analyse und Bewertung der Geheimpolitik der Ära der Frühen Neuzeit kann so inspirierend für die Friedenspolitik des 21. Jahrhunderts wirken.

Anhang Datenbank der Chiffren Die überlieferten Nomenklatoren bilden ein unverzichtbares Hilfsmittel für die Erforschung der Diplomatiegeschichte. In den Korrespondenzen von Gesandten tauchen häufig Nachrichten in Geheimschrift auf, die nicht dechiffiert wurden und keine passende Chiffre beigelegt bekommen haben. Damit der Inhalt solcher Schreiben der Forschung nicht weiter buchstäblich verschlossen bleibt, ermöglicht die vorliegende systematische Aufarbeitung der Chiffrenakten, auf die passenden Nomenklatoren und Alphabete der einzelnen Gesandten zuzugreifen, um eine verschlüsselte Korrespondenz zügig selbst dechiffrieren zu können. Sämtliche für Sachsen aufgefundenen Nomenklatoren des Untersuchungszeitraumes (1500–1815) aus den Archiven in Berlin, Dresden, Gotha, Magdeburg, München, Weimar, Wernigerode und Wien aus insgesamt 66 Akten werden sukzessive in die von der Universität Uppsala initiierte Online-Datenbank1 eingepflegt und somit der Forschung verfügbar gemacht.2 Die Datenbank wird künftig in internationaler Zusammenarbeit ausgebaut werden. Ziel ist die Erfassung möglichst aller überlieferten Chiffrentafeln und verschlüsselter Quellen. Auf der Tagung HistoCrypt2018 in Uppsala wurde die Realisierung dieses Vorhabens diskutiert.3 Da Sachsen eine wesentlich größere Quellenbasis zu bieten hat als andere Länder, ist dieser Korpus besonders relevant. Die Autorin schlug vor, eine systematische Registrierung aller überlieferten Chiffren und chiffrierter Quel1 2

3

URL: https://stp.lingfil.uu.se/decode/search [11.04.2020; ASR]. Vgl. SächsHStAD, 10024 GR (GA), Loc. 4412/5, Loc. 4414/4, Loc. 8233/5, Loc. 8236/5, Loc. 8236/10, Loc. 8236/11, Loc. 8236/12, Loc. 8236/15, Loc. 8485/4; 10026 GK, Loc. 663/1, Loc. 675/10, Loc. 694/10, Loc. 695/3, Loc. 2101/86, Loc. 2684/8, Loc. 30004/1, Loc. 3233/1, Loc. 3233/2, Loc. 3233/3, Loc. 3233/4, Loc. 3233/5, Loc. 3233/7, Loc. 3233/6, Loc. 3234/1, Loc. 3234/2, Loc. 3234/3, Loc. 3234/4, Loc. 3234/5, Loc. 3234/6, Loc. 3234/7, 11237 GKRK, Loc. 10922/7; ThStAG, GA, BBB, 96a; GStA PK, I. HA Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, L 8 b, fasc. 1, L 8 b, fasc. 1a, L 8 b, fasc. 2, L 8 b, fasc. 3, L 8 b, fasc. 4, L 8 b, fasc. 5, L 8 b, fasc. 5a, L 8 b, fasc. 5b, L 8 b, fasc. 6, L 8 b, fasc. 7, L 8 b, fasc. 8, L 8 b, fasc. 9, L 8 b, fasc. 10, L 8 b, fasc. 11, L 8 b, fasc. 12, L 8 b, fasc. 13; L 8b, fasc. 14, L 8b, fasc. 15, L 8b, fasc. 16; I. HA Geheimer Rat, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 141; I. HA Rep. 63 Neuere Kriegssachen, Nr. 1472; III. HA Ministerium des Äußeren, Zentralbüro, Nr. 73/1, Nr. 73/5, Nr. 73/6, Nr. 73/7, Nr. 76, Nr. 76/1, Nr. 102, Nr. 109, Nr. 110/1; LHASA, MD, H 82, Nr. 1018, Nr. 1019. URL: https://www2.lingfil.uu.se/histocrypt2018/home.phtml [22.10.2019; ASR].

678

Anhang

len mittels Regionalverantwortlicher umzusetzen und nicht nur die Metadaten, sondern auch Identifikationsmerkmale zu erfassen, Normdaten zu berücksichtigen und in einer Online-Datenbank Chiffren und verschlüsselte Dokumente zu verlinken. Abkürzungsverzeichnis ADB AFSt AKG ASG BayHStAM DRW FAK FBPG FNZI GStA PK GA GD GK GR GR (GA) GWU GG GKRK HHSTAW HAB HJb HZ LHASA MIÖG MÖStA NASG PN Werl PKMS NDB OHMA SäBi SächsHStAD StadtA ThHStAW

Allgemeine Deutsche Biographie Franckesche Stiftungen Halle Archiv für Kulturgeschichte Archiv für Sächsische Geschichte Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Deutsches Rechtswörterbuch Festungsarchiv Königstein Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte Frühneuzeit-Info Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Geheimes Archiv Gouvernement Dresden Geheimes Kabinett Geheimer Rat Geheimer Rat (Geheimes Archiv) Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Geschichte und Gesellschaft Geheimes Kriegsratskollegium Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Herzog-August-Bibliothek Historisches Jahrbuch Historische Zeitschrift Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs Neues Archiv für Sächsische Geschichte Personennachlaß Dr. phil. Elisabeth Werl (1898–1983) Politische Korrespondenz des Moritz von Sachsen Neue Deutsche Biographie Oberhofmarschallamt Sächsische Biografie Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Stadtarchiv Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar

Abbildungsverzeichnis

ThStAG VSWG ZBLG ZHF

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Thüringisches Staatsarchiv Gotha Vierteljahreshefte für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für historische Forschung Abbildungsverzeichnis Tabellen

Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13:

Aufgaben von Meldedienst und Abwehrdienst Kriterien zur Unterscheidung von Varianten der Diplomatie Multiperspektivität der Betrachtung von Überlieferungsfällen Legende zu den grafischen Darstellungen Zyklus und Quellen der Intelligence Quellensorten mit Zuordnung zu Akteuren Defensive, offensive und aggressive Geheimdiplomatie Kommunikationsmodell nach Luft und Ingham („Johari-Fenster“) Einflussfaktoren auf Entscheidungen im Bereich der Geheimdiplomatie Verzögerter Informationsstand durch Transportdauer Abenteurer in Sachsen 1500–1763 Sächsische Diskretionsgelder im Großen Türkischen Krieg Gehaltsliste der Kriegskanzlei Sachsen-Gotha 1702 und des Kriegskollegiums 1734 Tabelle 14: Bekannte Staatsgefangene (Spione und Landesverräter) Tabelle 15: Unsystematische einfache Substitutionsschiffre Tabelle 16: Komplexität der Chiffren im Siebenjährigen Krieg Tabelle 17: Kriterienkatalog zur Abstufung der Komplexität von Chiffren Tabelle 18: Periodisierung der Kryptologie in der Frühen Neuzeit Tabelle 19: Offene und verdeckte Interzeption Tabelle 20: Geldverschickungen im Kriegsetat von Sachsen-Gotha 1734 Tabelle 21: Die Geheime Kanzlei Augusts II. auf Reisen Tabelle 22: Schmähungen und Pasquillen 1500–1763 Tabelle 23: Attentate gegen den Landesherrn und seine Familie Tabelle 24: Liste der Decknamen beim Fürstenaufstand 1552 Tabelle 25: Verpflegungskosten des Staatsgefangenen Desseault für zwei Monate Tabelle 26: Geheimschrift Augusts II. mit Geheim- und Klartext Tabelle 27: Zentren der Geheimdiplomatie nach Anzahl der überlieferten sächsischen Nomenklatoren Tabelle 28: Auszug aus einem Geheimbrief von 1759 Tabelle 29: Liste für Spionage 1809

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Anhang

Grafiken Grafik 1: Grafik 2: Grafik 3: Grafik 4: Grafik 5: Grafik 6:

Angriffspunkte der Forschung Diplomatische Varianten und ihre Anwendungsbereiche Trianguläre Relation Perzeptionsschema Anwendungsbeispiel (3-D-Modell) Anwendung des Perzeptionsschemas auf den Beginn des Siebenjährigen Krieges 1756 Grafik 7: Modell zu Abhängigkeiten vom Maß der Geheimhaltung Grafik 8: Zeitgenössische Publikationen zur Geheimdiplomatie Grafik 9: Wissen und Geheimhaltung Grafik 10: Klassifizierung der Kryptologie Grafik 11: Überlieferung von Nomenklatoren Grafik 12: Zeitliche Verteilung der überlieferten Nomenklatoren im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Grafik 13: Lokale Schwerpunkte der sächsischen Nomenklatoren Grafik 14: Häufigste Besitzer der sächsischen Nomenklatoren Grafik 15: Übersicht zur Herkunft der Interzepte in Sachsen und Thüringen Grafik 16: Textbeispiele aus den Briefen der Herzogin Elisabeth von Rochlitz Grafik 17: Die Chiffre der Herzogin Elisabeth von Rochlitz Grafik 18: Anwendung des Perzeptionsschemas auf die Grumbachschen Händel Grafik 19: Interzeption in Sachsen im Dreißigjährigen Krieg (absolut) Grafik 20: Interzeption in Sachsen im Dreißigjährigen Krieg (relative Verteilung) Grafik 21: Soziogramm bei Ausbruch des Großen Nordischen Krieges Grafik 22: Das Netzwerk des Sekretärs Hamann Grafik 23: Informationsnetzwerk zum Fall „Major Siegfried“ 1723 Grafik 24: Das Netzwerk im Fall „Menzel-Erfurth“ mit Chronologie (Schritte 1–5) Grafik 25: Interzeption durch Preußen im Siebenjährigen Krieg Grafik 26: Anwendung des Perzeptionsschemas auf den Fall des Spions Tarden Grafik 27: Interzeption der preußischen Korrespondenzen Grafik 28: Anzahl der Interzepte in Relation zur Zeit Grafik 29: Angebliche Parallele zwischen Brühls und Grumbachs Politik Grafik 30: Netzwerk des Jägers Müller

Abbildungsverzeichnis

681

Abbildungen Abbildung 1:

Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14:

Abbildung 15:

Aufgefangene Brieffe, welche zwischen etzlichen curieusen Personen über den ietzigen Zustand der Staats- und gelehrten Welt gewechselt worden. Erste Ravage, 1699, Frontizpiz, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, H 8° 5412 (1) Notenchiffre, aus: Schwenter, Daniel: Steganologia & Steganographia aucta, 1622, S. 303, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Buch 8° 154/6 (1) Friderici, Johann Balthasar: Cryptographia oder Geheime schrifft-, münd- und würkliche Correspondentz, 1684, Titelkupfer, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Buch 8° 155a/1 Instruktion für den Geheimagenten Toder Horst, 1731, SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 384/1, Bl. 503 Spion, aus: Ripa, Cesare: Nova Iconologia, 1618, S. 493, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Math 4° 585/1 (1) Die Enttarnung eines persischen Spions durch die Russen, Pieter Tanjé, 1730er Jahre, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Graph a1–2673 Dlandol, Le Contr’espion, Ou Les Clefs De Toutes Les Correspondances Secrettés, 1793, Titelkupfer, Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Buch 8° 157/3 Abhöranlagen, aus: Kircher, Athanasius, Neue Hall- und Thonkunst, 1684, S. 114, SLUB, MB.4.3570 Symbolchiffre aus dem Dreißigjährigen Krieg, SächsHStAD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 8236/12, Bl. 28 Alphabetische Verschlüsselung eines interzipierten Briefes, 1743, SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 675/10, Bl. 89 Dechiffrierbuch mit Daumenregister, 1746, SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 675/10, Bl. 99 Nomenklator einer komplizierten Chiffre der Gesandtschaft in Wien, 1721–28, SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 675/10, Bl. 10 Le Cabinet noir, Dumas père, Mes Memoires, Paris 1854, Kap. 130, akgimages 379628 Ein Spion beobachtet sächsische Rüstungen, 1546, aus dem Bilderzyklus „Das Leben des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen“, © Deutsches Historisches Museum, Berlin, Stiftung Deutsches Historisches Museum Berlin, Das Leben des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen: Vorbereitung und Beginn des Schmalkaldischen Krieges im Jahr 1546, Inv.-Nr.: Kg 58/13 Symbolische Verschlüsselung der Herzogin Elisabeth von Rochlitz, 1547, SächsHStAD, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 8607/15, Bl. 58

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Anhang

Abbildung 16: Das Feld hat Augen, der Wald hat Ohren, 1546, bpk Bildagentur/Kupferstichkabinett SMB/Jörg P. Anders Abbildung 17: Russians arrest a spy during the Great Northern War with Sweden. Hand-colored woodcut of a 19th-century illustration, akg-images/ Northwind Pictures Archives 913144 Abbildung 18: Eigenhändige Erklärung König Augusts II. von Polen zum Gebrauch seiner Geheimschrift, Anfang 18. Jh., SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 2097/45, Bl. 4 Abbildung 19: Einfacher Nomenklator des Grafen Brühl, 1740, SächsHStAD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 675/10, Bl. 14 Abbildung 20: Friedrich II. verhört einen Spion, Johann Meno Haas, 1793, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Graph A1 903 Abbildung 21: Secrets upon secrets or John Bulls peep into the sack office, aus der Serie Talleyrand, 1806, SLUB, Deutsche Fotothek, Inv.-Nr.: Tall.Graf.II,6,10, obj. 71040297 Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) Seidemann: Aus dem Briefwechsel der Herzogin Elisabeth von Rochlitz, undat., Msc. Dresd. 230 nb. Charles Fox als Verräter Englands, 1806, aus der Serie Talleyrand, SLUB, Deutsche Fotothek, Inv.Nr.: Tall.Graf.II,6,10. Sächsisches Hauptstaatsarchiv – Staatsarchiv Dresden (SächsHStAD) 10006 Oberhofmarschallamt Acta, die Hofsekretäre betr. 1764–1826, Rep. Lit. K XII, b, Nr. 12. 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv) Acta die Asservirung einiger getriebener Verrrätherey und Spionirens halber verdächtiger Persohnen, in denen, auf dem hiesigen Vestungs-Bau vorselbige aptirte Verhältnisse und deren Verpflegung getroffene Verfügung betr., 1760–62, Nr. 574. Grumbachsche Brieffe und Ziffern 1564–66, Loc. 4414/4. Des Amtes Wittenberg Ausgaben, als auf geschehene Anordnung des kurfürstlich sächsischen, über die Artillerie bestellten Generalobristen, Herrn Johann Melchiors von Schwalbach, Ritters, sowohl auch des Herrn Hofrichters und Hauptmanns, Herrn Daniels von Keseritz, wegen der benachbarten Unruhe in die Lager unbemerkt abgeschickt und Kundschaft eingeholt, wie auch wegen Herbringung der Fähren, Schiffe und Kähne, desgleichen des Getreides in die Festung Wittenberg aus den Ämtern Gommern und Belzig, allerhand Bestallungen gemacht, sowohl

Quellen- und Literaturverzeichnis

683

die Büchsenmeister aus etlichen Städten hierher gefordert auf einen Monat, als vom 19. Februar bis auf den 19. März inklusive 1626, 1626–28, Loc. 4457/2. Bestellung derer Secretarien, Canzelisten und anderer Personen in denen Geheimen und Justitien Canzleyen, 1628–1698, Loc. 7171/7. Bestallung derer Churfürstl. Sächs. Secretarien und Canzellisten in der Geheimen Cammern geheimen Reichs- und Hof-Canzley zu Dreßden, 1680–1719, Loc. 7171/8. Der verhaftete Dr. Joachim Kratz, 1731–33, Loc. 7192/44. Im Schloss Hohnstein verhafteter Dr. Joachim Kratz, 1632, Loc. 7192/45. Des auf der Bergfestung Königstein gefangenen Dr. Joachim Kratz’ Entledigung, 1650, Loc. 7192/47. Dr. Simon Reinhards zu Weißenfels Bestrickung, dass er mit den Schweden heimliches Verständnis und Korrespondenz gepflogen, 1640, Loc. 7194/1. Der auf dem Königstein inhaftierte Generalpostmeister von Holtzbrinck, auch der zu Sonnenstein arretierte Soldat Ephraim Kannegießer, 1702, Loc. 7199/19. Ein von Kurbrandenburg gefangener Spion, 1675, Loc. 7237/16. 2. Buch, Kaiserliche Majestät vorgehabte Zusammenkunft mit den Kurfürsten wegen Kurpfalz’ Aussöhnung und Friedenstraktation im Reich. Was kaiserliche Majestät mit königlicher Würde in England durch Erzherzog Albrecht zu Österreichs Witwe eines Friedens wegen traktieren und bei Kursachsen anbringen lassen, der interzipierten kaiserlichen Schreiben halber ferner vorgegangen und an Kurpfalz an unterschiedliche Fürsten, auch der König in Dänemark an Kaiserliche Majestät und Kursachsen, sowohl etliche Kurfürsten und Fürsten dieses Werks halber an Seine Kurfürstliche Gnaden Johann Georg I. von Sachsen gelangenn lassen, item wie Kaiserliche Majestät den zuvor gewesenen Kollegialtag anderweit auf den 1. September nach Regensburg ausgeschrieben, was deshalb an Kursachsen gebracht, Seine Kurfürstliche Gnaden sich resolviret und mit anderen kommunizieret, 1622, Kurfürst Johann Georg I. an den Kaiser, 5. März 1622, Loc. 8101/7. Notiz über einige alte Chiffren, 1510–17, Loc. 8233/5. Schriften über unterschiedliche Beschickungen, so Kurfürst August zu Sachsen an Erzherzog Ferdinand zu Österreich, an Herzog zu Savoyen, an Ferrara, Mantua und Florenz, durch Dr. Andreas Paul in etlichen vertraulichen Sachen getan und was an einem jeden Ort durch ihn verrichtet und Seiner Kurfürstlichen Gnaden zur Relation eingebracht worden, 1581, Loc. 8233/7. Angelegenheiten, weshalb der Geheime Kammerdiener Friedrich Sebastian Lebzelter verschickt worden, 1634–39, Loc. 8234/1. Geheim Raths Chiffre, 1668 ff., Loc. 8236/5. Concept Chiffres, Manifeste und dergl. Miszellaneen, 1706–09, Loc. 8236/10. Verschiedene Chiffren in einer Mappe, o. D., item Chiffre des Geh. Rats von Bünau nach Kopenhagen mitgegeben, 1795, Loc. 8236/11. Allerhand Chiffren, 1630 ff., Loc. 8236/12. Allerhand Chiffres nicht mehr gebraucht werden. Von Anfang des 18ten Jahrhunderts aus den Papieren des Geh. Raths von Bose, undat., Loc. 8236/15. Gesandtschaften, Kommissionen und Verschickungen, auch Bezahlung des dabei erforderlich gewesenen Aufwands und der diesbezüglichen Auslösungen, 1700–1737, Loc. 8236/21. Konvolut: Gedruckte Beilagen zu gesandtschaftlichen Relationen, 1741–1796, Loc. 8236/22. Erstes Buch, Relationen, so Hans Zeidler, sonst Hoffmann genannt, zu Prag bestallter Agent, überschickt, 1612/13, Loc. 8239/1. Relationen des kursächsischen Residenten am kaiserlichen Hof, Emanuel Wille, 1688, Loc. 8246/4. Des kursächsischen Agenten am kaiserlichen Hof, Emanuel Willes, Berichte und Schriften in unterschiedlichen Sachen, 1689–1694, Loc. 8248/1.

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Anhang

Anweisung für den mit einer geheimen Sendung an den brandenburgischen Hof beauftragten Geheimen Rat von Beichlingen, 1697–1700, Loc. 8266/4. Thomas von der Heide, welcher von Herzog Georg zu Sachsen an den König in Spanien und an Kurmainz verschickt, bei Jülich aber niedergeworfen und weggeführt worden, 1517, Loc. 8279/11. Mordbrenner in der Grafschaft Gleichen, 1518, Loc. 8292/10. Characteres vnnd verborgene Ziphern so inn der Churfürstlichen sächsischen Canzley vnnd sonsten in den vertrautten vnd geheimbten Sachen gebraucht worden seindt, Loc. 8485/4. Fürstliches Hessen-Darmstadtisches Alphabet für kurf. Durchl. zu Sachsen, 1640, Loc. 8285/18. Handschreiben, 1700, Loc. 8572/11 M-Z. Schreiben der Herzogin von Sachsen Elisabeth Hz. Johannis Witwe an Churfürst Johann Friedrich mit einzelnen Schreiben des Churfürsten, 1546/47, Loc. 8607/15. Rechnung über Kästen, so in Kurfürst Augusts geheimer Verwahrung gestanden, 1582–86, Loc. 8693/29. Registratur und Verzeichnis, was von dem Vorrat nach seligem Absterben Kurfürst Augusts zu Sachsen, unseres gewesenen gnädigsten Herrn, seligen Gedächtnisses, in dessen geheimer Verwahrung gefunden worden, 1586, Loc. 8694/2. Die von Kursachsen angeblich beabsichtigte Entführung des Erbprinzen von Sachsen-Zeitz betr., 1707, Herzogin Erdmuthe Dorothea von Sachsen-Merseburg an Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz, Loc. 8783/13. Schreiben der Bischöfe Johann  VIII. von Maltitz zu Meißen und Sigismund von Lindenau zu Merseburg an Herzog Heinrich zu Sachsen über etliche Mordbrenner, so sich in beiden Stiften aufhalten sollen, 1540, Loc. 8987/2. Herzog Johann Friedrichs II. ausgesprengtes Gerücht, als ob Kurfürst August zu Sachsen sich der Stadt Erfurt zu bemächtigen vorhabens sein soll, 1565, Loc. 9159/16. Schriften über die Praktiken derer sich Dr. Christian Brück beim Rat zu Erfurt kurz vor der gothaischen Belagerung unterstanden, indem er sie hat bereden wollen, sich mit seinem Herrn, Herzog Johann Friedrich II. zu Sachsen zu vergleichen und auf Seiner Fürstlichen Gnaden Seite zu stehen, 1566, Loc. 9159/17. Allerlei Kundschaften, Briefe und Schreiben, in vorstehender und währender Exekution eingekommen und ergangen, item Dr. Franz Kramms Schreiben aus Kassel, 1566, Loc. 9160/14. Kundschaften über Verfolgung und Bestrickung der Ächter und Straßenräuber, 1566–1571, Loc. 9160/15. Verschiedene, zu den Grumbachschen Praktiken und der Gothaer Exekution gehörige Nachrichten, 1560–67, Loc. 9161/8. Originalia, Herzogen Johann Friderichs von Sachßen unnd Wilhelmen von Grumbachs, des Erzz Echters von Gotha, bei Ernsten von Mandeßlowen Jungenn niedergeworffene Briefe, 1567, Loc. 9162/3. Allerlei vertrauliche Schreiben und Berichte, so Conrad Schmidt der Straßen Reuber, Echter und anderer dergleichen Hendel halb an der gewesenen churf. sachssischen Rentmeister Barthel Lautterbachen getan, sambt deezlichen des Lautterbachs Antwortten und anderen, des Schmides, Händel. Dobey ein in rothleder gebundenes Buchlein, darinnen verzeichnet wie die Caracteres, so er in diesen seinen schreiben gebrauchet zuvorstehen, 1567, Loc. 9162/16. Ein in rotes Leder gebundenes Büchlein, darin verzeichnet, wie die Characteres die er in seinen Schreiben gebraucht, zu verstehen, unter dem Titel: Konrad Schmiedt Characteres, (1567), Loc. 9162/17. Abschrieft der Kundschaften, so Herzog Johann Friedrich II. von Sachsen seinem Kammerjunker mit eigener Hand zu Dreßden gestellet, 1567, Loc. 9164/7. Schriften über das Kriegswesen von dem pappenheimschen Sekretär, 1631, Loc. 9241/3. Interzipierte Schreiben im Dreißigjährigen Krieg, 1632–35, Loc. 9270/22.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Allerhand Schreiben, so zwischen kurfürstl. Durchl. Johann Georg I. zu Sachsen und dessen Feldmarschällen gewechselt, darin befindlich, was der Herr Feldmarschall für Berichte aus Schlesien bis zu dessen Herauszug eingeschickt, dabei Georgs I. Rákóczi und etliche andere interzipierte Schreiben, 1632, Loc. 9271/4. Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm zu Neuburg wegen interzipierter Schreiben, Loc. 9271/5. Ein Convolut allerhand in Kriege intercipirten schreiben, so theils von Kays. Majt. communicirt worden. Vol. I, 1635–40, Loc. 9273/1. Ein Convolut allerhand in Kriege intercipirten schreiben, so theils von Kays. Majt. communicirt worden. Vol 2, 1635–48, Loc. 9273/2. Interzipierte Schreiben des Obristen Bartholomäus Freiherr von Zerotin, 1636–40, Loc. 9273/7. Interzipierte Hessen-Kasseler Schreiben über die schwedischen Traktate, item interzipierte Schreiben aus Schweden, 1635–40, Loc. 9281/3. Interzipierte Schreiben bei währendem Konvente u. hernach. Dabei des Pappenheimschen Sekretär Schreiben, 1631, Loc. 9281/6. Wider Durchschleichung der bayerischen dimittierten Truppen ausgelassenes Fränkisches Kreispatent, item Verkundschaftung gefangener französischer Soldaten, Rekrutierung alter Regimenter, Verheiratung gemeiner Soldaten und Erlassung der Offiziere, 1705, Loc. 9300/24. Zeitungen, so von dem zwischen Spanien und Frankreich entstandenen Kriegswesen und anderen Sachen eingebracht worden sind, 1558, Loc. 9300/37. Interzipierte türkische Briefe bei der Kampagne in Ungarn, 1695, Loc. 9333/25. Befragung Hans Georg Helds, Zittauer Bürger, welcher wegen eines gewissen Secreti (betr. Geheimnis) sich rühmt, es auch dem kaiserlichen Obristen, Burggrafen von Prag, eröffnet haben soll, 1694–96, Loc. 9555/2. Mordbrenner, 1689, Loc. 9561/6. Feudalia Saxonico-Electoralia de annis 1660 et 1687 collecta ab Emanuele Wittio, Sax. Elect. Secretario intimo et Agenti Viennae, 1660–1687, Loc. 9610/7. Die mit dem Kabinetsminister Karl Heinrich Grafen von Hoim erfolgte Veränderung und demselben beigemeßenen Vergehungen bel., 1731, Loc. 9666/9. Hans Böhme, intus: Acta inquisitionis: Der inhaftierte, besonders aber in den Grumbachschen Händeln bestrickte Hans von Freiberg, sonst Böhme genannt, 1566, Loc. 9667/12. Jakob Pegenau wegen Räuberei und Mordanschlag gegen Kurfürst August, 1569, Loc. 9667/19. Philipp Plaß, des Gefangenen erste, andere, dritte und vierte gütliche Aussage in der Verwarnung zu Leipzig 1566, Wegelagerei, bei der viele Edelleute beteiligt gewesen, Anschlag gegen Kurfürst August von Sachsen, Ewald von Carlowitz mehrfach erwähnt, 1566, Loc. 9667/20. Schreiben, so an Kurfürst August und seiner kurfürstlichen Gnaden Kammersekretär Johann Jenitz, Antonius Michel, welcher seiner Verräterei halber zu Dresden öffentlich mit Ruten ausgehauen worden, getan, worin unterschiedliches wider Hans von Bernstein, Hans Jenitz und Hans Harrer angegeben worden, 1580, Loc. 9668/14. Acta in Sachen Michael Heinrichs und seiner Gesellen wegen vorgehabter Mordtat an Kurfürst Christian II. von Sachsen, 1603, Loc. 9676/11. Acta in Sachen Michael Heinrichs und seiner Gesellen wegen vorgehabter Mordtat an Kurfürst Christian II. von Sachsen, 1603, Loc. 9676/12. Gütliche und peinliche Acta etlicher Gefangener, Michael Heinrichs, Hans Menzels von Bitterfeld, Christoph Papsts, Gertraut Eichards und Hans Schneiders von Salzfurt, sonst Barthel Knorr genannt (Verbrechen gegen die Herrschaft), 1603, Loc. 9677/1. Acta, zu dem an Kurfürst Christian II. von Sachsen auf der Birkenhahnbalz im April 1603 begangenen Assassinat gehörig, 1604–05, Loc. 9677/6.

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Anhang

Gefangene zu Großenhain, so Kurfürst Christian II. von Sachsen erschießen wollen, 1603, Loc. 9677/7. Obrist Wankes auf die Festung Dresden und auf Kurfürstlicher Durchlaucht ( Johann Georg I.) zu Sachsen Konvolut anhaltischer Sachen: Nach Kurfürst Christian  II. zu Sachsen getaner Büchsenschuss, 1603–08, Loc. 9677/08 bis Loc. 9677/11. Acta commissionis: Attendierter Assassinat gegen Kurfürst Christian  II. von Sachsen und der Teilnahme beschuldigte anhaltische Diener, 1603–08, Loc. 9678/2. Personen, so dem Kurfürsten Christian  II. zu Sachsen nach Leib und Leben getrachtet, 1605, Loc. 9678/3. Barthel Knorrs, sonst Hans Scheuder genannt, Aussage, betr. Mordversuch an Kurfürst Christian II. von Sachsen, 1605, Loc. 9678/4. Acta Inquisitionssachen: Nach Kurfürst Christian II. von Sachsen getaner Büchsenschuss, 1607, Loc. 9678/7. Unterschiedliche Aussagen Caspar Preuschwitz’ zu Dresden wegen des nach Kurfürst Christian II. von Sachsen getanen Schusses, 1610, Loc. 9678/9. Tobias Wirth, Stadtschreiber zu Leisnig, welcher beschuldigt worden, dass er mit dem Feind allerhand Kollusion getrieben und demselben die Steuerschocke und Amtsintraden verraten, 1643, Gegenanzeige von Tobias Wirth, 4. Dezember 1643, Loc. 9680/7. David Sahmenhammer, Bauschreiber zu Augustusburg, der den Schweden allerhand Vorschub getan haben soll, 1644, Loc. 9680/8. Vorgehabter Anschlag, 1647–51, Loc. 9680/10. Graf Wolf Lorenz von Hofkirchen und dessen Exzess (Tätlichkeit gegen Kurprinz Johann Georg III. von Sachsen), 1667, Loc. 9680/19. Nachrichten über die von Kurbaiern intendierte Entführung des K. Sächß. Prinzen, 1704, Loc. 9682/2. Acta commissionis: Kabinettssekretär Georg Ernst Pfingsten und von ihm ausgestoßenen unverantwortliche Reden, 1705, Loc. 9682/4. Acta commissionis betreffende Herrn Anthon Albrechten Freyherrn von Imhoff und George Ernst Pfingsten, 1707, Loc. 9682/5. Acta commissionis contra Herrn Gottlieb Vogeln, Königl. und Churfürstl. Sächß. Geheimen Canzellisten alhier. in puncto verbothener Correspondenz, 1721, Loc. 9686/9. Zur Untersuchung wider den Kanzellist Vogel gehörig, 1718, Loc. 9686/10. Zur Untersuchung wider den Kanzellist Vogel gehörig, 1716, Loc. 9686/11. Des wegen verdächtiger Korrespondenz in Freiberg zu gefänglicher Haft und von da anher nach Dresden gebrachten Advocaten Heydenreichs Vernehmung, 1721, Loc. 9686/12. Die von dem Secretario Dehnen wider einige Subalterne bey der Cabinets Canzley angegebene Ungebührnisse und deßen beschehene Arretierung betr., 1733, Loc. 9686/17. Der inhaftierte Dr. Ludovici, auch verschiedene in der mit ihm gepflogenen verbotenen Korrespondenz implizierte Personen, 1735 ff., Loc. 9687/2. Acta Commissionis: Untersuchungssachen wider Herrn Albrecht Friedrich von Wilmsdorf-Prebendow, ehem. kgl. poln. und kf. sächs. Generalmajor, wegen Verdachts der strafbaren Gemeinschaft mit Preußen, Kundschaft über Wihlmsdorf, 1761, Loc. 9688/1. Acta Commissionis: Untersuchungssachen wider Johann Georg Wilke, Regierungskanzlisten allhier, wegen ungebührlicher Korrespondenz mit den gräflich-stolbergischen Räten, 1737, Loc. 9688/3. Christian Heidlers Kaptur und Inquisition wegen eines mit dem bösen Feind gemachten Bundes und anderer Verbrechen, 1664–66, Loc. 9692/14.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Die wegen Espionerie in der Hafft gebrachte Michael Raack, Moscowitischen Capitain, dann Caspar von Plattern und Capitain Disellié bel., 1706, Loc. 9693/4. Stephan Trefarth, ein Mörder und Mordbrenner, 1536, Loc. 9698/2. Acta commissionis: Des sich selbst entleibten Grafen von Hoym während seines Arrests auf der Festung Königstein geführte heimliche Korrespondenz und dabei mit implizierte Personen, 1737, Loc. 9703/37. Des Obristen von Wolfframsdorff Schreiber, Carl Spinola, so sich falso für einen italienischen Grafen und Malteserritter ausgegeben, 1651–52, Loc. 9705/12. Carl Christian Kühlewein, welcher sich zu Ödenburg (heute Sopron in Ungarn) oder Wien für einen kurfürstlich sächsischen Geheimen Rat ausgegeben haben soll, 1673, Loc. 9705/14. Sophie Sabina Apitzsch (Prinz Lieschen), so sich für eine Mannsperson ausgegeben, 1716–17, Loc. 9705/18. Acta wegen des gefangenen Schulmeisters Kolbe und Johann Jakob Ocker, den ausgegebenen Johann Georg betr., 1605, Loc. 9706/24. Konvolut: allerhand nachdenkliche Briefe, item zur Untersuchung gegen den Verfasser von „Portrait de la Cour de Pologne“, 1706, Loc. 9710/37. Entsetzung Tobias Wirths von dem Stadtschreiberdienst zu Leisnig wegen unternommener Kollusion, 1643, Loc. 9712/18. Etliche Mordbrenner, 1504–1525, Loc. 9713/7. Jakob Stubenschabes Mordbrennerei, 1534, Loc. 9713/8. Urgicht etlicher Mordbrenner, welche des Papsts, etlicher Bischöfe und des Herzogs zu Braunschweig halber auf Brand Geld genommen, 1540, Loc. 9713/9. Urgichten etlicher Mordbrenner und Gefangener, 1540–42, Loc. 9713/10. Ratschlag und rechtliches Bedenken, Herzog Heinrich II. von Braunschweig belangend, wegen der Mordbrenner, so er in der evangelischen Stände Lande soll ausgeschickt haben, 1540, Loc. 9713/11. Merthen Krauses von Freiberg Urgicht und anderer Mordbrenner mehr, 1545, Loc. 9713/14. In die lutherischen Lande ausgesandte Mordbrenner, 1539, Loc. 9713/15. Mordbrenner, 1616, Loc. 9713/17. Von Frankreich in das Heilige Römische Reich ausgeschickte Mordbrenner, 1689, Loc. 9713/20. Schriften über allerlei gemachte Bestallungen und von etlichen unterschiedlichen Personen eingebrachte Kundschaften und Berichte wegen der Straßenräuber, Ächter und anderer verdächtiger Reiter und Gesellen, so sich vor und nach der gothaischen Belagerung und sonst auf den Straßen frevelhaft und feindlich gezeigt, 1564–66, Loc. 9715/1 Kurfürst Moritz Verordnung wegen der um seines vermeintlichen Abfalls vom Evangelium halber wider ihn verbreiteten Empörung, 1546, Loc. 9716/21. Mandate wider die Räuber und Mordbrenner, auch andere feindliche Streifereien, 1733/34, Loc. 9717/35. Geheimes Schreiben an Kurpfalz über den damaligen Zustand der Niederlande (Kopie), 1616, Loc. 9818/1. Steckbriefliche Verfolgung der angeblichen Gräfin von Petersdorf (betr. Sachsen-Zeitz), 1711, Loc. 9719/27. So genannte Gräfin von Petersdorf und ihre gemachte Prätention (betr. Sachsen-Zeitz), 1712, Loc. 9719/28. Französisches Dessein um Erfurt, wohin sich an die 1000 Franzosen heimlich eingeschlichen, hingegen die kaiserliche Besatzung meistens heraus, hierüber auch der Erfurter Postmeister, wie auch die zu Eisenach und Gotha, vom König in Frankreich mit Schriften, Salvaguardien und Passports auf Art wie in den spanischen Niederlanden, versehen sein sollen, 1684, Loc. 9853/1.

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Anhang

Landgraf Ludwigs  V. zu Hessen-Darmstadt Vorschlag wegen Anlegung einer Post, 1614, Loc. 10003/17. Postsachen mit Braunschweig-Celle, welchergestalt der Oberpostmeister zu Leipzig geklagt, dass nicht allein das von Hamburg, sondern auch von Leipzig gehende Postpaket zu unterschiedlichen Malen in den fürstlich braunschweig-celleschen Landen aufgehalten und teils weggenommen worden, 1685–87, Loc. 10009/4. Protokolle im Geheimen Consilio zu Dresden, 1602–1714, Loc. 10053/6. Derer Herren Geheimen Räthe Bedencken, 1612–75, Loc. 10054/3. Berichte der Herren Geheimen Räte und Diener an Kurfürst Johann Georg I., 1615–55, Loc. 10054/2. Berichte der Herren Geheimen Räte und Diener an Kurfürst Johann Georg I., 1613–24, Loc. 10055/1. Protokolle und Konzepte zu Berichten und Bedenken über publique Affären, 1737, Loc. 10057/4. Königliche Reskripte, aus dem Geheimen Konsilium ergangen, welche nicht zu besonderen Akten gebracht worden, 1733–36, Loc. 10057/5. Berichte der Geheimen Räte in verschiedenen Angelegenheiten, 1737/38, Loc. 10057/6. Differenzen, so sich zwischen dem Herrn Kammerrat Dietrich von Werthern und dem Landrentmeister, Matthes Braun, ereignet und per Decretum Electoris beigelegt worden, 1651–52, Loc. 10060/12. Cantzley-Ordnungen, 1500–1683, Loc. 10061/1. Acta commissionis in Untersuchungssachen wieder Herr Carl Heinrichen Grafen von Hoymb, 1736, Loc. 10118/1. Markgraf Georg Friedrichs zu Brandenburg Schreiben an Kurfürst August zu Sachsen und Damian von Sebottendorf Relation hierbei, betreffend heimliches Gewerbe und gegen Hollfeld ausgeschriebener Rittertag des Adels in Franken, 1565, Loc. 10146/3. Reisen fürstlicher Personen, 1697–1728, Loc. 10289/2. Projekt an Kursachsen wegen Annehmung der katholischen Religion, 1620, Loc. 10331/6. Untersuchung wider den Herrn Postverwalter und Kaufmann Friedrich August Müller zu Frohburg wegen auf Hochverrat hinzielende Äußerungen und Handlungen und Verletzung des Briefgeheimnisses, 1852, Loc. 10401/5. Gesandtschaftskosten und andere Ausgaben, so aus der Obersteuereinnahme zu bezahlen verordnet worden, 1664–1708, Loc. 10472/8. Heimlicher Vorschlag, so des Königreichs Ungarn und Siebenbürgen halber von den Türken an beide Kurfürsten (Moritz und August) zu Sachsen gelangt, 1552–54, Loc. 10530/1. Schriften der Herzogin von Rochlitz an Herzog Johann Friedrichen, Kurfürsten, des Zwiespalts halben zwischen ihr und Herzog Georgen wegen eines Verdachts und Bezüchtigung, 1532–1534, Loc. 10548/6. Allerhand unbeantwortete Avisschreiben, Kundschaften und Zeitungen von Tangermünde, 1636/37, Loc. 10721/5. 10025 Geheimes Konsilium Das Königl. Preußischer Seiten unternommene harte Verfahren gegen den Legations-Secretarium von Wilhelmi und die deswegen von Ihrer Königl. Maj. in Pohlen verlangte Satisfaction wobey auch Ihrer Königl. Maj. in Preußen gesuchte Arestir- und Auslieferung eines, Nahmens Lehmann, 1718–1719, Loc. 4603/13. Die Wegnehmung und Untersuchung der bei dem arrestierten Offizier von Kottwitz und dem von Uchteritz angetroffenen Briefschaften, 1745, Loc. 4672/3.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Acta, Die Arretierung Johann Friedrich Hamanns und bey ihm gefundene Scripturen, nicht minder deßelben angeordnete Vernehmung betr., 1746, Loc. 5216/08. Acta commissionis die anbefohlene Arretierung Johann Friedrich Hamanns ingl. Die allgnädigst angeordnete Vernehmung desselben, 1746, Loc. 5216/09 Postsachen, wobei die Konfirmation des mit dem Reichspostamt aufgerichteten Rezesses, ingleichen die Ratifikation des wegen Kombination mit den kurbrandenburgischen Posten aufgerichteten Rezesses, ferner der zur Beilegung der bisherigen Postdifferenzen mit Preußen aufgerichtete Rezess und dessen Ratifikation, 1699–1718, Loc. 5380/10. Acta Die Untersuchung des bey dem Königl. Preußischen Residenten von Ammon, verübten Diebstahls betr. 1742, Loc. 5594. Der wegen heimlicher Anwerbung des Reuter Eberths vom königlich kurprinzlichen Kürassierregimente in Schafstädt arretierte königlich preußische Leutnant von Kalbe, 1754, Loc. 6149/1. Der wegen angeschuldigter nachteiliger Kundschafterei und auswärtiger Korrespondenz arretierte von Uchteritz, item der von Wolffersdorff und Rat zu Luckau, 1745, Loc. 6149/17. Der wider verschiedene Personen entstandene Verdacht, als ob sie sich von der kaiserlich königlichen Armee zu Kundschaftern gebrauchen lassen, ingleichen von der kaiserlich französischen Armee, ingleichen von der königlich preußischen Armee, 1778–1813, Loc. 6432/13. Die Einsiegelung und Verwahrung der Schlüssel sowohl zum Geheimen Ratszimmer als zur Geheimen Kanzlei und Archiv, 1756–59, Loc. 6482/4. Die von dem Oberpostamt zu Leipzig von dem preußischen Postmeister Marcus verlangte Kommunikation gewisser Postkarten, Karten, sat was sonst in Postsachen vorgegangen, 1757–60, Loc. 6484/45. Die von einem Kommando der Reichsexekutionsarmee geschehene Arretierung des Postmeisters zu Rippach Dietrich Heinrich Gottschaldts, 1760, Loc. 6491/30. Acta die Bestellung derer Geheimen Assistenz-Räthe, und Geheimen Cabinets-Secretariorum auch geheimer Sekretariorum betr., 1716–1815, Loc. 9673/11. 10026 Geheimes Kabinett Militärdepartement, Vorträge an den König und Befehle wegen Spionage, 1808–12, Nr. 121. Des Capitains und Ober-Kriegskommissars Hauptmann hinterlassene Schriften, 1704–33, Loc. 384/1. Einige Billets und Briefe von dem französischen Minister Monseigneur du Heron und anderen Personen an den Obersten Kanzler Graf von Beichlingen, ingl. verschiedene interzipierte Briefe von Comte de Guiscard, 1697, Loc. 390/6. Des Cabinet-Minister Hn. Gr. von Brühl mit dem Cabinet-Minister hn. Gr. von Manteuffel geführte Correspondenz, 1739, Loc. 456/7. Correspondenz des Premierministrs Grafen Brühl, nach dem Alphabet geordnet: S, 1736, Loc. 459/6. Des Hrn. Cab. Ministres Gr. von Brühl mit dem Geh. Kriegs-Rath Simonis geführte Correspondenz, 1738, Loc. 459/8. Correspondenz des Premierministers Grafen Brühl, nach dem Alphabet geordnet: S, 1736, Loc. 460/2. Die Einrichtung der von Mackfail de Bischopsfield im Jahre 1747 in Vorschlag gebrachte Tontine sowie das Engagement zu Bezahlung der Gelder von einigen Personen in Haag und Amsterdam, 1748, Loc. 530/3. Johann Heinrich Maubert de Gouvest, welcher auf dem Königstein gesessen (1747), schriftstellerische Tätigkeit, Lebensbeschreibung, 1757–67, Loc. 589/53.

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Anhang

Chiffre für die Niederlande, 1721, Loc. 663/1. Bevollmächtigung und Instruction des Grafen von Wackerbarth zu Verhandlungen über die Vermählung der Prinzessin Marie Amalie mit dem König Karl von Sicilien, und zur Begleitung der künftigen Königin von Sicilien und des Kl. Poln. Kronprinzen nach Italien , Befehle und Briefe des Königs und der Königin an denselben und seine Berichte aus Italien, 1738, Loc. 666/10. Societé de la Table ronde bei Hof, 1728, Loc. 668/5. Des Generalfeldmarschalls Herrn Graf von Flemming mit dem Kabinettsminister Herrn Graf von Hoym zu Paris gehabte Korrespondenz, 1725–28, Loc. 691/1. Des Generalfeldmarschalls Herrn Graf von Flemming mit dem königlich preußischen Etatsministers, Herrn Baron von Ilgen, gehabte Korrespondenz, 1700, Loc. 691/6. Des Gen.-Feld-Marschalls Hrn. Gr. von Flemming gehabte Correspondenz mit Labon, Leddin, Ledachowski, Lehmann, Leib, 1717–28, Loc. 692/7. Des Gen. Feld-Marschalls Hrn. Gr. von Flemming gehabte Correspondenz mit Pfalz, Pfeiffer, Pfersdorff, Pfingsten, Pflug, Pflügin, 1706–27, Loc. 699/3. Des Generalfeldmarschalls Herrn Graf von Flemming mit dem Legationssekretär Baron Puchet in Rom gehabte Korrespondenz, 1721–26, Loc. 701/4. Des Generalfeldmarschalls Herrn Graf von Flemming mit dem Geheimen Kriegsrat de la Sarraz gehabte Korrespondenz, 1720, Loc. 703/9. Der Gen. Feld-Marschalls Herrn Grafen von Flemming mit dem Geheimen Kriegsrath de la Sarraz gehabte Correspondenz 1722–28, Loc. 704/2. Des Generalfeldmarschalls Herrn Graf von Flemming mit dem Geheimen Kriegsrat von Suhm zu Berlin gehabte Korrespondenz, 1722, Loc. 708/5. Des General-Majors von Wackerbart Correspondenz mit dem Geheimen Rath Grafen von Flemming während des erstern seiner Beschickung am Kayserl. Hof, 1708–1711, Loc. 711/8. Des Generalfeldmarschalls Herrn Graf von Flemming mit dem Kabinettsminister und General Herrn Graf von Wackerbarth gehabte Korrespondenz, 1715, Loc. 712/5. Des General-Feld-Marschalls Hrn. Gr. von Flemming mit dem Cabinets-Ministre und General Hrn. Gr. von Wackerbart geführte Correspondenz, 1716, Loc. 712/6. Des Gen. Feld-Marschalls Hrn. Gr. von Flemming mit der Frau Gräfin von Wackerbarth geführte Correspondenz, 1706–18, Loc. 714/1. Correspondance secrete du Comte de Bruhl avec le Comte de Wackerbarth, 1738–40, Loc. 722/8. Briefe des Grafen von Flemming an den Agenten Puchet zu Rom, 1716–24, Loc. 744/6. Die Vermählung der Königl. Printzeßin, Frauen Mariae Amaliae Hoheit, miit des Königes beyder Sicilien, Don Carlos, Majt. und den dieserhalb geschloßenen solennen Heyraths-Contract betr., 1738–39, Loc. 783/2. Pieces secretes concernant les soupcons d’infidelité qu’on a eû a Varsovie contre une personne du Cabinet du Roi, 1758, Loc. 784/3. Acta die von dem Grafen von Brühl zu Warschau mti dem geheimen Registrator Klinger zu Prag bezügl., Loc. 785/4. Die Vermählung der königl. Prinzeßin Fr. Mariae Josephae Hoheit mit der Dauphinns von Franckreich Maréchal de France, Gf. von Sachsen an den frantzösischen Hof vorläufig negotiiret worden, 1746–47, Loc. 789/1. Die Vermählung des Prinzen Anton zu Sachsen Durchl. mit der Prinzessin Marie Charlotte Antonie von Sardinien Königl. Hoheit bel. Vol. V, 1781–1792, Loc. 793/8. Die anno 1720 in Leipzig geschehene Arrestirung des merseburgischen Geheimen Raths von Brand betr., 1720–31, Loc. 820/7.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Das Geheime Cabinets-Ministerium, und Die an daßelbe ertheilte Reglements und Anordnungen betr. 1727–1728, Loc. 937/7. Verpflichtungen und Eides Formula bei der Geh. Cabinets Canzlei, 1733–63, Loc. 941/2. Der, in des sich selbst entleibten Grafens von Hoym Untersuchungssache, auch wegen der während seines Arrests heimlich geführten Korrespondenz mit implizierten Personenvernehmung und erfolgte Bestrafung, 1736–37, Loc. 957/4. Verschiedene Briefe von den Jahren 1758 ff. 1760 gehörig zu der Bittschrifft der verwittibeten Cammer-Assistenzraetin Hermann sub No. 102 ao 1803 und zum Vortrage am 18. Juny 1803, 1759, Loc. 959/8. Allerhand von und an Geh. Rat Frh. von Imhoff abgelassene Briefe, Geheimen Referendarn Pfingsten Briefe, 1705–1707, Loc. 972/7. Acta, Privat-Schreiben an den geheimen Referendar Pfingsten betr., 1700–1707, Loc. 973/3. Kriegskassen-Sachen, 1735–36, Loc. 996/2. Ver- und unversiegelte Briefe des auf der Festung Königstein detiniert gewesenen Freiherrn von Linsingen an verschiedene Personen, 1785–1805, Loc. 1389/8. Den auf der Festung Königstein arretierten von Holtzbrinck und dessen Sekretär Schuster, 1701, Loc. 1390/1. Acta Inquisitionis contra Andreas Schustern Holtzbringischen Secretarium und Consorten wegen geführter ungeziehmender und gefährl. Correspondence, 1702, Loc. 1390/3. Die Aufsuchung des bekannten Huguetans, 1709–12, Loc. 1390/7. Die anbefohlene Untersuchung wider die Gräfin von Schlangen und den Portugiesen Almeyda wegen gewisser Schlüsselabdrücke zu den königlichen Gemächern auf Anstiften der Gräfin von Dönhoff, 1719, Loc. 1390/11. Die Arretierung und Extradierung einer gewissen Person in Breslau, Valvasor auch sonst Lemberg genannt, sowie des Denunziationen wegen eines Attentat gegen den Prinz von Wales, 1714–17, Loc. 1392/1. Den arretierten Chevremont und Dr. Douzeaidans betr., 1731/32, Loc. 1392/4. Den zu Weimar bestrickten holländischen Obristen von Tottleben, 1750, Loc. 1392/5. Den in Danzig arretierten und von da nach Sonnenstein gebrachten Capitaine Trützschler, Loc 1393/3. Die wider Alexander Mackphail de Bishopsfield, den Sekretarium Seyfert und übrige Komplizen angeordnete Untersuchung, 1746–49, Loc. 1393/4. Acta Commissionis in Untersuchungssachen wider Alexander Mackphail de Bishopsfield, den Sekretär Georg Gottlob Seyfert, den Akziseinspektor Christoph Gebauer, Johann Georg Kaulfuß, den Oberkriegskommissar Christian Schüßler, den Kriegsrat Chrsitian Ludwig Liscow, den Kreissteuereinnehmer Matthaus Boden, Christoph Heinrich Mauckisch, Hans Philipp Schlichting, den Oberpostkommissar Gottlieb Morgenstein, 1749, Loc. 1394/1. Acta Commissionis in Untersuchungssachen wier den Geheimen Kriegsrat August Siegmund von Zeutzsch, General-Oberkriegskommissar Christian Schüßler, den Sekretär Georg Gottlob Seyfers, Alexander Mackphail de Bishopsfield, den Herrn Kammerherrn Carl Metzsch, den Herrn Land-Kammerrat Carl Friedrich von Beust, 1749, Loc. 1394/2. Des Hofrath von Siepmann hinterlaßene Papiere (Correspondenzen desselben), 1730–60, Loc. 1399/1. Des Hofrath von Siepmann hinterlaßene Papiere (Conv. II), 1750–66, Loc. 1399/2. Den Hofrath von Siepmann betr., 1750 ff., Loc. 1399/3. Acta Den Hofrath von Siepmann betr., 1750, Loc. 1399/4. Acta, Die gegen des geheimen Kabinettskanzlisten Friedrich Wilhelm Menzel sowie gegen den Goldschmiedegesellen Johann Benjamin Erfurth wegen seit dem Jahr 1752 an die königlich

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Anhang

preußische Gesandtschaft aus der Geheimen Kabinettskanzlei und sonst insgeheim kommunizierten Nachrichten im Jahr 1757 anhängig gewesenen Untersuchung, 1757–60, Loc. 1406/5. Der auf der Bergfestung Königstein unter dem Namen Variani detinierte Christian Friedrich Hertzer, 1767 ff., Loc. 1406/7. Acta Commissionis, die gnädigst anbefohlene summarische Vernehmung des auf der Festung Königstein unter dem Namen Variani detinierten Christian Friedrich Hertzer betr., 1770, Loc. 1406/8. Acta Inquisitionalia in pto Berüchtigter Landes Verräthrey und getriebener Spionerie Inquisiten Christian Friedrich Hertzern betr., 1760, Loc. 1406/9. Acta die Inventur desjenigen Cofferers, welcher den als Espion aus Sachßen nach Würtzburg eingelieferten, an die königl. Frantzösische Armée aber extradirten Arrestanten Christian Friedrich Hertzern zugehörig, bey dem sächsischen Depot zu Würtzburg einige Zeit in Verwahrung aufbehalten, und von dar an den frantzösischen G. General-Leutnant Mr. des Salles nach Franckfurth am Mayn verabfolget worden, anoch was deme mehr anhängig betr., 1761, Loc. 1406/10. Den Spion Hertzer betr., 1767, Loc. 1406/11. Die Gesandtschaffts-Spesen betr., 16,98–1710, Loc. 1446/1. Gesandtschaftskasse, 1735–39, Loc. 1447/10. Das Bedürfnis zur Unterhaltung gewisser Emissäre, 1718/19, Loc. 1453/2. Briefwechsel König Augusts II. von Polen mit Feldmarschall Grafen J. H. v. Flemming, 1701–23, Loc. 2090/35. Briefwechsel des Königs August II. von Polen mit Jacob Heinrich Graf von Flemming, 1715–1728, Loc. 2090/36. Briefwechsel König Augusts  II. von Polen mit Georg Ernst von Pfingsten, 1706, 1708–1730, Loc. 2092/114. Entwurf eines Chiffres durch König August II. von Polen, Loc. 2097/45. Polnische Briefschaften aus dem 18. Jahrhundert, Chiffreschreiben, 1763/64, Loc. 2101/86. Ermordung es schwedischen Offiziers Sinclair, 1739, Loc. 2248/16. Instructions et Chiffres pour Mr. le Cte. de Bruhl Loc. 2684/8. Lettres intercepteés des Ministres de France à Dresde, 1748, Loc. 2728/12. Des General-Lieutenants und Cammerherrn Grafen von Bellegarde Abschickung an den Königl: Franzößischen Hof und dessen daselbst geführte Negotiation, Vol. I, Jan.-Juli 1754, Loc. 2740/5. Graf von Sackens an von Essen chiffriertes Schreiben, 1773, Loc. 2814/12. Des Königes beyder Sicilien, Don Carlos, vorseyende Vermählung betr., 1737, Loc. 2829/2. Correspondenz namentlich an den Pater Guarini, hauptsächlich was die Vermählung der Prinzessin Maria Amalia mit dem König Karl beider Sizilien bezüglich, 1737–38, Loc. 2830/2. Wienerische Intercepta, 1750, Loc. 2888/1. Die zur Erörterung und Beilegung der Kommerzienirrungen mit Preußen in Halle zu haltenden Konferenzen, ingleichen die mit gezogenen brandenburgischen und schlesischen Postdifferenzen, 1756, Loc. 2966/2. Negociation des Preuß Gen.lt. von Grumkow zu Dresden, 1729, Loc. 2969/9. Preußische Residentens Ammon übergebene Beschwerden und ihm darauf ertheilte Resolutionen, 1738–44, Loc. 2971/3. Relations en chiffre du Ministre de Prusse, 1748, Loc. 2974/9. Die von dem Königl. Preußischen Ministerio, wegen eines vermeintlich-formierten Desseins gegen den in Königsberg sich aufhaltenden Gr. Stanislaum Leszinski und seine Anhänger, bei denen Römisch- und Rußisch Kayserl. auch Königl. Pohl. Ministris zu Berlin mit angehängten Drohungen beschehene Declarationes, wie auch des zu Warschau befindlichen Preußischen Residentens Hoffmanns geführte bedrohliche Discourse betr., 1735, Loc. 2984/5.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Die Abschickung des Geheimen Kriegs-Raths von Bülow an den Königl: Preußischen Hof und deßen Negotiationen daselbst betr., 1732–1733, Loc. 2991/5. Des Conferenz-Ministre von Bülow an den Königl. Preußischen Hof zu Berlinund in Schlesien geführte Negociation, Vol. I, 1740–1741, Loc. 2995/2. Des Accis-Raths und Resident Siepmanns an den Königl. Preuß. Hof erstattete Relationes, 1740, Loc. 2999/1. Die gegen den k. Residenten v. Siepmann zu Berlin anhängig gewesene Untersuchung, 1740, Loc. 2999/9. Acta, die Akkreditierung der Churfürstl. Gesandschaft zu St. Petersburg betr., Vol. I, 1746–1804, Loc. 3021/1. Des Geheimen Kriegs-Raths, Grafens von Bolza Verschickung an den Königl. Spanischen Hof betr., 1738–1742 Loc. 3107/8. Verschiedene Chiffren 1717–36, Loc. 3233/1. Correspondence du Roi de Pol. et du Comte de Manteuffel avec S. M. le Roi de Prusse, 1729, Loc. 3058/1. Gräffl. Flemmingische Chiffres, undat., Loc. 3233/2. Chiffres, 1715–55, Loc. 3233/4. Verschiedene Chiffres, 1750, Loc. 3233/5. Verschiedene Chiffres, Loc. 3233/6. Verschieden Chiffres, 1760 ff., Loc. 3233/7. Verschiedene Chiffres 1740, Loc. 3234/1. Chiffres, so bey dem verstorbenen Gln. Legations-Rath Saul, in einer Brief-Tasche vorgefunden worden, 1740, Loc. 3234/2. Chiffren de S. Exc. Mgr. le C. de Flemming, undat., Loc. 3234/5. Chiffren, 1720–1760, Loc. 3234/6. Chiffren, Loc. 3234/7. Briefe verschiedenen Inhalts von verschiedenen Personen an den Staatsminister Grafen Brühl, 1733–63, Loc. 3241/1. Intercepta Varia (Abschriften), 1750, 1758–69, Loc. 3242/3. Des Generalmajor Riedesel, Freihern zu Eisenbach, von der russischen Armee erstattete Berichte, Juli 1759, Loc. 3260/3; 1760: Loc. 3260/4; 1761: Loc. 3260/5; 1762: Loc. 3260/6. Rapports des Generalmajors von Riedesel, 1759–1761, Loc. 3264/6. Oberpostmeister Naumanns Relationen, 1761, Loc. 3265/20. Correspondenz des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preussen mit S. M. dem König von Polen und den Grafen von Manteuffel und von Wackerbart, 1728–32, Loc. 3281/2. Correspondence du Feldmar. Cte. de Fleming avec quelques Dames de la Cour de Vienne à l’occasion du mariage de l’Archiduchesse Marie Josephe avec le Pr. Royal, 1719, Loc. 3301/2. Vermischte Papiere des Grafen von Flemming, des Königs August II. Äußerungen über seinen Glauben, und sonst die Religionsverhältnisse betr., 1709 f., Loc. 3309/9. Geheime Commission Acta die Ermordung des königl. Schwedischen Offiziers Sinclair betr., 1739, Loc. 3348/16. Correspondance du Comte de Wackerbarth avec S. E. Msg. le comte de Manteuffel à Berlin, 1732, Loc. 3381/3. Rescripte und Relationes vom Minister von Bülow und Resident Siepmann zu Berlin, 1741, Loc. 3388/9. Rescripte des Geheimen Consilii an Herrn von Siepmann zu Berlin, 1742, Loc. 3389/3.

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Anhang

Fünf Rescripte des Geheimen Consilii an den Herrn von Siepmann zu Berlin vom Jahre 1745 und Relationes des Herrn von Siepmann an das Geheime Consilium (von No. 1 den 1. Januar bis No. 18 den 8. May), 1745, Loc. 3389/9. Rescripte an den Residenten Siepmann zu Berlin, Loc. 1743, 3390/2. Concepte zu Briefen des Grafen von Wackerbart meist an Cardinäle und andere Geistliche und dechiffrierte Briefe in italienischer Sprache. Vol. 2, 1735, Loc. 3422/14. Freundschaftliche Correspondenz des Grafen von Wackerbart mit dem Generalleutnant und dem Hauptmann von Grumbkow zu Berlin, 1726–33, Loc. 3423/5. Correspondence du Comte de Wackerbarth avec S. E. Msr. le Comte de Manteuffel de l’année 1726, 1726–27, Loc. 3424/6. Correspondence du Comte de Wackerbart avec le Roi, 1729–32, Loc. 3425/10. Beylagen zu des Herrn Cabinets-Ministri Grafens von Lüzelburg und Herrn Geh. Raths, Freyherrn von Zech Instruction, Loc. 3426/5. Dechiffrirte Briefe meist aus der Zeit des 7jährigen Krieges, unter anderen vom Feldwachmeister de Vela an den sächs. Churprinzen, 1758/59, Loc. 3447/28. Hartmann de Pistoris, seine Angelegenheiten mit dem König Stanislaus und seine Verhaftung zu Kassel betr., 1729–31, Loc. 3497/12. Papiers touchant l’arret du Colonel Blendowski concernant les affaires en Podolie 1713. Lettres intercepteés, où il y en a du general de Cosaques Orlik, 1713, Loc. 3516/4. Den auf die Festung Königstein gebrachten de Part, sonst Buczynski genannt, 1723–26, Loc. 3517/3. Lettre en Cour interceptées du 6. 8bre 1733 en Pologne, 1733, Loc. 3579/6. Briefe des kgl. Hauses. Eigenhändiger Briefwechsel des Königs August  III. mit dem Premierminister Graf Brühl, o. J., Loc. 3583/1. Briefe des Ministers Grafen von Brühl an Simonis, 1736–37, Loc. 3586/6. Umschläge aufgelöste Faszikel aus Loc. 3596, Correspondance secrete du Grand Chancelier de la Couronne, Malachowski avec S. E. le Prem. Ministre sur les affaires de la Pologne, 1756. Item avec le Sr. D’ Aloy, Loc. 3596. Correspondenz des Kriegsraths Simonis mit dem Minister Grafen Brühl, 1736 ff., Loc. 3596/1. Danziger Interzepte, Abschriften aufgefangener Korrespondenzen aus Danzig, 1752, Loc. 3656/1. Verschiedenes in Betreff der polnischen Königswahl, des nordischen Kriegs und gleichzeitiger polnischer Angelegenheiten. Aus den Papieren des Grafen von Flemming, u. a. Berichte polnischer Spione und Banden, 1702–1727, Loc. 3687/11. Geheimbte Kriegsanschlege Churfürsten Augusten zu Sachssen etc. Durch Veit Wolffen von Senfftennberg Zeugmeistern zu Dantzig übergeben, 1564, Loc. 9126/5. Acta, die Requisitionen fremder Höfe und ihrer Gesandtschaften um Verhaftung und Auslieferung verdächtiger und angeschuldigter Personen, 1804–61, Loc. 30083/7. Acta inquisitionis, in puncto Propalationis Arcanorum Elecotoralium, Observierung des Secreti beim Reichskonvent (betr. Geheimhaltung beim Reichstag zu Regensburg), 1698–1714, Loc. 30107/5. Briefe des Königlichen Hauses. Briefe an den Churprinzen Friedrich Christian, nachherigen Churfürsten, von dem Grafen Heinrich von Brühl, 1734–58, Loc. 30539/3. 10036 Geheimes Finanzarchiv Auflösung des Geheimen Kriegsratskollegiums und der Landeskommission, Einrichtung einer Kriegsverwaltungskammer, deren Personal, Bestimmung ihres Verhältnisses zum Geheimen Finanzkollegium bezüglich der diesem unterstehenden Generalkriegskasse, 1814, Loc. 32642, Rep. 52, Gen., Nr. 0422.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Forderungen der Postmeister in Freiberg, Chemnitz, Zwickau, Reichenbach, Plauen und Gera nach Stafetten-Rittgebühren sowie die von böhmischer Seite beabsichtigte Einsetzung eines Postbestellers in Joachimsthal und einer Post nach Karlsbad, 1752, Loc. 35507, Rep. 31, Lit. C, Nr. 0014. Erneuerung des Vertrages mit Hessen-Kassel über die von Leipzig nach Amsterdam führende fahrende holländische Postroute, 1712–73, Loc. 35507, Rep. 31, Lit. C, Nr. 0019. Die nach Hannover und Holland gehende auf eine andere Route zu verlegende ordinaire Post, ingl. die Nordhäuser Post-Expedition, und die wegen der mit selbiger vorgenommenen Veränderungen von dem Reichs-General-Erb-Postmeister Fürsten von Taxis geführte Beschwerden, und was dem anhängig, betr., 1745, Loc. 35562, Rep. XXXI, Nr. 16. Veränderungen in Postangelegenheiten durch das preußische Generalfeldkriegsdirektorium in Torgau, 1756–57, Loc. 35631, Rep 31, Lit. P, Nr. 54. Ankauf des Gerv’schen Hauses in Dresden-Neustadt für das Geheime Kriegsratskollegium mit allen dazu gehörigen Expeditionen und Befehl zum Transport der entsprechenden Akten und Schriften dorthin, Loc. 37291, Rep. 22, Dresden, Nr. 0201. Vernichtung von Rechnungen, Manualen und Akten beim Brand des Geleitshauses während des großen Brandes der Stadt Großenhain, 1744, Loc 39900, Rep. 15, Hain, Nr. 0044. 10047 Amt Dresden Untersuchung gegen den auf der Festung Königstein inhaftierten Kammerherrn Christian Heinrich Graf von Watzdorf wegen ungebührlicher Äußerungen in einer Forderung nach Haftentlassung und weiteren Schreiben, 1735, Nr. 3395. Acta commissionis contra den fremden Probierer Johann Heinrich Otto, aus Zellerfeld am Harz wegen beabsichtigten Erzdiebstahls und Spionage von Produktionsmethoden, 1771, Nr. 4199. Untersuchung gegen Christian Gotthelf Dietrich aus Waldheim als ehemaliges Mitglied des Freikorps des Herzogs Wilhelm von Braunschweig-Öls wegen Spionage und Verbreitung aufrührerischer Schriften, 1809–13, Nr. 4859. 10052 Amt Grillenburg Acta, die allergnäd. anbefohle Untersuchung der von der Bürgerschafft zu Tharandt unternommenen Arrestirung und Wieder-Auslieferung des bey der Preußischen Invasion in die Gefangenschafft geführt werden wollenden, daraus aber gleich anfangs glücklich entkommenen Land-Soldatens Gottlob Geyers aus Reichstädt, 1747, Nr. 706. 10079 Landesregierung Oberpostkommissar Johann Christoph Jacobi contra den Hofkommissar Marcus Eckolt, 1729, Loc. 25192. Besetzung der Secretarien-Stellen, Registratoren, Copisten, Experanten, 1597–1648, Loc. 30436. Canzley-Acta, Die Secretarien betr., 1693–1761, Loc. 30669. 10730 Sächsische Gesandtschaft Österreich in Wien Anordnungen, Instruktionen, Vorschriften, Passvorschriften, Schemata, Formalia, Chiffren u. a., 1819–1890 ff., Nr. 81.

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Anhang

10980 Oberpostamt Leipzig Extrakte zur Konferenz mit Preußen wegen Postsachen, 1711–16, Nr. 43. Rezesse und Vereinbarungen über die Postverbindungen zwischen Kursachsen und Kurbrandenburg, 1699–1801, Nr. 67. Rezesse und Vereinbarungen über Postverbindungen zwischen Kursachsen und den kaiserlichenn Postämtern, 1692–1799, Loc. 69. Postverhandlungen mit Preußen, 1728–38, Nr. 95. 11023 Appellationsgericht Dresden Karl Heinrich, Dresden, gegen Auguste Charlotte von Kielmannsegge, geb. von Schönberg, Dresden, wegen Anerkennung Karl Heinrichs als leiblichen Sohn, 1841–47, Nr. 1349. Nachlass von Auguste Charlotte verw. Gräfin von Kielmannsegge, Plauen bei Dresden, 1863, Nr. 1459. 11045 Amtsgericht Dresden Nachlass von Auguste Charlotte verw. Gräfin von Kielmannsegge, Plauen bei Dresden, 1863, Nr. 739. 11237 Geheimes Kriegsratskollegium Acta die im Jahr 1634. beschehene Errichtung einer Kriegs-Canzley sowie die im Jahre 1684. darauf erfolgte Bestellung eines besondern Geheimen Kriegs Raths Collegii samt was dem anhängig betr., 1634–1721, Nr. 792. Cantzley-Acten und Nachrichten die inre Verfaßung und Einrichtung der Geheimen Kriegs-Cantzley betr., 1707–1740, Nr. 795. Acta die Verlegung des Geheimen Kriegs-Rats-Collegii und der Geheimen Kriegs-Canzley aus dem Canzley-Hause zu Neustadt in das Canzley-Hauß in der Residenz am Schloße betr., 1788, Nr. 807. Dienstvorschriften, Nr. 820. Konvolut Schreiben von Ämtern, Städte, Grundherren, Militärs etc. vor allem wegen Kriegslasten und Kriegsschäden, 1643, Loc. 10766/2. Verhör des in Leitmeritz gefangen genommenen kaiserlichen Kundschafters Martin Haugschaar, 1632, Loc. 10796/14. Geld-Kriegs-Cassirers Extracte, 1695–97, Loc. 10822/19. Interzeptierte Briefe des von dem Stadtkommandanten von Halle nach Pirna und Bautzen an den schwedischen Feldmarschall Johan Banér gesandten Boten Andreas Genter, 1639, Loc. 10837/5. Interzepierte Briefe, eingebracht vom Rittmeister Ludolf am 26. November 1642, vom Obristen Gruppach am 30. September 1643 und vom Wachtmeister Boeneburg am 18. Mai 1645 sowie in den Jahren 1644 und 1645 eingekommene Briefe, 1642–45, Loc. 10837/7. Kriegs-Ausgaben, 1633–1639, Loc. 10838/19. Unterschiedene Einnahmen und Ausgaben zum Kriegswesen, von dem Geheimen CammerDiener Johann Uhlemann aufgesetzt und gehalten, 1621–1631, Loc. 10838/26. Allerhand aufgefangene Briefe von Praag, im Monat Jun. et Jul. 1634, ingleichen des Raths zu Freyberg Bericht wegen eines gefangenen Jungens Spions vom 14. Oct. 1634, Loc. 10839/39.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Schreiben des Grafen Johann Tserclaes von Tilly und anderer an den kaiserlichen Kriegsrat Johann von Aldringen, 1625–28, Loc. 10842/5. Rapports von dem Cassencopist Klingemann, von Posen nach Dreßden ingl. dessen CassenExtracte, 1735–36, Loc. 10862/6. Sachen des wegen seiner Verbindung zu Stanislaus Leszinski arrestierten Capitaine von Löwenburg und wieder Lohslaßung vom Königstein betr., 1724/25, Loc. 10922/1. 11240 Spezialreskripte des Geheimen Kriegsratskollegiums und der Kriegsverwaltungskammer Register Teil 1 (1636–1708) Spezialreskripte, Nr. 1 11254 Gouvernement Dresden Defension des Kurfürstentums Sachsen gegen eine feindliche Invasion. Instruktiones. Verschiedene Schreiben hoher Generale, 1701–05, Nr. 1. Schriften, den gegenwärtig arretierten Geheimen Rat von Eckhardt betr., 1708/09, Nr. 521. Acta den Arrest des fürstl. Sachßen Merseburgischen Geheimbden Raths von Brand, 1715, Nr. 522. Tagebuch über das Betragen des ehemaligen Gouvernementsadjutanten August de L’ Estocq, 1771/72, Nr. 564. Correspondenz mitt dem Herrn General Lieutnant Graffen von Castell, unter Commandanten zu Dreßden währender Zeit daß S. Excell. Der H. General Feldmarschall Graff von Wackerbarth sich in Pohlen befunden. 1733–34, Loc. 14503/9. Den arest einer unbenanten Persohn, so der Accis Rath Siepmann arretieren laßen, 1738, Loc. 14507/15. Arrest des Christoph Ferdinand von Loewenburg, 1724–25, Loc. 14512/6. Acta den wegen getriebenen Spionierends auf die Bergfestung Königstein gebrachten verdächtigen Mann Nahmens Johann Gottlob Fischer betr., 1778/79, Loc. 14515/5. Arrest des Geheimen Kriegsrats Georg Hermann von Holtzbringk auf der Festung Königstein, 1701–07, Loc. 14516/19. Schwed. Capitain Nagels Arrest, 1715, Loc. 14516/25. Mehrfaches Entfernen des Obristen Auguste de L’ Estocq von den ihm zugewiesenen Aufenthaltsorten und dessen Arrest auf der Festung Königstein (Faszikel), 1774–82, Loc. 14603/33. Fascicaul , den Arrest des sogenannten königl. preuß. Sous-Directeurs von der Clevischen Lotterie und Beysitzer der dasigen Landescommission Christian Friedrich Hertzer auf die Festung Königstein betr., ingl. des daselbst detinirten Secretaire Hüblers, 1767–72, Loc. 14606/15. Acta den aus Pohlen anhero und nach der Vestung Sonnenstein in Verwahrung gebrachten Arrestanten Johann Daniel v. Trützschler betr. Arrestat Trützschlers Absterben und Begräbnüß und Verlaßenschafft 1741, 1735–41, Loc. 14607/3. Fasciculus den aus Pohlen gefänglich anhero und nach Sonnenstein in Verwahrung gebrachten Starosta von Copaniec Poninsky, 1734/35, Loc. 14607/5. Arrestirung des Herrn Geheimbten Rath von Imhofens und Geheimbten Referendario von Pfingsten Lettre, desgl. waß an den Hern Geh. Rath von Eckhardt abgangen und zuruckkommen, 1707, Loc. 14609/1. Enthebung des Obersts Auguste de L’ Estocq von seiner Funktion als Gouvernementsadjutant wegen dessen Betragens gegenüber dem Gouverneur Heinrich Christoph Graf von Baudissin und dessen Arrest auf der Festung Königstein, 1771–74, Loc. 14609/5.

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Anhang

Korrespondenz des Obersts Auguste de L’ Estocq während seines Arrests auf der Festung Königstein, 1771/72, Loc. 14609/6. Korrespondenz des Obersts Auguste de L’ Estocq während seines Arrests auf der Festung Königstein, 1772, Loc. 14609/7. Arrest des Obersts Auguste de L’ Estocq auf der Festung Königstein, 1771/72, Loc. 14610/1. Arrest des Obersts Auguste de L’ Estocq auf der Festung Königstein, 1782–85, Loc. 14610/8. Vestung Sonnensteinische Arrestanten betr., 1707, Loc. 14610/15. Acta continuata, die zur Correction auf die Vestung Königstein gebrachte und resp. zu Garnison Diensten angehaltene Persohnen und deren Entlaßung, 1731–48, Loc. 14611/12. Berichte des Hauptmanns Holm von einer Kundschaftsreise nach Schlesien, 1709, Loc. 14612/10. Kundschaftsreise des Hauptmanns Johann Gottfried Thomas von Lublin über Krakau, Breslau und Glogau nach Dresden während des Großen Nordischen Krieges, 1709, Loc. 14612/22. Ordres und Berichte von dem Hrn. General Lieutenant Grafen von Unruh während seines Interims Commando über das Gouvernement zu Dreßden in allerhand Defension Veranstaltungen und andern Königl. Gouvernements-Angelegenheiten betr., 1745, Loc. 14614/15. 11269 Hauptzeughaus Feldzug in Böhmen, 1632, Nr. 356. 12803 Personennachlass Dr. phil. Elisabeth Werl (1898–1983) Dissertationshandschrift, Bd. 3, Nr. 4. Dissertationshandschrift, Bd. 4, Nr. 5. Aktenabschriften aus dem Staatsarchiv Marburg, Nr. 17. Aus dem Briefwechsel Elisabeths. Aktenabschriften aus dem Staatsarchiv Weimar (1517–1553), Nr. 22. Quellenverzeichnis zu Herzogin Elisabeth: Kartei der einzelnen Schriftstücke (alle Quellen). Kasten 1: 1502–1546, Nr. 34. Quellenverzeichnis zu Herzogin Elisabeth: Kartei der einzelnen Schriftstücke (alle Quellen). Kasten 2: 1547–1558 (-64) sowie über einzelne Sachgebiete (Rezepte, Rechnungen, Quittungen, Verträge, Ämter), Nr. 35. 12827 Personennachlass Adam Friedrich von Watzdorf (1713–1781) Brief Watzdorfs an eine Geliebte vom 24. November 1756, Nr. 19. 12883 Mandate Aufforderung zur Befolgung und Publikation des Mandats Kurfürst Friedrich Auguts II. von Sachsen über Bestrafung von Misshandlungen anhand des Beispiels von George Gottlob Seyffert, 1750, Nr. 3671. 13540 Materialien zur älteren Landes- und Ortsgeschichte Sachsens Ranis, Heinrich Christoph: Ars-Dezifferatoria oder Deziffer-Kunst, sowohl Brieffe, die auf eine natürl. als auch gekünstelte Art mit Characteribus geschrieben worden, ohne ihren Schlüßel zu laßen, aus deut. und unumstößlichen Gründen auf eine sollide Art erwießen und gezeuget, undat., Nr. 51.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) I. HA, Geheimer Rat, Rep. 9 Allgemeine Verwaltung Die Anfertigung der Chiffres zur Führung der politischen Correspondenz mit den königl. Gesandten. Int. Patent als Compositeur der Chiffres für den Hr. Rath Dubois, 1720–1801, L 8b, fasc. 1b. Chiffres, 1744–45, L 8 b, fasc. 2. Geheime Kanzlisten, 1688–1713, L 9, fasc. 3. Geschäftsgang der Geheimen Kanzlei, 1721–53, L 12, fasc. 2. Erfindung einer neuen Geheim-Schreib-kunst durch den Prediger Stilke in Ruhlsdorf, 1802, L 12, fasc. 16. Denuntiationen des ehemaligen Auditeurs Schreiber wider den Sekretär des Residenten in Warschau Hoffmann namens Rohde, 1738, Z E 1, fasc. 5. Angelegenheiten preußischer Vertreter im Ausland, 1770–1810, Z, L fasc. 6. Spezifikation der an die Gesandten am polnischen Hof in Warschau von Kunheim, Graf von Schwerin u. Hoffmann ergangenen Reskripte und der von diesen erstattete Relationen, 1718, Z L, fasc. 34. I. HA, Geheimer Rat, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Akten Postsachen im römischen Reich, Reichspostsachen, 1725–42, Nr. 8161. Acta betr. Postsachen, 1745, Nr. 8211. Die von dem Residenten Avenarius zu Mühlhausen gemachten Vorschläge betr. Expedierung der nach München bestimmten Stafetten und Courire von Ellrich über Mühlhausen-Gotha, ohne das kursächsische Territorium zu berühren, 1745, Nr. 8212. Postsachen, 1782–85, Nr. 8266. Wegen des sächsischen zwischen Leipzig und Dresden vorgefallenen Postdiebstahls, 1811, Nr. 8367, fasz. 211. I. HA, Geheimer Rat, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Staatsverträge Acta, betr. die Schickung des Obersten v. Lecoq nach Sachsen und Frankreich, um gemeinschaftlich mit dem kurfürstlichen Gen.-Leutnant v. Rechten über die Musquetierung der Demarkationslinien zu machen, 1801, Nr. 2977. I. HA, Geheimer Rat, Rep. 24 Kriegssachen hauptsächlich aus der Zeit des 30jährigen Krieges Sendung des Dr. Kraz Quartalsgerichtsrat der Altmark, an Christian von Braunschweig wegen des Einmarsches desselben in die Altmark, 1625/26, a. 3, fasc. 19. Sendung des altmärkischen Quartalgerichtsrats Dr. Joachim Kratz an den General Grafen Tilly mit dem Ersuchen, die Mark mit dem Durchzug seines Heeres zu verschonen, 1626, b. 6., fasz. 2. Tillys Antwort an den Brandenburgischen Gesandten Kraz zu Rombindt im Lager um Rothenburg, 30. September 1626, b. 6., fasz. 3. Verschiedene Verhandlungen mit Tilly wegen seiner Einquartierung in der Altmark, 1628, intus Dr. Joachim Kratz (Nov./Dez.), b. 6. , fasz. 7. Werbungen von Dr. Kratz (Febr.) bei Tilly, 1629, b 6, fasz. 9. Die Einlagerung der Kaiserlichen in der Mark, 1626, b. 18. a, fasz. 3. Ertheilung von Salvagärdien, 1630, O. 1, fasz. 4.

700

Anhang

I. HA, Geheimer Rat, Rep. 39 Ältere Kriegssachen Schriftwechsel des Kurfürsten Johann Georg mit dem Administrator Joachim Friedrich von Magdeburg, Markgraf Georg Friedrich und Herzog Friedrich Wilhelm I. von Sachsen über das durch aufgefangene Briefe bekannt gewordene Paktieren des Herzogs mit Philipp II. von Spanien sowie seine Rechtfertigung und Entschuldigung, 1595, Nr. 1047. I. HA, Geheimer Rat, Rep. 41 Beziehungen zu Kursachsen Berlepsch nach Sachsen zu Verhandlungen über Fragen der Jülichschen Sukzession, die geplante Besetzung der Stadt Magdeburg und die Werbung von Söldnern, 1665–66, Nr. 21. Sendung von O. W. Berlepsch: Glückwünsche zur Hochzeit JG III., Verhandlungen über den mit Pfalz-Neuburg getroffenen Erbvergleich, über das Predigerwesen in der Grafschaft Mark und andere politische Fragen, 1667, Nr. 22. Otto Wilhelm von Berlepsch zu Verhandlungen über die kursächsischen Bündnisse mit dem Kaiser und Schweden, die Jülichsche Angelegenheit und die wechselseitige Titulatur wegen dieser Länder sowie die Einmischung der Wittenberger Theologen in die kurmärkischen Angelegenheiten, 1668–69, Nr. 24. Absendung des preußischen Staats- und Kriegsministers von Katsch an den polnischen Hof zu Verhandlungen u. a. über die Affäre Clement und angebliche preußische Werbungen in Kursachsen bzw. an den sächsischen Grenzen. Instruktion, Berichte und darauf ergangene Reskripte, 1719, Nr. 58. Geheime Sendung des preußischen Hofrates Sellentin nach Dresden zur Berichterstattung über die politische Lage in Kursachsen nach dem Tode des Kurfürsten Friedrich August  I. von Sachsen., 1733, Nr. 60. Schriftwechsel des preußischen Gesandten in Dresden, Klinggräfe, mit dem Kabinettsministerium, 1747, N. 72. Anonyme Schreiben aus Dresden an den kaiserlichen Rat Graf Albrecht von Schlick vom 4. Juni 1552 über einen angeblichen Überfall des Kurfürsten Moritz von Sachsen auf Kaiser Karl V. bei Innsbruck, 1552, Nr. 77. Schriftwechsel des preußischen Gesandten in Dresden, von Voss, mit dem Kabinettsministerium. Band 4, 1750, Nr. 80. Schriftwechsel des preußischen Gesandten in Dresden, von Malzahn, bzw. des Legationssekretärs Plesmann mit dem Kabinettsministerium. Band 1, 1750, Nr. 81. Schreiben Siepmanns an von Unruh in Danzig vom 22.05.1745. Übersendung eines Chiffriersystems. Abschrift, 1745, Nr. 141. Abberufung des kursächsischen Gesandten in Berlin, von Bülow, infolge der Abreise des preußischen Gesandten Cagnoni von Dresden und des Einmarschs sächsischer Truppen nach Schlesien, 1745/46, Nr. 142. Vorschläge für die Besetzung des Gesandtenpostens in Dresden nach der Abberufung des preußischen Gesandten Klinggräfe, Juni 1747, Nr. 144. Übersendung einer neuen Chiffre an den preußischen Gesandten Klinggräfe in Dresden, Aug–Okt 1747, Nr. 145. Abberufung des preußischen Gesandten in Dresden, Klinggräfe, und Akkreditierung des Legationsrates von Voß, Jan–Jun 1748, Nr. 146. Schriftwechsel des Markgrafen Siegmund von Brandenburg mit Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen über in Wien beratene geheime Pläne gegen Kurbrandenburg. Anlagen Nr. 1 und 2 zu einem nicht ermittelten Vorgang, 1629, Nr. 190.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Kursächsisches Komplimentsschreiben bei Abreise des kurbrandenburgischen Schlosshauptmanns und Oberschenken Otto Wilhelm von Berlepsch und Danksagung für die Benachrichtigung über die Rüstungen des Bischofs von Münster, Dez 1669, Nr. 294. Eigenhändiges Schreiben des Kurfürsten August von Sachsen an Kurfürst Joachim II. von Brandenburg vom 11. Oktober 1565. Danksagung für Nachrichten über die schwedische Politik gegenüber Holstein und Dänemark, Okt. 1565, Nr. 300. Abschrift eines geheimen Schreibens des sächsischen Ministers von Brühl an von Bülow in Dresden vom 30. März … über den Gesundheitszustand des Kardinals von Fleury und die nach seinem Tod zu erwartenden Veränderungen am französischen Hof, 1742, Nr. 308. Abschluss eines Freundschaftsvertrages zwischen Preußen und Kursachsen, 1727/28, 1746, Nr. 395. Konvention zwischen Sachsen und Frankreich über die wechselseitige Auslieferung der Deserteure vom 2. November 1741, 1741–42, Nr. 598. Bemühungen um den Abschluss eines Kartells zwischen Preußen und Sachsen über die gegenseitige Auslieferung der Deserteure, Juni 1779, Nr. 609. Entlassung und gegenseitige Auslieferung von Deserteuren der preußischen bzw. kursächsischen Armee, 1783–89, Nr. 611. Schriftwechsel des preußischen Gesandten in Warschau von Wallenroth und des Legationssekretärs Hoffmann mit dem Kabinettsministerium über den Durchzug preußischer Truppen durch kursächsisches Gebiet, die Vereinigung der kursächsischen mit den österreichischen Truppen und die geheimen Verhandlungen mit dem kursächsischen Minister Graf von Brühl über die eventuelle Gewinnung des polnischen Königs für Preußen, 1744, Nr. 809. Abgefangene Briefe des kursächsischen Ministers Graf von Brühl an die Gesandtschaft in Petersburg. Abschriften, Jan 1746-Aug 1746, Nr. 843. Spionagetätigkeit des kursächsischen Geleitseinnehmers in Zwochau und früheren Bürgers in Halle, Tobias Herrmann, für Kursachsen, Feb. 1749, Nr. 846. Originale und Abschriften von durch Preußen abgefangenen kursächsischen Briefen, Bd. 1–3, 1757–58 Nr. 850–852. Auffindung einer Kassette des Prinzen Xaver nach der Schlacht bei Minden mit ihn belastenden antipreußischen Papieren, 1759, Nr. 865. Aufgefangene Briefe des kursächsischen Legationssekretärs Sternickel aus Berlin an verschiedene Persönlichkeiten in Warschau und Danzig, 1760–61, Nr. 867. Anonyme Enthüllungen über Personen und Zustände am kursächsischen Hof, 30. Juli 1741, Nr. 916. Abschriften, Auszüge und Originale von abgefangenen Briefen zwischen Kursachsen und Polen. Beschlagnahmung von zwei Frachtwagen des Grafen von Brühl durch preußische Zollbeamte bei Lindow, 1756, Loc. 1522. Mitteilungen an die preußischen diplomatischen Vertretungen im Ausland über angebliche antipreußische Intrigen am kursächsischen Hof. Maßnahmen zur Unterbindung des Postverkehrs, 1757–61, Nr. 1525. Protest Kursachsens gegen die Transportierung des Staatsgefangenen von Stürler durch kursächsisches Gebiet, 1802/03, Nr. 1538. Gesuch des kursächsischen Legationssekretärs Sternickel wegen Zurückgabe eines auf dem Postwege beschlagnahmten Pakets Schriften über die gräflich Unruhischen Hausangelegenheiten, 1760, Nr. 1567. Schreiben des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg an den Feldmarschall-Leutnant Lorenz von Hofkirch vom 6. Augustu 1652 wegen des beabsichtigten Übertritts des sächsischen Kurprinzen zum Katholizismus, 1652, Nr. 1612.

702

Anhang

Mitteilung über einen Aufenthalt des Kurprinzen Friedrich August von Sachsen in Nürnberg und seinen vermutlichen Übertritt zum Katholizismus, 1711, Nr. 1626. Übertritt des Kurprinzen Friedrich August von Sachsen zur katholischen Religion, 1712–18, Nr. 1627. Überfall auf einen kursächsischen Boten bei Perleberg und Fahndung nach den Tätern, 1563, Nr. 1662. Gnadengesuch des Leutnants L’Estoque beim Husarenregiment von Eben für seinen auf der Festung Königstein gefangenen Vater, 1787, Nr. 1784. Schriftwechsel mit Sachsen-Weißenfels über die von einer Hamburger Zeitung verbreitete Nachricht über die angeblich von der ernestinischen Linie des Sächsischen Hauses beabsichtigte Wiedererlangung der Kurwürde, 1696, Nr. 3278. Verhaftung des von Eckhardt sowie Vernehmung seiner Ehefrau und des sachsen-weißenfelsischen Hof- und Justizrates Johann Friedrich Knorr, Nov.-Dez. 1707, Nr. 3331. I. HA, Geheimer Rat, Rep. 49 Fiscalia Untersuchung gegen die in Berlin verhafteten Juden Bendix David, Jacob Levi, Süßmann Moses und Salomon Moses wegen Spionage, 1758, L 1 Nr. 2. Transport der wegen Spionage verhafteten Juden Abraham Hirschel, Salomon Marcus, Isaac Simons und Moses Isaac Pollack zur Festung Magdeburg, 1760, L 1 Nr. 3. Untersuchung gegen den ehemaligen Conducteur Johann Friedrich Richter und den Kupferschmied Joachim Schultze wegen Verrats der Beschaffenheit der Festung Küstrin an Russland, 1759–60, L 1 Nr. 4. Verfahren gegen den Juden Abraham Meyer wegen Spionage, 1762, L 1 Nr. 6. Untersuchung gegen den cand. jur. Cochlovius aus Ohlau wegen Spionage für Österreich, 1787, L 1, Nr. 7. Untersuchung gegen den Juden Israel Joab oder Michael Grassenbach wegen Spionage für Österreich, 1788, L 1 Nr. 8. Untersuchung gegen den ehemals in russischen Diensten stehenden Ingenieurkapitän Johann Gottlieb von Birger wegen Spionage, gegen den Registrator beim Generaldirektorium Dietrich Friedrich Langelaer, den Registrator bei der Oberrechenkammer Joachim Ludwig Danicke und den Makler Daniel Lange wegen Verrats von Dienstgeheimnissen bzw. Mitwisserschaft hierbei, 1745/46, Nr. 127. Prozess gegen den Geheimen Rat und preußischen Residenten in Danzig, Johann Constantin von Ferber, wegen Spionage und Hochverrats, 1746, Nr. 128. Prozess gegen den Geheimen Rat und preußischen Residenten in Danzig, Johann Constantin von Ferber, wegen Spionage und Hochverrats. Beilagen, 1743–46, Nr. 129. I. HA, Geheimer Rat, Rep. 52 Magdeburg Stadtverfasssung, 1697–1699, Nr. 45. I. HA Rep 52a Erfurt, Eichsfeld, Nordhausen, Mühlhausen Die Postfahrt von Erfurt nach Heiligenstadt über Langensalza (in Kursachsen), 1802, Nr. 6. Die Postverhältnisse zwischen Sachsen-Gotha und Erfurt, 1803, Nr. 16.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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I. HA, Geheimer Rat, Rep. 63 Neuere Kriegssachen Schriftwechsel mit dem Bischof Johann Hartmann von Würzburg sowie wechselseitige Gesandtschaften wegen des Durchzuges der kurbrandenburgischen Truppen durch das Stift Würzburg, Beschwerden über Ausschreitungen und Übergriffe u. a. des Regiments von Schöningen, Verhaftung und Verhöre von Spionen, 1674/75, Nr. 103. Verhaftung des Kornetts Friedrich von Plotho unter dem Verdacht der Desertion und Spionage auf Veranlassung des preußischen Komitialgesandten in Regensburg Freiherrn von Plotho sowie dessen Freilassung. Nachforschung nach seinen Lebensumständen, 1746, Nr. 1441. Auslieferungsgesuch an Anhalt-Zerbst, Verhaftung und Abtransport des in Zerbst wohnhaften, der Spionage verdächtigen Marquis de Fraigne, 1758, Nr. 1443. Beschlagnahmte Korrespondenz des am 25. August 1758 bei Zorndorf in Gefangenschaft geratenen Fürsten von Sulkowsky, 1758, Nr. 1444. Aufgefangene Berichte des holländischen Gesandten in St.  Petersburg Swaert nach Den Haag über politische und militärische Angelegenheiten, v. a. die russischen Kriegsoperationen. Abschriften, 1758, Nr. 1445. Übersendung von einigen im Krug von Hohenkraenig bei Küstrin aufgefundenen und beschlagnahmten Briefen in deutscher und russischer Sprache durch den Markgrafen Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt, 1758, Nr. 1446. Zwei aufgefangene Briefe des sächsischen Ministers von Brühl aus Warschau vom 10. Juli und 24. August 1760 an den Gesandten von Sacken in Stockholm über die Kriegslage. Abschriften, 1760, Nr. 1463. Abschriften von auf preußischen Postämtern geöffneten und Mitteilungen zum Kriegsgeschehenen enthaltenen Briefen, 1761, Nr. 1466. Abschriften der aufgefangenen Korrespondenz des sächsischen Gesandten in Hamburg, Legationsrat von der Lith, mit der sächsischen Regierung in Warschau, 1761, Nr. 1467. Dem Kriegsrat Pape in Magdeburg aus Neisse zugesandte aufgefangene Briefe, 1761, Nr. 1468. Abschriften der von dem Feldpostmeister Bertram aufgefangenen und geöffneten Briefe mit kriegswichtigem Inhalt, 1762, Nr. 1469. Rezzonico aus der Festung Spandau, 1787, Nr. 1471. Schriftwechsel mit dem Hofpostmeister Jordan über die Organisation des Postverkehrs zwischen dem sich in Magdeburg befindlichen Kabinettsministerium und dem königlichen Hauptquartier in Schlesien, 1759, Nr. 1473. Entlassung des im Siebenjährigen Krieg verhafteten österreichischen Spions Alexander Renazzi oder Schreiben des Hofpostmeisters Jordan v. a. über die Regelung des Kurierverkehrs mit dem Hauptquartier des Königs, 1760, Nr. 1475. Bericht des Hofpostmeisters Jordan über die Organisierung des Postkurses zwischen Berlin bzw. Magdeburg und Glogau, 1761, Nr. 1476. Übersendung von aufgefangenen Briefen mit Mitteilungen v. a. aus Regensburg und Wien durch den Legationssekretär von Borcke in Dresden, 1761, Nr. 1754. I. HA, Rep. 81 Gesandtschaft Dresden nach 1807 Burschenschaftler, Nr. 530 bis Nr. 544. Preußische Deserteure, Nr. 580.

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I. HA, Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett Schriftwechsel mit dem Generalmajor von Winterfeldt. Band II, 1752/53, Nr. 601 D. I. HA, Geheimer Rat, Rep. 103 Generalpostmeister bzw. Generalpostamt Acta betr. das Briefgeheimniß verdächtiger Briefwechsel, 1757–1820, Nr. 865. Prüfung des Postkurses zwischen Berlin und Dresden, 1723–26, Nr. 1788. III. HA Ministerium des Äußeren, Zentralbüro Chiffren der preußischen Gesandtschaften und bei geheimen Missionen, 1807–1815, Nr. 73/1. Chiffren der preußischen Gesandtschaften und bei geheimen Missionen, 1813–1846, Nr. 73/2. Chiffren der preußischen Gesandtschaften und bei geheimen Missionen, 1808, Nr. 73/3. Chiffren der preußischen Gesandtschaften und bei geheimen Missionen, 1809, Nr. 73/4. Chiffren für den Schriftwechsel des Königs mit den Missionen in Dresden und Hermannstadt und mit dem Generalmajor von Knobelsdorff, 1808, Nr. 73/5. Chiffren für den Schriftwechsel des Königs mit den Missionen in Wien und Dresden und mit dem Generalmajor von Knobelsdorff in Amsterdam, 1808, Nr. 73/6. Chiffren für den Schriftwechsel des Königs mit der Mission in Dresden und mit dem Generalmajor von Knobelsdorff in Amsterdam, 1808, Nr. 73/7. Chiffren für den Schriftwechsel des Königs und des Kabinettsministers mit Oberstleutnant Graf Goetzen, 1808, Nr. 76. Chiffren für den Schriftwechsel des Königs mit den Missionen in München und Petersburg, 1809–11, Nr. 76/1. Geheimrat von Zerboni di Sposetti, 1810–13, Nr. 102. VI. HA Familienarchive und Nachlässe Nl Grumbkow, F. v., Schreiben v. Borckes an den König bei Übersendung aufgefangener Briefe, 1730, Nr. 2. Nl Prades, J. M. de, Friedrich II. an den Abbé de Prades, 1753–75, Nr. 9. Nl Ulrich Friedrich von Suhm, Briefe Friedrichs des Großen an Suhm, 1736–1740, Nr. 1–62. XX. HA Oberratsstube, Preußische Regierung, Ostpreußisches Etatsministerium Kundschafter, 1622, 83d, Nr. 11. Schriftwechsel mit dem pr. Gesandten in Warschau von Klinggräf betr. die zwischen Warschau und Königsberg versandten Depeschen, 1746, 113 d, Nr. 35. Brandenburg-Preußisches Hausarchiv (BPH), Rep. 47 König Friedrich II. Aufnahme Sr. Mj. des Königs Friedrich Wilhelm I. v. Preußen in die Gesellschaft der Table ronde am königlich-polnischen Hofe zu Dresden, 1728, Nr. F. 3. Geheimrat von Klinggräf, Nr. 1313.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Brandenburg-Preußisches Hausarchiv (BPH), Rep. 46, Friedrich Wilhelm I. Acta betr. die im Hause des verstorbenen Feldmarschalls v. Grumbkow gefundenen Porträts König  Friedrich Wilhelms  I., seiner Gemahlin und Augusts des Starken von Sachsen, 1803, Nr. L. 5. Brandenburg-Preußisches Hausarchiv (BPH), Rep. 192 Nachlass Saegert, K. W. General von Wedell (zum Teil unterzeichnet mit Müller), Geheimrat von Usedom (zum Teil unterzeichnet mit Jeremias oder J), Oberst von Olberg, der mit Wedell bei der Mission attachiert war (zum Teil unterzeichnet mit S. J. oder Schnell): Von Wedell – von Usedomsche Mission (Einladung Preußens zur Wiener Friedenskonferenz), 1855, Nr. 63. Festungsarchiv Königstein (FAK) Staatsgefangenen-Liste Bergarchiv Freiberg (BAF) 40013 Bergamt Marienberg Von Karl Gottlob Brand, der beim Amt Leuterstein inhaftiert war, weitergegebene Geheimnisse über das Berg- und Schmelzwesen, 1742, Nr. 62. Staatsarchiv Chemnitz 20532 Rittergut Rötha mit Trachenau Schlüssel für Chiffre-Schrift, 1640–70, Nr. 2423. 30866 Grundherrschaft Wohlhausen mit Wohlbach Untersuchungen gegen Johann Georg Müller, Huf- und Waffenschmied aus Wohlhausen, wegen verschiedener strafbarer Handlungen, Reden und des Verdachts der Spionage, 1778, Nr. 45. Untersuchungen gegen Johann Georg Müller, Huf- und Waffenschmied aus Wohlhausen, wegen verschiedener strafbarer Handlungen, Reden und des Verdachts der Spionage, 1779, Nr. 46. 30764 Patrimonialgericht Olbernhau Untersuchung und Inhaftierung des Carl Friedrich Kaden wegen Landesverrat (Abwerbung von Strumpfwirkern aus Sachsen) und Zollvergehen, 1764–67, Nr. 357. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt (LHASA) Abt. Magdeburg (MD) Acta die Gefangennehmung des Herzog. Braunschweigischen Secretair Schmidt auf seiner Gesandtschaftsreise nach Mainz durch den Landgrafen Philipp von Hessen betr., 1539/40, A1, Nr. 307.

706

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Osnabrückische Privatschreiben und Zeitungen, wobei auch die von den Herrn Gesandten gebrauchte Chiffre, 1644–47, A1, Nr. 530. Rescript des Erzherzogs Leopold Wilhelm wegen des Doctors Lüder, welcher den Schweden die Einkünfte vom Amte Darsdesheim verraten haben soll, 1641, A1, Nr. 1145. Kommission wegen des inhaftierten gräflich-mansfeldischen Sekretärs Lampertswald, 1670, A 2, Nr. 406. Untersuchung gegen den Bürgermeister Georg Kühlewein wegen angeschuldigten Verrats der Stadt an den Feind, nebst einigen Nachrichten über sein Betragen im Getümmel der Zerstörung und nach hergestellter Ruhe, 1635, A 2, Nr. 712. Acta den auf Requisition des Königlich-schwedischen Secretarii nahmens Colebrands zu Walbeck bey dortigen Stiffte arretierten Hieronymus von Steinbergen betr., 1736, A 13, Nr. 817a. Geheime Correspondenz des Grafen Johann Erasmsus von Reinstein-Töttenbach mit dem Canzler Weiler, besonders seine projektierte Vermählung betr., 1662–68, A 13, Nr. 1524. Chiffren und Schlüssel für geheime Korrespondenz, 1708, H 82, Nr. 1018. Chiffren für Berichte Urbichs, o. D., H 82, Nr. 1019. Untersuchung der Gefangennahme des Wolfenbüttelschen Sekretärs Heinrich Wilhelm Blume in Hannover, 1692, H 82, Nr. 1087. Die Neutralitätspolitik von Kurpfalz mit Frankreich, 1693, H 82, Nr. 1110. Briefe an den Kanzler Reventlau über Patkul und verschiedene andere Angelegenheiten (z. T. verschlüsselt), 1702/03, H 82, Nr. 1154. Thüringisches Staatsarchiv Gotha (ThStAG) Geheimes Archiv Berlepschens geheimbte Correspondenz mit Herz. Friedrich I., die gefährl. Conjuncturen im Reich betr., 1680, AAA (A3) II, Nr. 12. Schreiben an Agenten zu Wien, wegen zweyer subiectorum so Ihr F. Durchl. Zu Diensten zu gebrauchen. Item wegen v. Juden treffend, 1666, AAA (A3) III, Nr. 3. S. gothaische Gesandtschaften Commissions- und Negotiationssachen am Wienerischen Hofe betr., 1697–1704, AAA (A3) III, Nr. 5. Des Geh. Rath Mühlpforts Arrestirung auf der Cyriacsburg zu Erfurth und die seinetwegen gothaischerseits bey Chur-Maintz geschehene Intercessiones betr., 1718, AAA IV, Nr. 30. Sectret. F. Hofmans Schreiben samt der Zyphra, 1635, BBB, 1 A. Chiffre zu den S. Gothaischen Affären, 1737, BBB, Nr. 96a. Verschiedene schwedische Gesandtschaften an S. Gotha 1656–72 cum aliis, ebenso veranlaßte vertrauliche Correspondenz mit dem Könige in Schweden, 1698, C III, Nr. 4. Gothaische Geheime Raths-Sachen. Handakten des Geh. Rats Siegmund Ehrenfried von Oppel zu verschiedenen im Geh. Rats Kollegium behandelten Angelegenheiten, 1737–48, CCC (C3), VI, Nr. 8. Geheime Nachricht von des Königs in Schweden Caroli XII. Neigung pro Serenissimo Friederico II.do Duce Saxo Gothano, 1711, C IX, Nr. 1. Vertraute Correspondenz wegen Schweden, it. Communication mit Schweden pro bono publico, 1686, C IX, Nr. 3. Geheime Conferenz zu Fürth mit dem Marggräfl. Hofe Brandenburg Baireuth und Andsbach betr., 1676, D II, Nr. 7a. Vertrauliche Communication mitt Churfürstl. Durchl. Zue Brandenburgk in pto des Friedens negotii nicht nähere zue sammentretung, 1676, D II, Nr. 7b.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Vertrauliche Communication mitt der Fraw Landtgräfin zue Heßen-Caßel super pkto einer näheren zuesammentretung betr. Förderung des Reichsfriedens undt vorrangung undt abwendung nachtheiliger Reichsschlüsse beym Reichstage zue Regenpurgk. Eben dergleichen Communication der Fraw Landgräfin zue Heßen Darmstadt so viel sonderlich den lezten Punct betrifft, 1676, D II, Nr. 7c. Etlichen Fürsten sonderbare Vereinigung betr. Acta 1662, item Herr Hertzog Ernst zu Sachsen ersuchet die Frau Landgräfin zu Hessen Caßel um vertrauliche Apertur was deroselben von churfürstl. Durchlt. Zu Brandenburg so viel die Alliance betrifft für Nachricht zukommen, 1664, D II, Nr. 10. Continuation der wegen des militair Abrechnungs- Werkes ergangenen Acten und was ferner zu Wien negotiiret worden, worbey sich einige secrete Nachrichten von eines gewißen S. Gothaischen Officirs gefährlichen Correspondenz befinden Vol. IV., 1722–24, D II, Nr. 75. Auf des Bischoffs zu Würtzburg Zuschreiben, daß unter dem Schein Korn- und Wein-Kauffs Kundschaffter ins Land kämen, hat Hertzog Ernsts Fürstl. Gnd. In alle Aemter befohlen, daß ohne Paß niemand ins Würtzburgische solcher Hanthierung halber sich begeben solle, 1641, F O II c Nr. 3. Der Bischoff zu Würtzburg communiciert von dem mit dem gewesenen Canzler Wiganden habenden Proceß, 1701, F O II c, Nr. 10. Acta wegen alienation der Quedlinburg. Schuz-Gerechtigkeit an Chur-Brandenburg von ChurSachßen, und waß deshalben von denen interessierten fürstl. sächs. und heßischen Häußern vor communication gepfleget worden, 1698–1701, F O II g, Nr. 1–4. Churf. Durchl. Zu Brandenburg Abschickung des von Berleps auf anher in einer gewißen Angelegenheit betr., 1672, F O III d, Nr. 10. Boten-Instruction betr., 1656, UU, Nr. 7. Zapfens privat Nachrichten von S. Goth. Kriegssachen, 1689–1705, WW Nr. 6. Allerhand zwischen den kaiserl. und schwedischen Herren Generalen in vorigen Kriegeszeiten gewechselte Schreiben, worunter auch unterschiedliche der Reichstände und dann etliche, so mit Ziffern geschrieben sin item allerhand Handlungen zum Frieden, ingleichen kaiserliche und schwedische Salvaguardien, 1639–41, WW I, Nr. 42b. Die Chur-bayerische Briefe betr., 1647, WW I, Nr. 112. Den Kriegs-Etat 1734 betr., WW V, Nr. 59. Acta den Militair-Etat betr., 1734, WW V (u) Nr. 1. Oberhofmarschallamt Herzogl. Reskripte und Dekrete für die Geh. Assistenz- und Legationsräte, 1732–1813, Nr. 145. Staatsministerium Departement I Acta, Untersuchungen in Sachen einer dem Canzleipersonal des Herzogl. Staatsministeriums zur Last gelegten Verletzung des Dienstgeheimnisses betr., 1863, Loc. 4 III Dienstangelegenheiten, Nr. 11. Acta, die zwischen den Ministerial-Vorständen der S. Ernest. Lande getroffene Vereinbarung wegen Einführung einer Geheim- oder Chiffernschrift in bes. Angelegenheiten betr., 1865/66, Loc. 4 III Dienstangelegenheiten, Nr. 14. Acta, die Einführung einer Geheimschrift zwischen Zivil- und Militärbehörden betr., 1890, Loc. 4 III Dienstangelegenheiten, Nr. 14a.

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Anhang

Kammerrechnungen 1699–1700, Nr. 62. 1701/02, Nr. 64 1702/03, Nr. 65 Coburger Festungsarchiv Befehl des Herzogs Johann Friedrich des Älteren an den Schosser in Gotha zur Landesausweisung der gefangenen Zigeuner, 1553, Nr. 70. Forschungsbibliothek Gotha (FB Gotha) Herzog Johann Friedrich I. von Sachsen-Gotha an Kanzler Gregor Brück, 20. Juli 1547, Chart. A. 380. Briefwechsel zwischen Professor Johann Rosa und Herzog Johann Friedrich  II. von SachsenGotha, 27. Mai 1567, Chart.A. 40. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar (ThHStAW) Bestand Abt. A Severin Lorentzen Bestallung uff wiederruffen, sich wieder meniglich uff befehl in bürgelichen und peinlichen Sachen gebrauchen zulaßen, geben zu Weimar, Sonnabends nach Diemisionis apostolarum, 1558, Reg. Rr, Pag. 1–316, No. 1053. Jeremias Pestels Anzaige und Bericht, wie er in der Canzlei gedienet und was sein Ambt gewesen sei, 1545, Reg. Rr, Pag. 1–316, No. 1345. Rats- und Canzleiordnung des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen in doppeltem Exemplaren mit inserirtem Briefwechsel des Kurfürsten mit dem Kanzler Gregor Brück und Anton von Schönberg, 1539, Reg. Rr, Pag. 317, No. 1, 2b. Schriften betr. die kurfürstl. und fürstl. Kanzlei, deren Beamten, die Kanzleiordnung, deren Handhabung, Disciplin, Besoldung der Beamten, sowie die Übersiedlung der Canzlei und des ganzen Hofhalts nach Waltershausen, Jena, Eisenberg und Altenburg, 1538–73, Reg. Rr, Pag. 321 III 2.8.a (Urk. 5622). Ernestinisches Gesamtarchiv Allerlei Schriften, bei niedergeworffen Boten befundenen vornemlich meldente von des Babsts und Kaisers Verbundnüs, Kriegsrustung und vorhabenden uberzuge der Protestantirenden Churfursten und Stende, 1546, Reg. J , pag. 1–3 A, Nr. 1. Sachssen und Hessen Handlung mit Cöln unnd Julich umb geldthulffe in dreyen unterschiedtlichen Convoluten, 1546, Reg. J pag. 3–6 A Nr. 2. Allerlei Schriften, bei niedergeworffen Boten befundenen vornemlich meldente von des Babsts und Kaisers Verbundnüs, Kriegsrustung und vorhabenden uberzuge der Protestantirenden Churfursten und Stende, 1546, Reg. J , pag. 6–7 A , Nr. 3 Wechselschrifften zwischen Sachssen, Hessenn unnd Beiern der wieder Kai. Mait. für genohmenen Gegenrustung halbenn, 1546, Reg. J pag. 8–12 A Nr. 4. Schrifften unnd Handlung mit dem Hertzogen in Preussen betreffendt Marggraf Albrechts Krigsrustung. Siebenhundert leichter Pferde so aus Preussen zu Sachsens nothdurft sollen geschecktt

Quellen- und Literaturverzeichnis

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werden, Furstreckung einer Summe geldes zur Defensionssteuer, Pfaltzgraf Friderich Churf. Friedenshandlung zwischen beidersidts Kriegsgenossen, 1546, Reg. J pag. 12–15 A Nr. 5. Handlung unnd Schrifften des Churfürstenzu Sachsen und Landtgraven zu Hesen an einem und den Hertzogen in Pommern anderntheils, belangende uffbringens Reutter undt Knechte, erlegung irer sechs dupelten Monaten monatenn, eine sonderliche gelthulffe uber die Duppelmonathen, 1546/47, Reg. J pag. 15–18 A Nr. 6. Allerlei Schriften, bei niedergeworffen Boten befundenen vornemlich meldente von des Babsts und Kaisers Verbundnüs, Kriegsrustung und vorhabenden uberzuge der Protestantirenden Churfursten und Stende, 1547, Reg. J pag. 13–19 A Nr. 7. Schrifften zwischen dem Churfurstenn zu Sachssen und dem Hertzogen vonnn der Lignitz unnd der Stadt Prelsaw. Belangende die bei Inen gesuchte Hulfe wieder deme Keiser, 1547, Reg. J pag. 19–21 A Nr. 8. Auswärtige Angelegenheiten Beziehungen zu Großbritannien, D 500. Dekret des Herzogs Wilhelm Ernst betr. die Ernennung des Johann Friedrich Nicolai zum Agenten in Hamburg, 1709, Beziehungen zu Hamburg, D 511. Ernennung des Johann Tobias Eckholt in Haag zum Sachsen-Weimarer Agenten bei den Generalstaaten der Niederlande, 1713, Beziehungen zu den Niederlanden, D 1442. Dienersachen Die dem Agent Appunio zu Dresden gnädigst verwilligte Zulage betr., 1753, B 26514. Eisenacher Archiv, Postwesen Untersuchungen wegen verschiedener, auf auswärtigen Gebiet vorgekommener Postwagenüberfälle 1779–85, Nr. 353. Großherzogliches Hausarchiv A XXV (Maria Pawlowna) Briefwechsel mit Friedrich Adolph Heubner in Chemnitz über englische Spionage in Russland, 1807, Nr. 1748. Thüringisches Staatsarchiv Altenburg (ThStAA) Ministerium zu Altenburg, Abteilung des Innern (1866–1922) Maßnahmen gegen möglichen Tumult am Sedantage 1873 in Altenburg, 1873, Nr. 4092. Die von dem Zivilingenieur Alexis Köhl erfundene Geheimschrift, 1876, Nr. 1333. Franckesche Stiftungen Halle (AFSt) Hauptarchiv August Hermann Francke an Johann Philipp Hartmann, 1. November 1718, AFSt/H, C 787: 7. Brief von Heinrich Gottlieb Leutholff an August Hermann Francke, 19. März 1704, AFSt/H, C 295: 16.

710

Anhang

Brief von Christoph Friedrich Tresenreuter an Gotthilf August Francke, 24. Juli 1736, AFSt/H, C 348: 1. Schriftproben von Franz Ignatius Burkhard, Halle 1736, AFSt/H, C 348: 4; C 348: 5. Brief von Christoph Friedrich Tresenreuter an Gotthilf August Francke, 28. November 1736, AFSt/H, C 348: 7. Francke-Nachlass der Staatsbibliothek zu Berlin (Stab/F) Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 13. März 1705, Stab/F 11,2/1: 8. Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 24. Juni 1704, Stab/F 11,2/14: 62. Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 4. Oktober 1704, Stab/F 11,2/14: 71. Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 8. November 1704, Stab/F 11,2/14: 75. Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 11. September 1705, Stab/F 11,2/15: 3. Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 7. Dezember 1706, Stab/F 11,2/16: 42. Daniel Ernst Jablonski an Pál von Rádai, 14. Februar 1707, Stab/F 11,2/16: 44. Missionsarchiv mit der Indien- und der Amerikaabteilung (AFSt/M) Brief von Johann Christian Breithaupt an Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode, 26. September 1748, AFSt/M 1 D 18: 39. Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel (HAB) Clemens Ammon: Biblische Szenen, Kupferstich, 1670, HAB, Graph. A1, 59a. Pieter Tanjé: La Russe couvre l’Espion de Kouli-Kan, la Politique et le danger l’accompagnent, Radierung 1726/61, HAB, Graph. A1, 2673. Der Kampf des Diomedes, Kupferstich, 1613, HAB, Inventar-Nr. C Geom. 2° (217). Dezprez, François: Karikatur eines Papstes, Holzschnitt, 1565, HAB, Inventar-Nr. 39 Geom., fol. A7r° und fol. G10v°. Porträt eines Herrschers im Profil, Radierung, 1726/1800, HAB, Inventar-Nr. Graph. C: 13. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStAM) Abt. IV Kriegsarchiv, Zivil- und Strafsachen Königreich Sachsen, gegenseitige Mitteilungen in militärschen Angelegenheiten, das sächsische Zündhütchengewehr, Austausch von Waffen zu Testzwecken, Ausbildung, Militärstrafrecht, Ende 18. Jh -1869, Nr. E Zivil- und Strafsachen, Bund 397. Ankauf bzw. Erwerb auf dem Tauschweg von sächsischen Karten, Atlanten und Dienstvorschriften, 1830–62, Bund 398. Aufenthalt der sächsischen Kavallerie zu Ausbildungszwecken in der nördlichen Oberpfalz, 1813, Bund 400. Anschaffung besonderer Brieftaschen mit Schloss, 1808, Nr. E, Bund 511. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (StAD) E 1 M Auswärtige Beziehungen: Gesandtschaften Bestellung des Agenten Lefèvre zu Hannover zum hessischen Residenten daselbst, 1724–49, 33/1.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 40/51 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten: Innenpolitik, Verfassung und Verwaltung Pensionsgesuch des wegen Fälschungen und Betrügereien in Preußen inhaftierten vormaligen Generalmajors von L’Estocq, 1809–17, Bü 430. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStAW) Allgemeines Verwaltungsarchiv Familienarchiv Harrach, Fam. in spec 428. Staatskanzlei V/4, Interiora Interzepte 2–2. V/4, Interiora Interzepte 2–3 bis 38. Reichskanzlei Maximiliana, 13–70. Zeremonialakten 1b-2. Reichsakten in gen 77. Große Korrespondenz 184/1–9. 225. 226/1–4. Staatenabteilungen Dänemark: 89. Polen: III 12; III 12–1; IV 43; IV 43–1. Russland: III 51–1; III 51–13; III 51–19; III 51–22; III 51–26; III 78; Schweden: 32–8; 53–5. Trevirensia: 2–2. Türkei: II 21; 21–1. Kriegsakten OeStA/HHStA Kriegsakten 330–2, 343–4. AT-OeStA/HHStA Kriegsakten, Intercipirte Correspondenz des französischen Marschalls Duc de Broglie, 1741–48, 330–1. AT-OeStA/HHStA KA StR , Nachlass Lacy, Extract aus dem Kriegswercke des berühmten Feldherrn Grafen v. Montecuccoli, I-1–13.

712

Anhang

Ministerium des Äußeren Informationsbüro (1784–1908). Sonderbestände Nachlass Philipp Ritter von Stahl Museumsstiftung Post und Telekommunikation Alzenbach, Gerhard: Ordinari-Bote, um 1650, Kupferstich, Inv.-nr. 4.2001.314. Wangner, Jakob; Weyermann, Jakob Christoph: Sicherheit und Bequemlichkeit zu reisen, um 1720, Kupferstich, Inv.-nr. 4.0.7543. Unsicherheit und Raub auf Straßen, um 1725, Kupferstich, Inv.-nr. 4.0.22325. Unbekannt: Porträt des kursächsischen Oberpostinspektors Wilhelm Ludwig Daser, um 1690, Öl auf Leinwand, Museumsstiftung für Post und Telekommunikation, Inv.-nr. 4.0.815, URL: http://emp-web-09.zetcom.ch/eMP/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&module=collection&objectId=104899&viewType=detailView [02.03.2012; ASR]. Snyers, Pieters: Überfall auf Reisewagen, um 1660, Öl auf Leinwand, Inv.-nr. 4.0.245. Brand, Friedrich August: Der beraubte Postwagen, um 1775, Kupferstich, Inv.-nr. 4.0.10978.

Gedruckte Quellen Abdruck 1632

Abdruck/Der EntschuldigungsSchrifft: so/an Ihr Churfürstl. Durchl. zu Sachsen/wegen bezüchtigung einer Verrätherey/Herr General Feldmarschald von Arnheim/vnlangst verferdigt abgehen lassen o. O. 1632. Adami 1698 Adami, Adam: Arcana pacis Westphalicae, Frankfurt 1698. Afgheworpene Afgheworpene Brieven vanden Cardinael van Grannelle ende vanden President Briefen 1580 Fonck, gheschreuen aen sommige personnige personagien vande Malcontenten, Antwerpen 1580. Afgheworpene Afgheworpene Brieven van sommighe vermommede ende valsche Patriotten. Brieven 1580a Antwerpen 1580. Von Gottes Gnaden Wir Johann Ernst/Hertzog zu Sachsen/Jülich/Cleve und Allbereit Berg … Entbieten allen und jeden unsern und derer … Gevattern/Herrn einige Officirer 1671 Johann Georgens/und Herrn Bernhards/wie auch unsers unmündigen … Vetters/Wilhelm Augustus … Hertzoge[n] zu Sachsen/Jülich/Cleve und Berg … Unterthanen in unsern gesamten Fürstenthum Weimar … unsern … Gruß und fügen ihnen hierdurch zu wissen … daß … allbereit einige Officirer und Kriegsbediente/wo nit öffentlich/jedoch in geheim … das junge unverständige Gesinde/zu Annehmung dergleichen Kriegsdienste zu bereden … Als befehlen wir vor uns und … Herrn Brüdern … hiermit … ernstlich/daß niemand/ohne vorgehend Unser/sonderliches Vorwissen/und gnädigste Zulassung/in fremdber Herrschafft Dienste/Erwerb und Bestallung sich bereden/annehmen/noch gebrauchen lassen … sollen …: Uhrkundlich … besiegelt/und geben Weimar zur Wilhelmsburg den 9. Januarii Anno LXXI, 1671.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Allerneueste Acta Publica 1757 Andres 1799 Aubery 1662

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Allerneueste Acta Publica, oder vollständige Sammlung aller derer Schrifften, Declarationen, Verordnungen etc., die durch Veranlassung des Einmarsches der königlich-preußischen Truppen in Sachsen und Böhmen öffentlich bekannt gemacht worden sind, Erster Band, 1757. Andres, Johann Baptist: Steganographie oder die Geheimschreibekunst. Kein Commentar, sondern ein Gegenstück zur G… L…schen Kunst der Geheimschreiberey, Nürnberg 1799. Aubery, Antoine oder Vialart, Charles: Illustres Cardinales Armandus Dux de Richelieu et Mazarinus, regum Franciae Ludovici tredecimi et quattuordecimi consiliari intimi o. O. 1662. Aufgefangene Brieffe, welche zwischen etzlichen curieusen Personen über den jetzigen Zustand der Staats- und gelehrten Welt gewechselt worden, 1699–1701.

Aufgefangene Brieffe 1699–1701 Baumann 1547 Baumann, Hans: Newe Zeittung: Ware und gründliche Anzeigung und Bericht, inn was gestalt auch wenn, wil und wo, Hertzog Johann Friedric, geweßner Churfürst zu Sachssen, von der Röm. Keys. Maie. neben Hertzog Moritz zu Sachssen an Sontag Misericordia Domini, der do was der XXIIII tag April Erlegt und gefangen worden ist. o.O. 1547. Bergk 1807 Bergk, Johann Adam (Hrsg.): Sammlung von Anekdoten und Charakterzügen aus den beiden merkwürdigen Kriegen in Süd- und Nord-Deutschland in den Jahren 1805, 6 und 7. Heft 1–4, Leipzig 1807. Berndt 1697 Berndt, Pater: Der verkappte und bey nahe ertappte Spion. Oder: Wunderliche Begebenheiten Des Printzen Conty, Welcher incognito in Mönchs-Kleidern Das Königreich Polen verkundschafften wollen, Oliva 1697. Betreffend die Von Gottes gnaden Johans Georg, Hertzog zu Sachssen …: [Mandat Churfürsts Johann Georg von Sachsen betreffend die Ausweisung derjenigen, Ausweisung welche sich Zigeuner nennen, aber nichts anderes als Ausspäher, Kundschafter, 1621 Verräther, Mißhändler und Frevler sind: geben zu Dreßden, den 4. Monatstag Junij, Anno 1621. Bielfeld 1768 Bielfeld, Jakob Friedrich von: Lehrbegriff der Staatskunst, 2. Teil, Breslau, Leipzig 1768. Bohn 1797 Bohn, Johann Friedrich: Wie sichert man sich vor Brief-Erbrechung und deren Verfälschung? Lübeck, Leipzig 1797. Boot 1782 Boot, Thomas: Le Pot aux Roses Oder Geheime und vertraute Korrespondenz des … Thomas Boot … mit Sr. Maj. Georg III. König von Grosbritanien und dessen Ministern … über die gegenwärtigen Begebenheiten in Europa, o. O. 1782. Demnach Seine Römische Kayserliche Majestät höchst mißfällig vernehmen Böse Leute und Verräther müssen, waß Massen in denen Schwäbisch-Ober- und Chur-Rheinisch auch Westphälisch- und Nieder-Sächsichen Craißen eine übermäßige Menge 1713 Geträydt und Pferde auffgekauffet, und der feindlichen Cron Franckreich zugeführet werden. Allerhöchst … daran gelegen, daß solche … böse Leute und Verräther auff das schärffeste bestraffet, o. O. 1713. Briefwechsel Briefwechsel des Kurfürsten Johann Friedrich des Großmüthigen mit seinem 1858 Sohne Johann Wilhelm, Herzog zu Sachsen im December 1546 über Verlust und Wiedereinnahme von Thüringen, hrsg. von Karl Freiherr von Reitzenstein, Weimar 1858.

714 Briefwechsel 2009 Brode 1890 Broglie 1903–05 Busto 1938 Cabinet 1692

Callière 1757 Cibber 1710 Clapmarius 1605 Cölln 1805 Copia Ferdinand 1630 Copia Flemming 1713 Copia Goltz 1713 Copia Hildburghausen 1757 Copia Spion1691

Anhang

Der Briefwechsel zwischen Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg und Friederike von Montmartin (= Friedensteinsche Quellen. 3), Gotha 2009. Brode, Reinhold: Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. 13: Politische Verhandlungen, Bd. 9, Berlin 1890. Broglie, Victor-Francois; Vernier, Jules (Hrsg.): Correspondance inedited de Victor-Francois Duc de Broglie, Maréchal de France avec le Prince Xavier de Saxe, Comte de Lusace, Lieutenant Général pour server à l’Histoire de la Guerre de Sept Ans (Campagnes de 1759 à 1761), 4 Bde., Paris 1903–05. Busto, Bernabé de: Geschichte des Schmalkaldischen Krieges, hrsg. von Otto Adalbert Graf von Looz-Corswaren, Burg 1938 [Übersetzung: Christopher Wertz]. Cabinet aller Cabinete/Worinnen Das gantze Geheimnüß Und viele Zeithero unbekandt gewesene Particularitäten vom jetzigen Frantzösischen Kriege entdecket werden : Mit Vorstellung Wie dieser Krieg von den Spaniern angesponnen; was vor geheime Politiquen und Staats-Intriguen von ihnen … dabey gespielet … und was für Consilia in geheimen Conferentzen und Cabineten der vornehmsten Höfe in Europa gegeben worden [et]c. ; Denen so von gegenwärtigem Kriege gründlich raisonniren wollen/zu Nutz kürtzlich aufgesetzt und an den Tag gegeben, Cöllen 1692. Callière, Francois: De la manière de négocies avec les souverains ou de l’Utilité des Négociations, du choix des Ambassadeurs & des Envoyés, & des Qualités necessaires pour reussir dans ces Emplois. 2 Bde, Ryswyk 1757. Cibber, Colley: The secret history of Arlus and Odolphus, ministers of state to the empress of Grandinsula, London 1710. Clapmarius, Arnold: De arcanis rerum publicarum libri sex: Ad amplissimum atque Florentissimum senatum rei publicae Bremensis, Bremen 1605. Cölln, Friedrich von: Politische Correspondenz zwischen einem Herrn in Berlin und einem Manne von Ansehn in London über den gegenwärtigen Krieg, London 1805. Copia Antwort Schreibens der Römischen Kayserlichen Majestät Ferdinandi II etc. Auff Ihr Churfürstl. Durchleuchtigkeit zu Sachsen etc. beweglich Schreiben sub dato 24. Augusti Anno 1630. Welchen unlangsten den 20. Septem. zu Regenspurg abgeben worden Copia eines Schreibens an Ihro Kon. Maj. in Pohlen von Sr. Excell. dem H. General-Feld-Marschall von … von Flemming … die … Landung auf die Insul Rügen betr., o. O. 1713. Copia eines Schreibens an Sr. Kön. Maj. in Polen, Churf. Durchl. zu Sachsen etc. General Feld-Marschall H. Grafen von Flemming von dem Baron von Goltz aus der Turkey d. d. Adrianopel den 28. Augusti 1713, o. O. 1713. Copia Schreibens des Herzogs zu Sachsen-Hildburghausen an den Baron v. Ferntheil: d. d. Bamberg d. 29. Dec. 1757 ; mit Befehl zur Freilassung des Canzlisten La Grange … von Ferntheil, o. O. 1757. Copia eines Schreibens aus Hamburg den dasselbst gewesenen französischen Spion betr., o. O. 1691.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Copie Flemming 1757 Copies 1717

Courtilz 1700

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Copie Schreibens des Grafen von Flemming an den Königl. Polnischen und Churfürstl. Sächsischen Comitial-Gesandten zu Regensburg, den Geheimen Rath von Ponickau, d. d. Wien den … Merz 1757, Wien 1757. Copies an extracts of several letters written by the King of Sweden and his ministers relating to the negociations of Baron Görtz, and which letters were found in a ship driven ashore in Norway by a storm, and published at Copenhagen by order of the King of Denmark, London 1717. Courtilz de Sandras, Gatien de: The French spy, or, The memoirs of John Baptist de la Fontaine, Lord of Savoy and Fontenai, late brigadier and surveyor of the French King’s army, now a prisoner in the Bastile. Containing many secret transactions relating both to England and France, London 1700. Gustavi Seleni Cryptomenytices et Cryptographiae Libri IX, Lüneburg 1624.

Cryptomenytices et Cryptographiae 1624 De Hollandse De Hollandse Spion: Door reizende de voornaamste ryken, republiken en nieSpion 1731 uw ontdekte landen van de weereld ; Waar by gevoegt is: Alles wat’ er maandelysks in Europa voorvalt … vor de maand Augustus 1731, Amsterdam 1731. De Sunde 1622 De Sunde, Jan Hercules: Steganologie und Steganographia aucta. Geheime, magische, natürliche Red unnd Schreibkunst. Auff vielfältigs begeren guter Freunde, auffs neue revidirt, an etlichen orten corrigirt, augirt, und dann zum andernmal in Truck verfertigt, Nürnberg 1622. Defoe 1719 Defoe, Daniel: Some account of the life and most remarkable actions of George Henry Baron de Goertz, privy-counsellor, and chief minister of state, to the late King of Sweden, London 1719. Della Porta Della Porta, Giambattista: De furtivis literarum notis vulgo de ziferis, Neapel 1563 1563. Dewora 1994 Dewora, Viktor Joseph; Embach, Michael (Hrsg.): „Ehrendenkmal“. Quellen zur Geschichte der Koalitionskriege 1792–1801, Trier 1994. Dietrich 1986 Dietrich, Richard: Die politischen Testamente der Hohenzollern, Köln 1986. Dlandol 1793 Dlandol, citoyen: Le contr’espion, ou les clefs de toutes les correspondances secrettes, Paris 1793. Domicello Domicello, Guarino: Vertrautes Gespräch zwischen dem Herrn und dem Die1764 ner oder Pragmatische und geheime Geschichte Friedrich August des III und … des Grafen H. von Brühl, Frankfurt, Leipzig 1764. Dulce bellum Erasmus von Rotterdam: Dulce bellum inexpertis [Süß scheint der Krieg den inexpertis 1987 Unerfahrenen], Straßburg 1520, übers. von Brigitte Hannemann, München 1987. El Criticón Graciáns y Morales, Baltasar: El Criticón, Barcelona 1985. 1985 Enchiridion Erasmus von Rotterdam: Enchiridion militis christiani [Handbüchlein eines 1968 christlichen Streiters], Antwerpen 1503, übers. von Werner Welzig, in: Ausgewählte Schriften, Bd. 1, Darmstadt 1968. Ernst Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtemberg, hrsg. von Viktor Ernst, 1899–1907 4 Bde., Stuttgart 1899–1907. Erörterung Erörterung der Frage: Ob es nach den Regeln der Staatskunst rathsam ist, den 1757 Verlust einer Schlacht zu läugnen oder falsche Siege und Vorheile auszubreiten, Göttingen 1757.

716

Anhang

Fassmann 1720 Fassmann, David: Gespräche im Reiche derer Todten, siebente Entrevüe zwischen dem General-Lieutnant Joh. Reinhold von Patkul, welcher wegen seiner besondern Qualitäten sehr berühmt gewesen, und dem Baron George Heinrich von Görtz, einen habilen Minister, worinnen beyder Fata und Hinrichtungen, sonderbare Gedancken über den Todt und das Sterben, dann verschiedene sehr dienliche Maximen vor diejenigen enthalten sind, welche ihr Glücke bei Hofe suchen wollen oder schon in Ehren-Ämtern stehen. Samt dem Kern derer neuesten Merckwürdigkeiten und darüber gemachten curieusen Reflexionen, Frankfurt a. M., Leipzig, Hamburg u. a. 1720. Fouché 1920 Fouché, Joseph: Erinnerungen von Joseph Fouché. Übersetzt und hrsg. von Paul Aretz, Stuttgart 1920. Friderici 1684 Friderici, Johannes Balthasar: Cryptographia oder Geheime schrifft-, mündlund würckliche Correspondentz, welche lehrmäßig vorstellet eine hoch-schätzbare Kunst verborgene Schrifften zu machen und auffzulösen, Hamburg 1684. Das geheime politische Tagebuch des Kurprinzen Friedrich Christian 1751–57, Friedrich bearb. von Horst Schlechte, Weimar 1992. Christian 1751–57 Fritsch 1684 Fritsch, Ahasver: Der Beschämte Geschenck-Fresser ,o. O. 1684. Gärtner Gärtner, Carl Wilhelm: Westphälische Friedens-Cantzley, Leipzig 1731–38. 1731–38 Geheime Die Kunst, geheime Schriften zu entziffern, für Feldherrn, GesandtschaftsSchriften 1808 Sekretäre, Beamten bey geheimen Kabinetten, Archivare, Polizeybeamten, Postofficianten, Diplomatiker u. a. m., Leipzig 1808. Gildon 1719 Gildon, Charles: The post-man robb’d of his mail or the packet broke open, London 1719. XLI. Graf von Schwarzburg in Diensten Karls V. und Philipps II. in den NiederGraf von Schwarzburg landen (1550) 1551–1559 (1583). Briefe, Berichte und andere Dokumente aus den Jahren 1550–1583, hrsg. von Jens Beger, Weimar 2004. 2004 Grimm Grimm, Jakob und Wilhelm: Deutsches Wörterbuch, 16 Bände, hrsg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Leipzig 1854–1960, ab Band 4.1.4 fortgesetzt von Hermann Wunderlich u. a., neubearb. und hrsg. von der Akademie der DDR in Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Leipzig 1965 ff. GrimmelsGrimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Der abentheuerliche Simplicishausen 1669 simus Teutsch, Nürnberg 1669, in: Deutsches Textarchiv, URL: http://www. deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669 [05.03.2014; ASR]. Gründliche Gründliche Antwort auf die Fragen: 1. Ob die dem Baron Görtz von seinem KöAntwort 1717 nige gegebene Vollmacht gnug sey, denselben vor einen öffentlichen Minister zu erkennen? 2. Ob man diesen Baron, ohne Verletzung des Völcker-Rechts, habe gefangen nehmen, und sich seiner Schrifften bemächtigen können? 3. Ob ein öffentlicher Gesandter, der dafür erkant worden, wegen seiner Verbrechen in Verhafft genommen, seiner Schrifften beraubt und gestrafft werden dörffte? Entworffen in einem aus dem Haag unterm dat. 20. Martii MDCCXVII von einem guten Freund an einen andern abgelassenen Schreiben, Regensburg 1717. Handorakel Gracián y Morales, Baltasar: Handorakel und Kunst der Weltklugheit [1647], übers. 1967 und hrsg. von Arthur Schopenhauer, eingel. von Karl Vosseler, Stuttgart 1967.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Harris 1684

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Harris, John: The true informer, or Monthly mercury: Being the certain intelligence of Mercurius militaris or The armies scout, from Tuesday October 7th, to Tuesday November 8th 1648. Communicating from all parts of England, Scotland and Ireland, all marshall enterprises, designes and successes; and particularly the actions, humours and qualities of the Army under the command of his Excellency Thomas Lord Fairfax/Corrected and revised by the author, at the earnest request of many wel-affected persons o. O. 1648. Hennings 1764 Hennings, Justus Christian: Praktische Logik, Jena 1764. Hermann, Johannes; Wartenberg, Günther, Winter, Christian (Hrsg.): PolitiHermann, Wartenberg, sche Korrespondenz des Kurfürsten Moritz von Sachsen, Fünfter Band, Berlin 1998 Winter 1998 Holländische Holländische Bundtsverwandtnuß. Das ist: Handlung/Bericht/und Gutachten/was gestalt Pfaltz Haidelberg mit den Staden in Hollandt ein allianz und BundtsverConfoederation vorgeschlagen/solche lestlich auch tractiert, und abgeredt/die wandtnuß von langen Jahren allda zu Haidelberg angesponnene/und letzlich ubel auß1624 geschlagene intention wider ihr Kaiserl. Majest. unnd die fridliebende Stände im H. Röm. Reich desto füglicher hinauß zuführen: Deßgleichen was etlichen hohen unnd wenigern Ständen eben bey derselben allianz zu Gemüt gangen/ der mainung/daß/wann man gleich die außrottung der Papisten soll vornemmen … ; In fine wirdt ein Exempel gesetzt von deme was man Anno 1620. vorgeschlagen/wie vermittelst diser Stadischen Bündtnuß/der den 5. Febr. zu Leiptzig gemachte Craißschluß in dem Ober-Sächsischen Crayß zuverhindern sein möcht/sambt underschidlichen zu Haidelberg gefundtnen Propheceyen vom auffnemmen der Pfaltz Haidelberg unnd Sachsen Weinmar/hergegen von undergang der Oesterreichisch- wie auch jetziger ChurSächsischer Lini.; Alles von Wort und zu Wort/auß der Haidelbergischen Gehaimen Rathsregistratur unnd Cantzley genommen/und zu besserm verstandt der Sachen/mit etlichen marginalibus erleuttert, o. O. 1624. Homme de Graciáns y Morales, Baltasar: Homme de cour, oder: kluger Hof- und Weltcour 1711 Mann, Augsburga 1711. Hortleder 1645 Hortleder, Friedrich: Von Rechtmässigkeit/Anfang/Fort- vnd endlichen Außgang deß Teutschen Kriegs Keyser Carls deß Fünfften/wider die Schmalkaldische Bundsoberste. Vom Jahr 1546. biß auff das Jahr 1558, Gotha 1645. Hunold 1705 Hunold, Christian Friedrich: Der europäischen Höfe Liebes- und Heldengeschichte, Hamburg 1705. Hunold 1731 Hunold, Christian Friedrich: Geheime Nachrichten und Briefe von Herrn Menantes Leben und Schrifften, Köln 1731. Il Principe Macchiavelli, Niccolò: Il Principe [Der Fürst], Florenz, 1513, übers. von Fried2011 rich von Oppeln-Bronikowski, Berlin 2011. Inquisition Summarischer Aus der angestellten Inquisition, eydlichen Aussage/und der De1690 liquenten selbst-eigenen Geständniß gezogener Wahrhafter Bericht/Von der/ von Jacob Martinet und Cornelis Roelants Wider Die Republic von Holland auszuüben vorgehabter höchst-verderblicher und abscheulicher Verrätherey: Samt vorhergesetzten einigen hierzu gehörigen authentischen Documenten, o. O. 1690.

718 Institutio Principis Christiani 1968 Jacobsen, Brandsch 1998–2003 Jürgas 1984 Justi 1760

Anhang

Erasmus von Rotterdam: Institutio Principis Christiani [Erziehung eines christlichen Fürsten], Löwen 1516, übers. von Anton J. Gail, Paderborn 1968. Jacobsen, Roswitha; Brandsch, Juliane (Hrsg.):Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg. Die Tagebücher 1667–1686, 3 Bde. Weimar 1998–2003.

Jürgas, Gottfried: Der Spion Menzel (= Erzählerreihe. 276), Berlin 1984. Justi, Heinrich Gottlob: Leben und Character des königl. polnischen und churf. Sächsischen Premier-Ministre Grafens von Brühl in vertraulichen Briefen entworfen. Erster Theil, o. O. 1760. Justi 1760a Justi, Heinrich Gottlob: Schreiben an das Publicum von dem Verfasser der Briefe, so unter dem Titul: Leben und Character des Grafen von Brühl, zum Vorschein gekommen. Hamburg, Leipzig 1760. Justi 1761 Justi, Heinrich Gottlob: Leben und Character des königl. polnischen und churf. Sächsischen Premier-Ministre Grafens von Brühl in vertraulichen Briefen entworfen. Zweyter Theil, o. O. 1761. Justi 1763 Justi, Heinrich Gottlob: Leben und Charakter der jüngst verstorbenen Frau Gräfinn von Brühl gebornen Gräfinn von Kolowrat in vertraulichen Briefen entworffen, o. O. 1763. Keil 1801 Keil, Karl: Die Kunst Tabellen zu fertigen, Bd. 2, Leipzig 1801. Keller, Jocher Keller, Jakob J.; Jocher, Wilhelm: Acta secreta: Das ist Der Unierten Protestie1628 renden Archif/darinn der Unierten Protestirenden vornembste Thathandlungen, Anschläg und zu deß H. Röm. Reichs der Römisch Catholischen Keyser, Fürsten und Stände … vor und nach der under ChurPfalz Directorio, geführte und von langer Zeit hero verborgen erhaltene Consilia … ; zu abgetrungener nothwendigster Rettung der vor diesem außgangnen Anhaltischen Cantzley wider einen darwider gemachten falschen Bericht und nichtige Antwort, in XIII Capita verfaßt …, o. O. 1628 Kircher 1650 Kircher, Athanasius: Musurgia Universalis, Bd. 2, Rom 1650. Kircher 1684 Kircher, Athanasius: Neue Hall- und Thon-Kunst oder Mechanische GehaimVerbindung der Kunst und Natur durch Stimme und Hall-Wissenschafft gestifftet, Ellwangen 1684. Klüber 1809 Klüber, Johann Ludwig: Kryptographik. Lehrbuch der Geheimschreibkunst (Chiffrir- und Dechiffrirkunst) in Staats- und Privatgeschäften, Tübingen 1809. Kortum 1782 Kortum, Carl A.: Anfangsgründe der Entzifferungskunst deutscher Zifferschriften, Duisburg 1782. Kraszewski Kraszewski, Józef: Aus dem Siebenjährigen Krieg. Historischer Roman, Dres1953 den 1875, übers. von Alois und Liselotte Hermann, Rudolstadt 1953 [Verfilmung unter dem Titel „Aus dem Siebenjährigen Krieg“ in der Reihe „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“, 6-teiliger Fernsehfilm, Regie: Hans-Joachim Kasprzik, DEFA 1985–87]. Krünitz Krünitz, Johann Georg: Oeconomische Encyclopädie, Berlin 1773–1858. La Decouverte La Decouverte d’un espion françois dans la ville de Hambourg, Köln 1691. 1691 Lacroix 1858 Lacroix, Paul: La Cryptographie, ou l’art d’écrire en chiffres. Les secrets de nos pères, Paris 1858.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Langallerie 1747

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Langallerie, Philippe de Gentil de: Lebensbeschreibung des Marquis von Langallerie, Genera-Lieutnants der Frantzösischen Armeen, und GeneralFeld-Marschall-Lieutnant in Dienstern Kayser Carl des VI., worinnen sehr viel geheime Nachrichten enthalten, welche die Madame von Maintenon, die Herrn von Catinat und Vendome, Victor-Amadeus, Hertzogen von Savoyen, nachmaligen König von Sardinien, den Printzen Eugenius, Augusti I. in Pohlen, die Ottomannische Pforte und viel andere wenig bekannte Dinge betrffen, von ihm selbst, in seinem Gefängnis in Wien aufgezeichnet. Gotha 1747. Laveaux 1789 Laveaux, Jean Charles Thiébault de: La vie de Frédéric II, Roi de Prusse, 7 Bde., Strasbourg 1789. Laveaux 1799 Laveaux, Jean Charles Thiébault de: Histoire de Pierre III, empereur de Russie: imprimée sur un manuscrit trouvé dans les papiers de Montmorin, ancien ministre des affaires étrangères, et composé par un agent secret de Louis XV, à la cour de Pétersbourg; avec des éclaircissemens et des additions importantes; suivie de l’histoire secrète des amours et des principaux amans de Catherine II., Paris 1799. Le Carré 1964 Le Carré, John: Der Spion, der aus der Kälte kam, Hamburg, Wien 1964 Le contr’espi- Le contr’espion, ou les clefs de toutes les correspondances secretes, Paris 1793 on 1793 Le Mang 1797 LeMang, Gregorius Ferdinand: Kunst der Geheim-Schreiberei, oder deutliche Anweisung zu einer geheimen Korrespondenz, Leipzig 1797. Luther 1902 Luther, Martin: Von heimlichen und gestolen brieffen, sampt einem Psalm ausgelegt widder Hertzog Georgen zu Sachsen, Wittenberg 1529, in: Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 30, 2, Weimar 1902, S. 1–48. Macht der Die Macht der Wahrheit in einem Schreiben des Herrn Grafen von Brühl an Wahrheit 1758 einen Kaufmann in Berlin und der Antwort des Letzteren, Warschau [eig. Berlin] 1758. Mairobert Mairobert, Mathieu François Pidanzat de: L’espion anglois, ou correspondance 1784/85 secrete entre milord All’eye et milord All’ear, London 1784–85. Marana 1733 Marana, Giovanni Paolo: Der Spion an den Höfen der Christlichen Potentaten oder Briefe und Nachrichten eines Geheimen Abgesandten der Pforte an denen Europäischen Höfen, Frankfurt a. M. 1733. Menzelische Schreiben des Königl. Preußischen Secretaire Herrn Benoît an denjenigen Kaufmann in Berlin, der durch ein selbst erdichtetes Schreiben und Antwort Verrätherey die Menzelische Verrätherey betreffend, den Namen Sr. Excellenz des Königl. 1758 Pohlnischen Churfürstlichen Sächsischen Herrn Premier-Ministre Grafens von Brühl zu mißbrauchen sich unterfangen hat, Warschau 1758. Mirabeau 1789 Mirabeau, Honoré-Gabriel de Riquetti de: Der entlarvte Spion oder Bedeutung der geheimen Geschichte des Berliner Hofes. o.O. 1789. Montag 1770 Montag, Johann Leopold: Neueröffneter Schauplatz geheimer philosophischer Wissenschaften: darinnen sowol zu der Chiromantia, Metoposcopia, Physiognomia, Ophtalmoscopia, der Punctirkunst, Onomantia, Nativitätskunst, Cabala, Cabala, Cryptologia, Cryptographia, Steganographia und Dechiffrierkunst gehörige Anleitung gegeben als auch eine gründliche Nachricht von den verborgenen Wirkungen des Magnets und der Wünschelrute ertheilet wird, Regensburg 1770. Montesquieu Montesquieu, Charles Louis de Secondat de: De l’esprit de lois, Genf, 1748, in: 1817 Œuvres de Montesquieu, Paris 1817.

720

Anhang

Montfort 1890 Montfort, A. G.: Anweisung zur Schnell- und Geheim-Schrift. (Tachygraphie und Cryptographie); nebst Verfahren, um geheime Mittheilungen vermittelst sympathetischer Tinten und der Chiffre quarré zu schreiben und solche lesen zu können; mit einer Anleitung, die Deutsche Carbonari-Sprache in einer Stunde sprechen und schreiben zu lernen, Berlin 1890. Moscherosch Moscherosch, Johann Michael: Alamoischer Politicus, Hamburg 1671. 1671 Mouchemberg Mouchemberg, A. M.: Practica Prudentiae Politicae Et Militaris: Sententiis, 1645 Axiomatibus, Exemplis & Historiis omnis aevi nec non Consiliis secretissimis practicis, Bello Paceq[ue] maxime utilibus, variisq[ue] notis ex classibus auctoribus desumptis, illustrata/Auctore Maugenberto Gallo In Re Politica Et militari Consiliario secretissimo, Paris 1645. MysterienMysterienbuch alter und neuer Zeit oder Anleitung geheime Schriften lesen zu buch 1797 können, geschwind und kurz schreiben zu lernen, ingleichen Chiffern aufzulösen. Nebst einem Anhange die Blumenchiffern der Morgenländerinnen zu verstehen und nachzuahmen, Leipzig 1797. Pelzhoffer 1710 Pelzhoffer, Franz Albrecht: Neu-entdeckte Staats-Klugheit: In Hundert Politischen Reden Oder Discoursen abgefasset, Frankfurt, Leipzig 1710. Plumptre 1801 Plumptre, Annabella: The Western Mail being a selection of letters made from the bag taken from the Western Mail, when it was robbed by George …, in 17…, London 1801. Politeia 1990 Aristoteles: Politeia [Politik], Athen 4. Jh. v. C., hrsg. von Eugen Rolfes, Hamburg 1990. Prinzessin Prinzessin Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg. Stammmutter des englischen Luise 2009 Königshauses. Quelleninventar mit ausgewählten Dokumenten des Thüringischen Staatsarchivs Gotha, hrsg. von Rosemarie Barthel (= Friedensteinsche Forschungen. 2), Gotha 2009. Pro Memoria Chur-Sächsischer Gesandtschaft Pro Memoria, de dato Regensburg den 1757 25. Sept. 1756: Nebst der Vorstellung des Freyherrn von Plotho, o. O. 1757. Prynne 1648 Prynne, William: The Machivilian Cromwellist and hypocritical perfidious new statist. Discovering the most detestable falsehood, dissimulation and Machivilian practices of L. G. Cromwel and his confederates, whereby they have a long time abused and cheated both the houses, city and country, and the wicked and treasonable things they have done, and unwarrantable means they have used to carry on their own ambitious designs, o. O. 1648. Querela Pacis Erasmus von Rotterdam: Querela pacis [Die Klage des Friedens], Basel 1517, 1986 übers. von Brigitte Hannemann, München 1986. Ranfft 1731 Ranfft, Michael: Leben und Thaten des weltberühmten königl. Pohln. und Churfürstl. Sächsischen Obersten Staats-Ministers und General-Feld-Marschalls Jacob Heinrichs des Heil. Röm. Reiches Grafens von Flemming, nebst einiger Nachricht von denen beyden ungleicher Zeit verstorbenen Grafen von Vitzthum un von Watzdorff, königl. Pohln. und Churfürstl. Sächsischer Staatsund Cabinets-Ministris; aus allerhand bewährten Nachrichten zusammengetragen und mit einem Register versehen, Naumburg, Zeitz 1731. Reinhard 1702 Reinhard, Johann Friedrich: Theatrum prudentiae elegantioris, Wittenberg 1702.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Reisetagebuch Das Reisetagebuch 1807 der Herzogin Charlotte Amalie von Sachsen-Gotha2003 Altenburg, hrsg. von Ingeborg Titz-Matuszak (= Friedensteinsche Quellen. 1), Gotha 2003. Saint-Flour Saint-Flour: Der Spion, oder: Geschichte des falschen Barons von Maubert. 1759 Verfassers verschiedener Lästerschriften, welche während dem jetzigen Kriege zum Vorschein gekommen sind und die ihm die Verweisung aus Holland zugezogen. o.O. 1759. Scherber 1795 Scherber, J. C. F.: Der Dechifrir-Schlüssel oder Entzieferung Deutscher, unter unbekannten Charactern, versteckter Schrift, Celle 1795. Schertel von Schertel von Burtenbach, Anton von: Die Kriegswissenschaft in Tabellen mit gehörigen Erklärungen, Köln 1791. Burtenbach 1791 Schlözer 1791 Schlözer, August Ludwig: Alexander von Siepmann, Kursächs. Hofrath, + 1780, 75 Jar alt. Ein ActenStück zur Geschichte des ehemaligen Despotismus in Deutschland. Factum, in: Staats-Anzeigen, 16 (1791), H. 62, S. 129–163. SchreibDer wohl-erfahrne In allerhand ungemein-Curieusen Schreib-Arten, auch Künstler 1708 sowol ergötzlichen als Sinn-reichen Gemüths-Ubungen Anweisende SchreibKünstler: Der da anzeiget und lehret Die Erfindung der Buchstaben zur Schreib-Kunst …/Ein Werck, vor langer Zeit, mit grossem Eiffer zusammen getragen, aber nunmehro allen curieusen Liebhabern der Edlen Schreib und Zahlen Kunst treu-hertzig mitgetheilet und an den Tag gegeben, Auch mit einem ordentlichen Register über alle darinn enthaltene Sachen ausgefertiget Durch Einen Liebhaber curieuser Wissenschafften, Frankfurt, Leipzig 1708. Schütz Schütz, Philipp Balthasar Sinold von: Des Träumenden Pasquini kluger Staats1697–1704 Phantasien Über den ietzigen verwirreten Zustand der Welt … Erscheinung. Allen Curieusen und Stats-verständigen Gemüthern zu fernerm Nachdencken zugeeignet und übergeben, Leipzig 1697–1704. Schütz 1708 Schütz, Philipp Balthasar Sinold von: Pasquini Geheime Brief-Tasche, Darinnen verschiedene Zwischen Ihme und einigen Thieren Gewechselte Denckwürdige Schreiben Von dem Zustande der Welt zu befinden, Astura 1708. Schwedische Schwedische und sächsische Staats-Cantzley, in welcher alle diejenigen geheimen und andere Schrifften, welche von der Zeit an, da der König in Schweden und sächsiin Sachsen gerucket, bis an seinen Ab-march, zwischen beyden höfen gewechsche StaatsCantzley 1708 selt worden, und ergangen, unverfälscht zu finden. Zur geheimen Erläuterung des damaligen Zustandes der Historie und des Landes von Sachsen, Cölln 1708. Seckendorff Seckendorff, Veit Ludwig von: Der deutsche Fürstenstaat, Gotha 1655, komm. 1976 Von Ludwig Fertig, Frankfurt a. M. 1976. Secretissima Secretissima instructio oder Aller gehaimnistes gutachten, nach welchem sich instructio 1620 Fridericus der fünfft, Pfalzgraff bey Rhein in allen begebenen fällen reguliren und durch was mittel er sein vermeintes Königreich Bohaim zu seinem grossen Ruhm wider seiner Feinde willen behaupten möge, o. O. 1620. Senckenberg Senckenberg, Johann Erasmus: Die Türkische Correspondenz, oder der nun1749 mehr entlarvte leichte Ducaten-Handel, zwischen dem Constantinopolitanischen Hof-Banquier Raphael, und dem in Holland residierenden Türkischen Agent Barbarinie, Algier, Tunis, Tripolis 1749.

722 Sermon 1532

Anhang

Ein sehr gute sermon das es nit vnrecht, vneerlich oder verreterey sey offentliche laster auß befelh der Oberkeyt in geheym anzaygen, Nürnberg 1532. Smith 1699 Smith, Matthew: Memoirs of secret service, London 1699. Stübel Stübel, Andreas: Aufgefangene Brieffe, welche Zwischen etzlichen curieusen 1699–1701 Personen über den jetzigen Zustand der Staats und gelehrten Welt gewechselt worden: Erste Ravage bestehend In Zwölff unterschiedenen Pacqueten/nebenst einen vollständigen Register, Wahrenberg 1699–1701. Stübel Stübel, Andreas: Der neubestellte Agent von Haus aus, mit allerhand curieusen 1704–09 Missiven, Brieffen, Memoralien, Staffeten, Correspondencen und Commissionen, nach Erforderung der heutigen Staats- und gelehrten Welt, Freyburg (i. e. Leipzig) 1704–1709. Stübel 1710–20 Der mit allerhand Staats- Friedens- Kriegs- Hof- Literatur- und Religions- wie auch Privat-Affairen beschäfftigte Secretarius, Freyburg (i. e. Leipzig) 1710–20. Sun Tsu 2011 Sun Tsu: Die Kunst des Krieges, China, ca. 500 v. C., hrsg. von Sun Wu, übers. von Volker Klöpsch, Berlin 2011. Teutsche Kriegs-Canzley auf das Jahr 1757. Zweyter Band Frankfurt, Leipzig Teutsche Kriegs-Canz- 1757. ley 1757 Thieme 2010 Thieme, André: Die Korrespondenz der Herzogin Elisabeth von Sachsen und ergänzende Quellen. Erster Band: Die Jahre 1505 bis 1532, Leipzig 2010. Thomasius Thomasius, Christian: Ratione status. Quaestionum, historico-philosophico-ju1693 ridicarum in academia fridericiana. Halle, Magdeburg 1693. Treiber 1700 Treiber, Johann Philipp: Disputatio inauguralis juridica de Exploratoribus Von Spionen, quam ex illustris facultatis juridicae decreto in academia jenensi dirigente Dn. Wilhelmo Hieronymo Brucknero D. pandect. prof. publ. facultatis juridicae scabinatus et curiae provincialis assessore gravissimo Patrono ac promotore suo summa reverentia afficiendo Pro licentia summos in utroque jure acquirendi honores. Jena 1700. Trithemius Trithemius, Joannes: Steganogaphia. Hoc est: Ars per occultam scripturam 1621 animi sui voluntatem absentibus aperiendi certa praefixa est huic operi sua clavis, seu vera introductio ab ipso authore concinnata. Hactenus quidem a multis desiderata, sed a paucissimis visa. Nunc vero in gratiam secretioris philosophiae studiosorum publici iuris facta. Darmstadt 1621. Vockerodt Vockerodt, Johann Gotthilf (Hrsg.): Recueil de quelques lettres, et autres pieces 1746 interessantes, pour servir à l’histoire de la paix de Dresde. Sammlung einiger Briefe und anderer wichtiger Stücke, welche die Geschichte des Dreßdenschen Friedens erläutern, Frankfurt a. M., Leipzig 1746. Warhafftige Ein warhafftige Copey einer Schrifft, so der Durchlauchtigste hochgeborne Copey 1547 Fürst und Herr, Herr Johans Friderich, Herzog zu Sachssen, Churfürst und Burggraff zu Magdeburg, an gemeine Hertzog Moritzen zu Sachssen Landtschafft gethan, Erfurt 1547. Wegen unWas Se. Königl. Majest. in Pohlen [et]c. und Chur-Fürstl. Durchl. zu Sachßen gebührlicher [et]c. Unser allergnädigster Herr per Rescriptum vom 20. Nov. an Dero OberAuffführung Post-Ampt, wegen ungebührlicher Auffführung einiger Post-Meister, Post-Ver1720 walter und Post-Halter auf ihren Stationen, ergehen lassen, haben dieselbe auch nachfolgenden mit mehren unterthänigst zu ersehen. Demnach der Aller Durchlauchtigste … König in Pohlen … mißfällig vernehmen müssen, Halle 1720.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Welcher Gestalt 1528 Wicquefort 1682 Wilson 2004 Zedler Zenner 1701 Ziegler und Klipphausen 1703 Ziegler und Klipphausen 1710 Zum ewigen Frieden 1981

723

Georg, Herzog von Sachsen: Welcher gestalt wir Georg von gots gnaden Hertzog zu Sachssen Landtgraff in Duringen vnd Marggraff zu Meyssen von Martino Luther, des getichten Buendtnues halben inn schriefften vnerfindtlich angegeben, Vnd darauff vnnßere antwort, Dresden 1528. Wicquefort, Abraham de: L’ambassadeur, oder Staats-Bothschaffter, und dessen hohe Fonctions, und Staats- Verrichtungen, Frankfurt a. M. 1682. Wilson, Daniel W. (Hrsg.): Goethes Weimar und die Französische Revolution. Dokumente der Krisenjahre, Köln, Weimar, Wien 2004. Zedler, Johann Heinrich: Großes vollständiges Universallexicon aller Wissenschafften und Künste, Leipzig 1731–54. Zenner, Gottfried: Geheime Briefe, so zwischen curieusen Personen über notable Sachen der Staats- und gelehrten Welt gewechselt worden, Leipzig 1701. Ziegler und Klipphausen, Heinrich Anselm von: Pasquini unvorgreiffliches Bedencken von den Caffe-Häusern, darin unter andern des löblichen Frauen-Zimmers deswegen führende Klagen und vielfältige Beschwernüssen mit angemercket sind, o. O. 1703. Ziegler und Klipphausen, Heinrich Anselm von: Pasquini Zu dreyenmahlen geöffnete Geheime Brief-Tasche : darinnen verschiedene Zwischen Ihme und einigen Thieren, Als dem Löwen, Reit-Pferd … Gewechselte denckwürdige Schreiben von Dem Zustande der Welt zu befinden, Astura 1710. Kant, Immanuel: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, Königsberg 1795, in: Kant, Immanuel: Werke in zehn Bänden, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Band 9, Darmstadt 1981.

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724 Arndt 2010a Asch 1998 Asch 2007 Asch 2011 Asche 2008 Assmann, Assmann 1997 Assmann, Assmann 1997a Auer 1998

Anhang

Arndt, Johannes: Das Mediensystem im Alten Reich der Frühen Neuzeit 1600–1750, in: Ders. 2010, S. 1–26. Asch, Ronald G.: Die englische Republik und die Friedensordnung von Münster und Osnabrück, in: Duchhardt 1998, S. 423–443. Asch, Ronald G.: Der Höfling als Heuchler? Unaufrichtigkeit, Konversationsgemeinschaft und Freundschaft am frühneuzeitlichen Hof, in: Reinhard 2007, S. 183–203. Asch, Ronald; Emich, Birgit; Engels, Jens I. (Hrsg.): Integration – Legitimation – Korruption: politische Patronage in Früher Neuzeit und Moderne, Frankfurt a. M. 2011. Asche, Matthias; Herrmann, Michael; Ludwig, Ulrike u. a. (Hrsg.): Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit, Berlin 2008. Assmann, Jan; Assmann, Aleida (Hrsg.): Schleier und Schwelle. Archäologie der literarischen Kommunikation, Bd. 1, München 1997. Assmann, Jan; Assmann, Aleida: Zur Einführung, in: Dies. 1997, S. 7–17.

Auer, Leopold: Die Ziele der kaiserlichen Politik bei den westfälischen Friedensverhandlungen und ihre Umsetzung, in: Duchhardt 1998, S. 143–173. Auer 2012 Auer, Leopold: Die Die Korrespondenz Prinz Eugens mit den kaiserlichen Gesandten in Polen, Vortrag auf der Tagung „Das europäische System der ,Balance of Power‘ und die österreichisch-russischen Beziehungenam Anfang des 18. Jahrhunderts“, Wien, 6.–8. Dezember 2012 Auge 2008 Auge, Oliver (Hrsg.): Bereit zum Konflikt. Strategien und Medien der Konflikterzeugung und Konfliktbewältigung im europäischen Mittelalter, Ostfildern 2008. Aulinger 2008 Aulinger, Rosemarie: Ein treuer Diener seines Herrn. Magister Franz Burkhard als Gesandter des Kurfürsten von Sachsen auf dem Wormser Reichstag 1545, in: Edelmayer 2008, S. 85–102. Aumale, Aumale, Geoffrey d’; Faure, Jean-Pierre: Guide de l’espionnage et du contreFaure 1998 espionnage, Paris 1998. Babel 2005 Babel, Rainer (Hrsg.): Le diplomate au travail. Entscheidungsprozesse, Information und Kommunikation im Umkreis des Westfälischen Friedenskongresses, München 2005. Backmann Backman, Stig: Von Rawitsch bis Fraustadt. Studien zur Diplomatie des großen 1941 nordischen Krieges 1704–1706, in: NASG 62 (1941), S. 160–175. Bahlcke 2008 Bahlcke, Joachim; Korthaase, Werner: Daniel Ernst Jablonski. Religion, Wissenschaft und Politik um 1700 (= Jabloniana. 1), Wiesbaden 2008. Bahner 1984 Bahner, Werner (Hrsg.): Sprache und Kulturentwicklung im Blickfeld der deutschen Spätaufklärung. Der Beitrag Johann Christoph Adelungs (= Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologischhistorische Klasse, Band 70, Heft 4), Berlin 1984. Baks 1998 Baks, Paul; Nienes, A. P.; Van Dalfsen, A.: Inventaris van de collectie microfiches van stukken betreffende het bestuur van de saksische Hertogen over Friesland (1488), 1498–1515 (1520). En hun bemoeienis met Groningen (originelen in Dresden en Wenen) (= Monumenta Frisica. 59), Ljouwert 1998.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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726 Berg 2010 Bernard 1991 Bernsee 2013 Berridge, James 2001 Betts, Mahnken 2003 Beyrer 1999

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Kuhlbrodt 2015 Kühn 2012 Kühnel 2007 Kühner 2010 Kuhoff 2003 Kulischer 1988

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Rosa 2005 Röse 1828 Rothenberg 1992

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Thiessen 2010a Thiessen, Windler 2005 Thiessen, Windler 2005a Thiessen, Windler 2010 Thompson, Padover 1965 Thoß 2008 Tischer 1999

Töppel 2005 Töppel 2008 Trappmann, Hummel, Sodeur 2005 Tschopp 2012

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Weber 2008 Weber 2008a Weber 2009 Wegener 2006 Wegner 2000 Wegner 2002 Weinreich 2011 Weisbrode 2013 Weiß 2003 Weiß 2008 Weller 1864

Anhang

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Register Ortsregister Bei den meisten Orten sind die historischen, deutschen Namen angegeben und die heutigen Ortsnamen in Klammern ergänzt. Nicht ins Ortsregister aufgenommen wurden Erwähnungen in Literaturtiteln oder Bestandsnamen sowie Druckorte. Zudem wurden wegen zu häufiger Nennung nicht aufgenommen (in alphabetischer Reihenfolge): Dresden, Frankreich, Polen, Preußen, Österreich, Sachsen, Schweden, Wien. A Aachen 200 Adorf/Vogtland 325, 611, 611 Anm. 1579 Altenburg 169, 247, 332, 360, 491, 498, 512, 612, 617–620, 657 Altmark 401, 601 Altona 219, 446, 466, 578 Altranstädt 444, 454, 457, 459–460, 465 Amberg 419 Amerika 14, 46, 48, 57, 145 Anm. 399, 161, 183, 202, 525, 532, 639, 642 Amsterdam 164, 210, 212, 593, 638 Anhalt 54, 60 Anm. 239, 62, 183, 292–293, 330, 372, 374, 391, 506 Anm. 1119, 546, 613–614 – Anhalt-Dessau 60 Anm. 239, 202, 247, 292, 481 539, 606, 612 – Anhalt-Zerbst 60 Anm. 239, 532 Annaburg 336, 560–561 Ansbach 206, 268, 427 Aragon 186 Arnstadt 206, 356, 367, 512 Arras 267, 339 Aschersleben 394, 394 Anm. 508 Asow 172 Astura 54 Auerstedt 645

Augsburg 257, 271, 299, 307–308, 313 Anm. 95, 315, 319, 320 Anm. 134–135, 140, 321 Anm. 141, 339–341, 348–350, 357, 364, 368 Augustusburg 404, 498 Auras (Uraz) 465 Auscha 402 Aussig (Ústí nad Labem) 594 Austerlitz 666 Avignon 231 B Bad Muskau 649 Bad Podiebrad (Lázně Poděbrady) 398 Bamberg 304, 320 Anm. 137, 377–378, 377 Anm. 415, 406, 419, 612 Baruth 268, 502–503, 525, 598 Bärwalde 406 Bautzen 146 Anm. 403, 381, 383, 491, 494, 567–568, 589, 589 Anm. 1490 Bayern (Kurbayern) 68, 154, 232, 241, 264, 271, 277, 287, 292–293, 304, 306, 312, 315, 318– 320, 320 Anm. 137, 344, 347, 352 Anm. 293, 365–366, 365 Anm. 358, 370, 372–374, 376, 381, 384–386, 385 Anm. 460, 396–397, 406, 419, 424, 426, 429, 436, 442, 444, 461, 486, 519, 525, 529, 541, 565–566, 571–572, 640, 640 Anm. 1703, 645, 655–657

762

Register

Bayreuth 206, 268, 400 Anm. 546, 428, 520, 612–613, 617, 619–620 Belgrad 529 Belzig 479 Bender 465 Berg 519 Berggießhübel 640 Berka (Bad Berka) 304 Berlin 58 Anm. 231, 60, 91, 128, 169, 174 Anm. 554, 186 Anm. 616, 198, 200, 206–207, 209, 219, 238, 238 Anm. 39, 239, 242, 253, 265, 273, 394, 417, 448–450, 453, 468–469, 476, 479 Anm. 983, 480–485, 495, 501–502, 505, 506 Anm. 1119, 513, 519, 524–525, 527, 530–531, 537, 539 Anm. 1239, 542–545, 553, 560, 563–570, 573, 576–577, 576 Anm. 1422, 578 Anm. 1436, 579, 583, 590, 593, 597, 598 Anm. 1525, 602–604, 607–608, 608 Anm. 1568, 613, 637, 653, 661, 677 Bern 180, 277 Biederitz 394 Bischofswerda 458 Bletchley Park 236 Böhmen 48, 183 213, 257, 291, 317, 320, 323–324, 333, 335, 338, 369–372, 374, 378, 384, 389, 398– 401, 436 Anm. 718, 492–493, 501 536, 541, 544, 554 Anm. 1305, 568, 571, 583, 594, 601, 606, 615–616, 618, 622, 626, 641 Anm. 1710, 648 Bordeaux 574, 638 Boulogne 646 Bracław 238 Anm. 39 Brandeis 381 – Brandenburg-Ansbach 103, 299 – Brandenburg-Küstrin 312, 345 – Brandenburg-Kulmbach 312, 342, 344 – Brandenburg-Preußen 58–59, 135–136, 150, 158, 178, 178 Anm. 573, 208, 265, 268, 270, 287, 293, 293 Anm. 245, 299, 302, 304, 331, 341, 346, 351–352, 354–356, 354 Anm. 308, 355 Anm. 309, 366–367, 373–374, 376, 379, 379 Anm. 430, 384, 392, 394, 394 Anm. 508, 401, 401 Anm. 550, 413, 417, 419, 423–426, 425 Anm. 658–659, 427 Anm. 669, 429– 430, 429 Anm. 682, 436–437, 439–441, 439 Anm. 734, 440 Anm. 736–738, 443, 452, 465–466, 478, 486, 572, 607, 610, 614, 624

Braunschweig 145, 187, 270, 293, 310, 313, 313 Anm. 99, 315, 320 Anm. 137, 323–324, 331, 335, 391, 396, 401, 428, 432–433, 440, 486, 605, 641 Anm. 1710, 645, 650 Anm. 1766 – Braunschweig-Lüneburg 32, 53, 270, 279, 342, 360, 397, 410, 418, 433, 433 Anm. 706 – Braunschweig-Wolfenbüttel 135, 190, 248, 391, 394, 403, 418, 428, 461, 486, 520 – Braunschweig-Calenberg 287, 302 Braunschweig-Oels 650 Braunsdorf 547 Breisach 407–408, 414 Breitenfeld 384, 392 Bremen 137, 320 Anm. 137, 355, 391, 451 Breslau (Wrocław) 212, 264, 304, 317, 318 Anm. 126, 459, 464, 468, 473–474, 502, 510–511, 511 Anm. 1134, 528–529, 537, 544, 558, 563, 565, 628, 630, 646 Brixham 272 Brünn (Brno) 437, 583 Brüssel 200, 350, 481, 553 Bunzlau 402, 464 Burg 394 Burgund 46, 277, 300, 407, 414, 510 Burkersdorf 592 C Calais 144, 187 Anm. 621 Cambrai 200 Camburg 312 Cevennen 182 Châlons-sur-Marne 212 Chambord 346, 472 Chemnitz 208, 381, 398–399, 404, 493, 498, 592 China 51, 204–205, 339 Chlum 538 Christianstadt (Krzystkowice) 528, 528 Anm. 1196 Coburg 221, 474, 479 Colditz 208 Cölln 150, 352, 383 Cottbus 649–650 Crepy 312 Crossen/Oder 443, 465, 544 Czenstochau (Częstochowa) 465

Ortsregister

D Dänemark 60 Anm. 239, 65, 181, 193–194, 207, 219, 263 Anm. 112, 273 Anm. 167, 315, 317– 318, 318 Anm. 126, 320 Anm. 137, 349–350, 354, 360, 366, 370–371, 374, 377, 384, 394, 401, 406, 425, 448, 450, 452–454, 466–467, 476–477, 495, 524, 539, 628 Danzig 152, 152 Anm. 433, 257 476–477, 521, 534, 538–539, 564, 566, 574, 579, 590–591 Dessau 183, 265, 302, 305, 372, 394 Dieskau 544 Dinslaken 201 Dippoldiswalde 547, 592 Döbeln 592 Donau 320, 325, 513, 513 Anm. 1138 Donauwörth 315 Dornburg 312, 333, 646 Dortmund 201 Düben (Bad Düben) 608 Duderstadt 590 Duna 449 Dux (Duchcov) 554 Anm. 1305, 641 Anm. 1710 E Edirne 165 Eger (Cheb) 156, 318, 318 Anm. 125, 337–338, 399–400, 456 Eichstätt 317, 318 Anm. 126, 383 Eilenburg 349, 608–609 Eisenach 145, 265 Anm. 128, 266, 428, 432, 520 Eisleben 384, 405, 494, 596 Elbe 117, 335, 337, 394, 542, 587, 606, 609, 645, 652 Anm. 1773 Elbsandsteingebirge 61, 342 – Goldschmidthöhle 62 – Papststein 62 Elendshorn 467 Elsass (Alsace) 407, 434, 470, 613, 622 Emden 267 Anm. 135, 349 England 15, 17, 45–49, 55, 89, 135, 142, 145, 145 Anm. 399, 161–162, 166, 174, 182, 185, 187, 187 Anm. 621, 189, 193, 197 Anm. 652, 201–202, 212, 230, 235, 236 Anm. 33, 239, 257, 263, 269, 272, 277, 279, 295, 298, 314–316, 320 Anm. 137, 349, 349 Anm. 275, 350, 366, 373–374, 417, 419, 419 Anm. 631, 425, 429, 431, 434–435, 481–482, 495, 497, 513, 519,

763

524, 532, 537, 540, 548–549, 551–554 Anm. 1305, 556, 572–574, 572 Anm. 1403, 582, 628, 631, 638–639, 642, 648, 650 Anm. 1766, 1768–1769, 653, 656–666 Erfurt 265, 304, 32, 357 Anm. 318, 358, 358 Anm. 319, 366, 381, 385, 398, 405, 420–423, 428, 432, 492, 516, 519, 632, 651 Erzgebirge 169, 604 Estland 448, 465–466 F Ferrara 342, 348–349 Finnland 466 Finsterwalde 383–384 Flandern 203, 641 Anm. 1710 Fort de Joux (Châteaux de Joux) 212 Frankfurt am Main 164–165, 238 Anm. 39, 264–265, 308, 352, 371, 432, 436, 510–511, 573, 589, 593, 597, 613 Frankfurt/Oder 389, 473, 593, 597 Frauenprießnitz 169 Freiberg 208, 385, 398–400, 398 Anm. 542, 399 Anm. 549, 408, 493, 592 Friedrichsfelde 652 Friesland 101–102, 150, 299–300 Fulda 322, 377 Fürth 427 Füssen 539, 566 G Geithain 220–221, 309, 332 Geldern 481 Generalstaaten s. Niederlande Georgenberg 323 Gera 620, 653 Gerlachsheim 622 Gibraltar 161, 179 Giengen 321 Glatz (Kłodzko) 544 Glauchau 538 Glogau (Großglogau, Głogów) 464, 466, 538 Gnesen (Gniezno) 486 Gommern 479 Görlitz 146 Anm.403, 221, 388 Anm. 481, 456, 494, 567 Goslar 313, 313 Anm. 99, 323

764

Register

Gotha 26, 43, 46 Anm. 155, 51, 60, 130, 176, 265, 301, 321–323, 321 Anm. 144, 146, 322 Anm. 147, 323 Anm. 153–154, 353, 353 Anm. 301, 356, 358, 360, 362, 362 Anm. 342, 364, 399 Anm. 543, 403 Anm. 566, 404, 432, 596, 618, 643, 654 Anm. 1783 Göttingen 566 Greiz 323 Griechenland 109, 122, 187, 231, 289, 327, 339, 360, 656, 656 Anm. 1797–1798 Grimma 311 Grimmenstein, Festung 354, 358, 361–362, 362 Anm. 342 Groningen 299 Großbritannien s. England Großengösteritz 642 Großenhain (Hain) 301, 560, 562, 562 Anm. 1351, 567, 569 Grünberg (Zielona Góra) 528 Güstrow 220, 286 H Haag (Den Haag) 135, 139, 161, 169, 173, 185, 200, 210, 219, 261, 273, 371, 424–425, 455, 481, 504–505, 506 Anm. 1119, 551–553, 593 Hagenau 407 Hainsbach 493 Halberstadt 60 Anm. 239, 183, 323, 374, 394, 439, 519 Halle (Saale) 54, 180–181, 207, 247 Anm. 61, 286, 322, 34, 383, 401, 462, 544–546, 596, 605, 641 Anm. 1710, 646, 648 Hamburg 55–57, 146, 212, 219, 265, 268, 273 Anm. 167, 376–377, 383, 386, 390 Anm. 487, 433, 452, 454–455, 512, 566, 591, 615, 630–631, 641 Anm. 1710 Hameln 378, 394 Hanau 393 Hannover 48, 145, 164–165, 168–169, 254 Anm. 85, 313 Anm. 99, 415, 418, 432, 436, 438–439, 443, 453, 461, 465, 467–468, 486, 495, 504–505, 506 Anm. 1119, 510, 519–520, 540, 542, 566, 572, 652 Hartha 309 Harz 210, 384, 394, 566, 645, Heidelberg 373–374 Heilbronn 370, 406, 432

Helgoland 212 Helmstedt 182, 492 Herbsleben 432 Herrnhut 622 Herrnstadt (Wąsos) 466 Hersfeld 377 Herzogswalde 493 Hessen 48, 268, 271, 279, 299, 302–304, 303 Anm. 40–46, 304 Anm. 47, 305 Anm. 52, 58, 306 Anm. 61–63, 309 Anm. 82, 311, 313, 315, 320 Anm. 137, 322, 324, 39 Anm. 174, 330, 332, 338, 341–342, 344–347, 347 Anm. 264, 348–349, 351, 366, 378, 378 Anm. 422, 392, 407, 411, 429, 434, 439–440, 441 Anm. 739, 467, 478, 505 – Hessen-Darmstadt 270, 386, 428 – Hessen-Kassel 279, 378 Anm. 423, 386, 424, 427, 565 Anm. 1369–1370 Hildesheim 323, 423 Hochburgund 407–414 Höchstädt 179 Hof 456, 616 Hohenfriedberg 544, 572 Hohenkränig (Krajnik Górna) 590 Hohnstein (Honstein), Grafschaft im Harz 403 Hohnstein, Burg 167, 213, 401, 511, 578 Holland s. Niederlande Holstein 113, 270, 360, 440, 448, 628 Hubertusburg 14, 164, 246, 253, 416, 634, 636 I Ilmenau 617, 619–620 Indien 145 Anm. 399, 149, 181, 204, 532, 532 Anm. 1302 Ingermanland 448 Innsbruck 300, 346–348 Italien 29, 47, 55, 60, 132, 168 Anm. 524, 179, 184 Anm. 607, 187 Anm. 622, 204, 230, 239, 247, 249 Anm. 71, 285 Anm. 218, 297–299, 301, 319, 336, 350–351, 355, 374, 406, 413, 416 Anm. 620, 418–419, 431, 461, 471 Anm. 923, 485, 513–514, 526–527, 529, 537–538, 551, 553, 571–572, 641 Anm. 1710, 644

Ortsregister

J Jankau 385 Jena 160, 207, 301, 323, 364–365, 386, 492, 643–645, 654 Anm. 1783 Jülich 301, 317, 318 Anm. 126, 339, 422, 424, 481, 519, 524 K Kahla 620 Kalisch (Kalisz) 215, 459–460, 462, 522 Kamenz 146 Anm. 403, 494 Kanaan 187 Karelien 448 Karlowitz 447 Karlsbad (Karlovy Vary) 219, 405, 604, 653 Kassel 169, 265, 300, 322, 332–334, 338, 345, 383, 428, 495, 520, 565, 641 Anm. 1710 Kesselsdorf 215, 545, 547, 572 Kay (Kije) 622 Kirchberg/Sachsen 613–614 Kirchenstaat s. Vatikan Klein-Schnellendorf (Przydroże Małe) 571 Kleve (Cleve) 310, 482, 618 Klipphausen 54 Klissow 451, 456 Köln 315, 317, 318 Anm. 126, 320 Anm. 137, 365, 386 Komárom 164 Königsberg 342, 477, 586 Königstein i. Taunus 305 Königstein, Festung 62, 131, 209, 212–214, 213 Anm. 749, 217, 305, 366–367, 367 Anm. 366, 401, 444–445, 454, 459, 461, 464, 472–473, 482, 488–4889, 491–492, 494, 498–499, 511, 547–549, 551, 575, 581, 594, 604, 606, 614– 616, 616 Anm. 1601, 631, 639–642, 647, 650 Kaschau ((Košice) 32 Kösen 645 Konstantinopel (Byzanz, Istanbul, Hohe Pforte) 162, 164–165, 171, 205, 221, 268, 297, 416 Anm. 620, 430, 447, 450, 528–529, 650, 656 Anm. 1798 Kopanice (Posen) 215, 522 Kopenhagen 249 Anm. 70, 255, 292, 416 Anm. 620, 524, 527, 590, 594 Anm. 1514, 746 Koporje (Caporie) 269 Kosovo 672

765

Koßdorf 560–561 Kosten (Kościan) 215 Kötzschenbroda 79, 370, 408, 413 Krakau (Kraków) 178, 450–451, 464, 507, 562 Kräschitz 402 Kriebstein 309, 311 Krotoschin (Krotoszyn) 465 Krugsreuth (Kopaniny/Aš) 611 Kulmbach 206, 618 Kunersdorf (Kunowice) 607, 622 Kupferberg 209, 613 Kurland 164, 450, 480, 523, 541, 579, 599 Kurbayern s. Bayern Kurpfalz s. Pfalz Kursachsen s. Sachsen Küstrin (Kostrzyn nad Odrą) 153, 590 L L’Écluse, Fort 551 Landau in der Pfalz 470 Landeshut (Kamienna Góra) 621 Langensalza (Bad Langensalza) 432, 566, 596, 620 Lauban (Lubán) 146 Anm. 403, 621 Lauchstädt 587 Lausitz 317, 370,375, 456, 536, 545, 563, 654 Lauterbach 520 Laxenburg 432 Leeuwarden 299 Leipa (Lípa) 174 Anm. 551, 435, 435 Anm. 716 Leipzig 28, 38 Anm. 121, 53–54, 130, 133, 146 Anm. 403, 147, 164, 169, 183, 207, 210–215, 211 Anm. 740, 217, 219, 235, 238, 264–266, 265 Anm. 128, 268, 300, 305, 331, 334, 343, 350, 363, 365 Anm. 359, 370, 373, 384–386, 395, 401, 401 Anm. 548, 408, 418, 433, 433 Anm. 703–704, 461–463, 474, 487, 490, 493–494, 498, 502, 506, 511, 519, 532, 544–545, 565–566, 566 Anm. 1375–1376, 577, 589–592, 589 Anm. 1491, 592 Anm. 1506, 596–597, 608–609, 612, 614, 617–618, 631, 641 Anm. 1710, 649–650, 650 Anm. 1766, 652, 654 Anm. 1784 – Pleißenburg 183, 213, 284, 490 – Messe 164, 207, 219, 418, 565, 641 Anm. 1710 Leisnig 286

766

Register

Leitmeritz (Litoměřice) 401–402, 648 Anm. 1753 Lemberg (Lwiw) 169, 238 Anm. 39, 388 Anm. 481 Leubnitz b. Werdau 614 Lichtenburg, Schloss 394, 484 Liebenwerda 169 Liegnitz 317, 318 Anm. 126, 319 Limburg 481 Lindow 588 Linnay b. Töplitz (Hliňany) 621 Lippe 378 Litauen 269, 354, 449, 455, 534, 572–574 Livland 215, 241, 241 Anm. 45, 269, 282 Anm. 206, 317, 355, 447–449, 453, 455, 465–466 Lobositz (Lovosice) 606 Lochauer Heide (Annaburger Heide) 192 Anm. 641, 335, 337–338, 668 Lombardei 61 Anm. 244, 501 London 102, 145, 169, 201–202, 238 Anm. 39, 295, 349, 373, 429, 455, 527, 551, 553, 576–577, 656 Lothringen 353, 355, 407, 432, 470, 503, 537, 541, 544 Lübeck 189, 352, 387, 467 Lublin 249 Anm. 71, 465, 559 Luckau 385, 567, 569 Lüneburg 360 Lüttich (Liège) 169, 550, 553 Lützelstein s. Petit-Pierre Lützen 379, 400, 406 Luxemburg 431, 538 Luzern 277 Lyon 169, 551 M Madrid 169, 171, 374, 416, 527, 550 Magdeburg 60 Anm. 239, 62, 158, 166, 270, 341, 346–347, 369–370, 375, 378, 382, 384, 389–395, 391 Anm. 494, 392 Anm. 499–500, 410, 413, 424–425, 425 Anm. 661–662, 448, 479, 530, 538–539, 544–545, 591–592, 596, 598 Anm. 1525, 609, 612, 634, 677 – Spionskopf 62 Mähren 371, 384–385, 541 Mailand 268, 277, 298, 416 Anm. 620 Mainz 232, 238 Anm. 39, 241, 266, 271 Anm. 157, 287 Anm. 230, 302, 304, 313, 315–316, 320 Anm. 137, 360, 386, 395 Anm. 516, 420–429, 492 Manchester 57

Marienburg (Malbork) 559, 625 Marienthal 639 Marienwerder 521, 521 Anm. 1167 Meerane 561 Meiningen 428, 512 Meißen 54, 104 Anm. 170, 192 Anm. 641, 206–209, 206 Anm. 711, 207 Anm. 713, 303, 336–337, 385, 462, 491, 589 Mělník 402, 402 Anm. 559, 435 Merseburg 60, 146 Anm. 403, 490, 494, 505 Merxleben 432 Metz 346 Meuselwitz 540 Kupferberg ((Miedziana) 613 Mildenburg 385 Militsch (Milicz) 465 Minden 575, 622 Mitau (Jelgava) 579 Mittelmeer 145 Anm. 399 Mittenwalde 268 Mittweida 309, 331, 334 Anm. 199 Modena 533 Moldau 369, 385 Molsdorf 265, 519 Montauban 182 Moskau 208, 215, 241, 241 Anm. 45, 254 Anm. 85, 269, 447, 449, 454, 502 Mühlberg 334–335, 587 Mühlhausen 216, 323, 323 Anm. 155, 421, 620, 642, 645 Anm. 1737 Mulde 310, 608, 647 Münchberg 618 München 154, 238 Anm. 39, 390, 426, 565, 565 Anm. 1368, 638, 677 Münster 265, 272, 409, 425, 495 N Nantes 182, 351 Nassau 305, 637 Naumburg 183, 299, 310, 313, 473, 489, 491, 494, 528, 605 Neapel 238 Anm. 39, 641, 641 Anm. 1710 Neipperg 128 Neiße (Nysa) 571, 609 Neudietendorf 519 Neustadt a. d. Orla 365 Neustadt in Sachsen 498, 354 Anm. 307

Ortsregister

Niederlande (Generalstaaten, Republik der Sieben Vereinigten Provinzen, Holland, Vereinigte Niederlande) 46, 113, 145–146, 161, 174 Anm. 555, 181, 184, 189, 194, 211–212, 267 Anm. 135, 272–273, 306, 320, 320 Anm. 137, 345, 350–352, 354, 360, 366, 368–369, 373–374, 376–377, 390–391, 409–410, 417, 425–426, 429, 434–435, 445, 450 Anm. 790, 460, 465, 481, 495, 504–505, 506 Anm. 1119, 516, 533, 551–552, 553, 554 Anm. 1305, 556, 564, 566, 572–573, 577, 582, 590–591, 593, 613, 614, 617–619, 639–640, 641 Anm. 1710, 656 Niederlausitz 169, 567 Niederwiesa 567 Nijmwegen 429 Nohra 643 Nordhausen 174, 267, 293–294, 362–363, 380, 384, 398, 403, 486, 566, 608, 608 Anm. 1568 Nördlingen 315, 399, 406, 570 Nordsee 376, 650 Anm. 1766 Nösgen 642 Nürnberg 159, 196, 231, 264–266, 265 Anm. 128, 298–299, 299 Anm. 13, 307, 315, 351, 427, 452, 486 Nystad 468, 668 O Oberheselicht 383 Oberlausitz 626, 639, 567 Oberlichtenau 621 Oberwiesa 567 Ochakow (Otschakiw) 465 Oelsnitz/Vogtland 611 Ofen 164 Olbernhau 210 Olmütz (Olomouc) 136, 384,539, 584 Orange 411 Oranien 434–435, 481, 641 Anm. 1710 Oschatz 311 Osmanisches Reich s. Türkei Ostfriesland 267 Anm. 135, 349, 531–532 Ostritz 639 Ostsee 360, 368, 441, 447–448, 466 P Paderborn 265 Pannewitz am Taucher 555 Anm. 1316, 622

767

Paris 45, 55, 57, 112, 131, 145, 169, 184, 187 Anm. 622, 238 Anm. 39, 239, 277–278, 346 Anm. 253, 418, 426, 431, 444, 472–474, 474 Anm. 948, 481, 487, 495, 527, 530, 532–533, 574, 578 Anm. 1436, 58, 642, 646, 649 Anm. 1761, 650, 652 Parma 533 Passau 348 Pechau 394 Persien 189–190, 222 Anm. 796, 247, 553, 553 Anm. 1304 Peterswalde (Petrovice) 492, 588, 648 Petit-Pierre, Festung (Lützelstein) 613 Petrikow (Petrykau) 472 Pfaffendorf 511 Pfalz (Kurpfalz) 200, 232, 241, 271 Anm. 157, 312, 315–317, 318 Anm. 126, 319 Anm. 134, 320 Anm. 137, 345, 366, 369–374, 369 Anm. 373, 427, 434–436, 468, 645, 670 – Pfalz-Zweibrücken 468–469, 617 Pillnitz 637 Pirna 381, 383, 385, 401, 479, 500, 548, 588, 594, 604–606 – Sonnenstein, Festung 211, 213–215, 217–218, 445, 453–454, 461, 467, 473, 475–477,488, 490–491, 498, 522, 548, 631 Plaue an der Havel 206 Plauen/Vogtland 216, 323, 611, 620 Pohla 622 Poltawa 464, 466 Pommern (Schwedisch-Pommern) 317–318, 318 Anm. 126, 345, 394, 394 Anm. 508, 426, 465–466, 468, 479, 479 Anm. 983, 501, 647 Portugal 181, 185, 471 Posen (Posznan) 215, 456, 522, 557, 626, Poßheim 322 Anm. 151 Potsdam 427, 464, 560 Prag 32, 164, 181, 181 Anm. 593, 211, 269, 335, 338, 369–370, 377, 379, 381, 395, 402, 435– 436, 441, 471, 510, 516, 538, 545, 551, 568, 571, 583, 589, 612, 616, 620, 639, 641 Anm. 1710 – Weißer Berg (Bílá hora) 371–371 Prettin 484 Pretzschendorf 592 Preußen, Fort 609

768

Register

Q Quedlinburg 384, 439–441, 619 Anm. 1613 R Radeberg 418, 567 Rambouillet 672 Realmont 182 Rechenberg 497 Regensburg 135–137, 146 Anm. 403, 168 Anm. 525, 169, 180, 250, 255, 265 Anm. 128, 266, 286, 313, 338, 406, 432, 437, 444–452, 455, 494, 501, 506 Anm. 1119, 513, 517, 519–520, 591, 603, 617, 621, 638, 641 Anm. 1710 Reichenbach/Vogtland 483 Anm. 1003, 611 Reichstadt (Zákupy) 436, 436 Anm. 718 Reichstädt 215 Reinhardsgrimma 455 Republik der Sieben Vereinigten Provinzen s. Niederlande Reutte 347 Rhein 345–346, 407, 423, 437, 454, 536, 572–573 Riesa 592 Riga 241, 241 Anm. 45, 448–449, 465 Rijswijk 436 Rippach 419 Rochlitz 33, 68, 139, 183, 202, 213, 286, 290, 308–310, 322–324, 326, 328–329, 331–335, 334 Anm. 199–200, 338, 344, 368, 438, 668, 670 Rom 32 Anm. 94, 93, 138, 146, 162, 169, 189, 191, 255, 277, 350, 444, 463, 471, 484–486, 551, 640, 641 Anm. 1710 Rossewitz 220, 220 Anm. 782 Roßla 363 Rostock 466 Rothenburg ob der Tauber 401 Rouen 549–550 Rumburk 622 Russland 45 Anm. 151, 60 Anm. 239, 75, 153, 172 174, 185, 189, 193–194, 201 208, 215, 239, 242, 243 Anm. 51, 255, 263, 269, 272, 298, 447–450, 452–454, 456, 458–459, 464–466, 468–470, 478, 502, 521, 523–525, 529–535, 535 Anm. 1222, 537–543, 545, 549, 552–553, 554 Anm. 1305, 555 Anm. 1316, 556, 559, 571–574, 582, 584, 590, 595–596, 602, 604, 622, 624–629, 625 Anm. 1626, 637– 639, 648–649, 651, 653

S Saalfeld 322, 381, 456 Sachsen – Sachsen-Altenburg 411 – Sachsen-Coburg 270, 284, 365, 439, 439 Anm. 734 – Sachsen-Coburg und Gotha 656 – Sachsen-Coburg-Saalfeld 428, 643, 656 – Sachsen-Eisenach 365, 377, 486, 505, 520 – Sachsen-Gotha 58, 126–127, 131, 134, 137 Anm. 348, 138, 140, 145, 150 Anm. 420, 169, 174–175, 174 Anm. 553, 248, 250, 264–265, 272, 281, 339, 353, 364, 381, 381 Anm. 437, 386, 403, 403 Anm. 565, 410, 414, 421, 423–425, 424 Anm. 650, 425 Anm. 661, 663, 427, 427 Anm. 669, 671, 428 Anm. 673, 675, 678, 429–430, 429 Anm. 680, 432–433, 432 Anm. 698, 436–437, 439–441, 439 Anm. 731, 441 Anm. 740, 443, 446, 450–452, 450 Anm. 792, 451 Anm. 794, 795, 797, 486, 491, 492, 512–520, 515 Anm. 1143, 1145, 516 Anm. 1147, 520 Anm. 1159–1160, 550, 574, 617, 617 Anm. 1607, 619–620, 643, 643 Anm. 1719, 644, 656, 677 – Sachsen-Gotha-Altenburg 51 Anm. 794–795, 137, 138 Anm. 355, 140, 265, 358, 410, 427, 432, 450–451, 450 Anm. 792, 491, 512–514, 516 Anm. 1147, 517, 519–520, 617, 619– 620, 643 – Sachsen-Lauenburg 164, 377–378, 378 Anm. 425, 380, 403 – Sachsen-Meiningen 428, 439, 519, 573, 643 – Sachsen-Merseburg 60, 215, 292, 489–490 – Sachsen-Weimar 146, 146 Anm. 403, 264, 321 Anm. 144–146, 322 Anm. 147–149, 323 Anm. 152, 155, 329 Anm. 176, 364–365, 367, 371, 373–375, 377–378, 378 Anm. 422–423, 380, 381 Anm. 436, 387 Anm. 473, 398–399, 406–407, 407 Anm. 578, 411, 414, 424, 440, 452, 486, 506 Anm. 1119, 511–512, 619–620, 655 – Sachsen-Weimar-Eisenach 59, 486 Anm. 1027–1028, 573, 643, 648 – Sachsen-Weißenfels 60, 215, 413, 425, 425 Anm. 663, 452, 452 Anm. 799, 456, 462, 477, 477 Anm. 968, 485, 505, 526–527, 543–544, 546, 556, 568, 572, 635 – Sachsen-Zeitz 60, 177, 264

Ortsregister

Sagunt 390, 391 Anm. 494 Saint-Germain-en-Laye 406, 429 Salzburg 304, 346, 472 Anm. 933, 558 Sandomierz 452 Sangerhausen 363, 363 Anm. 348 San Remo 634 Sardinien 247 Savoyen 46, 109, 193–194, 247, 485, 500 Schafstädt 580 Schildau 609 Schirgiswalde 622 Schlesien 106, 257, 268, 280, 371–372, 385, 398, 423, 426, 465, 485, 502, 528–529, 541–542, 544, 567–568, 571–572, 579, 590–591, 613, 616, 622, 626, 636–637, 639, 646, 660 – Schlesische Kriege 263, 265, 417, 528, 536, 543, 546–547, 564–565, 636 Schleusingen 169 Schmalkalden 265, 308, 334, 344, 452 – Schmalkaldischer Bund 192, 202, 307, 310, 313–317, 319–321, 327, 667 – Schmalkaldischer Krieg 13, 35, 104, 117, 192, 263, 312, 317–318, 324, 329, 333, 335, 340–342, 353, 368, 668 Schmiedeberg 537 Schneeberg 611 Schönbrunn/Lausitz 622 Schottland 57, 142, 178, 235, 267, 578 Anm. 1436 Schwarzburg 357, 494, 512 Schwarzes Meer 441, 529 Schweiz (Eidgenossenschaft) 32, 46, 187 Anm. 622, 193–194, 231, 259, 277, 320 Anm. 137, 345, 366, 368, 407, 436, 465, 551, 554 Anm. 1305, 649, 654 Anm. 1783 Schwiebus (Świebodzin) 544 Seebergen 359 Seitendorf 639 Senftenberg 152, 213, 365, 511 Siebenbürgen 57, 178, 260, 349, 371, 384, 410 Sievershausen 348, 353 Sizilien 91, 238 Anm. 39, 641 Anm. 1710 Skopje 165 Slowakei 164 Sondershausen 506 Anm. 1119 Sonnenstein s. Pirna-Sonnenstein Sonnewald 383

769

Spandau 394, 482, 538, 634 Spanien 29, 46–47, 89, 97, 132, 138 Anm. 353, 141, 143, 145 Anm. 399, 161, 170–171, 185, 193, 235, 239, 247, 257, 264, 267 Anm. 135, 281, 285 Anm. 218, 301, 316, 319, 335, 337, 339, 349–350, 352, 366–367, 374, 376, 406, 409– 410, 412–413, 426, 426 Anm. 667, 434–435, 441, 464, 486, 503, 509, 519, 530, 550, 554 Anm. 1305, 571, 605, 613, 630 Anm. 1653, 650 Anm. 1766, 660, 666 Spielberg (Špilberk), Festung 437, 583 Spree 150, 581 Spremberg 589 Sri Lanka 181 St. Petersburg 57, 201, 249 Anm. 71, 255, 257, 268, 273, 416 Anm. 620, 468, 474, 527, 535, 537, 539, 541, 574, 579, 582, 591, 596, 624, 629, 650 Stacha (Stachow) 622 Stauchitz 592 Steenkerken 538 Steinau (Ścinawa) 465 Stettin 597, 630 Steyr 361 Stockholm 255, 413, 416 Anm. 620, 466, 476, 527, 530 Stolpen 202–203, 213, 217–218, 282, 358, 453, 493, 495, Stralsund 304 Anm. 508, 394, 466 Straßburg 46 Anm. 158, 56, 308, 316, 351, 366, 387, 432, 475 Strelln 419 Striegau (Strzegom) 544 Struppen 445, 594 Sundhausen 354 Syrakus 91 Neustettin (Szczecinek) 590 T Tabor 402 Tarnów 304 Taschendorf 622 Tauroggen 649 Temesvar 173 Tennstedt (Bad Tennstedt) 494 Teplitz (Teplice) 219, 437, 450, 635, 648 Anm. 1753

770

Register

Teschen (Cieszyn) 489 Tharandt 547 Thüringen 12, 38–39, 51, 59–60, 158, 160, 180, 262, 265, 300, 317, 319–320, 347, 353, 365, 365 Anm. 359, 367, 378, 381, 399, 414, 420, 430, 432, 451, 494–495, 512–513, 620, 636, 645, 661 Tirol 347, 381 Tonna 432 Torgau 309, 342, 383, 385, 422, 427, 542, 587, 592, 607–610, 613 Anm. 1582, 652 Toul 346 Tournai 179 Treuenbrietzen 560 Troja 186–187, 399 Turin 238 Anm. 39, 501 Türkei (Osmanisches Reich) 87, 93, 102, 164–165, 170, 172–173, 181, 205, 208, 263, 297, 307–308, 310–312, 316, 319, 320 Anm. 137, 336, 338, 345, 349, 354, 357, 371, 373–374, 384 Anm. 458, 408, 430–431, 431 Anm. 690, 435, 444, 447, 450, 452, 465–466, 468, 492, 502, 509, 519, 529, 542, 553, 635, 656, 661 U Ukraine 452 Ulm 300, 315, 320 Anm. 136, 138, 321 Anm. 141, 322 Anm. 150, 666 Ungarn 32, 136, 164–165, 169–172, 178–179, 181, 208, 289, 319, 337, 349, 354, 371–372, 374, 384, 430, 435, 461, 479–481, 559, 589 Uppsala 677 Utrecht 267 V Vatikan (Kirchenstaat, Heiliger Stuhl) 298, 485–486 Veitsberg b. Weida 398 Venedig (Venetien) 46, 49, 138, 165, 170, 185, 189, 221, 254 Anm. 85, 268, 298, 320 Anm. 137, 371, 439, 461, 554 Anm. 1305 Verden 341 Verdun 346 Vereinigte Niederlande s. Niederlande Versailles 109, 534, 545, 573 Villach 347 Vogtland 135, 321, 611 Anm. 1579

Völlstedt 432 Vorpommern 426 W Wachau b. Radeberg 418 Waldau 646 Waldheim 169, 213, 217, 309, 494, 650 Walthershausen 403 Anm. 566, 404 Wanzleben 394 Warschau (Warszawa) 138 Anm. 353, 169, 171, 178, 202, 208, 219, 239 Anm. 41, 242, 244, 249 Anm. 71, 261, 263, 279, 416 Anm. 620, 442, 444–446, 450, 456, 470, 485, 500, 505–506, 521 Anm. 1167, 527, 530, 534, 536, 550, 556, 560–563, 565, 570–571, 573–574, 579, 581, 583, 585–586, 589, 594, 596, 598, 601–602, 606, 625, 628, 637 Waterloo 654 Weichselmünde 477, 534–535 Weida 177, 398–399 Weidlitz 622 Weimar 59, 145–146, 160, 169, 176, 212, 317, 323, 354, 359–360, 364, 377–378, 386–387, 407, 414, 424, 428, 430, 439–440, 481–482, 493–494, 512, 520, 620, 643–644, 648–649, 649 Anm. 1761, 653, 677 Weißenburg im Elsass (Wissembourg) 470 Weißenfels 55–56, 60, 403, 425, 462, 505, 642 Weißensee 363, 419 Wenigenjena 646 Wermsdorf 493 Wernigerode 60, 181, 182 Anm. 591, 241, 677 Westfalen 48, 48 Anm. 177, 52, 362, 372, 392, 409–415, 410 Anm. 593, 419, 423, 432, 463, 618 Westminster 201 Wetterau 360 Wittenberg 180, 183, 192, 192 Anm. 641, 206, 213, 308, 321, 325, 335–337, 351, 353, 385, 393, 395, 397–398, 427, 560–561, 652 Wittstock 393 Wola 586 Wolfenbüttel 135, 248, 391, 394, 403, 418, 428, 461, 486, 520 Worms 264, 314 Würzburg 143, 304, 317, 318 Anm. 126, 320 Anm. 137, 353–354, 377, 377 Anm. 415, 399

Personenregister

Anm. 543, 403–404, 403 Anm. 365, 406, 436–437, 436 Anm. 722, 501, 612–613 Wurzen 292 Anm. 243, 310, 312 Z Zamość 470 Zeitz 220, 349, 520 Zellerfeld 210 Zerbau (Serby) 466 Anm. 898 Zerbst 539

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Zinna 561 Zittau 146 Anm. 403, 398, 436, 436 Anm. 717, 441, 494, 570, 651 Zorndorf (Sarbinowo) 591 Zschopau 404 Züllichau (Sulechów) 465, 544 Zürich 285 Anm. 218 Zwetzen 428 Zwickau 347, 404, 493, 561, 614, 617, 641

Personenregister A Abradt, S. P., sächsischer Briefbote 622 Accoramboni, Joseph Raymond (1673–1747), Kanonikus in Ermland und Abt zu Warschau 471, 485, 527–528, 527 Anm. 1193–1194 Adalbert von Prag (um 956–997), Bischof von Prag und Missionar 181 Anm. 593 Adami, Merseburger Registrator 490 Adelung, Johann Christoph (1732–1806), deutscher Schriftsteller 632, 632 Anm. 1667–1668 Adolf I. (1526–1586), Herzog von SchleswigHolstein-Gottorf 360 Agnes (1527–1555), Kurfürstin von Sachsen 311, 327 Agnes Hedwig (1573–1616), Kurfürstin von Sachsen 183 Ahmed III. (1673–1736), Sultan des Osmanischen Reiches 465 Aitzema, Foppe van, auch: Foppius (1580– 1637), niederländischer Jurist und Gesandter in den Hansestädten, 390–391 Aitzema, Leo van, auch: Lieuwe van Aitzema (1600–1669), niederländischer Historiker und Diplomat 424 Albani, Annibale (1682–1751), Kardinal de San Clemente 485, 527, 527 Anm. 1193–1194 Alberoni, Guilio (1664–1752), italienischer Kardinal und spanischer Staatsminister 551

Alberti, Leon Battista (1404–1472), italienischer Kryptologe 229, 231 Albrecht (1490–1568), Markgraf von Brandenburg-Ansbach und Herzog von Preußen, Hochmeister des Deutschen Ordens, Administrator von Halberstadt, Erzbischof von Mainz, Erzkanzler und Kardinal 103, 324, 332–333, 338, 342, 344, 353, 333 Anm. 199, 343 Anm. 240–241, 244, 344 Anm. 249 Albrecht (1648–1699), Herzog von SachsenCoburg 439, 439 Anm. 734 Albrecht Achilles (1414–1486), Kurfürst von Brandenburg 136, 136 Anm. 343 Albrecht II. Alcibiades (1522–1557), Markgraf von Brandenburg-Kulmbach 312, 332, 342 Albrecht V. (1528–1579), Herzog von Bayern 352, 366, 352 Anm. 293 Albrecht VII. (1480–1560), Graf von Mansfeld 305 Albrecht, der Beherzte (1443–1500), Herzog von Sachsen 150, 206, 290, 299, 342, 666, 668 Al-Chalīl ibn Ahmad (eig.: Abū ῾Abd arRahmān al-Chalīl ibn Ahmad al-Farāhīdī, auch: Al-Khalil, Al-Farahidi) (1718um 1791), arabischer Sprachwissenschaftler 239 Aldringer, Johann von (1588–1634), kaiserlicher Feldmarschall 382 Aleander, Hieronymus (1480–1542), italienischer Humanist und Kardinal 302

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Register

Alemann, Johann (1618–1688), sächsischer Bergrat 390 Alemann, Johann Egidius (1655–1719), sächsischer Geheimer Rat und Gesandter 446 Alexander I. (1777–1825), Zar 649–650, 653 Alexander I., der Große (356–323 v. C.) König von Makedonien 152 Alfonso III., d’Avalos d’Aquino d‘Aragona, Marquis de Guasto (1502–1546), Statthalter Karls V. in Mailand 268 Almeida (Almeyda), portugiesischer Adeliger 471 Altenbockum, Ursula Katharina von (Ursula Lubomirska) (1680–1743), Fürstin von Teschen, Mätresse Augusts II. von Polen 444, 489 Alvaro de Luna y Manrique (+ 1547), spanischer Kundschafter 336 Ammon, Georg Friedrich von (1724–1765), preußischer Gesandter in Dresden 560– 561, 561 Anm. 1342, 1345–1348, 564–565, 577 Anacker, Christian Adam (1684–1728), sächsischer Agent in Wien 472 Andres, Johann Baptist (1768–1823), deutscher Schriftsteller 163 Anna (1532–1585), Kurfürstin von Sachsen 167, 350–351, 365 Anna Dorothea von Sachsen-Weimar (1657–1704), Äbtissin des Stifts Quedlinburg 439–440, 439 Anm. 731, 441 Anm. 740 Anna Sophie (1647–1717), Kurfürstin von Sachsen 484 Anne (1493–1567), Herzog von Monmorency, oberster Finanzverwalter Frankreichs 345 Antiphilos (4. Jh. v. C.), griechischer Maler 196 Anton (1755–1836), König von Sachsen 247 Anton Ulrich (1633–1714), Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 165, 486 Anton Ulrich (1687–1763), Herzog von Sachsen-Meiningen 518, 573 Apelles (4. Jh. v. C.), griechischer Maler 195– 196, 196 Anm. 645–648 Apitzsch, Sophie Sabina (Prinz Lieschen) (1692–1752), Hochstaplerin 169

Appunis (Apponi), Weimarer Agent in Dresden 176 Apraxin, Stepan Fjodorowitsch (1702–1758), russischer Marschall 535 Anm. 1222 Aquin, Thomas von (1225–1275), italienischer Theologe und Philosoph 105–106 Arenswald (Arnswald, Arnswaldt), Gottlieb Georg Ernst Freiherr von (+ 1781), Kapitän der sächsischen Leibgrenadiergarde 613, 613 Anm. 1584 Aristoteles (384–322 v. C.), griechischer Philosoph 29, 90–92, 100 Anm. 152, 105 Arnim-Boitzenburg, Hans Georg von (Johann Georg von Arnim) (1583–1641), Generalfeldmarschall und Diplomat 377–379, 379 Anm. 430, 402 Arnold, Benedict (1741–1801), General und Überläufer im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 46 Arnold, Christoph, sächsischer Sekretär und Kanzler zu Pfalz-Neuburg 345 Arnoldi, Johannes (1596–1631), deutscher Jesuitenpater 398 Asmus (+ 1549), Graf von Gleichen 322, 360 Assange, Julian (*1971), Politikaktivist 11 Auersperg, Johann Weikart von (1583–1660), kaiserlicher Reitoberst und Kämmerer 410 Anm. 597, 411, 411 Anm. 600 August (1526–1586), Kurfürst von Sachsen 29, 129, 183, 213, 220–221, 264, 267 Anm. 135, 270, 290–291, 335, 342, 343 Anm. 244, 346–352, 347 Anm. 261–264, 348 Anm. 265, 349 Anm. 273, 352 Anm. 293, 354–357, 354 Anm. 308, 355 Anm. 309, 358 Anm. 319, 359, 359 Anm. 325, 362, 365–366, 365 Anm. 359, 548 Anm. 1279 August (1614–1680), Herzog von SachsenWeißenfels und Administrator von Magdeburg 410, 413, 425, 425 Anm. 663 August I. (1568–1636), Herzog von Braunschweig-Lüneburg 397 August II., auch: Gustav Selenus (1579–1666), Herzog von Braunschweig-Lüneburg 53 August II., der Starke, auch: Don Livio Odeschalchi (1670–1733), König von Polen und als Friedrich August I. Kurfürst von Sachsen 38, 58 Anm. 230, 91, 97 Anm.

Personenregister

130, 104 Anm. 170, 109, 115 Anm. 228, 126, 132–133, 133 Anm. 328, 149, 164–165, 172–173, 173 Anm. 543, 177–178, 202–203, 205, 207, 215, 217, 220, 236, 236 Anm. 35, 241, 242 Anm. 48, 248–250, 254, 256, 259, 264, 266, 283, 289–290, 293, 417–418, 430, 431 Anm. 690, 437–439, 441–442, 442 Anm. 744, 444–460, 450 Anm. 790, 453 Anm. 805, 459 Anm. 844, 846, 460 Anm. 853–855, 462–464, 468–471, 473–476 , 478, 478 Anm. 977, 480, 482–489, 482 Anm. 997, 491–492, 495–498, 500, 502–503, 507–509, 510 Anm. 1130, 511–512, 520, 532, 541–542, 558, 635, 660–661, 665–666, 668, 670 August III. (1696–1763), König von Polen und als Friedrich August II. Kurfürst von Sachsen 39, 67, 67 Anm. 3, 71–72, 74, 115 Anm. 228, 133, 176, 203, 217 Anm. 759, 250, 290, 292, 444, 476–477, 477 Anm. 968, 485, 491, 500 Anm. 1088, 506 Anm. 1119, 521–525, 523 Anm. 1174, 524 Anm. 1180, 525 Anm. 1185, 527, 529, 531 Anm. 1202, 534, 540–542, 544, 547–550, 555–556, 559, 561–562, 561 Anm. 1342, 1345, 1347–1348, 562 Anm. 1353, 564 Anm. 1363, 566, 566 Anm. 1374, 567 Anm. 1379, 569 Anm. 1391, 571–572, 574, 580, 593–594, 605–606, 612, 615 Anm. 1592, 616, 624, 633–636, 666 Avemann, Adolph Christian (1646–1738), Leiter der Kriegskanzlei von Sachsen-Gotha 175 Avenarius, Georg Ludwig (1699–1755) preußischer Advokat und Resident in Mühlhausen 60, 216, 620 Avianus, Johann Jakob (1635–1688), Jurist und Syndikus in Erfurt 421 B Babbage, Dennis W. (1909–1991), englischer Kryptologe 233 Bachofen von Echt, Johann Friedrich Baron, Baron zu Lehn (1643–1726), Gothaer Geheimer Ratsdirektor 516 Backstroh, Diener des Grafen Karl Heinrich von Hoym 500 Anm. 1086 Bacon, Francis (1561–1626), englischer Philosoph und Staatsmann 28, 84, 108, 233

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Baidel, Friedrich, Kanzleischreiber in Kassel 345 Baier, Hans (+ 1567), Parteigänger des Wilhelm von Grumbach 361 Anm. 341 Balsamo, Guiseppe, auch: Alessandro Cagliostro (1743–1795), italienischer Alchemist und Abenteurer 645 Balzac, Honoré de (1799–1850), französischer Schriftsteller 140 Banér, Johan, auch: Banier, Bannier, Banner (1596–1641), schwedischer Feldmarschall 381, 381 Anm. 436, 383–384, 387 Anm. 479 Barkas, Hannibal (um 247 v. C.–183 v. C.), karthagischer Feldherr 297 Anm. 4 Bartsch, Gustav, Gothaer Hofrat in Berlin 450–451, 451 Anm. 794–795 Bassano, Huguet-Bernard (1763–1839), französischer Diplomat 652 Baudissin, Wolf Heinrich von (1671–1748), sächsischer General 522, 556 Baumann, Obrist und Kurier des französischen Botschafters in Stockholm 530 Baumgartner, David (Baumgärtner) (1521– 1567), Parteigänger des Wilhelm von Grumbach 361 Anm. 341 Beaumont, Vincent Ragot de (um 1624– 1714), Kanonikus der Kathedrale von Tournai und Essayist 179 Bec, Rénée Crespin du (1614–1659), Marechal de Guébriant, französische Botschafterin 200 Beck, Johann, Dienstmann des sächsischen Agenten Gottfried Schwimpfen 431 Beck, preußischer Sekretär 598–599, 598 Anm. 1528, 599 Anm. 1530, Becker, Johann Niklas, brandenburgischer Legationssekretär 287 Beer, Aaron Abrahams (vor 1685–1740), Finanzier der Herzöge von Ostfriesland 442 Anm. 746 Bees, Otto Leopold von (1690–1751), preußischer Kriegsminister 568 Begen, Jacob, sächsischer Gefangener aus Neustadt 354 Anm. 307 Behr, sächsischer Obristleutnant 567, 567 Anm. 1380, 569

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Register

Behrens, Leffmann (Ezechiel Lippmann Cohen) (1634–1714), jüdischer Hoffaktor in Hannover 442 Anm. 746 Beichlingen, Gottlob Adolph Graf von (1666– 1713), sächsischer Oberfalkenmeister 216, 488 Beichlingen, Wolf Dietrich Graf von (1665–1725), sächsischer Großkanzler und Oberhofmarschall 165, 214–216, 437, 443, 445–446, 487–489, 488 Anm. 1035, 492 Bellaso, Giovan Batista (1505–1568/1581), italienischer Kryptologe 233 Bellotto, Bernardo (Canaletto) (1722–1780), italienischer Maler 548–549 Benedikt XIII. (1649–1730), Papst 471 Benoît, Gédéon (+ nach 1776), preußischer Gesandter in Warschau 584–586, 598–599, 599 Anm. 1529, 603 Bentham, Jeremy (1748–1832), englischer Philosoph 75, 280 Bentheim, Johann Georg von, Jenaer Stadtkommandant 643, 644 Anm. 1723 Bentinck, Charlotte Sophie Gräfin von (1715– 1800), Informantin des französischen Königs 531 Berger, Jakob, Erfurter Oberratsmeister 421 Berghammer, Joseph, sächsischer Koch des Grafen von Watzdorff 500 Anm. 1086 Berghammer, Maria Magdalena, Gemahlin des Joseph Berghammer 500 Anm. 1086 Berlepsch, Otto Wilhelm von (1618–1683), brandenburgischer Generalquartiersmeister und Gesandter in Sachsen 150, 271, 424–425, 426 Anm. 664, 430 Berndt, Johann, Amtsschreiber 430 Bernewitz, Alexander von, sächsischer Kapitän 482, 482 Anm. 995 Bernhard (1604–1639), Prinz von SachsenWeimar und Feldherr 377–378, 378 FN 423–425,380, 380 FN 432–433, 381 FN 436, 386–387, 399, 405–408, 407 FN 378, 414, 428, 512, 668 Bernhard I. (1649–1706), Herzog von Sachsen-Meiningen 439 Bernstein, Hans von (1525–1589), sächsischer Rat und Aufseher über das Finanzwesen

Bertram, Johann Christian (+ 1777), preußischer Feldpostmeister 590, 592, 592 Anm. 1505, 598 Bestucheff, Michael Rumin Graf von (Bestuchew, Bestuchev) (1686–1760), russischer Gesandter in Berlin 242, 530, 530 Anm. 1200, 535, 535 Anm. 1222, 538, 543 Bethlen, Gábor, auch: Gabriel Betlén (um 1580–1629), Fürst von Siebenbürgen 371–372 Beust, Carl Friedrich von (1702–1782), sächsischer Landkammerrat 210, 612, 612 Anm. 1580 Biber, Geheimsekretär des Stanislaus Leszczyński 473 Bieberstein, Johann August Marschall von (+ 1736), sächsischer Kammerherr und preußischer Diplomat 453 Biellet, Jean Pierre, Hochstapler 169 Bing, Simon (1517–1581), hessischer Rat und Kammersekretär 333 Anm. 197, 344 Anm. 246, 345, 346 Anm. 252 Biron, Ernst Johann Graf von (1690–1772), Herzog von Kurland und Regent des Russischen Reiches 525, 541 Bischoff, Johann Friedrich, gothaischer Sekretär 436 Anm. 721–722 Bishopsfield, Alexander Mackphail de, Spion in Leipzig 162 Anm. 486, 210–211 Bizzarri, Pietro, sächsischer Informant 351 Blanquet, August, kaiserlicher General 621 Bleinel, Pater, sächsischer Feldkaplan 551 Blendowski, Colonel der französischen Armee 468, 471 Blesse, sächsischer Dieb 356 Blum, Robert (1807–1848), deutscher Politiker und Publizist 654 Blumenau, Kanzlist in der Kriegskanzlei zu Sachsen-Gotha 175 Boblick, Johann Heinrich von (+1747), Kommandant der Festung Stolpen 217, Anm. 762 Bock, Christian, sächsischer Kundschafter 394, 394 Anm. 508 Bocskaj, Stephan (Bocskai) (1557–1606), Fürst in Siebenbürgen 32

Personenregister

Boden, Matthäus, sächsischer Kriegssteuereinnehmer 210 Bodin, Jean (um 1530–1596), französischer Staatstheoretiker 221, Anm. 789 Böhme, Hans, sächsischer Dieb 356, 356 Anm. 313 Böhme, Immanuel Gottlieb, sächsischer Erblehnrichter 647, 647 Anm. 1750 Böhme, Carl Friedrich, Regimentsquartiermeister und Wachtmeister 440 Böhme, sächsischer Sekretär 579, 579 Anm. 1443 Bohn, Johann Friedrich, deutscher Schriftsteller 163 Boisrobert, François Le Métel de (1592–1662), französischer Geistlicher und Dichter 277 Bokatius, Johannes, Bürgermeister von Kaschau 32 Bolza, Joseph Graf von (1719–1782), sächsischer Finanzmann und Textilunternehmer 138 Anm. 353 Bonaparte, Ernst Graf Napoleon, angebliches Kind von Napoleon I., 652 Anm. 1772 Bonaparte, Jérôme (1784–1860), König von Westfalen 650 Anm. 1766 Bonaparte, Josephine (1763–1814), Kaiserin von Frankreich 641, Anm. 1710 Bonaparte, Napoleon (Napoleon I.) (1769– 1821), Kaiser der Franzosen 14, 45 Anm. 153, 52, 212, 278, 533, 553, 638, 645–649, 649 Anm. 1761, 650 Anm. 1766, 1768, 651–654, 652 Anm. 1772–1773, 654 Anm. 1783, 658, 666 Bonnac, Pierre Chrysostème d’Usson de (Zezelin) (1724–1782), französischer Gesandter in Den Haag 551–552 Boot, Thomas, anonymer Schriftsteller 161 Borcke, Adrian Bernhard von (1668–1741), preußischer Generalfeldmarschall 482, 520–521, 521 FN 1163 Borcke, Adrian Heinrich von (1715–1788), preußischer Legationssekretär in Dresden 591, 593 Borcke, Kaspar Wilhelm von (Caspar Wilhelm von Borck) (1704–1747), preußischer Kabinettsminister 531, 531 FN 1201

775

Borgk, Adam (Dr. Heinichen, Frey), Journalist 650 Born, Jacob d. J. (1683–1758), sächsischer Geheimer Kriegsrat, Vizekanzler und Bürgermeister von Leipzig 162 Anm. 486, 211 Anm. 740 Bose, Adam Heinrich (1667–1749), sächsischer General 567, Anm. 1380 Bose, Christoph Dietrich d. Ä. (1628–1708), sächsisch-polnischer Geheimer Rat und Direktor der Kriegskanzlei 165, 242 Anm. 48, 248, 248 Anm. 67, 487 Bose, Christoph Dietrich d. J. (1664–1741), sächsischer Geheimer Rat und Reichspfennigmeister 241, 507 Bose, Carl Gottfried (1654–1731), sächsischer Gesandter in Dänemark und Schweden 255 Boticelli, Sandro (1445–1510), italienischer Maler 195 Anm. 644, 196 Bottarelli, italienischer Taschenspieler 553 Böttger, Johann Friedrich (1682–1719), deutscher Alchemist 206–209, 214, 446 Bourbon, François Louis de (1664–1709), Prinz von Conti, Thronanwärter auf die polnische Krone 443, 531, 571 Brais, Samuel de (+1742), sächsischer Legationssekretär und Kunstagent in Paris und Den Haag 184 Brand, Christan Friedrich von (+1735), Geheimer Kriegsrat von Sachsen-Merseburg 60, 489–491 Brand, Friedrich August (1735–1806), österreichischer Kupferstecher 268 Brand, Karl Gottlob, Verräter von Geheimwissen der Bergleute 209 Brandenstein, Hieronymus (1515–1567), Parteigänger des Wilhelm von Grumbach 361, Anm. 341 Brandt zu Langwedel und Brock, Petter (1609–1648), schwedischer Generalkriegskommissar 384–385 Brandtner, Johann George, Häftling auf der Festung Königstein 642 Braun, Matthes, sächsischer Amtsschösser 286

776

Register

Breithaupt, Johann Christian (1736–1799), deutscher Missionar 181, 181 Anm. 591 Breiting, Schösser von Rochlitz 333 Brentano-Cimarolli, Josef Freiherr von (1718– 1764), kaiserlicher General 621–622 Bretlach, Ludwig Carl Freiherr von, kaiserlicher Obrist 621 Breuner-Enkevoirth, Josef Ludwig Nepomuk von (1765–1813), österreichischer Gesandter in Kopenhagen 416 Anm. 620 Brevern, baltisches Adelsgeschlecht 238 Anm. 39 Brockhausen, Johann Wilhelm von (Brockhusen, Bruckhausen), Geheimsekretär des Prinzen Eugen und kaiserlicher Hofkriegsrat 516 Broglie, Charles-François, Graf von (1719– 1781), französischer Gesandter in Warschau 531–533, 571 Broglie, Victor- François (1718–1804), französischer Marschall und Direktor des Schwarzen Kabinettes in Paris 574, 574 Anm. 1414 Brolßky, Salomon, preußischer Spion 174 Bronckhorst-Gronsfeld, Jost Maximilian von (1598–1662), bayerischer Generalfeldmarschall 397 Browne, Maximilian Ulysses (1705–1757), österreichischer Feldmarschall 604 Brück, Christian (um 1516–1567), sächsischer Kanzler 358, 361 Brück, Gregor (um 1483–1557), sächsischer Kanzler 301–302, 315, 339–340, 339 Anm. 221 Brückner, Wilhelm Hieronymus (1656–1736), deutscher Jurist 301 Brühl, Heinrich Graf von (1700–1763), sächsischer Staatsmann und Premierminister 33, 60, 74–75, 97, 132, 150, 163, 168 Anm. 524, 174 Anm. 551, 191, 210–211, 211 Anm. 739, 212 Anm. 742, 216, 249, 249 Anm. 71, 256, 263, 279, 284, 474, 476, 476 Anm. 961–962, 477 Anm. 964–965, 478 Anm. 974, 491–493, 496–497, 499, 503, 503 Anm. 1103, 506–508, 521, 525–527, 525 Anm. 1186, 1188, 527 Anm. 1191, 531 Anm. 1202, 536–537, 542–548, 543 Anm. 1249, 550–560, 552 Anm. 1300, 556

Anm. 1319, 1320, 557 Anm. 1324, 558 Anm. 1326, 1329–1331, 559 Anm. 1333–1335, 560 Anm. 1336–1337, 1339, 562–564, 562 Anm. 1354, 563 Anm. 1356–1357, 568 Anm. 1387, 569–570, 573, 575–578, 580–586, 585 Anm. 1466, 588–589, 589 Anm. 1493, 590 Anm. 1494, 594–595, 594 Anm. 1515, 597, 601–603, 622–637, 623 Anm. 1619, 625 Anm. 1624, 1627, 1630, 626 Anm. 1631–1635, 627 Anm. 1637–1640, 1642, 628 Anm. 1645–1648 Brühl, Maria Anna Franziska Gräfin von (1717–1762), Gemahlin des Grafen Heinrich von Brühl 199, 634 Brulart, Louis-Philogene, Marquis de Puisieux (1702–1770), französischer Außenminister 534 Brun von Querfurt (Bruno, Bonifatius) (um 974–1009), deutscher Erzbischof und Missionar 181 FN 593 Bube, preußischer Kriegssekretär 481–482 Bubna und Littitz, Ferdinand von (1768– 1825), österreichischer Feldmarchallleutnant und Generalgouverneur in Piemont, Sardinien und Nizza 416 FN 620 Bucchia Jerónimo (Hieronymus Buchia) (+1603), spanischer Bischof von Cattaro 47 FN 168, 316 FN 118 Buchner, August Benjamin von (+1756), Kommandant der Festung Sonnenstein 211 FN 739 Buczinsky (Andreas de Part), Parteigänger des Stanislaus Leszczyński 472–473 Bufler, Jobst (Buffler), sächsischer Gesandter aus Eilenburg 349 Bülau, Friedrich (1805–1859), deutscher Historiker 549, 549 FN 1285, 555 Bülow, Friedrich Gotthard von (1688–1767), sächsischer Geheimer Kriegsrat, Konferenzminister und Gesandter in Berlin 477 FN 965, 526, 543, 543 FN 1249, 565 Bünau, Heinrich Graf von (1697–1760), sächsischer Oberkonsistorialpräsident und Wirklicher Geheimer Rat und kaiserlicher Gesandter im Ober- und Niedersächsischen Reichskreis 498

Personenregister

Bünau, Heinrich Reichsgraf von (1698–1745), sächsischer Gesandter in Wien 161, 525 FN 1188 Bünau, Rudolf Graf von, sächsischer Gesandter in Kopenhagen 249 FN 70 Buonaccorsi, Biagio (um 1472-um 1526), florentinischer Amtsträger und Freund Macchiavellis 595 Burckhardt, Franz (Franz Burchard, Franz Burkhard) (1503–1560), sächsischer Rat 314 Burkersrode, Hans Friedrich von (Burkersroda) (1630–1686), sächsischer Kammerpräsident 424, 426, 430 Burtenbach, Sebastian Schertlin von (Schertel, Schärtl) (1496–1577), Feldhauptmann des Reichsheeres und Landknechtführer 153, 155 FN 452, 313, 313 FN 95, 319–321, 320 FN 134, 136, 138, 140, 321 FN 141, 345 Busenbaum, Hermann (1600–1668), deutscher Theologe 121 Bussio, sächsischer Akzisrat 497 Busto, Bernabé de (um 1502–1557), Humanist und kaiserlicher Hofchronist 335–337 C Caesar, Gaius Julius (100–44 v.C), römischer Staatsmann 231 Cagnoni, Charles von (+ 1790), preußischer Gesandter in Dresden 565 Calixt, Georg (1586–1656), deutscher Theologe 182, 182 FN 600 Callière, François de (1645–1717), französischer Diplomat und Schriftsteller 112, 127, 137–138, 198, 200 Calvin, Johannes (1509–1564), Schweizer Reformator Camas, Sophie Caroline Gräfin von (1686– 1766), preußische Oberhofmeisterin und Vertraute Friedrichs II. 199, 536, 536 FN 1224 Camerarius, Joachim, jüdischer Bürger Nürnbergs 351 Camerarius, Ludwig (1573–1651), pfälzischer Staatsmann 370–372, 374 Canens, Nymphe in der römischen Mythologie 33 FN 94

777

Capello, Anton, venezianischer Botschafter in Paris 642, 642 FN 1711 Caradas, Charles-François de, Marquis Du Heron (1667–1703), französischer Gesandter 444, 613 Careeres, Simon von, englischer Geheimdienstler 166 Carl August (1757–1828), Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 643–644, 643 Anm. 1719–1720, 1722,644 Anm. 1723–1724, 1727 Carl Eugen (1728–1793), Herzog von Württemberg 608 Carl Friedrich (1783–1853), Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 655 Carlowitz, Christoph von (1507–1578), sächsischer Rat und Diplomat 362 Carlowitz, Ewald von, auch: Karlowitz (*1512), sächsischer Edelmann, Begleiter Wilhelms von Grumbach und Attentäter 291, 362–363 Carlowitz, Georg Karl von (1658–1700), sächsischer Generalmajor 449 Carlowitz, Georg von (1471–1550), sächsischer Rat 310, 332 Carpzov, August (1612–1683), deutscher Staatsmann 410 Carvajal, Antonio Fernandez (1590–1659), portugiesischer Kaufmann 166 Casal, Hyacinthe de, Kapuzinermönch in Wien 277, 374 Casanova, Giacomo (1725–1798), italienischer Abenteurer 554, 641 Anm. 1710 Cassianus, Christiani (Christoph), sächsischer Haushofmeister des Karl Heinrich von Hoym 499 Castell, Carl Friedrich Gottlob Graf von (1679–1743), sächsischer Generalleutnant und Unterkommandant zu Dresden 218 Anm. 765, 476, 476 Anm. 959 Castiglione, Baldassare (1478–1529), italienischer Schriftsteller 186 Chauvel, Marie, Gemahlin des französischen Botschafters in London 201 Chevremont, Abenteurer, Alchemist und Parteigänger des Stanislaus Leszczyński 475 Chivert, französischer Ingenieuroffizier 613

778

Register

Choiseul-Stainville, Léopold-Charles de (1724–1774), Bischof von Cambrai 436 Anm. 720 Choroncy, Agent für Sachsen 522 Christian (1566–1633), Herzog von Braunschweig-Lüneburg 270 Christian (1652–1689), Prinz von SachsenWeißenfels und sächsischer General 425 Christian (1682–1736), Herzog von SachsenWeißenfels 505 Christian August (1666–1725), Prinz von Sachsen-Zeitz und Kardinal, kaiserlicher Prinzipalkommissar beim Immerwährenden Reichstag 460 FN 857, 487 Christian Ernst (1691–1771), Graf zu StolbergWernigerode 181, 181 FN 591 Christian I. (1560–1591), Kurfürst von Sachsen 183, 290, 352, 366 Christian I. (1568–1630), Fürst von AnhaltBernburg 372 Christian II. (1583–1611), Kurfürst von Sachsen 284, 290, 292, 293 FN 244–245 Christian II. (1599–1626), nomineller Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel und Administrator von Halberstadt und Feldherr 155 Anm. 452 Christian IV. (1577–1648), König von Dänemark 371, 401 Christian IV. (1722–1775), Herzog von PfalzZweibrücken 617 Christian Wilhelm (1567–1665), Administrator von Magdeburg 270, 389 Christiane Eberhardine (1671–1727), Königin von Polen 206 Christiani, Hofmeister des Grafen Karl Heinrich von Hoym 500 Anm. 1086 Christina (Christine) (1626–1689), Königin von Schweden 379, 447 Christine (1505–1549), Landgräfin von Hessen 303 Christoph (1515–1568), Herzog von Württemberg 343–345, 343 FN 240–241, 347 Circe, Zauberin der griechischen Mythologie 32 Anm. 94 Clapmarius, Arnold (1574–1604), deutscher Schriftsteller 29

Clausewitz, Carl von (1780–1831), preußischer Generalmajor und Militärwissenschaftler 75 Clemens VII. (1478–1534), Papst 231 Clemens Wenzelslaus (1739–1812), Prinz von Polen und Erzbischof von Trier 612, 613 Anm. 1582 Clemens XI. (1649–1721), Papst 484 Clémérault, Mademoiselle de, französische Agentin des Kardinals Richelieu 201 Cobenzl, Johann Karl Philipp Graf (1712– 1770), österreichischer bevollmächtigter Minister in Den Haag 553 Cobenzl, Johann Ludwig von (1753–1809), kaiserlicher Vizestaatskanzler und Gesandter in St. Petersburg 416 Anm. 620 Coelestin, Johann Friedrich, auch: Himmlisch (1535–1578), deutscher Theologe 402 Anm. 558 Colbert, Jean-Baptiste (1619–1683), französischer Staatsmann 132, 278 Colemann, Abbé 577 Comte de Saint-Hilaire (+1735), französischer Admiral und sächsischer Staatsgefangener 215 Coquelle, Pierre (*1858), französischer Historiker 549 Corvinus, Matthias (1443–1490), König von Ungarn 136 Cosel, Anna Constantia Reichsgräfin von (1680–1765), Mätresse Augusts II. von Polen 202–203, 217, 282, 438, 446, 488 Cracow, Georg, auch: Krakow, Cracau, Cracovius, Craco (1525–1570), deutscher Jurist und Staatsmann 358, 358 Anm. 321 Cranach d. Ä., Lucas (1472–1553), deutscher Maler und Grafiker 61, 192, 192 Anm. 641 Cranach d. J., Lucas (1515–1586), deutscher Maler und Grafiker 192 Cromwell, Oliver (1599–1658), englischer Lordprotektor und Staatsoberhaupt des Commonwealth 178 Cromwell, Thomas (1485–1549), 1. Earl of Sussex, englischer Staatsmann 75 Cuprasch, sächsischer Spion 594 Czacki, auch: Locry Wolhynski, Gesandter des Stanislaus Leszczyński 471–472, 485

Personenregister

D D‘Agdollo, Pierre Aloysius Marquis (+ 1800), sächsischer Hofmeister 640, 640 Anm. 1702 D’Aillon, französischer Gesandter in St. Petersburg 473 D’Alencon, Jean Pierre Antoine (1678–1752), preußischer Kammerdirektor 521 D’Auvergne, Henri de La Tour, Vicomte de Turenne, auch: Henri de Turenne (1611– 1675), französischer Heerführer 426 D’Aviano, Marco (1631–1699), italienischer Kapuziner und Prediger 181 D’Éon de Beaumont, Charles Geneviève, auch: Chevalier d’Éon, Madame Duchène (1728–1810), französischer Diplomat 201– 202, 532, 570 Da Vinci, Leonardo (1452–1519), italienischer Universalgelehrter 297 Dada, Monsignore, Nuntius in England 272 D‘Alais, Alexandre, Kapuzinermönch in Bayern 277 Danti, Ignazio (1536–1586), italienischer Mathematiker und Kartograf 186 Danzig, Johann Gottlieb, Diener der preußischen Gesandtschaft in Dresden 564 Darcy, Robert, 4. Earl of Holderness (1718– 1778), britischer Diplomat und Staatssekretär 552–553 Daser, Wilhelm Ludwig (1645–1709), sächsischer Oberpostmeister 264, 264 Anm. 123, 433, 433 Anm. 705 Dathenes, pfälzischer Geheimsekretär 373 Daun, Leopold Joseph Graf von (1705–1766), kaiserlicher Feldmarschall 538, 592, 595, 608–610 De la Salle, Graf, auch: Lewardt, Obristleutnant 573–574, 533–535 De la Sarraz, George Louis, auch: La Sarras (+ um 1731), sächsischer Geheimer Kriegsrat und Resident in Den Haag 173, 474, 474 FN 947–948, 504–505, 558 FN 1325 De Mesmes, Jean-Antoine, Comte d’Avaux (1640–1709), französischer Diplomat 137 FN 349, 272 De Plock, Palatin, Parteigänger des Stanislaus Leszczyński 472

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De Sunde, Jan Hercules (Daniel Schwenter) (1585–1636), deutscher Orientalist und Mathematiker 53, 83 Debrose, Claude de (+1750), sächsischer Gesandter in Dänemark und den Niederlanden und General 505 Defin, Johann Baron von, österreichischer Generalmajor 627 Defoe, Daniel (um 1660–1731), Schriftsteller und Spion Wilhelms III. von Oranien-Nassau 142, 431 Dehn, Gottfried (Dehne): sächsischer Sekretär und Verfasser einer Schmähschrift gegen den sächsischen Kurfürsten 58 FN 232, 290 FN 241, 457 FN 832 Delorme, Marion (1613–1650), französische Agentin des Kardinals Richelieu 201 Descartes, René (1596–1650), französischer Philosoph 108 Desseault, Abbé, Häftling auf der Festung Sonnenstein 475–476 Deutsche, Diener des Grafen Karl Heinrich von Hoym 500 FN 1086 Dieskau 238 FN 39 Dietrich I. (1336–1406), Herr von der Mark und Graf von Dinslaken 201 Dietrich, Christian Gotthelf, Freikorps-Mitglied 650 Diomedes, Feldherr in der griechischen Mythologie 187 FN 623 Dlandol, Citoyen, französischer Schriftsteller 193, 195, 235 Dolon, trojanischer Kundschafter in der griechischen Mythologie 187 Dönhoff, Maria Magdalena Gräfin von (1685– 1730), Mätresse Augusts II. von Polen 202, 470–471 Douglas, Alexander Mackensie, französischer Spion des Prinzen Conti 531–532 Drake, britischer Spion in München 638 Droste, Johann Eberhard von (1662–1726), sächsischer Generalmajor 466 Dubois, Guillaume (1656–1723), französischer Kardinal und Außenminister 295 Ducrey, Bekannter des Maubert de Gouvest 550–551

780

Register

Dudley, John, 1. Duke of Northumberland (1504–1553), englischer Lordprotektor 349 FN 275 Dumas, Alexandre d. Ä. (1802–1870), französischer Schriftsteller 278 Dumoulin, Peter Ludwig (1681–1756), preußischer General 480, 569 Duperron de Castéra, Louis-Adrien (1705– 1752), französischer Gesandter in Warschau 571 Dupuy, Christophe (1580–1654), französischer Bibliothekar 131 Dupuy, Jacques (Jacobus Puteanus) (1591– 1656), französischer Bibliothekar 131 Dupuy, Pierre (1582–1651), französischer Bibliothekar 131 Durazzo, Giacomo (1717–1794), kaiserlicher Gesandter in Venedig 416 FN 620 Dürer, Albrecht (1471–1528), deutscher Maler und Grafiker 196, 196 FN 648 Dury, John (John Durie, Johannes Duraeus) (1595/96–1680), schottischer Theologe 178 Duval, Heinrich, Graf von Dampierre (1580– 1620), kaiserlicher Feldmarschall und Kriegsrat 377 E Ebersbach, Gottfried (1644–1726), sächsischer Legationssekretär 455 Eck, Leonhard von (1480–1550), bayerischer Politiker 315 Eckhart, Johann Friedrich, sächsischer Geheimer Rat 461 Eckholt, Tobias, sächsischer Agent in den Vereinigten Generalstaaten der Niederlande 146 Edward VI. (1537–1553), König von England und Irland 349 FN 275 Edzard II. (1532–1599), Graf von Ostfriesland 267 FN 135 Edzart I. (1462–1528), Graf von Ostfriesland 299 Eggenberg, Hans Ulrich von (1568–1634), kaiserlicher Hofkammerpräsident 376, 376 Anm. 407

Egmond, Maximilian von (Egmont) (um 1500–1548), Graf von Buren, niederländischer General, Statthalter von Friesland 320 Ehinger, Hans (1487–1546), schwäbischer Politiker 322 FN 150 Ehrenstein, sächsischer Hauptmann 611 Eichel, August Friedrich (1698–1768), preußischer Geheimer Kabinettsrat und Geheimer Kriegsrat 238 FN 38, 565 FN 1367, 582, 608 Einsiedel, Curt Heinrich von (1662–1712), sächsischer Geheimrat, Kammer- und Bergrat 214, 488, 488 FN 1035 Einsiedel, Detlev von (1773–1861), sächsischer leitender Kabinettsminister 652, 652 FN 1777 Einsiedel, Luise von, Freundin Wolf Dietrichs von Beichlingen 488, 488 FN 1035, 653 Eiswald, Adam Heinrich, Dresdner Tischlergeselle 649 Elisabeth (1540–1594), Herzogin von Sachsen 361 Elisabeth (1709–1761), Zarin 201, 532, 535 FN 1222, 572, 610, 624, 628 Elisabeth (vor 1516–1541), Gräfin von Mansfeld-Vorderort und Erbprinzessin von Sachsen 310 Elisabeth (Elisabeth von Rochlitz) (1502–1557), Herzogin von Sachsen 68, 202, 290, 302– 306, 303 Anm. 40, 42, 46, 304 Anm. 47–48, 305 Anm. 52–55, 58–59, 306 Anm. 62–64, 308–310, 311 Anm. 88, 322–330, 324 Anm. 160, 325 Anm. 161, 164, 168, 327 Anm. 170, 332–334, 338, 341, 344 Anm. 246, 670 Elisabeth Charlotte (Liselotte von der Pfalz) (1652–1722), Prinzessin von der Pfalz 200 Elisabeth I. (1533–1603), Königin von England 182, 189, 189 FN 631, 277 Ems, Ritter Mark Sittich I. von (1466–1533), Landsknechtführer 155 FN 452 Ende, Leopold Nicolaus Freiherr von (1713– 1792), sächsischer Kabinettsminister 616 Engelbrecht, Dresdner Galanteriehändler 589 Erasmus von Rotterdam (um 1466–1536), niederländischer Humanist 114, 120, 288, 196 Anm. 648

Personenregister

Ercole II. d’Este (1508–1559), Herzog von Ferrara, Modena und Reggio 342 Erfurth, Johann Benjamin (1726–1772), Goldschmied in Dresden und Gehilfe Menzels 60, 216, 581 FN 1452, 582–585 Erich I. (1470–1540), Herzog von Braunschweig-Lüneburg und Fürst von Calenberg-Göttingen 302 Erlach, Johann Ludwig von (1595–1650), Schweizer Söldnerführer 407–408 Ernst (1441–1486), Kurfürst von Sachsen 298 Ernst (1554–1612), Prinz von Bayern und Erzbischof von Köln 365, 365 FN 358 Ernst (1617–1642), Markgraf von Brandenburg-Jägerndorf 270 Ernst August I. (1688–1748), Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 145, 573 Ernst August II. Konstantin (1737–1758), Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 574 Ernst I., der Fromme (1601–1675), Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg 126, 131, 140, 272, 362, 381, 381 FN437, 403–404, 403 FN 565–566, 421, 423, 424 FN 650, 425 Ernst I. (1497–1546), Herzog von Braunschweig-Lüneburg 331 Essenius, August Franz (1724–1792), sächsischer Kommissionsrat und Oberamtmann 500 FN 1084 Eugen Franz (Prinz Eugen) (1663–1736), Prinz von Savoyen-Carignan, österreichischer Diplomat und Feldherr, Kriegsratspräsident und Generalgouverneur der Lombardei 109, 168, 203, 265, 284, 480–483, 485, 500–505, 509–510, 513–514, 513 FN 1138, 516, 518–519, 606 Eversmann, Friedrich August Alexander (1759–1837), preußischer Fabrikenkommissar, Domänenrat und Industriespion 639 Evert, Sebastian, sächsischer Hofrat 566 FN 1375 F Falkenberg, Dietrich von (1580–1631), schwedischer Obrist und Kommandant von Magdeburg 389, 389 Anm. 482, 392 Fassmann, David (1683–1744), deutscher Schriftsteller 91

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Ferber, Friedrich Traugott (1701–1763), sächsischer Hofrat, Geheimer Kabinettssekretär und Domprobst von Zeitz 584, 589 Anm. 1493 Ferber, Gottfried (1688–1755), Bürgermeister von Danzig 579 Ferber, Johann Constantin (1704–1746), preußischer Resident in Danzig 538–539 Ferdinand I. (1503–1564), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 304, 310, 312, 320 Anm. 137, 345, 346 Anm. 253, 348–350 Ferdinand II. (1587–1637), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 370, 372, 376, 407 Ferdinand III. (1608–1657), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 384, 385 Anm. 460, 386, 386 Anm. 467, 399, 410 Anm. 598, 419 Fermor, Wilhelm von (1702–1771), russischer General 586 Fernando Álvarez de Toledo y Pimente (1507–1582), Herzog von Alba, spanischer Feldherr und Diplomat 334 Anm. 199, 335, 339 Ferrabosco, Pietro (um 1512-nach 1588), italienischer Architekt 213 Finck von Finckenstein, Karl Wilhelm Graf von (1714–1800), preußischer Kabinettsminister 260 Anm. 98, 597 Anm. 1523, 598 Anm. 1525, 608 Finck, Friedrich August von (1718–1766), preußischer Generalleutnant und dänischer General 598, 606 Findekeller, Christian (1610–1675), sächsischer Sekretär 426 Firmian, Leopold Anton (1679–1744), Primas und Erzbischof von Salzburg 558 Fischer, Johann Gottlieb, sächsischer Vagabund 216, 641 Flachs, Johann, sächsischer Musketier 500 Anm. 1086 Flachs, Maria Elisabeth, Gemahlin von Johann Flachs 500 Anm. 1088 Flacius, Matthias (Illyricus) (1520–1575), deutscher Theologe 364–365 Fleischer, Johannes, Leipziger Bürger 266 Flemming, Jacob Heinrich Reichsgraf von (1667–1728), sächsischer Generalfeldmar-

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Register

schall und Minister 58 Anm. 230, 132–133, 133 Anm. 330–331, 146–147, 146 Anm. 404, 147 Anm. 405–407, 165, 168 Anm. 524, 173 Anm. 547, 177, 202–203, 203 Anm. 690, 238 Anm. 39, 239 Anm. 41, 249 Anm. 71, 250– 256, 261 Anm. 102, 438–444, 443 Anm. 750, 447–449, 448 Anm. 781–782, 455, 463–464, 463 Anm. 876–881, 468–474, 464 Anm. 882, 469 Anm. 914, 471 Anm. 925, 472 Anm. 930, 935, 473 Anm. 936, 941, 474 Anm. 944–948, 478–481, 478 Anm. 975, 480 Anm. 988, 483–488, 485 Anm. 1018–1019, 486 Anm. 1023, 495 Anm. 1057, 506 Flemming, Karl Georg von (1705–1767), sächsischer General, Geheimer Kabinettsminister und Gesandter in Turin, London und Wien 239 Anm. 41, 485, 485 Anm. 1015, 583, 585, 601–602, 602 Anm. 1538, 605, 605 Anm. 1556 Flemming, Thekla Gräfin von (1703–1747), Gemahlin von Jacob Heinrich von Flemming 478 Anm. 977 Fleury, André-Hercule de (1653–1743), französischer Kardinal und Premierminister 543 Fleury, Franz Joseph, eig. Wicardel, Marquis de (bis 1724 Marquis de Trivié) (+ 1735), sächsisch-polnischer Kabinettsminister und Gesandter in Wien 256, 496, 503, 543 Föhrenschild, Hans, Alchemist 167 Fonck, Wilhelm, niederländischer Propst 267 Anm. 135 Fontenay, Kaspar Franz von (1693–1763), sächsischer Geheimer Kriegsrat und Gesandter in Rom, Portugal, Frankreich und Kassel 239 Anm. 41 Foucault, Michel (1926–1984), französischer Philosoph 75, 88, 118 Fouché, Joseph (1759–1820), französischer Polizeiminister 652, 656, 661 Fouquet, Nicolas (1615–1680), französischer Finanzminister 109 Fox, Charles (1749–1806), englischer Politiker 650 Fraigne, Jean Jaques Gilbert Marquis de (* 1726), Zerbster Spion 539 Franchis, Franciscus de (1530–1599), italienischer Verleger 349

Francke, August Hermann (1663–1727), Hallescher Pietist und Pädagoge 177, 177 Anm. 570, 180–181, 180 Anm. 587–588, 181 Anm. 589, 301, 419, 419 Anm. 627 Franklin, Benjamin (1706–1790), amerikanischer Staatsmann und Erfinder 202 Anm. 684 Franz Albrecht (1598–1642), Prinz von Sachsen-Lauenburg und Feldmarschall 378, 378 Anm. 425, 380 Franz Heinrich (1604–1658), Prinz von Sachsen-Lauenburg 403 Franz I. (1494–1547), König von Frankreich 277, 314, 316 Franz II. Rákóczi (1676–1735), Fürst von Siebenbürgen 178–179, 178 Anm. 574, 480, 482, 482 Anm. 992 Franz Maximilian (1639–1692), Graf von Mansfeld-Vorderort 290, 413 Franz Otto (1530–1559), Herzog zu Braunschweig-Lüneburg 342 Franz Xaver (Prinz Xaver) (1730–1806), Administrator des Kurfürstentums Sachsen 552, 552 Anm. 1301, 574–575, 591, 611, 614–616, 640 Fregoso, Cesare, auch: Fregose (1500–1541), französischer Gesandter in Venedig 268 Frenzel, Johann Christian (+1726), Regensburger Agent in Hamburg 455 Friderici, Johann Balthasar (1639–1704), deutscher Schriftsteller 53, 84 Friedrich (1504–1539), Erbprinz von Sachsen 300, 310 Friedrich August (1700–1710), Erbprinz von Sachsen-Zeitz 292 Friedrich August III., der Gerechte (1750– 1827), Kurfürst und als Friedrich August I. König von Sachsen 217 Anm. 759, 615 Anm. 1592, 616, 616 Anm. 1603, 638, 640, 652–653 Friedrich Christian (1722–1763), Kurfürst von Sachsen 249, 523, 622, 623 Anm. 1619, 624, 636 Friedrich Heinrich Eugen, Prinz von AnhaltDessau (1705–1781), sächsischer General 606

Personenregister

Friedrich I. (1646–1691), Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg 138 Anm. 355, 150 Anm. 420, 427–430, 427 Anm. 669, 671, 428 Anm. 673, 675, 678, 429 Anm. 680, 432, 432 Anm. 697–698, 700–701, 436, 512 Friedrich I. (1657–1713), König in Preußen, bis 1701 als Friedrich III. Kurfürst von Brandenburg 200, 439, 439 Anm. 734, 440 Anm. 736–738, 464 Friedrich II. (1480–1547), Herzog von Liegnitz und Brieg 317, 319 Friedrich II. (1676–1732), Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg 436–437, 439, 439 Anm. 731–732, 440–441, 441 Anm. 740, 450–452, 450 Anm. 792, 451 Anm. 794–795, 492, 513, 515–516, 515 Anm. 1143, 1145, 516 Anm. 1146–1153, Friedrich II., der Große (1712–1786), König in Preußen 47, 57, 61, 71–72, 79, 93, 101 Anm. 158, 106, 143 Anm. 388, 144, 153, 157, 161, 175, 185, 209, 211, 238, 264–265, 272–273, 388, 416–417, 480, 485, 499, 502, 519, 531–532, 531 Anm. 1201, 535–540, 535 Anm. 1222, 536 Anm. 1224, 542–546, 553–554, 554 Anm. 1305, 564–566, 565 Anm. 1368, 568, 571–572, 572 Anm. 1403, 574, 577, 577 Anm. 1427, 579–581, 583, 585–588, 590–595, 597, 600– 601, 603–610, 604 Anm. 1546, 606 Anm. 1561, 617–618, 621–622, 624, 628–629, 632, 635–636, 639, 666, 668 Friedrich II., der Weise (1482–1556), Kurfürst von der Pfalz 315–316, 315 Anm. 115, 345 Friedrich III., der Fromme (1515–1576), Kurfürst von der Pfalz 366 Friedrich III. (1699–1772), Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg 520 Anm. 1159–1160, 574 Friedrich III. (1711–1763), Markgraf von Brandenburg-Bayreuth 617 Friedrich III., der Weise (1463–1525), Kurfürst von Sachsen 298–299, 299 Anm. 13, 301–302 Friedrich IV., der Friedfertige (ca. 1384–1440), Landgraf von Thüringen 158 Friedrich Ulrich (1591–1634), Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 187, 270

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Friedrich V., der Winterkönig (1596–1632), Kurfürst von der Pfalz 371–372 Friedrich Wilhelm (1771–1815), Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, Braunschweig-Lüneburg und Herzog von Oels 650 Friedrich Wilhelm I. (1562–1602), Herzog von Sachsen-Weimar 365, 367 Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig (1688–1740), König in Preußen 97 Anm. 130, 418, 469, 478, 479 Anm. 980–981, 480 Anm. 984, 481–483, 485–486, 505, 519, 521, 521 Anm. 1163, 525, 560–561, 563 Friedrich Wilhelm II. (1744–1797), König in Preußen 637 Friedrich Wilhelm III. (1770–1840), König in Preußen 646, 649 Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), König in Preußen 657 Anm. 1798 Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1620–1688), Kurfürst von Brandenburg 178, 178 Anm. 573, 423–424, 425 Anm. 658–659, 662, 426–427, 427 Anm. 669, 429 Anm. 682 Friedrich, Matthias, Alchemist 167 Friesen, Carl von (1619–1686), sächsischer Geheimer Rat und Präsident des Oberkonsistoriums 430 Friesen, Heinrich d. J. Freiherr von (1610– 1680), sächsischer Direktor des Geheimen Rats 430 Friesen, Heinrich Friedrich von (1681–1739), sächsischer Kabinettsminister und Gouverneur von Dresden 563 Friesen, Moritz, Unterstützer des Wilhelm von Grumbach 359 Anm. 330, 360, 360 Anm. 332 Fritsch Thomas Freiherr von (1700–1775), Präsident der sächsischen Restaurierungskommission und Minister 636 Fritzsche, Johann Georg, sächsischer Staatsgefangener 60, 215, 547 Fröhlich, sächsischer Ingenieurkapitän 586 Frundsberg, Georg von (1473–1528), Landsknechtführer 155 Anm. 452 Fuchs von Bimbach, Christoph Ernst von (1664–1719), Würzburger Geheimrat,

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Register

Kämmerer und Gesandter im Niedersächsischen Kreis 436 Anm. 722 Fugger, Augsburger Kaufmannsfamilie 232, 297, 299 Fürstenberg, Anton Egon Fürst von (1656– 1716), Statthalter in Sachsen während der Sächsisch-Polnischen Union, 446, 453, 456, 487, 492–493 Fuß, Johann, sächsischer Gesandter in England 349 Anm. 275 G Galen, Christoph Bernhard (1606–1678), Bischof von Münster 272, 424 Gallean des Issarts, Charles Hyacinthe de, Marquis von Salerono (1716–1754), französischer Gesandter in Warschau 573–574, 580 Anm. 1445 Gallisch, Leipziger Apotheker 617 Gärtner, Andreas (1654–1727), sächsischer Hofmechaniker, Naturwissenschaftler und Erfinder 220 Gassmann, Franz, auch: Pantaleon, deutscher Alchemist 512 Gebauer, Christoph, sächsischer Akziseinspektor 210 Geier, Johann Daniel (1660–1735), sächsischer Hofarzt 510, 510 Anm. 1127 Gemmingen-Hornberg, Reinhard von (1710–1775), kaiserlicher FeldmarschallLeutnant 622 Gentil, Philippe de, Marquis de Langallerie, auch: Langalerie (1661–1717), französischer Militär 93 Genter, Andreas, Bote 383 Georg (1528–1552), Herzog zu Mecklenburg 341 Georg Friedrich I. (1539–1603), Markgraf von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach 354, 354 Anm. 308, 367 Georg I. Rákóczi (1593–1648), Fürst von Siebenbürgen 384 Georg Ludwig (1660–1727), Kurfürst von Hannover und als Georg I. König von Großbritannien 165

Georg Wilhelm (1595–1640), Kurfürst von Brandenburg 379 Anm. 430, 401, 401 Anm. 550 Georg Wilhelm (1624–1705), Herzog von Braunschweig-Lüneburg 433, 433 Anm. 706–707 Georg, der Bärtige (1471–1539), Herzog von Sachsen 102, 149 Anm. 413, 180, 290, 298– 306, 300 Anm. 20–22, 24, 303 Anm. 41, 305 Anm. 55, 308–310, 324, 334 George I. (1660–1727), König von Großbritannien und als Georg I. Ludwig Herzog von Braunschweig-Lüneburg und Kurfürst von Hannover 510 Anm. 1129 George III. (1738–1820), König von England 202 Gersdorf, Nicolaus von (1629–1702), sächsischer Gesandter 430 Gersdorff aus dem Haus Reithen in der Niederlausitz, sächsischer Abenteurer 169 Gersdorff, Carl Friedrich Wilhelm von (1764– 1829), sächsischer Generalstabschef 651 Gersdorff, Gottlob Friedrich von (1680–1751), sächsischer Konferenzminister und Wirklicher Geheimer Rat 476 Anm. 958, 497, 531 Anm. 1202 Gersdorff, Rudolph von, Verfasser einer Schmähschrift gegen den sächsischen Kurfürsten 290 Anm. 241 Gersdorff, Wolf Abraham von (1662–1719), sächsischer Gesandter in Den Haag 173, 450 Anm. 790 Gerven, Johann Albrecht, sächsischer Akzisrat 493 Geyer, Florian (1490–1525), deutscher Reichsritter und Diplomat 353 Geyer, Gottlob, Landsoldat aus Reichstädt 60, 215, 547 Gfug, Georg Friedrich von (+1746), sächsischer Obrist und General 250 Anm. 74 Glafey, Adam Friedrich (1692–1753), sächsischer Hofhistoriograf 507 Glapion, Jean (+ 1522), Bischof von Toledo und Beichtvater des Kaisers 301 Gödecke, Christian, sächsischer Kundschafter 394, 394 Anm. 508

Personenregister

Goethe, Johann Wolfgang von (1749–1832), deutscher Dichter und Naturforscher 247, 643–644, 643 Anm. 1722, 644 Anm. 1727, 649 Goldschmidt, Friedrich Eduard, Anhaltischer Papiergeldfälscher 62 Gołębiewski, auch: Golembiewski, Golzbiewski, Golombiewski, russischer Resident in Warschau 242, 530–531, 530 Anm. 1200, 531 Anm. 1201 Goltz, August Stanislaus von der (1725–1795), sächsischer Generalmajor und Starost von Graudenz 611 Goltz, Franz Joachim Freiherr von der (+1717), sächsischer Generalmajor und Gesandter in Konstantinopel 468 Anm. 907 Goltz, Georg Wilhelm Freiherr von der (1721– 1767), Generalleutnant der polnischen Kronarmee 239 Anm. 42 Goltz, Joachim Rüdiger von der (1620–1688), sächsischer Kriegsrat 556 Goltz, sächsischer Geheimer Rat 464, 487 Gonzaga, Luisa Maria (1611–1667), Königin von Polen 200 Görne, Friedrich von (1670–1745), preußischer Kammerpräsident und Fabrikbesitzer 207 Görtz, Georg Heinrich Baron von (1668– 1719), holsteinischer Minister 113 Görtz, Johann von (1644–1699), hessischer Hofkammerpräsident 434 Gotter, Gustav Adolph, Reichsgraf von (1692– 1762), Gothaer Hofrat und Gesandter in Wien, preußischer Generalpostmeister und Geheimer Staatsrat, Domherr von Halberstadt 174 Anm. 553, 265, 513, 514 Anm. 1142, 515–519, 515 Anm. 1143–1145, 516 Anm. 1147–1151, 1153, 517 Anm. 1154, 589 Gotter, Ludwig Andreas (1661–1735), Gothaer Geheimsekretär und Jurist 514 Gottlich, Joachim, sächsischer Kanzleischreiber 359 Anm. 324 Gottschaldt, Dietrich Heinrich, Postmeister von Rippach 419 Gottsched, Luise von (1713–1762), deutsche Schriftstellerin 532

785

Gotzkowsky, Johann Ernst (1710–1775), Berliner Kunstagent und Unternehmer 185 Gracián, (eig.: Baltasar Gracián y Morales S.J.) (1601–1658), spanischer Schriftsteller 86, 121 Granvelle, Antoine Perrenot de (1517–1586), spanischer Kardinal und Minister 267 Anm. 135, 314, 316 Granvelle, Nicolaus Perrenot de (1484–1550), spanischer Kanzler Karls V. 316, 316 Anm. 117 Greben, preußischer Adjutant 568 Grimm, Jakob (1785–1863), deutscher Sprachwissenschaftler und Jurist 27–28, 31, 33 Grimm, Wilhelm (1786–1859), deutscher Sprachwissenschaftler und Altertumswissenschaftler 27–28, 33 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von (um 1622–1676), deutscher Schriftsteller 393 Groschuff, Friedrich, auch: Johann Georg Freymund, Johann Georg Wahrmund, Guardino di Boschi, A. Boethius, Leipziger Verleger 54 Grumbach, Wilhelm von (1503–1567), fränkischer Reichsritter 167, 169, 238 Anm. 39, 261, 291, 353–362, 359 Anm. 329–330, 360 Anm. 332–333, 364, 603 Grumbkow, Friedrich Wilhelm von (1678– 1739), preußischer Generalfeldmarschall und Minister 479–480, 479 Anm. 983, 501, 522 Anm. 1172 Gründler, Johann Jeremias (1681–1753), sächsisch-polnischer Zehntner und Bergrat 461–462, 461 Anm. 864 Grundling, Jacob Paul von (1673–1731), deutscher Historiker 151 Anm. 425 Grundtmann, Fridrich, Prior des Prager Stifts Břevnov 551 Gruner, Michael, sächsischer Spion 399–400, 670 Gschray, Johann Michael (1692–1763), preußischer Generalmajor und Chef eines Freikorps 529–530 Guasco de Clavières, Franz Graf von (1708– 1763), kaiserlicher Generalfeldwachtmeister und General 621–622

786

Register

Guericke, Otto von (1602–1686), deutscher Politiker, Physiker, Jurist und Bürgermeister von Magdeburg 390, 391 Anm. 498, 392 Guiscard-Magny, Louis de (1651–1720), französischer Gesandter in Stockholm 444 Güllhorn, Liprand von, Alchemist 167 Gundermann, Christoph (1549–1622), Oberhofprediger von Halberstadt und Superintendent 183, 183 Anm. 603 Günther XLI. (1529–1583), Graf von Schwarzburg 356 Günther, sächsischer Hofrat und Dekan vom Stift Zeitz 500 Anm. 1084 Gurowski, Melchior (1686–1756), Fähnrich von Kalisch, Starost von Koso und Castellan von Gnesen, Kalisch und Posen 215, 522 Gürtler, Christoph Friedrich, sächsischer Hauptmann der Chevalier-Garde 528 Gustav II. Adolf (1594–1632), König von Schweden 260, 269, 371, 375–378, 381, 384, 389, 392, 406 H Haacke, sächsischer Piqueur 130 Anm. 313 Haas, Johann Meno (1752–1833), deutscher Kupferstecher 539, 540 Hadik von Futak, Andreas Graf (1711–1790), österreichischer Feldmarschall 592 Anm. 1509, 621–622 Hafis, auch: Hāfez, Ηāfiz (um 1315-um1390), persischer Dichter 247 Hailes, Daniel (1751–1835), englischer Gesandter in Paris 638, 638 Anm. 1686 Hamann, Johann Friedrich, sächsischer Sekretär des Kriegsrats De la Sarraz und Geheimagent 504–506, 505 Anm. 1107, 1109–1114, 506 Anm. 1117, 1119, 545, 545 Anm. 1263, 570 Anm. 1393 Hardenberg, Lucie von (1776–1854), Gemahlin des Fürsten Pückler-Muskau 655, 655 Anm. 1793 Harley, Robert 1. Earl of Oxford und Earl Mortimer (1661–1724), englischer Staatssekretär 142 Harold, Sekretär beim Fürstenhof AnhaltZerbst 532

Harpe, Fréderic-César de la (1754–1838), Schweizer Politiker 649 Harrach, Franz Anton Fürst von (1665–1727), Fürsterzbischof von Salzburg 472 Anm. 933 Harrach, Friedrich August Graf von (1696– 1749), kaiserlicher Reichshofrat und Gesandter 501 Harrach, Johann Philipp Graf von (1678– 1764), kaiserlicher Feldmarschall und Präsident des Hofkriegsrats 621–622 Harrer, Hans (um 1530–1580), sächsischer Kammermeister 365 Anm. 359 Hartmann, Johann Philipp, Student von August Hermann Francke 177, 177 Anm. 570 Haschenbach, Valentin, Alchemist 167 Hatzfeld, Franz von (1596–1642), Fürstbischof von Würzburg und Bamberg 403 Hatzfeld, Melchior von (1593–1658), Graf von Gleichen, kaiserlicher Feldherr 385 Haugschaar, Martin, kaiserlicher Kundschafter 401–402, 402 Anm. 557 Haugwitz, Friedrich Adolph von (1637–1705), sächsischer Oberhofmarschall 438 Hauptmann, Georg, auch: Gregori Toder Horst, sächsischer Feldkriegskommissar 138 Anm. 355, 147–148, 147 Anm. 409, 475, 498, 498 Anm. 1073 Haxthausen, Georg Ludwig von, sächsischer Kammerrat 489 Hayn, preußischer Oberjäger 60, 646 Hecht, Johann Julius von (1721–1792), preußischer Gesandtschaftssekretär in Dresden und Resident in Hamburg 577, 582 Hecker, Johann Daniel Baron von, sächsischer Hauptmann 486 Hedwig (1581–1641), Kurfürstin von Sachsen 394 Hedwig Sophie (1623–1683), Landgräfin von Hessen-Kassel 424, 424 Anm. 650–651, 427–428, 427 Anm. 671, 428 Anm. 673, 675, 678, 429 Anm. 680 Heideck, Johann von (1508–1554), sächsischer General und Truppenführer des Schmalkaldischen Bundes 320 Anm. 138, 345 Heidegger, Martin (1889–1676), deutscher Philosoph 95

Personenregister

Heidekam, Baron von, preußischer Finanzrat 481, 483 Heidel, Wolfgang Ernst (+1707), deutscher Jurist und Kryptologe 232 Heineken, Carl Heinrich von, auch: Heinecken, Heinicke (1707–1791), sächsischer Kunstsammler, Geheimer Kammerrat und Privatsekretär des Grafen Brühl 215, 546, 577, 580–581, 635 Heinrich II. (1489–1568), Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 302, 310, 313, 335 Heinrich II., auch: Henri d’Albret (1503–1555), Titularkönig von Navarra 350 Heinrich II. (1519–1559), König von Frankreich 345–346 Heinrich III. (1551–1589), König von Frankreich und als Henryk Walezy König von Polen 352 Heinrich IV., auch: Heinrich von Navarra (1553–1610), König von Navarra und von Frankreich 351–352 Heinrich Julius (1564–1613), Herzog von Braunschweig-Lüneburg 32 Heinrich V. (1479–1552), Herzog zu Mecklenburg-Schwerin 342 Heinrich VI. (1649–1597), Graf von Reuß ä. L., sächsischer Generalfeldzeugmeister 175 Heinrich VIII. (1491–1547), König von England und Irland 314 Heinrich, auch: Heinrich von Preußen (1726–1802), Prinz von Preußen und General 592, 598, 617–619, 618 Anm. 1610, 626, 628 Heinrich, der Fromme (1473–1541), Herzog von Sachsen 290, 299, 301, 310 Heinrichs, Michael, Attentäter 292 Heintze, Gottfried, sächsischer Hofjäger 564–565 Hein(t)ze, Johann George (1707- nach 1751), sächsischer Arkanist 209 Held, sächsischer Adjutant 563, 563 Anm. 1358–1359 Hendrich, Franz Ludwig Albrecht von (1754– 1828), Kammerrat in Sachsen-Weimar 643, 643 Anm. 1721 Hennequin, Madame, sächsische Hofdame 506

787

Hennicke, Johann Christian Graf von (um 1690–1752), Kammerdirektor des Stifts Naumburg und sächsischer Vizekammerpräsident 498–499, 582 Henning, preußischer Major 587 Hennings, Justus Christian (1731–1815), deutscher Philosoph 53 Henrietta Frederica (1737–1766), Prinzessin von Bünau 161 Hensel, Hans, sächsischer Geheimer Kriegssekretär 175–176 Hering, Christian August, Gothaer Gesandter in Regensburg 520 Hermann, Johann Zacharias, sächsischer Obersalzinspektor 622 Hermann, Tobias, Hallenser Klempner und Spion in Magdeburg sowie Einnehmer von Zwochau 544, 546 Heron, französischer Ingenieuroffizier 613 Hertel, Rentmeister von Sachsen-Gotha 175 Hertmüller, Gothaer Kriegskommissar und Buchhalter 514 Hertzer, Christian Friedrich, auch: Variani (* um 1728), Chirurg im Vogtland und preußischer Spion 60, 209, 216–217, 217 Anm. 759, 610–617, 613 Anm. 1583–1584, 615 Anm. 1592, 616 Anm. 1603, 617 Anm. 1605, 619–620, 670 Hewen, Albrecht Arbogast von (+1570), württembergischer Gesandter 343 Anm. 238 Heyden, Major 648 Hieron I. (+ um 466 v. C.), Herrscher von Syrakus 91 Hiller, Hermann August, sächsischer Oberpostkommissar 595, 595 Anm. 1518 Hindenburg, Carl Friedrich (1741–1808), deutscher Mathematiker 235 Hirschel, Israel, Siegelmacher 556 Hirschel, Lazarus, sächsischer Hoffaktor 445 Hobbes, Thomas (1588–1679), englischer Philosoph 79, 84, 88, 92, 99, 100 Hoffman, Sekretär in Ilmenau 617 Hoffmann, Johann, Weimarer Geheimsekretär 386, 387 Anm. 475, 407 Hoffmann, Karl Friedrich, preußischer Resident in Warschau 555–556, 558, 559, 561

788

Register

Hofkirchen, Wolf Lorenz Freiherr von (um 1606–1656), sächsischer Kommandant von Prag, sächsischer Generalmajor, kaiserlicher Generalleutnant und zweimaliger Überläufer zu den Schweden 178 Anm. 573, 379 Hofkirchen, Wolf Lorenz, Graf von (nach 1667), Attentäter 292 Hohenlohe, Fürst von 647 Holanda, Francesco de (1517–1585), portugiesischer Maler, Architekt und Historiker 186 Holk, Heinrich Graf von (1599–1633), dänischer Feldherr und kaiserlicher Feldmarschall 378 Holm, Johann, sächsischer Kundschafter und Hauptmann auf der Festung Stolpen 465– 466, 465 Anm. 886, 888, 890–894, 466 Anm. 895–899 Holtzbrinck, Georg Hermann von (1664– 1742), sächsisch-polnischer Generalkronpostmeister 445–446, 557–558, 560, 563 Hönn, Paul (1622–1689), Coburger Rat 428 Anm. 677 Horn, britischer Spion in Regensburg 638 Horn, Gustaf Carlsson (1592–1657), schwedischer Feldmarschall 377, 383, 399 Höroldt, Johann Gregor, auch: Herold (1696– 1775), sächsischer Porzellanmaler 207, 497 Hortleder, Friedrich (1579–1640), deutscher Historiker und Politiker 377, 377 Anm. 415 Hösch, Lebl, Wiener Hoffaktor 164 Hoym, Adolph Magnus (1668–1723), sächsisch-polnischer Geheimer Rat und Kabinettsminister 464, 488–489 Hoym, Karl Heinrich Graf von (1694–1736), sächsischer Kabinettsminister und Botschafter in Paris 184, 209, 284, 472–474, 472 Anm. 935, 473 Anm. 936, 474 Anm. 944–946, 485, 492, 495–501, 496 Anm. 1060, 498 Anm. 1071–1072, 1075, 500 Anm. 1086, 506, 525 Hoym, Ludwig Gebhard von (1631–1711), sächsischer Kammerpräsident 438 Hübler, Gotthelf Balthasar, Sekretär des Christian Friedrich Hertzer 216, 616

Huguetan, Johann Heinrich, auch: Jean Henri Huguetan, D‘Oudyck, Beaulieu, Merciere (1667–1749), französischer Agent, Kaufmann und Bankier und dänische Kammerrat 495 Hunger, Christoph Conrad, Goldschmied in Meissen 207 Hünicke, Albrecht Friedrich (1630–1704), Bayreuther Geheimer Rat 428, 428 Anm. 677 Hunold, Christian Friedrich, auch: Menantes (1681–1721), deutscher Jurist und Schriftsteller 55–56 Husanus, Heinrich (1536–1587), Erfurter Jurist und Diplomat 358 Hyde, Edward (1609–1674), 1. Earl of Clarendon 232 I Ilgen, Heinrich Rüdiger Baron von (1654– 1728), preußischer Staatsmann 168 Anm. 525, 249 Anm. 71, 448–449, 448 Anm. 781–782, 480, 480 Anm. 984, 482, 483 Anm. 1001, 565 Anm. 1367 Imhoff, Anton Albrecht Freiherr von (1653– 1715), sächsischer Oberberghauptmann und Kammerpräsident 457–462, 457 Anm. 835, 460 Anm. 859, 461 Anm. 862, 462 Anm. 867 Innhausen und Knyphausen, Dodo Freiherr von (1583–1636), Landsknechtführer 155 Anm. 452 Innozenz XII. (1615–1700), Papst 484 Innozenz XIII. (1655–1724), Papst 471 Irenäus, Christoph (um 1522–1595), deutscher Theologe 364–365, 365 Anm. 356 Iwan IV., der Schreckliche (1530–1584), Zar 75 Iwan V. (1666–1696), Zar 172 J Jabłonowski, Jan Stanisław (Johann Stanislaus Jablanowsky) (1669–1731), Paladin von Russland, Woiwode und Kronfähnrich von Polen 215, 469 Jablonski, Daniel Ernst (Ernestus Petersonius) (1660–1741), Hofprediger in Berlin 178–

Personenregister

179, 178 Anm. 575, 179 Anm. 576–581, 481–483, 482 Anm. 992 Jacobi, Johann Christoph, Leipziger Oberpostkommissar 474–475 Jacobs, Johann (1648–1732), Gothaer Geheimrat, Vizekanzler, Hof- und Kammerrat 439, 439 Anm. 732–733 Jäger, Daniel Eusebio von, Gothaer Geheimer Rat und Hofrat 516 Jäger, Sekretär der preußischen Gesandtschaft in Dresden 559, 562 Jaguczinsky Pavel Ivanowitsch (Yaguzhinski, Jagushinskij) (1683–1736), russischer Minister und Gesandter in Berlin 502 Jägwitz, Friedrich (1665–1727), preußischer Leibarzt 208 Jakob II. (1633–1701), König von England und als Jakob VII. König von Schottland 272 Jefferson, Thomas (1743–1826), 3. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika 229, 236 Jenisch, sächsischer Auditor 557, 562 Jenitz, Johann (1525–1589), sächsischer Kammersekretär 365 Anm. 359 Jenkinson, Charles, 1. Earl of Liverpool, Baron Hawkesbury (1727–1808), englischer Minister 638 Joab, Israel, auch: Michael Grassenbach, österreichischer Spion 166 Joachim Friedrich (1546–1608), Kurfürst von Brandenburg 293, 293 Anm. 245 Joachim I. (1484–1535), Kurfürst von Brandenburg 158, 302, 304 Joachim II. Hector (1505–1571), Kurfürst von Brandenburg 325, 352 Jocher, Wilhelm (1565–1636), bayerischer Geheimrat 372 Joggel, Johann Rudolf, sächsischer Privatsekretär des Ministers von Manteuffel 505, 506 Anm. 1116 Johann (1498–1537), Erbprinz von Sachsen 302, 309 Johann (1801–1873), König von Sachsen 656, 657 Anm. 1798 Johann Adolf I. (1649–1697), Herzog zu Sachsen-Weißenfels 452 Anm. 799

789

Johann Adolf II. (1685–1746), Herzog zu Sachsen-Weißenfels und sächsischer Generalfeldmarschall 477, 477 Anm. 968, 543–546, 556, 572 Johann Albrecht I. (1525–1576), Herzog zu Mecklenburg 342, 345 Johann Ernst (1566–1638), Herzog von Sachsen-Eisenach 377 Johann Ernst (1658–1729), Herzog von Sachsen-Saalfeld 428 Johann Ernst I., der Jüngere (1594–1626), Herzog von Sachsen-Weimar 371–372, 372 FN 385, 375 Johann Ernst III. (1664–1707), Herzog von Sachsen-Weimar 424, 486 Johann Friedrich (1582–1628), Herzog von Württemberg 270 Johann Friedrich I., der Großmütige (1503–1554), Kurfürst und Herzog von Sachsen 117, 131, 139, 305–307, 305 Anm. 53–54, 59, 306 Anm. 64, 310–314, 313 Anm. 94, 317 Anm. 120, 318–324, 318 Anm. 125, 319 Anm. 129, 321 Anm. 144–146, 322 Anm. 147, 149, 151, 323 Anm. 152–154, 327, 330–339, 330 Anm. 179, 337 Anm. 215, 339 Anm. 221, 340 Anm. 223, 341–342, 345, 346 Anm. 253, 348, 353 Anm. 301, 668 Johann Friedrich II., der Mittlere (1529–1595), Herzog von Sachsen 142, 166–167, 345, 354, 356–359, 360 Anm. 333, 365 Johann Georg I. (1515–1579), Graf von Mansfeld-Eisleben 322 Johann Georg I. (1567–1618), Fürst von Anhalt-Dessau 292 Johann Georg I. (1585–1656), Kurfürst von Sachsen 104, 270, 270 Anm. 155, 271 Anm. 159–160, 290, 292–293, 293 Anm. 247, 368–369, 372, 376, 380, 383 Anm. 449, 395, 421, 668 Johann Georg II. (1613–1680), Kurfürst von Sachsen 109, 290, 420, 422, 424, 425 Anm. 662, 426 Johann Georg III. (1647–1691), Kurfürst von Sachsen 290, 432, 432 Anm. 696–697, 700–701, 433 Anm. 702, 706, 436, 436 Anm. 717

790

Register

Johann Georg IV. (1668–1694), Kurfürst von Sachsen 437 Johann Georg, Chevalier de Saxe (1704– 1774), sächsischer General, Gouverneur von Dresden 616 Johann III. Sobieski (Jan III. Sobieski, Jonas Sobieski) (1629–1696), König von Polen und Großfürst von Litauen 172, 442, 444 Johann Kasimir (1564–1633), Herzog von Sachsen-Coburg 270 Johann Philipp (1520–1566), Wild- und Rheingraf von Salm-Dhaun-Neufville, Truppenführer in französichen Diensten 345 Johann Wilhelm (1666–1729), Herzog von Sachsen-Eisenach 486 Johann Wilhelm I. (1530–1573), Herzog von Sachsen-Weimar 321–323, 321 Anm. 144–146, 322 Anm. 147, 149, 323 Anm. 152, 155, 327, 329–330, 329 Anm. 176, 350, 353, 364–365 Johann (Hans) (1513–1571), Markgraf von Brandenburg-Küstrin 312, 345 Johann, der Beständige (1468–1532), Kurfürst von Sachsen 180, 302, 304, 306 Johanna Elisabeth (1712–1760), Fürstin von Anhalt-Zerbst 532 John, Hans, Gastwirt in Nordhausen 363 Jonas, Justus d. J. (1525–1567), deutscher Diplomat 360, 360 Anm. 338 Jordan, Christian (+ 1766), preußischer Hofpostmeister 598, 598 Anm. 1525, 1527 Jordan, Karl Gustav von (+1721), sächsischer Generalmajor und Gesandter in Paris 487 Joseph I. (1678–1711), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 484, 533, 571 Joseph II. (1741–1790), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 79, 618, 618 Anm. 1611 Josua, der Sohn Nuns (Jehoschua), Kundschafter des Stammes Ephraim im Alten Testament 185, 187 Julius Heinrich (1586–1665), Herzog von Sachsen-Lauenburg 377 Justi, Johann Heinrich Gottlob von (1717.1771), deutscher Publizist 632–633

K Kaden, Carl Friedrich, sächsischer Staatsgefangener 210 Kahle, sächsisch-polnischer Kronpostsekretär 557–560 Kaiser, Leonhard (1480–1527), deutscher Reformator und Märtyrer 306 Kalckstein, Christoph Wilhelm von (1682–1759), preußischer Generalfeldmarschall 561 Kaleb, Kundschafter des Stammes Juda im Alten Testament 185, 187 Kaliszki, polnischer Hofamtsträger 559–560 Kaltenbrunn, von, Geheimrat 490 Kämpffe, Samuel (Kempe, Kempfe), sächsischer Arkanist 206–207 Kann, Moses (1717–1761), hessischer Hoffaktor 442, Anm. 746 Kannegießer, Ephraim, sächsischer Soldat 445–446, 445 Anm. 765–766 Kant, Immanuel (1724–1804), deutscher Philosoph 17, 121–124, 280, 674 Karl (1654–1730), Landgraf von Hessen-Kassel 441 Anm. 739 Karl Alexander (1712–1780), Prinz von Lothringen und Bar und kaiserlicher Feldmarschall 544 Karl Heinrich Nikolaus (1743–1808), Prinz von Nassau-Siegen, Admiral der russischen Ruderflotte 637Karl I. (1600–1649), König von England 235, 666 Karl II. (1630–1685), König von England 201 Karl II. August (1746–1795), Herzog von Pfalz-Zweibrücken 617 Karl V. (1500–1558), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 138, 200, 232–233, 268, 279, 300, 305, 307–308, 312, 314, 316, 319, 321, 335–336, 338, 345–347, 347 Anm. 259, 349 Karl VI. (1685–1740), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 265, 510, 541, 571 Karl VII. (1697–1745), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 536, 571–572 Karl X. (Charles Philippe), Graf von Artois (1757–1836), König von Frankreich 673 Karl XII. (1682–1718), König von Schweden 113, 202, 282 Anm. 206, 447–448,

Personenregister

450–451, 450 Anm. 792, 455–456, 458–459, 462, 465–466, 468, 470 Käsebier, Christian Andreas (1710–1757), deutscher Räuber 538 Kasiski, Friedrich Wilhelm (1805–1881), deutscher Kryptologe 233, 236 Katharina II. (1729–1796), Zarin 57, 75, 79, 531, 548, 554 Anm. 1305, 628, 636 Katsch, Christoph von (1665–1729), preußischer Kriegsrat und Justizminister 483, 483 Anm. 1001–1002 Kauderbach, Johann Heinrich (1707–1785), sächsischer Kriegsrat und Resident in Den Haag 238 Anm. 39, 506 Anm. 1119, 577–578, 593, 593 Anm. 1511–1512 Kaulfuß, Johann Georg, Mitorganisator der Leipziger Ratslotterie 211 Kaunitz-Rietberg, Wenzel Anton Reichsgraf von (1711–1794), österreichischer Staatsmann 279, 533, 533 Anm. 1210, 594, 594 Anm. 1515, 595, 605 Kaunitz-Rietberg-Questenberg, Dominik Andreas von (1739–1812), kaiserlicher Oberststallmeister und Gesandter in Madrid 416, Anm. 620 Kayßermark. Graf von, Häftling auf der Festung Königstein 640 Kees, Johann Jakob (Käse, Käß) (1645–1705), Leipziger Ratsherr und kursächsischer Oberpostmeister 241, 241 Anm. 48, 242 Anm. 48, 264 Keferstein, Gabriel Wilhelm (1755–1816), Polizeiratsmeister und Bürgermeister von Halle 648 Keller, Jakob (1568–1631), bayerischer Theologe 372 Keller, Johann Georg Wilhelm von (1710– 1785), preußischer Generalleutnant und Kommandant von Leipzig 596, 612, 617 Keppel, Arnold Joost van, 1. Earl of Albemarle (1669–1718), niederländischer Feldherr 504 Kérouaille, Louise Renée de Penancoët de, Duchess of Portsmouth (Madame de Kéroual, Kéroualle) (1649–1734), Doppelagentin für Frankreich und England 201 Keseritz, sächsischer Hauptmann 393

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Kessel, Johann Friedrich von, Kommissar und Oberkassierer der Kriegskanzlei zu Sachsen-Gotha 175, 514 Keufel, sächsischer Sekretär 493 Keyser, sächsischer Obrist 461 Keyserlingk, Hermann Carl Baron von (1696– 1764), russischer Gesandter in Dresden und Berlin 243 Anm. 51, 531, 556 Kielmannsegge, Auguste Charlotte Gräfin von (1777–1863), Agentin Napoleons 652 Anm. 1774, 654 Kielmannsegge, Ferdinand Hans Graf von (1777–1856), hannoverscher Gesandter in Sachsen 652 Kierkegaard, Sören Aabye (1813–1855), dänischer Philosoph und Theologe 94 Kircher, Athanasius (1602–1680), deutscher Jesuit und Universalgelehrter 221–222 Kirchweger, Sekretär der Herzogin Elisabeth von Rochlitz 331 Kleinholtz, Christoph, sächsischer Hofschütze 586 Kleist, Ewald Georg von (1698–1768), preußischer Generalmajor und Kommandant des Forts Preußen bei Neisse 609 Kleist, Heinrich von (1777–1811), deutscher Schriftsteller und Spion 212 Klement, Johann Michael (1689–1720), Abenteurer 97 Anm. 130, 168 Anm. 524, 169, 289, 475, 478, 480–483, 481 Anm. 991, 509, 670 Klement, Mediziner 598 Anm. 1528, 599, 599 Anm. 1530 Klengel, Christian von (1629–1693), sächsischer Geheimer Rat 430 Klettenberg, Johann Hektor Baron von (1684–1720), auch: Baron von Wildeck, Alchemist und Abenteurer 133 Anm. 330, 168–169, 511, 511 Anm. 1135 Kleymann, Hallenser Briefträger 596–597 Klinckicht, sächsischer Kassierer 522, Anm. 1173 Klingemann, sächsischer Kassenkopist 557, 557 Anm. 1322 Klingenberg, sächsischer Generalmajor 557 Klinggräf, Joachim Wilhelm (1692–1757), preußischer Gesandter in Dresden, London und Wien 506, 545 Anm. 1265, 565, 565

792

Register

Anm. 1368, 570, 576–577, 576 Anm. 1421, 577 Anm. 1427 Klopstock, Friedrich Gottlieb (1724–1803), deutscher Schriftsteller 108 Klotsch, sächsischer Leutnant 648 Klüber, Johann Ludwig (1762–1837), deutscher Schriftsteller 163 Knobloch, Dietrich Erhard von (um 1690– 1757), preußischer Obrist und Generalmajor 569, 569 Anm. 1389 Knoch, Christian Heinrich von (1649–1716), sächsischer Festungskommandant 490, 490 Anm. 1042 Knöffel, Johann Christoph (1686–1752), sächsischer Oberlandbaumeister 562 Knorr, Barthel (Hans Scheuder), Attentäter 292 Knorre, Hof- und Justizienrat in Sachsen-Weißenfels 462 Koch, Friedrich Karl, preußischer Kastellan von Charlottenburg 537 Koch, Ignaz Freiherr von (um 1697–1763), österreichischer Kryptologe 279 Koch, Wilhelm Michael, Denunziant 586 Köhl, Alexis, Zivilingenieur und Erfinder einer Geheimschrift 657 Königsmarck, Hans Christoph (1600–1663), schwedischer Feldmarschall 384, 387 Anm. 475, 408 Königsmarck, Maria Aurora Gräfin von (1662–1728), Mätresse Augusts II. von Polen 202 Königsmarck, Philipp Christoph (1665–1694), hannoverscher Offizier 438–439 Konrad II. von Thüngen (um 1466–1540), Bischof von Würzburg 304 Kopp, Gottlob Friedrich, sächsischer Oberkriegskommissar und Sondergesandter in Berlin 524 Kortum, Carl (1745–1824), deutscher Schriftsteller und Arzt 162 Koseritz, Jacob von, sächsischer Rentmeister 321 Kost, Johann Friedrich (+1775), sächsischer Legationssekretär und Akzisrat im Generalakzisekollegium 238 Anm. 39

Kotzebue, August von (1761–1819), deutscher Schriftsteller 653 Krassow, Ernst Detlof von (Krassau) (1660–1714), schwedischer Generalleutnant 464–465 Kraszewski, Józef Ignacy (1812–1887), polnischer Schriftsteller 633–634 Kratz, Joachim, sächsischer Jurist und Spion 401 Kraus, Albrecht, Pronotar des Jenaer Oberkonsistoriums 364 Krell, Nikolaus, auch: Nicolaus Crell (um 1550–1601), sächsischer Kanzler 183, 214, 284, 366–367, 367 Anm. 366 Kühlewein, Carl Christian, Hochstapler 169 Kühlewein, Georg (um 1590–1656), Bürgermeister von Magdeburg 390 Kung, Hans, Bürger von Nordhausen 158 Küster, Georg, Leipziger Kaufmann 212 L L’Aubespine, Sébastien de (1518–1582), französischer Gesandter und Abt des Klosters Saint-Jean-Baptiste de Bassefontaine 315 L’Estocq, August de (1715–1790), sächsischer Obrist und Gouvernementsadjutant 236 Anm. 35, 535, 535 Anm. 1222, 639 La France, Musikus in Meißen 207 La Pimpie, sächsischer Hofbeamter französischer Abstammung 497 Laage, von der, schönburgischer Kanzleidirektor 493 Lacy, Franz Moritz von (1725–1801), österreichischer General 153 Anm. 434 Lagnasco, Peter Robert Taparello Graf von (1659–1732), sächsischer Gesandter 474, 488 Lambert, preußischer Kapitän 539 Lambsdorff (eig.: Paul George von der Wegen), sächsischer Generalmajor 584, 595 Lampertswalde, Mansfelder Sekretär 413–414 Lange, Gottfried, sächsischer Bote 462, 462 Anm. 869 Langenbeck, Heinrich (1603–1669), Braunschweigischer Gesandter 410 Languet, Hubert (1518–1581), französischer Diplomat und Theologe 351

Personenregister

Lannes, Jean (1769–1809), französischer Marschall 646 Lasko, Johann de, auch: Johannes Laski, Johannes A Lasco (1499–1560), Reformator in Ostfriesland und England 349 Laudon, Gideon Ernst Freiherr von (1717– 1790), österreichischer Feldherr 595, 622, 626–627 Lauterbach, Barthel (1515–1578), sächsischer Hof- und Kammerrat 358, 358 Anm. 321, 362 Lavalette, französischer Agent in Dresden 645 Lavinde, Gabriele di, italienischer Kryptologe 231 Le Clerc du Tremblay de Maffliers, FrançoisJoseph, auch: Père Joseph (1577–1638), französischer Kapuzinermönch und Beichtvater Kardinal Richelieus 277, 406 Le Fert, Professor in Coburg 474 Le Fort, Johann Baron, auch: Jean (1685– 1739), sächsischer Gesandter in St. Petersburg 238 Anm. 39, 474 Le Fort, Madame, Gemahlin des Johann Le Fort 502 Le Maire, Rudolphe, auch: Lemaire, französischer Kaufmann und Agent 209, 497 Le Tellier, François Michel, Marquis de Louvois (1641–1691), französischer Kriegsminister 179 Lebau, Leipziger Kaufmann 60, 617 Lebzelter, Friedrich (1565–1640), sächsischer Resident in Prag, Hamburg und Wien 369, 370 Anm. 378, 376 Lefèvre, auch: Le Fevre, hessischer Resident in Hannover 505, 505 Anm. 1107, 1109–1111 Leffmann, Behrens (1634–1714), Hoffaktor in Hannover 442 Anm. 746 Lehmann, Behrend Issacher Halevi, auch: Bermann (1661–1730), sächsischer Hoffaktor 164–165, 164 Anm. 504, 442, 467–468 Lehmann, Weimarer Resident in Berlin 481– 482 Leibe, sächsisch-polnischer Kammerrat 251 LeMang, Gregorius (*1770), deutscher Schriftsteller 163

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Lent genannt Holtzbrinck, Georg Wilhelm von (1694–1762), Neffe des sächsischpolnischen Kronpostmeisters Holtzbrinck 445–446 Leopold I. (1640–1705), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 178, 419, 432, 434–435 Leopold I. (1790–1865), König der Belgier 284, 656–657 Leopold I., auch: Der alte Dessauer (1676– 1747), Fürst von Anhalt-Dessau 481 Leopold II. (1747–1792), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 533, 637 Leopold Wilhelm Erzherzog von Österreich (1614–1662), Erzbischof von Magdeburg und Fürstbischof von Halberstadt, Olmütz, Passau, Breslau und Straßburg 158, 158 Anm. 470, 375 Leszczyński, Stanislaus, auch: Stanisław, Stanislaus I. Leszczyński (1655–1766), Titularkönig von Polen und Litauen und Herzog von Lothringen und Bar 91, 93, 165, 263, 292–293, 456, 459, 464, 466, 468–476, 472 Anm. 934, 478, 485, 495, 498, 509, 511, 521, 529, 558, 661, 668 Leuber, Johann (1588–1652), sächsischer Prinzipalgesandter in Osnabrück 411 Leutholf, Heinrich Gottlieb (1674–1750), deutscher Pädagoge 180, 180 Anm. 587 Ley, Simon, auch: Caspar Walter, Michael Schneider (+ 1631), Geheimsekretär des Generals Pappenheim 381, 395–398, 395 Anm. 513, 518, 396 Anm. 519, 525, 397 Anm. 536, 398 Anm. 538 Liebermann, sächsischer Obristleutnant 385 Lilienström, Johann Nicodemus, auch: Lilljeström, Lilienstrohm (1597–1657), schwedischer Bote 383, 383 Anm. 449 Lillbäck, Gustav, auch: Vasili (+1721), schwedischer Doppelagent 456 Lillie, Axel (1603–1662), schwedischer Feldmarschall 384–385, 385 Anm. 465 Limprecht, Volkmar (1615–1663), Erfurter Ratsherr 420–423, 422 Anm. 641 Linck, Wenzeslaus (1483–1547), deutscher Reformator 180 Lionne, Hugues de, Marquis de Berny (1611– 1671), französischer Diplomat 420

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Register

Lische, August, sächsischer Jäger 500 Anm. 1086 Liscow, Christian Ludwig (1701–1760), sächsischer Kriegsrat und satirischer Schriftsteller 210 Locke, John (1632–1704), englischer Philosoph 99 Lodron, Paride Guiseppe Maria (1772–1842), kaiserlicher Gesandter in Stockholm 416 Anm. 620 Löfving, Stefan (1689–1777), finnischer Offizier und Spion 466 Löhnig, Kaufmann 60, 646 Lohs, Zittauer Leinwandhändler 570 Lohwasser, Kammerdiener in Bayreuth und Stallmeister des preußischen Gesandten von Plotho 617–618 Loß, Christian Graf von (1697/98–1770), sächsischer Kabinettsminister und Gesandter in Bayern, Paris und Wien 238 Anm. 39, 255, 526 Anm. 1190 Loß, Grafen von 238 Anm. 39, 526 Loß, Johann Adolph Graf von (1690–1759), sächsischer Wirklicher Geheimer Rat, Kabinettsminister und Gesandter in London, Bayern, Paris und Wien, 255, 526 Anm. 1190, 534, 573 Lots, Johann Heinrich, Bürgermeister und Postmeister von Zwickau 614 Louis II. de Bourbon, Prince de Condé (1621– 1686), französischer Feldherr 420 Louis Philippe I., der Bürgerkönig (1773– 1850), König von Frankreich 654 Low, Jacob, sächsischer Supernumerarius im Departement für Auswärtige Affairen 558, 558 Anm. 1327, 586 Low, Johann, sächsischer Finanzkontrolleur und Gothaer Agent in Wien 506, 558 Low, Robert, auch: Löw, polnischer Kronpostmeister 446, 506 Anm. 1117, 558 Löwenburg, Christoph Ferdinand von, Parteigänger des Stanislaus Leszczyński 133 Anm. 330, 473, 473 Anm. 938 Löwendahl, Woldemar von (1700–1755), sächsischer Generalmajor 525, 526 Anm. 1189, 556 Lübbecke, Stolpener Postsekretär 495

Lubinsky, sächsischer Notar 507 Lubomirski, Alexander Jakob (1695–1772), sächsisch-polnischer General und polnischer Kronschwertträger 498 Lüders, Dr., Arzt im Dreißigjährigen Krieg 158 Ludewich, Sachsen-Merseburger Major 490 Ludovici, George Samuel, sächsischer Hofrat 217–218, 218 Anm. 764 Ludwig (1682–1712), Dauphin von Frankreich und Herzog von Burgund 510 Ludwig I. (1896–1868), König von Bayern 656 Ludwig V. (1577–1626), Landgraf von HessenDarmstadt 270, 271 Anm. 157, 160 Ludwig VI. (1630–1678), Landgraf von Hessen-Darmstadt 428 Ludwig X. (1495–1545), Herzog von Bayern 304 Ludwig XIII. (1601–1643), König von Frankreich 182 Ludwig XIV., der Sonnenkönig (1638–1715), König von Frankreich 26, 75, 109, 132, 185, 198, 200–201, 272, 278, 288, 350, 423–426, 426 Anm. 667, 431–437, 439, 444, 452, 495, 635, 661 Ludwig XV. (1710–1774), König von Frankreich 47, 201–202, 529, 531, 537, 570 Ludwig XVI. (1754–1793), König von Frankreich 182, 201, 642, 654 Luhmann, Niklas (1927–1998), deutscher Soziologe 80, 94, 99 Luise (1631–1680), Fürstin von Anhalt-Dessau 202, 247, 247 Anm. 61 Luise Dorothea (1710–1767), Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg 265 Lukian von Samosata (um 120- um 200), römischer Schriftsteller 195 Anm. 644, 196, 196 Anm. 645 Luther, Martin (1483–1546), deutscher Reformator 102, 114, 180, 301–302, 304, 306–308, 337 Lützelburg, Anton Graf von (1671–1739), sächsischer Kabinettsminister 67 Anm. 3, 522, 523 Anm. 1174, 524, 524 Anm. 1180 Lynar, Karl Moritz Graf zu (1701–1768), sächsischer Gesandter in Berlin, Hannover, St.

Personenregister

Petersburg, Generalpostmeister und Oberamtspräsident in der Niederlausitz 238 Anm. 39, 526 Lynar, Rochus August Graf zu (1773–1863), Gemahl der Gräfin Kielmannsegge 652 Lysthenius, Georg (1532–1596), deutscher Theologe 365 M Macchiavelli, Niccolò (1469–1527), italienischer Philosoph 30, 52, 106, 120–121, 186, 595, 674 Anm. 18 Mack, Karl, Freiherr von Leiberich (1752– 1828), österreichischer General 646, 666 Madeweis, Matthias Wilhelm von, Postamtsleiter von Halle 648 Maier, Henrico, Hochstapler, angeblicher Ritter des Malteserordens 169 Małachowski, Adam (1706–1767), polnischer Marschall des Sejm und Vizekanzler 560 Malbran de la Noué, Denis (1677–1749), französischer Gesandter in Frankfurt 534 Anm. 1216, 573–574 Malliard, Louis de, auch: Maillard, sächsischer Oberleutnant auf der Festung Sonnenstein 210–211, 211 Anm. 737, 468 Anm. 908 Malzahn, Hans Dietrich von (1725–1757), preußischer Gesandter in Dresden 578 Anm. 1435, 1438, 582, 585 Mandelsloh, Ernst von (1522–1602), niedersächsischer Söldner 354, 359–360, 359 Anm. 329 Mann, Matthias, Sekretär des Grafen Karl Heinrich von Hoym 500 Anm. 1086 Manteuffel, Ernst Christoph Graf von (1676– 1749), sächsischer Kabinettsminister und Gesandter in Berlin 58 Anm. 230, 132, 207–208, 249, 249 Anm. 69, 71, 284, 464, 471, 474, 478–479, 482–483, 485, 496–497, 499–506, 502 Anm. 1094, 503 Anm. 1103, 524–525 Marana, Giovanni Paolo (1642–1693), italienischer Schriftsteller 19, 55, 87, 408–409, 431 March, Ernst Gottlieb, Diener des Legationssekretärs Plessmann 582, 585

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Marcolini, Camillo (1739–1814), sächsischer Minister und Generaldirektor der Künste und Kunstakademien 640 Marcus, preußischer Postbedienter 589 Mardefeld, Arvid Axel (um 1655–1708), schwedischer General 459 Margarethe von Österreich (1480–1530), Statthalterin der habsburgischen Niederlande 200 Maria Amalia (1724–1760), Königin von Neapel-Sizilien 238 Anm. 39 Maria Antonia (1724–1780), sächsische Kurfürstin 640 Maria Carolina (1764–1782), Prinzessin von Sardinien 247 Maria Fedorowna (1759–1828), Kaiserin von Russland 649 Maria I. (1516–1558), Königin von England und Irland 349 Maria Josepha (1699–1757), Königin von Polen und Kurfürstin von Sachsen 131, 484, 581, 606 Maria Pawlowna (1786–1859), Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach 648, 648 Anm. 1754, 649 Anm. 1761 Maria Stuart (1542–1587), Königin von Schottland und Frankreich 235, 666 Maria Theresia (1717–1780), Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn 279, 484, 492, 503, 524, 530, 533, 543, 553, 571– 572, 585, 610, 640, 666 Marianne, Nationalfigur der französischen Republik 194–195 Marie Antoinette (1755–1793), Königin von Frankreich 194–195, 229, 654 Anm. 1783 Marie Therèse Charlotte von Frankreich, auch: Madame Royale (1778–1851), Dauphine und Herzogin von Angoulême 654 Anm. 1783 Marini, Nicolaus Ganzoga Graf von, Häftling auf der Festung Sonnenstein 475 Marlowe, Christopher (1564–1693), englischer Dramatiker 142 Marquemont, Denis Simon de (1572–1626), Erzbischof von Lyon 277 Martange, Marie Antoine Bouet (1722–1806), sächsischer Major, Adjutant des Grafen

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Register

Brühl und Vertrauter des Prinzen Xaver von Sachsen 575 Marteville, Ludwig von (+1782), holländischer Resident in Berlin und außerordentlicher Gesandter in Stockholm 174 Anm. 555, 184, 506 Anm. 1119, 577, 577 Anm. 1432 Marx, Karl (1818–1883), deutscher Philosoph und Ökonom 15, 15 Anm. 15 Mathi, französischer Agent in Danzig 534 Matthias (1557–1619), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 369–370 Maubert de Gouvest, Jean-Henri, auch: Bruder Bernhard, Botteman, Chamflour, Saint Flour (1721–1767), französischer Abenteurer 97, 97 Anm. 133, 168–169, 168 Anm. 524, 549–554, 549 Anm. 1285, 552 Anm. 1300–1302, 670 Mauborgne, Joseph (1881–1971), US-amerikanischer Kryptologe 236 Mauckisch, Christoph Heinrich, Mitorganisator der Leipziger Ratslotterie 211 Maurain, sächsisch-polnischer Kanzleisekretär 563–564 Maximilian I. (1459–1519), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 232, 279, 299, 357 Anm. 318 Maximilian I. (1573–1651), Herzog und Kurfürst von Bayern und Kurfürst von der Pfalz 154–155, 370, 384, 385 Anm. 460, 396, 396 Anm. 520–521 Maximilian II. (1527–1576), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 350–352, 357, 366 Maximilian II. Emanuel (1662–1726), Kurfürst von Bayern 442 Maximilian III. Joseph (1727–1777), Kurfürst von Bayern 640 Mazarin, Jules (1602–1661), französischer Kardinal und Diplomat 107, 409, 411, 411 Anm. 601, 420 Medici, Katharina de (1519–1589), Königin von Frankreich 288 Medici, Lorenzo de, der Prächtige (1449– 1492), Bankier und Politiker in Florenz 294 Medici, Maria de (1575–1642), Königin von Frankreich 201

Mehlhorn, Johann Gottlieb, auch: Johann Gottlob (1695–1769), sächsischer Arkanist 207, 209 Meihska, W.K. 238 Anm. 39 Meisner, Daniel (1585–1625), deutscher Dichter 362 Melanchthon, Philipp (1497–1560), deutscher Reformator und Humanist 308, 314, 341, 343 Menager, Chevalier, Informant des sächsischen Generalmajors Riedesel 625 Mendo, Andrés (1608–1684), spanischer Jesuit und Zensor des Indienrats 191 Mengden, Johann Karl Friedrich von (1730– 1796), preußischer Generalleutnant 238 Anm. 39 Menius, Johann Heinrich von (1616–1665), Geheimrat von Sachsen-Zeitz 421 Menzel, Friedrich Wilhelm (1724–1796), sächsischer Kanzlist und preußischer Spion 60, 176, 209, 211, 216, 282, 537, 578, 580–586, 581 Anm. 1452, 582 Anm. 1458– 1459, 591, 593–594, 601–603, 603 Anm. 1542, 634, 636, 664, 668 Menzel, Hans (Hans von Bitterfeld), Attentäter 292 Merbitz, Valentin (Velten Merbitz), Alchemist 167 Merckel, Heinrich, Sekretär des Kurfürsten Moritz 341 Meslé, Chevalier de, französischer Spion und Herausgeber der Gazette de France 532 Metternich, Clemens Wenzelslaus Graf von (1773–1859), österreichischer Außenminister und Staatskanzler 92, 533, 653–654, 653 Anm. 1780, 658, 662 Metzburg, Franz Leopold von (1746–1789), kaiserlicher Gesandter in Kopenhagen 416 Anm. 620 Metzsch, Carl, sächsischer Kammerherr 210 Meurer, Johann Christoph (1598–1652), Hamburger Jurist und Diplomat 377 Meyenburg, Michael (um 1491–1555), Bürgermeister von Nordhausen 363 Michael I. (1596–1645), Zar 269 Michel, Sekretär des preußischen Gesandten Klinggräf 577

Personenregister

Midas, König von Phrygien in der griechischen Mythologie 196 Mila, Bernhardt von, auch: Myla, Mühlen (1498–1561), schwedischer Admiral, sächsischer Oberst, Statthalter von Wolfenbüttel und Befehlshaber der Festung Grimmenstein 321 Minckwitz, Nicolaus von, auch: Nickel (um 1485–1549), deutscher Ritter 323 Minucci, Giovan Battista (1680–1767), italienischer Bischof 471, 471 Anm. 923 Mirandola, Giovanni Pico della (1463–1494), italienischer Humanist 100 Anm. 152 Mittag, Johann, sächsischer Musketier 500 Anm. 1088 Mniszek, Ludwika Wandalin (1712–1785), Gemahlin von Józef Potocki 238 Anm. 39 Mommsen, Theodor (1817–1903), deutscher Historiker 33, 33 Anm. 106 Monasterole, Graf Solare von, bayerischer Gesandter in Neapel 461 Monstiers, Jean de (1514–1569), Seigneur de Fresse, französischer Gesandter 345 Montagu, Edward Wortley (1678–1761), Sir, englischer Gesandter in Konstantinopel 162 Montagu, John (1718–1792), 4. Earl of Sandwich, englischer Marineminister 161 Montagu, Mary Wortley (1689–1762), Lady, englische Schriftstellerin 162 Montecuccoli, Raimondo Graf von, auch: Raimund von Montecuccoli (1609–1680) 152–153 Montesquieu, Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède et de (1689–1755), französischer Philosoph und Staatstheoretiker 91, 143, 631 Monti, Antoine-Felix Marquis de (1684– 1738), französischer Sondergesandter in Polen 476 Montjoie, Galart de (1746–1816), französischer Journalist 642 Montmorency-Bouteville, Luxemburg Henri de (1628–1695), Herzog von LuxemburgPiney,“Marschall von Luxemburg“ 538

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Mordeisen, Ulrich, auch: Mordisius (1519– 1572), sächsischer Diplomat 350–351, 351 Anm. 285 Morel, Jean, französischer Gesandter in Wien 436 Anm. 720 Moresini, Mailänder Bürger 277 Morgenstein, Gottlieb, sächsischer Oberpostkommissar 210 Morgenstern, Gottlieb sächsischer Oberpostkommissar 596–597 Moritz (1521–1553), Herzog und Kurfürst von Sachsen 100, 103, 104 Anm. 170, 149 Anm. 413, 178, 192, 192 Anm. 641, 206, 220–221, 249, 290, 309–312, 320–325, 324 Anm. 160, 325 Anm. 161, 164, 168, 327, 327 Anm. 170, 329–335, 333 Anm. 199, 334 Anm. 201, 337– 339, 341–349, 343 Anm. 238, 240–242, 344 Anm. 248, 250, 346 Anm. 252, 347 Anm. 261–263, 348 Anm. 265, 660, 666, 668 Moritz (1712–1760), Prinz von Anhalt-Dessau, preußischer Generalfeldmarschall 539, 612 Moritz Hermann, auch: Moritz von Sachsen, Maurice de Saxe, Graf von Sachsen, „Marschall von Sachsen“, Maréchal de Saxe (1696–1750), französischer Generalmarschall, Herzog von Kurland 145, 164–165, 529, 532, 572 Moritz Wilhelm (1664–1718), Herzog von Sachsen-Zeitz 177, 456 Moritz Wilhelm (1688–1731), Herzog von Sachsen-Merseburg 490 Moritz, auch: Mauritz von Oranje (1567– 1625), Statthalter von Holland 375 Morland, Samuel (1625–1695), englischer Diplomat 419 Anm. 631 Moscherosch, Johann Michael (1601–1669), deutscher Staatsmann 258 Moszyńska, Friedrike Alexandrine (1709– 1784), Tochter Augusts II. 217 Motte-Fouqué, Heinrich August de la (1698– 1774), preußischer General 621 Mouchemberg, A. M. de, deutscher Schriftsteller 34 Mühlpfordt, Christian Hieronymus (1658– 1719), Gothaer Geheimrat und Kammerpräsident in Sachsen-Weimar 60, 436, 436 Anm. 721, 492

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Register

Müller, Dam, Amtsschösser zu Augustusburg 404 Müller, Hans, auch: Hans Tausendschön, Hänsel Tausendschön (+ 1567), „Engelseher“ und Parteigänger Wilhelms von Grumbach 354, 361 Anm. 341 Müller, Jäger in Bayreuth 617, 619–620 Müller, Sekretär in der preußischen Gesandtschaft in Dresden 576 Münchhausen, Gerlach Adolph von (1688– 1770), englischer Premierminister und Begründer der Universität Göttingen 513, 513 Anm. 1138 Münchhausen, Hilmar von (1512–1573), Landsknechtführer 155 Anm. 452 Münchow, Ludwig Wilhelm Graf von (17009–1753), preußischer Kriegsminister 591 Münnich, Burkhard Christoph von (1683– 1767), russischer Generalfeldmarschall und Politiker 238 Anm. 39 Muret, Informant des sächsischen Generalmajors Riedesel 625 Murray, David William, 2. Earl of Mansfield, 7. Viscount of Stormont, auch: Chevalier Williams (1727–1796), englischer Gesandter in Wien, Warschau und Paris 161 Musa, Anton, auch: Anton Witsch (um 1485– 1547), deutscher Reformator 334 Mussy, Mademoiselle de, französische Agentin des Kardinals Richelieu 201 Mylius, Christian Otto (1678–1760), preußischer Geheimer Rat, Ober- und Generalauditeur 174 Anm. 555, 544 Anm. 1256 N Nadir-Schah, auch: Nader Schah, Thamas Kulikan, Kouli-kan (1688–1747), Schah von Persien 189, 189 Anm. 632, 553 Nagel, Hans Hieronymus, schwedischer Kapitän 215, 467 Nagler, Karl Ferdinand Friedrich von (1770–1846), preußischer Generalpostmeister 655 Napoleon, siehe Bonaparte Nehmitz, Michael (1670–1739), persönlicher Sekretär Augusts II., Kammerrat und erster

Direktor der Porzellanmanufaktur Meissen 207–208, 489 Neipperg, Leopold Johann Nepomuk Graf von (1728–1792), kaiserlicher Kämmerer und Reichshofrat 128 Neitschütz, Anna Katharina, sächsische Adelige 487 Neitschütz, Magdalena Sibylla von, Reichsgräfin von Rochlitz (1675–1694), Mätresse Johann Georgs IV. von Sachsen 438 Neitschütz, Ursula Margarethe von (1650– 1713), Mätresse Johann Georgs III. 438 Nerciat, Robert-André Andréa de (1739– 1800), französischer Schriftsteller, Soldat, Architekt und Bibliothekar 641, 641 Anm. 1710 Nesselrode, Johann Hermann Franz (1671– 1751), kaiserlicher Generalkriegskommissar, Generalfeldzeugmeister 515–516, 518 Neugebauer, Christian, sächsischer Agent in Breslau 511 Anm. 1134 Neuwirdt, Steffan (1594–1659), Bürgermeister von Eisleben 405 Nicolai, Johann Friedrich, sächsischer Agent in Hamburg 146–147 Niemeyer, August Hermann (1754–1828), Universitätskanzler von Halle 648 Nietzsche, Friedrich (1844–1900), deutscher Philosoph 106, 118 Nimptsch, Carl von, sächsischer Geheimer Kammerrat 528 Nitzsche, Jonas, Bierlieferant für die Festung Königstein 445 Nogaret de La Valette d‘Epernon, Bernard de (1592–1661), französischer Befehlshaber 407 Nohr, sächsischer Sekretär des Ministers Hoym 496 Nostitz, Georg Sigismund (1672–1751), sächsischer Gesandter in Hannover und Großbritannien 254 Anm. 85 O Obernitz, Dankgott Friedrich von, sächsischer Sous-Leutnant beim Graf Solmschen Infanterie-Regiment 216, 640–641

Personenregister

Odysseus, Held der griechischen Mythologie 187 Öhminghaus, sächsischer Sekretär 463 Olearius, Johann Christian, Sekretär und Postschreiber in Leipzig 211 Olezky, von, preußischer Hauptmann 174 Ölfeill, sächsischer Gerichtsschreiber 569 Opitz, sächsischer Postverwalter 446 Oppel, Johann Georg (1594–1661), sächsischer Jurist und Geheimrat 387 Anm. 476, 408 Oppel, Siegmund Ehrenfried von, Geheimrat 520 Anm. 1159–1160 Oppenheimer, Joseph Süß (1698–1738), württembergischer Hoffaktor 164 Oppenheimer, Samuel (1630–1703), kaiserlicher Hoffaktor 442 Anm. 746 Orwell, George (1903–1950), englischer Schriftsteller 91 Ossoliński, Franciszek Maksymilian Graf (1676–1756), Schatzmeister der polnischen Krone und Parteigänger des Stanislaus Leszczyński 558 Ostermann, sächsischer Chiffrenteilhaber 238 Anm. 39 Osterwald, Dr., Rat des Generals Pappenheim 396 Otto I. (1815–1867), König von Griechenland 656 Otto I., der Große (912–973), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 420 Otto, Johann Heinrich, Spion aus Zellerfeld am Harz 210 Ovid (eig.: Publius Ovidius Naso) (43 v.C.-17 n.C.), römischer Schriftsteller 32 Oxenstierna, Axel (1583–1654), schwedischer Reichskanzler 372, 377, 379–380, 380 Anm. 432–433, 399, 406, 413 Oxenstierna, Gustav, schwedischer Gesandter in Moskau 241, 241 Anm. 45 P Pachner, Johann Richard, kaiserlicher Oberkommissar 515–518, 516 Anm. 1150–1151 Pack, Otto von (1480–1537), sächsischer Rat 169, 302–306, 303 Anm. 43–45, 304 Anm. 48

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Padra, preußischer Rittmeister 60, 215, 620 Pagenstecher, Andreas Christian (1612–1677), hessischer Kriegsrat und Kriegskommissar 428 Palej, Samen (1640–1710), Anführer der Kosaken 452 Palladio, Andrea (1508–1580), italienischer Architekt 186 Palm, Johann David von (1657–1721), kaiserlicher Hofkammerrat 514 Panam, Pauline (1789–1840), (eig.: Henriette Adelaide), Mätresse Ernsts I. von SachsenCoburg 284, 657 Pappenheim, Gottfried Heinrich Graf zu (1594–1632), kaiserlicher General 380–381, 389–390, 394–397, 395 Anm. 516, 396 Anm. 520–521 Pas, Antoine de, Marquis de Feuquières (1648–1711), französischer Botschafter 406 Passarelli, französischer Spion 647, 651 Passerin, Johann Wilhelm Leberecht (1696– 1769), Bürgermeister von Luckau 569 Patkul, Johann Reinhold von (1660–1707), livländischer Staatsmann 91, 113, 214–215, 282 Anm. 206, 443 Anm. 752, 446–448, 453–454, 456–457, 461–462 ,488 Paul III. (1468–1549), Papst 308 Pauli, Andreas (1543–1590), sächsischer Geheimer Rat und Ministerratsmitglied 366 Paulin, Maria Dorothea, Magd und Botin des sächsischen Gouvernement-Kriegsgerichts 214 Paumgartner, Nürnberger Patrizierfamilie 299 Pegenau, Jakob, Attentäter 291 Pelzhoffer, Franz Albrecht (1643–1710), deutscher Schriftsteller 84, 98, 134 Peter Ernst II. (Ernst von Mansfeld) (1580– 1626), Graf von Mansfeld 156, 362, 371–372, 374, 155 Anm. 452, 156 Anm. 458 155 FN 452, 290, 374, 382 Peter I., der Große (1682–1725), Zar 172, 208, 273 Anm. 167, 447, 450, 464–465, 469–470, 502 Peter II. (1715–1730), Zar 519 Peter III. (1728–1762), Zar 57, 610, 628

800

Register

Petersdorff, Gräfin von (Gräfin von Herbersstein), Gräfin von der Natta, Alchemistin 169 Peucer, Caspar (1525–1602), deutscher Universalgelehrter 183, 183 Anm. 601 Pezold (Petzold), Johann Sigismund von (1704–1783), sächsischer Resident in St. Petersburg und Wien 238 Anm. 39, 526 Pfaw, Caspar (Pfaff), anhaltischer Rat 391 Pfetten, Franz Ignazius Burkhard von, österreichischer Konvertit 180–181 Pfingsten, Georg Ernst von (um 1680–1735), sächsischer Geheimer Referendar, Mitglied des Geheimen Konsiliums 455, 457–464, 457 Anm. 835, 460 Anm. 853–855, 859, 461 Anm. 862, 463 Anm. 876–881, 464 Anm. 882 Pflug (Pflugk), Cesar (Cäsar Pflugk) (1458– 1524), sächsischer Amtmann und Berater Herzog Georgs 300, 300 Anm. 20–24 Pflug (Pflugk), Julius von (1499–1564), Bischof von Naumburg und sächsischer Rat 323, 335 Pflugk, Antonius von (Anton, Anthonius), Herr zu Schradewalde 356 Pflugk, August Ferdinand von (1662–1712), sächsischer Kabinettsminister, Oberhofmarschall und Direktor der geheimen Kammerkanzlei 489 Pflugk, Christoph Friedrich von, sächsischer Obrist 510 Anm. 1131 Pfyffer von Altishofen, Ludwig (1524–1594), Landsknechtführer 155 Anm. 452 Philipp Ernst (1560–1631), Graf von MansfeldArtern 290 Philipp I., der Großmütige (1504–1567), Landgraf von Hessen 279, 302–306, 303 Anm. 40–46, 304 Anm. 47, 305 Anm. 52, 58, 306 Anm. 61–63, 311, 311 Anm. 88, 313, 313 Anm. 94, 315, 319, 322, 324, 327–330, 329 Anm. 174–175, 333–334, 338, 342, 345, 348–351, 349 Anm. 273, 276, 364 Philipp II. (1527–1598), König von Spanien 235, 263 Anm. 114, 367, 700 Picasso, Pablo (1881–1973), spanischer Maler 187 Anm. 622

Piccolomini, Octavio (1599–1656), kaiserlicher General 232 Anm. 20, 381, 384 Picus, römischer Gott der Felder und des Waldes 32, 32 Anm. 94, 191 Anm. 634 Pierre, François-Joachim de (1715–1794), französischer Außenminister und Kardinal von Bernis 531 Pignatelli, Francesco (1652–1734), Nuntius in Polen 484 Piles, Roger de (1635–1709), französischer Maler 185, 185 Anm. 611 Pinko, jüdischer Spion in Den Haag 161 Piper, Carl (1647–1716), schwedischer Politiker 444 Pirch, Lorenz Michael von (1687–1761), sächsischer Generalleutnant und Kommandant der Festung Königstein 604 Pircheisen, Agent in Wien 505 Pistoris, Hartmann, Parteigänger des Stanislaus Leszczyński 475, 498 Pistorius, Johann Ernst von (1605–1680), sächsischer Prinzipalgesandter in Osnabrück 411 Pitt, William d. Ä., 1. Earl of Chatham (1708– 1778), britischer Premierminister 551, 553 Pius V. (1504–1572), Papst 366 Planitz, Georg von (1504–1571), sächsischer Rat 335 Plaß, Philipp, Attentäter 291 Platon (um 438 v. C. – um 348 v. C.) griechischer Philosoph 100 Anm. 152 Plessen, Hellmuth Graf von (1699–1761), sächsischer Gesandter in Kopenhagen 476–477, 476 Anm. 961–962, 477 Anm. 963–964, 506 Anm. 1119 Plessmann, Carl Otto, preußischer Legationssekretär 582, 585 Plettemberg, Georg Herting von (1600–1682), kaiserlicher Diplomat 403, 403 Anm. 564 Plotho, Erich Christoph von (1707–1788), preußischer Gesandter in Regensburg 617–619 Plotho, Friedrich von, preußischer Offizier 538 Plumenecker, Hans Rudolf, auch: Hans Rudolf Blumenecker, Alchemist 167

Personenregister

Podewils, Heinrich Graf von (1696–1760), preußischer Kriegsminister 531, 531 Anm. 1201, 572, 576, 576 Anm. 1421, 1424, 591 Anm. 1501, 594, 594 Anm. 1514, 597 Anm. 1523, 598 Anm. 1525 Poigk, Hans Christoph von (1696–1779), sächsischer Kammerpräsident und Bergrat 614, 614 Anm. 1586 Poisson, Jeanne-Antoinette, Dame Le Normant d’Étiolles, Marquise de Pompadour (1721–1764), Mätresse König Ludwigs XV. von Frankreich 201 Polenz, Christian Ernst von (1681–1752), sächsischer General der Kavallerie und Chef der Garde 505, 505 Anm. 1114 Polignac, Melchior von (1661–1741), französischer Kardinal und Diplomat 443 Pomponne, Simon Arnauld de (1618–1699), französischer Außenminister 426 Poniatowski, Stanisław Antoni siehe Stanisław II. August Ponickau, Johann Georg Baron von (1708– 1775), sächsischer Geheimer Rat, Gesandter in Regensburg und Konferenzminister 621–622, 621 Anm. 1615 Ponickau, Johann Ludwig (+1770), sächsischer Gesandter in Kassel und Berlin 476, 476 Anm. 958, 478 Anm. 974, 584 Ponickau, Tobias von (1598–1637), Vertrauter des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar 406 Poniński, Adam (1732–1798), Sejmmarschall und polnischer Schatzminister 202, 571 Poniński, Franciszek (1676–1740), Stolnik von Posen und Starost von Kopanice 215, 522 Popp, Johann Burkhard, sächsischer Nachlassverwalter des Fürstenbergischen Erbes 492–493 Pöppelmann, Christian Wilhelm (1701–1782), sächsischer Oberpostmeister 496 Pöppelmann, Matthäus Daniel (1662–1736), sächsischer Oberlandbaumeister 562 Porta, Giovanni Battista della, auch: Giambattista della Porta (1535–1615), italienischer Gelehrter 233 Posadowsky, Karl Friedrich von (1695–1747), preußischer Generalleutnant 483

801

Potocki, Józef (1673–1751), Großhetman der polnischen Krone 558 Pracht, sächsischer Wachmann 589 Prades, Jean Martin de, auch: Abbé Prades (um 1720–1782), französischer Theologe und preußischer Sekretär 538, 538 Anm. 1234 Praillon, Baptiste, Abbé de Notre Dame de Bourgmoyen, Dolmetscher am französischen Hof 345 Praun, Tobias Sebastian (+1703), Gothaer Gesandter in Wien 443 Anm. 753 Premei, Franz Anton von, Autor eines Giftbriefes 169, 510 Preuschwitz, Caspar, Attentäter 292 Preuß, Peter, Mainzer Kanzleramtsverwalter 360 Prittwitz, Joachim-Bernhard von (1726–1793), preußischer Rittmeister und General der Kavallerie 589 Promnitz, Porzellanmaler 207 Prynne, William (1600–1669), englischer Politiker und Publizist 52 Anm. 194 Puchet, Jacques, auch: Puget, Puchot, Desalleurs (+1732), Graf von Desalleurs, sächsischer Gesandter in Rom 146–147, 146 Anm. 404, 147 Anm. 405–407, 471–472, 471 Anm. 923–927, 472 Anm. 929–931, 478 Anm. 975, 485–486, 485 Anm. 1018–1019, 1021, 486 Anm. 1022–1023 Pückler-Muskau, Hermann von (1785–1871), Weltreisender und Gartengestalter 655 Anm. 1793 Puebla, Anton de la, kaiserlicher Gesandter in Berlin 537, 604 Q Quarient, Ignatius Christoph Freiherr von, auch: Guarient, Ignaz, kaiserlicher Hofkriegsrat und Gesandter in Moskau und Konstantinopel 516–518, 516 Anm. 1147, 517 Anm. 1154 Quintilian (eig.: Marcus Fabius Quintilianus) (um 25-um 96), römischer Rhetoriker 100 Anm. 152

802

Register

R Raack, Michael, sächsischer Staatsgefangener 215, 454 Raconis, Ange de (+1650), deutscher Kapuzinermönch 277 Rádai, Pál, (Paul) (1677–1733), ungarischer Diplomat 178, 178 Anm. 575, 179 Anm. 576–581 Radziwiłł Rybeńko, Michał Kazimierz (1702– 1762), Großhetman von Litauen 574 Ranis, Heinrich Christoph, sächsischer Fechtmeister 162, 614 Rediger, Kanzleidirektor in Breslau 529 Redwitz, Johann von, Hauptmann auf der Plassenburg 136 Anm. 343 Redwitz, Weigand (1476–1556), Bischof von Bamberg 304 Reichbrodt von Schrenckendorff, Christian (+1660), sächsischer Rat und Geheimsekretär 386, 386 Anm. 471 Reifenberg, Friedrich von, Regimentsführer in französischen Diensten 345 Reiffenberg, Philipp Ludwig Freiherr von (um 1615–1686), Mainzer Statthalter in Erfurt 422–424 Reimer, Benjamin, preußischer Resident in Danzig 599, 599 Anm. 1529 Reinhard (1491–1562), Graf zu Solms-Lich, kaiserlicher Heerführer und Militärtheoretiker 341, 345 Reißinger, Johann Christoph, sächsischer Musketier 500 Anm. 1086, 1088 Renazzi, Alexander, auch: Rezzonico, österreichischer Spion 538 Reußen, Grafen zu, vogtländisches Herrschergeschlecht 135 Reventlow, Conrad Graf von (1644–1708), dänischer Großkanzler 448 Reynier, Jean-Louis Ebenezer (1771–1814), französischer General 649 Rhenitz (Rehnitz), Christian Gottlieb (+1762), preußischer Hofrat und Postmeister 581–582 Riaucour, Andreas Graf (1722–1794), sächsischer Gesandter in Mannheim und München 130 Anm. 313

Richelieu (eig.: Armand-Jean du Plessis) (1585–1642), Kardinal und Herzog von Richelieu 33, 47, 75, 132, 139, 143, 201, 277, 298, 405–407, 414, 537 Riconius, Henry de, Weimarer Agent in London 145, 145 Anm. 399 Ried, Joseph Heinrich Freiherr von (1718– 1779), kaiserlicher Feldmarschall und Generalfeldwachtmeister 609 Riedesel, Volpert Christian (1708–1798), Herr zu Eisenbach, sächsischer General und Gouverneur von Dresden 624–629, 625 Anm. 1624, 1627, 1630, 626 Anm. 1631–1635, 627 Anm. 1637–1640, 1642, 628 Anm. 1645–1648 Rincon, Antoine de (+1541), französischer Gesandter in Konstantinopel 268 Ripa, Cesare (+1622), italienischer Schriftsteller 188–189 Ritter, Georg Gottlieb (+ 1727), sächsischer Hofrat und Parteigänger von Graf von Beichlingen 214–216, 243, 488–489 Röbel, auch: Rebel, Christian Dietrich (1639–1723), sächsischer General 249, 249 Anm. 68, 508 Rochau, Gustav Wilhelm von (1664–1711), sächsischer Obrist und Kommandant der Festung Senftenberg 455 Rochow, Ämilius Friedrich Freiherr von (1692–1759), sächsischer General 605– 606, 611 Röder, Friedrich Wilhelm Graf von (1719– 1781), preußischer Generalmajor 542 Rohan, Henri de (1579–1638), französischer Hugenottenführer 406 Romanus, Franz Conrad (1671–1746), Bürgermeister von Leipzig 214–215, 454 Romellini, Anna Maria, französische Spionin in Polen 202, 570–571 Ronchiglio, Antonio, spanischer Gesandter 272 Rosa, Johannes (1532–1571), deutscher Theologe und Historiker 364–365 Rosinus, Bartholomäus (um 1520–1586), deutscher Theologe 364

Personenregister

Rosinus, Michael, Verfasser einer Schmähschrift gegen den sächsischen Kurfürsten 290 Anm. 241 Rossignol, Antoine (1600–1682), französischer Kryptologe 182, 182 Anm. 595, 277, 666 Rossignol, Bonaventure (1649–1705), französischer Kryptologe 182, 182 Anm. 595 Roth, Konrad, deutscher Postunternehmer 264 Rothe, Johann Christoph, Schreiber der preußischen Gesandtschaft in Dresden und sächsischer Kanzlist 559–562, 562 Anm. 1350, 569–570, 575 Rothschild, Bankiersfamilie 655 Rudolf II. (1552–1612), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 32, 293, 293 Anm. 244 Rudolf, Chemnitzer Kaufmann 208 Ruepp, Johann Christoph von (1587–1652), bayerischer Kriegskommissar 155 Rutowski, Friedrich August, auch: Rutowsky, Friedrich August (1702–1764), sächsischer Feldmarschall 72, 544, 551, 575, 575 Anm. 1419, 604, 606 Rüxleben, Albrecht Anton (1705–1770), Kanzler in Sachsen-Gotha-Altenburg 617, 619–620, 619 Anm. 1613 Rüxleben, Cornelius von (1525–1590), sächsischer Landjägermeister 284 S Sachs, Hans (1494–1576), deutscher Spruchdichter 107 Sacken (gen.: Osten), Carl Graf von der (1725–1794), sächsisch-polnischer und ab 1777 preußischer Kammerherr, Kabinettsminister und Gesandter 257, 637, Sahmenhammer, David, Bauschreiber zu Augustusburg 404–405 Sailer, Gereon, auch: Sayler (+ 1563), deutscher Arzt und Theologe 315 Saller, Agent von Louis II. von Bourbon 420 Saltykow, Pjotr Semjonowitsch Graf (um 1698-um 1773), russischer Generalfeldmarschall 595 Samson Wertheimer (1658–1724), kaiserlicher Hoffaktor 442 Anm. 746

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Sand, Karl Ludwig (1795–1820), deutscher Burschenschaftler 653 Sapieha, Jan Fryderyk (1680–1751), Großhetman von Litauen 506 Anm. 1119 Sartine, Antoine (1729–1801), Graf von Alby, französischer Marineminister 161 Saul, Ferdinand Ludwig von (1711–1766), sächsischer Legationsrat und Vertrauter des Grafen Brühl 556 Anm. 1317 Saul, sächsischer Geheimer Registrator 557 Savelli, Federigo (+1649), kaiserlicher Feldmarschall 407 Schachten, Wilhelm von (um 1500–1553), hessischer Feldmarschall und Rat 346 Schaller, sächsischer Kommissionsrat 496 Scharnau, Leipziger Kaufmann 60, 617 Schaub, Sir Lukas Chevalier (1690–1758), Gesandter Großbritanniens im Heiligen Römischen Reich und in Paris 497 Scheel, Alexander, auch: Baron von Schell, sächsischer Fähnrich und Handschriftenimitator bei der sächsischen Geheimen Expedition 570, 577 Schell, Alexander von (1722–1792), österreichischer Lustspielautor und Porträtzeichner 570 Schelle, Hans Georg, Abenteurer 476 Schenck, Bernhard Theodor Baron von (um 1675–1749), sächsischer Domdechant und Gesandter 463 Schenk, holländischer Offizier 617 Scherber, Johann Christian Friedrich, deutscher Schriftsteller und Sprachlehrer in Hannover 162 Scherdiger, Abel, Herr zu Hohenkirchen (1525–1605), Alchemist und Hennebergischer Hofprediger 167 Scherkowska, Madame, Korrespondentin des Colonel Blendwoski 468 Schlabrendorf, Ernst Wilhelm von (1719– 1769), preußischer dirigierender Minister in Schlesien 613 Schlangen, Gräfin von 471 Schlichting, Hans Philipp, Mitorganisator der Leipziger Ratslotterie 211 Schlick, Albrecht von (+ 1554), Graf von Passaun zu Weißkirchen und Elbogen, kaiser-

804

Register

licher Rat und Oberstkämmerer der Krone Böhmen 347, 347 Anm. 259 Schlieben, sächsischer Kapitän 611 Schlözer, August Ludwig (1735–1809), deutscher Publizist 555 Schmettau, Karl Christoph Graf von (1696– 1775), preußischer Generalleutnant und Gouverneur von Dresden und Peitz 606 Schmettau, Hermann Woldemar von (1719– 1785), preußischer Offizier 565 Schmidburg, Johann Christoph von (+1667), kaiserlicher Kommissar in Erfurt 421 Schmidt, Conrad, auch: Eitel Roth, Tilo Osterland, Vierherr zu Nordhausen 360, 362–363, 363 Anm. 352 Schmieden, Gundula, sächsische Kundschafterin 354 Schneehals, Spion des österreichischen Generals Mack 646 Schneidewin, Johann (+ nach 1632), Stadthauptmann von Magdeburg 390 Schnurbein, Gottfried Freiherr von (1700– 1749), sächsischer Gesandter in Wien und Augsburg, Geheimer Kriegsrat 501 Schönau, Therocyclus zu, Alchemist 167 Schönberg, Gotthelf Friedrich (1631–1708), sächsischer Geheimer Rat und Obersteuereinnehmer 430 Schönberg, Hans Burkhard von (1592–1651), schwedischer und sächsischer Rittmeister und Verfasser einer Schmähschrift gegen den sächsischen Kurfürsten 290 Anm. 241 Schönberg, Peter August Graf von (1732– 1791), sächsischer Hausmarschall 652 Schönborn, Johann Philipp von (1605–1673), Erzbischof von Mainz, Fürstbischof von Würzburg, Bischof von Worms 423 Schönborn-Buchheim, Friedrich Karl Reichsfreiherr von (1674–1746), Reichsvizekanzler und Fürstbischof von Würzburg und Bamberg 501, 503 Schöne, Lorenz, sächsischer Kundschafter 394, 394 Anm. 508 Schönfeld, Hans von, hessischer Kammerdiener 311

Schönfeldt, Johann Siegfried Freiherr von, Erbtruchseß des Hochstifts Bamberg 418, 419 Anm. 627 Schöning, Hans Adam von (1641–1696), brandenburgischer und sächsischer Generalfeldmarschall 437, 437 Anm. 725, 727, 487 Schreiber, Benjamin Friedrich, Oberamtmann zu Dresden 565 Anm. 1366 Schrotter, Wilhelm van, englischer Spion in Wien 429 Schulenburg, Matthias Johann von (1661– 1747), sächsischer Generalleutnant und Feldmarschall der Republik Venedig 455 Schulmeister, Karl Ludwig (1770–1853), deutsch-französischer Spion 46, 651, 666 Schüßler, Christian, sächsischer Oberkriegskommissar 210 Schuster, Andreas, Sekretär des sächsischpolnischen Generalkronpostmeisters Holtzbrinck 445–446, 445 Anm. 764, 766, 769–770, 446 Anm. 772 Schwalbach, Johann Melchior Ritter von (1581–1635), Obrist und Generalzeugmeister 393 Schwarzenberg, Adam Graf von (1583–1641), brandenburgischer Rat 383, 383 Anm. 449 Schwarzenfels, Anton Ludwig von, auch: Schwartzenfels (1678–1725), Gothaer Geheimer Rat und Kammerdirektor 516 Schwendi, Lazarus von (1522–1583), kaiserlicher Diplomat und General 366 Schwimpfen, Gottfried, sächsischer Agent in Wien 431 Sebottendorf, Damian (1519–1585), sächsischer Hofrat 332, 387 Anm. 476 Seckendorff, Friedrich Heinrich von (1673– 1763), kaiserlicher Feldmarschall 443, 484, 492, 501, 502 Anm. ^094, 503, 519–520, 524, 539 Seckendorff, Joachim Ludwig von (1591– 1642), bambergischer Amtmann und schwedischer Obrist 405 Seckendorff, Veit Ludwig von (1626–1692), deutscher Gelehrter und Staatsmann 28, 121, 421, 428, 502

Personenregister

Seebach, Ludwig Alexander von (1668–1730), sächsischer Wirklicher Geheimer Rat 58 Anm. 230, 478 Seinsheim, Adam Friedrich von (1708–1779), Fürstbischof von Bamberg und Würzburg 612 Sellentin, Karl August von (1694–1758), preußischer Justizrat und Geheimer Rat 520 Anm. 1162, 521 Semlin, Joseph Baron von (um 1730–1824), Sohn des Nadir Schah und österreichischer Offizier 553 Senfft von Pilsach, Friedrich Christian Ludwig von (1774–1853), sächsischer Außenminister 651 Senfftenberg, Veit Wolff von, Zeugmeister in Danzig 152 Anm. 433 Servien, Abel (1593–1659), französischer Diplomat und Staatsmann 137 Anm. 349, 411 Anm. 601 Servigni, Alexander Durand de, sächsischer Staatsgefangener 631 Seyfert, Georg Gottlob, auch: Seyffert, sächsischer Kriegskanzleisekretär 210–211, 211 Anm. 739, 547, 634 Seyfried, Jäger in Bayreuth 617 Sforza, Dynastie der Mailänder Herzöge 298 Sforza, Ludovico, il Moro/der Mohr (1452– 1508), Herzog von Mailand 294 Siegfried, Major in Diensten von Sachsen-Gotha 174, ,514–518, 516 Anm. 1151–1152 Siegmund, auch: Sigismund (1592–1640), Markgraf von Brandenburg 376, 376 Anm. 409, 412 Sienawska, Elżbieta, Gemahlin des polnischen Kronfeldherrn Sienawski 502 Sieniawski, Adam Nikołaj (1666–1726), polnischer Kronfeldherr und Kastellan von Krakau 444, 502 Siepmann, Alexander (1704–1780), sächsischer Hofrat und Leiter der sächsischen Geheimen Expedition 174 Anm. 555, 184, 554–557, 559, 562–566, 563 Anm. 1358, 564 Anm. 1363, 565 Anm. 1373, 566 Anm. 1374, 1377, 569–570, 575, 577–578, 578 Anm. 1436, 1439

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Sigismund III. Wasa (1566–1632), König von Polen-Litauen und Titularkönig von Schweden 372 Simmel, Georg (1858–1918), deutscher Soziologe 36, 39, 73 Simonis, Johann Heinrich, sächsischer Kriegsrat 174 Anm. 551, 555–560, 555 Anm. 1316, 556 Anm. 1320, 557 Anm. 1324, 558 Anm. 1325, 1329–1331, 559 Anm. 1333–1335, 560 Anm. 1336–1339, 562, 562 Anm. 1354, 563 Anm. 1356–1357, 578, 634 Simonis, Max de, Romafigur in Kraszewskis Sachsen-Trilogie 634 Sinclair, Malcolm (1690–1739), schwedischer Major und Gesandter in Konstantinopel 268, 528 Sindringer, Bleickard, auch: Pleickard (1490– 1551), deutscher Jurist 321 Sinold genannt von Schütz, Philipp Balthasar (1657–1742), deutscher Schriftsteller 54 Sinon, Kundschafter während des Trojanischen Krieges in der griechischen Mythologie 187 Sixtus V. (1521–1590), Papst 235 Snyers, Pieters, auch: Petrus Snayers (1592– 1667), flämischer Maler 267 Sobieska, Maria Kazimiera (eig.: Marie Casimire Louise de la Grange d’Arquien) (1641– 1716), Königin von Polen und Großfürstin von Litauen 442, 444 Sobieski, Constantin Władysław, auch: Konstanty (1680–1726), Kronprinz von PolenLitauen 444 Sobieski, Jakob Louis (1667–1737), Kronprinz von Polen-Litauen 442, 444 Solerol, französischer Ingenieuroffizier 613 Solms, Grafen von 502, 525 Solms-Braunfels, Amalie zu (1602–1675), Prinzessin zu Oranien 411 Solms, Philipp Reinhard I. Graf zu (1593– 1635), Hofrat und Generalkriegspräsident 341, 345, 379 Soltikow, Pjotr Semenowitsch (1700–1772), russischer Feldmarschall und Gouverneur 627–628 Sömmering, Philipp (+1575), Alchemist 167

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Register

Sophia Dorothea (1666–1726), Kurprinzessin von Braunschweig-Lüneburg 438 Sparr zu Trampe auf Greifenberg, Ernst Georg Graf von (1596–1666), kaiserlicher Obrist und Generalfeldzeugmeister 379 Spenner, Ulrich von, Kanzlist des sächsischen Ministers von Flemming 506 Spiegel, Johann Georg (+1715), sächsischer Akzisrat 455 Spieß, Conrad, hessischer Informant in den Niederlanden 351 Spinola, Carl, Hochstapler, angeblicher Ritter des Malteserordens 168 Anm. 524, 169 Spinola, Julius, Hochstapler, angeblicher Ritter des Malteserordens 169 Spinoza, Baruch de (1632–1677), niederländischer Philosoph 88, 105 Spitznase, Veit, Hamburger Schneider 630 Spörken, Friedrich von (1698–1776), preußischer General 583, 586, 586 Anm. 1474 Stadnicki (Stadniecky) 238 Anm. 39 Stahl, Philipp Ritter von (1760–1831), österreichischer Hofkanzler 263 Anm. 114 Stallmann, Johannes (1577–1635), anhaltischer Kanzler und Kriegsrat 389 Stanisław II. August (eig.: Stanisław Antoni Poniatowski) (1732–1798), König von Polen und Großfürst von Litauen 202, 524, 636 Starcke, sächsischer Geheimer Kämmerer 173 Starhemberg, Georg Adam Graf von (1724– 1807), österreichischer Diplomat und Minister in den österreichischen Niederlanden 533 Starschedel, Georg von, Verfasser einer Schmähschrift gegen den sächsischen Kurfürsten 290, Anm. 291 Stein zu Altenstein, Wilhelm von (+1567), Unterstützer des Wilhelm von Grumbach 354, 361 Stein, Asmus von, Unterstützer des Wilhelm von Grumbach 360 Stein, Christoph Heinrich von (1663–1731), hessischer Gesandter in Wien 440, 441 Anm. 739 Stein, F. B., sächsischer Briefbote 622

Steinau, Adam Heinrich von (+ 1712), sächsisch-polnischer Generalfeldmarschall 249, 249 Anm. 68, 449, 465 Steinberg, Friedrich von (1651–1718), Diplomat in Braunschweig-Wolfenbüttel 248 Anm. 67 Steinhäuser, Johann Adam, sächsischer Geheimer Kämmerer 507 Anm. 1122 Stella, Rochus (um 1670–1720) Graf von Santa Croce, Begründer der österreichischen Geheimen Kabinettskanzlei 533 Stenbock, Magnus, auch: Steinbock (1665– 1717), schwedischer Feldmarschall 461, 467 Sternberg, Franz Damian Joseph Graf von (1676–1723), Burggraf von Prag 441 Sternberg, Franz Philipp Graf von (1708– 1786), böhmischer Gesandter in Regensburg und kaiserlicher bevollmächtigter Minister in Warschau und Dresden 579–580, 580 Anm. 1444, 627 Stich, Blasius, kaiserlicher Kundschafter 402 Anm. 560 Stieglitz, Christian Ludwig (1677–1758), Bürgermeister von Leipzig 210, 211 Anm. 740 Stockmann, Christoph Gottlieb, Wiener Agent 499 Stolberg, deutsches Adelsgeschlecht 146 Anm. 403, 362, 494 Stöltzel, Samuel, auch: Stölzel, Stelzel (1685– 1737), sächsischer Arkanist 207, 497 Stössel, Johann, auch: Stößel (1524–1576), deutscher Theologe 364–365, 365 Anm. 357 Strauchmann, Barthel, Mühlberger Bürger 335 Strawinsky, Igor (1882–1971), russischer Komponist 178 Anm. 622 Strigel, Victorin, auch: Viktorin (1524–1569), deutscher Theologe 364 Stuart, John (1713–1792), 3. Earl of Bute, englischer Premierminister 161 Stübel, Andreas, auch: Stiefel (1653–1725), deutscher Theologe und Schriftsteller 53– 56, 61, 87 Stubenberg, Wilhelm August von (1709– 1771), sächsischer Geheimer Rat, Kabi-

Personenregister

nettsminister und Vizekanzler 500 Anm. 1084 Stürler, sächsischer Staatsgefangener 645 Sturm, Jakob (1489–1553), Bürgermeister von Straßburg 308, 316 Suhm, sächsische Adelsdynastie 238 Anm. 39, 255 Suhm, Burchard von (1666–1720), sächsischer Kriegsrat und Gesandter in Paris 495, 495 Anm. 1057 Suhm, Ulrich Friedrich von (1691–1740), sächsischer Kriegsrat und Gesandter in Berlin und St. Petersburg 480 Suleiman I., der Prächtige (um 1494–1566), Sultan des Osmanischen Reiches 345 Sułkowski, Aleksander Joséf Reichsgraf von, auch: Solkowffsky (1695–1762), sächsischer Kabinettsminister und General 211, 521, 525, 526 Anm. 1189, 538, 542, 556, 556 Anm. 1319 Sułkowski, August Kazimierz (1729–1786), polnischer General 591 Swart, Johann Isaac van (1735–1801), niederländischer Gesandter in St. Petersburg 272–273 Sybilski, Johann Paul (1677–1763), sächsischpolnischer General 563 Szembek, Jan (+1731), polnischer Krongroßkanzler 509 T Tabor, Christoph, Bote 402 Tacitus (um 58 – um 120), römischer Historiker und Senator 11 Talemba, Sekretär des Stanislaus Leszczyński 471 Talleyrand-Périgord, Charles-Maurice (1754– 1838), französischer Außenminister 197 Anm. 652, 273 Anm. 167, 650–651, 650 Anm. 1768, 653 Talon, Ludwig, sächsischer Kabinettskanzlist und Gesandter in Madrid 561, 561 Anm. 1344 Tanck, Martin (+1675), sächsischer Resident in Den Haag 424 Tanjé, Pieter (1706–1761), holländischer Kupferstecher 189–190

807

Tarden, Fitz-Patrick, auch: Chevalier Buonaccorsi, Buonacorfi, preußischer Spion 594– 596 Tarlo, Adam (1713–1744) Gesandter des Stanislaus Leszczyński und Kommandeur der Partisanen 471–472 Taube, Dietrich Freiherr von (1594–1639), sächsischer Obrist 398 Taube, Hans von (1591–1629), sächischer Hauptmann und Truchseß 269 Teichmann, Johann, Diener des Grafen Karl Heinrich von Hoym 500 Anm. 1086 Tempelhoff, Georg Friedrich von (1737– 1807), preußischer Generalleutnant, Militärwissenschaftler und Historiker 627 Thamas Kuli Khan (Kouli-Kan, Thomas Koulikan, Kulikan, Schachnadyr, Nader Schah Afschar) (1688–1747), Schah von Persien 189, 553 Theler, Heinrich Ferdinand, sächsischer Rittmeister 611 Therese Kunigunde (1676–1730), Kurfürstin von Bayern 486 Thielmann, Johann Adolph von (1765–1824), sächsischer Oberst und General 647 Thieme, Stadtsyndicus von Erfurt 358 Anm. 320, 322 Thioly, Johann Antonius, sächsischer Geheimer Kriegsrat und Assessor im Geheimen Kabinett 503 Thomas, Johann Gottfried, auch: Leutnant Richter, sächsischer Kundschafter und Hauptmann 464 Thomasius, Christian (1655–1728), deutscher Philosoph und Pädagoge 121 Thumbshirn, Conrad von (1604–1667), sächsischer Diplomat und Kanzler von Sachsen-Altenburg 410 Thumbshirn, Wilhelm von (+1551), sächsischer Oberst 335 Thumbshirn, sächsisch-gothaischer Hofrat 38 Anm. 121 Thürheim, Franz Sebastian Graf von (1665– 1726), kaiserlicher Generalkriegskommissar 518 Thurloe, John (1616–1668), Leiter des englischen Geheimdienstes 15, 419

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Register

Thurn und Taxis, lombardische Adelsfamilie und Organisatoren des der Postwesens 264, 409, 433 Thurn, Heinrich Matthias von (1567–1640), deutscher Söldnerführer und Diplomat 371–372 Thürriegel, Johann Kaspar (1722–1800), Spion in sächsischen und französischen Diensten 529–530, 530 Anm. 1194 Tillet, Charlotte du, Mätresse des Herzogs von Épernon und Spionin der Maria Medici 201 Tilly, Johann T’Saerclaes von (1559–1632), kaiserlicher Heerführer 62, 154–155, 370–371, 378, 384, 386, 389–391, 395–396, 401 Tischbein, Johann Heinrich Wilhelm (1751– 1829), deutscher Maler 644 Titel, Michael, Abenteurer 169 Tobias, Isaak, Hamburger Kaufmann 212 Torelli, Stefano (1712–1784), italienischer Maler 189 Torstenson, Anders (1641–1686), schwedischer Generalgouverneur in Livland 241, 385 Anm. 460 Torstensson, Lennart (1603–1651), schwedischer Feldherr 232 Anm. 20, 384–385, 405, 408 Tottleben, holländischer Obrist 211–212, 212 Anm. 742 Touche, Méhée de la (Stanislaus Jablonski, Bordeaux, Toulouse, Challans), britischer Spion in Deutschland 638 Trauttmannsdorff (Trautmannsdorff), Maximilian von und zu (1584–1650), kaiserlicher Kämmerer und Obersthofmeister 409, 410 Anm. 598, 411 Treiber, Johann Philipp (1675–1727), deutscher Theologe, Jurist und Schriftsteller 120, 301, 673 Tresenreuter, Christoph Friedrich (1709– 1746), deutscher Theologe 180, 180 Anm. 588, 181 Anm. 589 Trithemius, Johannes, auch: Johann Tritheim, Johannes von Trittenheim, Johannes Zeller (1462–1516), Abt von Sponheim und humanistischer Gelehrter 57, 163, 229, 232 Tritt, Danziger Kaufmann 579, 579 Anm. 1443

Tropitzsch, sächsischer Leutnant 611 Trotain, Madame, geb. Borgerin, Briefschreiberin 474 Trützschler Johann Daniel (+1741), sächsischer Kapitän und Staatsgefangener 215, 476–478, 478 Anm. 972 Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von (1651– 1708), deutscher Naturforscher 206 Tsu, Sun, auch: Sunzi (um 544 v. C.–496 v.C.) 52 Tucher, Anton (1458–1524), Nürnberger Kaufmann 298 Tungel, Lars Nilsson, auch: Laurenz Nicolai Tungel (1582–1633), schwedischer Resident in Sachsen 379 Anm. 427, 397 Turing, Alan (1912–1954), US-amerikanischer Mathematiker und Kryptologe 236 Tyrol, Hans, Alchemist 167 U Üchteritz, Ernst Wilhelm, preußischer Spion 567–569, 568 FN 1384, 1388, 569 FN 1389 Uhle, Carl Leonhard, sächsischer Hauptmann und Wachtmeister auf der Festung Königstein 615 Ulfeldt, Anton Corfiz (1699–1769), kaiserlicher Diplomat 579–580, 580 Anm. 1444 Ulrich (1487–1550), Herzog von Württemberg 316, 322 Ulrici, Rat in der Kriegskanzlei zu SachsenGotha 175 Unruh, Konstantin Graf von, sächsischer Gesandter in Danzig 566, 566 FN 1377, 568, 568 FN 1388, 589, 593 Unruh, sächsischer Rittmeister 588 Urbich, Johann Christoph von (1653–1715), dänischer und russischer Gesandter in Wien 60 FN 239 Utterodt, Adam Adolph von (Ütterodt, Uetterode) (+ um 1744), sächsischer Gesandter in Stockholm 526, 476 V Valori (Valory), Guy-Louis-Henri de, Marquis d’Argens (1692–1757), französischer Gesandter in Preußen 573

Personenregister

Valvasor, Georg Sigmund, auch: Baron Franz Anton Premei von Lemberg, Abenteurer 168–169, 468, 509, 509 Anm. 1126, 510–511 Vattel, Marie-Anne de, Gemahlin des Legationsrats Emer de Vattel 254 Anm. 83 Vauban, Sébastian Le Preste de (1633–1707), französischer Festungsbaumeister und Marschall 179 Vaucher, Guillaume, sächsischer Resident in Madrid (nicht realisiert) und Korrespondent in den Niederlanden 506 Vaucher, Jeanne, Bekannte des sächsischen Kriegsrats De la Sarraz 505 Vaz, Joseph (1651–1711), deutscher Missionar in Sri Lanka 181 Vega, Juan de, kaiserlicher Gesandter in Rom 138 Veigl, Josef, kaiserlicher Gesandter in Florenz 416 Anm. 620 Vela, Franciscus de, sächsisch-polnischer Feldwachtmeister 249, 623–624 Venediger, Wolf Heinrich (+1706), sächsischer Gesandter in Moskau 254 Anm. 85, 320 Anm. 137 Vergil (eig.: Publius Vergilius Maro) (70 v. C. – 19 v. C.), römischer Dichter 32 Anm. 94 Vernam, Gilbert Sandfort (1890–1960), USamerikanischer Ingenieur und Kryptologe 236 Vesalius, Andreas (1514–1564), flämischer Anatom 297 Vesnich, Wolf Heinrich (+ 1721), sächsischer Resident in Wien 511 Anm. 1133 Viebahn, Johann Franz Moritz von (1684– 1739), preußischer Justizminister und Gesandter in Warschau 561 Vierbecke, Agnes von der (1341–1378), Dortmunder Kauffrau 201 Vigenère, Blaise de (1523–1596), französischer Diplomat und Kryptologe 229, 233, 236, 245 Vigneau, Catherine de, französische Agentin des Kardinals Richelieu 201 Villiers, Thomas, 1. Earl of Clarendon (1706–1786), englischer Gesandter in Dresden 572, 572 Anm. 1403

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Villio, Emanuel (Äemilio) Graf von, sächsischer Geheimer Rat und Resident in Venedig 285 Vitzthum von Eckstädt, Ludwig Siegfried Graf, auch: Vicedom (1716–1777), sächsischer Gesandter in Sardinien, St. Petersburg, Bayern, Paris, Wien 238, Anm. 39 Vitzthum von Eckstädt, Heinrich Graf, sächsischer Generalmajor 587 Vitzthum von Eckstädt, Familie 526, 587 Vogel, anhaltischer Unteroffizier 546 Vogel, Gottlieb (+1722), sächsischer Kanzlist und Staatsgefangener 146, 146 Anm. 403, 215, 492–494 Vogel, preußischer Kriegskommissar 506 Anm. 1119 Vogel, sächsischer Hofrat 528 Voigt, Christian Gottlob von (1743–1819), sächsischer Geheimrat 643–644, 643 Anm. 1720, 1722, 644 Anm. 1724, 1726 Volmar, Isaak (1582–1662), kaiserlicher Gesandter 412, 413 Anm. 606 Voltaire (eig.: François-Marie Arouet) (1694– 1778), französischer Philosoph 531, 571 Vonck, Johannes (+1585), auch: Fonck, Präsident des niederländischen Staatsrats 267 Anm. 135 Vopel, Andreas Philipp (* 1724), Amtmann von Nordhausen 608, 608 Anm. 1568 Voß, Johann Ernst von (1726–1793), preußischer Gesandter in Dresden 576–577, 576 Anm. 1424, 577 Anm. 1426, 579 Vulpius, Christiane (1765–1816), Gemahlin von Johann Wolfgang von Goethe 247 W Wackerbarth, August Christoph Graf von (1662–1734), sächsischer Kabinettsminister, Generalfeldmarschall, Gesandter und Gouverneur 132, 133, 133 Anm. 328, 330–331, 134, 168 Anm. 525, 203 Anm. 690, 214, 218, 218 Anm. 765, 243, 249, 249 Anm. 69, 71, 250, 250 Anm. 74, 261 Anm. 102, 446, 464, 470, 473 Anm. 940–941, 474, 476 Anm. 959, 479, 479 Anm. 980–981, 983, 484, 488, 497, 503, 510, 511 Anm. 1134, 522, 558 Anm. 1325

810

Register

Wackerbarth, Catharina Gräfin von (1670– 1719), Gemahlin des Grafen August von Wackerbarth 203, 484 Wackerbarth-Salmour, Joseph Anton Gabaleon Graf von (1685–1761), sächsischer Kabinettsminister 131–132, 132 Anm. 324, 525 Anm. 1186, 526, 526 Anm. 1191, 528, 561, 623 Waldenser, nach ihrem Begründer Petrus Valdes benannte protestantische Religionsgemeinschaft 183 Waldstein, Albrecht Wenzel Graf von siehe Wallenstein Wallenrodt, Johann Ernst von (1695–1766), preußischer Kriegsminister und bevollmächtigter Minister in Polen 536, 544 Wallenstein, Borck Baron von, preußischer Hauptmann 60, 216 Wallenstein, Albrecht Wenzel, Graf von Waldstein (1583–1634), Herzog von Friedland, böhmischer Feldherr 109, 143, 155, 155 FN 452, 370–371, 376–377, 379–380, 386, 402–403, 646 Wallis, John (1616–1703), englischer Mathematiker und Kryptologe 235, 588 Walmerode, Reinhard Freiherr Edler von (+1637), kaiserlicher Offizier und Generalkriegskommissar 390, 390 FN 490 Walsingham, Sir Francis (1532–1590), englischer Diplomat 15, 33, 46, 89, 142, 277, 661 Walther, Johann Christoph von (+ 1749), sächsischer Resident in Stockholm und Berlin 525 FN 1185 Wancke, Jacob, schwedischer Obrist und Attentäter 292, 293 FN 247 Watteville, Catherine Franziska Perregaux de, auch: Katharina von Wattenwyl (1645– 1714), französische Spionin 201 Watzdorf, Adam Friedrich von (1718–1781), sächsischer Appellationsrat und Oberhofrichter in Leipzig 580, 581 FN 1448 Watzdorf, Christian Heinrich Graf von (1698– 1747), sächsischer Hofbeamter 215, 489, 491–492, 500 FN 1086 Weber, Glauchauer Maler 538 Weck, Anton (1623–1680), sächsischer Geheimsekretär 421

Wedell-Piesdorf, Gottlob Heinrich Magnus (1769–1831), Landrat des Saalkreises 648 Wegely, Wilhelm Kaspar (1714–1764), Berliner Unternehmer 209, 209 FN 725 Weimar, Jacob Heinrich, sächsischer Leibbarbier 456 FN 824 Weingarten, Leopold Baron von, kaiserlicher Legationssekretär 537, 603 Weitz, Jakob Friedrich (1641–1723), Bürgermeister von Gotha und Leibarzt des Herzogs 512 Wellenburg, Matthäus Lang von (1468–1540), Erzbischof von Salzburg 304 Weltzer, sächsischer Profos auf der Festung Königstein 615 Wenzel von Sinzendorf, Philipp Ludwig Graf von (1671–1742), kaiserlicher Obersthofkanzler 501 Werner, Georg Christoph, sächsischer Musketier 500 Werner, Johannes, sächsischer Wahrsager 375, 375 Anm. 405 Werner, Paul von (1707–1785), preußischer General 626 Werthern, Dietrich von (1468–1536), Ordenskanzler des Deutschen Ordens beim Hochmeister in Ostpreußen und Rat des sächsischen Herzogs Georg 300 Werthern, Friedrich von (1630–1686), sächsischer Geheimer Rat und Gesandter 421 Werthern, Georg Graf von (1663–1721), sächsisch-polnischer Geheimer Rat, Kabinettsminister und Gesandter in Regensburg 137, 250, 250 Anm. 72, 444, 452 Werthern, Hans Christian von (+1688), sächsischer Kreishauptmann in Thüringen 432 Anm. 696, 699, 433 Anm. 702 Wetterstrohm, Häftling auf der Festung Sonnenstein 214 Wicquefort, Abraham de (1606–1682), brandenburgischer Gesandter 107, 112, 135 274–275, 424 Wiedmarckter, Carl Ludwig, sächsischer Legationssekretär in London 238 Anm. 39 Wilcke, Georg David, sächsischer Kanzlist 494

Personenregister

Wilczek, Johann Josef von (1738–1819), kaiserlicher Gesandter in Florenz 416 Anm. 620 Wildenstein, Paul, sächsischer Arkanist 208 Wilhelm (1598–1662), Herzog von SachsenWeimar 375–378, 380, 398, 406 Wilhelm (929–968), Erzbischof von Mainz 420 Wilhelm Ernst (1662–1728), Herzog von Sachsen-Weimar 146, 440, 440 FN 736–738, 486 Wilhelm III. von Oranien-Nassau (1650– 1702), Statthalter der Niederlande und König von England und als Wilhelm II. König von Schottland 235, 272, 434–435 Wilhelm III., der Tapfere (1425–1482), Herzog von Sachsen 136 Wilhelm IV. (1493–1550), Herzog von Bayern 319 Anm. 128–129 Wilhelm IV. der Weise (1532–1592), Landgraf von Hessen-Kassel 343 Anm. 240–242, 344 Anm. 248–250, 346 Wilhelm V. (1548–1626), Herzog von Bayern 365 Anm. 358 Wilhelm V., der Beständige (1602–1637), Landgraf von Hessen-Kassel 378, 378 Anm. 423–424 Wilhelmi, kaiserlicher Postangestellter 431 Wilhelmi, sächsischer Legationssekretär der Gesandtschaft in Preußen 482 Willis, Sir Richard, auch: Willys, Thomas Barret (1614–1690), englischer Doppelagent 419 Wilmsdorf-Prebendow, Albrecht Friedrich von, auch: Wilmersdorff-Prebendau, sächsischer Obrist 216 Wilson, Woodrow (1856–1924), 28. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika 17 Winterfeldt, Hans Karl von (1707–1757), preußischer Generalleutnant 144, 536, 587–588, 587 Anm. 1480, 588 Anm. 1484, 604, 604 Anm. 1546, 606 Anm. 1561 Wirsberg, Friedrich von (1507–1573), Fürstbischof von Würzburg 353 Wirth, Tobias, Stadtschreiber von Leisnig 286, 286 FN 225 Witschke, sächsischer Hofrat 505 FN 1112

811

Witting, schwedischer Offizier in St. Petersburg 539 Witzmann, Martin Ludwig (+1709), sächsisch-gothaischer Oberkriegskommissar 437 Witzmann, Oberkommissar der Kriegskanzlei von Sachsen-Gotha 175 Wojecinsky, Valerian, Sekretär von Jablanowsky 215, 469 Wolffersdorf, Adolf Siegmund von, sächsischer Leutnant 569, 569 Anm. 1391 Wolfframsdorf, Hermann von (1630–1703), sächsischer Oberhofmarschall und Gesandter in Paris 426, 430 Wolfframsdorff, Johann Friedrich von (um 1674–1712), sächsischer Kammerherr und Schriftsteller 217, 290, 453, 453 Anm. 805 Wolfgang III. (1575–1638), Graf von Mansfeld, kaiserlicher Feldmarschall 382 Wolfsthal, Balthasar Wolf von (+ 1529), kaiserlicher Schatzkanzler 299 Wolters, Henning Siegmund (+1707), sächsischer Legationssekretär 455 Wostromirsky von Rockittnigk, Hans Hermann (1647–1718), Dresdner Festungskommandant 464, 464 Anm. 884, 466 Wrangel, Carl Gustav (1603–1676), schwedischer General 386 Wrangel, Hermann von (1567–1643), schwedischer Feldmarschall 293, 293 Anm. 247 Wright, Patience (1725–1786), englische Bildhauerin 202 Wrzesowicz, Wolff von, Generalwachtmeister, kaiserlicher Kammerpräsident 156, 156 FN 458 Wulff, Moses Benjamin (1661–1729), brandenburgischer und anhaltischer Hoffaktor 442 Anm. 746 Wunderlich, Johann Gottlieb Traugott, Brennmeistergehilfe in der Porzellanmanufaktur Meißen 209 Anm. 724 Wurmbrand, Johann Wilhelm von (1670– 1750), Reichshofratspräsident 443, 443 Anm. 751, 484 Wylich, Friedrich von (1706–1770), preußischer Generalleutnant 506 FN 1119

812 Y Yorke, Joseph, 1. Baron Dover (1724–1792), britischer bevollmächtigter Minister in Den Haag 552 Z Załuski, Andrzej Stanisław (1695–1758), polnischer Großkanzler und Bischof von Krakau 507 Załuski, Josef, sächsischer Referendar im Domestiquen-Departement 507 Zapf, Nicolaus (1652–1726), Gothaer Hofrat 38 Anm. 122 Zboinski, Ignatius, Kastellan von Dobrzyn und Plocko 584 Zech, Bernhard Graf von (1649–1720), sächsischer Geheimer Rat und Minister 58 Anm. 230, 60 Anm. 239, 478, 493 Zech, Ludwig Adolph Freiherr von (1683– 1760), sächsischer Geheimer Rat und Gesandter in Wien 67 Anm. 3, 497, 505, 522–524, 523 Anm. 1174, 524 Anm. 1180 Zedler, Johann Heinrich (1706–1751), deutscher Verleger 19, 27, 32, 53, 108 Zedtwitz, Baron von, sächsischer Gerichtsherr zu Elster und Asch 611 Zeidler, Hans, auch: Hoffmann, sächsischer Agent in Wien 34, 369 Zeiger, Christian, auch: Zeyger, sächsischer Kundschafter 394

Register

Zenner, Gottfried (1656–1721), anhaltischer Kammersekretär und Schriftsteller 54, 56 Zentgrafen, Herzöge von Nassau 305 Zeumer, Johann Christoph (1685–1747), Gothaer Vizekanzler und Siftskanzler zu Naumburg und Zeitz 520 Zeutzsch, August Siegmund von, auch: Zeitsch (+1771), sächsischer Geheimer Kriegsrat 210, 594 Ziege, Johann, sächsischer Legationssekretär in Regensburg 286, 286 Anm. 229 Ziegel, sächsischer Oberparforcejäger 455 Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von, auch: Zigler und Klipphausen, Heinrich Anselm von (um 1663- um 1697), deutscher Schriftsteller 54 Ziehm, Madame, sächsische Hofdame 506 Zieten, Hans Joachim von (1699–1786), preußischer Generalleutnant und General der Kavallerie 609–610, 620 Zinzendorf, Franz Ludwig von (1661–1742), österreichischer General und Festungskommandant von Spielberg 465 Zinzendorf, Georg Ludwig Reichsgraf von (1662–1700), sächsischer Geheimer Rat und Gesandter 431 Zundelin, Wolfgang, sächsischer Informant 351 Zwingli, Ulrich (1484–1531), Schweizer Reformator 307

Was ist Geheimdiplomatie und wie wurde sie früher betrieben? Die Suche nach Antworten führt in den zwielichtigen Untergrund der politischen Ereignisse, in den dunklen Gang der Geschichte. Dahinter verbirgt sich ein Labyrinth von Verrat, Geheimnissen, Täuschung und Risiko. Die Abenteurer, Spione und ihr Metier bekommen in den Berichten ihrer Jäger eine Kontur. Geradezu filmreif sind manche ihrer Karrieren bis zum Staatsgefangenen auf der Festung Königstein. Bis zur Spionagehysterie im Siebenjährigen Krieg ging das Powerplay im Wettbewerb der Höfe um die beste Chiffre und den kleinsten Informationsvorteil.

ISBN 978-3-515-13052-3

9 783515 130523

Aus unzähligen verschlüsselten Briefen und Chiffrentafeln wird das System durchdachter Nachrichtendienste deutlich. Der „stille Krieg“ hatte viele Protagonisten, geheime Orte und Praktiken. Anne-Simone Rous analysiert erstmals die Faktoren, Akteure und Methoden von Geheimdiplomatie systematisch und erörtert sie an Beispielen aus den großen europäischen Konflikten der Frühen Neuzeit, als Sachsen die zweitwichtigste Macht im Heiligen Römischen Reich war. Die Quellen erzählen von der frühen Bürokratie in den Kanzleien und der Angst der Beteiligten, aber auch von Fallstricken, die bis heute wirken.

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