Gegen die moderne Welt: Die geheime Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts 3957575206, 9783957575203

Unbemerkt von der Öffentlichkeit entstanden um die Jahrhundertwende in konservativ-christlichen Milieus Europas esoteris

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German Pages 549 Year 2019

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Gegen die moderne Welt: Die geheime Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts
 3957575206, 9783957575203

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Mark Sedgwick

Gegen die moderne Welt D ie geheim e G eistesgesch ich te des 20. Jahrhunderts Aus dem E n glisch en v o n N ad in e M iller

^

Matthes & Seite Berlin

Drehend und drehend in immer weiteren Kreisen Versteht der Falke seinen Falkner nicht; Die Welt zerfällt, die Mitte hält nicht mehr; Und losgelassen nackte Anarchie, Und losgelassen blutgetrübte Flut, Das Spiel der Unschuld überall ertränkt. William Butler Yeats, »Das zweite Kommen« (W 9)

In h altsverzeich n is

Vorwort zur deutschen Ausgabe Vorbemerkung 12 Liste der Hauptpersonen 13 Prolog

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ERSTER TEIL

Die Entwicklung des Traditionalismus 1. Traditionalismus 43 2. Perennialismus 69 3. Gnostiker, Taoisten und Sufis

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ZWEITER TEIL

Traditionalismus in der Praxis

113

4. Kairo, Mostaganem und Basel 5. Faschismus 146 6. Aufsplitterung 178

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DRITTER TEIL

Traditionalismus auf Reisen 7. Die Maryamiyya 219 8. Amerika 238 9. Terror in Italien 263 10. Bildungsarbeit 275

217

t

VIERTER TEIL

Traditionalismus bis 2006

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11. Europa nach 1968 301 12. Traditionalismus in Russland 13. Der Neo-Eurasianismus 345 14. Die islamische Welt 372 15. Gegen den Strom 4*3 ANHANG

Anmerkungen 429 Worterklärungen 520 Liste von Gesprächspartnern Literaturangaben 526 Register 535

523

320

V o rw o rt zur d e u t s c h e n A u s g a b e

In der Schlussbetrachtung der englischen Fassung von Gegen die mo­ derne Welt, die 2003 in Kairo geschrieben wurde, stellte ich fest, dass die meisten traditionalistischen Gruppen im Westen klein und isoliert wa­ ren und dass der Traditionalismus marginal blieb, und ich fragte m ich, ob der Traditionalismus im Westen seinem Ende entgegenginge. Seit 2003 hat sich viel verändert. Als ich 2007 aus dem N ahen O sten nach Europa zurückkehrte, wo ich zuletzt zwanzig Jahre zuvor gelebt hatte, brauchte ich einige Zeit, um mich wieder zurechtzufinden: Dinge, die 1987, als ich den Kontinent verließ, in der Öffendichkeit zu sagen u n ­ denkbar gewesen wären, konnte man nun jeden Tag im Radio hören, und viele Menschen meiner Generation waren verwirrt und konnten nicht erklären, was los war. Jetzt, im Jahr 2019, scheint sich ein gewisser Konsens herausgebildet zu haben: W ir erleben einen großen W andel des politischen Lebens, da die lange Zeit dom inanten M itte-links- und M itte-rechts-Parteien beträchtlich an Zustimmung verlieren und neue poli­ tische Parteien und Kräfte entstehen, manchmal auf der Linken, aber häufiger auf der Rechten. Oder vielleicht ist selbst diese Aussage falsch, und die alte Unterscheidung zwischen links und rechts gilt nicht mehr. Vielleicht ist die Transformation noch dramatischer. Vielleicht ist aber auch vieles davon nicht so neu, wie es scheint. Der dramatische Rückgang der Mitgliedszahlen der Gewerkschaften, die die Mitte-links-Parteien so lange unterstützt haben, ist sicherlich ein neuer Aspekt und spiegelt den Wandel der Arbeitsverhältnisse in der In ­ dustrie wider. Aber der Aufstand gegen den Liberalismus und die W erte der Aufklärung ist nicht plötzlich in den letzten Jahren über uns her­ eingebrochen. Seit sie in die Welt gekommen waren, w urden die W erte der Aufklärung infrage gestellt, und der Liberalismus hatte im m er seine Gegner, Es scheint nun eher so, dass diese Gegnerschaft seit Jahrzehnten ignoriert wurde. Nachdem der italienische Faschismus u n d der deutsche Nationalsozialismus in einer beispiellosen Katastrophe m it zuvor unge-

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Vorwort

sehenem Leid endeten, schienen die Aufklärung über jeden Zweifel er­ haben und der Liberalismus für immer zu dominieren. Das war nur teil­ weise richtig. Sicherlich schlägt niemand ernsthaft vor, den Faschismus oder Nazismus in seinen historischen Formen wiederherzustellen. Aber die unangefochtene Herrschaft des liberal-aufklärerischen Konsenses scheint vorbei zu sein. Der Traditionalismus, der Gegenstand dieses Bu­ ches ist, ist daher nicht mehr marginal, sondern wird immer mehr zur Avantgarde. Der Traditionalismus ist nicht verantwortlich für den Aufstieg des Populismus oder der Neuen Rechten, für ihre Erklärung sind andere Faktoren wie etwa die Globalisierung von zentralerer Bedeutung. Tradi­ tionalismus ist keine Massenideologie, der auf politischen Kundgebun­ gen zugejubelt werden kann. Einige derjenigen, die die Organisation politischer Kundgebungen in der Hand haben, sind jedoch persönlich mehr oder weniger stark vom Traditionalismus inspiriert. Die Schlussbe­ trachtung von Gegen die moderne Welt, geschrieben 2003, trägt die Über­ schrift »Gegen den Strom«; seit 2003 hat sich die Richtung der Strö­ mung gedreht. Manchmal denke ich, dass die Zeit für eine Neuauflage von Gegen die moderne Welt gekommen ist, aber auf der einen Seite bewegen sich die Ereignisse immer noch zu schnell, und auf der anderen Seite steht das Buch am Ende einer Geschichte, und die 1920er und 1960er Jahre ändern sich überhaupt nicht. Die Bedeutung dessen, was in den 1920er und 1960er Jahren geschah, mag unterschiedlich aussehen, da sich das Licht, das die Gegenwart auf sie wirft, wieder einmal ändert, aber die Ereignisse selbst haben sich nicht verändert. Sie sind nur noch interes­ santer geworden. Traditionelle Gruppen im Westen bleiben klein, aber sie sind nicht mehr isoliert. Der Traditionalismus bleibt obskur, ist aber nicht mehr marginal. Wenn etwas im Westen derzeit seinem Ende ent­ gegenzugehen scheint, dann ist es der Liberalismus des späten 20. Jahr­ hunderts, nicht der Traditionalismus. Wie ich bereits erwähnt habe, wurde das Manuskript dieses Buches 2003 fertiggestellt und die erste Ausgabe in englischer Sprache 2004 ver­ öffentlicht. Bestimmte Fehler, die kurz nach der Veröffentlichung festge­ stellt wurden, wurden in der englischen Taschenbuchausgabe von 2009 korrigiert. Für die russische Ausgabe, die aus komplizierten Gründen

Vorwort

II

erst 2014 erschien, wurde 2006 ein völlig neues Kapitel angefügt- Diese deutsche Ausgabe enthält die Korrekturen an der englischen Taschen­ buchausgabe, das zusätzliche Kapitel für die russische Ausgabe und ei­ nige neuere Beobachtungen zu mehreren Punkten, die besonders der Aktualisierung bedurften. Weitere Updates finden sich in dem englisch­ sprachigen Blog traditionalistblog.blogspot.comy den ich 2006 gestartet habe. Dort wurde im Laufe der Jahre eine Vielzahl von Einträgen (u. a. Fotos, Kopien einiger Originaldokumente, Bibliographien traditionaiistischer Literatur und Links zu Webseiten von Traditionalisten) zu neuen relevanten Entwicklungen sowohl in der traditionalistischen als auch in der wissenschaftlichen Welt veröffentlicht, wo die Anzahl der Publika­ tionen, die das eine oder andere Phänomen beleuchten, weiter zunim m t. Mark Sedgwick Aarhus, im Juli 2019

Vorbemerkung

Um ein Buch von einer solchen inhaltlichen Breite zu verfassen, musste ich mich auf so manches Gebiet vorwagen, zu dessen Bearbeitung ich wissenschaftlich eigentlich keine Befugnis besitze. Ich habe mich zwar nach Kräften bemüht, den Hintergrund traditionalistischer Aktivitäten vieler Epochen und Regionen zu verstehen, aber ich erhebe keinerlei Anspruch auf Fachwissen zu all den Tatorten und -Zeiten, die in diesem Buch Vorkommen. Außerdem bin ich vielen Kollegen für ihre Vorschlä­ ge, Hilfe und Kommentare weit mehr, als es gewöhnlich der Fall ist, zu Dank verpflichtet. Insbesondere möchte ich mich bedanken bei Boris Falikow, H. T. Hansen, Klaus Kreiser, Jean-Fran^ois Mayer, Shahram Pazuki, Bryan Rennie, Ottavia Schmidt di Friedberg, Stephen Shenfield und PierLuigi Zoccatelli sowie bei all den französischen Wissenschaft­ lern, die mir geholfen haben, ganz besonders bei Jean-Baptiste Aymard (der mir trotz seiner Einwände gegen viele meiner Deutungen eine große Hilfe war), Jean-Pierre Brach, Stephane Dudoignon, Antoine Faivre, Jean-Pierre Laurant, Bernadette Rigal-Cellard undThierry Zarcone. Ich möchte auch allen anderen danken, die mit ihren Anregungen und ihrer Begeisterung oder mit beidem zu dem Projekt beigetragen haben; der American University in Kairo fiir ein Stipendium, das mir Nachfor­ schungen in Marokko und im Iran ermöglichte; Russell Sender, Anwalt bei Goldwater Sender; und Cynthia Read, meiner Lektorin bei Oxford University Press für ihre Unterstützung und ihren Humor, wenn Wid­ rigkeiten auftraten. Weiterhin möchte ich den von mir befragten Ge­ sprächspartnern danken: Ohne ihre Zeit, Geduld und Großzügigkeit wäre dieses Buch nie entstanden. Schließlich möchte ich mich meiner Frau Lucy für vieles Dank sagen, nicht zuletzt für ihre scharfsinnigen Bemerkungen zum Manuskript dieses Buches.

Liste der H a u p t p e r s o n e n

Die sieben wichtigsten Traditionalisten, chronologisch (nach Geburtsdaten) angeführt: Coomaraswamy, Ananda Kentish (1877-1947). Brite, dann Amerikaner. Kunsthistoriker. Guenon, Rene (1886-1951). Franzose, dann Ägypter. Entwickelte den Traditionalismus. Evola, Baron Julius (1898-1974). Italiener. Entwickelte den politischen Traditionalismus. Eliade, Mircea (1907-86). Rumäne, dann Amerikaner. Religionswissenschaftler. Schuon, Frithjof (1907-98). Deutscher, später Franzose, dann Schweizer, letztendlich wohnhaft in Amerika. Entwickelte den SufiTraditionalismus und gründete den Alawiyya Sufiorden, der sich später in Maryamiyya umbenannte. Nasr, Dr. Seyyed Hossein (geb. 1933). Iraner, dann Amerikaner. Führte den islamischen Traditionalismus in den Iran und in andere Teile der islamischen Welt ein. Dugin, Alexander (geb. 1962). Russe. Entwickelte den NeoEurasianismus.

Weitere wichtige Personen (chronologisch nach Geburtsdaten): Ficino, Marsilio (1433-99). Italienischer Priester und Neoplatoniker. Burrow, Reuben (1747—92). Britischer Amateurreligionshistoriker. Emerson, Ralph Waldo (1803—82). Amerikanischer Transzendentalist, Blavatsky, Helena (1831-91). Russische Theosophin.

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Liste der Hauptpersonen

Wirth, Oswald (1860-1943). Freimaurerischer Reformator und Mitarbeiter Guenons. Pouvourville, Albert de (1861-1940). Taoistischer Imperialist und zweiter wichtiger Meister Guenons. Encausse, Gerard (»Papus«) (1865-1916). Gründer des MartinistenOrdens und erster großer Mentor Guenons. Agueli, Ivan (1869-1917). Schwedischer Sufi und Maler. Charbonneau-Lassay, Louis (1871-1946). Katholischer Antiquar, Freund und Mäzen Guenons und erster Meister der Fraternite des Chevaliers du Divin Paraclet (Bruderschaft der Ritter des göttlichen Trösters). Sebottendorf, Rudolf von (1875-1945), eigentlich Adam Glauer. Deutscher Okkultist und Freimaurer, Gründer der politischen Partei, die Adolf Hitler zur NSDAP umwandelte. Eberhardt, Isabelle (1877-1904). Französisch-russische Schriftstellerin und Sufi-Adeptin. Maritain, Jacques (1882-1973). Katholischer Philosoph, ehemals ein Gönner Guenons. Chacornac, Paul (1884-1964). Verleger Guenons. Thomas, Alexandre (1884-1966). Zweiter Meister der Fraternite des Chevaliers du Divin Paraclet (Bruderschaft der Ritter des göttlichen Trösters). Seligny, Paul de (1903-?). Aus Mauritius stammend, wohnhaft in Frankreich. Kultfuhrer und Guru. Reyor, Jean (1905-1988). Einer der ersten treuen Schüler Guenons, bis 1961 Redakteur der Etudes traditionnelles. Valsan, Michel (1907-1974); Rumäne, später in Frankreich ansässig. Zuerst Schuons muqaddam in Paris und dann Scheich eines imabhängigen Alawiyya-Sufiordens. Redakteur der Etudes traditionnelles von 1961 bis zu seinem Tod. Burckhardt, Titus (1908-1984). Schweizer. Schuons engster und ältester Mitarbeiter und sein muqaddam in Basel. Lings, Martin (1909-2005) Brite. Erster Mitarbeiter Guenons in Kairo, dann Schuons muqaddam in London. Pauwels, Louis (1920-1997). Französischer Schriftsteller und Verleger okkulter Literatur.

Liste der Hauptpersonen

Hartung, Henri (1921-1988). Franzose, später m it Wohnsitz in der Schweiz. Kurzfristig Anhänger Schuons, später progressiver öffentlicher Intellektueller. Pallavicini, Felice (1926-2017), Italiener. Italienischer Scheich eines traditionalistischen Sufiordens in Mailand, der sich von der Idrisi Ahmadiyya ableitet. Freda, Franco (1941). Italienischer politischer Traditionalist. Jamal, Gaydar (1947). Russischer Islamist.

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Wm

P r o lo g

Es war stockfinster, bis auf den Strahl einer Taschenlampe einige Stock­ werke über uns. Der Rauch hatte sich m it der Feuchtigkeit vermischt, und noch immer lief und tropfte Wasser. W ährend ich besorgt die Treppe hinaufstieg, schritt ein Feuerwehrmann an m ir vorbei, ich ließ ihn aber wortlos durch, da mein Russisch zu schlecht ist. Bevor ich das Gebäude, in dem ich wohnte, betrat, hatte ich bereits in Erfahrung ge­ bracht, dass das Feuer vom Dachgeschoss ausgegangen war. Obdachlose, hieß es, vom nahegelegenen Kursker Bahnhof. Ich konnte nur hoffen, dass es tatsächlich so war und dass nichts Schlimmeres dahintersteckte. Mein Russisch ist schlecht, aber die Russen, derentwegen ich nach Moskau gekommen war, waren allesamt gebildete Menschen, die m eh­ rere Sprachen beherrschten. »Dugin ist unglaublich gebildet, au f seine Art genial. [...] Man darf nur nicht vergessen, dass all diese Leute ein­ hundertprozentig irre sind«, hieß es in einem Nachsatz zu einer E-M ail mit einem Schreiben, mittels dessen mich ein amerikanischer Experte bei einem dieser führenden Köpfe einfuhrte. Er war Sowjetologe gewe­ sen, als es noch eine Sowjetunion gab, und nun war er zum Sammler russischer Monarchisten, Faschisten und »Patrioten« am Rande der rus­ sischen Politik geworden. Alexander Dugin hatte sich in den letzten Jah­ ren der UdSSR während seiner Tätigkeit als Straßenfeger perfekt Franzö­ sisch und ein recht passables Englisch beigebracht sowie zwei oder drei andere europäische Sprachen noch dazu. Sein ehemaliger Verbündeter Eduard Limonow erlernte sein fast perfektes Englisch w ährend seiner Zeit in New York, wo er als sowjetischer Überläufer und regimekritischer Romanschriftsteller lebte. Und was trieb er dort sonst noch? Limonows berühmtestes Buch, Fuck Off, Amerika, war ein eindeutig autobiografi­ sches, gleichzeitig aber auch fiktives Werk. Kurz nachdem ich zum ers­ ten Mal nach Ägypten gezogen war, hatte ich darin ein paar Seiten über­ flogen und es dann aber aus der H and gelegt. Seitdem hatte es ungelesen in meinem Regal gestanden. Später, als ich endlich begriffen hatte, war-

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Prolog

um mir der Name Limonow so bekannt vorkam, kramte ich das Buch wieder hervor und las es, vollkommen fasziniert. Limonow beschreibt die Desorientierung und Ernüchterung des sowjetischen Emigranten, der - auch wenn das System ihn ausstieß - als Dichter in seinem eigenen Land Respekt genoss, aber im Westen weder benötigt noch geachtet wird. Er beschreibt auch die Erfahrung eines jeden Emigranten im Wes­ ten, eine Erfahrung, die ich jetzt bei einigen ägyptischen Freunden wie­ dererkannte und die jeder Dissident macht, nicht nur der sowjetische. Wie ich später erfuhr, hatte das Buch Alexander Solschenizyn nicht son­ derlich zugesagt (er bezeichnete Limonow als »ein kleines Insekt, das Pornografie schreibt«). Das Geräusch tropfenden Wassers ließ allmählich nach, als ich ans obere Ende der Stiege gelangte. Die Wohnung, in der ich untergebracht war, war mehr oder weniger intakt geblieben. In der Küche war der Putz von der Decke gefallen, und auf dem Boden stand das Wasser einen Zen­ timenter hoch, aber das war alles. Die winzige Katze, die der Freundin meines Gastgebers gehörte, war zwar völlig verschreckt, aber sie hatte überlebt. Die Aufzeichnungen meiner Interviews waren dank der Klar­ sichthüllen, in denen ich sie aufbewahrte, unversehrt. Alle waren noch lesbar, außer einer einzigen Seite mit Hintergrundinformation zu kon­ servativen Kommunisten und radikalen Demokraten. In jener Nacht kroch die Katze zu mir ins Bett und vergrub sich unter den Decken, zart und weich wie ein Vogel an meinem Bauch. Es waren wohl wirklich die Obdachlosen vom Kursker Bahnhof ge­ wesen, all meinen Befürchtungen zum Trotz. Jener Sommer in Moskau war zwar wunderschön, aber mein Zuhause und alle mir Vertrauten wa­ ren dennoch weit weg, und ich hatte mich schon mit einigen sehr selt­ samen Leuten getroffen. Dugin erwies sich tatsächlich als überaus gebil­ det und charmant noch dazu, aber mit Limonow hatte ich es nur bis zu einem kurzen Telefonat gebracht, und auch das erst nach tagelangen Vorbereitungen. Sein Widerstreben, sich mit mir zu treffen, hatte wahr­ scheinlich damit zu tun, dass westliche Journalisten und Akademiker ihn und Dugin stets als eine Bedrohung des Weltfriedens bezeichneten, als die Anführer eines erschreckenden Gefolges von Skinheads und Punks, Verkörperungen des Albtraums eines wieder auferstandenen, mit Atomwaffen bestückten Dritten Reichs. Alle Russen, die behaupten,

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ihre Partei vereine in sich die besten Elemente des Nazismus und des Stalinismus, werden bei einem westlichen Publikum natürlich au f ge­ wisse PR-Schwierigkeiten stoßen. Dieses war aber die Partei, die D ugin und Limonow gegründet hatten, die NBP, die National-Bolschewistische Partei. »Mir gefallen solche Leute«, bekannte Natalja, die Verfasserin der meisten jüngeren Artikel über Dugin und Limonow, in der Moscotu Times. »Sie sind anders, man hat m it ihnen Spaß, nicht wie bei den anderen Politikern.« Natalja hatte mich in einen der Moskauer Supper Clubs eingeführt, ein elegantes, aber weitgehend leeres Restaurant im Retrostil mit Musik und Dekor der frühen Breschnew-Ära. Zugang nur für Mitglieder, durch eine unbezeichnete Stahltür, die ein stählerner ExKGB-Mann in einem dunklen Aoizug öffnete. Nataljas Laufbahn hatte als gelegentliche Assistentin amerikanischer Journalisten in Leningrad begonnen, danach hatte sie die University of California besucht und ein Praktikum bei der Los Angeles Times absolviert und war nun zu einer Verkörperung der besten Elemente des neuen Russlands geworden. Von untadeligem Liberalismus, voller Schwung und Hoffnung, Partygirl und Schriftstellerin zu gleichen Teilen - sie hatte absolut nichts von einer Faschistin an sich. Aber erkundete sie auch Alternativen? O ja. Ais wir den Klub verließen, hob sie einen bunten Aufkleber auf und sagte: »Heutzutage tummeln sich hier alle möglichen komischen Leute ... und mir gefällt das.« Das bezog sich nicht auf Dugin, sondern auf die zuneh­ mende Zahl von Menschen, die in Moskau leben, ohne eine für M oskau gültige Aufenthaltsgenehmigung zu besitzen, das moskowitische Ä qui­ valent zur Einwanderungsproblematik des Westens. Im Zentrum von Moskau lebte hinter einer anderen Stahltür ein weiterer ehemaliger Verbündeter Dugins namens Gaydar Jamal. Diese Stahltür führte jedoch zu einer W ohnung in einer eleganten Residenz in der Nähe der amerikanischen Botschaft. Jamals T ür öffnete kein ExKGB-Mann, sondern ein junger Tartare m it rasiertem Kopf, der später Jamal und mir dünnen Kaffee in angeschlagenen Tassen m it nicht dazu passenden Untertassen serviert. Es befanden sich noch mehrere solcher jungen Männer in der fast unmöblierten W ohnung, die entweder all­ gemein keiner Beschäftigung nachgingen oder die zum indest w ährend meines Besuchs nichts zu tun hatten. Jamal und ich sprachen über D u-

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gin, über den Islam, über unsere Großeltern, über den Dschihad, über Jamals Kontakte zu den Taliban, über die Moderne und über die Tradi­ tion. Obwohl ich mir gut vorstellen konnte, dass Jamal und seine jungen Tataren zu allem Möglichen imstande waren, hatten wir doch einen gu­ ten Draht zueinander. Er versprach sogar, mich zu besuchen, wenn er das nächste Mal nach Kairo käme - eine Aussicht, bei der mir nicht so ganz wohl war, einmal wegen der Auswirkungen, die der Besuch eines hochkarätigen ausländischen Islamisten vermutlich auf meine Akte beim ägyptische Sicherheitsdienst haben könnte, und zum anderen, weil ich mir die Reaktion meiner Frau vorstellte, falls Jamal und seine Entourage unangemeldet bei uns aufkreuzen sollten. Auch Dugin und ich hatten uns recht gut verstanden. In seinem Büro hatte es keine Skin­ heads gegeben, nur eine Sekretärin, die vom Büroschluss träumte, und die übliche russische Pförtnerin, eine Spätfiinfzigerin mit steinernem Gesichtsausdruck. Auch ein Mann war zugegen, der seinem Aussehen nach vielleicht im Buchhandel tätig war und auf einem Sofa sitzend in einem Katalog der Veröffentlichungen Dugins blätterte. Wie mir erst später aufging, hatte Dugin damals schon die Nationalbolschewiken weit hinter sich gelassen und bereits den Weg eingeschlagen, der ihn zu einem Bündnis mit dem Kreml fuhren sollte, was womöglich noch er­ schreckender war. Limonow dagegen landete im Gefängnis. Obwohl in der Wohnung trotz des Feuers und des Wassers fast alle meine Aufzeichnungen noch lesbar waren, musste ich mir ein neues Exemplar von Julius Evolas Buch Den Tiger reiten beschaffen. Ich hatte dieses Buch mitgebracht, um es zu lesen, während ich auf Interviews wartete. Evola, Baron Julius. Artillerieoffizier, Künstler der Avantgarde, Zauberer. 1974 in Rom verstorben. Jamal und ein paar andere sowjeti­ sche Dissidenten entdeckten kurz nach der Kuba-Krise seine Bücher in der Lenin-Bibliothek in Moskau. Die Bibliothekare hatten offensicht­ lich keine Ahnung, wie gefährlich Evolas Bücher waren, denn sonst hät­ ten sie sie niemals auf offenen Regalen stehen gelassen. Vom Italien der 1970er Jahre heißt es, dass bei Hausdurchsuchungen der Fund von Evo­ las Büchern größere Schwierigkeiten verursachte als wenn die Polizei auf Plastiksprengstoff stieß. Evola musste sich 1951 in Italien vor Gericht dafür verantworten, dass

Prolog

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er »heimlich die Wiedereinführung des Faschismus plane«, aber er wurde freigesprochen. Es war eine lächerliche Anklage, denn der bloße Faschis­ mus war für Evola immer viel zu zahm gewesen. Zwar hatte er gemein­ sam mit Mussolini die italienischen Rassengesetze ausgearbeitet, aber die Faschisten hatten ihn schließlich aus Berlin zurückgepfiffen und ihm den Pass eingezogen. Seine Ansichten waren ihnen einfach zu extrem. Evola verhielt sich zu Mussolini wie Trotzki zu Stalin, aber wer kennt ihn heute noch? Die Anti-Terror-Einheit der italienischen Polizei zum Beispiel. Bei einer Internet-Suche auf Google.com erzielte er soeben 12 600 Hits (wobei allerdings Trotzki m it 137 000 H its deutlich in der Ich hatte selbst noch nie von Evola gehört, bis ich Scheich Abd alWahid Pallavicini fragte, wie er zum Islam gekommen sei. So began­ nen meine Forschungen auf dem Gebiet des Traditionalismus, als ich im Winter 1995/96 in Mailand den italienischen Scheich eines Sufi­ ordens interviewte, der ausschließlich aus italienischen Konvertiten zum Islam bestand. Ich hatte bei einer Konferenz in K hartum von Pallavi­ cini und den italienischen Sufis gehört. Ich unterhielt mich m it einem italienischen Kollegen an einem O rt außerhalb des Konferenzsaals, wo­ hin wir uns zwischen den Sitzungen begaben, um uns aufzuwärmen. Dieser Konferenzsaal war einer der wenigen Plätze im Sudan, die über eine funktionierende Klimaanlage verfugten, und die Veranstalter waren fest entschlossen, dies voll auszunutzen. Die heiße Sonne des Sudan, der Sand und die Stille linderten gelegentlich die Langeweile der Sitzungen im Inneren des Kühlschranks. W ährend wir da im H albdunkel fröstel­ ten, hielten sudanesische Gelehrte einen wissenschaftlichen Vortrag nach dem anderen. An den Themen ihrer Vorträge waren sie selber nur wenig interessiert, aber sie dachten, sie könnten einen Ausländer interessieren, der ihnen folglich eine Goldgrube in Form eines ausländischen For­ schungsstipendiums erschließen könnte. »Wenn Sie an den Idrisi interessiert sind«, sagte m ein italienischer Kollege, »wir haben welche in Mailand.« Einer der Aspekte des IdrisiSufiordens, der mich damals interessierte, war die A rt seiner Ausbrei­ tung. So kam es, dass ich ein paar Monate später, in der Januarkälte des Jahres 1996, von Kairo nach Mailand flog. Einige von Scheich Pallavicinis Schülern holten mich vom Flughafen ab und erwiesen m ir größte

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Ehrerbietung, da ich aus dem Orient kam. Nun ja, ich war zwar gerade aus dem Orient angereist, aber eigentlich stammte ich ja aus London, und mein Familienname lässt entfernte Abstammung von den Wikin­ gern vermuten. Ich wiederum erwies dem Scheich Pallavicini ebenfalls größten Respekt, denn so benimmt man sich in der Gegenwart von Sufi-Scheichs, und es war Teil meiner Aufgabe als Islamhistoriker, SufiScheichs zu interviewen. Ich war noch keinem italienischen Scheich be­ gegnet, aber der sicherste Weg schien mir doch, ihm als Scheich und nicht als Italiener entgegenzutreten. Im Verlauf unseres Gesprächs er­ zählte mir Pallavicini, dass er im Jahre 1952 in der Schweiz Muslim ge­ worden sei, nachdem ihn Evola dorthin zu einem Sufi-Scheich geschickt hatte. Er habe Evola aufgesucht, weil er der italienische Übersetzer der Werke eines französischen Autors war, den er damals gerade las, Rene Guenon. Vielleicht hatten meine Nachforschungen also nicht erst in jenem Winter begonnen, da ich zuvor schon von Rene Guenon gehört hatte, obwohl mir der Name Evola damals nichts sagte. Meine Nachforschun­ gen hatten vielleicht schon zehn Jahre vorher begonnen, im Jahre 1986, am zweiten Tag meines ersten Aufenthalts in Kairo. Ich besuchte dort einen Schulfreund, der einen Job als Leiter eines Kurses für Studienan­ fänger an der AUC bekommen hatte, der American University in Kairo. Mein Freund lud mich in der Kantine der AUC zum Mittagessen ein. Wir trugen unsere Tabletts von der Kasse an einen freien Tisch und setz­ ten uns. »Da drüben sitzen die Konvertiten,« bemerkte mein Freund, der sich in der Rolle des Fremdenführers gefiel, und zeigte auf einen kleinen Tisch nahe der gegenüberliegenden Seite des Raums. Dort saßen vier Männer beisammen, alle mit Vollbärten und alle dunkel gekleidet, oder kamen sie mir nur dunkel vor? Gerade einmal zwei Tage in Kairo, verband sich in meiner Vorstellung der Islam wahrscheinlich immer noch mit Finsternis. Wie konnte ein Westler sich nur zum Islam bekeh­ ren? Die vier Männer sprachen leise untereinander, hatten ihre Mahlzeit beendet und beugten sich einander zu. Worüber sie wohl redeten? Ein Jahr später war ich selbst nach Kairo gezogen und unterrichtete auch an der AUC. Dort lernte ich einen dieser Konvertiten kennen, ein dänischer Staatsbürger, dessen Muttersprache Deutsch war, der aber per­ fektes (amerikanisches) Englisch sprach und daher oft fiir einen Ameri-

23 kaner gehalten wurde. Ehemals als Ambulanzfahrer in H am burg tätig, hatte ihn seine spirituelle Suche bis nach Sri Lanka geführt, später unter­ richtete er Englisch an der AUB, der American University o f Beirut, traf dort einen türkischen Sufi-Scheich und wurde auf der Stelle Muslim. Bei näherer Betrachtung war er gar nicht so finster, vielmehr besaß er leuchtende Augen und einen respektlosen Humor. Er wurde schnell zu einem Freund und ist es bis heute geblieben. W ährend der 1980er Jahre lieh er mir einmal ein Buch von Rene Guenon, den er m ir als einen zum Islam übergetretenen Franzosen beschrieb, der viele Jahre in Kairo gelebt hatte. Das Buch war eigentlich ganz unauffällig, ein Penguin Taschen­ buch mit der Signatur der AUC Bibliothek auf dem Buchrücken. D er Datumsstempel im Inneren zeigte an, dass das Buch rund zwölf Jahre überfällig war, worauf ich meinen Freund aufmerksam machte. D er Konvertit lächelte. »Dieses Buch ist viel zu wertvoll, um es der Biblio­ thek anzuvertrauen. Vergiss auf jeden Fall nicht, es m ir zurückzugeben«, sagte er. Es war ein seltsames, schwieriges Buch, das gar nicht vom Islam han­ delte. Es ging darin vielmehr um die Zeit, um Q uantität und Q ualität, um Aristoteles, um Gog und Magog und das bevorstehende Ende der Welt. Es war ein beunruhigendes Buch, und ich konnte es schwer von der Hand weisen. »Wie kannst du solches Zeug nur lesen?«, fragte der Schulfreund, der mich im Herbst zuvor beim Lunch auf den Tisch der Konvertiten hin­ gewiesen hatte. »Guenon?«, sagte ein anderer AUC Professor. »Lesen Sie dies.« U nd er gab mir ein Buch von Frithjof Schuon. Diesmal ein Schweizer, eben­ falls ein Scheich, hieß es. Ein ganz anderer Schriftsteller, der m ir von einem ganz andersartigen M ann empfohlen wurde, von Alan G ould. Gould war ein ehemaliger Beat-Dichter und strahlte eher Energie als Humor aus. Er jettete ständig zwischen Ägypten und Saudi-Arabien hin und her, und nach all den Jahrzehnten, die er im N ahen O sten verbracht hatte, sprach er das grässlichste Arabisch, das mir je zu O hren gekom­ men ist. So hatte es eigentlich begonnen: m it zwei zum Islam konvertierten Universitätslehrkräften an der AUC und m it zwei Autoren, beides Eu­ ropäer und angebliche Sufi-Scheichs, in deren Schriften paradoxerweise

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nicht viel über den Islam zu lesen war. Aus mir uneinsichtigen Gründen war das Verhältnis zwischen dem Guenon lesenden und dem Schuon lesenden Konvertiten weniger herzlich, als ich erwartet hätte. Als jeden­ falls in Mailand diese beiden Namen wieder fielen - Schuon war der Schweizer Scheich, zu dem Pallavicini nach seiner Guenon-Lektüre ge­ schickt worden war -, war mein Interesse erneut geweckt. Guenon und Schuon waren offensichtlich für einen Aspekt der Be­ gegnung des Westens mit dem Islam wichtig: nicht in Hinblick auf den »Kampf der Zivilisationen«, sondern eher auf das Gegenteil: die Abwan­ derung und Abwendung vom Westen. Guenons Bücher waren in Italien der Hauptgrund für den Übertritt zum Islam, teilte mir der Inhaber ei­ ner der größten islamischen Zentren in Mailand bei einem Interview mit. Ali Schutz betrieb ein Restaurant, das nahöstliche Küche anbot und das gleichzeitig als Ausstellungsraum und gelegendich als Vortragshalle diente. Es war an einen geschäftigen Laden angeschlossen, in dem Ge­ betsteppiche, Kopfbedeckungen für muslimische Frauen, Ständer für Räucherstäbchen, gerahmte Bilder der Ka’ba in Mekka, der Qur’an und andere Bücher verkauft wurden. Dort befand sich auch ein Regal mit den Büchern Guenons, sowohl im französischen Original als auch in italienischer Übersetzung. Ali selbst war kein großer Fan von Guenon, »aber die Leute wollen das lesen, und es ist nützlich, die Leute kommen dadurch zum Islam.« Das alles ergab ein einleuchtendes Bild, nur dass Evola da nicht so recht hineinpasste. »Eine Art faschistischer Philosoph«, erklärte mir ein italienischer Wissenschaftler bei meinem Besuch, »der glaubte, dass der Islam eine spirituelle Rasse sei.« Viel mehr konnte ich nicht in Erfah­ rung bringen, der Wissenschafider litt an einer schweren Grippe, hatte mich am Wochenende nur ungern zu sich in seine Wohnung gebeten und wollte offenbar das Interview so schnell wie möglich beenden. Als ich mich zum Gehen erhob, fiel mein Blick auf ein schlecht gedrucktes Pamphlet, das aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag. Darin war ein unscharfes Foto von lächelnden Männern in SS-Uniformen zu erken­ nen. Ich besah es mir genauer und stellte eine Frage dazu. »Ein musli­ misches Kontingent der SS«, antwortete mein widerwilliger Gastgeber. »Ich habe manchmal auch mit Dingen dieser Art zu tun.« Dann stand ich wieder auf der Straße, auf der Suche nach einem Delikatessenge-

*5 schäft, um ein paar Spezialitäten einzukaufen, die ich nach Kairo zu­ rückbringen wollte. Zwei Panettoni zum Preis von einem (zwei W ochen nach Weihnachten) und ein paar Steinpilze. Auftrag erledigt. Ich hatte ein weiteres Kapitel für mein Buch über die Ausbreitung des Idrisi-Sufiordens und darüber hinaus ein paar essbare Trophäen von m einer Reise. Meine Vorstellung von Guenon und Schuon als islamischen Autoren hielt sich noch eine ganze Weile. Auf dem Rückflug las ich eine Kurz­ biographie Guenons, die mir einer der Anhänger Pallavicinis gegeben hatte. Das Buch erwähnte in aller Kürze die Jugendtorheiten G uenons, seine Mitgliedschaft in diversen okkulten Vereinigungen in Paris und seine Bekehrung zum Islam im Jahre 1910, im Alter von 24 Jahren. D er »Guenonianismus«, wie ich die Bewegung zu bezeichnen anfing, schien sich um den Islam in der westlichen Welt zu drehen. Auch Schuon hatte Guenons Werke gelesen und war dessen Anhänger geworden. D aneben gab es noch Martin Lings, der zuerst Anhänger Guenons und danach Schuons war. Ich hatte M artin Lings einmal getroffen, als er nach Kairo kam, um einen Preis fiir seine Biographie des Propheten M uham m ad aus der Hand des ägyptischen Präsidenten Hosni M ubarak in Em pfang zu nehmen. Es ist für einen Engländer eine ziemliche Leistung, eine Bio­ graphie des Propheten des Islam in englischer Sprache zu verfassen, die dann ins Arabische übersetzt wurde und ihm auch noch einen Preis einbrachte. Lings hatte mich zusammen m it zwei anderen au f sein Z im ­ mer im Hotel Meridien eingeladen. Er handhabte Teekanne u n d M ilch­ kännchen auf typisch englische Art, sprach im schneidigen Tonfall sei­ ner Generation. Er redete über traditionelle und moderne Architektur. Draußen floss der Nil vorbei, Lings trug eine galabiyya, und seine Gäste hatten auf einem Hotelbett Platz genommen, aber davon abgesehen hät­ ten wir uns genauso gut in Surrey befinden können. Außer Lings gebe es noch Seyyed Hossein Nasr, erfuhr ich, ein weite­ rer bekannter Name, der Autor des von der AUC Press herausgegebenen Buches Ideals and Realities o f Islam (Ideal und W irklichkeit des Islam, Diederichs Gelbe Reihe, Bd. 97). Diesen m it vielen Randbem erkungen versehenen Band hatte ich von Rana bekommen, einer anderen Profes­ sorin an der AUC. Rana war eine schöne und tragische Frau, die von allen möglichen Problemen gequält war. War sie in erster Linie Feminis­ tin oder eine arabische Patriotin und Gegnerin des wesdichen K ultur-

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Imperialismus? War sie eine Tochter des Nils oder eine ehemalige Stu­ dentin am Emmanuel College in Cambridge? War sie als Frau unter­ drückt und Mitglied eines auf ewig unterworfenen Menschenschlags, oder war sie die vermögende Dienstherrin mehrerer Bediensteter in ihrer prächtigen Villa? War sie eine Muslimin oder eine Freidenkerin? Aka­ demikerin oder Romanschriftstellerin? Verheiratet oder ledig? Ich weiß nicht, welche Rolle das Buch Nasrs bei ihren inneren Kämpfen spielte. Nach Jahren begegnete ich ihr einmal auf der Straße, und wir tranken miteinander einen ungemütlichen Kaffee, wobei wir uns erfolglos be­ mühten, ein Jahrzehnt des Schweigens zu überbrücken, um die alte Nähe wiederzufinden, die uns damals verband. Sie war inzwischen ge­ schieden, schrieb Romane auf Arabisch, nicht auf Englisch, und hatte in diesem Jahr eine hochdotierte Goldmedaille verliehen bekommen. Nachdem Scheich Pallavicini mir verraten hatte, dass Schuon der Leiter eines Sufiordens war, fiel es mir nicht mehr schwer, diesen Orden ausfindig zu machen. Die längste Zeit war dieser Orden ein Geheimnis gewesen, aber es ist schwer, ein Geheimnis über eine Zeitspanne von siebzig Jahren zu wahren, wenn Hunderte von Menschen daran beteiligt sind. Die Geheimhaltung richtete sich mehr gegen die »Profanen«, die gotdosen modernen Wesder. Da ich aber in Kairo lebte und mit dem Islam und dem Sufismus vertraut war, kam ich sozusagen durch eine unbewachte Hintertür. Fragmente, die ich hier und da aufgeschnappt hatte, ergaben nun langsam einen Sinn. Gerüchte, die ein gutes Dut­ zend bekannter Persönlichkeiten umschwirrten, Leute, die aussahen wie Sufis, die sich aber zu keinem der alteingesessenen Orden bekannten, ließen sich jetzt einordnen. Ich begriff, warum ein genialer junger hol­ ländischer Akademiker, der einem ägyptischen Sufiorden in Alexandria beigetreten war, diesen Orden mit unbestimmtem Ziel wieder verließ. Ich verstand nun, was eine Anzahl von direkten und indirekten Bekann­ ten miteinander verband, die mehr als nur gut befreundet zu sein schie­ nen. Es war eine geheime westliche Sufi-Vereinigung, die über ein Drei­ vierteljahrhundert nicht einmal ihren Namen bekannt gegeben hatte: die Maryamiyya. Langsam begriff ich, was Guenon, Schuon und eine ständig wach­ sende Zahl westlicher Autoren über den Islam miteinander verband, die zumeist offen oder heimlich zum Islam übergetreten waren. Bibliotheks-

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kataloge brachten Bücher, Verlage und Zeitschriften zum Vorschein. Ein interessanter akademischer Artikel hatte schon fast endgültige Gestalt angenommen, als mich jemand auf Andrew Rawlinson aufmerksam machte, einen pensionierten englischen Akademiker, der in Frankreich lebte, und auf sein demnächst erscheinendes Buch Book o f Enlightened Masters: Western Teachers in Eastern Traditions. Rawlinson schickte mir die relevanten Abschnitte seines Buchent­ wurfs, in denen sich ein ganz anderes Bild von Schuon abzeichnete. Raw­ linson hielt Schuon nicht für einen frommen Sufi, sondern für einen Scharlatan, der womöglich sich selbst, ganz gewiss aber andere betrog. Er schien von der Annahme auszugehen, dass jeder Westler, der zum Is­ lam übertrat, auf irgendeine Weise verrückt sein müsse, aber das war, wie ich bereits wusste, unrichtig. In aller Höflichkeit stellte ich Rawlinsons Ansicht über Schuon in Frage. Eines Morgens lag ein dicker Umschlag in meinem Briefkasten. Er kam von Rawlinson und enthielt Kopien ei­ niger Photographien. Ich saß an meinem Schreibtisch und vergrub die Photos abwechselnd unter anderen Papieren, nur um sie m ir dann er­ neut vorzunehmen, gleichermaßen fasziniert wie entsetzt. D a war ein als Indianerhäuptling verkleideter Schuon zu sehen, um ringt von jungen Frauen in Bikinis. Auf einem anderen erschien Schuon vollkom m en nackt bis auf etwas, das wie ein W ikingerhelm aussah. U nd da war auch ein Gemälde Schuons, das die Jungfrau Maria darstellte, ebenfalls nackt und mit deutlich abgebildeten Genitalien. Mein geplanter Artikel be­ durfte offenbar einer gründlichen Revision, wie auch viele der Schlüsse, die ich inzwischen gezogen hatte, offenbar überholungsbedürftig waren. Das erste Rätsel, vor dem ich stand, war dies: Einige der bedeutends­ ten westlichen Autoren, die über den Islam schrieben, waren Anhänger eines Mannes, der m it einem Federkopfschmuck bekleidet oder gänz­ lich unbekleidet auftrat und der sehr ungewöhnliche Bilder malte. Z u­ mindest musste ich die Berichte über andere »Unregelmäßigkeiten« innerhalb des Maryamiyya-Sufiordens ernster nehm en als bisher, U nre­ gelmäßigkeiten wenigstens aus islamischer Sicht. Ich suchte den Schuon lesenden Gould in seinem Büro an der AUC auf. Er kam auf die Photos zu sprechen, bevor ich sie überhaupt erwähnt hatte, in der richtigen A n­ nahme, dass ich sie inzwischen gesehen haben müsste. Sie seien gestoh­ len, Teil einer schmutzigen Affäre, über die er sich nicht weiter verbrei-

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ten wolle. Jedes Interesse an ihnen sei nur als Lüsternheit zu werten. Sie seien irrelevant. Es sei mein Problem, wenn ich mich damit beschäftigen wolle. Was die angeblichen »Unregelmäßigkeiten« beträfe, so seien sie gar nicht unregelmäßig: es sei nur mein Verständnis des Regelmäßigen, das mangelhaft sei. Ich stand hier vor einer ethischen Problematik, der ich mich nicht gewachsen sah. Es bedeutete das Ende der Freundschaft mit einem Mann, den ich gern mochte, selbst wenn ich ihn nie wirklich verstanden hatte, ein Mensch, dessen gütiges Wesen ebenso offensicht­ lich und einnehmend war wie seine Verschrobenheit. Wahrend eines Amerikaaufenthalts reiste ich nach Washington, D.C., um Seyyed Hossein Nasr zu treffen, den Verfasser von Ranas mit Randbemerkungen überfülltem Exemplar des Buches Ideals and Reali­ ties of Islam. Außer diesem Titel hatte er noch viele weitere Bücher ge­ schrieben. »Er ist Universitätsprokssor für Islamwissenschaften«, hatte mir ein Doktorand, den ich aus Kairo kannte, erklärt, bevor ich mich auf den Weg von Princeton nach Washington machte. »Ich bin mir nicht ganz sicher, was das ist, aber es ist viel bedeutender als nur Professor, vergessen Sie das nicht.« Was auch immer es damit auf sich hatte, es be­ rechtigte Nasr zu einer Büroetage anstelle eines bloßen Büroraums und zu einer eigenen Sekretärin. Wenn auch nicht von Nasr selbst, wurde mir außerdem sehr deutlich zu verstehen gegeben, wie glücklich ich mich zu schätzen habe, dass mir der große Mann eine Audienz gewährte. Ich brachte es nicht fertig, die Fotos zu erwähnen. In Bezug auf »Unre­ gelmäßigkeiten« lag Nasr auf derselben Linie wie Gould. Bei richtigem Verständnis, erklärte er mir, gäbe es gar nichts Unregelmäßiges. Stand es mir etwa zu, einem Universitätsprofessoi der Islamwissenschaften zu wi­ dersprechen? Ich versuchte es nicht einmal. Und doch war ich nicht wirklich überzeugt. Zwei Jahre später reiste ich zur kalten Winterzeit in den Iran, um dort die Überreste der prächtigen traditionalistischen Akademie zu be­ sichtigen, die Nasr einmal dort geleitet hatte. Ich erkannte, dass ich tat­ sächlich von Glück reden konnte, diesen bedeutenden Mann kennenge­ lernt zu haben. Was auch immer ein Universitätspiofessoi sein mochte, Nasr war im Iran von weit größerer Bedeutung gewesen, als er später in Amerika war, und auch nach der Revolution blieb seine Bedeutung im Iran erhalten. Rana, entdeckte ich, war nur eine von unzähligen Musli-

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men, die, in ihrer Unsicherheit, wie sie die eigene M odernität m it ihrer angestammten Religion und Kultur vereinbaren sollten, ihre H offnung auf Nasr setzten, um mit seiner Hilfe eine Antwort zu finden. Mein zweites Rätsel war der Zusammenhang m it Evola. Langsam begriff ich die Grundlage der von Guenon entwickelten Philosophie. Nasr hatte mich davon überzeugt, dass diese nicht als »Guenonianismus« bezeichnet werden sollte, sondern als Traditionalismus. Evola und Schuon hatten offensichtlich die Philosophie Guenons ein ganzes Stück weiterentwickelt. Aber Evola passte einfach nicht ins Bild, weder in die Vorstellung von Sufi-Frömmigkeit noch in das alternative Bild eines ein­ flussreichen Kults. Wie sich herausstellte, gab es bereits umfangreiche wissenschaftliche Literatur zu Evola, doch nirgends tauchte darin Re­ ligion oder der Name Guenon auf. Evola wurde stets als der Spiritus Rector des Terrorismus der extremen Rechten im Italien der 1970er Jahre bezeichnet, die sogenannten bleiernen Jahre, als M aschinengewehrku­ geln weit häufiger flogen, als einer westlichen Demokratie zuträglich ist. Offensichdich fehlte hier etwas. Evola war einer religiösen Bewegung entsprungen. Es musste irgendein religiöser Aspekt an ihm sein. Friedrich Müller bot mir die Gelegenheit zu entdecken, wie Evolas religiöse Seite ausgesehen haben könnte. Müller war Professor für Reli­ gionswissenschaft an einer europäischen Universität. Als ich auf einer Konferenz einen Vortrag über den »traditionalistischen Sufismus« hielt, kam er auf mich zu. Er habe Interesse an Guenon und daher auch an meiner Arbeit über ihn, erklärte er mir. W ir sprachen miteinander, und Müller erbot sich, mir ein Interview m it einem muslimischen A nhänger Evolas zu verschaffen, »wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass ihr N am e irgendwo in einer Polizeiakte auftaucht«, fügte er hinzu. Als langjähriger Inhaber eines Wohnsitzes in Ägypten und einer ägyptischen Polizeiakte von mindestens einem Fußbreit Dicke machte m ir die Vorstellung eines schlanken und vermutlich eleganten Ordners unter den Akten der italie­ nischen Polizei keine allzu großen Sorgen. Ich traf m ich m it M üller in Deutschland, und wir bestiegen gemeinsam den Zug in R ichtung der norditalienischen Stadt Parma. Auch wenn ich m ir keine Sorgen über meine Polizeiakte machte, Müller tat es offenbar. Jedes M al, w enn w ir umstiegen, ließ er mich m it Entschuldigungen auf dem Bahnsteig ste­ hen und verschwand in einer öffendichen Telefonzelle. N ach einer Reihe

30 von Telefonaten kündigte er mir an, dass jetzt fiir das Treffen alles ge­ klärt sei. Claudio Muttis Büro befand sich in einem unscheinbaren grauen Wohnblock am Rande von Parma, in einem Arbeiterviertel von lautlo­ sen Straßen, mit zerbeulten, unter Bäumen geparkten Autos und schla­ fenden Katzen. Muttis Büro bestand aus einem Zimmer in der kleinen Wohnung seiner Mutter, das sich nicht gänzlich von den appetitlichen Gerüchen der italienischen Küche isolieren ließ. In ihm befand sich ein kleiner Schreibtisch, der mit seinem Stempelständer dem eines geschäf­ tigen Bürokraten ähnelte. An den Wanden hing islamischer Kitsch —auf metallischem Papier gedruckte und mit Glitzerwerk verzierte Q uran-Zitate, Fotografien von Wallfahrtsstätten in Mekka und Medina in billiger Plastikumrahmung. Hinter einem Aktenschrank stach ganz unerwartet ein Stab aus dem islamischen Dekor hervor, an dem eine Fahne hing: ein schwarzes, weiß umrandetes Kreuz auf rotem Feld, ein eisernes Kreuz im linken oberen Viertel und ein Hakenkreuz in der Mitte. Später identifi­ zierte ich dies als die deutsche Reichskriegsflagge in der nationalsozialis­ tischen Version. Mutti saß nicht hinter seinem Schreibtisch, sondern auf einem höl­ zernen Küchenstuhl. Nachdem er eine Weile in sehr gutem Französisch freundlich mit Müller geplaudert hatte, wandte er sich mir zu und be­ antwortete bereitwillig meine Fragen. Jeder ernsthafte Leser der Werke Evolas, sagte er, würde auch Guenon kennen, wenngleich nicht alle Guenon-Leser Evola kennen würden. Wir sprachen über Evolas mögli­ che spirituelle Anbindung, und Mutti gab mir die Kopie eines Artikels seiner Selbstdarstellung: »Warum ich mich für den Islam entschieden habe«. Von dort aus kamen wir auf Evolas Einfluss in anderen Ländern zu sprechen. Mir wurde erklärt, Mutti habe an einer italienischen Uni­ versität Rumänisch und Ungarisch unterrichtet, bis er wegen seiner po­ litischen Umtriebe endassen wurde. Er war mit Rumänen und Ungarn in Kontakt geblieben, die an Evola Interesse hatten. Ob ich mich an die Fernsehbilder von Ceau§escus Prozess erinnern könne?, fragte Mutti. Der weißbärtige Richter im Hintergrund, im Militäranzug? Er war ein gro­ ßer Fan Guenons, sagte Mutti. Vielleicht hätte ich gern ein Exemplar von Muttis Buch über Evola an der Ostfront? Man holte es hervor, es wurde signiert und dankend in Empfang genommen.

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Erst sehr viel später ging mir auf, worüber ich M utti eigentlich hätte befragen sollen: nicht über den islamischen Kitsch, sondern über die Reichskriegsflagge. Bevor ich Italien verließ, besuchte ich noch eine große Buchhandlung und fragte nach Büchern über die »schwarzen« Terroristen, die Rechtsextremisten. Der Buchhändler sah überrascht aus. Es gäbe viele Bücher über die »rote« Gewalt, sagte er in beinahe hoff­ nungsvollem Ton, wenn ich darüber etwas lesen wolle? O b es denn wirk­ lich die »schwarze« Gewalt sei, die mich interessiere? N un ja, es könnte da etwas geben. Er suchte mir Franco Ferraresis dicken Band über Ge­ fahren fü r die Demokratie hervor. In Italien ist die akademische W elt stark politisiert, und Ferraresi gehörte offenbar der Linken an. D och ein­ gestreut unter die Bemühungen, ein korruptes und moralisch bank­ rottes Establishment für den rechtsextremen Terrorismus verantwortlich zu machen, enthält sein Buch umfassende Ausführungen über die ext­ reme Rechte in den 1960er und 1970er Jahren. Als ich endlich in Kairo dazu kam, das Buch zu lesen, fand ich unter den vielen von Evola inspi­ rierten Gruppen eine, die in ihrem Nihilismus wirklich erschreckend war, nämlich die Gruppe, die einmal von Franco Freda angeführt wurde. Zu Fredas Anhängern hatte ehedem auch M utti gehört, mein gefälliger Gastgeber in Parma. Wen mochte Professor Müller wohl angerufen ha­ ben, um das Treffen mit ihm zu vereinbaren? Was waren denn diese Traditionalisten sonst noch? Fromme Sufis oder ein religiöser oder politischer Kult? Bald wurde meine anfängliche Auffassung vom Traditionalismus als einem islamischen oder einem westlich-islamischen Phänomen angezweifelt. Bei einer Konferenz in Amsterdam über neue religiöse Strömungen, wo ich einen Vortrag über den »traditionalistischen Sufismus« hielt, begannen die Probleme. Eben­ da hatte mich Müller angesprochen und aufgefordert, ihn nach Parm a zu begleiten. Dort war ich auch nach Moskau eingeladen worden. U nd dort erregte ich auch zum ersten Mal die Aufmerksamkeit der Fran­ zosen. Ich war im Internet auf die Amsterdamer Konferenz gestoßen, auf der Suche nach Information zu Madame Blavatsky und der Theosophischen Gesellschaft. Sufi-Scheichs sind stolz auf ihre spirituelle Genealo­ gie, so wie einstmals habsburgische Großherzöge auf ihren Stam m baum . Darum konnte ich in meinen Nachforschungen über den Sufismus Gue-

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nons törichte Jugend nicht einfach auslassen. Als Schlüsselfigur tauchte zunächst ein Mann auf, der stets (und immer in Anführungszeichen) als »Papus« bezeichnet wurde und dessen Bücher über Tarot, Astrologie und Reinkarnation immer noch im Buchhandel erhältlich sind. Meine Lek­ türe zu »Papus« führte mich zu den Theosophen und zu meinen ei­ genen Jugenderinnerungen. Als ich fünfzehn Jahre alt war, hatte ich mich durch das Gesamtwerk Paul Gallicos hindurchgelesen, der damals durch sein Buch Snow Goose (Die Schneegans) zu Ruhm gelangt war, ein Buch, das nun schon seit Jahren vergriffen ist. In der Nähe meiner Schule gab es eine verstaubte Buchhandlung, die mehr Hefte und Stifte als Bücher verkaufte. In den Regalen standen unverkaufte Erstausgaben der Romane Gallicos, zum originalen Preis der 1960er, Ende der 1970er ein unwiderstehliches Angebot. The Hand o f Mary Constable (1964, Die Hand von drüben) hatte mir sehr zugesagt: »Alexander Hero [...] wird nach New York geschickt, wo ein Wissenschaftler davon überzeugt ist, mit Hilfe eines Mediums mit seiner toten Tochter in Kontakt getreten zu sein. Der Beweis dafür ist der Abguss einer Hand, in welchem die Fingerabdrücke des toten Mädchens zu sehen sind.« Ektoplasma, rote Spione, alles inbegriffen. Am Ende meiner Nachforschungen über den Traditionalismus war auch ich einem Atomwissenschaftler und sogar roten Spionen im Ruhe­ stand begegnet, obgleich keinem Ektoplasma. Ich hatte auch herausge­ funden, dass, obwohl es um Blavatsky herum ebenso viel Betrug und Täuschung gegeben hatte wie in Paul Gallicos Roman, der Theosophie eine tiefe Ernsthaftigkeit zugrunde lag, mit ernsten Konsequenzen für die heutige Zeit, wie auch damals seriöse Motive walteten. Ich folgte den Vorträgen auf der Amsterdamer Konferenz mit wachsender Faszination. Ich wusste, dass im heutigen Nahen Osten die Religion ein wichtiger Faktor ist, dass sich politische und kulturelle Entwicklungen dort kaum ohne Bezug auf den Islam untersuchen lassen, aber ich hatte immer an­ genommen, dass dies zu den Eigenarten der Region gehörte, in der ich lebte und die mein Arbeitsgebiet war. Der Westen war anders, dachte ich: dieser war, bis auf vereinzelte Widerstandsnester in den Vereinigten Staaten, eine post-religiöse Welt, eine säkulare Gesellschaft. Doch wie ich erfuhr, glaubt die Mehrheit aller Schweden und mindestens ein Drit­ tel der Amerikaner, dass die Erde von außerirdischen Wesen besucht

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wird. Laut einer Umfrage glaubt mehr als ein Viertel der Franzosen an Reinkarnation. Professor Wouter Hanegraaff von der Universität Ams­ terdam vertrat die Ansicht, dass, obwohl die westliche Esoterik von der Wissenschaft aus Verlegenheit ob dieses Relikts einer früheren Epoche oft ignoriert werde, die Entstehung der Moderne tatsächlich eng m it der Geschichte der Esoterik verflochten ist. Zu meinem Erstaunen erfuhr ich, dass sogar dem Fachmarkt im modischen Kairoer Viertel Zamalek, wo meine Frau und ich unsere Biogemüse kauften, die Theosophie zu­ grunde lag. In Amsterdam begegnete ich der Akademikergemeinde, die sich m it neuen religiösen Bewegungen im Westen beschäftigte, und dort wurde ich von einer Untergruppe dieser Gemeinde entdeckt. Kurz nach Ende der Konferenz erhielt ich ein E-Mail von dem Herausgeber einer fran­ zösischen Zeitschrift, von der ich noch nie gehört hatte, m it der Bitte, meinen Vortrag über den »traditionalistischen Sufismus« veröffentlichen zu dürfen. Als ich den Text vorlegte, stellte ein Rezensent von der Sor­ bonne meine Ansicht von einem rein islamischen Guenon in Frage. An der Sorbonne, so erfuhr ich, wurde Guenon als Katholik betrachtet, als Teil der Geschichte der französischen Esoterik und als Freimaurer. Sein Islam wurde allenfalls als sekundär gewertet. So führte mich die Amsterdamer Konferenz nach Paris, in die Stadt Guenons. Guenon hatte einmal an der Sorbonne eine D oktorarbeit vor­ gelegt, die abgelehnt wurde. Doch selbst wenn G uenon dies der Sor­ bonne nie verziehen hatte, Ende des 20. Jahrhunderts hatte die Sorbonne Guenon rehabilitiert. In der religionswissenschaftlichen Abteilung am Institut für Höhere Studien bekam ich einen Termin bei M onsieur JeanPierre Laurant, die führende Autorität in Frankreichs akademischen Kreisen zum Thema Guenon und der kritische Rezensent m einer Ver­ öffentlichung über den »traditionalistischen Sufismus«. Ein Portier wies mir den Weg zur Bibliothek, ein kleiner holzgetäfelter Raum m it ver­ glasten Bücherschränken und knarrenden Bohlen, wo ich auf einen grauhaarigen Herrn stieß, der über einem m it kabbalistischen Tabellen und Diagrammen übersäten M anuskript brütete. Das M anuskript w ur­ de zusammengerollt und verstaut, dann ging man hinaus zu einem nahe gelegenen Cafe. Wie ich bald entdeckte, findet ein Großteil des wissen­ schaftlichen Diskurses in Frankreich in Cafes statt. M onsieur Laurants

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Höflichkeit entsprach ganz der altehrwürdigen Holztäfelung der Biblio­ thek. Er erkundigte sich nach dem Verlauf meiner Forschungen, so wie man sich etwa nach der Gesundheit eines gemeinsamen Freundes erkun­ digt. Er machte mir, fast entschuldigend, ein paar Vorschläge, durch die sich mir im Nachhinein jeweils neue, weitreichende Forschungswege auftaten. Ein Zentrum für Guenons Leben in Paris war sein Verlag, der ein­ mal Chacornac Freres hieß und später in Editions traditionnelles umbe­ nannt wurde, zu Ehren der Bewegung, die Chacornacs Bestsellerautor gegründet hatte. Die Adresse stand auf der Titelseite unzähliger Bücher gedruckt: II, quai Saint-Michel, ein kurzer Fußweg von der Sorbonne. Doch als ich den quai Saint-Michel erreichte, war Editions tradition­ nelles nicht mehr da. Es gab nur noch eine esoterische Buchhandlung in dem Viertel, Table d ’Emeraude, in der Rue de la Huchette (die »mit­ telalterliche Rue de la Huchette«, wie es im Fremdenführer hieß), ei­ nen Block von der Seine entfernt. Ansonsten war die Gegend den Tou­ risten und Postkartenverkäufern überlassen und den Restaurants, in denen alle Sprachen außer Französisch gesprochen wurden. Die Buch­ handlung war baufällig und die Angestellten von so offenkundiger Lust­ losigkeit, dass ihnen sogar das Öffnen der Kasse ein unzumutbarer Auf­ wand zu sein schien. Drei Tage später hatte ich einen Treffpunkt für ein Rendezvous mit einem traditionalistischen Sufi-Scheich zu bestimmen, der im Rahmen einer Geschäftsreise von Burgund nach Paris kommen sollte, was irgend­ wie mit einem Pferdehandel zu tun hatte (der betreffende Scheich be­ trieb ein Gestüt). Trotz meiner vorangegangenen Erfahrung dort wählte ich für unser Treffen den Gehsteig vor dem Table d’Emeraude, in der Annahme, mir wenigstens die Wartezeit durch Bücherstöbern lohnend vertreiben zu können, sollte der Scheich sich verspäten. Er erschien tat­ sächlich mit Verspätung, wobei er mir aktuell per Handy die Details des Verkehrsstaus textete, in dem er gerade steckte, aber mein Warten auf ihn erwies sich als denkbar unergiebig, denn seit meinem letzten Besuch hatte die Buchhandlung endgültig geschlossen. »Und ist als griechisches Restaurant neu eröffnet worden?«, fragte Monsieur Laurant, als ich ihn das nächste Mal sah. Monsieur Laurants Hinweisen folgend, legte ich mir länger wer-

35 dende Namenslisten an. Ich ermittelte zunächst in der ultram odernen französischen Nationalbibliothek, ein nagelneues Ungetüm, das über eine eigene Metrostation verfügt und über ein Computersystem von ei­ ner Komplexität, das die Mitarbeiter fast ebenso oft zur Strecke brachte wie die Nutzer der Bibliothek. Auf die Nationalbibliothek folgten wei­ tere Sitzungen in diversen Cafes. »Sie waren es also, der dieses Buch be­ stellt hat«, bemerkte der junge katholische Akademiker, »ich habe mich gefragt, wer das sein könnte.« Der junge Forscher arbeitete anscheinend Teilzeit an der Nationalbibliothek. Es war nie ganz klar, inwieweit einige dieser französischen Forscher die Bewegung des Traditionalismus stu­ dierten und inwieweit sie an ihr beteiligt waren, d. h. inwieweit man m ir half und inwieweit man mich überwachte. Weitere Details über die Interessen und den Einfluss Guenons traten durch die Freimaurer zu Tage, vor allem durch den Archivar der Grande Loge de France, den ich nicht in einem Cafe traf, sondern in einem Büro, das an die Bibliothek der Großloge angrenzte. H ier herrschte keine freimaurerische Heimlichtuerei, hier sah man Bücher- und Papier­ stapel, wie sie im Arbeitszimmer eines jeden aktiven, leicht chaotischen Akademikers anzutreffen sind. Weitere Einzelheiten erfuhr ich von ei­ nem freundlichen, Pfeife rauchenden M önch in einem Dreiteiler, der zum Mittagessen Couscous aus der benachbarten nordafrikanischen Garküche bestellte. Noch mehr Notizen kamen durch Interviews m it einem französischen muslimischen Gelehrten zustande, der m ich in dem Cafe treffen wollte, das dem Institut der Arabischen W elt angeglie­ dert ist, wo wir aus silberfarbenen marokkanischen Teekannen grünen Tee mit Minze tranken, anstelle des sonst üblichen Kaffees aus kleinen Tassen. Als ich das Institut du monde arabe verließ, nahm ich m ir au f dem Weg zur Metro die Zeit, einige arabisch-islamische Buchläden zu be­ sichtigen, um festzustellen, wie sich das Angebot von traditionalistischen zu nicht-traditionalistischen Büchern verhielt. Nachdem ich drei solcher Läden besucht hatte, stellte ich überrascht fest, dass ich vor dem Laden Editions traditionelles stand, der auf wunderbare und unerwartete Weise in freundlicherer Umgebung wiedererstanden war, als es die von griechi­ schen Restaurants und Touristen gefüllten Gassen waren, die sein ur­ sprüngliches Quartier überschwemmt hatten. Ich erstand ein paar Bü-

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eher und befragte den Besitzer, der offensichtlich die Hoffnung hegte, dass ich eine der verbliebenen Gesamtausgaben der Emdes tmditionnelles kaufen wolle, der Zeitschrift Guenons (die ich hiermit von ganzem Her­ zen den Forschungsbibliotheken weltweit empfehlen möchte). Beim Verlassen des Ladens verweilte ich vor einem Stapel vergilbter und zerfledderter Broschüren. »Bitte greifen Sie zu«, sagte der Inhaber, und ich griff zu. Es war Le Voile d ’Isis (Der Schleier der Isis), vom 6. Mai 1891, mit dem Untertitel Das wöchentliche Presseorgan des unabhängigen esote­ rischen Studienzirkels zu Paris, zum Preis von 10 Centimes, »herausgege­ ben von >Papus



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sie sich alle, war da schiefgelaufen? Ein vornehmer älterer Herr lud mich zum Mittagessen in sein Landhaus in den Schweizer Bergen ein, stellte mich seinen Enkelkindern vor, schien aber nur ungern mit mir allein zu sein. Ich stellte schließlich ein oder zwei Fragen in Gegenwart seines Schwiegersohns, der auch einmal ein Anhänger von Schuon gewesen war, und bekam nur abwehrende und ausweichende Antworten. Wir verfielen auf Gemeinplätze, wodurch das Interview einen etwas peinli­ chen Verlauf nahm. Ganz am Ende, als ich aufbrach, um meinen Zug zu erreichen, suchte mich der ältere Herr auf. »Es tut mir so leid«, sagte er, »bitte sehen Sie mir mein Verhalten vorhin nach. Sie müssen verste­ hen ... nach all diesen Jahren ... es ist so ... schmerzhaft.« Ich reiste ab, ohne meinen Notizen etwas hinzufugen zu können, hatte aber großes Mitgefühl mit diesem traurigen Herrn. Als ich ein Jahr später von sei­ nem Tod erfuhr, trauerte ich um ihn. Inzwischen ging mir langsam auf, was hinter dem Traditionalismus lag. Die faschistischen Verbindungen Evolas waren zwar interessant, aber darum ging es letzdich nicht. W. B. Yeats zählte mehr als Mussolini: Yeats war selbst kein Traditionalist, aber auf jeden Fall ein Vorreiter, wie auch William Blake. »Die Welt zerfällt, / Die Mitte hält nicht mehr; / Und losgelassen nackte Anarchie,« hatte Yeats geschrieben. Seine »Mitte« war das temenos Raines, das heilige Zentrum, das Göttliche und das Geistige, der wesentliche Aspekt des menschlichen Lebens, der im Wes­ ten geschwunden zu sein schien. In Ermangelung dessen fällt alles aus­ einander, und es drohte Anarchie —nicht nur politische Anarchie, son­ dern eine viel ernstere, tiefer wirkende Anarchie. Der Traditionalismus war der berauschende Versuch, eine göttliche Ordnung wiedereinzuset­ zen, er war die Reaktion sensibler und intelligenter Menschen auf eine fremdartige Welt, auf einen Westen, in dem sie ebenso Dissidenten wa­ ren, wie es Dugin in der späten Sowjetunion war. Am Ende erwies sich das Rätsel Schuon als das schwierigste aller Rätsel. Teil des Problems war es herauszufinden, wann die »Unregelmä­ ßigkeiten« zuerst in Erscheinung getreten waren. In den neunziger Jah­ ren waren sie deutlich vorhanden, aber hatten sie in den siebziger oder achtziger Jahren begonnen? Eine wohlinformierte nicht-traditionalistische Quelle behauptete, es habe diese Gerüchte sogar schon in den sech­ ziger Jahren gegeben. Dann setzte sich ein anderer älterer Herr mit mir

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in Verbindung, dessen ich mich stets voller Hochachtung und Zunei­ gung entsinnen werde. Er lud mich zu einem M ittagsmahl an einem Seeufer ein, führte mich spazieren und lieh mir ein Buch, ein Taschen­ buch mit einem schlichten cremefarbenen Deckel, auf dem lediglich der Titel und der Name des Verfassers zu lesen waren: Erinnerungen und Betrachtungen von Frithjof Schuon. Dies war ein Privatdruck aus dem Jahr 1974 auf Subskriptionsbasis und in limitierter Auflage. Das W erk stellte Schuons eigene Autobiographie dar. Von einer fast erstaunlichen Offenheit beantwortete sie fast all meine restlichen Fragen. Die »Unre­ gelmäßigkeiten« hatten in den vierziger Jahren begonnen oder vielleicht sogar schon am Anfang der dreißiger Jahre oder womöglich schon in Schuons Kindheit. Jetzt war diese tragische Geschichte endlich aufge­ klärt. Schuons Memoiren erhellten vieles seiner Persönlichkeit. M eine Kontakte zu vielen anderen Traditionalisten, die entweder Schuons An­ hänger oder unabhängig waren, verhalfen mir zu weiteren Erklärungen, vermittelt durch persönliche Gespräche oder durch ihre Schriften. Eine allgemeine Darstellung des Traditionalismus stand allerdings noch aus: eine Erklärung dafür, wie er sich in der Weise verbreiten konnte, warum er für so viele Menschen von so großer Bedeutung war und wie er eine solche Anziehungskraft auf einige der wichtigsten Köpfe des m odernen Geisteslebens ausüben konnte. Als Historiker bin ich davon überzeugt, dass eine sorgfältig erzählte Geschichte an sich schon ein Weg zum Ver­ ständnis ist. Diese Überzeugung liegt dem vorliegenden Buch zugrunde. In Kapitel 15 findet sich zusätzlich eine eher theoretisch fundierte Ana­ lyse zum Thema. Dabei werden Fragen erörtert wie die Beziehung zwi­ schen dem Traditionalismus und dem Orientalismus, die historischen Strömungen und Gegenströmungen, die Globalisierung, die kulturelle Verdrängung und die Taktik des entrisme. Das Verfassen dieses Buches hat mir geholfen, all diese Fragen besser zu verstehen, aber das war eigendich nicht das, worauf es ankam. Das vorliegende Buch ist jedoch keiner abstrakten Thematik gewidmet, sondern den Hoffnungen, Sehn­ süchten, Energiequellen und - zuweilen - auch den Irrtüm ern der M en­ schen, aus denen sich die Geschichte des Traditionalismus zusammen­ setzt.

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ArcheStudiengruppe< bilden wollen, so sehen wir darin keine Gefahr, nicht ein­ mal eine Schwierigkeit«. Dieser Ankündigung stellt Guenon jedoch Fol­ gendes voran: »Wir wollen jedoch keinesfalls den Weg verstellen, weder aus diesem Grund noch aus irgendeinem anderen, noch wollen wir ir­ gendeine Initiative entmutigen, so gering die Wahrscheinlichkeit eines lohnenden Ergebnisses auch sein mag und so unvermeidlich vergeblich der Aufwand am Ende auch sein wird. Wir wollen lediglich vor falschen Ansichten und vor allzu voreiligen Schlüssen warnen.«28 Wenn auch stets von Traditionalisten gelobt, eignet sich der Stil Guenons kaum dazu, die »Allgemeinheit« anzusprechen. Sie ist das Ge­ genstück zur Elite Guenons und wird von ihm eindeutig verworfen. Guenon machte keinerlei Anstalten, mit Leuten Kontakt aufzunehmen, die ihn seiner Meinung nach weder verstehen noch schätzen konnten, obwohl, wie wir noch sehen werden, einige Traditionalisten sich später mit Erfolg an das allgemeine Publikum wenden sollten. Guenon veröffendichte in den 1920er Jahren noch sechs weitere Bü­ cher, deren wichtigste Vhomme et son devenirselon le Vedanta (1925) und La crise du monde moderne (1927) sind.29 Das erste ist eine Bearbeitung der Introduction generale und das zweite eine Weiterfiihrung des ersten Teils des Buches Orient et occident, wobei vom Wesen und der Rolle der Elite nur kurz in einem Nachtrag die Rede sein sollte. La crise du monde moderne ist Guenons Meisterwerk. Es ist eines seiner am häufigsten übersetzten Bücher und mit zahlreichen Auflagen allgemein im Buchhandel erhältlich geblieben. Heute ist es ein fester Bestandteil der angesehenen und beliebten Folio-Serie bei Gallimard (dem französischen Äquivalent der Penguin Modern Classics). Es ist wahrscheinlich der beste Ausgangspunkt für jeden Leser, der sich für die Originaltexte des Traditionalismus interessiert.

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Zu den Verbesserungen von La crise du monde moderne zählt eine verständlichere Terminologie: Statt der »reinen Geistigkeit« in O rient et Occident ist hier von »heiliger Wissenschaft« die Rede, und für »profan« steht »gewöhnlich«. Auch der Stil ist viel leserfreundlicher. Die stark ver­ kürzte Abhandlung über die »intellektuelle Elite« wird folgendermaßen eingeleitet: »Wenn alle Menschen verstünden, was die moderne W elt in Wirklichkeit ist, würde sie auf der Stelle aufhören zu existieren, da ihre Existenz, wie die aller Beschränktheiten, rein negativ ist. Sie existiert nur durch die Negation traditioneller und übermenschlicher Wahrheit.«30 Die stilistische Verbesserung und die Klarheit und Kraft von La crise du monde moderne könnten seinen besonderen Entstehungsbedingun­ gen zuzuschreiben sein, das Werk wurde nämlich in Eile verfasst. Viele Autoren stellen fest, dass ihnen das, was sie zu einem bereits vertrauten Thema fast ohne zu denken niederschreiben, besser gelingt als das, was mit großer Sorgfalt und umfangreicher Überarbeitung geschrieben ist, und bei Guenon scheint dies eindeutig der Fall gewesen zu sein. Das Buch entstand auf Anregung von Gonzague Truc, ein befreundeter Ver­ leger, der Guenon aufforderte, ihre vielen Gespräche in einem Buch zu­ sammenzufassen. Dies tat Guenon und verfasste etwas, was Truc als »ein inspiriertes Werk« bezeichnete.31 Verglichen mit früheren Texten ist La crise du monde moderne eine Verbesserung sowohl in Stil als auch Gliederung. D arüber hinaus ist es eine Weiterentwicklung des traditionalistischen Konzepts der »Inver­ sion«. Nach einem Kapitel über das soziale Chaos kom m t G uenon au f den Individualismus zu sprechen, den er als Aberglauben und Illusion der Moderne bezeichnet. Guenon erklärt, wie der moderne »Individua­ lismus« tatsächlich die echte »Individualität« zerstört. Individualismus und soziales Chaos waren im Jahre 1927 aktuelle Them en und sind es auch heute noch. Noch wichtiger aber ist, dass La crise du monde mo­ derne mit der Darstellung des hinduistischen Konzepts der zyklischen Zeit beginnt. Nach hinduistischer Lehre ist das Kali-Yuga das vierte und letzte Zeitalter. Als »Zeitalter des Streites« währt es 6000 Jahre und ist von Niedergang und Verderben bestimmt. Von Guenon wird es daher als »Zeitalter der Finsternis« bezeichnet. Laut Guenon und den meisten hinduistischen Autoren befinden wir uns gegenwärtig im Kali-Yuga . D ie Theorie der zyklischen Zeit und des Kali-Yuga vervollständigt einen

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Aspekt der traditionalistischen Philosophie, indem sie die Zustände er­ klärt, die Guenon an anderer Stelle untersucht. Die Inversion ist ein Merkmal des Kali Yuga.

Guenon und die Katholiken Obwohl die traditionalistische Philosophie nicht katholisch ist, waren es doch Katholiken, die den Traditionalismus förderten und ans Licht der Öffendichkeit brachten. Maritains Empfehlung der Introduction gene­ rale sowie die von Peillaube beauftragten Artikel für die Revue de Philo­ sophie verhalfen Guenon zu einer größeren Öffentlichkeit. Dabei lagen ihre Ursprünge, wie wir noch sehen werden, eigentlich im okkultisti­ schen Milieu der Belle Epoque. Guenons Kontakte zu den Katholiken gehen auf das Jahr 1909 zu­ rück Seine Artikel erschienen zunächst in der Zeitschrift La France ehretienne (Das chrisdiche Frankreich), von der noch die Rede sein wird, da sie mit Vorliebe die Freimaurer und die Okkultisten angriff. Ob­ wohl sich die Zeitschrift erheblich von Peillaubes Revue de Philosophie unterschied, schrieb Guenon für beide Blätter über ähnliche Themen: über das, was er als Gegeninitiation ansah und was die Katholiken für Kirchenfeinde hielten. 1915 intensivierten sich die Kontakte zwischen Guenon und den Katholiken, als er Vorträge im Institut Catholique zu hören begann.32 Jene private Hochschule war 1875 gegründet worden. Nachdem 1905 die Trennung von Kirche und Staat verabschiedet wor­ den war und katholische Theologie nicht mehr an staadichen Hoch­ schulen gelehrt werden konnte, wanderten die meisten Mitglieder der ehemaligen Theologischen Fakultät der staatlichen Sorbonne an das Ka­ tholische Institut ab. Peillaube wurde der Leiter des philosophischen Se­ minars und Maritain Professor für Philosophie. Guenon scheint als antilaizistischer und antimaterialistischer Mit­ streiter gut in das Milieu des Katholischen Instituts hineingepasst zu haben. Nach 1916 hielt er dort hin und wieder Vorträge, vornehmlich über den Hinduismus. Man nahm allgemein an, er beschäftige sich mit dem, was man heute vergleichende Religionswissenschaft bezeichnen würde. In seinen Vorträgen bediente er sich Terminologien und Begrif-

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fen nichtchristlichen Ursprungs, um m it ihnen jedoch spirituelle Kon­ zepte des Christentums zu beschreiben, so wie andere zum gleichen Zweck Begriffe und Ideen aus der vorchristlichen griechischen Philoso­ phie verwandten. Gewiss, einige seiner Ansichten müssten noch etwas besser an die Kirchenlehre angepasst werden.33 Sollten sie sich in dieser Auffassung geirrt haben, so hat Guenon sie niemals berichtigt. Später hatten manche das Gefühl, belogen oder gar betrogen worden zu sein, aber es lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob sie wirklich getäuscht wurden, indem sie damals Guenon fiir einen mehr oder weniger kon­ ventionellen Katholiken hielten. W ir wissen wenig über seine religiöse Praxis in den 1920cm, abgesehen davon, dass er seine Frau, eine fromme Katholikin, wahrscheinlich zur sonntäglichen Messe begleitete. Guenons katholische Freunde scheinen ihn nicht nur bei der Veröf­ fentlichung seiner Werke unterstützt, sondern ihm auch in seiner Karri­ ere geholfen zu haben. Wie wir noch sehen werden, wurde Guenons formale Ausbildung 1906 unterbrochen, doch im Jahre 1914 nahm er sie wieder auf und erhielt 1915, mit fast dreißig Jahren, eine licence der Phi­ losophie von der Sorbonne, was in etwa einem Bachelor o f A n s (BA) entspricht. Er trat daraufhin seine erste Stelle als Aushilfslehrer in der Nähe von Paris an. Als der Lehrer, den er vertrat, zurückkehrte, erhielt er seine zweite Anstellung als Philosophielehrer am Lycee in Setif in Alge­ rien, wo er im Schuljahr 1917/18 unterrichtete.34 1919 nahm Guenon an der agregation (Lehramtsprüfung) an der Sor­ bonne teil. Die agregation ist eine umfassende Prüfung, die für das Unterrichten der meisten Fächer an französischen Lyzeen und Univer­ sitäten erforderlich war und die zu jener Zeit aus zwei Teilen bestand. Guenon bestand die schriftliche Prüfung, die mündliche dagegen nicht. Neu eingefiihrte Regelungen verhinderten, dass er die Prüfung ein zwei­ tes Mal absolvieren konnte, weil er die Altersgrenze überschritten hat­ te. Guenon zog daraufhin eine Doktorarbeit in Erwägung. Nachdem aber seine Doktorarbeit von Levi abgelehnt worden war, musste G uenon alle Hoffnung auf eine reguläre akademische Karriere aufgeben.35 Als seriöse Plattform blieb ihm nun nur noch das Katholische Institut. Seine Freunde verhalfen ihm 1922 zu einer Anstellung als Lehrer der Philoso­ phie an der Ecole des Francs-Bourgeois, einer katholischen Schule, für welche die agregation nicht erforderlich war.36

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Doch Guenons Verbindung mit dem katholischen Institut konnte nicht von Dauer sein. Selbst die Introduction generale bekümmerte Ma­ ritain, so dass er in eine Buchbesprechung zu einem anderen Autor die Warnung einflocht, dass »Guenons metaphysische Ansichten mit dem [katholischen] Glauben radikal unvereinbar« seien. Abschließend fügte er hinzu: »Die Lösung [der Probleme der Gegenwart], die M. Guenon vorschlägt, bei der es sich, offen gesagt, um eine hinduistische Wieder­ belebung der alten Gnosis handelt, der Ur-Mutter aller Häresien, würde die Sache nur verschlimmern.«37 Es ist paradox, dass Maritain die Veröffendichung eines Buches empfehlen konnte, gegen das er offenbar so starke Bedenken hatte. Dies lässt sich teilweise durch seine damals freundschaftliche persönliche Beziehung zu Guenon erklären und teil­ weise dadurch, dass er als akademischer Philosoph Interesse an Auffas­ sungen zeigen konnte, die er als gläubiger Katholik ablehnen musste. Die Veröffendichung von Orient et Occident vergrößerte nur die Di­ stanz zwischen Guenon und seinen katholischen Befürwortern. Eine Besprechung in der Revue de philosophie fragte, wie Guenon sich »mit einer rein philosophischen Entente mit der orientalischen Welt zufrie­ dengeben und alle Hoffnung, diese Menschen [die Orientalen] eines Tages in die katholischen Einheit eingehen zu sehen, aufgeben könne«.38 Ein Dominikaner ging noch weiter und warnte davor, Guenon als ka­ tholischen Verbündeten anzusehen, nur weil er die »Theosophie so bril­ lant hingerichtet hatte [...] und wegen seines Abscheus vor dem Protes­ tantismus und der säkularen und auf Wissenschaft beruhenden Moral«. Der Dominikaner fasste zusammen: »Auch unsere Naivität hat [...] schließlich Grenzen.« Guenon hielt eindeutig zu dem anderen, dem ori­ entalischen Lager.39 Maritains Reaktion auf Orient et occident ist nicht bekannt, aber die Beziehungen zwischen Guenon und dem katholischen Institut wurden kühler und brachen schließlich ab. Einem weit verbrei­ teten (obwohl unbestätigten) Gerücht zufolge soll Maritain sich später (erfolglos) bemüht haben, Guenons Werke auf den katholischen Index verbotener Bücher setzen zu lassen.40 Aufgrund seiner unorthodoxen Ansichten hatte Guenon bereits 1921 die Lehrstelle an der Ecole des Francs-Bourgeois verloren, sehr zum Be­ dauern vieler seiner Schüler, die den Philosophieunterricht ohne Lehr­ buch sehr genossen hatten (Guenon meinte, es gäbe keine guten Lehr-

Traditionalismus

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bücher). Dieser hatte sich vornehmlich auf die Esoterik des M ittelalters konzentriert. In den folgenden Jahren scheint Guenon sein Einkom m en aus weniger einträglichem, privatem Philosophieunterricht bestritten zu haben.41 1925 fand Guenon jedoch einen neuen katholischen Verbündeten in Louis Charbonneau-Lassay, der in den frühen Jahren des Traditionalismus eine wichtige Rolle spielte. Charbonneau-Lassay war ein ultra­ katholischer Altertumsforscher, der sich dem Studium christlicher Sym­ bolik widmete. Ein gemeinsamer Freund, der m it La France chretienne zu tun hatte, machte ihn mit Guenon bekannt.42 Charbonneau-Lassay schrieb seit 1922 Beiträge für die Zeitschrift Regnabit, revue universelle du Sacre-Coeur, eine Zeitschrift, die im Vorjahr von Pater Felix Anizan unter der Schirmherrschaft des Kardinals Louis-Erneste Dubois, des Erzbischofs von Paris, gegründet worden war. Auf Charbonneau-Lassays Vor­ schlag hin begann Guenon 1925 für Regnabit zu schreiben. In seinen Artikeln über die Gralslegende suchte er die zugrunde liegende Einheit verschiedener traditioneller Formen darzustellen. So verglich er bei­ spielsweise das Heilige Herz mit dem dritten Auge Shivas, was erhebli­ ches Missfallen erregte. Anizan verteidigte Guenon anfänglich m it dem Argument, Regnabit sei als ernstzunehmende Zeitschrift gedacht und kein frommes Werk.43 Guenon war nicht der einzige M itwirkende Anizans, der aus der Reihe tanzte: Er holte sich auch Beiträge von GeorgesGabriel de Noaillat, dem Leiter des Studienzentrums H ieron du Val d’Or. Dieses war 1873 von einem Jesuiten und einem spanisch-russischen Baron gegründet worden, mit einer Reihe von ungewöhnlichen Zielen; zwei von ihnen nahmen den Traditionalismus vorweg: ein perennialistischer Versuch »des Wiederaufbaus einer heiligen Tradition«, und die Be­ gründung einer »chrisdichen Freimaurerei des Großen Okzidents«, um der antichristlichen Freimaurerei des Großen Orients entgegenzutreten. Unter den drei freimaurerischen Obedienzen (Großlogen) Frankreichs war letztere die am stärksten atheistisch geprägte.44 Die Veröffentlichung von La crise du monde moderne im Jahre 1927 beendete die Beziehungen zwischen Guenon und der katholischen Kir­ che. Ironischerweise ist die Passage, die für den größten Aufruhr sorgte, die, in der sich Guenon am deutlichsten für den Katholizismus aus­ spricht. Der Nachtrag, der die zweite Hälfte von O rient et Occident ver-

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kürzt wiedergibt, endet mit einer für Guenon relativ optimistischen Dis­ kussion der potenziellen Rolle der Kirche. In Orient et Occident fehlte diese Diskussion völlig, wobei die einzigen Verweise auf das Christen­ tum aus einer Verurteilung des Protestantismus bestehen. In La crise du monde moderne identifiziert Guenon die katholische Kirche als die In­ stitution, der eine natürliche Führungsposition zukomme, nachdem er festgestellt hat, dass es bereits Anzeichen für eine Wiederbelebung der heiligen Wissenschaft gäbe. Er riet der Kirche, dies wahrzunehmen, wenn sie nicht von der Bewegung überrollt werden wolle.45 Zusammen mit den Vergleichen des Heiligen Herzens mit dem drit­ ten Auge Shivas erwies sich dies für viele Katholiken als zu viel, und sie beschwerten sich daraufhin bei Anizan, dem Herausgeber von Regnabit. Dieser war Guenon offenbar noch immer gewogen, da er ihm noch eine letzte Chance gab. Er forderte ihn auf, seine Position zu klären, hinsicht­ lich der Verpflichtung eines jeden Katholiken »zu glauben und zu be­ kennen, dass die [katholische] Lehre der vollkommenste Ausdruck der religiösen Wahrheit auf Erden ist«. Guenon schlug diese Einladung ab, da er offenbar weder die Unwahrheit sagen, noch sich öffentlich als ab­ trünnig bekennen wollte.46 Damit endet seine Mitwirkung an der Zeit­ schrift Regnabit Die Zeichen der erhofften Wiederbelebung entdeckte Guenon vermudich in der Gruppe von Traditionalisten, die sich um ihn zu scharen begann. Einige von ihnen werden wir an späterer Stelle in diesem Kapi­ tel, andere in den folgenden Kapiteln vorstellen. Viele dieser Traditiona­ listen entdeckten Guenons Werk im Jahr 1927, als sein Buch La crise du monde moderne erschien.

Traditionalisten in den 1920er Jahren In den 1920er Jahren war der Traditionalismus noch keine religiöse Be­ wegung, es gab weder eine gemeinschaftlich ausgeübte Praxis noch über­ haupt einen Glauben. Er war eher eine philosophische Bewegung, die sich jedoch in einem Punkt von anderen philosophischen Bewegungen unterschied: in der Überzeugung, dass die moderne Welt sofort auf­ hören würde zu existieren, »wenn alle Menschen verstünden, was sie in

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Wahrheit ist«. Ein Mitglied dieses kleinen Zirkels war zu dieser Zeit Jean Reyor (weithin auch als Marcel Clavelle bekannt), eine wichtige Figur in der Geschichte des Traditionalismus, über dessen Herkunft wenig be­ kannt ist. Wie sich Reyor später erinnerte, sei nach allgemeiner Ansicht das Ziel die Erkenntnis, möglicherweise die Weisheit, gewesen. Sie sollte durch das Studium von Texten erlangt werden, entweder von originären Quellen wie den Veden oder durch die Schriften Guenons. Außerdem galt es, sich von der modernen Welt zu distanzieren. Zu jener Zeit »schien die integrale Teilnahme an einer bestimmten Form der Tradition nicht zwingend«.47 Das sollte sich nach 1930 ändern, wie wir noch sehen werden.

Traditionalisten in Paris Das Zentrum, um das der Traditionalismus in den 1920er Jahren kreiste, war eine Zeitschrift, Le Voile dlsis (Der Schleier der Isis), die von den Gebrüdern Chacornac herausgegeben wurde, den führenden Verlegern und Buchhändlern okkultistischer Literatur in Paris. Guenon kannte Paul Chacornac, den Mitinhaber von Chacornac Freres, seit 1922, als er nach Beendigung seiner Arbeit an Üerreur spirite den Großteil seiner okkulten Bibliothek veräußerte.48 Chacornac, eine wichtige Gestalt in der Geschichte des Traditionalismus, beschrieb seine Begegnung m it Guenon mit einer vielleicht etwas dramatischen Überhöhung: »Eines Morgens, es war der 10. Januar 1922, betrat unseren Laden am Quai Saint-Michel ein sehr hochgewachsener, schlanker M ann mit braunen Haaren, der um die dreißig gewesen sein mochte. Er war schwarz gekleidet und bot das klassische Erscheinungsbild eines französischen Intellektuellen. In seinem langen Gesicht, das ein klei­ ner Schnurrbart kreuzte, leuchteten zwei eigenartig klare und ste­ chende Augen, die den Eindruck vermittelten, sie sähen über die Welt der Erscheinungen hinaus. Mit vollendeter Höflichkeit bat er uns mitzukommen, um einige spiritistische Bücher und Broschüren fortzuschaffen, die er gern los­ werden wollte ... Das Interieur [seiner Wohnung] war von äußerster Schlichtheit,

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die vollendet zu der Schlichtheit passte, die er selber an den Tag legte. In dem Salon, in dem er uns empfing, fesselte ein Bildnis unser Auge: Es war das lebensgroße Porträt einer Inderin, braunhäutig, bar­ häuptig, in einem roten Samtkleid, mit Ringen in den Ohren, deren Anditz in gewisser Weise leuchtend hervortrat. Auf dem Kaminsims stand eine ungewöhnliche freimaurerische Uhr des späten 18. Jahr­ hunderts. Ein Klavier und ein großer, mit Büchern überfüllter Bü­ cherschrank ergänzten das Dekor.«49 Chacornac blieb mit Guenon in Kontakt und entschloss sich 1928, die 1890 von Chacornac Freres gegründete okkultistische Zeitschrift Le Voile dlsis in ein traditionalistisches Organ umzuwandeln, das Guenon her­ ausgab, aber nicht leitete. Die Hauptmotivation wird wohl der Wunsch gewesen sein, einen schwächelnden Titel wiederzubeleben, und weni­ ger eine wirkliche Euphorie für den Traditionalismus, obwohl er später eine wahre Begeisterung für Guenon und den Traditionalismus entwi­ ckelte. 1933 wurde diese Umwandlung durch die Umbenennung der Zeitschrift in Etudes traditionnelles abgeschlossen.50Le Voile d lsis/ Etudes traditionnelles blieb viele Jahre lang der zentrale Sammelpunkt, um den die Traditionalisten sich scharten, sowie auch der Ort, an dem Guenon und die meisten seiner Mitarbeiter ihre Arbeiten veröffentlichten. Die Zeitschrift bildete das Herzstück eines traditionalistischen Forschungs­ projekts: das Studium einer Vielzahl initiatischer Traditionen, die es vor der Renaissance im Westen gegeben hatte, sowie auch der Traditionen des Orients, in dem durch Guenons eigene Arbeiten vorgegebenen Sinne. Chacornacs Entscheidung, seine Zeitschrift den Traditionalisten zu überlassen, die zunächst auf rein geschäftlichen Gründen beruhte, un­ terstützte die Ausbreitung des Traditionalismus in der gleichen Weise, wie es die Schirmherrschaft des Katholischen Instituts getan hatte. Cha­ cornac Freres war in den 1920er Jahren als einer von vier Pariser Ver­ lagen, die sich mit okkultistischer und alternativer Literatur befassten, gut etabliert und veröffendichte von den insgesamt 1100 jährlichen Er­ scheinungen an die dreihundert Titel.51Wegen der marktbeherrschenden Stellung des Verlages war für Guenon die Verbindung zu Paul Chacor­ nac besonders nützlich.

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Neben Le Voile d ’Isis gab es noch weitere Brennpunkte für die An­ hänger Guenons, insbesondere den wöchentlichen Salon bei Genevieve Jourd’Heuil, einer Musikerin, die von Guenon tief beeindruckt war, nachdem sie ihm im katholischen Institut begegnet war.52 Ihren Bemü­ hungen ist es wahrscheinlich zu verdanken, dass Guenons Werke in den dreißiger Jahren nie in Rom auf den Index gesetzt wurden. Sie hielt an ihrer Überzeugung fest, dass es zwischen ihrem Katholizismus und ihrer Bewunderung für Guenon keinen Widerspruch gab. Viele waren jedoch anderer Meinung. Zu den regelmäßig Mitwirkenden bei Le Voile d lsis gehörten Reyor, zwei Anhänger Guenons aus seiner okkultistischen Periode (Patrice Genty und Alexandre Thomas), einige Freunde Chacornacs, und einige, die Guenons Bücher gelesen und daraufhin Verbindung zu ihm aufge­ nommen hatten. Typisch für Letztere war ein gewisser Dr. Probst-Biraben,53 ein Lehrer aus Constantine in Algerien, der oft nach Paris kam und Freimaurer und Sufi zugleich war.54 Doch nach Guenon selbst war Ananda Coomaraswamy der wichtigste regelmäßige M itwirkende an der Zeitschrift.

Coomaraswamy

Der wichtigste Mitarbeiter Guenons in diesem ersten Zeitabschnitt war Ananda Kentish Coomaraswamy, Kurator der Abteilung für indische Kunst am Museum of Fine Arts in Boston, der bereits ein angesehener Kunsthistoriker war, als er in den später 1920er Jahren auf das W erk Guenons stieß. Coomaraswamy gewann rasch die Überzeugung, dass »kein lebender Autor im modernen Europa bedeutender ist als Rene Guenon, dem die Aufgabe zugefallen ist, die universelle metaphysische Tradition zu erkunden, welche die wesentliche Grundlage aller vergan­ genen Kulturen bildet«.55 Coomaraswamys beachdiches Ansehen als Gelehrter beruhte auf Werken wie dem fünfbändigen Catalogue ofthe Indian Collections in the Museum o f Fine Arts (1923—1930) und seiner History o f Indian and In donesianArt (1927).56 Es fußte zudem auf seinem fast enzyklopädischen Wissen über indische Kunst sowie auf der methodisch reflektierten H er­ angehensweise an sein Thema. Er versuchte Kunstwerke dadurch zu er-

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fassen, dass er sie in ihren Kontext stellte, was konkret ihren religiösen Kontext bedeutete.57 In diesem Ansatz spiegelt sich ein Verständnis von Religion, auf das wir später noch näher eingehen werden und das sich mit dem Traditionalismus als gut vereinbar erwies. Es ist nicht bekannt, wie Coomaraswamy überhaupt auf Guenon ge­ stoßen ist. Möglicherweise entdeckte er Guenons Bücher bei Sunwise Turn, einer »progressiven« Buchhandlung in New York, die damals ein gewisser Zirkel frequentierte, dem unter anderen Eugene O ’Neill, Ernest Hemingway und Havelock Ellis angehörten, deren Interessen weit gespannt waren und von Graphologie bis Gurdjieff alles miteinschlossen, möglicherweise auch Rene Guenon. Man fragt sich, was ein 50-jähriger Museumskurator aus Boston in derartigen Kreisen in New York zu schaffen hatte. Es gibt zwei Antworten auf diese Frage: Zum einen war Coomaraswamy, wie wir noch sehen werden, ein ungewöhnlicher Muse­ umskurator; zum anderen unterhielt er eine Affäre mit einer jungen Tänzerin namens Stella Bloch, die auch während ihrer späteren Ehe mit Coomaraswamy (von 1922 bis 1930) in New York lebte.58 Die ausschließlich brieflich geführte Beziehung zwischen Coomaras­ wamy und Guenon ergänzte und vollendete die traditionalistische Phi­ losophie. Guenon brachte die großen Ideen ein, und Coomaraswamy steuerte seine Gelehrsamkeit bei, was bei Guenon manchmal eine Mei­ nungsänderung hervorbrachte und sich zuweilen in den späteren Wer­ ken beider niederschlug.59 Coomaraswamy war der erste von vielen Gelehrten, die später ernsthafte, starke Vertreter des Traditionalismus wurden. Der Traditionalismus veränderte Coomaraswamys Schreibstil. 1928 begann er sich mit den Veden zu beschäftigen. 1933 erschien sein erstes, rein religiöses Buch, A New Approach to the Vedas: An Essay in Trans­ lation and Exegesis!50 Der neue Ansatz war, wie Coomaraswamy in der Einführung erläuterte, ein perennialistischer: »Eine Übersetzung und ein Kommentar, wobei die Ressourcen universeller Tradition anderer Formen selbstverständlich miteinbezogen werden.«61 Fortan schrieb Coomaraswamy immer mehr über die Religion, die der Kunst zu­ grunde liegt, und immer weniger über die künstlerische Repräsentation der Religion. Für manche war dieser Umschwung in Coomaraswamys Orientierung eine Enttäuschung. Eric Schroeder, später ein Historiker

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der persischen Kunst, erinnert sich an seine Zeit als Assistent Coomaras­ wamys: »Wir stritten uns ständig, denn ich versuchte, den in der Philoso­ phie verlorengegangenen Kunsthistoriker wiederzubeleben, während er unbedingt in dem unausgereiften Kunsthistoriker den Philoso­ phen erwecken wollte ... Obwohl er durchaus mitteilsam und groß­ mütig war, wenn es um historische Fragen ging, interessierten sie ihn nicht mehr. Zwar interessierte er sich für Zeitgeschichte, die indus­ trielle Ausbeutung Asiens und die Prostitution des westlichen Intel­ lekts an das Zufällige, doch seine Freude hatte er an der Metaphysik. Alle historischen Argumente prallten an ihm ab, ständig und beharr­ lich führte er die Geschichte auf ewige Kategorien zurück, die allein er gelten ließ.«62 Die Hauptwerke aus Coomaraswamys traditionalistischer Periode sind The Transformation o f Nature in A rt (1934), das einen Vergleich zieht zwischen orientalischen und mittelalterlichen Konzepten des Westens. Ein weiteres vergleichendes Werk trägt den Titel H induism an d B uddhism (1943). Coomaraswamys Grundthese beruht natürlich auf der ewigen Einheit, dass Hinduismus und Buddhismus beide Ausdruck der ursprünglichen philosophia perennis sind.63 Er schrieb auch eine Reihe von traditionalistischen Artikeln, die zum Teil in Le Voile dTsis/Etudes traditionelles veröffendicht wurden und zum Teil (was ihm wichtiger war) in wissenschaftlichen Zeitschriften wie dem Journal o fth e Am erican Oriental Society und der Harvard Journal o f Asiatic Studies Gegen Ende seines Lebens schrieb er an einen traditionalistischen Bekannten: »Mein Werk richtet sich an die Professoren und Spezialisten, die in letz­ ter Zeit unseren Sinn für Werte untergraben haben und deren viel ge­ priesene >Gelehrsamkeit< im Grunde ganz oberflächlich ist. Ich glaube, dass eine Berichtigung an der angeblichen >Spitze< zu beginnen hat und nur so ihren Weg in die Schulen, Lehrbücher und Enzyklopädien finden wird.«65 Dieser erste Versuch, den Traditionalismus einem Gelehrtenpubli­ kum näherzubringen und ihm somit eine breitere kulturelle Basis im Westen zu verschaffen, blieb erfolglos. Coomaraswamys R uf und An. 6 4

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sehen waren zwar so weit gefestigt, dass seine neuen Interessen seiner Karriere kaum schaden konnten, doch obschon man »im Allgemeinen erkannte, dass er etwas Wichtiges zu sagen habe und die Klugheit eigent­ lich gebot, dass man ihn anhöre, [...] glaubten doch nur sehr wenige, das es klug sei ihn ernst zu nehmen«.66 Zwar wurde sein Buch Hinduism and Buddhism im Harvard Journal ofAsiatic Studies besprochen, doch die Besprechung fiel keineswegs günstig aus. Nachdem der Rezensent Coomaraswamys Versuch der Darstellung der Einheit von Hinduismus und Buddhismus ganz richtig Guenon und dem Perennialismus zuge­ schrieben hatte, stellt er fest, dass »jede von einer fixen Idee geprägte Interpretation dazu neigt, Etymologien zu verbiegen und Worten und Textpassagen eine Bedeutung aufzuzwingen, so dass sie mit der vorge­ fassten Idee übereinstimmen«. Nach Aufzählung vieler Beispiele für derart zweifelhafte Interpretationen, wie Coomaraswamy seinen Erwar­ tungen entsprechend den Text ausgelegt hatte, schließt der Rezensent: »Coomaraswamy bagatellisiert die Schwierigkeiten. [...] Es gibt keine wirkliche Darstellung des späteren Buddhismus und Hinduismus als historische und institutionalisierte Religionen. [...] Das Buch hat einige gute Aspekte, aber [...] der Autor ignoriert gänzlich die Fülle von Be­ weismaterial, das sich nicht in seine Theorie hineinpressen lässt.«67 Die Kritik ähnelt auffallend derjenigen, die Sylvain Levi zwanzig Jahre zuvor an Guenons Introduction generale geübt hatte. Coomaras­ wamys Ruf als Gelehrter beruhte allerdings auf seinen Kenntnissen der Kunstgeschichte, er besaß, wie seinerzeit Maritain, keine Qualifikation als Philologe oder als Religionshistoriker. 1933 wurde Coomaraswamy aufgrund einer internen Umstrukturie­ rung im Museum o f Fine Arts zum wissenschaftlichen Mitarbeiter er­ nannt, was ihm mehr Zeit für seine Forschungen ließ.68 Er behielt diesen Posten bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1947 bei, als er siebzig Jahre alt war. Bei seinem Abschiedsessen gab er bekannt, dass er der hinduistischen Tradition folgend sich nach Indien zurückziehen und sich einem kontemplativen Leben widmen wolle, doch er verstarb, noch bevor er Amerika verlassen konnte. Seine vierte und letzte Ehefrau Louisa organi­ sierte eine Bestattungsfeier durch einen griechisch-orthodoxen Priester. Anschließend wurde er eingeäschert und seine Asche in den Ganges ge­ streut,69 ein praktischer Ausdruck des Perennialismus.

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Coomaraswamys Hauptpublikum unterschied sich am Ende nicht sehr von dem Guenons, obwohl es etwas breitere Streuung aufwies. Er wurde zu einem festen Bestandteil des traditionalistischen Kanons und stand viele Jahre lang als traditionalistischer Autor nur Guenon selbst an Bedeutung nach.

Weitere Sympathisanten Guenons So wie es einen Salon gab, den die Anhänger Guenons frequentierten, so gab es auch einen Salon für die weniger ergebenen Sympathisanten und andere Teilnehmer. Er wurde von Francois Bonjean geführt, einem Ro­ manautor, der sich hauptsächlich m it Marokko beschäftigte, wenngleich sein bekanntestes Werk eine Trilogie über Ägypten ist: Histoire d ’un enfant dupays d ’Egypte (1924).70 Bonjean und Guenon wurden 1924 durch einen gemeinsamen Bekannten, einen literarischen Journalisten, m itein­ ander bekannt gemacht. Sie stellten fest, dass sie eine ähnliche Auffas­ sung vom Orient hatten, und sie trafen sich eine Zeitlang häufiger.71 Guenon scheint jedoch keinen nennenswerten Einfluss auf Bonjeans Werk ausgeübt zu haben. Der Salon Bonjeans richtete sich in erster Linie an ein Publikum, das sich für Ost-West-Beziehungen interessierte. Er wurde freitagabends abgehalten und führte Franzosen und in Paris lebende »Orientalen« zusammen. 1951 erinnert sich Bonjean daran: »Noch immer sehe ich Guenon vor mir, wie er lang und dünn und triefend von gutem Willen seinen Gegnern gegenüberstand. D er An­ blick dieses Abendländers, der leidenschaftlich das Vermächtnis des Orients gegen unernsthafte Orientalen verteidigt, hatte etwas Pikan­ tes und gleichzeitig auch etwas Großartiges. M it unerschöpflicher Geduld versuchte er seine Zuhörer von der Existenz spiritueller Zen­ tren in verschiedenen Gegenden des Orients zu überzeugen, die im ­ stande seien, ihre Schüler die schwierigen und zuweilen gefahrvollen Pfade der >Läuterung< entlangzuführen.«72 Demnach scheint es Guenon nicht gelungen zu sein, Bonjeans O rien­ talen von seiner Ansicht des Orients zu überzeugen. Mehr Erfolg hatte er dagegen in französischen Künstlerkreisen. Unter denen, die in den

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1920er Jahren zu Guenons Bewunderern zählten, waren ein kubistischer Maler, zwei Surrealisten und ein weiterer Romanautor. Der Kubist Albert Gleizes traf 1927 zwei Mal mit Guenon zusam­ men, ohne zuvor von seinem Werk gehört zu haben, aber beide entdeck­ ten viele Gemeinsamkeiten.73 Geizes Interesse an Fragen der Moderne, der Tradition und der Symbolik stand jedoch im Zusammenhang mit seinem Interesse am Wesen und Zweck der Malerei, und da die eigent­ lichen Ziele beider weit voneinander lagen, überrascht es wenig, dass sie sich gegenseitig kaum beeinflusst haben.74 Der Surrealist Andre Breton zitierte gelegentlich beifällig aus Gue­ nons Werk, aber seine Interessen gingen ebenso wie die von Gleizes in eine ganz andere Richtung.75 Ein anderer Surrealist, der Dichter Rene Daumal, suchte im Gegensatz zu Breton ausdrücklich nach einem spiri­ tuellen Weg, was mit einer frühen chemisch induzierten Gotteserfah­ rung begonnen hatte, als er 1924 mit Tetrachlormethan experimentiert hatte.76 Obwohl ihn dieser spirituelle Weg letztlich nicht zum Traditio­ nalismus führte, sondern zu Gurdjieff,77vermerkt Daumäl 1928 nach der Lektüre von Guenons Lhomme et son devenir selon le Vedänta anerken­ nend in seinem Tagebuch, dass Guenon der einzige über den Hinduis­ mus schreibende westliche Autor sei, in dessen Hand Gold nicht in Blei verwandelt würde. »Doch ich furchte,« fuhr er fort, indem er sich im Tagebuch an Guenon wendet, »dass die Freude am Denken Sie von der im weitesten Sinne historischen Gesetzlichkeit ablenken wird, die mit Notwendigkeit das Menschliche in uns der Revolte entgegentreibt«.78 Daumal hatte recht: Guenon war nicht an einer Revolte interessiert. Doch Daumais Künsderkollege Evola, ehemals Dadaist, bereits 1928 zum neuheidnischen Okkultisten avanciert, war sehr wohl an Revolte interessiert (wie wir noch sehen werden). Ein Freund Daumais zu jener Zeit war Louis Dumont, der Sohn eines Eisenbahnbeamten, dessen persönliche Revolte - er brach seine Schulbildung ab und lebte von diversen Gelegenheitsarbeiten —seiner verwitweten Mutter viel Kummer bereitete. Daumal führte Dumont in das Werk Guenons ein, was Dumonts lebenslange Faszination für Indien zur Folge hatte. Ein paar Jahre später erhielt Dumont eine Anstel­ lung als Sekretär an dem bedeutenden Pariser Museum für Volkskunst und Traditionen. Diese Umgebung bewog ihn schließlich auch, seine

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Schulbildung zum Abschluss zu bringen.79 In den 1960er Jahren war Dumont zu einem der führenden Soziologen Frankreichs geworden. Die Folgen seiner frühen von Daumal begleiteten Guenon-Lektüre betrach­ ten wir in späteren Kapiteln. Der Romanautor Henri Bosco, dessen Werke nach dem Zweiten Weltkrieg viel gelesen wurden und die bis Ende des Jahrhunderts in Frankreich weithin bekannt blieben, wurde etwas später von Bonjean in das Werk Guenons eingeführt, im Jahre 1938. Bosco schrieb damals an seinem Buch Hyacinthe, das er später als seinen Schlüsselroman bezeichnete, eine sorgfältige Untersuchung einer inneren spirituellen Reise (wie die meisten Bücher Boscos).80 Guenon, so schrieb Bosco an Bonjean, habe das Fazit dieses Buches entschlüsselt, dass nämlich »das Heil nur aus dem Odem kommen kann, das heißt durch den Einfluss von etwas Höherem, das schon vor uns existiert«.81 Dieser Schluss lässt sich schwer­ lich als traditionalistisch bezeichnen —ein anderer Freund Boscos er­ kannte darin sogar eine katholische Haltung.82 Diese Bemerkung eines Autors, der nach eigenen Angaben die Werke Guenons im m er wieder mit Hingabe las,83 erinnert uns, wie diffus und indirekt selbst ein wich­ tiger Einfluss sich auswirken kann. Gäbe es nicht den Briefwechsel zwi­ schen Bosco und Bonjean und eine veröffentlichte Bemerkung Boscos, kein Mensch würde vermuten, dass der Traditionalismus für Bosco eine Rolle gespielt hätte. Bosco ist der erste uns bekannte »gemäßigte« Tradi­ tionalist: ein Mensch, für den offenbar der Traditionalismus zwar wich­ tig, aber kein bestimmender Einfluss war, und fiir den er kaum sichtbare Konsequenzen hatte. Es muss unzählige andere gegeben haben, au f die sogar in den 1920er Jahren die Bücher Guenons einen Einfluss ausübten. Der katholische Altertumsforscher Charbonneau-Lassay war eben­ falls ein enger Gefährte, dessen Freundschaft Guenons Ausschluss aus Regnabit überdauerte. Er unterhielt auch freundschaftliche Beziehungen zu Traditionalisten wie Reyor und schrieb Beiträge zu Le voile d ls is / Etudes traditionneilest Seine Freundschaft zu Guenon hatte jedoch we­ nig Einfluss auf sein eigenes Werk, so dass man ihn nicht einmal als »gemäßigten« Traditionalisten beschreiben kann. Er war, so scheint es, ganz einfach ein Katholik. Als begabter Sohn von zwei Bediensteten war er von Mitgliedern der Laienbruderschaft des Heiligen Gabriel erzogen worden. Er war selbst der Bruderschaft beigetreten und blieb ihr M it-

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glied bis zu ihrer Auflösung 1903. Den Rest seines Lebens verbrachte er als Graveur, Lokalarchäologe und Historiker. 1913 wurde er Sekretär bei einer Lokalzeitung, der Revue du Bas-Poitou. Sein Hauptwerk war das Bestiaire du Christ (Bestiarum Christi), ein monumentales Werk über christliche Symbolik, das Kardinal Dubois, der Schirmherr von Regnabit, in Auftrag gegeben hatte und an dem er fünfzehn Jahre lang arbei­ tete.85 Sein Interesse an Symbolik bedeutete, dass er einiges mit den Tra­ ditionalisten gemein hatte, aber darüber hinaus ging es nicht. Wie wir noch sehen werden, vertrat er in wesentlichen Fragen einen grundsätz­ lich anderen Standpunkt.

2. P e r e n n i a l i s m u s

Das Leben Rene Guenons lässt sich in drei Phasen einteilen. Die »katho­ lische« Phase, die wir eben betrachtet haben, war seine zweite Phase. Die erste Phase, die in diesem und dem nächsten Kapitel behandelt werden soll, war eine »okkultistische« Phase, in welcher Guenon einen Großteil der Quellen entdeckte, aus denen er die traditionalistische Philosophie entwickelte. Die Betrachtung dieser Phase wird uns auf verschlungenen Wegen durch die westliche Religions- und Geistesgeschichte führen. Die dritte Phase, die Guenon als Sufi in Kairo verbrachte, begann in den 1930er Jahren und wird in Teil II dieses Buches betrachtet werden. Ab diesem Zeitpunkt geht es geradliniger voran.

Rene Guenon Rene Jean-Marie Joseph Guenon war das einzige Kind katholischer Ehe­ leute, die in der wohlhabenden Kleinstadt Bloire an der Loire, die für ihr schönes Kastell bekannt ist, ein behagliches Auskommen hatten. Sein Vater war als Schadenregulierer bei einer Versicherungsgesellschaft angestellt und war bei der Geburt seines ersten und einzigen Kindes Rene 56 Jahre alt, seine Mutter war damals 37. Sie war die zweite Frau seines Vaters, die erste war kinderlos verstorben. Renes Kindheit verlief unauf­ fällig. Obwohl er zu Kränklichkeit neigte, kam er in der Schule gut vor­ an und spezialisierte sich auf Mathematik. Im Jahre 1904 wurde er 18, und seine ehrgeizigen Eltern sandten ihn auf das College Rollin in Paris, damit er seinen mathematischen Studien weiter nachgehen und an­ schließend die angesehene Ecole Polytechnique besuchen konnte.86 1906 verließ Guenon das College Rollin, an dem er kaum Fort­ schritte verbuchen konnte. Stattdessen vertiefte er sich bis kurz vor Aus­ bruch des Ersten Weltkriegs in den Pariser Okkultismus. Es ist nicht bekannt, wodurch sein Interesse am Okkultismus erregt wurde, aber er

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brauchte offenbar ein neues Interessengebiet, nachdem er in den mathe­ matischen Studien versagt hatte. Ebensowenig ist bekannt, wie Guenons damals schon betagte Eltern diese Entwicklung aufnahmen. Es ist denk­ bar, dass Guenon bei seiner Volljährigkeit regelmäßige Zuwendungen erhielt, da er sich bis nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht mit der Frage des Lebenserwerbs beschäftigen musste. Guenon schloss sich 1906 dem Martinisten-Orden an, von welchem er seinen »Vedanta-Perennialismus« ableitete. Der Martinisten-Orden war um 1890 von Gerard Encausse, der als »Papus« berühmt wurde, ge­ gründet worden. Encausse war Arzt und der Sohn eines alternativen Heilpraktikers, der den »Encausse Generator« erfunden hatte,87 ein pa­ tentiertes Gerät für die Zufuhr von Arzneimitteln durch die Haut ver­ mittels heißen Wassers. Dies hatte jedoch niemals den Erfolg erzielt, den sein Erfinder erhofft hatte.88 Im Gegensatz zu seinem Vater wurde En­ causse zwar Schulmediziner, pflegte aber weiterhin das familiäre Inter­ esse an alternativen Heilmethoden wie Homöopathie und Mesmeris­ mus. Während seines Studiums an der medizinischen Fakultät in Paris schloss er sich 1887 der Pariser Loge der Theosophischen Gesellschaft an, eine wichtige Quelle fiir den Perennialismus des Martinisten-Ordens und somit auch für den traditionalistischen Perennialismus.

Perennialismus und die Theosophische Gesellschaft Die Theosophische Gesellschaft wird heute allgemein als »neue religi­ öse Bewegung« bezeichnet und ist der breiten Öffentlichkeit eher als »Sekte« vertraut. Sie wurde jedoch 1875 in New York aus durchaus seriö­ sen Zwecken gegründet, wobei ihre Statuten nach dem Vorbild der Ame­ rican Geographical and Statistical Society ausgearbeitet wurden. Gegrün­ det wurde sie von Colonel Henry Olcott, einem angesehenen Anwalt und Journalisten, der damals Mitte vierzig war.89 Nach Olcotts Dafür­ halten sollte die Gesellschaft vergleichende Religionsforschung betrei­ ben und die »Urweisheit« erforschen, vor allem in der »Urquelle aller Religion, in den Büchern des Hermes und in den Veden«,90 mit anderen Worten, der philosophia perennis. Wie Gu£non nahm auch Colonel Ol­ cott an, dass die »ewige Philosophie« in den Veden zu finden sei; mit

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seiner Ansicht, diese sei auch in den Büchern des Hermes anzutreffen, schloss er sich dem ursprünglichen Perennialismus des Renaissance-Ge­ lehrten Marsilio Ficino an. Da die Veden in der Renaissance nicht be­ kannt waren, betrachtete Ficino das Corpus Hermeticum als den frühes­ ten Ausdruck der philosophia perennis, der dem mythischen Hermes Trismegistos zugeschrieben wurde. Das Corpus Hermeticum wurde zwi­ schen dem ersten und dritten nachchristlichen Jahrhundert erstellt und weist dementsprechend die christlichen, stoischen und neoplatonischen Einflüsse seiner Zeit auf sowie auch einiges an altägyptischem Einfluss. Im 15. Jahrhundert wurde es jedoch falsch datiert, so dass allgemein an­ genommen wurde, es stamme aus der Zeit des Moses oder aus vielleicht noch früherer Zeit. Diese Fehldatierung hatte zur Folge, dass das Corpus Hermeticum so­ wohl das Christentum als auch den Platonismus in prophetischer Weise vorauszuahnen schien (wie es natürlich sein musste, da es nach Platon und Christus zusammengestellt worden war). So entstand das ursprüng­ liche Konzept der »ewigen Philosophie«. Als ein Genfer Philologe, Isaac Casaubon, 1614 überzeugend nachweisen konnte, dass das Corpus Her­ meticum nicht mosaischen, sondern nachchristlichen Ursprungs sein musste,91war der Perennialismus weitgehend diskreditiert. Er hat jedoch überlebt und taucht beispielsweise im späten 18. Jahrhundert in der fran­ zösischen Freimaurerloge Les Elus Coens auf, die zwischen 1761 und 1781 aktiv war. Ein Mitglied dieser Loge war Louis-Claude de Saint-M artin, nach dem Encausse seinen M artinisten-Orden benannte. De Saint-M ar­ tin, ein Offizier im Ruhestand und ein Freimaurer m it zahlreichen mys­ tischen und hermetischen Interessen,92 war der Überzeugung, dass »alle Traditionen der Erde als Traditionen einer grundlegenden M uttertradi­ tion« zu betrachten seien, »die von Anfang an dem sündigen Adam und seinen ersten Nachkommen anvertraut worden war«.93 Ähnliches äu­ ßerte Graf Joseph de Maistre, ein naher Zeitgenosse de Saint-M artins, der einer von Jean-Baptiste Willermoz geleiteten Loge angehörte. Letz­ terer hatte einmal zu Les Elus Coens gehört und war eine Zeidang en­ ger Mitarbeiter de Saint-Martins gewesen:94 »Die wahre Religion [...] wurde an dem Tag geboren, da [alle] Tage geboren wurden. [...] D ie unbestimmten Vorstellungen [der Altvorderen] waren nur die mehr oder weniger kümmerlichen Überreste der ursprünglichen Tradition«.95 Zu-

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mindest blühte zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Perennialismus in französischen Freimaurerzirkeln noch immer. Die Kombination von Perennialismus und Hinduismus, die den Vedanta-Perennialismus ergab, scheint ungefähr zur selben Zeit zu­ stande gekommen zu sein. Sie lässt sich erstmals im Werk des Mathe­ matikers Reuben Burrow feststellen, einer wichtigen Figur an den Ur­ sprüngen des Traditionalismus. Burrow war ansonsten ein unbekannter Mitautor der Asiatick Researches, der Zeitschrift der »Asiatick Society of Bengal«, der ersten westlichen Gelehrtenvereinigung, die sich der Erfor­ schung des Orients widmete. Sie wurde 1784 unter dem Vorsitz von »Oriental Jones« in Kalkutta gegründet. Sir William Jones war ein britischer Angestellter der Honorable East India Company, ein begabter Linguist und Richter am Obersten Gerichtshof in Kalkutta.96 Obwohl »Oriental Jones’« Arbeiten immer noch geschätzt werden, dürften heute die Werke einiger seiner Kollegen weniger Zuspruch erhalten als im ausgehenden 18. Jahrhun­ dert. In einem 1799 in der Zeitschrift Asiatick Researches erschienenen Artikel (»A Proof that the Hindoos Had the Binomial Theorem« / »Ein Beweis, dass die Hindus das Binomialtheorem kannten«) versuchte Reu­ ben Burrow nachzuweisen, dass die alten Inder ein hochentwickeltes mathematisches Wissen besaßen, indem er den späteren Stand der indi­ schen Astronomie in die Vergangenheit zurückprojizierte. Diese Vorstel­ lung führte ihn auch dazu, einen wahrscheinlichen indischen Ursprung für die europäischen Wissenschaften anzunehmen. Nach einiger Speku­ lation über den wahrscheinlichen Standort des »Paradieses des Mose« bemerkt Burrow: »Aus dem vorerwähnten Lande [das Paradies des Mose] breitete sich die Hindu-Religion wahrscheinlich über die ganze Erde aus. Es gibt in jedem nördlichen Land Anzeichen dafür und in fast jedem System der Gottesverehrung. In England ist es offenkundig. Stonehenge ist ganz offenbar einer der Tempel von Boodh. [...] Die religiösen Zere­ monien der Papisten scheinen vielfach eine erbärmliche Kopie jener der Goseigns und der Fakire zu sein. Die christlichen Asketen unter­ schieden sich wenig von ihren verdreckten Originalen, den Braggys, &c. [...] Dass die Druiden Britanniens Bramine waren, steht ohne

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jeden Zweifel fest. Doch dass sie sämtlich ermordet wurden und all ihr Wissen verloren gegangen sein soll, ist dagegen äußerst unwahr­ scheinlich. Mit ziemlicher Sicherheit wurden sie zu Schulmeistern, Freimaurern und Wahrsagern, und auf diese Weise konnte ein Teil ihrer Wissenschaft der Nachwelt überliefert werden, wie wir festge­ stellt haben.«97 Burrow vertritt hier eine Form des Perennialismus, die dem Hinduism us den Vorzug vor dem Hermes gibt, obwohl er den Hinduismus ebenfalls mit Moses verbindet. Seine Mutmaßung, dass das Wissen der Brahmanen und der Druiden in Freimaurerzirkeln überlebt hat, legt die Ver­ mutung nahe, dass er selbst Freimaurer gewesen ist. In diesem Fall hätte er dem Perennialismus in Freimaurerkreisen begegnen können, wie etwa der französischen Loge Les Elus Coens, was jedoch reine Spekulation ist. Deutlich wird aber daraus, dass seitdem hinduistische Texte vom Westen entdeckt wurden, einige den Hinduismus als die »Urquelle« aller Reli­ gion ansahen. Obwohl die These Burrows für einige spätere britische Gelehrte von Interesse war,98 lässt sich keine direkte Verbindung zwischen seinem Werk und der Überzeugung Olcotts nachweisen, dass die Veden die p h ilosophia perennis enthielten. Der wahrscheinlichere Ausgangspunkt für Olcotts Interesse an den Veden waren die zunehmende Verfügbarkeit und das wachsende Interesse an Übersetzungen hinduistischer Texte in wesdiche Sprachen, zum Teil verfasst von anderen M itgliedern der Asia­ tick Society of Bengal. Einer der ersten wesdichen Intellektuellen, der sich ganz wesendich auf diese Texte stützte, war der amerikanische Phi­ losoph Ralph Waldo Emerson, eine wichtige Figur in den Anfängen des Traditionalismus. Emerson, ein ehemaliger Pfarrer der Unitarischen Kir­ che, spielte zusammen mit Henry David Thoreau eine führende Rolle in der amerikanischen Bewegung des Transzendentalismus. Im Jahre 1831 las Emerson die neu erschienene englische Übersetzung von V ictor Cousins Cours de philosophier die zwei Kapitel der Bhagavad G ita ent­ hielt (Lied des Herrn). Diese waren zwischen 1824 und 1827 ins Englische übersetzt und in der Zeitschrift der Schwesterorganisation Asiatick So­ ciety of Bengal, den Transactions o f the Asiatick Society o f London ver­ öffentlicht worden. Auf diese Übersetzung stützte sich Cousin.99

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Die Veden und der Vedanta übten einen großen Einfluss auf Emer­ son und somit auch auf den Transzendentalismus aus. Durch transzendentalistische Zeitschriften wie The 'Western Messenger oder The Dial gelangten sie an die breitere amerikanische Öffentlichkeit.100Auf diesem Wege könnte Olcott darauf gestoßen sein. Emerson vertrat ebenfalls eine Form von Perennialismus, als er 1839 in sein Tagebuch schrieb, dass für ihn »Bibel« ganz allgemein die ethi­ schen Offenbarungen bedeute, einschließlich der Veden und der Heili­ gen Schriften aller Völker, und nicht nur die Schriften der Hebräer. Diese Ansicht und seine Würdigung des Orients als Quelle der Weisheit (»Europa verdankt schon immer seine göttlichen Impulse dem Genius des Orients«, wie er 1838 in seiner berühmten Ansprache an der Harvard Divinity School erklärte)101 machen Emerson zu einem Vorläufer von Olcott und somit auch von Encausse und Guenon. Der Perennialismus, wie Emerson und Cousin ihn verstanden, wurde im Verlauf des 20. Jahr­ hunderts unabhängig weitergefiihrt. Das bekannteste Beispiel dafür dürfte Aldous Huxleys Buch The Perennial Philosophy (1944) sein.102 Olcott wäre heute vielleicht nicht weniger hoch angesehen als Huxley, wären da nicht die Umtriebe seiner neuen Freundin gewesen, näm­ lich Helena Petrovna Blavatsky (geb. Baronin von Hahn), eine russische Abenteurerin mit fragwürdiger Vergangenheit, die zu einer wichtigen Figur in den Anfängen des Traditionalismus wurde. Sie war die Tochter eines russischen Offiziers und einer protofeministischen Romanautorin (ihr Familienname spiegelt den deutsch-baltischen Ursprung ihres Va­ ters).103 In ihrer Jugend hatte sie einen russischen Verwaltungsbeamten namens Nikifor Blavatsky geheiratet, der zum Vize-Gouverneur von Jerewan in Russisch-Armenien ernannt wurde. Sie hatte sich jedoch bald schon von ihm getrennt. Nach ausgedehnten Reisen durch Europa und den Nahen Osten hatte sie sich vorübergehend in Ägypten niedergelas­ sen. Nach dem Fehlschlagen ihres jüngsten Abenteuers als Vorstand der Spiritistischen Gesellschaft Ägyptens, wo sie des Betrugs bezichtigt wor­ den war, landete sie 1873 in New York.104 Olcott hatte sie kennengelernt und war offenbar ihrem Zauber erlegen, als er 1874 nach Vermont gereist war, um das damals berühmte Bauernhaus der Eddy-Brüder aufzusu­ chen, in dem, wie berichtet wurde, diverse paranormale Erscheinungen auftraten.

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Die Theosophische Gesellschaft bestand ursprünglich aus O lcott als ihrem Vorsitzenden, einem jüngeren Anwalt als Sekretär und aus sech­ zehn weiteren Mitgliedern, darunter Blavatsky. Binnen eines M onats nach der Gründung wurde Blavatsky zur »schriftführenden Sekretärin« gewählt, aus welcher Stellung heraus sie die Gesellschaft entsprechend ihren eigenen Zielen umlenken konnte. Eine Vorahnung von dem, was ihm bevorstand, hätten Olcott die Mitteilungen geben können, die er kurz nach seinem Bekanntwerden mit Blavatsky empfing. Diese waren auf grünem Papier in goldener Tinte abgefasst und gezeichnet von ei­ nem fiktiven Tuitit Bey aus Luxor in Ägypten.105 Tuitit Bey, der sich als Großmeister der ebenso fiktiven »Mystischen Bruderschaft von Luxor« zu erkennen gab, eröffnete das Schreiben, indem er O lcott versicherte, dass »Schwester Helen [Blavatsky] eine beherzte, vertrauenswürdige Dienerin« sei, und in einem späteren Schreiben bat er Olcott, Blavatsky zu einer Wohnung in New York zu verhelfen und sich um sie zu küm ­ mern.106 In Anbetracht der Tatsache, dass Olcott in seinem früheren Be­ rufsleben als Sonderbeauftragter des Kriegsministeriums einige Zeit auf die Untersuchung von Betrugsfällen verwendet hatte, ist es schwer zu verstehen, warum er nicht den offensichtlichen Schluss zog, dass Bla­ vatsky nur jemanden brauchte, der ihr die Miete zahlte. Doch zu diesem Schluss gelangte er offenbar nicht. Die Theosophische Gesellschaft wuchs von ihren ursprünglich acht­ zehn Mitgliedern in New York zu einer weltweiten Organisation heran, die 1879 ihren Sitz nach Indien verlegte (ab 1882 in Adyar, Madras). Sie verfugte schließlich über mehr als 500 »Logen« (Zweigstellen) in m ehr als vierzig Ländern Asiens und des Westens, einschließlich der Pariser Loge, der Encausse 1887 beitrat.107 Ihren Erfolg in Asien verdankte die Theosophische Gesellschaft wahrscheinlich überwiegend der wesdichen Befürwortung nationaler Bewegungen für den kulturellen und religiösen Aufschwung, die damals im Gange waren und zu der nationalistischen Reaktion auf den europäischen Imperialismus gehörten (1967 gedachte Sri Lanka des sechzigsten Todestags Olcotts m it einer Sonderbrief­ marke).108 Die Verbreitung der Theosophischen Gesellschaft im W esten beruhte dagegen vornehmlich auf zwei Faktoren: den Um ständen der Zeit und der höheren Qualität der Schriften Blavatskys (in ihrer endgül­ tigen Form).

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Die Theosophie verdankt ihre Ausbreitung in erster Linie dem au­ ßergewöhnlichen Erfolg zweier Bücher, Isis Unveiled (1877, Isis ent­ schleiert) und The Secret Doctrine (1888, Die Geheimlehre).109 Die Au­ torschaft beider Bücher wurde übersinnlichen Quellen zugeschrieben, doch der Entwurf beider Werke, die nachfolgend von menschlichen »Ghostwritern« in veröffentlichungsfähige Form gebracht wurden, stammte tatsächlich von Blavatsky selbst. Im Fall von Isis unveiled war es Olcott, im Fall von The Secret Docti'ine zwei englische Brüder, die diese Aufgabe übernahmen, nachdem der ursprünglich von Blavatsky vorge­ sehene Herausgeber nach der Lektüre ihres chaotischen ersten Entwurfs den Auftrag abgelehnt hatte.110Beide Bücher spiegelten in gewisser Weise die ursprüngliche Absicht der Theosophischen Gesellschaft wider, »die Schriften des Hermes und der Veden« zu erforschen, wenn auch nicht im streng wissenschaftlichen Geist. Isis Unveiled bestand weitgehend aus Plagiaten aus verschiedenen Standardwerken über den Okkultismus und die Hermetik (134 Seiten aus Samuel Dunlaps Söd, the Son o f Man, 107 Seiten aus Joseph Ennemosers History o f Magic, und so fort), wäh­ rend sich The Secret Doctrine stark auf John Dowsons Classical Dictio­ nary o f Hindu Mythology and Religion, Horace Wilsons kommentierte Übersetzung des Vishnu Purana und andere solcher Werke stützte.111 Dieser geistige Diebstahl liegt vollkommen auf der Linie der Briefe Tuitit Beys an Olcott sowie auch des angeblichen Umgangs Blavatskys mit fiktiven tibetischen Mahatmas (aufgestiegene Meister) der »Großen Weißen Bruderschaft«. Diese waren offenbar von den Romanen des bri­ tischen Kolonialsekretärs (1858—66) und Amateurokkultisten Sir Ed­ ward Bulwer-Lytton inspiriert und entsprachen auch Blavatskys beinahe zwanghaftem Produzieren von paranormalen Phänomenen während ih­ rer Seancen.112 Diese betrügerischen Machenschaften wurden 1884 auf­ gedeckt, zunächst durch eine Untersuchung der Londoner Society for Psychical Research, einer seriösen Organisation, wie sie die Theosophische Gesellschaft selbst hätte werden können, hätte man sie Olcotts Führung überlassen. Zu ihren Mitgliedern zählten der Philosoph Harry Sidgwick, Premierminister William Gladstone und der Dichter Alfred Lord Tennyson. Die Wirkung dieses vernichtenden Ermitdungsberichts wurde noch verstärkt durch die Aussage eines enttäuschten Theosophen, der Einzelheiten der tatsächlichen Erzeugung bestimmter paranormaler

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Phänomene enthüllte. Er führte sogar vor, wie eine falsche Täfelung in einem Raum in Adyar, dem Hauptsitz der Gesellschaft, funktionierte.113 Es mutet ironisch an, dass Blavatskys Plagiate das Geheimnis ihrer Büchererfolge gewesen sein könnten. Die Beliebtheit der Theosophie beruhte nicht auf den Tricks und Taschenspielereien, wie etwa der Ver­ wendung von Bambusstangen, um »materialisierte« Briefe hinunter­ schweben zu lassen. Viel eher lässt sich ihr Erfolg durch die W iedergabe klassischer religiöser Ideen in einer zeitgemäßen (und oftmals modisch pseudowissenschaftlichen) Terminologie erklären, die von kom petenten Autoren wie Olcott ediert wurde. Wäre Blavatsky nicht durch die Auf­ deckung ihrer Betrügereien diskreditiert worden, vermittels derer sie vermudich vor ihrer Bekanntschaft m it O lcott ihren Lebensunterhalt bestritt, hätte sich die Theosophie, die in ihren (plagiierten) Büchern zum Ausdruck kam, zu einer der führenden Weltreligionen entwickeln können, anstatt im Verlauf des 20. Jahrhunderts allmählich zu verblas­ sen.114

Der Martinisten-Orden Kaum hatte sich Guenons erster Meister Encausse in Paris der theosophischen Loge Isis angeschlossen, begann er für eine französische theosophische Zeitschrift zu schreiben: Le Lotus, Revue des Hautes Etudes Theosophiques. Er schrieb nicht über Theosophie, sondern über sein an­ deres Hauptinteresse, die Initiation, die in der traditionalistischen Philo­ sophie das dritte Grundelement ist. Laut Encausse vermittelte die T heo­ sophie Initiationen aus Indien, wo die »uralte W ahrheit noch immer fortbestehe«, wohingegen in der zeitgenössischen Freimaurerei Spiritua­ lität durch politische und materielle Interessen verdrängt worden sei, obwohl ihre Rituale sich von uralten Initiationen herleiteten. Daraus entwickelte sich in leicht abgewandelter Form die traditionalistische Auffassung der Initiation.115 Ganz allgemein lassen sich bei jeder Initiation ein esoterischer und ein exoterischer Aspekt unterscheiden. Die klassische christliche Initia­ tion ist die Taufe. Deren exoterische Bedeutung besteht darin, dass sie den Eintritt der Person in die christliche Gemeinschaft markiert, wäh-



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rend (in der katholischen Theologie) ihre esoterische Bedeutung darin besteht, dass sie dem neuen Christen den Zugang zur göttlichen Gnade eröffnet und so zu der Möglichkeit der Erlösung, die andernfalls nicht bestünde.116Es war der esoterische Aspekt nicht-christlicher Initiationen wie etwa der Freimaurer, der Encausse interessierte, und später auch Guenon und die Traditionalisten. Die Ursprünge der Maurerei oder »Freimaurerei« sind unklar. Die Maurerei setzte sich aus Praktiken zusammen, die (durch Encausses Zutun) zum Traditionalismus beitrugen und die später wieder durch den Traditionalismus Abwandlung erfuhren. Die wahrscheinlichste Er­ klärung für ihre Entstehung ist die Verpflanzung während des 16. und 17. Jahrhunderts von Elementen der Hermetik auf bereits bestehende Handelsgilden in Schottland. Die schottischen Steinmetze des 16. Jahrhunderts waren wie auch an­ dere Handwerker der damaligen Zeit in Zünften organisiert. Doch we­ gen der Besonderheiten der Maurerarbeit bildeten ihre Zünfte Beson­ derheiten aus. Während die meisten Handwerke und Zünfte sesshaft waren und sich in jeder Stadt relativ leicht organisieren ließen, erforder­ ten große Bauprojekte die Einstellung zahlreicher Steinmetze und Mau­ rer aus verschiedenen Ortschaften, die oft während eines Projekts vor Ort auf der Baustelle lebten. Diese Situation führte zu zwei Abänderun­ gen im Standardsystem der Zünfte. Als Erstes entstanden die »Logen« vor Ort, provisorische Verbände, parallel zu den ständigen Zünften, für deren erste das Jahr 1483 verzeichnet ist. Als Zweites wurde ein System geheimer Erkennungssignale entwickelt, um qualifizierte Maurer zu identifizieren. »Freie Maurer« waren somit die, die zu einer Zunft zuge­ lassen bzw. die »zunftfrei« gemacht worden waren. Innerhalb einer Stadt wusste natürlich jedes Zunftmitglied, wer sonst noch dazugehörte. Auf einer Großbaustelle, die Maurer von weither anzog, war dies aber nicht der Fall, und es war durchaus möglich, dass einer darunter war, der nicht die richtige Qualifikation besaß.117 Wie andere Zünfte besaßen auch die Maurer ihre Berufsgeheimnisse und etwas, was man als ihre »Gründungsmythen« bezeichnen könnte. Zu diesen zählten der Mythos der Entwicklung des Maurerhandwerks vor der Sintflut durch Jabal, den Sohn des Lamech, sowie die anschlie­ ßende Wiederentdeckung der Geheimnisse des Jabal durch Hermes Tris-

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megistus. Dem folgten der Transit dieser Geheimnisse von Altägypten nach Jerusalem zur Zeit des Tempelbaus und die anschließende Weiter­ gabe dieser Geheimnisse an Europa. Hinweise auf Hermes bei den M au­ rern wurden offenbar mit Interesse vermerkt seitens der Herrschaften, denen die Rolle, die Ficino und seine Nachfolger dem Hermes zuschrie­ ben, vertraut war. Der erste dieser Herren war wahrscheinlich W illiam Schaw, der Werkmeister für das Königreich Schottland, der im Jahre i 598~99 die schottischen Freimaurer neu organisierte. Schaw war ein Höfling und entstammte einer Familie von Höflingen. Er war 1584 durch Frankreich gereist und unterhielt Kontakt zu Alchemisten und Hermetikern.118 Ob durch Schaws Vermittlung oder auf andere Art und Weise, am Ende des 17. Jahrhunderts hatten die symbolische und hermetische Überlieferung, die für die Renaissance charakteristisch waren, die schot­ tische und englische Freimaurerei vollständig umgewandelt. Ab 1630 traten immer mehr Herrschaften (die als »nonoperatives«, Nicht-Aktive, bezeichnet wurden) den schottischen und englischen Logen bei. 1723 und 1738 wurden die Constitutions von James Anderson, einem nach Sü­ den verzogenen Schotten, in England verkündet, was den Beginn der Freimaurerei, wie wir sie heute kennen, bekundete.119Um 1736 waren die ersten Logen in Frankreich eröffnet worden.120 Während sich die Freimaurer über das wirkliche Wesen und den Zweck der Freimaurerei streiten mögen, verfolgten im 19. Jahrhundert verschiedene Gruppen von Maurern sehr unterschiedliche Ziele. Ein Historiker beschrieb einmal die Freimaurerei sehr treffend als »eine wan­ delhafte Einrichtung, die Form und Inhalt je nach ihren Um ständen und Mitgliedern verändert. Sie könnte den institutionellen Rahmen für fast jede religiöse oder politische Überzeugung liefern.«121 In den 1880er Jahren waren einige französische Logen vornehmlich politisch ausge­ richtet und bekannten sich oft zu einem heftigen Atheismus. Einige Lo­ gen verwendeten sich für Philanthropie und gute Gemeinschaft, andere widmeten sich eher der spirituellen Entwicklung. Encausse wandte sich an all diese Gruppen, aber sein Appell ging hauptsächlich an die, die sich für spirituelle Entwicklung einsetzten. Noch im selben Jahr, da Encausse in der theosophischen Loge Isis Aufnahme fand, verwickelte er sich in einen Streit m it einem führenden

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französischen Theosophen. Dies führte dazu, dass Colonel Olcott eingreifen musste, die Loge Isis aufgelöst und eine neue theosophische Loge namens Hermes gebildet wurde, zu deren schriftführendem Sekretär Encausse ernannt wurde (dieselbe Machtstellung, die Blavatsky in der Theosophischen Gesellschaft innehatte). Im Zuge dieser Ereignisse gründeten Encausse und einige seiner Anhänger eine Monatszeitschrift namens Vinitiation}21 In deren erster Ausgabe setzte Encausse seine An­ griffe auf die zeitgenössischen Freimaurer fort und beschwerte sich über ihre Unwissenheit, da sie nicht einmal die Symbolik ihrer eigenen Riten verstünden. Kurz darauf gründete er seinen Martinisten-Orden, der eine neue Maurerei »auf einem solideren Fundament« darstellen sollte.123Der Orden war an keine der drei rivalisierenden Freimaurer-Großlogen an­ geschlossen, die damals in Frankreich existierten. Als Ergänzung des neofreimaurerischen Martinisten-Ordens grün­ dete Encausse 1889 eine »Unabhängige Gruppe fiir esoterische Studien«, zu deren erklärter Zielsetzung es gehörte, Menschen für den Eintritt in den Martinisten-Orden und die Theosophische Gesellschaft vorzuberei­ ten und den Perennialismus zu verbreiten. Encausse verkündete, »dass es nur eine Wahrheit gibt und dass keine Schule und keine Religion sie für sich allein beanspruchen kann. [...] In jeder Religion finden sich Mani­ festationen der einigen Wahrheit.«124 Später schloss sich Guenon der Studiengruppe wie auch dem Orden an. Die Ziele der Unabhängigen Gruppe für esoterische Studien waren zwar mit den Ideen der Theosophie vereinbar, doch der Martinisten-Or­ den war es nicht. Die fiktiven tibetanischen Adepten, von denen Bla­ vatsky ihre Befugnis abzuleiten versuchte, hatte sie als Eingeweihte be­ schrieben. Demzufolge war sie selbst in einige der Mysterien eingeweiht worden, doch das Erteilen der Weihe an andere durch neomasonische Orden (wie dem Martinisten-Orden) war nie Teil von Blavatskys Plan.125 Sowohl die Unabhängige Gruppe für esoterische Studien als auch der Martinisten-Orden bedrohten die Autorität Blavatskys, und zu diesem Zeitpunkt waren Splittergruppen ein häufiges Problem für die theoso­ phische Führung. Blavatsky verlegte sich daher darauf, eine neue Zeit­ schrift zu gründen, La revue theosophique, in der sie Encausse beschul­ digte, sich zugunsten der Freimaurerei von der Theosophie abgekehrt zu haben. Encausse reagierte darauf, indem er die Zeitschrift Le volle d ’Isis

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(Der Schleier der Isis) gründete, in sarkastischer Anspielung auf eines der beiden großen Werke Blavatskys, Isis Unveiled (Entschleierte Isis) und mit der deutlichen Intention, gegen Blavatsky und die Theosophen zu polemisieren. Wie wir schon sahen, wurde Le voile dlsis später zur wichtigsten Zeitschrift der Traditionalisten. Sie erschien bis ins Jahr 1992, mehr als ein ganzes Jahrhundert. Der ursprüngliche Herausgeber von Le voile dlsis war Henri Chacornac, dessen Sohn Paul die Zeitschrift 1933 in Etudes traditionelles (Traditionalistische Studien) um benannte. Henri Chacornac heiratete Marie-Pauline Lermina, die Tochter von Ju­ les Lermina. Letzterer war ein beliebter und erfolgreicher Autor, der m it Vorliebe okkulte Themen behandelte und zu den bekannteren M it­ wirkenden bei Vinitiation gehörte, der Zeitschrift Encausses. Sein neuer Schwiegervater bildete ihn zum Verleger und Buchhändler aus (damals oft: gleichzeitig ausgeübte Tätigkeiten). Er veröffentlichte den gefeierten Dichter Paul Verlaine, die Bücher seines Schwiegervaters und eine Reihe anderer Autoren. Es war vermutlich Lermina zu verdanken, dass Cha­ cornac zum Herausgeber von Le Voile dlsis ernannt wurde. Nach seinem Tode führten seine beiden Söhne Paul und Louis sein U nternehm en weiter, Paul als Herausgeber und Louis als Geschäftsführer.126 Nachdem es zwischen Encausse und Blavatsky zu offener Feindse­ ligkeit gekommen war, verließen einige Theosophen die theosophische Loge Hermes und entschieden sich für den M artinisten-Orden. D ie verbliebenen Theosophen lösten bald ihre Loge Hermes auf. Encausse sorgte für die Verbreitung seiner Organisation in Frankreich und im Ausland. Um die Jahrhundertwende gab es Hunderte von M artinistenlogen und verwandten Gruppierungen, von Amerika bis ins Zaren­ reich.127

Der Templer-Orden Im Jahre 1906 trat Guenon der Freien Schule für hermetische W issen­ schaften bei (wie die umbenannte Unabhängige Gruppe für esoterische Studien jetzt hieß) und schloss sich dem neomasonischen M artinistenOrden an sowie einer weiteren irregulären Freimaurerloge namens H umanidad (Menschheit), die zwar in Frankreich ihren Sitz hatte, aber

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spanischer statt französischer Obedienz unterstand. Alle diese Organisa­ tionen waren zu dieser Zeit zu okkultistischen Pauschalvereinen gewor­ den. Die Freie Schule für hermetische Wissenschaften bestand aus einer Reihe von Gruppen und Abteilungen, zu denen eine Abteilung für Initiatische Studien zählte (der Encausse am nächsten stand) sowie eine Gruppe zur Untersuchung paranormaler Phänomene und eine Gruppe für Aktivitäten zur Förderung des weiblichen Intellekts.128 Die Abteilung für das Paranormale neigte zu Tricks und Taschenspielerei, wie man es von Blavatsky her kannte, wie etwa dem »Materialisieren« von Briefen, Haaren und dergleichen mehr.129 Der Martinisten-Orden in Paris be­ saß vier Logen: Sphinx (für allgemeine Studien), Hermanubis (für die orientalische Tradition), Velleda (für Freimaurerei und Symbolik) und Sphynge (für das Künstlerische).130 Logen im Ausland waren mehr oder weniger sich selbst überlassen. Die Gründer einiger dieser Logen waren Encausse nie persönlich begegnet, sondern hatten nur mit ihm korres­ pondiert.131Ein späterer Großmeister des Martinisten-Ordens, Constant Chevillon, schreibt, dass der Martinismus von Encausse »das Opfer ei­ nes allzuweit gespannten Eklektizismus wurde [...]. Er repräsentierte in der spirituellen Welt das, was in der Tierwelt die Klasse der Wirbellosen darstellt.«132 Encausses Aktivitäten waren von Anfang an mit dem frühen Femi­ nismus verbunden. Es bestanden zahlreiche wechselseitige Mitglied­ schaften zwischen den Theosophen um Encausse und den Anhängern der Polin Anna de Wolska, die 1889 einen internationalen Kongress für Frauenarbeit und Werkstätten in Paris organisierte. Die ersten Treffen der Unabhängigen Gruppe für esoterische Studien fanden in der Biblio­ thek von Anna de Wolska statt. Bis zu Encausses ehrbarer Eheschließung im Jahr 1895 war de Wolska seine Geliebte.133 Encausse und der Marti­ nismus waren nicht nur mit dem Feminismus, sondern mit den meisten anderen alternativen Bewegungen jener Zeit verknüpft: Homöopathie, Anarchismus, Tierrechte und natürlich mit allem, was mit alternativer Spiritualität zusammenhängt - mit der Freimaurerei, dem hermetischen Okkultismus, dem Vedanta, dem Baha’ismus und alternativen Wissen­ schaften - mit nahezu allem, außer dem römisch-katholischen Christen­ tum. Das von dem Soziologen Bryan Wilson entwickelte Konzept des

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»kultischen Milieus« ist sehr nützlich, um dieses Konglomerat von Alter­ nativen zu verstehen. Laut Wilson gibt es in modernen westlichen Ge­ sellschaften ein Milieu, das er als »kultisch« bezeichnet, in dem sich vie­ les von dem, was von der dominanten Kultur abgelehnt wird, ansammelt: alternative Therapien, alternative Glaubensrichtungen und m ehr oder weniger alternative Lebensformen. In der Regel gehören Menschen wie Ideen mehr einem allgemeinen Milieu an als einer ganz bestimmten Gruppe innerhalb dieses Milieus. Die Bindungen und Zugehörigkeiten der einzelnen Teilnehmer sind leicht zwischen den verschiedenen G rup­ pen und Ideen verschiebbar, und die Gruppen sind untereinander durch ein gemeinsames Netz von Publikationen und Veranstaltungsorten ver­ knüpft.134 Wilson entwickelte sein mittlerweile berühm t gewordenes Konzept, um das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts zu beschreiben, aber sein Modell passt gleichermaßen auf das Ende des 19. Jahrhunderts. Die ursprünglichen Ziele der Unabhängigen Gruppe für esoterische Studien waren unvergessen, und Guenon scheint sie ernst genommen zu haben, auch wenn Encausse selbst dies später anscheinend nicht m ehr tat. Diese Ziele bestanden in der Entdeckung der philosophia perennis, die Encausse als das »ursprüngliche Licht« bezeichnet hatte. Encausse und seine seriöseren Anhänger übergingen die Forschungen Casaubons zur Datierung des Corpus Hermeticus und beharrten in dem Glauben, die philosophia perennis sei aus altägyptischen Quellen durch Hermes überkommen, und sahen in deren Weitergabe die Quelle der Initiation. Encausse folgte auch Blavatsky und sogar Burrow in Bezug auf die H in­ dus, indem er die »indische Tradition« als »das am längsten bestehende historische Beispiel von Kontinuität einer religiösen Exoterik« betrach­ tete. Seine Unabhängige Gruppe für esoterische Studien hatte som it die Aufgabe, »diese exoterischen Überreste« des Hinduismus »im Lichte der lückenlos übertragenen Tradition«, d. h. der initiatischen Tradition des Hermes, wieder zusammenzusetzen.135 Guenon vertiefte sich demnach in das Studium des Hinduismus und machte sich außerdem ergänzend auf die Suche nach einer ununterbrochenen initiatischen Tradition. Er war der Erste von vielen Traditionalisten, die diesen Weg beschritten. Wie Guenon sein Wissen über den Hinduismus erwarb, ist ein Rät­ sel, das schon verschiedene traditionalistische Biographen Guenons be­ schäftigt hat. In Anbetracht der Bedeutung, die der Traditionalismus

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später der »authentischen« Übertragung von Meister auf Schüler bei­ maß, suchten die Traditionalisten nach den Hindu-Meistern Guenons, allerdings ohne wesentlichen Erfolg. Allgemein nimmt man an, dass er von »irgendwelchen Hindus« in Paris »eingeweiht« wurde. Obwohl es sich nicht mit absoluter Sicherheit feststellen lässt, hat es mit einiger Wahrscheinlichkeit solche Meister überhaupt nicht gegeben, und Gue­ nons Verständnis des Hinduismus stammte ausschließlich aus seiner Lektüre der Texte und Arbeiten, die ihm damals in Paris zugänglich wa­ ren.136 Guenon hat dies niemals bestritten, und er reiste auch nie nach Indien. Guenon hatte damals keinen besonderen Grund zu bezweifeln, dass er berechtigt sei, über den Hinduismus zu schreiben, ohne ihn un­ mittelbar erlebt zu haben, wenngleich diese Folgerung späteren Tradi­ tionalisten unannehmbar scheinen mag. Damit wäre er nur dem Vor­ bild vieler angesehener früher Orientalisten gefolgt, deren Arbeit sich fast ausschließlich anhand von Texten vollzog. Gelegentlich stützte er sich jedoch auf Texte, die Fachgelehrte allgemein für zweifelhaft erach­ teten.137 Seine Suche nach der Initiation führte Guenon in einen ersten Kon­ flikt mit Encausse. Guenon verzweifelte offenbar an der martinistischen Initiation, und nach zwei Jahren fand er auf eigene Faust eine bessere, die auf Jacques de Molay (1243-1314) zurückging, den letzten Großmeis­ ter des Templer-Ordens. Diesen Kreuzritterorden hielten viele für den Hüter initiatischer Geheimnisse, die in und um Jerusalem erworben worden waren. Die Anweisungen Jacques de Molays, die Guenon 1908 während einer Seance übermittelt wurden, betrafen die Wiedererrichtung des Templer-Ordens. Guenon machte sich mit Hilfe fünf anderer Martinisten an die Gründung eines Ordre du temple renove (Erneuerter TemplerOrden). Einer seiner Gehilfen verhalf Guenon zu der Adressenliste des Martinisten-Ordens. Zwei dieser Martinisten wurden zu treuen Anhän­ gern Guenons, welche die ganzen 1920er Jahre hindurch zu ihm stan­ den und zu den Hauptmitwirkenden an seiner Zeitschrift Le Voile d ’Isis bzw. ßtudes traditionnelles zählten. Einer von ihnen war der Marine-In­ genieur Alexandre Thomas, eine wichtige Figur in der frühen Geschichte des Traditionalismus, der sich angewidert von der Theosophischen Ge­ sellschaft abgewandt hatte.138Der andere war Patrice Genty, ein Mitglied

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der von Encausse geleiteten irregulären Freimaurer-Loge H umanidad. Der exzentrische Genty war ein Angestellter der städtischen Gasgesellschaft. Er verbrachte seine Vormittage m it dem Ablesen des Zählerstands von Gaszählern und seine Nachmittage in der Nationalbibliothek. Seine kleine Wohnung war so mit Büchern vollgestopft, dass kaum Platz blieb für Besucher.139 Der »Erneuerte Templer-Orden« traf sich in den Räumen der Freien Schule für Hermetische Wissenschaften unter dem Deckmantel einer Gesellschaft für höhere religiöse und philosophische Studien. Was genau bei diesen Zusammenkünften geschah, bleibt ungewiss. Die Episode des Erneuerten Templer-Ordens empfand Guenon in späteren Jahren als peinlich und äußerte sich nur ungern darüber.140 Als Encausse von diesen Umtrieben W ind bekam und vom Verlust seiner Adressenliste erfuhr, fühlte er sich natürlich in seiner A utorität bedroht. Er muss sich noch deutlich an die Auswirkungen der G rün­ dung seines eigenen Martinisten-Ordens auf die französische Theoso­ phie erinnert haben. Guenon und einige andere (darunter Thom as und Genty) wurden daraufhin aus dem M artinisten-Orden und aus der Loge Humanidad ausgeschlossen. Die verbleibenden Neotempler unter­ stellte Encausse wieder seiner eigenen Autorität. Guenons Erneuerter Templer-Orden scheint seine Aktivität eingestellt zu haben, obwohl er erst 1911 offiziell aufgelöst wurde.141

Weitere Perennialisten Der Martinismus und die Theosophie waren höchst erfolgreiche Mas­ senbewegungen, deren Beliebtheit sich zum Teil dadurch erklären lässt, dass beide so gut wie nichts ausschlossen. Der Traditionalismus dagegen war nie allumfassend und zielte nicht auf ein Massenpublikum, obwohl doch auch Versuche der Massenbeeinflussung gemacht wurden. Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen dem Traditionalismus und sei­ nen Vorläufern im 19. Jahrhundert war der gänzliche Mangel an evolu­ tionärem Optimismus. Blavatsky glaubte, dass »wir den absteigenden Kreisbogen vollendet und unsere Rückkehr zur G ottheit angetreten ha­ ben, die Erde sowie auch die darauf lebende Menschheitsfamilie. Im Exil

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der Gottesferne, verlorene Söhne in der Fremde, haben wir uns auf die Heimreise gemacht.«142 Auch Emerson unterscheidet sich von Guenon in zwei wichtigen Aspekten, die beide aus der romantischen Bewegung stammen: die Spiritualität der Natur und die Verehrung menschlicher Originalität, im Gegensatz zur überlieferten Tradition, die Emerson in einem allgemeineren Sinne verstand als Guenon. Anklänge an die Na­ turspiritualität lassen sich im späteren Traditionalismus finden, aber die Verehrung der Originalität ist das wahre Gegenstück zum Traditionalis­ mus. 1836 schrieb Emerson: »Die uns vorausgegangenen Generationen erblickten Gott und die Natur von Angesicht zu Angesicht. Warum sollten nicht auch wir, durch ihre Augen, eine ursprüngliche Beziehung zum Universum ge­ nießen? [...] Warum sollten wir nicht eine Poesie und eine Philo­ sophie der Einsicht statt einer der Überlieferung haben und eine an uns gerichtete religiöse Offenbarung anstelle der historischen Überlieferung der ihren? [...] In den Wäldern ist die ewige Jugend. Innerhalb dieser Pflanzungen Gottes [...] werde ich zu einem durch­ sichtigen Augapfel; ich bin nichts, ich sehe alles. Die Ströme des uni­ versellen Wesens zirkulieren in mir. Ich bin ein Teil oder ein Stück Gottes.«143 Guenon nahm da eine wesentlich pessimistischere Haltung ein. Dies waren also die Wurzeln von Guenons Perennialismus. In aller Kürze wollen wir uns nun Ananda Coomaraswamy und den Ursprün­ gen von dessen Perennialismus zuwenden. Trotz seines Namens war Coomaraswamy Engländer. Sein Vater Mutu stammte aus der tamilischen Bevölkerung Ceylons, war aber ein höchst anglisierter Tamile, der oft nach England reiste. Mutu war der erste Inder, der in England die Zulassung als Anwalt erwarb (1860 von Lincolns Inn als Barrister aufgenommen). 1874 wurde er geadelt und 1876 vom Erzbischof von Canterbury mit einer Engländerin getraut. Ananda Coomaraswamy wurde in Ceylon geboren, doch als er zwei Jahre alt war, beschloss sein Vater Sir Mutu nach England zu ziehen, um bei der Parlamentswahl zu kandidieren. Der damalige britische Premier Benjamin Disraeli unter­ stützte ihn bei diesem Vorhaben. Sir Mutu starb jedoch, bevor er Eng-

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land erreichte. Ananda wuchs daraufhin in Kent bei der Familie seiner Mutter auf.144 Er kann keine Erinnerung an seinen Vater oder an Ceylon Soweit uns bekannt ist, waren Coomaraswamys Erziehung und Schulbildung vollkommen englisch, auch wenn die wahrscheinlichen Reaktionen seiner Mitschüler am Wycliffe College auf seinen Nachna­ men und seine Hautfarbe ihm vermutlich das Gefühl vermittelten, er sei kein Engländer. An der Universität studierte er Geologie und Botanik und wurde 1903 zum Assistenzprofessor (»Fellow«) am University Col­ lege in London ernannt. Im Jahre 1902 heiratete er Ethel Partridge und erbte 1905 ein beträchtliches Vermögen.145 Der Weg vom wohlhabenden englischen Geologen zum amerikani­ schen Kunsthistoriker und Traditionalisten war ein langer. Er führte zu­ nächst über die Bewegung des antikolonialen Nationalismus. Kurz nach seiner Heirat bewarb sich Coomaraswamy für den Posten des Direktors an der Ceylon Mineralogical Survey, den er ab 1903 innehatte. Im Jahr 1904 hatte er ein Erlebnis, von dem er später oft sprach. In einem abge­ legenen Dörfchen erblickte er eines Morgens beim Frühstücken eine ceylonesische Frau mit ihrem Kind. Beide trugen »verschmutzte und verwahrloste« westliche Kleidung, was auf eine christliche Bekehrung hindeutete. »Es waren einheimische Konvertiten zu einer fremden Reli­ gion und einer fremdartigen Bekleidung«, bemerkte er, »die beide gleich unnatürlich und missverstanden anmuteten.« In ähnlichem Sinne äu­ ßerte er sich zwei Jahre später in Jaffna vor einem ceylonesischen Publi­ kum: »Es ist für jeden von uns, der nicht in England aufgewachsen ist, schwer, die hoffnungslose Unzulänglichkeit unserer Nachahmungsver­ suche zu begreifen. Für Engländer ist die Absurdität offensichdich, doch uns offenbart sie sich nicht.«146 Diese Absurdität hatte sich Coomaras­ wamy offensichtlich sehr wohl offenbart, und es sieht ganz danach aus, als hätte Coomaraswamys Konversion zum ceylonesischen Nationalis­ mus sehr viel mit einem überaus englischen Gefühl der Peinlichkeit zu tun, angesichts des misslungenen Nachäffens alles Englischen seitens seiner Landsleute väterlicherseits. Ein weiterer Faktor war verm udich der Einfluss seiner Cousins Ponnambalam Ramanathan und Sir Ponnambalam Arunachalan, die beide in der nationalistischen Bewegung aktiv waren.147

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Im Jahre 1906 gründete Coomaraswamy die Ceylon Social Reform Society (Gesellschaft für die soziale Reform Ceylons), deren Ziel eine kulturelle und nationale Wiederbelebung war. Jener Morgen des Jahres 1904 war in seiner Erinnerung haften geblieben: Das Übernehmen »ei­ nes Furniers von westlichen Sitten und Bräuchen, während die wahren Elemente wesdicher kultureller Überlegenheit fast völlig außer Acht ge­ lassen werden«, habe zu »einer Vernachlässigung der überlegenen Ele­ mente in der Kultur und Zivilisation des Ostens« geführt, einer Ver­ nachlässigung, die Coomaraswamy nunmehr beheben wollte. Zu den spezifischen Zielen der Ceylon Social Reform Society gehörten die Ver­ einigung »der östlichen Rassen Ceylons«, Schulerziehung in den Lan­ dessprachen anstatt auf Englisch, »die Wiederbelebung einheimischer Künste und Wissenschaften« und schlussendlich »der Schutz alter Bau­ ten und Kunstwerke«.148 Die Ceylon Social Reform Society scheint nicht viel bewirkt zu ha­ ben, und Coomaraswamy konzentrierte seine Bemühungen auf alte Bauten und Kunstwerke. Wahrscheinlich war es seine Frau Ethel, die seine Aufmerksamkeit auf diesen Sektor lenkte. Sie war von Beruf Pho­ tographin und ihr Bruder Fred Partridge an William Morris’ Arts and Crafts-Bewegung beteiligt. Im Jahre 1906 organisierte Coomaraswamy eine Ausstellung für Kunsthandwerk in Ceylon. 1907 kehrte er nach England zurück, wo er 1908 ein Buch über die mittelalterliche Kunst Ceylons publizierte149und auf dem Dritten Internationalen Kongress fiir Religionsgeschichte über die Beziehung von Kunst und Religion in In­ dien vortrug. 1910 war er in eine öffentlich ausgetragene Auseinander­ setzung über indische Kunst verwickelt, deren Schauplatz die Leserbrief­ spalten von The Times und anderen Zeitungen waren. Sie begann damit, dass Sir George Birchwood, der zu dieser Zeit den Vorsitz über die indi­ sche Abteilung der Royal Society of Arts innehatte, verkündete, es gäbe keine »schönen Künste« in Indien, und auf den Einwand, eine be­ stimmte Buddhastatue sei durchaus ein Beispiel für Kunst, etwas unvor­ sichtig geantwortet hatte: »Dieses unsinnige Abbild in seiner unwandel­ bar starren Haltung ist nicht mehr als ein einfallsloses Messingbildnis [...] ebenso gut könnte eine Dampfnudel als Symbol leidenschaftsloser Lauterkeit und seelischer Gelassenheit dienen.« Diese Kontroverse gip­ felte in der Gründung der India Society, deren erklärtes Ziel es war, die

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Ansichten der Birdwoods dieser Welt zu bekämpfen. Coomaraswamy spielte eine Hauptrolle bei diesem Unterfangen.150 Trotz seines Umsattelns von Geologie und ceylonesischem N ationa­ lismus zur Kunstgeschichte verlor Coomaraswamy keineswegs sein Inte­ resse an der Politik. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, nahm er öf­ fentlich Stellung gegen eine indische Beteiligung aufseiten Britanniens. Als die Wehrpflicht, von der er betroffen war, eingeführt wurde, verließ er England und ging nach Amerika. 1916 wurde er zum Kurator der Ab­ teilung für indische Kunst im Boston Museum o f Fine Arts ernannt. Dies erfolgte auf das Drängen eines Mitglieds des Stiftungsrates, das Coomaraswamys beachtliche Sammlung indischer und ceylonesischer Kunst kaufte und dem Museum stiftete. Es war vermutlich dieser Kauf, der Coomaraswamy bewog, sich in Amerika niederzulassen, anstatt nach Indien zu ziehen, da es ihm nicht gelungen war, in Indien für sein Pro­ jekt einen Mäzen zu finden, der seine Sammlung als Grundstock eines nationalen Museums für indische Kunst erworben hätte.151 Während dieser Geschehnisse beschritt Coomaraswamy einen geisti­ gen Weg, durch den er um 1914 zum Perennialisten geworden war. Die früheste Beeinflussung ging von William Morris’ Arts and Crafts-Bewe­ gung aus. Coomaraswamys Begeisterung für Morris veranlasste ihn, die isländische Sprache zu erlernen, denn Morris war ein Verehrer nordi­ scher Literatur.152Als Coomaraswamy 1907 nach England zurückkehrte, verwandte er beträchtliche Summen für die Unterstützung von Charles Asbees Guild and School of Handicraft (Gilde- und Handwerksschule). Sein Buch über mittelalterliche singhalesische Kunst wurde sogar m it einer Druckerpresse der Keimscott Press gedruckt, die Morris speziell für die illustrierte Ausgabe der Werke Geoffrey Chaucers entwickelt hat­ te und die Coomaraswamy von Charles Asbee erworben hatte.153 D urch Morris wurde bei Coomaraswamy die Bereitschaft für die antim oder­ nistischen Elemente des Traditionalismus gefordert. Die wichtigste Vorbereitung auf den Traditionalismus erfuhr Coo­ maraswamy jedoch zweifellos durch seine Blake-Lektüre. W illiam Blake, der große englische Dichter und Maler des ausgehenden 18. und begin­ nenden 19. Jahrhunderts, war mit dem ursprünglichen Perennialismus der Renaissance (Ficino und andere) durch einen Zeitgenossen, den englischen Neoplatoniker Thomas Taylor, vertraut.154Vor seiner Abreise

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nach Amerika war Coomaraswamy auch mit William Butler Yeats be­ freundet, dem irischen Dichter, Okkultisten und Blake-Anhänger. Um 1914 hatte Coomaraswamy den Perennialismus offenbar schon fiir sich entdeckt, denn in diesem Jahr schrieb er in dem Artikel »The Religious Foundations of Life and Art«, das Werk Blakes enthalte »das Wesentliche der Religion, das bereits in den Hieroglyphen und Veden zu finden ist und schon von Christus und Orpheus und Krishna, LaoTse, Eckhart und Rumi gelehrt wurde«.155 Im Jahre 1914 war Coomaras­ wamy zwar Perennialist, aber noch kein Traditionalist. Im selben Arti­ kel schrieb er zuversichdich, dass »die Religion der Zukunft die Freiheit als des Lebens Inhalt, Pflicht und Sinn verkünden wird, die körperliche wie die geistige Freiheit, die götdichen Künste der Imagination auszu­ üben«.156 Hier klingt er fast wie Emerson, den er ebenfalls gelesen hat­ te.157 Er mag sich auch einer der okkultistischen Gruppen um Aleister Crowley angenähert haben. Angeblich wurde Coomaraswamys Ehefrau Ethel 1916 von Crowley geschwängert. Die Ehe der Coomaraswamys wurde anschließend geschieden.158 Dieses Ereignis hat vermutlich dazu beigetragen, Coomaraswamys Begeisterung für den Okkultismus zu dämpfen, wodurch er für den Traditionalismus Guenons empfänglicher wurde und dadurch für die Idee, dass nicht so sehr die Religion der Zukunft zählt als die Tradition der Vergangenheit. Aber selbst nach­ dem er Traditionalist geworden war, blieb Coomaraswamy in manchen Punkten seiner früheren Anschauung treu. Er leistete dadurch einen un­ verkennbaren Beitrag zur traditionalistischen Philosophie, indem er ihr einen ästhetischen Akzent verlieh, der letztlich auf Blake und Morris zurückzufiihren ist.

3. G n o s t i k e r , T a o i s t e n u n d S u f i s

Nachdem sich Guenon auf die Episode des Templer-Ordens hin von seinem ersten Meister Gerard Encausse getrennt hatte, war er noch nicht ganz bereit, einen völlig unabhängigen Kurs zu steuern. So schloss er sich 1909 der Universellen gnostischen Kirche an, einer Organisation, die dem okkultistischen Milieu nahestand. Hier begegnete er einer zent­ ralen Figur des frühen Traditionalismus, dem Taoisten G raf AlbertEugene Puyou de Pouvourville. Von ihm übernahm Guenon das zweite Grundelement der traditionalistischen Philosophie, das Konzept der In­ version, was sich zunächst in der Feindseligkeit gegen den zeitgenössi­ schen Katholizismus ausdrückte. Guenons erste Zeitschrift, La Gnose> war an die Universelle gnostische Kirche angegliedert, und hier wurden auch die ersten erkennbar traditionalistischen Beiträge Guenons veröf­ fentlicht sowie die eines anderen Anhängers von de Pouvourville, des Sufis Ivan Agueli, der in der Geschichte des westlichen Sufismus eine wichtige Rolle spielt.

Neo-Gnostizismus Die Universelle gnostische Kirche wurde um 1888 von Jules-Benoit Doinel begründet, einem Archivar in Orleans. Doinel bezog die Inspira­ tion für seine Kirche aus Angaben zum Gnostizismus, die in zwei Texten des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts Vorkommen, in den Philosophoumena des Hippolytus und den Adversos Haereses des Bischofs Irenaeus von Lyon, sowie aus seinen eigenen Visionen. Doch seine Kir­ che unterschied sich erheblich von der ursprünglichen Gnosis des zwei­ ten Jahrhunderts. Diese war nicht so sehr eine gesonderte Gruppe als eine theologische Strömung innerhalb der frühchristlichen Kirche ge­ wesen, hauptsächlich in Ägypten. Ihre Lehren wurden später als »gnos­ tische Ketzerei« verdammt. Die Gnostiker des zweiten Jahrhunderts

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glaubten an eine Form von kontinuierlicher Offenbarung und an die Möglichkeit der unmittelbar persönlichen Gotteserfahrung, die für eine gnostische (wissende) Elite erreichbar sei. Die Gnostiker unterschieden sich in vielerlei Hinsicht von dem Gebilde, aus dem sich später die ka­ tholische Kirche entwickeln sollte. Diese Unterschiede waren bis 1945, als die koptischen Nag-Hammadi-Texte aus dem dritten Jahrhundert entdeckt wurden, nicht bekannt.159 Im 19. Jahrhundert waren die Gnos­ tiker hauptsächlich aus den feindseligen Darstellungen der Kirchenväter bekannt, zu denen die beiden von Doinel benutzten Texte gehören. Da ihm jegliche Quellen für gnostische Rituale abgingen, griff Doinel auf die Riten der Katharer und andere Quellen zurück, die seiner Annahme zufolge vom ursprünglichen Gnostizismus abstammten.160 Nachdem er von drei Katharerbischöfen und einem authentischen katholischen Bi­ schof in Utrecht die Weihe empfangen hatte, gründete Doinel die Uni­ verselle gnostische Kirche, als deren Patriarch er sich ausgab (als Valentinus II.).161 Doinel wurde theosophischen und martinistischen Kreisen vorge­ stellt, und verschiedene frühe Martinisten traten seiner Kirche bei, ein­ schließlich Encausse und Leonce Fahre des Essarts. Letzterer war ein Dichter, der damals mit Encausse an dessen Zeitschrift L’initiation zu­ sammenarbeitete und beim französischen Erziehungsministerium ange­ stellt war.162 Im Jahre 1891 verurteilte die Kongregationsbehörde in Rom die Wiederbelebung der gnostischen Häresie und setzte gleichzeitig Encausses Zeitschrift Lmitiation auf den Index.163 Die Universelle gnosti­ sche Kirche durchlief 1894 eine Krise, als Doinel infolge einer Vision, in der ihm der heilige Stanislaus Kostka erschien, dem Gnostizismus ab­ schwor und zur katholischen Kirche zurückkehrte. Als Akt der Reue schrieb er daraufhin ein Buch, Lucifer demasque, das die Universelle gnostische Kirche, den Martinismus und die Freimaurerei als Satans­ werk anprangerte.164 Doinels Buch war nur eines vieler ähnlicher Schrif­ ten, die zu jener Zeit erschienen,165und gehörte einem Genre an, zu dem später auch Guenons Bücher Theosophisme und Uerreur spirite beitru­ gen. Zu diesem Zeitpunkt brach die Universelle gnostische Kirche in zwei Gruppen auseinander. Die eine Gruppe bestand aus Martinisten, die eine »Katholische gnostische Kirche« bildeten, die andere Gruppe wurde

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von Fahre des Essarts übernommen, der sich von Encausse abwandte und der ursprünglichen Universellen gnostischen Kirche als Patriarch Synesius Vorstand.166 Fahre des Essarts weihte 1909 Rene Guenon zum Bischof Palingenius von Alexandrien, und auch Guenons treue M itstrei­ ter aus dem Templer-Orden, Alexandre Thomas und Patrice Genty, wurden in die Kirche aufgenommen.167 Es war dies die dritte »Initiation« Guenons, nach der martinistischen und der neotemplerischen.

D e Pouvourville Ein weiteres Mitglied der Universellen gnostischen Kirche war G raf Albert de Pouvourville, den Guenon noch 1918 als »einen meiner Meis­ ter« bezeichnete.168 Hineingeboren in eine adlige Familie m it M ilitärtra­ dition, war de Pouvourville an die Elitemilitärakademie in Saint Cyr geschickt worden, doch er lehnte sich gegen die abgedroschene Fami­ lientradition und den ihm vorgezeichneten Lebensweg auf. 1884 nahm er seinen Abschied von der französischen Armee. Er verpflichtete sich der Fremdenlegion und wurde ins damals französische Indochina ge­ schickt, wo er an den Kolonialkriegen Frankreichs teilnahm. Irgendwo in Südvietnam desertierte er, verließ die Legion und schloss sich verm ut­ lich als Flüchtling zwei Triaden (Geheimgesellschaften) an, den T ’ien-ti hui und den Bac Lieu. Die Triaden waren starke Gegner der französi­ schen Besatzung, was sie gegenüber einem Deserteur mild gestimmt ha­ ben mag. Wie alle Triaden war auch die T ’ien-ti hui chinesischen Ursprungs. Sie kam im 18. Jahrhundert nach Vietnam, ab 1875 traten ihr viele Viet­ namesen bei. Der Ursprung der Bac Lieu ist unbekannt.169 Die vietna­ mesischen Triaden waren zu dieser Zeit weniger philosophisch und text­ bezogen als ihre chinesischen Vorbilder, sie verfolgten eher wirtschaftliche und soziale sowie religiöse Ziele. Sie ähnelten stark den Freimaurerorga­ nisationen, was die ersten westlichen Forscher, die sich dam it beschäftig­ ten, faszinierte. Ihre Riten, zu denen komplexe Initiationsriten gehör­ ten, stammten zwar aus taoistischen, buddhistischen und in geringerem Maße konfuzianischen Quellen, doch wurden sie von Vietnamesen und Ausländern gleichermaßen einfach als »taoistisch« bezeichnet.170 De

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Pouvourville selbst beschrieb seine Aufnahme in die Triaden als eine »taoistische Initiation«. Vor den möglichen negativen Folgen seiner Desertion aus der Frem­ denlegion bewahrte de Pouvourville die Intervention seines Vaters, der ein höherer Offizier mit guten Verbindungen war. Da der jüngere de Pouvourville die vietnamesische Sprache erlernt hatte, wurde er zu Sondereinsätzen herangezogen, zunächst als Dolmetscher, danach als Inspektor im Außenministerium. Nach seiner Verwundung bei derTonkin-Kampagne (1890-91) kehrte er nach Frankreich zurück und veröffendichte sein erstes Buch mit dem Titel Le Tonkin actuel.171 Darin verurteilte er heftig die Kolonialpolitik Frankreichs, wobei er den Kolo­ nisten die Unkenntnis einheimischer Sprachen und der wahren Verhält­ nisse vor Ort vorwarf.172 Nach einer weiteren Mission ftir das Ministe­ rium der Schönen Künste, die ihn 1892 erneut nach Indochina führte, begann de Pouvourville seine zweite Karriere als Schriftsteller und Jour­ nalist in Paris. Er schrieb über koloniale Themen in Zeitschriften wie dem Journal des Sciences militaires, La depeche coloniale und Le courrier de Saigon. Seine literarische Produktion war bemerkenswert: Neben der journalistischen Tätigkeit veröffendichte de Pouvourville zwischen 1894 und 1911 etwa ein Buch pro Jahr, zunächst über chinesische Kunst und indochinesische Geschichte.173 Sein erfolgreichster Titel De Vautre cöte du mur: recits chinois des guerres de 1883 (Von der anderen Seite der Mauer: Chinesische Berichte über die Kriege des Jahres 1883) erlebte zwischen 1887 und 1935 funfundvierzig Auflagen.1741898 wurde er zum Mitglied des französischen Kolonialinstituts ernannt und dann zum Präsidenten der Veteranenvereinigung der Fremdenlegion, wobei seine jugendliche Desertion entweder vergessen oder nie bekannt geworden 1 7 5 war.1 Ab den 1890er Jahren schrieb de Pouvourville zunehmend über spiri­ tuelle Themen und veröffentlichte Übersetzungen von Lao-Tses Tao Te King.m Wie Guenon frequentierte er eine Zeitlang den Zirkel von Encausse und schrieb für dessen Zeitschrift Linitiation, doch ebenso wie Guenon brach er dann mit Encausse. Im Jahr 1904 gründete de Pou­ vourville seine eigene Zeitschrift in Konkurrenz zu der von Encausse und schloss sich der Universellen gnostischen Kirche an.177 In drei zwi­ schen 1904 und 1907178 veröffentlichten Büchern trat er als antikatholi-

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scher Perennialist auf. Er unterschied zwischen »Religion« und »Reli­ gionen« (»liebe die Religion und misstraue den Religionen«) und be­ hauptete, die Kirchenväter hätten die Lehren, die sie empfangen hatten, zerstört,179womit er indirekt die Universelle gnostische Kirche rechtfer­ tigte, die sich auf eine christliche Tradition berief, die vor den Kirchen­ vätern bestanden hatte. Ein früher Artikel Guenons, »La religion et les religions« (1910), ver­ dankt nicht nur seinen Titel der von de Pouvourville getroffenen U n­ terscheidung. Guenon erkennt »unseren Meister und Mitstreiter« de Pouvourville als den Urheber der Idee an, es könne nur eine einzige »pri­ mordiale Lehre« geben und dass »parasitäre Vegetation nicht m it dem wahren Baum der Tradition verwechselt werden darf«. Trotz dieser Aner­ kennung gab es, wie wir sahen, auch noch andere und wichtigere Q uel­ len für den Perennialismus Guenons. Im Prinzip war es nicht der Peren­ nialismus, den Guenon von de Pouvourville übernahm, sondern der m it Nachdruck betonte Grundsatz, dass solch »parasitäre Vegetation« zu vermeiden sei, in diesem Fall die katholische Kirche.180 Dies ist eine indi­ rekte Quelle, aus der sich das Konzept der »Inversion« in der traditionalistischen Philosophie entwickelte. Eine andere wichtige Überzeugung Guenons war die vermeintli­ che Bedrohung des Westens. Sie ist ebenfalls auf de Pouvourville zu­ rückzuführen. De Pouvourville war besessen von dem Bedürfnis, die »weißen Rassen« gegen die »gelbe Rasse« verteidigen zu müssen, die so­ eben aus ihrem Schlummer zu erwachen schien. D er beklagenswerte russisch-japanische Krieg von 1905, in dem die Russen m it beschämen­ der Geschwindigkeit unterlagen, hatte die Dringlichkeit einer solchen Verteidigung deutlich werden lassen. Überdies wurde sie durch die au­ ßergewöhnlichen und wenig bekannten philosophischen und soziologi­ schen Errungenschaften der »gelben Rasse« verdeutlicht.181 Die Verteidi­ gung der »weißen Rassen« sollte auf zwei Ebenen stattfinden. Die eine war die französisch-deutsche Entente, die de Pouvourville in Le Continent, einer ab 1906 monatlich erscheinenden, zweisprachig französisch­ deutschen Zeitschrift befürwortete und die er gemeinsam m it einem nicht identifizierbaren Dr. Hans Richter aus Berlin bearbeitete.182 Ande­ rerseits sollten Versuche unternommen werden, die westliche Kontrolle über philosophische und soziologische Ressourcen der Chinesen zu si-

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ehern, ähnlich wie spätere Imperialisten die westliche Kontrolle über das arabische Erdöl zu sichern versuchten. Dies war vermutlich nicht die Motivation de Pouvourvilles, als er sich als Deserteur aus der Fremden­ legion den Triaden anschloss, aber 1906 war es zu seiner Zielvorstellung geworden. Es ist von Interesse, obwohl von geringerer Bedeutung, dass de Pouvourville offensichtlich das Opium zu den chinesischen Ressourcen zählte, die der Westen nutzen sollte. Einer seiner Essays war »L’opium, sa pratique« (Das Opium und seine Verwendung).183 Er schrieb 1906 auch in seiner französisch-deutschen Zeitschrift Le Continent über die­ ses Thema und hielt 1908 eine Vorlesung darüber an der Hochschule für wirtschaftliche Studien. Der Text dieser Vorlesung wurde später vom Komitee der französischen Kolonialkongresse veröffentlicht. Laut de Pouvourvilles Neffen gelang es ihm sogar, den französischen Kolonialminister Albert Sarraut zu überreden, mit ihm Opium zu rauchen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg begannen die europäischen Länder, den Ge­ brauch von Opiaten zu beschränken und schließlich zu verbieten. Sehr wahrscheinlich war es de Pouvourville, der Guenon in den Gebrauch des Opiums eingefuhrt hat.184

Ivan Agueli Zu der Gruppe um de Pouvourville und La Gnose gehörte noch ein weiterer wichtiger Anhänger des Perennialismus ä la Pouvourville, der schwedische Maler Ivan Agueli.1851910 schloss sich Agueli de Pouvour­ ville und Guenon an, nachdem er Alexandre Thomas in der esoterischen Buchhandlung La Librairie du Merveilleux begegnet war, in der Thomas aushalf. Thomas war einer jener Martinisten, die Guenon in den Temp­ ler-Orden und danach in die gnostische Kirche gefolgt waren. Agueli trat der Universellen gnostischen Kirche bei und begann für La Gnose zu schreiben.186 La Gnose verstand sich als das offizielle Organ der Universellen gnos­ tischen Kirche. Guenon und Thomas hatten die Zeitschrift gemeinsam gegründet und gaben sie gemeinschaftlich heraus. In La Gnose erschien auch Guenons Aufsatz »La religion et les religions«, von dem vorher

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schon die Rede war. Guenon nutzte seine Zeitschrift eine Zeitlang als Plattform, um eine persönliche Hetzkampagne gegen Encausse auszutra­ gen, ganz so, wie der jüngere Encausse Le Voile dfsis für seine Polemik gegen Blavatsky nutzte. Danach erschien in La Gnose eine Reihe von Artikeln, die im Wesentlichen formulierten, was später der Traditionalismus beinhalten sollte. Diese Artikel bildeten später Guenons erstes Buch, die Introduction generale. Die meisten Beiträge waren von Guenon verfasst und hatten den Hinduismus zum Thema, aber Agueli schrieb auch eine Reihe von Artikeln über den Sufismus und den Islam. Zwanzig Jahre später sollten der Islam und insbesondere der Sufismus für Guenon und andere Traditionalisten eine zentrale Bedeutung erlangen. La Gnose war nicht die einzige Zeitschrift, in der Guenon damals schrieb. 1909 verfasste er mit Thomas und einem anderen Ex-Martinisten einen gemeinsamen Brief an Abel Clarin de la Rive, den Heraus­ geber von La France chretienne, in dem sie Encausse angriffen. Jene ka­ tholische Zeitschrift hatte 1894—95 unter ihrem früheren Herausgeber Leo Taxil187 eine Kampagne gegen Encausse und den M artinismus ge­ führt. Als Guenon einen Artikel in La Gnose veröffentlichte, der die U n­ logik des damals üblichen freimaurerischen Hochgradsystems kritisch betrachtete, druckte ihn Clarin de la Rive im folgenden Jahr bereitwillig in La France chretienne ab. Clarin de la Rive nahm auch eine Einladung Guenons an, an einer Zeremonie der Universellen gnostischen Kirche teilzunehmen, die ihn offenbar beeindruckte. Er freundete sich m it Guenon an, und La France chretienne begann gegen die gnostische ka­ tholische Kirche von Encausse zu polemisieren, nicht aber gegen die Universelle gnostische Kirche, der Guenon angehörte. Guenon schrieb nun regelmäßig Leserbriefe und in der Folge auch Artikel für die Zeit­ schrift Clarin de la Rives, die ab 1913 den präziseren Namen La France anti-magonnique (Antifreimaurerisches Frankreich) führte.188 Guenons Beteiligung an La France chretienne bzw. La France anti-magonnique be­ deutet nicht, dass er selbst katholisch oder antifreimaurerisch geworden war. Wie wir noch sehen werden, war er während dieser Zeit praktizie­ rendes Mitglied einer Freimaurerloge und hatte nach wie vor eine ge­ ringe Meinung von der katholischen Kirche. Es bedeutete lediglich, dass ihm Clarin de la Rives Zeitschrift gelegen kam. Sie bot ihm eine Platt­ form in seiner Fehde gegen Martinisten, atheistische Maurer und an-

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dere, die seiner Meinung nach eine gefährlich falsche Auffassung von Spiritualität und Religion verbreiteten. 1911 wurde Guenon von de Pouvourville in seine Triade eingeweiht. Ebenfalls wurden Guenon und ein anderer Gnostiker, Leon Champrenaud, von Agueli in den Shadhiliyya-Arabiyya-Sufiorden aufgenommen und nahmen die muslimischen Namen Abd al-Wahid und Abd al-Haqq an (von diesem Orden wird später ausführlicher die Rede sein). Hierbei handelte es sich jedoch nicht, wie manchmal fälschlich behauptet wird, um Konversionen im landläufigen Sinne des Wortes. Nichts weist dar­ aufhin, dass Guenon im Jahre 1911 etwa den Islam praktizierte oder sich an taoistische oder buddhistische Moralprinzipien hielt, jedenfalls nicht vor seiner Ankunft in Ägypten im Jahre 1930.189 In Anbetracht der wichtigen Rolle, die der Sufismus und der Islam nach 1930 für Guenon und für den Traditionalismus insgesamt spielten, wollen wir nun darauf eingehen, wie es kam, dass Agueli Einweihungen in einen Sufiorden vornehmen konnte, und wie es sich mit Aguelis Islam verhielt. Einzugehen ist auch auf den Islam zweier weiterer zeitgenössi­ scher wesdicher Sufis. Obwohl Agueli Schwede war, verbrachte er den Großteil seines Erwachsenenlebens in Frankreich und Ägypten, nachdem er aus künst­ lerischen und vielleicht auch persönlichen Gründen im Alter von ein­ undzwanzig Jahren sein Vaterland verlassen hatte. In Sala, seiner mittel­ schwedischen Geburtsstadt, war er von drei Schulen verwiesen worden, und seine Eltern waren gegen die von ihm gewählte Künstlerkarriere.190 Wahrend der Belle Epoque gab es für einen ernsthaften Künstler kein anderes Ziel als Paris, und so zog es auch Agueli 1890 dorthin. Er stu­ dierte und malte im Atelier von Emile Bernard, einem Maler, der in Kontakt mit Paul Gauguin und Paul Cezanne gestanden hatte. Agueli beteiligte sich auch an vielen anderen Bewegungen, die im Künstler­ milieu und der Alternativszene von Paris statthatten, insbesondere dem Anarchismus, dem Feminismus und der Theosophie, in die er 1891 von Bernard eingeführt wurde und die er niemals vollständig verwarf.191 Bald nach seinem Beitritt in die Theosophische Gesellschaft wurde Agueli in enge Beziehungen zu Marie Huot verwickelt, einer verheira­ teten französischen Theosophin, die ein wenig älter war als er. Sie war Anarchistin, Vegetarierin und Tierschutzaktivistin. Einmal unterbrach

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sie eine Vorführung Louis Pasteurs an der Sorbonne, und nur die Intervention Ferdinand de Lesseps rettete sie vor dem Zorn der Pasteur-An­ hänger. Sie bekleidete auch das Amt der Sekretärin bei der Liga gegen Vivisektion und gründete Frankreichs erstes Hospiz für Tiere.192 Außer­ dem verfasste sie Gedichte, aber bestenfalls mittelmäßige.193 Es ist nicht klar, ob Aguelis nahe Beziehungen zu H uot romantischer N atur waren, sie dauerten jedenfalls über viele Jahre. Huot war indirekt dafür verantwortlich, dass Agueli m it dem Sufis­ mus in Kontakt kam. Seine durch sie entstandene Verbindung zu den Anarchisten führte 1894 zu einer kurzen Haftstrafe, während der er den Qur’an zu lesen begann. Nach seiner Freilassung bezahlte H uots Ehe­ mann Aguelis Schiffspassage nach Ägypten.194 Warum Agueli Ägypten als Reiseziel wählte, ist nicht klar. Aus geographischen und sprachlichen Gründen wäre Nordafrika für einen am Islam interessierten Pariser das näherliegende Ziel gewesen. Vielleicht dachte Agueli an eine Weiterreise nach Indien, da er Interesse am Hinduismus hatte und die Standard­ route von Europa nach Indien damals über Ägypten führte.195 Nach seinem ersten Besuch in Ägypten im Jahre 1894—95 kehrte Agueli der Malerei für einige Jahre den Rücken und ging nach Paris zurück, um dort an der Ecole des Langues Orientales Arabisch zu stu­ dieren, in diesem Bereich die führende französische Bildungsinstitution. Er studierte dort auch Sanskrit bei Sylvain Levi, dem Indologen, der später Guenons Doktorthese ablehnte. Agueli wurde außerdem Muslim und kehrte nach Ägypten zurück.1961900 gelangte er bei einem Besuch in Frankreich zu flüchtiger Berühmtheit. Marie H uot engagierte sich gegen die Einführung des spanischen Stierkampfstils in Frankreich, bei dem der Stier getötet wird, was beim Stierkampf im französischen Stil nicht geschieht. Agueli begleitete H uot zur Stierkampfarena und schoss auf den Matador. Man könnte dies als erstes Beispiel einer traditionalistischen (oder prototraditionalistischen) Terroraktion werten, obwohl es weniger von theoretischen Überlegungen als von Aguelis Verhältnis zu Huot bestimmt war. Der Matador überlebte, und wegen der öffent­ lichen Sympathie für Huots Anliegen wurde gegen Agueli nur eine Bewährungsstrafe verhängt. Die Befürworter des spanischen Stierkampf­ stils nahmen Abstand von den Bemühungen, ihn in Frankreich einzu­ führen.197

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Nach Kairo zurückgekehrt, engagierte sich Agueli 1902 zusammen mit dem Italiener Enrico Insabato gegen die kolonialistische Politik. Wie Agueli hatte auch Insibato einen anarchistischen Hintergrund, und er war ebenfalls Freimaurer, aber soweit bekannt ist, kein Theosoph. Er war jedoch ein Geheimbeauftragter Giovanni Giolittis (von 1903 bis 1905 italienischer Premierminister), mit dem er in direkter Verbindung stand. Weder das Außenministerium noch die italienische Gesandtschaft in Kairo unterstützten ihn, vielmehr verachteten sie ihn. Sein Ziel war ein Bündnis zwischen dem aufkeimenden italienischen Imperialismus mit dem Islam.198Wie die deutsch-französische Entente, die de Pouvourville vorschwebte, wurde dieses Vorhaben niemals realisiert, und die letzte Hoffnung schwand im italo-osmanischen Krieg von 1911—1912. Zu den erfolgreichen Projekten Insabatos vor dieser Katastrophe gehörten eine riwaq-Gründung (ein College) fiir Tripolitaner an der AI-Azhar Univer­ sität in Kairo und eine italienisch finanzierte Moschee in Kairo, die nach König Umberto I. benannt und 1906 fertiggestellt wurde.199Für den Tra­ ditionalismus von größerer Bedeutung war die Gründung der islamistischen Zeitschrift, Al-Nadi / II Convitoy die zweisprachig in Italienisch und Arabisch erschien und für die sowohl Agueli als auch Insabatos ägyptischer Hauptbefurworter Abd al-Rahman Illaysh schrieben. Abd al-Rahman Illaysh war der Sohn des angesehenen Gelehrten Muhammad Illaysh, seit 1854 Maliki-Mufti und somit Inhaber eines der zwölf wichtigsten Ämter in der islamischen Hierarchie Ägyptens. Nach­ dem sein Vater aus politischen Gründen festgenommen und im Gefäng­ nis verstorben war, floh Abd al-Rahman nach Damaskus.200 Dort wurde er zu einem engen Gefährten des Amirs Abd al-Qadir, des Führers des algerischen Widerstands, der in seinen letzten Lebensjahren von den Franzosen für sein staatsmännisches Geschick geehrt wurde und der un­ ter syrischen Muslimen für seine Kenntnis der Schriften des großen mit­ telalterlichen Sufi-Theoretikers Muhyi al-Din ibn al-Arabi hochgeach­ tet war.201Abd al-Rahmans Verbindung zu Insabato kann somit als eine Fortsetzung der antibritischen Aktivitäten seines Vaters gesehen werden. Möglicherweise spielte auch Insabatos Freimaurerei eine Rolle, da Abd al-Qadir ebenfalls Freimaurer war.202 Später trat bei Illaysh in Bezug auf Insibato offenbar eine Ernüchterung ein. Er lehnte dessen Angebot ab, ihn zum Shaykh al-Islam (Doyen islamischer Gelehrter) Äthiopiens er-

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nennen zu lassen. 1909 distanzierte er sich von Insibatos Plänen und wandte sich stattdessen dem Projekt einer französisch-arabischen Annä­ herung zu.203 In seiner Zeitschrift A l-N adi!II Convito betonte Illaysh die Bedeu­ tung Ibn al-Arabis und kündigte die Gründung einer Gesellschaft für Ibn al-Arabi-Studien in Italien und im Orient an;204 über dieses Projekt ist jedoch weiter nichts bekannt. Er weckte auch Aguelis Interesse an Ibn al-Arabi, in dessen Lehren Agueli später die geheime oder essenzielle Lehre des Islam sah. Ibn al-Arabi ist für alle Sufis in der islamischen Welt eine wichtige Persönlichkeit, aber für die meisten Traditionalisten, die den Spuren Aguelis folgten, nahm er überragende Bedeutung an. Die Wertschätzung Ibn al-Arabis im späteren Traditionalismus geht letzdich auf den Amir Abd al-Qadir zurück. Agueli wurde durch Illaysh auch in einen Sufiorden eingeweiht, in die Shadhiliyya Arabiyya. Es gab damals in Ägypten Hunderte solcher Orden, von denen einige lediglich einen angenehmen Rahmen für die religiöse Praxis frommer Muslime schufen, während andere einer klei­ nen Zahl von Gläubigen den Weg zur mystischen Gotteserfahrung wei­ sen konnten. Wie auch der Traditionalismus unterscheidet der Islam zwischen Exoterik (zahir) und Esoterik (batin), und m it diesen Begrif­ fen beschreiben die Sufis zuweilen das Verhältnis zwischen dem Sufis­ mus und dem Nicht-Sufi-Islam der breiten Masse. Der Islam der Mas­ sen befasst sich mit dem zahir, dem Exoterischen, während der Sufismus den Zugang zum esoterischen batin erschließt, zur reinen Spiritualität. Betont wird jedoch, dass der Sufiweg innerhalb des Islam stattfindet. Die gewissenhafte Einhaltung der islamischen Gebote im äußerlichen Leben ist die Voraussetzung für den Zugang zum batin. Der Sufiorden von Illaysh, die Shadhiliyya Arabiyya, wurde im 17. Jahrhundert gegründet und erlebte im späten 18. Jahrhundert seine Blütezeit. Ulayshs Vater Muhammad hatte die Führung des Ordens nach dem Tod seines Vaters übernommen, aber zu diesem Zeitpunkt befand sich der Orden bereits im Niedergang. Es war für einen Gelehrten wie Muhammad Illaysh nicht ungewöhnlich, das Amt eines Muftis m it der Führung eines Sufiordens zu verbinden. Aber für ihn stand eindeutig die Rolle des Gelehrten und des Politikers und nicht des Sufis im Vorder­ grund. Unter seinem Sohn Abd al-Rahman scheint die Shadhiliyya Ara-

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biyya keine aktiven Mitglieder mehr gehabt zu haben.205 Nach sufistischem Verständnis spielte es jedoch keine Rolle, dass die Shadhiliyya Arabiyya als Organisation nicht mehr existierte. Jeder, der die ijaza, die Erlaubnis dazu besitzt, ist berechtigt, Außenstehende in den Orden ein­ zuweihen, unabhängig davon, ob der Orden noch aktive Anhänger hat oder nicht. Natürlich kann ein Orden ohne Mitglieder kaum als bedeu­ tend oder erfolgreich bezeichnet werden. Illaysh weihte Agueli nicht nur in die Shadhiliyya Arabiyya ein, sondern erteilte ihm auch die ijaza, an­ deren die Weihe zu übertragen. 1909 kehrte Agueli nach Paris zurück, wo er wegen seines extrava­ ganten Verhaltens Aufsehen erregte. Er war von cholerischem Tempera­ ment und neigte zu langen Reden über unbeliebte Themen wie etwa die Vorzüglichkeit des Anarchismus. Oft trug er einen Turban oder arabi­ sche Kleidung.206 Ein solches Betragen wurde von Künstlern der Belle Epoque fast erwartet. Sie hatten eine »systematische Technik des Skan­ dals entwickelt, um in der Öffentlichkeit mit ihren Ideen aufzuwarten«. Aguelis berühmterer Zeitgenosse, der Dramatiker Alfred Jarry, der das richtungsweisende Stück Ubu Roi (König Ubu) schrieb, streifte als Rennradfahrer gekleidet und mit Pistolen im Gürtel durch die Straßen von Paris.207Zu diesem Zeitpunkt begegnete Agueli de Pouvourville und nutzte die ijaza, die er von Illaysh empfangen hatte, um Guenon und Leon Champrenaud in die Shadiliyya Arabiyya einzuweihen. Agueli war nicht der einzige westliche Sufi des frühen 20. Jahrhun­ derts, aber er ist der erste Westler, von dem bekannt ist, dass er einen authentischen Zweig eines Sufiordens in Europa begründete, wenn auch nur von kleiner Größe. Die vielleicht bekannteste westliche Sufi-Adeptin jener Zeit war Isabelle Eberhardt, eine französische Journalistin und Romanautorin, die als Kind russischer Eltern in Genf geboren wurde (der deutsche Familienname ist auf ihre Großmutter mütterlicherseits zurückzufiihren, sowohl sie als auch ihre Mutter waren von unehelicher Geburt).208 Eberhardts Schriften stellten die Wüste und das Leben der Araber aus romantischer Sicht dar, was sich in Frankreich als sehr popu­ lär erwies. Sie waren das algerische Äquivalent zu Pierre Lotis ungeheuer beliebten Romanzen, die in der osmanisch-türkischen Welt spielten. Auch das Leben Eberhardts wird oft romantisch verklärt, und das Bild der unerschrockenen Französin, die als Araber verkleidet der Gefahr

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trotzte und die Missbilligung der Kolonialisten auf sich nahm, übt eine anhaltende Faszination aus. Infolgedessen wurde Eberhardt zu einer Art feministischer (und in zweiter Linie antikolonialer) Ikone.209 Eberhardts Vater, Alexander Trofimowski, war als Leibeigener gebo­ ren und diente dem ersten Mann ihrer Mutter, einem Offizier, als Haus­ lehrer. Trofimowski verließ Russland zusammen mit Eberhardts M ut­ ter und deren ersten drei Kindern und ließ sich in der Schweiz nieder, wo Eberhardt geboren wurde. Trofimowski war ein radikaler Sozialist und Atheist, der Tolstoi und Bakunin folgte. Er erzog seine Tochter Isa­ belle auf ähnlich radikale und nonkonformistische Weise, indem er sie in Latein und Griechisch unterrichtete, was damals in der Regel aus­ schließlich Knaben beigebracht wurde. Er ermutigte sie ferner zum Tra­ gen männlicher Kleidung.210 Eberhardt lernte auch Arabisch, möglicher­ weise von ihrem Vater, der sich für den Islam als antikolonialistische Kraft begeisterte. Zu den Freunden ihres Vaters gehörte James Sanua, ein ägyptischer Jude italienischer Herkunft, der 1878 nach Paris gezogen war.211 Sanua wurde ein enger Freund Eberhardts, seit 1896 standen sie im Briefwechsel. Auch machte er sie mit verschiedenen Tunesiern be­ kannt. Mit einem von ihnen korrespondierte sie über religiöse Fragen.212 Der Trofimowski-Haushalt löste sich auf, und die zwanzigjährige Eberhardt und ihre Mutter zogen 1897 nach Agerien. Eines ihrer H alb­ geschwister blieb in der Schweiz, die beiden anderen kehrten nach Russ­ land zurück, wo sie beide später Selbstmord begingen. In A gerien hielt Eberhardt sich und ihre Mutter durch ihre journalistischen A b eiten über Wasser, die in gewisser Weise den Werken Pierre Lotis nachempfun­ den waren. Sie schockierte die dortige französische Kolonialgesellschaft: durch ihr Verhalten, indem sie nicht nur Männerkleidung trug, sondern sich als Araber kleidete, Haschisch rauchte und betrunken in der Ö f­ fentlichkeit auftrat, außerdem mit einer großen Anzahl von algerischen Männern schlief. Die Franzosen schockierte sie wiederum dadurch, dass sie sich als Muslima und als Sufi bezeichnete.213 Unklar bleibt, wie und wann Eberhardt zum Islam konvertierte. Ihr Vater scheint sich vor seinem Tode zum Islam bekannt zu haben, wahr­ scheinlich eher aus politischer Solidarität als aus religiöser Überzeu­ gung.214 Auch Eberhardt könnte schon gut vor ihrer Abreise nach A gerien Muslim geworden sein. Der Übertritt zum Islam ist technisch

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gesehen sehr einfach: Es bedarf keiner längeren Unterweisung oder ir­ gendwelcher besonderen Formalitäten. Man muss lediglich vor zwei volljährigen, zurechnungsfähigen muslimischen Zeugen das islamische Glaubensbekenntnis auf Arabisch aussprechen: »Ich bekenne, dass es keinen Gott gibt außer Allah, und ich bekenne, dass Muhammad Allahs Gesandter ist.« Wer diese Worte spricht, ist damit Muslim geworden und fortan verpflichtet, sich an die Vorschriften der shana zu halten, welche die Gesetzesgrundlage des Islam ist, die unter anderem das Tra­ gen von gegengeschlechtlicher Kleidung verbietet, das Haschischrau­ chen missbilligt und Alkoholkonsum und außerehelichen Sex untersagt. Eberhardt scheint also keine besonders gute Muslimin gewesen zu sein, oder, um es anders auszudrücken, ihr Verständnis dessen, was es bedeu­ tet, Muslim zu sein, schloss die sorgfältige Einhaltung der Gebote der shana nicht mit ein. Es ist nicht geklärt, ob Eberhardt die sharia in anderer Hinsicht be­ folgte. Die sharia besteht nicht nur aus Verboten, sondern auch aus Ge­ boten, welche die vom Islam geforderten oder geförderten religiösen Praktiken festlegen, wie das rituelle Gebet, das regelmäßige Fasten, das Almosengeben und dergleichen. Das Almosengeben dürfte nicht das Problem gewesen sein, denn nach dem, was uns über Eberhardts oft desolate finanzielle Verhältnisse bekannt ist, dürfte sie von dieser Pflicht befreit gewesen sein. Die Verpflichtung des Fastens und Betens betrifft jedoch ausnahmslos alle. Es gibt natürlich viele gebürtige Muslime, die nicht regelmäßig beten, aber das Fasten im Ramadan halten beinahe alle ein. Leider gibt es keine verlässlichen Berichte darüber, ob Eberhardt das Gebot des Fastens und des Betens einhielt oder nicht. Im Gegensatz zu den Verboten der shana nahm Isabelle Eberhardt gewisse Sufipraktiken durchaus ernst. Sie war mit zwei verschiedenen Sufiorden verbunden, mit der Qadiriyya und der Rahmaniyya.215 Zwei Jahre nach ihrer Ankunft in Algerien trat sie der Qadiriyya bei, und 1901 unternahm sie einen Rückzug (khalwa), eine Sufi-Praxis, die sich un­ wesentlich von katholischen Exerzitien unterscheidet. Im Jahr darauf nahm sie die schwierige Reise nach Bu Sada im Süden Algeriens auf sich, um eine Rahmani Scheicha (Haupt eines Sufiordens) zu treffen. Scheicha Zaynab bint Muhammad ibn Abi 1-Qasim war die Tochter und Nachfol­ gerin eines der berühmtesten algerischen Scheichs des 19. Jahrhunderts,

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Muhammad ibn Abi 1-Qasim, und allein schon dadurch bemerkenswert, dass sie eine Scheicha, ein weiblicher Scheich war, was damals wie heute nur sehr selten vorkommt.2161903 besuchte Eberhardt die Scheicha Zaynab erneut. 1904 unternahm sie einen zweiten Rückzug, dieses Mal m it einem Qadiri-Scheich in Kenadsa, was ebenfalls im Süden des Landes liegt. Solche Scheichbesuche wären von einem normalen algerischen Sufi zu erwarten, und bei einem Algerier wären die beiden Rückzüge Zeichen wahrer Hingabe an den Pfad der Sufis. Ende 1904, kurz nach ihrem zweiten Rückzug, kam Eberhardt zu­ sammen mit vielen anderen im Alter von 27 Jahren bei einer Über­ schwemmung ums Leben. Vor ihrem Tod hatte sie bereits an Malaria und womöglich an Syphilis gelitten und alle ihre Zähne verloren. Trotz ihrer antikolonialen Einstellung belieferte sie zu jener Zeit den französi­ schen Kommandanten Hubert Lyautey, mit dem sie womöglich auch eine Liebesbeziehung unterhielt, mit Geheimdienstinformationen über den algerischen Widerstand.217 Als eine zum Islam Übergetretene, die die sharia weitgehend igno­ rierte, aber Sufi-Scheichs aufsuchte und spirituelle Rückzüge beging, war Eberhardt eine eher ungewöhnliche Muslimin, mehr Sufi als Mus­ lim, möchte man vielleicht sagen. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts fand die Auffassung, dass der Sufismus sich vom Islam sondern lasse, im Wes­ ten weite Verbreitung. Wesentlich ist jedoch, dass man sich bewusst macht, dass diese Auffassung eine rein westliche ist und dass der nicht­ islamische Neo-Sufismus, der in Europa und Amerika aufgekommen ist, ein ausschließlich westliches Phänomen ist.218 In Algerien und anderswo in der islamischen Welt waren und sind der Islam und der Sufismus un­ trennbar miteinander verwoben. Sufis sind per definitionem Muslime, und die religiösen Praktiken eines Sufi basieren auf der sorgfältigen Ein­ haltung der shana. Eberhardts Einstellung zur Religion wäre für die meisten Muslime unverständlich gewesen, mit Ausnahme vielleicht ih­ res Scheichs, da die großen Scheichs für die vielen Wege des mensch­ lichen Herzens Spezialisten sind. Was es wirklich mit Eberhardts Übertritt zum Islam auf sich hat, werden wir wohl nie erfahren. Es mag sich weniger um einen religiösen Akt gehandelt haben als um ein Mittel, sich mit der offenbar geliebten algerischen Welt zu identifizieren und die ihr verhasste französische Welt

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zurückzuweisen. Es ist aber auch denkbar, dass sie im Sufi-Islam wahr­ haft spirituelle Tröstung fand, aber nicht bereit oder nicht in der Lage war, die mit dem Sufiweg unvereinbaren Elemente ihres Lebensstils auf­ zugeben. Ein dritter westlicher Sufi derselben Zeit war Rudolf Freiherr von Sebottendorf (eigentlich Adam Glauer). Sein Sufismus war so bruch­ stückhaft wie der Eberhardts und vermutlich wie der Aguelis im west­ lichen Okkultismus begründet. Sebottendorf ist eine bemerkenswerte Figur in der Geschichte des westlichen Sufismus. Seine spirituellen In­ teressen galten in erster Linie der Alchemie und der Freimaurerei. Er hing einer etwas Emersonschen Form des Perennialismus an und teilte mit Emerson und Blavatsky die Überzeugung, dass der materialistische Westen der orientalischen Spiritualität bedürfe.219 Sebottendorf war der Sohn eines deutschen Eisenbahningenieurs und erhielt den Namen Sebottendorf und den Adelstitel unter du­ biosen Umständen.220 Nach dem Abbruch seiner Gymnasialausbildung ging er zur See, um seinen Unterhalt zu verdienen. In der kosmopoliti­ schen, griechisch-ägyptischen Metropole Alexandria ging er an Land und fand Anstellung als Ingenieur bei einem dortigen Landbesitzer, der, wie viele Mitglieder des ägyptischen Hochadels, ein osmanischer Türke war und der Sebottendorf in die Türkei mitnahm. Einen Großteil seines weiteren Lebens verbrachte Sebottendorf in der Türkei und nahm 1911 die osmanische Staatsbürgerschaft an.221Angeblich studierte er zunächst in Brussa die Kabbala (die jüdische esoterische Tradition) unter Anlei­ tung eines jüdischen Kabbalisten, der ihn in eine Freimaurerloge dieser Stadt einführte.222 Danach wandte er sich unter der Führung einiger Bektashi-Sufis, die ebenfalls Freimaurer waren, einer ungewöhnlichen Form des Sufismus zu.223Von ihnen erfuhr Sebottendorf mehr über Nu­ merologie (ein Zweig spirituellen Wissens, in dem die Bektashis immer schon führend waren) als über den Sufismus.224 Soweit bekannt ist, ging Sebottendorf nicht wirklich einen Sufiweg, wie es Eberhardt zumindest teilweise tat, obwohl er wahrscheinlich Muslim wurde.225 Stattdessen versuchte er, alles, was er gelernt hatte, zu einem einzigen System zu verschmelzen. Zumindest seiner eigenen Ein­ schätzung nach hatte er dieses Ziel 1910 nach langjährigen Bemühungen erreicht. Nachdem er gefunden hatte, was er als den »Schlüssel zur spiri-

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tuellen Verwirklichung« ansah, beschloss Sebottendorf, seine Entde­ ckung jenen zu vermitteln, die sie nötig hatten - nicht den Muslimen, die mit dem Sufismus bereits reichlich versorgt waren, und auch nicht den gläubigen Christen, sondern den Materialisten (vor allem den deut­ schen), die an nichts mehr zu glauben vermochten.226 So kehrte Sebot­ tendorf 1913 in sein Vaterland zurück, wo er einige Jahre später und nach vielen Enttäuschungen seine Entdeckung unter dem Titel Die Praxis der alten Türkischen Freimauerei (1924) veröffentlichte. Dieses Buch enthält ausführliche Anweisungen für eine Reihe von numerologischen Medita­ tionsübungen, die wenig Ähnlichkeit mit dem Sufismus oder der Frei­ maurerei besitzen und scheinbar auch diejenigen, die sie ausprobierten, wenig beeindruckt haben. Wäre da nicht Sebottendorfs spätere politi­ sche Verwicklung, er wäre ebenso in Vergessenheit geraten wie sein Buch. Wie Eberhardt und Agueli hatte auch Sebottendorf eine gewisse ro­ mantische Bindung an seine Wahlheimat, wenn auch auf eine etwas an­ dere Art. Eberhardts Erzählungen zeugen von ihrer Liebe zur Wüste und zu deren Bewohnern; nach Sebottendorfs Schilderung hielt sich die osmanisch-muslimische Zivilisation vergleichsweise besser, als es Deutsch­ land in und nach dem Ersten Weltkrieg gelang.227 Beide waren durch ihre Ablehnung der westlichen Bürgergesellschaft: motiviert, sich einer orientalischen Alternative hinzugeben. Bei Guenon fehlt dagegen diese romantische Motivation. In Briefen aus Serif in Algerien, wo er am Lycee Philosophie unterrichtete, beklagte Guenon 1917 das Klima Algeri­ ens, die anstrengende Arbeit am Lycee, seine unbegabten Schüler und vor allem »das Fehlen eines jeglichen intellektuellen Milieus«.228 Eber­ hardt hätte dies nicht gebilligt. Später wurde Guenon zu einem west­ lichen Sufi, der ganz in die arabische und islamische Welt integriert war, aber 1917 begeisterte ihn Algerien herzlich wenig. Über Eberhardts religiöses Erlebnis des Sufismus lässt sich nur m ut­ maßen. Eindeutiger ist dagegen Sebottendorfs Sicht der Sufi-Praxis: Sie hatte so gut wie gar nichts zu tun mit dem, was die meisten Sufis als Sufismus betrachtet hätten, dafür aber umso mehr mit seinen frühe­ ren freimaurerischen und okkultistischen Erfahrungen in Europa. Über Aguelis Einstellung lassen sich schwerlich bestimmte Aussagen machen. Sein Übertritt zum Islam scheint wenig Einfluss auf seinen Alltag gehabt

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zu haben. Er malte weiterhin menschliche Figuren und zeichnete weib­ liche Akte, beides Verstöße gegen die shana, die ein frommer Sufi nor­ malerweise vermieden hätte, obwohl dies weit weniger schwerwiegend ist als Eberhardts Übertretungen. Andererseits war, seinen Schriften nach zu urteilen, sein Verständnis des Islam, des Sufismus und des Ara­ bischen ausgezeichnet und, zumindest verglichen mit dem Sebottendorfs, vollkommen orthodox.229 Agueli erscheint als der ernsthafteste und orthodoxeste dieser drei westlichen Sufis, doch auch sein Übertritt zum Islam war, wie der Eber­ hardts und Sebottendorfs, eine besondere Art von Konversion, die vor dem 19. Jahrhundert nicht vorkommt. Seit der Entstehung des Islam hatte es immer wieder vereinzelt Abendländer gegeben, die sich zum Is­ lam bekannten, und verschiedene osmanische Paschas waren westeuro­ päischer Herkunft. Diese Konvertiten tauschten ihre christlich-europäi­ schen Namen und Identitäten gegen muslimische ein und mischten sich unter die muslimische Bevölkerung des Landes, in dem sie lebten, wie es einige neue Muslime auch heute noch tun. Agueli und die anderen west­ lichen Sufis blieben Abendländer und behielten ihre ursprünglichen Verbindungen und viel von ihrer ursprünglichen Identität bei, obwohl sie ihrer jeweiligen Wahlheimat (Ägypten, Algerien und Türkei) roman­ tisch verbunden waren und sich fiir deren nationalistische oder antikolo­ niale Politik einsetzten. Dasselbe gilt auch fiir Blavatsky und Olcott, die beide ebenfalls »konvertierten«: Blavatsky zum Hinduismus und Olcott zum Buddhismus oder zumindest zu ihren eigenen Versionen dieser Re­ ligionen.

Der Erste Weltkrieg 1912 empfing Guenon seine sechste und letzte Initiation in die reguläre Freimaurerloge Thebah. Eingefiihrt wurde er in diese Loge von Oswald Wirth, einer zentralen Figur in der Geschichte des freimaurerischen Tra­ ditionalismus.230Wirth, die bedeutendste Gestalt der französischen Frei­ maurerei des 20. Jahrhunderts, hatte zuvor denselben Weg vom Okkul­ tismus zu respektablem Ansehen zurückgelegt, den auch Guenon unter katholischer Ägide vollzogen hatte. Anfänglich hatte Wirth mit Encausse

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und anderen in okkultistischen Zirkeln zu tun gehabt.231 Wie Guenon hatte er von diesen seine Grundthemen bezogen, doch während der 1890er Jahre hatte sich Wirth der regulären Freimaurerei zugewandt und sich von seinen früheren Gefährten distanziert.232 Von W irth und dem masonischen Aspekt des Traditionalismus soll später noch die Rede sein. Guenons Einführung in die reguläre Maurerei war das letzte wich­ tige Ereignis der ersten, okkultistischen Phase seines Erwachsenenle­ bens. Obwohl der Erste Weltkrieg letztlich den hier besprochenen Ak­ tivitäten, die im Wesentlichen der Belle Epoque zuzuordnen sind, ein Ende setzte, kam es schon im Jahre 1913 zu einer vorläufigen Windstille. La Gnose hatte 1912 ihr Erscheinen eingestellt,233 vermutlich aus Geldund Lesermangel. Die meisten okkultistischen Zeitschriften waren aus ebendiesen Gründen kurzlebig. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass Guenon gerade andere Dinge im Sinn hatte, denn 1912 schloss er die Ehe mit der 29-jährigen Berthe Loury, einer Aushilfslehrerin, die drei Jahre älter war als er und die er im Vorjahr in seiner Heimatstadt Blois kennengelernt hatte. Zu diesem Zeitpunkt stellte Guenon seinen Ge­ brauch von Opium und Haschisch ein.234 Nach französischem Gesetz fand die Eheschließung auf dem Standesamt statt, und in der folgenden Woche wurde eine katholische Trauung in Blois vorgenommen, da wie schon erwähnt, Guenons Braut eine fromme Katholikin war.235 Der Erste Weltkrieg sorgte für die vollständige Auflösung der Gruppe um de Pouvourville. Fabre des Essarts, Patriarch der Universellen gnostischen Kirche, starb 1917. Genty bat Guenon, das Amt des Patriarchen auszuüben, was Guenon aber ablehnte, woraufhin Genty selbst das Pa­ triarchat übernahm. Da ihn nur wenige der übrigen Gnostiker anerkann­ ten, zersplitterte die Universelle gnostische Kirche und zerfiel.236 Wie des Essarts erlebte auch Agueli den Waffenstillstand von 1918 nicht mehr. 1911 begann er wieder zu malen und kehrte 1914 nach Kairo zurück. Als Folge seiner Kontakte mit proosmanischen Ägyptern wurde er 1915 als staatsfeindlicher Ausländer des Landes verwiesen und zog ins neutrale Barcelona.237 Dort lebte er mittellos und verarmt und wurde 1917 von einem Zug überfahren. Manche vermuteten Selbstmord.238 In der Zwischenzeit war Prinz Eugen, der Bruder des schwedischen Kö­ nigs, auf Aguelis Begabung als Maler aufmerksam geworden. Aber das Geldgeschenk des Prinzen, der selber auch malte, traf erst nach Aguelis

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Die Entwicklung des Traditionalismus

Tod ein. Prince Eugen rettete jedoch die Bilder Aguelis,239 und die An­ erkennung seiner künstlerischen Leistungen wuchs in Schweden, bis er schließlich als einer der führenden schwedischen Maler seiner Epoche anerkannt wurde, den zahlreiche Ausstellungen und Biographien ehr­ ten. Er wurde außerdem mit einem Museum, einer Briefmarkenserie und 1981 einem Bestseller gewürdigt, in dem zum ersten Mal die Auf­ merksamkeit der Schweden darauf gelenkt wurde, dass Agueli Muslim gewesen war.240 De Pouvourville überlebte zwar den Krieg, ging jedoch verändert aus ihm hervor. Der tatsächliche Konflikt mit Deutschland ersetzte einen potenziellen Konflikt mit der »gelben Rasse«, und der einstmalige Befür­ worter einer deutsch-französischen Entente begann patriotische Propa­ ganda zu verfassen. 1916 veröffentlichte er das Buch Jusquau Rhin, les terres meurtries et les terrespromises (Bis zum Rhein, die gemarterten und verheißenen Länder), das bis 1917 sechs Auflagen erlebte.241 Seine Schrif­ ten nach dem Krieg beschränkten sich auf zunehmend populären Jour­ nalismus ähnlichen Inhalts, der 1934 in Alert sur Paris, le mur de lumiere (Alarm über Paris: Die Mauer von Licht) seinen Höhepunkt fand. Dem folgten fünf Broschüren zu La guerreprochaine (Der kommende Krieg), worauf wiederum 25 Broschüren L’heroique aventure (Heldenabenteuer) folgten, die 1935 und 1936 jeweils für einen Franc abgesetzt wurden.242In diesen Jahren scheint es keinen Kontakt zwischen ihm und Guenon ge­ geben zu haben. Nachdem er einen beachdichen Beitrag zum Traditio­ nalismus geleistet hatte, verschwand de Pouvourville von der Bildfläche. De Pouvourvilles spätere Arbeiten deuten auf finanzielle Schwierig­ keiten hin, ein Problem, mit dem sich Guenon infolge des Krieges si­ cherlich auch konfrontiert sah. Obwohl er aus medizinischen Gründen vom Militärdienst befreit war, musste er feststellen, dass er nicht mehr von seinem Kapitaleinkommen leben konnte, womöglich auch deshalb, weil er für seine Ehefrau aufzukommen hatte. In Vorbereitung auf seine erste Anstellung nahm er daher 1914 seine formale Ausbildung wieder auf. Der Krieg brachte auch das Ende des Martinismus, des ersten Betä­ tigungsfelds Guenons. Encausse wurde 1914 als Arzt von Majorsrang in die französische Armee einberufen und starb 1916 an einer Lungener­ krankung, die er sich in den Schützengräben zugezogen hatte.243 Sein

Gnostiker, Taoisten und Sufis

III

Nachfolger als Meister des Martinisten-Ordens wurde Charles Detre, ein Journalist, der einige Jahre lang in England gelebt und die irreguläre Freimaurerloge Humanidad2AA geleitet hatte, aber Detre verstarb schon 1918. Der Orden brach daraufhin in mehrere Splittergruppen auseinan­ der, von denen jede einem anderen Meisteranwärter folgte, und zerfiel rasch. Encausses Sohn Philippe versuchte nach einer Karriere als Arzt und Sportjournalist den Martinismus 1952 wiederzubeleben, was aller­ dings ohne Erfolg blieb.245 Der Erste Weltkrieg räumte somit das Feld zunächst für die Entste­ hung der traditionalistischen Philosophie und dann auch für die traditionalistische Bewegung der 1930er Jahre. Die Schrecken des Krieges zerstörten auch weitgehend den allgemeinen Glauben an die Moderne, welcher der Belle Epoque zugrunde gelegen hatte. Der Krieg brachte somit die Bedingungen hervor, die eine günstige Rezeption der traditio­ nalistischen Ablehnung der Moderne förderten.

Z W E IT E R T EIL

T r a d i t io n a lis m u s in der Praxis

4. Kairo, M o s t a g a n e m u n d B a s e l

In den späten zwanziger Jahren, als der Traditionalismus sich eben als Philosophie zu etablieren begann, erschütterten eine Reihe von Schick­ salsschlägen Guenons Leben in Paris. In deren Folge übersiedelte er 1930 von Paris nach Kairo, wo er seinen dritten und letzten Lebensabschnitt begann. Dieser sollte sich als die längste Phase erweisen, während der sich der Traditionalismus zu einer Bewegung entwickelte, die aus ver­ schiedenen lose miteinander verbundenen Gruppen bestand, von denen einige einer bestimmten religiösen Lehre anhingen, andere dagegen sich politisch betätigten. In diesem Kapitel betrachten wir die religiösen As­ pekte der frühen traditionalistischen Bewegung, auf die politischen kommen wir dann im folgenden Kapitel 5 zu sprechen. Anfang 1927 war Guenon vierzig Jahre alt geworden, verheiratet und relativ wohlsituiert. Seine Karriere als Philosophielehrer kann dagegen nicht als erfolgreich bezeichnet werden. Er unterrichtete zu diesem Zeit­ punkt an einer privaten Mädchenschule, was in der Hierarchie akademi­ scher Institute im damaligen Frankreich eine Art von Tiefpunkt dar­ stellte. Doch seine Bücher fanden zunehmend Anerkennung, zumindest in gewissen Kreisen, und die Zahl seiner Bewunderer wuchs. Er und seine Frau Berthe hatten keine Kinder, aber seit 1918 zogen sie m it Hilfe der Lieblingstante Guenons, Madame Duru,1 durch die er 1911 Berthe kennengelernt hatte, eine Nichte namens Fran^oise groß, die damals sechs Jahre alt war. Innerhalb von zwei Jahren verlor Guenon alles außer seinen Bewun­ derern. Im Jahre 1927 starb Berthe während einer Blinddarmoperation im Alter von nur 44 Jahren, und Guenon verlor seine Anstellung an der Mädchenschule. 1928 verstarb seine Tante, Madame Duru. Im folgen­ den Jahr kam es zu Zwistigkeiten zwischen Güenon und der Schwester Berthes, der Mutter von Franchise, und das sechzehn- oder siebzehnjäh­ rige Mädchen wurde der Obhut ihres Onkels entzogen.2 Diese Schicksalsschläge führten bei Guenon zu ersten Anzeichen ei-

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Traditionalismus in der Praxis

ner leichten Paranoia. Im März des Jahres 1929 schrieb er an Charbonneau-Lassay, mit dem er nicht nur seit Regnabit befreundet war, sondern der auch Berthes Familie kannte, dass Fran^oise »ein Doppelspiel spiele«, indem sie ihm vormache, sie wolle bei ihm bleiben, während sie ihrer Mutter erzähle, dass sie lieber bei ihr wäre. Guenon hegte auch den Ver­ dacht, dass sie in seiner Abwesenheit fremde Leute in die Wohnung ein­ ließ. »Ich muss wirklich sagen, dass ich eine Schlange am Busen genährt habe,« schrieb er. Er sei »nachgerade von einem Netz von Spionage und Verrat« umgeben. »Die Hauptabsicht der Leute, die all dies bewirkt ha­ ben«, fuhr er in einem anderen Brief an Charbonneau-Lassay fort, »ist es eben, mir die Fortführung [meiner Arbeit] unmöglich zu machen.«3 Es blieb letztlich ungeklärt, wer »die Leute, die all dies bewirkt haben«, eigentlich waren, aber Guenon scheint auf die »ungeahnten niederen Kräfte« anzuspielen, die in Orient et Occident Vorkommen: gegeninitiatische Organisationen, einschließlich der verbliebenen Martinisten. Wahrscheinlich wurde Fran^oise in Wirklichkeit der Obhut ihres ver­ witweten Onkels entzogen, weil sein Lebensstil einer jungen Dame kaum das geeignete Umfeld bot. Man kann sich vorstellen, wie sie allein in einer leeren Wohnung zurückbleibt, während Guenon sich mit seinen Bewunderern trifft, um über die Tradition zu diskutieren.4 Guenon und Franchise, die später in ein katholisches Kloster ging, sind sich mit ziem­ licher Sicherheit nie wieder begegnet.5 Doch Guenons Werk musste weitergehen, und das tat es auch. Er beschäftigte sich mit Le voile dlsis und hielt den Kontakt zu seinen Bewunderern. In Paul Chacornacs Buchladen begegnete er 1929 Dina Shillito (geborene Mary Shillito), einer wohlhabenden amerikanischen Witwe mit starkem Interesse an okkulten Dingen, die sich nun dem Is­ lam zugewandt hatte. Guenon und Shillito scheinen einen guten Draht zueinander gehabt zu haben und waren möglicherweise ein Liebespaar.6 Sie planten eine traditionalistische Buchreihe, die von Guenon heraus­ gegeben und von Shillito finanziert werden sollte. Nachdem sie zwei Monate im Eisass verbracht hatten, schifften sie sich 1930 nach Ägypten ein, um dort drei Monate lang Texte für die geplante Reihe zu sammeln. Der Gedanke zu diesem Vorhaben stammte wohl von Shillito, da Gue­ non nie zuvor irgendein Interesse an Auslandsreisen bekundet hatte noch an tatsächlichem Kontakt mit jenem traditionellen Orient, über

Kairo, Mostaganem und Basel

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den er in seinen Büchern schrieb. Auch die Wahl des Reiseziels ging vermutlich auf Shillito zurück, deren Ehemann Ägypter gewesen war. Wahrscheinlich hatte sie daher noch Kontakte in Ägypten.7 Guenons Begegnung mit Shillito war somit von größter Bedeutung für die spätere Geschichte des Traditionalismus, die in zunehmendem Maße vom Islam geprägt war. Ohne Shillito ist diese Entwicklung kaum vorstellbar. Drei Monate, nachdem das Paar die Ägyptenreise angetreten hatte, kehrte Shillito allein nach Frankreich zurück. Guenon und sie hatten aus unbekannten Gründen ihre Beziehung abgebrochen. Die geplante Reihe traditionalistischer Bücher kam nie zustande, und Shillito hatte keinen weiteren Kontakt zu den Traditionalisten.

Guenon, der Ägypter Guenon hatte zwar die Absicht, nach Shillitos Abreise noch einige M o­ nate in Ägypten zu verbringen, aber seine Rückkehr nach Frankreich verzögerte sich, wurde verschoben und fand am Ende gar nicht statt. Guenons Einnahmequellen beschränkten sich zunächst auf die Tantie­ men seiner Veröffentlichungen, die sich jedoch als unzureichend erwie­ sen. Guenon schrieb einen verzweifelten Brief an Reyor, der 1932 zum Herausgeber von Le Voile d ’Isis/Etudes traditionnelles und somit zu ei­ nem der Hauptkontakte Guenons in Frankreich geworden war. Er bat ihn, überfällige Honorare von Chacornac einzufordern. Als Reaktion darauf reiste ein wohlhabender Bewunderer Guenons von Paris nach Kairo, um ihn dort zu besuchen. Er traf ihn »in einem einzigen armse­ ligen Zimmer und in sichtbar unterernährtem Zustand« an. Eine Reihe seiner Bewunderer begannen daraufhin Geld zu überweisen, das sie als Honorar deklarierten, obwohl es in Wirklichkeit keine verdienten Tan­ tiemen waren,8 doch auch dadurch wurde Guenon nicht wohlhabend. John Levy, ein reicher englischer Traditionalist, den Guenons Werke ver­ anlasst hatten, sich vom Judentum zum Islam zu bekehren, besuchte 1939 Guenon in Kairo und kaufte das Haus, in dem Guenon sich einge­ mietet hatte, um es ihm zum Geschenk zu machen.9 Dadurch sicherte er weitgehend Guenons finanzielle Zukunft. Nachdem nun seine wirtschaftliche Situation durch Geschenke aus

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Traditionalismus in der Praxis

Frankreich einigermaßen stabilisiert worden war, heiratete Guenon im Jahre 1934 Fatima Muhammad Ibrahim, eine fromme Ägypterin aus be­ scheidenen Verhältnissen.10 Im darauffolgenden Jahr ließ er seine Woh­ nung in Paris räumen, und im Verlauf der nächsten Jahre gründete er mit seiner ägyptischen Ehefrau die Familie, die er in Frankreich nie ge­ habt hatte: Sie gebar ihm zwei Töchter und einen Sohn und danach noch einen zweiten, der erst nach dem Tode seines Vaters zur Welt kam. Im Jahre 1948 nahm Guenon die ägyptische Staatsbürgerschaft an, da­ mit er sie an seine Kinder weitergeben konnte.11 Guenons Entscheidung, in Ägypten zu bleiben, hatte vier Gründe. Seine Ehe ist nicht zu diesen zu zählen, denn sie wurde vom Vater der Braut arrangiert und war somit eine Folge und keine Ursache für seinen Entschluss. Der erste Grund war wahrscheinlich, dass ihn nichts nach Paris zurückzog. Der zweite war, dass er in Kairo weniger Geld zum Leben brauchte als in Paris. Der dritte Grund war seine Angst vor den »ungeahnten niedrigen Kräften« in Frankreich. Der vierte und wich­ tigste Grund war aber, dass er in Ägypten zum ersten Mal dem Islam und einer lebendigen Tradition begegnet war.12 Kairo war im Jahre 1930 zwar keine traditionelle Stadt, nicht einmal eine besonders islamische, aber unter ihren Einwohnern gab es viele fromme Muslime, deren Leben noch kaum von der Moderne und Verwesdichung berührt war. Dies war die Gesellschaftsschicht, in die Guenon eingeheiratet hatte und unter der er lebte, zunächst in den Ar­ beitervierteln, welche die alte Husayn-Moschee umgaben, und später in dem bürgerlichen Vorort Doqqi. Die Tatsache, dass Guenon stets die gallabiyya trug, ein langes muslimisches Gewand, lässt darauf schließen, dass er absichdich die Gegenden vermied, in denen Europäer normaler­ weise wohnten. Nach ägyptischen Begriffen war das Tragen einer galla­ biyya nicht etwa traditionell, sondern eher archaisch, da die gebildete mitdere und höhere Schicht diese Kleidung und viele andere Bräuche, die Guenon jetzt annahm, längst abgelegt und sie durch Kleidung und Gewohnheiten französischen Ursprungs ersetzt hatte. Allerdings behielt Guenon einige französische Bräuche bei, indem er zum Beispiel das täg­ liche Fasten im Ramadan nicht wie in Ägypten üblich mit einer Mahl­ zeit, sondern mit einem Kaffee und einer Zigarette zu beenden pflegte.13 In Kairo lebte Guenon als frommer Muslim und Sufi. Allen Berich-

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ten zufolge beachtete er nicht nur genauestens die Auflagen der shari’a, sondern auch die Empfehlungen der sunna, der freiwilligen Praktiken des Islam. Er kannte beispielsweise die Gebete auswendig, die beim Auf­ bruch zu einer Reise während des Abschiednehmens empfohlen sind.14 Guenon unterschied sich also zu jener Zeit deutlich von den drei zuvor betrachteten westlichen Sufis, von denen keiner die sharta gewissenhaft befolgte, vielleicht sogar überhaupt nicht beachtete. Es gab jedoch eine Abweichung von der islamischen Praxis, die man von einem frommen Sufi nicht erwartet hätte: Guenon begab sich nie auf die Hajj, Pilger­ fahrt nach Mekka. Da er noch eine junge Familie zu versorgen hatte, war er zwar vom sharta Gesetz nicht dazu verpflichtet, aber bei der Hajj handelt es sich nicht nur um eine Verpflichtung, sondern um eine Sehn­ sucht, die nahezu jeder fromme Muslim in sich trägt. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass ein frommer Muslim die Möglichkeit auf Hajj zu fahren ausschlägt, wenn sie sich bietet. In Guenons Fall scheint sich die Gelegenheit in irgendeiner Form geboten zu haben, da seine Frau Fatima im Jahre 1946 auf Hajj fuhr15, doch Guenon lehnte es ab, sie zu begleiten.16 Guenon befolgte nicht nur die sharta, sondern war auch Mitglied eines Sufiordens. Die letzten Spuren des Arabiyya-Shadhiliyya-Ordens, in welchen Agueli durch Abd al-Rahman Illaysh eingeführt worden war, schienen mit dem Tod von Illaysh im Jahre 1929 verschwunden zu sein, und Guenon trat stattdessen dem Hamdiyya-Shadhiliyya-Orden bei.17 Dieser Orden war erst vor kurzem entstanden und wurde damals noch von seinem Begründer Salama al-Radi geführt, einem der namhaftes­ ten Sufi-Scheichs seiner Zeit. Es war vermutlich aufgrund von al-Radis Bekanntheit, dass Guenon die Hamdiyya Shadhiliyya wählte, aber alRadi war in gewisser Weise für einen Traditionalisten eine etwas seltsame Wahl. Sufi-Scheichs lassen sich allgemein in drei Kategorien einteilen: Es gibt »Routiniers«, »Charismatiker« und »Spezialisten«. Die meisten Scheichs sind Routiniers wie Illaysh, die einen Orden von ihrem Vater geerbt haben und die im Grunde nur die alltägliche religiöse Praxis frommer Muslime etwas ausbauen. Einige Scheichs wie al-Radi sind Charismatiker, Männer, die eine große und begeisterte Gefolgschaft um sich scharen, von der sie als Heilige angesehen werden. Sie sind oft der

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Traditionalismus iti der Praxis

Ausgangspunkt eines neuen Ordens. Ein charismatischer Scheich ist oft ein ehemaliger Schüler eines Spezialisten, das heißt, eines Mannes, der einen kleinen Kreis ergebener Anhänger auf dem Sufi-Weg weit vor­ anbringt, häufig bis zur endgültigen mystischen Gotteserfahrung. Ein Muslim, der sein ganzes Leben der Religion widmen will, würde norma­ lerweise einen Spezialisten zum Scheich wählen. Insofern sollte man von Guenon erwartet haben, dass er einem Spezialisten folgte. Al-Radi war jedoch ein charismatischer Scheich.18 Vielleicht betrachtete Guenon alRadi gar nicht als seinen spirituellen Führer, sondern nahm nur an den regelmäßigen gemeinsamen dhikr-Yzrsammlungen teil. Denn im Allge­ meinen hielt er nicht viel von den Orden. »Alle sind von ihrem Ur­ sprung her initiatisch«, schrieb er zwei Jahre nach seiner Ankunft in Kairo einem Anhänger, »aber leider gibt es darunter solche, die viel an Spiritualität eingebüßt haben, entweder weil sie sich zu weit ausgebreitet haben, oder, und vor allem, weil politische Einflüsse in sie eingedrungen sind.«19 Die »politischen Einflüsse«, auf die Guenon anspielte, waren vermudich die antikolonialen nationalistischen Tendenzen vieler Sufi­ orden.20 Obwohl in seiner religiösen Praxis ein frommer Muslim, hielt Guenon an seinen perennialistischen Überzeugungen fest. Er behaup­ tete, er habe sich keineswegs zum Islam bekehrt, sondern er sei in ihn »eingezogen«: »Wer die Einheit der Traditionen begriffen hat«, schrieb er, »wird sich niemals [...] zu etwas >bekehren< lassen.«21 Über seinen »Einzug« in den Islam schrieb Guenon ebenfalls: »Dabei geht es nicht darum, dass eine traditionelle Form als solche einer anderen überlegen wäre, sondern lediglich um das, was man als Gründe spiritueller Zweck­ mäßigkeit bezeichnen könnte.«22 Guenon behielt seine universalistischen Überzeugungen bei und zeigte sich auch in seinen Schriften mehr als Traditionalist denn als Mus­ lim. Vor 1930 nahm er nur selten Bezug auf den Islam, und wenngleich solche Hinweise nach 1930 etwas häufiger Vorkommen, wurde der Islam für ihn nie zu einer wichtigen Quelle. Auch in seiner Lektüre spielte er keine große Rolle: Seine private Bibliothek enthielt bei seinem Tode etwa 3000 Bände, unter denen viermal so viele vom Hinduismus handelten wie vom Islam. Auch befanden sich darunter nur wenige oder vielleicht gar keine arabischen Titel.23 Als Guenon auf die Werke des großen Su-

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fi-Theoretikers Ibn al-Arabi Bezug nehmen wollte, bat er einen seiner Anhänger in Paris, der mit Ibn al-Arabis Werk gut vertraut war, um Quellenangaben.24 Es ist sogar wahrscheinlich, dass Guenon die Texte nicht auf Arabisch las. Zwar wird oft behauptet, Guenon habe das Ara­ bische fließend beherrscht, und sicherlich kannte er die ägyptische Mundart (den einzigen Dialekt, den seine Frau sprach), doch einen ara­ bischen Dialekt fließend zu beherrschen bedeutet noch lange nicht, die klassische Form des Arabischen lesen zu können, in der die religiösen Texte des Islam abgefasst sind. Es bedarf eines jahrelangen harten Stu­ diums, bis ein Westler klassisches Arabisch einigermaßen flüssig lesen lernt. Als Guenon sich in Kairo niederließ, hatte er wahrscheinlich weder die Zeit noch die Neigung zu einem solchen Studium.25 Er war schon über fünfzig Jahre alt und hatte ausgelernt. Jetzt ging es ans Lehren. In Kairo fuhr Guenon fort, Bücher und Artikel zu lesen und zu ver­ fassen, und wie zuvor in Paris führte er eine umfangreiche Korrespon­ denz. Von Zeit zu Zeit kam er aus seinem Arbeitszimmer hervor, um m it seinen Kindern zu spielen oder im Sessel sitzend seine Katzen zu strei­ cheln. Sein Briefwechsel nahm täglich mehrere Stunden in Anspruch, vor allem in späteren Jahren. Er beantwortete alle Briefe sorgfältig und gewissenhaft, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Thema.26 Seine Korrespondenz bildete nun den Angelpunkt für die Organisation seiner westlichen »Elite«. Sie umfasste Korrespondenten von Indien bis nach Brasilien.27 Gelegentlich empfing Guenon auch den einen oder anderen Besu­ cher aus Europa, aber oft nur widerwillig infolge seiner zunehmenden Paranoia. Ende 1937 erkrankte er und war einige Monate lang ans Bett gefesselt. Er führte dies auf einen vermeintlich magischen Angriff durch einen europäischen Besucher zurück, den, wie er glaubte, gegeninitiatische Kreise in Frankreich zu ihm entsandt hätten.28 Es gab auch Ge­ rüchte, dass Guenons erste Frau Berthe durch Magie ums Leben gekom­ men war,29 Gerüchte, die möglicherweise von Guenon selbst stammten. Nach der Krankheit des Jahres 1937 traf Guenon rituelle Vorkehrungen und hielt auch seine Adresse geheim, indem er seine Korrespondenz über Postfächer umleitete. Er empfing nur Europäer, deren Identität ihm bekannt war. In späteren Jahren verließ er nur noch selten das Haus.30

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Guenon scheint in Kairo nicht viele Freunde gehabt zu haben, zu­ mindest verglichen mit seinem alten Freundeskreis in Paris. Seine älteste Freundin war die Gräfin Valentine de Saint-Point, eine Französin, die noch länger in Kairo lebte als er. Sie war 1918 in Marokko zum Islam übergetreten, etwa sieben Jahre nach Ende einer erfolgreichen Karriere als Dichterin und Romanschriftstellerin im Paris der Belle Epoque. Sie war eine frühe Feministin und die erste Frau, die den Atlantik überflog. Außerdem hatte sie dem Bildhauer Auguste Rodin nackt Modell geses­ sen. 1924 zog sie nach Kairo, wo sie die nationale Bewegung unterstützte und wie seinerzeit Agueli mit Akupunktur experimentierte. Guenon war ihr vor seiner Ankunft in Kairo empfohlen worden.31 Guenons andere Freunde in Kairo scheinen vom selben Schlag gewe­ sen zu sein, wenn sie auch eine weniger aufregende Vergangenheit besa­ ßen. Es waren zum Islam übergetretene Westler und Kosmopoliten, wie der junge Najm al-Din Bammate. Dieser war dagestanischer Herkunft und der Sohn des afghanischen Botschafters in Paris. Bammate hatte in der Schweiz studiert und unterrichtete in späteren Jahren an einer fran­ zösischen Universität. In den i97oern und i98oern spielte er unter den traditionalistischen Muslimen Frankreichs eine wichtige Rolle.32 Dane­ ben gab es noch einige verwesdichte Ägypter wie Mu in al-Arab, einen ehemaligen Diplomaten, der sich dem Buddhismus zugewandt und eine Engländerin geheiratet hatte, die ihrerseits zum Islam übertrat.33 So wie der Islam in seinen Schriften wenig vorkommt, scheint Guenon auch wenig Kontakt zu islamischen Gelehrten in Kairo gehabt zu haben. Eine Ausnahme bildet Abd al-Halim Mahmud, ein Sufi, der zwischen 1973 und 1978 Scheich an der al-Azhar-Universität war, in der muslimischen Hierarchie Ägyptens der höchste Posten für einen Ge­ lehrten.34 Mahmud verteidigte energisch den Sufismus zu einer Zeit, da er unter gebildeten Ägyptern aus der Mode gekommen war. Später be­ schrieben ihn traditionalistische Kreise gern als engen Mitarbeiter Gue­ nons und sogar als Traditionalisten. Doch die für seinen angeblichen Traditionalismus angeführten Belege sind wenig überzeugend.35 Einmal gab Mahmud sogar zu, er habe Guenons Bücher nie gelesen, wozu er durchaus in der Lage gewesen sein muss, da er in Paris promoviert wor­ den war.36 Sie lernten sich kennen, als Mahmud Guenon ein Buch von einem gemeinsamen Bekannten aus Paris überbrachte. Mahmud schrieb

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wohl einen langen Artikel, in dem er Guenon lobte, doch sein Lob galt nicht seinen Schriften, sondern vielmehr seiner Frömmigkeit. Die un­ ausgesprochene Botschaft des Artikels scheint eher die zu sein, dass es am Sufismus nichts auszusetzen geben könne, wenn sogar dieser geniale Franzose Sufi geworden war.37 Es gab noch eine weitere Ausnahme: Trotz seines Mangels an Kontakt mit islamischen Gelehrten beteiligte sich Guenon kurz nach seiner Ankunft in Kairo an al-M arifa (Erkenntnis), einer dem Sufismus zugeneigten traditionell-islamischen Zeitschrift. Aus unbekannten Gründen war diese Teilnahme nur von kurzer Dauer.38 Guenon hatte so gut wie keinen Einfluss auf den Islam in Ägypten. Einige seiner Artikel wurden ins Arabische übersetzt, aber er hinterließ keine weiteren Spuren. Dies mag daran liegen, dass Guenons französi­ sches Publikum in Ägypten keine wirkliche Entsprechung hatte. Ägyp­ ter haben zwar großen Appetit auf religiöse Werke, bevorzugen aber Werke über den Islam, ob alt oder modern, und nicht über den H indu­ ismus. Fast jeder fromme Ägypter wäre entsetzt über die Vorstellung, seine Religion könnte irgendwas mit dem Hinduismus zu tun haben, der gemeinhin als eine Variante heidnischer Götzenverehrung gilt. Der Perennialismus Guenons wäre nicht gut angekommen: Nach der gängi­ gen islamischen Auffassung gelten durch die Offenbarung des Islam alle anderen Religionen als überholt und behalten jetzt nur noch aufgrund von Unwissenheit oder Perversion eine Gefolgschaft bei. Frühere Offen­ barungen waren als bruchstückhaft anzusehen und dienten nur zur Vor­ bereitung der wahren Enthüllung göttlichen Willens. Sie wurden von ihren Anhängern oft entstellt, etwa durch die erlogene Behauptung der Christen, Gott habe Nachkommen gezeugt. Die Kluft zwischen den In­ teressen Guenons und denen der »traditionellen« ägyptischen Muslime war einfach zu tief, als dass ein wirklicher Austausch möglich gewesen wäre. Noch tiefer war die Kluft zwischen Guenon und den ägyptischen Intellektuellen. Einmal brachte M ü in al-Arab Guenon zuTaha Husayn, dem führenden ägyptischen Intellektuellen des frühen 20. Jahrhunderts. Taha Husayn war ein laizistischer Modernist, der eine Französin gehei­ ratet hatte, und abgesehen von der Tatsache, dass auch Guenon in einer interkulturellen Ehe lebte, ist es schwer zu verstehen, warum M u in alArab diese beiden Geister miteinander bekannt zu machen wünschte.

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Wie Taha Husayns eigene Agenda eigentlich nahegelegt haben dürfte, reagierte er mit sofortiger und sehr sichtbarer Feindseligkeit auf Guenons Traditionalismus.39 Bei anderer Gelegenheit schrieb Taha Husayn: »Es ist nicht wahr, dass der Westen materialistisch ist. [...] Seine materiellen Triumphe sind das Produkt seines Intellekts und seines Geistes, und so­ gar seine Atheisten sind bereit, für ihre Überzeugungen zu sterben.«40 Obwohl Guenon während seiner Zeit in Kairo wenig bis gar nichts von muslimischen Gelehrten der Vergangenheit oder Gegenwart gelernt haben mag, haben ihn seine Jahre in Ägypten doch geprägt. Durch die erlebte Wirklichkeit des Orients gelangte er zu einer realistischeren Auf­ fassung von ihm. Die Idealisierung des Orients, wie sie bei Eberhardt und Agueli zu finden ist, überfuhrte er zu einer Idealisierung der Tra­ dition, die unabhängig von ihrem geographischen O rt existiert. Dieser Übergang spiegelt sich 1948 im Anhang der Neuauflage seines Buches Orient et Occident wider, in dem er zwischen dem »mystischen Orient« (Tradition) und dem »geographischen Orient«41 unterscheidet, d. h. Ägypten und anderen Orten, wo es nicht überall traditionell zugeht und wo nicht jeder ein frommer Sufi ist. Trotz dieser Revision seiner Ansich­ ten beeinflusste Guenons frühes idealisiertes (und unrealistisches) Bild des Orients viele spätere Traditionalisten, die wie Guenon vor 1930 oft wenig oder gar keine unmittelbare Erfahrung des Orients besaßen. Eine wichtige Folge seiner persönlichen Erfahrung mit dem Alltag und der Andacht frommer Muslime war seine zunehmende Wertschät­ zung der religiösen Praxis,42 eine Wertschätzung, die insofern speziell is­ lamisch war, als der Islam die tägliche Praxis weit stärker betont als viele andere Religionen. Diese Wertschätzung sollte sich bald in seinen Schrif­ ten niederschlagen. Im Allgemeinen sind die Artikel, die Guenon in Kairo schrieb, Abwandlungen der traditionalistischen Philosophie, und seine Bücher aus dieser Zeit sind überarbeitete Neufassungen früherer Artikel aus der Zeit zwischen 1910 bis 1915. Das einzig wirklich neue Thema, das er behandelte, war die Initiation, der er zwischen 1932 und 1939 eine ganze Artikelserie widmete, bis der Zweite Weltkrieg die Ver­ bindungen zwischen Ägypten und Europa kappte. Diese Artikel wurden später gesammelt und als Apergus sur Imitiation (1946, Ansichten über die Initiation) herausgegeben. In ihnen wird die Notwendigkeit persön­ licher Initiation in eine orthodoxe religiöse Tradition betont.43

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Diese Artikel führten zu einer Flut von Briefen nach Kairo. Es mel­ deten sich bestürzte Traditionalisten, die geglaubt hatten, sie seien auf einer vorwiegend intellektuellen Suche, aber auch enthusiastische neue Leser der Werke Guenons. Sie stellten ihm alle in etwa die gleiche Frage: Welche Initiation sollten sie nehmen? Guenon hat öffentlich nie zu ei­ ner bestimmten Initiation Stellung bezogen, obwohl er Organisationen ausschloss, die er in initiatischer Hinsicht für wertlos hielt: die katho­ lische Kirche, verschiedene neohinduistische Gruppen im Westen und natürlich alles, was gegeninitiatisch war. Er unterstrich auch die prak­ tischen Schwierigkeiten, die sich für jeden ergäben, der nicht von Ge­ burt an Hindu sei und der versuchen wolle, irgendeinen hinduistischen Pfad zu begehen. Folglich ließ dies nur zwei Möglichkeiten zu: die Frei­ maurerei (darüber später mehr) oder Guenons persönliche Wahl, den Sufipfad innerhalb des Islam. Allerdings empfahl Guenon seinen Kor­ respondenten nicht immer den Islam, und auch wenn er es tat, nicht immer sofort. In Orient et Occident hatte er noch gehofft, die »Assimila­ tion« des Westens durch den Osten verhindern oder zumindest abmil­ dern zu können, und sein Ziel war niemals eine einfache Islamisierung des Westens. Er bewahrte zeitlebens sein Interesse an westlichen Formen der Initiation, die überlebt haben könnten. Eine Zeidang interessierte ihn auch sehr, was eine überlebende initiatische Gruppe im Westen an­ scheinend an Möglichkeiten bot: die Bruderschaft der Ritter des gött­ lichen Parakleten.

Die Bruderschaft der Ritter des göttlichen Parakleten Die Bruderschaft der Chevaliers du divin Paraclet (Bruderschaft der Rit­ ter des göttlichen Parakleten) entdeckte Reyor in Frankreich, nachdem Guenon nach Ägypten übergesiedelt war. Reyor, der Herausgeber der Etudes traditionelles, und einer der führenden Anhänger Guenons in Paris, hatte starke Bedenken, sich zum Islam zu bekennen, konnte sich aber auch nicht für die Maurerei erwärmen. Er entsann sich eines mittel­ alterlichen christlichen Ordens, auf den er in Artikeln von Charbonneau-Lassay gestoßen war.44 Reyors Interesse galt nicht nur seiner eige­ nen Person: Als Herausgeber von Etudes traditionelles erhielt er häufige

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Leseranfragen, die wissen wollten, welche Initiation nun die richtige sei. Er setzte sich daher mit Charbonneau-Lassay in Verbindung. Die­ ser teilte ihm mit, dass die Hinweise sich auf L’estoile interneile (Der innere Stern) bezögen, einen katholischen Orden des 15. Jahrhunderts, der knapp die Französische Revolution überlebt habe, bis jetzt weiterbe­ stehe und zwölf Mitglieder habe. Einige Jahre zuvor hatte eines seiner Mitglieder zu Charbonneau-Lassay Kontakt aufgenommen. Nachdem er dessen Werk über chrisdichen Symbolismus gelesen hatte, bot ihm der Stiftsherr Benjamin-Theophile Barbot Zugang zu den Archiven des Ordens an. Reyors Interesse war zwar geweckt, doch Lestoile internelle war nicht die Lösung seines Problems. Die Weihe wurde nur auf den Tod eines der Ordensmitglieder erteilt, und es gab weit mehr als nur ein oder zwei Traditionalisten, die auf der Suche nach Initiation waren.45 Auf Drängen Reyors gestand Charbonneau-Lassay, dass es auch noch einen anderen Orden gäbe, die Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet. Der Paraklet (vom griechischen parakletos, Beistand, Tröster) wird in der katholischen Theologie allgemein als die bleibende Anwesenheit des Heiligen Geistes in der Abwesenheit Christi verstanden. Die Frater­ nite des Chevaliers du divin Paraclet, so Charbonneau-Lassay, habe seit dem 16. Jahrhundert bestanden. Obwohl die Bruderschaft 1668 aufge­ löst wurde, blieb ihre Initiation in der Estoile internelle erhalten. Sie war von dem Stiftsherrn Barbot an ihn, Charbonneau-Lassay, übergeben worden. Charbonneau-Lassay zögerte anfänglich, die Bruderschaft wie­ derzubeleben, doch als Reyor ihm klarmachte, dass im Fall seiner Weige­ rung viele Traditionalisten gezwungen wären, zum Islam überzutreten, willigte Charbonneau-Lassay schließlich ein.461938 wurde die Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet von Charbonneau-Lassay, Reyor und Alexandre Thomas, dem Ex-Martinisten, der schon Mitglied des frühen Templer-Ordens Guenons gewesen war, wiederhergestellt. 1939 traten noch ein paar weitere Traditionalisten der Fraternite bei.47 Doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs stoppte schon bald alle Unterneh­ mungen. Guenon hatte von Kairo aus diese Vorgänge mit Interesse mitver­ folgt. Er war zu dem Schluss gekommen, es gäbe gewisse lacunae> die sie praktisch werdos machten. Das heißt, von einer spirituellen Praxis war

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nichts mehr vorhanden, obwohl die Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet an sich orthodox zu sein schien. Reyor schlug vor, man könne eine Praxis eventuell nach dem Vorbild der Sufi rekonstruieren, aber Guenon scheint diese Möglichkeit verworfen zu haben. Immer noch zö­ gernd verließ Reyor 1943 während der Besatzung von Paris die Fraternite und wurde Muslim.48 Ungefähr 1946 erhielt sein Nachfolger Thomas von Charbonneau-Lassay eine Mitteilung: Er habe sich an eine ausführ­ liche Abfolge täglicher Praktiken erinnert, die Barbot ihm vermittelt habe, deren Bedeutung er leider nahezu zwanzig Jahre lang nicht begrif­ fen hatte. Thomas gab diese Praktiken an seine Nachfolger weiter.49 Charbonneau-Lassays plötzliche Erinnerung an die Praktiken der Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet ist einfach zu kommod, um glaubwürdig zu sein, so wie auch die Genauigkeit der vorgeblichen Erin­ nerung. Einige glaubten, dass Thomas sie erfunden habe,50 wahrschein­ licher ist aber, dass Charbonneau-Lassay sie erfand. Thomas hatte kei­ nen Grund, seine Nachfolger in der Bruderschaft vorsätzlich zu betrügen, Charbonneau-Lassay aber wohl: Es ging ihm um die Errettung der See­ len vor der Verdammnis. Trotz seiner früheren Zusammenarbeit m it Guenon bei Regnabit war Charbonneau-Lassay, der einmal ein Laien­ bruder gewesen war, ein frommer Katholik geblieben. Er war zu dem Schluss gekommen, Guenons Werk sei zwar interessant, und manches Mal habe er sogar Recht, doch seine Bücher seien womöglich »gefähr­ lich« und hätten oft »bedauerliche Folgen«: Sie bewirkten die Bekehrung zu »einer Superreligion, die einer Elite von Initiaten Vorbehalten« sei, die »ohne die geringste Schwierigkeit von einer Form der Gottesverehrung zur nächsten übergehen könnten, je nach der Gegend, in der sie gerade lebten«.51 So sein bestürzter Kommentar zu Guenons »Einzug« in den Islam. Charbonneau-Lassay hatte demnach guten Grund, sich alles Mögliche auszudenken, um die Traditionalisten bei der Stange der ka­ tholischen Kirche zu halten. Möglicherweise war sogar die ganze Bruderschaft eine Fiktion Char­ bonneau-Lassays. Die vier Personen, die er als die Begründer des Ordens im 16. Jahrhundert angab, gab es zwar alle, aber es gibt keinerlei Belege, die sie miteinander verknüpfen, außer Charbonneau-Lassays unerwiesenem Bericht einer Bruderschaft.52 Charbonneau-Lassay war schließlich Antiquar, und es dürfte ihm ein Leichtes gewesen sein, vier plausible

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Namen und andere plausible Details herauszufinden. In der Tat ist es verdächtig, dass diese vier Personen, die im 16. Jahrhundert gelebt ha­ ben, sich im 20. Jahrhundert identifizieren ließen. Überzeugender hätte es ausgesehen, wenn zumindest einer der vier angeblichen Gründer kei­ ne weiteren Spuren hinterlassen hätte. Sollte die Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet tatsächlich ein reiner Schwindel gewesen sein, die ein gläubiger Katholik erfand, um den Abfall von Glaubensgenossen zum Islam zu verhindern - was sehr wahrscheinlich ist —, dann wäre sie das erste Beispiel für das, was Guenon 1924 als »Abweichung« bezeichnete. Sie sollte jedoch nicht die letzte sein.

Freimaurerei Obwohl die Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet eine Enttäu­ schung war, besaß die Freimaurerei ein initiatisches Potential, das Gue­ non bis zu seinem Tode interessieren sollte.53 Im Einvernehmen mit Guenon empfahl Reyor zu einem gewissen Zeitpunkt denjenigen, die ihn um Weisung eines initiatischen Wegs baten, routinemäßig die Mau­ rerei. Den Sufismus empfahl er nur, wenn die Maurerei abgelehnt wur­ de, was nach Reyor gewöhnlich der Fall war.54 Wie wir schon sahen, war Oswald Wirth Guenons wichtigster Ver­ bündeter unter den Freimaurern. Er hatte ehemals Guenon in die Loge Thebah eingefuhrt. Wirth und Guenon lagen miteinander nie ganz auf einer Linie und sollen sich angeblich zerstritten haben.55 Nach 1914 scheint Guenon nicht mehr an den Versammlungen der Loge Thebah teilgenommen zu haben. Sie stimmten jedoch in ihren Ansichten so weit überein, dass sich der Traditionalismus an der Reform und Wiederbele­ bung der französischen Maurerei beteiligen konnte. Im Wesentlichen ist dies das Verdienst Oswald Wirths. Im frühen 20. Jahrhundert wurde die französische Freimaurerei in gewissem Sinne Opfer ihres eigenen Erfolgs. Wahrend der Französischen Revolution war die Maurerei fast vollständig verschwunden, um unter Napoleon wiedererweckt zu werden. Dem Grand Orient (der wichtigs­ ten französischen Obödienz) floss so viel offizielle Gunst zu,56 dass er später leicht Teil des republikanischen Establishments wurde, das sich

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gegen monarchistische und andere nichtliberale Alternativen zur Re­ publik aussprach. Um 1900 war die Hälfte aller französischen Abgeord­ neten Freimaurer, und die Maurerei wurde scherzhaft als »die Kirche der Republik« bezeichnet. Soziale und politische Aktivitäten hatten so gut wie alle anderen verdrängt, oder, wie W irth es ausdrückte: »Wesentliche Dinge wurden mehr und mehr zugunsten profaner Entwicklungen ver­ nachlässigt«, und die spirituelle Unterweisung in den meisten Logen »wäre dem Niveau einer Grundschule angemessen«.57Als das Überleben der Republik und des Republikanismus nicht länger in Frage stand, wurden sowohl die republikanische Bewegung als auch die »Kirche der Republik« so gut wie überflüssig. Wirths Ziel war es, die Maurerei wieder zum Wesentlichen zurück­ zuführen und ihren Ritus zu reformieren. Obwohl er betonte, dass das maurerische Ziel auf die diesseitige, nicht auf die jenseitige Welt aus­ gerichtet sei,58 unterschied sich seine Auffassung vom freimaurerischen Ritual kaum von der einer gängigen religiösen Praxis. Er behauptete, bei richtigem Verständnis sei das Ziel des freimaurerischen Rituals die mora­ lische und ethische Entwicklung des Einzelnen. Dies geschehe dadurch, dass der Wille die Kontrolle über die animalischen Leidenschaften über­ nähme. Die Rituale in der Loge seien symbolische Darstellungen von Mitteln, die auch außerhalb der Loge zu diesem Zweck eingesetzt wer­ den könnten und sollten. Sie wirkten jedoch nur dann, wenn ihre Sym­ bolik richtig verstanden würde. Dafür müssten sie von all dem irrelevan­ ten und verwirrenden Beiwerk befreit werden, das sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts angesammelt habe.59 Zu diesem Zweck gründete W irth eine Zeitschrift, Le Symbolismen und schrieb eine Reihe von anhaltend populären Büchern über die Maurerei. Sein Werk wurde von älteren Maurern der Grande Loge de France allgemein geschätzt. Diese Obödienz war 1880 in Konkurrenz zur Grand Orient Loge gegründet worden und weniger politisch ausgerichtet als diese. Das Werk W irths wurde nach und nach auch von einigen Mitgliedern des Grand O rient aner­ kannt, die während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allmählich ihren politischen Charakter ablegte. W irth erreichte tatsächlich einen Teil der von ihm angestrebten Reformziele.60 Trotz der erheblichen Unterschiede im Gesamtkonzept61 deckte sich Wirths Auffassung vom Freimaurerritual hinlänglich mit Guenons Ver-

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ständnis von esoterischer Praxis, so dass ein gewisses Bündnis zwischen ihnen entstehen konnte. Zu Wirths Lebzeiten schrieb Guenon manch­ mal für Wirths Zeitschrift Le Symbolisme,62 und Wirths Nachfolger als Herausgeber gab offen zu, wie viel er dem Werk Guenons zu verdanken habe,63 obwohl er sonst eigentlich nicht als Traditionalist gelten kann. Die Forschung der Traditionalisten über den Symbolismus verhalf den Ritualen vieler Logen zu neuer Vitalität, was zu einer kleinen Renais­ sance der Freimaurerei führte. Später war die traditionalistische Philoso­ phie in französischen Freimaurerkreisen sehr verbreitet und in geringe­ rem Maße auch in der italienischen und spanischen Freimaurerei. Der Beitrag des Traditionalismus zur Reform der Maurerei zeigt sich am Ende des 20. Jahrhunderts auch darin, dass es eine Reihe von Freimau­ rer-Logen gab, die ein traditionalistisches Gedankengut offen eingestan­ den, darunter eine Schweizer Loge, die sich »Rene Guenon« nannte. Auf die amerikanische und britische Maurerei, die einen etwas anderen Weg ging als die des europäischen Festlands, hatte der Traditionalismus viel weniger Einfluss, obwohl am Ende des 20. Jahrhunderts der Traditiona­ lismus auch in diesen Ländern nicht unbekannt war. Doch diese Ent­ wicklungen fanden erst nach dem Zweiten Weltkrieg statt und werden daher in einem späteren Kapitel behandelt.

Schuon und die Alawis Weder eine Maurerloge noch die Bruderschaft der Ritter des göttlichen Parakleten wurden zur wichtigsten religiösen Organisation des Traditio­ nalismus, sondern ein Sufiorden, die Alawiyya, die später als Maryamiyya bekannt wurde. Wie die Bruderschaft entstand dieser Orden in den frühen 1930er Jahren, und zwar in Reaktion auf Guenons neue Be­ tonung der Initiation und der religiösen Praxis. Für seine Entstehung waren zwei Schweizer verantwortlich, Titus Burckhardt und Frithjof Schuon, beide damals Mitte zwanzig. Die beiden waren bereits während ihrer Schulzeit in Basel miteinander befreundet. Obwohl sie Künsderfamilien entstammten, kamen sie doch aus ziemlich unterschiedlichen Milieus. Burckhardt wurde in Florenz als Sohn eines Bildhauers gebo­ ren, wuchs aber hauptsächlich in der Schweiz auf.64 Die Familie war eine

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der ältesten und hochangesehenen Basler Familien, aus der unter an­ derem Jacob Burckhardt stammte, dessen Werk Die Kultur der Renais­ sance in Italien (1860) klassischer Ausdruck eines Renaissancebildes war, in dem der menschliche Geist triumphiert und eine glorreiche Moderne gebiert - genau das Gegenteil der Ansicht, die Guenon vertrat. Schuon dagegen stammte aus einer Emigrantenfamilie. Sein Vater war ein deut­ scher Geiger und seine Mutter eine Französin aus dem Eisass, so dass Schuon von Geburt eigentlich nicht Schweizer, sondern Deutscher war.65 Über Burckhardts Leben vor seiner Begegnung mit dem Traditiona­ lismus ist wenig bekannt. Über Schuons frühe Jahre wissen wir dagegen umso mehr, da er 1974 eine erstaunlich freimütige Autobiographie ver­ fasste. Dieses Werk ist eine unschätzbare Quelle für den Historiker.66 Mit sechzehn Jahren las Schuon zum ersten Mal Guenons Orient et Occident, das ihm Lucy von Dechend, eine deutsche Freundin aus Kindheitstagen, zum Geschenk machte, da sie von seinem durch Bücher in der väterlichen Bibliothek geweckten Interesse am Vedanta wusste.67 Schuon war davon sofort begeistert.68 Im Jahre 1931, während seines Militärdienstes, schrieb er an Guenon.69 Auf Guenons Empfehlung des Sufismus reagierte er anfänglich ebenso wie Reyor mit extremer Abnei­ gung. In einem Brief an einen Freund schrieb er: »Wie kannst du nur denken, dass ich Gott >via Mekka< erreichen will, um so Christus und den Vedanta zu verraten?«70 Nach einer Zeit qualvoller Gewissensprü­ fungen befand sich Schuon 1932 in Paris und betete eines Tages zu G ott um ein Zeichen. Kurz darauf ging er auf die Straße hinaus und erblickte das ungewöhnliche Schauspiel einer vorbeitrabenden Abteilung der nordafrikanischen Reiterei. Darin sah er das erbetene Zeichen und wur­ de Muslim. Er schrieb an Guenon und bat darum, ihm einen Scheich zu empfehlen.71 Gelegentliche Zeichen und Visionen spielten eine entscheidende Rolle im Leben Schuons und somit auch im Leben vieler anderer, die ihm nachfolgten. Sogar seine Geburt soll von einem Zeichen begleitet gewesen sein: Das Krankenhaus war vom Blitzschlag getroffen worden, und alle Uhren waren stehengeblieben. Mancher hätte darin ein übles Vorzeichen gesehen, vor allem für einen, dessen norwegischer Vorname wörtlich »Dieb des Friedens« bedeutet.72 p

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In seiner Autobiographie betont Schuon vor allem seine Kindheit, die ihn deutlich für den Rest seines Lebens prägte. Als Schoun dreizehn Jahre alt war, setzte der plötzliche Tod des Vaters seiner glücklichen Kindheit ein jähes Ende.73 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er ein recht komfortables Leben in einem entspannten künstlerischen Milieu ge­ führt. Er war sich noch nicht sicher, ob er Maler oder Dichter werden wolle, aber eines von beiden sollte es mit Sicherheit sein. Der Tod seines Vaters brachte jedoch die Familie in eine schwierige finanzielle Lage, und 1920 zog die Mutter mit Schuon und dem älteren Bruder von Basel nach Mülhausen (Mulhouse) im Eisass, um bei ihrer Mutter zu leben. Im Eisass war Schuon kreuzunglücklich. Als Deutscher wurde er allge­ mein angefeindet und geächtet. Finanzielle Gründe schlossen eine Zu­ kunft als Dichter oder Maler aus. Schuon musste mit 16 die Schule ver­ lassen und begann in einer Fabrik die Lehre als Textildesigner, um seine Familie zu unterstützen.74 Das Verhältnis zur Mutter wie zur Großmut­ ter war sehr schlecht. Seine Mutter wollte ihn zu einem anständigen französischen Bürger erziehen, weshalb sie ihre protestantischen, frei­ denkerischen Kinder kurz nach ihrer Ankunft in Frankreich katholisch taufen ließ.75 Schuon hingegen wollte so viel er konnte von dem künst­ lerischen Milieu seiner frühen Kindheit bewahren.76 1923 verließ sein Bruder Erich das Haus der Großmutter, um ein Priesterseminar zu besu­ chen. Er wurde später Zisterzienser der strengen Observanz (»Trappis­ tenmönch«).77 Seinem Tagebuch vertraute Schuon seine ganze Verzweif­ lung darüber an, dass ihm alles, was ihm lieb war, genommen wurde: sein Vater, sein Bruder, sein Zuhause und sein Vaterland, seine »spiritu­ elle und soziale Kaste«.78 Der junge Schuon verbrachte seine Freizeit mit dem Lesen von Bü­ chern über Philosophie und den Orient. Er verabscheute die Moderne wegen ihrer »Belanglosigkeit, Armseligkeit und Häßlichkeit«, und er irrte durch die Straßen von Mülhausen, träumend von »Adel, Größe und Schönheit«.79 Schon zu dieser Zeit hatte Schuon Vorahnungen, dass seine eigene Größe im Bereich der Religion stattfinden würde. Als er siebzehn Jahre alt war, schrieb er in sein Tagebuch, er erwarte eines Tages zum Parakletos, zum Tröster berufen zu werden.80 Die Bedeutung dieses Passus ist nicht ganz klar. Wie wir im Zusammenhang mit der Fraternite des Che-

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valiers du divin Paraclet gesehen haben, ist Parakletos ein christlicher Begriff, der sich für gewöhnlich auf den Heiligen Geist bezieht. Für Schuon dürfte er eine andere Bedeutung gehabt haben. Es gibt sonst keine Hinweise, dass er sich mit siebzehn für einen Teil der göttlichen Dreifaltigkeit hielt.81 Sobald er konnte verließ Schuon Mülhausen. 1929 ging er nach Paris, wo er als Textildesigner Arbeit fand. Nun ging es ihm schon etwas bes­ ser als in Mülhausen. 1932 wurde er jedoch im Zuge der Großen Depres­ sion arbeitslos. Er empfing jenes Zeichen, wurde Muslim und kehrte in die Schweiz zurück. Dort fand er einen jungen iranischen Mullah, der ihm die Fatiha, das Eröffnungskapitel des Q ur an und der zentrale Text des Ritualgebets, beibrachte.82 Manchmal nahm er auch an den Treffen einer kleinen Gruppe in Basel teil, die regelmäßig zusammenkam, um über das Werk Guenons zu diskutieren.83 Schuon mietete kurzfristig ein billiges Mansardenzimmer in Lau­ sanne. Ein nicht näher bekannter Schulfreund, der dort lebte, nahm sich seiner an, besuchte ihn jeden Morgen in seiner Mansarde und brachte ihm das Frühstück. Eines Tages, als der Schulfreund selbst keine Zeit hatte, schickte er seine siebzehnjährige Schwester. Sie hieß Madeleine. Schuon war sofort von ihrer Schönheit entzückt.84 Von Lausanne begab sich Schuon an den französischen M ittelmeer­ hafen Marseilles, wo er sich mit seiner Freundin Lucy von Dechend traf. Er hatte noch keine Antwort auf seinen Brief an Guenon erhalten, in dem er ihn bat, ihm einen Scheich zu empfehlen. In Marseille trafen Schuon und von Dechend einige algerische (oder vielleicht jem eniti­ sche) Seeleute, die von Scheich Ahmad al-Alawi erzählten. Ahmad al-Alawi war Algerier und einer der berühmtesten SufiScheichs des frühen 20. Jahrhunderts. Selbst ein Scheich der charisma­ tischen Art, war er nach Marokko gereist, um dort fünfzehn Jahre lang bei Muhammad Bu Zidi, der im Darqawi-Orden ein SpezialistenScheich war, zu lernen. Bei seiner Rückkehr an seinen Geburtsort, den Hafen von Mostaganem, gründete er seinen eigenen Orden, den er zu Ehren Alis, des Schwiegersohns des Propheten, die »Alawiyya« nannte {alawi ist im Arabischen das von Ali gebildete Adjektiv). Ali war ihm in einer Vision erschienen und hatte ihm diesen Namen für seinen neuen Orden gegeben, und auch der Scheich selbst gebrauchte den Beinamen

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»al-Alawi«.85 Schuon war natürlich nicht der Einzige, der Zeichen und Visionen empfing. Sie gehörten schon immer zum spirituellen Alltag vieler Sufis. Al-Alawis Laufbahn ist für einen Scheich seiner Art typisch, wie auch sein Aufenthalt in Marokko. Von Anfang an gab es für den Su­ fismus keine Ländergrenzen. Der Alawiyya-Orden breitete sich schnell aus, zumal manche der Anhänger al-Alawis Seeleute waren. Zum Beispiel ließ sich im Jahr 1925 ein jemenitischer Matrose in Cardiff nieder und gründete eine britische Niederlassung der Alawiyya. Sie sollte bald das religiöse Leben der je­ menitischen Gemeinde in Großbritannien beherrschen.86 Al-Alawi lebte in Algerien unter französischer Kolonialhoheit und war sich der Bedeutung guter Beziehungen zu den Europäern wohl be­ wusst. Zu dieser Zeit begegnete die französische Kolonialverwaltung in Algerien dem Sufismus mit Argwohn, da die meisten der frühen Wider­ standsbewegungen gegen die französische Besetzung Nordafrikas von Sufis angeführt worden waren.87 Der Berühmteste unter vielen SufiFührern des Widerstands war der Amir Abd al-Qadir, der bereits als Ge­ fährte von Illaysh erwähnt worden ist. Aber der Kampf gegen die Fran­ zosen war nun eindeutig verloren, und al-Alawi setzte sich für bessere Beziehungen ein. Er verstand gut Französisch, vermied aber die Sprache zu sprechen. Wenn er mit Europäern zu tun hatte, unterstrich er die Gemeinsamkeiten zwischen dem Sufismus und dem Christentum, und nicht ihre Unterschiede. Infolgedessen wurde er von vielen Franzosen hochangesehen. Ihn bat man auch im Jahre 1926, das erste Gemein­ schaftsgebet zur Einweihung der neuen Pariser Moschee zu leiten. Er hatte auch eine kleine Gefolgschaft von Europäern, zu denen Propst Biraben gehörte, einer der frühen Bewunderer Guenons in Paris.88 Die Algerier, die Schuon in Marseilles kennengelernt hatte, besorg­ ten ihm möglicherweise eine freie Überfahrt nach Oran in Algerien,89 nicht aber seiner Freundin von Dechend (vielleicht weil sie keine Mus­ limin war), und sie kehrte nach Basel zurück.90 Ende 1932 erreichte Schuon die zawiya (den Moscheekomplex) der Alawiyya in Mostaganem.91 Kurze Zeit nach seiner Ankunft erhielt er einen weitergeleite­ ten Brief von Guenon, in dem er ihm Ahmad al-Alawi als Scheich emp­ fahl.92 Diese Duplizität der Ereignisse lässt sich leicht erklären: Schuon sprach Französisch und Deutsch und wahrscheinlich kaum Arabisch,

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und al-Alawi war der berühmteste französischsprechende Scheich seiner Zeit. Im Jahre 1932 war Scheich al-Alawi bereits hochbetagt und sein Ge­ sundheitszustand prekär. Schuon sah ihn nicht viel. Anfang 1933 wurde er zu ihm für die kurze Aufnahmezeremonie in den Alawiyya-Orden vorgelassen.93 Er verbrachte seine Zeit in Gesprächen m it anderen Alawis, insbesonders mit Adda Bentounes, einem muqaddam (Stellvertre­ ter) von al-Alawi. Ein Scheich mit einer großen Gefolgschaft ernennt häufig mehrere muqaddamun (Plural von muqaddam), in erster Linie um Zweigstellen in abgelegenen Gegenden zu leiten, und manchmal um bei der Leitung der Haupt-zawiya zu helfen. Ein muqaddam erhält nor­ malerweise eine ijaza (Erlaubnis), die es ihm gestattet, andere in den Orden aufzunehmen. Schuon verbrachte drei Monate auf diese Weise. Er bewohnte ein Zimmer in der zawiya, das nur mit einer Strohmatte, einer Matratze und einer Zudecke ausgestattet war. Wenn er nicht Gespräche m it ande­ ren Alawi-Schülern führte, verbrachte er seine Zeit m it Strandwande­ rungen. Nach dem Ritualgebet bei Sonnenuntergang hielt er sich gern im Hof außerhalb der Moschee auf und bewunderte die ergreifende Schönheit um ihn herum.94 Dieser Rhythmus ist für einen Neuan­ kömmling in einem Sufiorden ziemlich normal: Auf diese Weise wird er zu einem Teil der Gemeinschaft um den Scheich, er lernt am Beispiel der Gemeinschaft ebenso wie durch das beiläufige Gespräch m it den M it­ gliedern. Er kann sich so Zeit lassen, um die gesamte Erfahrung zu ver­ arbeiten und zu verinnerlichen. Am Ende von drei M onaten verließ Schuon Mostaganem, zum Teil auch deshalb, weil die französischen Be­ hörden auf ihn aufmerksam geworden waren. Er kehrte nach Europa zurück.95 Schuons traditionalistische Freunde in Basel waren erstaunt, als sie ihn wiedersahen: Er schien ein »veränderter Mensch« geworden zu sein.96 Auch Burckhardt sah Schuon erst jetzt wieder, nachdem er ihm seit ihren Jugendjahren nicht mehr begegnet war, und er wollte darauf­ hin ebenfalls nach Mostaganem reisen. Doch er ließ sich durch Shouns Berichte über al-Alawis abnehmende Gesundheit und über die Schwie­ rigkeiten mit den französischen Behörden von seiner Absicht abbringen. Er entschied sich stattdessen für eine Reise nach Marokko.97

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Mochte er sich auch verändert haben, seinen traditionalistischen Perennialismus behielt Schuon bei. Selbst in der zawiya in Mostaganem hatte er sich die Zeit genommen, einen Artikel für Le voile d ’Isis zu schreiben, Laspect ternaire de la tradition monotheiste (Der dreifache Aspekt der monotheistischen Tradition), das heißt, über die fundamen­ tale Einheit von Christentum, Islam und Judentum.98 Es hatte auch eine Auseinandersetzung mit einem anderen Alawi gegeben, einem Marok­ kaner, der Schuon sehr gekränkt hatte, indem er behauptete, Christen kämen nicht ins Paradies - eine Ansicht, die al-Alawi selbst teilen moch­ te oder auch nicht,99 die er aber aus Taktgefühl gegenüber einem frisch Konvertierten keinesfalls geäußert hätte, zumal bekannt war, dass dessen Bruder ein christlicher Mönch war.100 Im Unterschied zu Schuon hatte sich Burckhardt indes zunehmend in islamischer und weniger in perennialistischer Richtung entwickelt. Er ging nach Fez, wo er den Winter hindurch Arabisch lernte und Mus­ lim wurde. Im Frühjahr 1934 stieß er auf einige Sufis des DarqawiyyaOrdens in Sale. In diesen Orden wurde er später durch Ali ibn Tayyib al-Darqawi aus Fez aufgenommen.101 Dem vorausgegangen war ein merkwürdiges Erlebnis an der Darqawi zawiya in Sale. Burckhardt wurde in ein Zimmer geführt, in dem viele andere Darqawis warteten, und als er eintrat, hatte er das Gefühl, von einer kleinen Schar von Schuon-Doppelgängern begrüßt zu werden.102 Etwa zur selben Zeit hatte Schuon in Paris seine erste Vision, wäh­ rend er in der Bhagavad Gita las: »Der Allerhöchste Name [Allah] er­ tönte in mir und vibrierte mit Macht in mir fort. Ich konnte gar nicht anders, als mich dieser Schwingung hinzugeben.« Schuon legte sein Buch nieder und verließ das Haus, um lange Zeit in einer Art Trancezu­ stand an den Quais entlangzuwandern und den Allerhöchsten Namen zu wiederholen.103 Ein paar Tage nach diesem Erlebnis erfuhr Schuon, dass seine Vision mit dem Todestag al-Alawis zusammenfiel. Er deutete die Vision so, dass al-Alawi ihm die Erlaubnis gegeben habe, den Allerhöchsten Namen in seiner persönlichen wird (Übung) zu verwenden.104Diese Erlaubnis wird normalerweise nur denen erteilt, die schon weit auf dem Sufi-Pfad fort­ geschritten sind. Schuons Bewusstsein des Allerhöchsten Namens war in den kommenden Jahren einem Kommen und Gehen unterworfen, und

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Schuon scheint es als Zeichen seines spirituellen Fortschreitens aufge­ fasst zu haben. Kurz nach diesem Ereignis kehrte Schuon nach Mostaganem zurück, wo er von Adda Bentounes empfangen wurde, dem ehemaligen muqaddam al-Alawis, der nun sein Nachfolger geworden war. Nach etwa einer Woche schickte Bentounes Schuon in eine khalwa, einen spirituellen Rückzug, ein Standardelement des Sufi-Trainings. Schuon erschienen nicht nur einige der Propheten, sondern auch goldene japanische Bild­ nisse des Amida Buddha105 —Letztere vermutlich hervorgerufen durch die Erinnerung an japanische Statuen des Buddha im Basler Ethnogra­ phischen Museum, die Schuon in seiner Kindheit sehr liebte.106 Am Ende seiner khalwa ernannte Bentounes Schuon zu einem Alawi muqaddam, zumindest laut Schuons Bericht in den Erinnerungen und Betrachtungen Diese Ernennung sollte später zu einem heiß um strit­ tenen Thema werden. Einige Alawi bestätigten die Ernennung Schuons, während andere sie bestritten.108 Offensichtlich wurde Schuon eine Zeit­ lang von Bentounes als muqaddam akzeptiert.109 Das heißt jedoch nicht, dass dies Bentounes’ ursprünglicher Absicht entsprach. Einige der spä­ teren Anhänger Schuons haben Kopien des Textes einer undatierten ijaza in ihrem Besitz, die Bentounes’ Unterschrift trägt. Die begleitende, aber später entstandene französische Übersetzung ist m it der Überschrift »Moqaddam-Diplom« versehen, doch dieses Dokument trägt lediglich zu der Verwirrung bei. Es wird darin nicht erwähnt, dass Schuon Bewer­ ber in den Alawiyya-Orden aufzunehmen berechtigt ist. Der entschei­ dende Satz lautet: »[Schuon] wird hiermit ermächtigt, die Botschaft des Islam zu verbreiten [...] und die Worte der Einheit zu bezeugen (ak­ zeptieren): La Haha illa Allah, Muhammadur rasul Allah. [Es gibt kei­ ne Gottheit außer Allah, und Muhammad ist Allahs Gesandter].« Die »Worte der Einheit«, die auch als islamisches Glaubensbekenntnis be­ zeichnet werden, sind nämlich die Worte, die ein Nichtmuslim sprechen muss, um Muslim zu werden. Wie es aussieht, erlaubte Schuons ijaza ihm also, für den Islam zu werben und Bekehrungen zu bezeugen. Schuons ijaza berechtigt ihn also zu etwas, wofür keine Sondererlaubnis erforderlich ist. Es ist die Pflicht eines jeden Muslims, für den Islam zu werben, und jeder gesunde, erwachsene Muslim kann eine Bekehrung zum Islam bezeugen (das heißt akzeptieren). , 107

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Die wahrscheinlichste Erklärung für diesen ungewöhnlichen Text ist, dass Schuon, dem klar war, dass er der traditionalistischen Elite mit ei­ ner gültigen Initiation in eine orthodoxe Tradition aufwarten müsse, Bentounes darauf ansprach, wie nützlich eine ijaza in Europa für ihn sein würde. In ähnlicher Weise hatte seinerzeit Reyor Charbonneau-Lassay gebeten, die Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet wiederzube­ leben. Bentounes wollte wahrscheinlich das Ansinnen weder gewähren noch völlig abschlagen, und so versah er Schuon mit einer Form von ijaza, die ihn zwar nicht berechtigte, Anwärter in den Alawiyya-Orden aufzunehmen, aber doch eine Art Trostpreis darstellte. Obwohl Schuons ijaza an sich schon zu Meinungsverschiedenheiten Anlass gab, ist sie von größerer Wichtigkeit als das Dokument selbst, was sich dahinter verbarg. Eine ijaza ist sowohl ein Verwaltungsakt als auch eine Ehrung. Als Verwaltungsakt ist sie ein Weg, etwas von der Macht und Verantwortung eines Scheichs zu delegieren, damit sie im Auftrag eines Scheichs ausgeübt werden können. Aber Schuon handelte niemals im Namen al-Alawis. Als eine Ehrbezeugung könnte sie als eine Art von Leistungsurkunde gelten. Nach dem gängigen Verständnis des Sufi-We­ ges hatte Schuon zu dieser Zeit gerade eben die erste Stufe seines SufiTrainings abgeschlossen. Dass er dieses Training kaum vollständig ab­ geschlossen haben kann, wird deudich, wenn man Schuons wenige Monate in der Alawi zawiya mit den fünfzehn Jahren vergleicht, die alAlawi mit seinem eigenen Scheich verbracht hatte. Obwohl es später Zweifel an Schuons ijaza gab, im Basel der drei­ ßiger Jahre gab es sie nicht, und Schuon selbst zweifelte erst recht nicht an seiner Befähigung, Leute in den Alawiyya-Orden aufzunehmen.110 Zuerst nahm er einige der Basler Traditionalisten auf, unter anderem Titus Burckhardt und Harald von Meyenburg, der ein Freund und spä­ terer Schwager Burckhardts war, die alle zuvor Muslim geworden waren. Sie trafen sich von Zeit zu Zeit zum gemeinsamen Gebet und zur stillen Andachtsübung des dhikr. Doch bald schon hielt Schuon ein wöchent­ liches Treffen ab, bei dem ein lautes dhikr praktiziert wurde, das von Burckhardt geleitet wurde. Es fand in einer dafür gemieteten Wohnung in einem der schäbigeren Viertel von Basel statt, wo »ein Stockwerk tiefer Kommunisten hausten, und darunter Prostituierte«.111 Normalerweise dauert ein lautes dhikr ungefähr eine Stunde. Je

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nachdem, welchem Orden sie angehören, sitzen die Sufis im Kreis oder stellen sich in Reihen auf. Gemeinsam wiederholen sie kurze Gebets­ formeln, wobei sie gewöhnlich den Oberkörper im Rhythmus der Ge­ bete bewegen. Doch die Basler dhikr-Sitzungen begannen um acht U hr abends und zogen sich oft bis ein oder zwei Uhr morgens hin. Die Bewe­ gungen, die das Gebet begleiteten, wurden gelegentlich so heftig, dass andere Mieter hochkamen, um sich zu beschweren, weil die Glühbirnen ausfielen oder Bilder an den Wänden wackelten. Bei einer anderen Gele­ genheit fiel den Traditionalisten die Decke auf den Kopf. Nach einer kurzen Pause von etwa drei Sekunden setzte Burckhardt das dhikr in­ mitten des Schutts fort.112 Einige Zeit danach wurde das Abbruchhaus demoliert und die dhikrSitzungen wurden kurzzeitig eingestellt, bis von Meyenburg eine neue zatuiya fand, ein kleines zweistöckiges Gebäude am Rhein, m it einem großen Raum auf jeder Etage. Hier sorgte Schuon für O rdnung und zügelte das ausufernde Benehmen der Teilnehmer. Das dhikr wurde auf eine normale Länge begrenzt, seine Form wurde geregelt, und die Teil­ nehmer wurden angewiesen, »traditionelle« Kleidung anzulegen: arabi­ sche Kaftane und einen Turban. Selbst zu diesem frühen Zeitpunkt ach­ tete Schuon auf die Details der Inszenierung. Dass es Schuon so leicht wurde, die Leitung der Basler Gruppe von Traditionalisten zu übernehmen, lag zum Teil an seiner Persönlichkeit, zum Teil an seiner ijaza> und zum Teil wohl auch an dem Erlebnis Burckhardts in Sale, wo er eine Vielzahl von Schuons in der zawiya wahrgenommen hatte. Burckhardts Arabisch war gut, vermutlich besser als das aller bisher erwähnten wesdichen Muslime m it Ausnahme Aguelis, und ebenso sein Verständnis des Islam und der marokkanischen Kul­ tur. Außerdem hatte Schuon weniger Zeit mit Scheich Ahmad al-Alawi verbracht als Burckhardt mit seinem Scheich. Schuons Kenntnisse des Arabischen wie des Islam standen weit hinter denen Burckhardts zu­ rück. Trotzdem war es Schuon und nicht Burckhardt, der binnen kur­ zem zum anerkannten Anführer der Gruppe wurde. Schuon erlegte den begeisterten Basler Brüdern Mäßigung auf und empfahl ihnen auch, nur die rituellen Pflichtgebete (fard) zu verrich­ ten und die empfohlenen freiwilligen Gebete der sunna wegzulassen.113 Während viele Muslime in der islamischen Welt die sunna regelmäßig

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auslassen, und diese per definitionem nicht verbindlich sind, achten die meisten Sufis in der islamischen Welt sorgfältig darauf, wo immer mög­ lich auch die Empfehlungen der sunna auszuführen. Kaum ein SufiScheich würde jemals anordnen, eine sunna-Handlung zu unterlassen. Schuons Unterweisung spiegelte seine Überzeugung wider, dass es das dhikr war, was zählte, und nicht das Ritualgebet. Das dhikr war für ihn das Mittel zum »wahrhaft initiatischen Weg«, zur »[mystischen] Vereini­ gung mit Gott«. »Es gibt ein gewisses Missverhältnis«, schrieb Schuon 1939, »zwischen der Praxis dieser unübertroffenen Methode [...] und der unbestimmten Vervielfältigung sekundärer Ritual-Vorschriften, die in­ dividuelle Erlösung und nicht fana fi-llah (mystische Vereinigung mit Gott) zum Ziel haben. Aus diesem Grund müssen wir [...] uns bezüg­ lich des Andachtsrituals auf das Unerlässliche beschränken, dessen unbe­ dingte Notwendigkeit wir trotz allem anerkennend Kaum ein sunnitischer Muslim in der islamischen Welt würde dieser Ansicht zustimmen, auch nicht der ungewöhnlichen Auslegung des Qur’an-Verses 29:45, den viele Schuon-Anhänger anführen, um diese Ansicht zu untermauern.115 Diese »Abweichung« von der in der islami­ schen Welt üblichen Praxis sollte die erste von vielen sein, die sich im Verlauf der nächsten fünfzig Jahre ergaben. Sie scheint letztlich aus Schuons Überzeugung hervorgegangen zu sein, dass der Islam nicht so sehr ein Selbstzweck als ein Mittel zum Zweck war, um zur philosophia perennis oder religio perennis (der ewigen Religion) zu gelangen. Zu diesem Zeitpunkt begegnete Schuon auch Madeleine wieder, dem Mädchen, das ihm einst das Frühstück in seine Lausanner Man­ sarde gebracht hatte. Madeleines Bruder arrangierte ein Treffen zwischen ihr und Schuon am Genfer See. Eine Zeitlang trafen die beiden sich gelegendich und unternahmen Spaziergänge in den Wäldern der Umge­ bung von Lausanne. Einmal sah Schuon Madeleine beim Tanzen zu, entweder im Wald oder in seiner Wohnung. Und dann beendete Made­ leine die Beziehung, aus Gründen, die Schuon uns nicht mitteilt.116 Schuon hatte sich in Madeleine verliebt, und seine »unglückliche Liebe« zu der Frau, die er als seine »Freundin« bezeichnete, nahm monu­ mentale Ausmaße an. Er schrieb zahlreiche Gedichte an seine »Freun­ din«, von denen er später eine Auswahl veröffentlichte.117 Er begab sich häufig zu einer Kapelle in der Nähe des Sees, an dem sie sich getroffen

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hatten, um darum zu beten, sie möge ihre Meinung über ihn ändern.118 Er gab sogar das Rezitieren des Allerhöchsten Namens in seiner täg­ lichen Übung auf, weil seine »irdische Liebe« ihn ablenkte.119 Schuon forderte auch von seinen Anhängern in der AJawiyya, sie sollten diese »unglückliche Liebe« mit ihm teilen. Er sagte oft: »Wer Madeleine nicht liebt, gehört nicht zu diesem Orden!«120 »Schönheit«, schrieb er später, »in der Tat alles, was wir lieben, ge­ hört zum Himmel. Alles Gute kommt von Gott und gehört zu Gott. Irdische Schönheit ist gut, wenn sie uns einen Schlüssel zur Gottesliebe gibt, wenn sie den Rahmen für unser Gebet und unsere M editation bil­ det.«121Schuon hatte offensichtlich das Gefühl, Madeleine habe ihm den Schlüssel zur Gottesliebe geschenkt, und diese wollte er m it seinen An­ hängern teilen. Dieser Vorfall ist von Bedeutung, da Schönheit und Liebe, vor allem die Liebe zu schönen Frauen, in der späteren Geschichte des Schuon-Ordens abermals auftreten. Guenon erfuhr in Kairo von der Entwicklung des Alawiyya-Ordens. Nicht bekannt ist, ob die Berichte auch die außerislamischen De­ tails der Visionen Schuons enthielten.122 Guenon begeisterte sich augen­ blicklich, hier war nun die initiatische Basis für seine Elite:123 Bald schon begannen er und Reyor in Paris (auf Guenons Anweisung), die Tradi­ tionalisten auf Schuon zu verweisen, und die Alawiyya wuchs.124 Wei­ tere Mitglieder aus den Schweizer Gesellschaftskreisen Schuons und Burckhardts folgten. Louis Caudron, ein Traditionalist aus Amiens in Frankreich, verhalf Schuon zu Arbeit in einer Textilfabrik, die er dort besaß, und eine zweite Alawi zawiya wurde in Amiens eröffnet, bald darauf eine dritte in Paris, dann eine in Lausanne, wohin Burckhardt übersiedelte, um für einen Verleger zu arbeiten. Nachdem Schuon eine besser bezahlte Arbeit in Thann im Eisass gefunden hatte, wurde Cau­ dron in Amiens sein erster muqaddam. 1939 nahmen an dem wöchent­ lichen dhikr in der Basler zawiya, zu dem Schuon jede Woche aus dem Elsass angereist kam, bereits an die dreißig bis vierzig Traditionalisten teil.125Von Meyenburg beschrieb später diese Zeit als »das goldene Zeit­ alter«, das von einer »außergewöhnlichen spirituellen Intensität« gewe­ sen sei. Von Anfang an war die Existenz der Alawiyya weitgehend geheim. Dies steht in auffallendem Gegensatz zu den Sufiorden in der islami-

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sehen Welt, die immer öffentliche Organisationen sind.126 Es scheint mehrere Gründe für diese Geheimhaltung gegeben zu haben, von denen einige traditionalistischer und einige praktischer Art waren. Erstens wa­ ren nach der Theosophischen Gesellschaft alle bisher besprochenen reli­ giösen Gruppen in irgendeiner Weise Geheimbünde: die Maurerlogen, der Templer-Orden, die Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet. Ge­ heimhaltung ist ein Teil der westlichen oder okkultistischen Auffassung von Initiation. Im Konzept der Sufis spielt sie hingegen keine Rolle. Zweitens hatte Guenon in Orient et Occident die Notwendigkeit der Diskretion betont, um der Feindseligkeit »ungeahnter Mächte« zu ent­ gehen, obwohl nicht bekannt ist, inwieweit diese Sorge Schuons be­ tonte Geheimhaltung beeinflusste. Drittens war der Islam ein Mittel zum Zweck und nicht eigentlicher Selbstzweck. Als von Meyenburg, das dritte Mitglied von Schuons Alawiyya-Orden, in einem Interview über diese Geheimhaltung befragt wurde, reagierte er spontan mit Überra­ schung: Wie hätte es anders sein können? Was wäre aus ihren Arbeits­ verhältnissen geworden, wenn es bekannt geworden wäre, dass sie Mus­ lime geworden waren? Tatsächlich, fugte er hinzu, hatte sein Arbeitgeber (ein bedeutender Schweizer Chemiekonzern) es doch entdeckt, und ganz offenbar war nichts geschehen. Eine andere Überlegung war, laut von Meyenburg, dass es zu jener Zeit wenig gebracht hätte, sich als Muslim zu outen. Es gab damals in der Schweiz so gut wie keine andere muslimische Gemeinde und auch keine Moschee, wo man sich bei­ spielsweise zum Freitagsgebet hätte versammeln können. 1937 hatte Schuon seine zweite Vision, in der das Bewusstsein des Allerhöchsten Namens zu ihm zurückkehrte: »Ich erwachte mit der Gewissheit, dass ich zum Scheich geworden war; mir war, als würde ich dahingleiten, als ich auf die Straße hinaustrat.« Kurz darauf »empfing« er »sechs Themen zur Meditation«: »Tod und Leben«, »Ruhe und Tä­ tigsein« und »Wissen und Sein«.127 Diese beiden Visionen kennzeichnen die formelle Trennung der Alawiyya Schuons von der algerischen Alawiyya: Wenn Schuon der Scheich war, dann war er nicht mehr ein muqaddam, und er war niemandem mehr verantwordich außer Gott allein. Die sechs Themen zur Meditation wurden in die Praxis von Schuons Alawiyya-Orden aufgenommen. Und sie machten die Trennung kon­ kret: Die Alawiyya Schuons hatte nun ihre eigenen Praktiken.

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Nach diesen Visionen befielen Schuon Zweifel, zum einen an sich selbst und zum anderen daran, ob der Westen ein angemessenes Betäti­ gungsfeld für ihn sei.128 Diese Zweifel waren auch Schuons Anhängern wohlbekannt,129aber er überwand sie. Im Jahre 1938 reiste Schuon nach Kairo, wo er Guenon zum ers­ ten Mal begegnete. Über diesen Besuch, der nur eine Woche dauerte, schweigt er sich aus und sagt nur, dass er Guenon fast täglich besucht habe und das Gespräch mit ihm etwas enttäuschend fand.130 Guenon schien aber davon überzeugt, dass Schuon sich zu Recht von M osta­ ganem losgesagt hatte. 1936 noch hatte Guenon leichte Besorgnis dar­ über geäußert, dass Schuon zu schnell vorgehe und sich zu früh gelöst habe,131 doch im Jahr 1938 gab er zu, dass die Veränderungen, die seit dem Tod von Scheich al-Alawi stattgefunden hatten, »unbefriedigend sind. Alles wird propagandistischen und exoterischen Tendenzen geop­ fert, die wir in keiner Weise billigen können.«132 Im Jahr 1939 wurden die Aktivitäten des Alawiyya-Ordens Schuons wie die der Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet Reyors durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unterbrochen. Schuon traf am Tag der Kriegserklärung in Bombay ein. Sofort bestieg er ein Schiff, das ihn nach Europa zurückbrachte. In seinem Gepäck führte er ein Exemplar des Sanskrit-Texts der Bhagavad Gita mit, nicht etwa um es zu lesen, sondern allein wegen »der Kraft seines Segens«.133 Sein Reisegefährte, derselbe John Levy, der zuvor in Kairo das Haus für Guenon erstanden hatte, blieb in Indien, schloss sich der britischen Armee an und konver­ tierte später zum Hinduismus.134 Er war somit der erste traditionalisti­ sche Muslim, dessen Abkehr vom Islam bekundet ist. Als französischer Soldat nahm Schuon 1940 an der katastrophalen Niederlage Frankreichs teil, ohne selbst an Kampfhandlungen beteiligt zu sein. Der deutsche Sieg brachte ihm eine neue Gefahr. Deutschland hatte das Eisass annektiert und war dabei, Elsässer in das deutsche Heer einzuziehen. Nicht nur stammte Schuons M utter aus dem Eisass, sondern auch sein Vater war Deutscher gewesen. Da Schuon nicht in der deutschen Armee dienen wollte, floh er über die Schweizer Grenze. Bei seiner Ankunft wurde er, wie damals üblich, von den Schweizern interniert. Schuon, der einflussreiche Freunde unter seiner Schweizer Gefolg-

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Schaft besaß, beantragte aufgrund seiner Schweizer Geburt die Schwei­ zer Staatsbürgerschaft, die ihm 1941 gewährt wurde. Dies vor allem durch das Eintreten eines seiner Anhänger, Jacques-Albert Cuttat, Sohn eines Berner Bankiers und aufsteigender Stern im Schweizer diplomati­ schen Dienst.135 Um seinen Einbürgerungsantrag nicht zu gefährden, wies er die Basler zaiviya der Alawiyya an, ihre Tätigkeiten vorläufig ein­ zustellen. Obwohl sie nach und nach ihre Aktivitäten wieder aufnehmen sollte, wurde Basel nie wieder zum Zentrum des traditionalistischen Su­ fismus.136 Schuons Schweizer Anhänger versorgten ihn offenbar auch finan­ ziell.137 Er mietete eine kleine Wohnung in Lausanne, wo Burckhardt wohnte und nun auch seine geliebte Freundin Madeleine, von der Schuon herausfand, dass sie inzwischen verheiratet war. 1943 trafen sie sich wieder, und sie führte ihm ihr Baby vor. Infolge dieser Begegnung »wurde die gesamte Umwelt zu meiner geliebten Freundin«. Diese Ver­ wandlung war dauerhaft. Danach hatte Schuon die Empfindung, dass er »sozusagen in den kosmischen Leib der geliebten Freundin eingegangen war, ich wohnte in ihr wie in der Mutterliebe«.138 Kurz vor diesem Ereignis war Schuon einkaufen gegangen, um seine neue Wohnung auszustatten. In einem Schaufenster entdeckte er eine antike Statuette der Jungfrau Maria und war von ihrer Schönheit ebenso bezaubert, wie er von ihrer unpassenden Umgebung betroffen war. Ob­ wohl sie viel Geld kostete und er wenig besaß, kaufte Schuon die Statu­ ette und gab ihr in seiner Wohnung einen Ehrenplatz. Die shana verbie­ tet Muslimen im Allgemeinen das Aufstellen von Standbildern, und Statuen der Jungrau Maria werden gewöhnlich mit der katholischen Kirche in Verbindung gebracht. M it Rücksicht auf dieses Verbot erklärte Schuon später: »Ich nahm zwar alle Fragen der heiligen Regeln immer peinlich genau, andererseits stand ich ja aufgrund der religio perennis darüber und ließ mich nicht von Formen einengen, die für mich keine Gültigkeit haben konnten - für mich, wohlbemerkt, denn einem ande­ ren hätte ich nicht gestattet, dieselben Regeln zu brechen.«139 Diese Aussage fasst den Zustand der Alawiyya Ende der 1930er Jahre prägnant zusammen: Ein traditionalistischer Sufiorden, dessen Mitglie­ der sich zum Islam bekannten und an die shana gebunden waren, des­ sen Scheich aber privat eine universalistische Auffassung vertrat und ein

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Exemplar der Bhagavad Gita und eine Statuette der Jungfrau M aria zu seinem wertvollsten Besitz zählte.140 Die volle Auswirkung des Kaufs die­ ser Statuette sollte jedoch erst später klar werden, da sich diese Anschaf­ fung mit der Mutterliebe verband, die er beim Anblick von Madeleines Kind erlebt hatte. Dieses Thema wird noch in einem späteren Kapitel zu erörtern sein.

5. F a sc h ism u s

Das Leben Guenons, Schuons, Burckhardts, Reyors und Thomas war vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vom Aufstieg des Faschismus in Europa wenig betroffen, da sie jeweils in Ägypten, in der Schweiz und in Frankreich lebten. Doch die Entwicklung des Traditionalismus in Ita­ lien und Rumänien fand vor einem ganz anderen politischen Hinter­ grund statt. In Italien kam 1922 mit Mussolinis Marsch auf Rom ein faschistisches Regime an die Macht, in Deutschland 1933 mit Hitlers Wahlsieg und in Rumänien 1940-41 mit Horia Simas Eintritt in die ru­ mänische Regierung. In allen drei Ländern waren okkultistische Grup­ pen an den Frühstadien der Entwicklung der Regime beteiligt, obwohl sie keineswegs eine zentrale Rolle dabei spielten. In Italien und Rumä­ nien wurde der Traditionalismus in einer Weise in die Politik miteinbezogen, wie es in Frankreich und in der Schweiz nicht der Fall war.

Die Entstehung der NSDAP Die Ursprünge der deutschen Nazipartei verdeudichen die frühesten Verbindungen zwischen dem Okkultismus und einem faschistischen Regime. 1913 kehrte Sebottendorf nach circa 13 Jahren in der Türkei nach Deutschland zurück. Er hoffte, den »Schlüssel zur spirituellen Erkennt­ nis« unter den materialistischen Deutschen verbreiten zu können, den er gefunden zu haben glaubte und dessen sein Volk doch so sehr bedurfte. Doch Sebottendorf wurde von seiner Aufnahme enttäuscht. Nach­ dem er verschiedene okkultistische und spiritistische Gruppen auf ihre Eignung zur Verbreitung seiner Botschaft geprüft hatte, zog er sich ent­ mutigt zurück. Wahrend des Ersten Weltkriegs war er aufgrund seiner osmanischen Nationalität und einer Verwundung, die er sich 1912 auf osmanischer Seite im Balkankrieg kämpfend zugezogen hatte, vom Mi­ litärdienst befreit. Die ersten Kriegsjahre verbrachte er ziellos und ge-

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wann nur einen einzigen Anhänger, einen jungen Arbeiter, dessen hoch­ schwangere Schwägerin er retten half, als bei einer Bergwanderung ihre Wehen einsetzten. Im Jahr 1916 fiel aber bei einem Anwaltsbesuch sein Auge auf eine mit Runen illustrierte Zeitungsanzeige, die für eine da­ mals unbekannte Gruppe warb, nämlich für den Germ anen-Orden. Voller Hoffnung wandte sich Sebottendorf an die Gruppenleiter, hoch­ erfreut darüber, wie er glaubte, endlich das Forum fiir seine Pläne gefun­ den zu haben. Man erklärte ihm, der Orden strebe die innere W ieder­ geburt der Deutschen an und bekämpfe den Einfluss des Judentum s. Sebottendorf erklärte sich zur Mithilfe bereit, da »es Ihnen in D eutsch­ land an Glaubenseinheit mangelt, müssen Sie daher eine andere Einheit hervorbringen, die der Rasse, wenn Sie überhaupt etwas erreichen wol­ len«.141 Was der Germanen-Orden von Sebottendorfs Schlüssel zur spirituel­ len Erkenntnis hielt, ist nicht bekannt. Der Germanen-Orden war lose mit dem Hohen Armanen-Orden verbunden, einer okkultistischen Gruppe, die sich auf Theosophie und Freimaurerei stützte. D er H ohe Armanen-Orden leitete seine Herkunft von den Tempelrittern ab, für die sich Guenon einmal interessiert hatte. Er wollte die Wissenschaft der Runen und die Wotan-Verehrung wieder einfiihren sowie ein arisch do­ miniertes Reich errichten, das lose auf dem deutschen R ittertum ba­ sierte. Die Interessen des Germanen-Ordens waren jedoch vornehm lich rassisch ausgerichtet.142 Man darf davon ausgehen, dass die Anführer des Ordens mehr Interesse an Sebottendorfs Geld hatten als an seinem Schlüssel zur spirituellen Erkenntnis. Sebottendorf wurde in München zum Ordensmeister ernannt, wo der Germanen-Orden unter dem Namen Thulegesellschaft wirkte. Vor den Mitgliedern der Thulegesellschaft hielt er Vorträge über »Astrologie, Symbolismus und Runenlehre« und gründete eine Zeitschrift, D ie Ru­ nen. Doch die Leitung des Germanen-Ordens war enttäuscht und for­ derte stärker politisch ausgerichtete Aktionen, woraufhin Sebottendorf den Münchner Beobachter kaufte. Nachdem er ihn in der H offnung auf höhere Auflagen in Münchner Beobachter und Sportblatt um benannt hatte, begann er, die Zeitung nach den gewünschten Vorgaben auszu­ richten. Sebottendorf beauftragte Karl Harrer, einen Sportjournalisten aus der Thulegesellschaft, eine politische Fraktion zu gründen, die sich

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an die gewöhnliche Arbeiterschaft wenden sollte. Diese Gruppe, die zuerst der »Deutsche Arbeiterverein« hieß, wurde bald umgetauft in »Deutsche Arbeiterpartei«.143 Nach dem Untergang der kurzlebigen bayerischen Räterepublik ver­ ließ Sebottendorf die Thulegesellschaft. Wahrend eines kurzen bewaff­ neten Geplänkels im Jahr 1919 zwischen der bayerischen Räterepublik und ihren Gegnern, in dem eine Abteilung der Thulegesellschaft eine entscheidende Rolle spielte, erschossen Soldaten der Räterepublik zehn Geiseln, unter denen sich sieben Mitglieder der Thulegesellschaft befan­ den. Die bayerischen Räte waren irgendwie an die Mitgliederlisten der Thulegesellschaft gekommen. Man hielt Sebottendorf dafür verantwort­ lich, und auch er gab sich die Schuld für den Tod der Geiseln. Er verließ München und ging zuerst nach Freiburg, dann in den Harz und kehrte 1922 in die Türkei zurück.144 Bekanndich schloss sich Adolf Hider 1919 der Deutschen Arbeiter­ partei an und verdrängte 1920 den Sportjournalisten Harrer, um selbst die Führung zu übernehmen. Später erweiterte er den Parteinamen mit dem Adjektiv »nationalsozialistisch«, so dass die Partei hinfort »Natio­ nalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei« hieß. Die Zeitung Münchner Beobachter und Sportblatt wurde in Völkischer Beobachter umbenannt. In der NSDAP ist jedoch keinerlei Spur von Sebottendorfs Lehre zu fin­ den, denn Hider selbst hatte für Okkultismus nichts übrig. Sein flüchti­ ges Interesse an Wotan und den alten Germanen hatte lediglich etwas mit Wagner zu tun.145 Sebottendorf spielte bei den Ereignissen, die 1933 zur sogenannten Machtergreifung führten, keine Rolle. Er kehrte jedoch 1933 nach Deutschland zurück und veröffendichte dort das Buch Bevor Hitler kam. Urkundliches aus der Frühzeit der nationalsozialistischen Bewegung^ in dem er seine eigene Rolle in den Ereignissen von 1918 und 1919 mit star­ ken Übertreibungen in Erinnerung ruft.146 Das Buch verkaufte sich gut, doch dann wurde die zweite Auflage beschlagnahmt, Sebottendorf an­ geblich verhaftet und schließlich abgeschoben.147 Offenbar genoss Sebottendorf noch bei gewissen Instanzen Sympa­ thien, denn er konnte in die Türkei zurückkehren, wo er für »erbrachte Leistungen« vom deutschen Militärnachrichtendienst finanzielle Zu­ wendungen erhielt. Herbert Rittlinger, der deutsche Geheimdienstbe-

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auftragte, der während des Zweiten Weltkriegs die Führung Sebottendorfs übernahm, schrieb später: »Als Agent war er eine Null.« Dessen ungeachtet richtete Rittlinger es so ein, dass die gelegentlichen Z ahlun­ gen an Sebottendorf zu großzügigen Zuwendungen wurden, zum Teil wohl, um dessen Loyalität zu gewährleisten, zum Teil aber aus M itleid mit diesem seltsamen, nun mittellosen Mann, der seine Begeisterung für die Nazis bekundete, die SS bewunderte, aber mit noch größerem Inter­ esse von den Tibetern redete.148 Kurz nach der deutschen Niederlage des Jahres 1945 wurde Sebottendorfs Leiche im Bosporus treibend aufgefun­ den, vermutlich infolge eines Selbstmords.149 Vielleicht sind Sebottendorfs gelegentliche Beteuerungen, er sei kein besonders politischer Mensch, sogar glaubhaft, da diese lange vor einer Zeit geäußert wurden, in der er sich dadurch einen Vorteil hätte si­ chern können. Es gehörte eine außerordentliche Naivität zu der A n­ nahme, dass der Germanen-Orden zur Verbreitung eines Schlüssels der spirituellen Erkenntnis genutzt werden könne. Wie wir aber noch sehen werden, war Sebottendorf nicht der Einzige, der versuchte, rechtsextre­ me politische Organisationen für seine eigenen spirituellen Ziele zu ver­ wenden.

Evola, Mussolini und die SS Einen vergleichbaren Versuch unternahm Julius Evola, zuerst in Italien und dann in Deutschland. Viele verbanden später den Namen Evola m it dem Guenons als dem Mitbegründer des Traditionalismus, und Evola war tatsächlich Guenons wichtigster Mitarbeiter, sogar noch wichtiger als Coomaraswamy. Wie auch bei Coomaraswamy, zeugt Evolas Traditionalismus von früheren intellektuellen Einflüssen, nur in stärkerem Maße. Wahrend Coomaraswamy hauptsächlich den Traditionalismus weiter ausarbeitete, führte ihn Evola in eine neue Richtung.150 Evola wurde etwa 1927 von Arturo Reghini in den Traditionalismus eingefuhrt, einem italienischen Mathematiker und Freimaurer, der m it Guenon im Briefwechsel stand. Evola und Reghini gaben damals eine okkultistisch angehauchte Zeitschrift namens Ur heraus. Evola kannte bereits Guenons Introduction generale, war aber nicht sonderlich davon

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beeindruckt. Erst um 1930, als Evola und Reghini schon ihre Beziehun­ gen zueinander abgebrochen hatten, erkannte Evola die Bedeutung von Guenons Werk. Er beschrieb ihn später als den »unerreichten Meister unserer Epoche«.151 Evolas wichtigstes traditionalistisches Werk war Rivolta contro il mondo moderno (1934, Erhebung wider die moderne Welt),152 welches gemeinsam mit Guenons Crise du monde moderne dem vorliegenden Buch zu seinem Titel verhalf. Der Unterschied zwischen beiden Titeln verdeutlicht gleichzeitig den Unterschied zwischen den beiden Auto­ ren: Wahrend Guenon hauptsächlich die Krise, die er wahrnahm, zu er­ klären suchte, war sich Evola in aller Schärfe dessen bewusst, was Rene Daumal, surrealistischer Dichter und Sympathisant des Traditionalis­ mus, einmal folgendermaßen ausdrückte: »Jenes Gesetz [...] ist notwen­ digerweise das, was in uns zum Menschsein gehört, der Revolte entge­ gendrängt.« Daumal und Evola hatten etwas gemeinsam: Beide waren zunächst Avantgardekünstler, die an Philosophie interessiert waren, Daumal an Spinoza und Evola an Nietzsche. Daumal experimentierte mit Tetrachlorkohlenstoff und Evola mit Äther.153 Nachdem er als Artillerieoffizier an Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs teilgenommen hatte, begann Evolas Karriere als Avantgarde­ maler mit violett gelackten Fingernägeln. Er verfugte offenbar über ein ausreichendes Privateinkommen, da er nie zu irgendeiner Form von Lohnarbeit genötigt war. Nach dem Krieg schrieb er für die dadaistische Zeitschrift Revue bleu und organisierte zwei dadaistische Ausstellungen, die erste in Italien, die zweite in Berlin. Er schrieb außerdem zwei dadais­ tische Bücher, die 1920 von dem führenden Dadaisten, Tristan Tzara, in der Schweiz veröffentlicht wurden. Das eine über abstrakte Kunst war poetisch und theoretisch und das andere rein poetisch {La parole obscure du paysage Interieur>Das dunkle Wort der inneren Landschaft).154 Wie Agueli vor ihm, begann sich Evola für die Theosophie zu interessieren, und wie Agueli gab auch er die Malerei zugunsten seiner spirituellen Ziele auf. Anders als Agueli nahm er die Malerei jedoch nie wieder auf, und als Maler ist er so gut wie unbekannt, mit Ausnahme einiger Kunst­ historiker mit Interesse am Dadaismus. Evola trat zuerst der Unabhängigen Theosophischen Liga bei, die Reghini und Decio Calvari in Italien gegründet hatten. Durch Calvari

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und durch diese Liga entdeckte Evola die orientalischen Religionen.155 Durch Reghini lernte er die westliche Esoterik in fast allen ihrer Spielar­ ten kennen. Reghinis Interessen waren weitgefächert: neben der M aure­ rei gehörten dazu auch Pythagoras, die Katharer, das römische H eiden­ tum und die Magie.156All dies und noch viel mehr war in den Seiten der Zeitschrift Ur zu finden, für die Reghini schrieb und die Evola für die kurze Dauer ihres Bestehens (1927—29) herausgab. Neben Übersetzun­ gen tantrischer, buddhistischer und hermetischer Texte steuerte die Zeit­ schrift Ur eine neue Richtung an: den Neo-Paganismus. Sie brachte eine Übersetzung eines mithraischen Rituals.157 Ein weiterer traditionalistischer Bewunderer Guenons, mit dem Evola in Kontakt stand, Guido de Giorgio, hatte ein Interesse am römischen Heidentum. Der Evola dieser Epoche wurde 1927 in einem Roman verewigt, Amo, dunque sono (Ich liebe, also bin ich) von Sibilla Aleramo, die er 1925 kennenlernte und die seine Geliebte wurde, obwohl er zweiund­ zwanzig Jahre jünger war als sie. Evola liegt der Romangestalt des Bruno Tellegra zugrunde, eines Magiers, der in einer alten Burg in Kalabrien haust.158 In Anbetracht seiner späteren politischen Karriere ist es bemer­ kenswert, dass Aleramo, die als Feministin für ihre vielen Liebhaber be­ kannt und die mit Maxim Gorki, Auguste Rodin und Guillaume Apolli­ naire befreundet war, lebenslang Kommunistin blieb.159 Wie Evola später erklärte, waren für den Traditionalismus, den er in Rivolta contro il mondo moderno entwickelte, außer Guenon zwei weitere Philosophen für ihn von Bedeutung: Friedrich Nietzsche und Johann Jakob Bachofen. Von ersterem übernahm Evola den Begriff des »Über­ menschen« und von letzterem die weniger bekannte binäre Typologie manischer und tellurischer Zivilisationen.160 Was Evola sogar schon in seiner Jugend an Nietzsches W erk am meis­ ten beeindruckt hatte, waren die Angriffe auf die bürgerlich-christlichen Werte, für einen künftigen Dadaisten durchaus naheliegend, da doch der Dada zum Ziel hatte, die Bourgeoisie zu schockieren. Evolas größtes Interesse galt aber dem Übermenschen, dem »absoluten Individuum«, ein Interesse, das sich in seinem ersten Werk nach seiner dadaistischen Phase niederschlägt, Teoria deWindividuo assoluto von 1924 (Theorie des absoluten Individuums). Evola hatte die Malerei bereits aufgegeben und zog offenbar die Möglichkeit einer Karriere in allgemeiner Philosophie

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in Betracht, da er Teoria delVindividuo assoluto »mit dem notwendigen wissenschaftlichen Apparat und im entsprechenden akademischen Jar­ gon« verfasst hatte. Er konnte jedoch für sein Buch keinen Verleger fin­ den161 und scheint zu diesem Zeitpunkt sein Vorhaben einer akademi­ schen Laufbahn an den Nagel gehängt zu haben, wie es auch Guenon nach der Ablehnung seiner Dissertation tat. Das Buch wurde zwar an­ schließend doch noch veröffentlicht (1927),162 doch Evolas Interessen hatten sich inzwischen verlagert. Obwohl er nicht mehr an der akademi­ schen Welt interessiert war, erfüllen bezüglich des Stils, der Fußnoten und Qualität der verwendeten Quellen die meisten seiner nachfolgen­ den Werke normale wissenschaftliche Kriterien weit eher als die Guenons. Bachofen, der andere Philosoph, der Evola beeindruckte, war Pro­ fessor für römisches Recht an der Universität Basel gewesen und ein frü­ her Geschichtsphilosoph. Ihn interessierten die kulturellen Faktoren, die er fiir nicht weniger wichtige Einflüsse auf die Geschichte und Rechts­ systeme hielt, als es die politischen und wirtschaftlichen waren. Aufgrund seines Studiums der antiken Mythologie entwarf er eine Evolutions­ theorie der menschlichen Geschichte. Bachofen zufolge hatte sich die menschliche Gesellschaft von frühen Matriarchaten, die für ihn »niedrig sinnliche« Zivilisationen waren, zu »geistig reinen« patriarchalischen Zi­ vilisationen (wie seiner eigenen) fortentwickelt.163 Diese Typologie bil­ dete nicht nur die Basis von Evolas tellurischem und uranischem Gegen­ satzpaar, sondern auch von Nietzsches Polarität des »Apollonischen« und des »Dionysischen«. Interessanterweise wurde Nietzsches Verbindung zu Bachofen durch Jacob Burckhardt vermittelt, den Basler Historiker, den Nietzsche sehr verehrte und der ein Verwandter von Schuons Mitarbei­ ter Titus Burckhardt war. Auch die Anthropologen des ausgehenden 19. Jahrhunderts schätzten Bachofen, sogar Friedrich Engels beruft sich in seiner Diskussion des Ursprungs der Familie auf ihn. Als Traditionalist kehrte Evola Bachofens Evolutionstheorie natür­ lich um. Obwohl theoretisch für Evola weiblich-tellurische Qualitäten und männlich-uranische Qualitäten ein dynamisches Gegensatzpaar sind, ging er in der Praxis davon aus, dass es einen Abstieg vom Uranischen zum Tellurischen gibt. Als Nietzsche-Verehrer betonte er das Handeln, das er als eine uranische Qualität ansah, die im hinduistischen

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System mit dem Begriff der kshatriya oder Kriegerkaste zusammenhängt. In Autorite spirituelle etpouvoir temporel (1929) meint Guenon, im ur­ sprünglichen traditionalistischen System sei die spirituelle A utorität der weltlichen Autorität überlegen gewesen, das heißt, die brahmin stünden über den kshatriya.m Evola sträube sich jedoch dagegen, das H andeln in dieser Weise unterzuordnen. Er behauptete stattdessen, dass die brahmin und die kshatriya ursprünglich eins gewesen seien und dass sie erst im Laufe des Verfalls der ursprünglichen Tradition voneinander getrennt wurden. Dieser Verfall, so Evola, brachte die »Entheiligung« der Existenz hervor: zuerst Individualismus und Rationalismus, dann Kollektivismus, Materialismus und Mechanismus, um letztlich jenen Kräften den Weg zu öffnen, die nicht zu dem gehören, was höher, sondern zu dem, was niedriger ist als der Mensch. Gleichzeitig war das Prinzip, das Evola »das Gesetz der Regression der Kasten« nennt, wirksam, indem die M acht von der Priester- und Kriegerkaste auf die der Händler überging (wie in den bürgerlichen Demokratien), um am Ende bei der Sklavenkaste zu landen (dem Proletariat, wie in der Sowjetunion). Die ursprünglich sa­ krale Kaste war uranisch und vorchristlich. Der Katholizismus, m it sei­ ner angeblich nicht-traditionellen Vorstellung eines persönlichen Gottes, war tellurisch und kennzeichnete die Moderne.165 Evolas Analyse der Moderne ist ganz offensichtlich eine Variante der etablierten traditionalistischen Philosophie. Am meisten unterscheidet sich Evola von Guenon in seinen Empfehlungen. Für Guenon war die Umwandlung des Individuums durch Initiation das M ittel, um durch das Wirken einer Elite den Westen als Ganzes zu verwandeln. Evola hat, vielleicht absichtlich, seine eigenen Empfehlungen nie so ganz klar zum Ausdruck gebracht, aber er forderte Selbstverwirklichung durch eine Rückkehr zum absoluten Individuum, durch eine Reintegration des Menschen in einen Zustand von Zentralität, was durch manisches H an­ deln erreicht werden müsse.166 Diese Weisung wurde auf ganz unter­ schiedliche Weise gedeutet. Evolas eigenem Handeln nach zu schließen, war jedoch die U m ­ wandlung des Individuums nicht so sehr das M ittel als die Folge einer Umwandlung der Gesellschaft. Obwohl sich Evola sogar noch am Ende seines Lebens unsicher war, welche Mittel zur individuellen Selbstver­ wirklichung einzusetzen seien, scheinen seine Ansichten über die U m -

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Wandlung der Gesellschaft von Anfang an festgestanden zu haben. Diese Ansichten traten in den 1920cm deutlich in Erscheinung, als er sich für das faschistische Regime in Italien engagierte. In diesem Einsatz folgte Evola dem Vorbild Reghinis, der auf die spirituelle Erziehung der neuen politischen Elite gehofft hatte.167 Evola schrieb, er habe Ende der 1920er Jahre mit Mussolini sympa­ thisiert, so wie er mit jedem sympathisiert hätte, der nach dem Ersten Weltkrieg gegen das demokratische Regime und die politische Linke war, obwohl ihm die zwielichtigen Ursprünge der Schwarzhemden und der faschistische Nationalismus missfielen. Mussolini verzieh er jedoch seine »sozialistische und proletarische Herkunft«, als dieser vom »Ideal des römischen Staates und Imperiums« zu reden begann und davon, dass »ein neuer Typ von Italiener zu schaffen sei, der diszipliniert, männ­ lich und kämpferisch« wäre.168 Für die Wendung »ein neuer Typ von Italiener« könnte man auch das »absolute Individuum« einsetzen, und statt »männlich« könnte ebenso gut »uranisch« stehen. Evolas erste bekannte Handlung als Traditionalist war sein Versuch, die faschistische Gesellschaft zum Traditionalismus zu fuhren. Dies war um einiges weniger absurd als Sebottendorfs Verwicklung mit dem Germanen-Orden, aber in späteren Jahren gestand Evola doch, dass dies ei­ nen Mangel an taktischem Sinn und sogar an gesundem Menschenver­ stand bewiesen hätte.169 1929 stellte die Zeitschrift Ur aufgrund von Streitigkeiten zwischen Evola und Reghini ihr Erscheinen ein. Evola hatte Reghini unterstellt, er versuche die Zeitschrift für freimaurerische Zwecke zu missbrauchen, und Reghini hatte Evola beschuldigt, er hätte ihm für sein Buch Imperialismo pagano (1928) die Ideen gestohlen.170 Beide Anschuldigungen wa­ ren gerechtfertigt.171 Im Jahr 1930 gründete Evola eine neue Zeitschrift, La Torre (Der Turm), mit dem Untertitel »Eine Zeitschrift für die ver­ schiedenen Ausdrucksformen der Einen Tradition«. In mancher Hin­ sicht ähnelte diese Zeitschrift den Etudes traditionnelles. Reghini war nicht an ihr beteiligt, doch Evolas Hauptmitarbeiter Guido de Giorgio stand Guenon näher als Reghini und hatte einige Zeit mit Sufis in Tu­ nesien zugebracht.172 In anderer Hinsicht unterschied sich Evolas La Torre jedoch radikal von Guenons Zeitschrift. In der ersten Ausgabe betonte Evola, dass La Torre »kein Zufluchtsort für mehr oder weniger

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mystisches Entweichen« sei, »sondern eine Stellungnahme des W ider­ standes, des Kampfes und des höheren Realismus«. Evola forderte, dass die Tradition alle Bereiche des Lebens durchdringen müsse. »In dem Maße, in dem der Faschismus diesen [traditionalistischen] Prinzipien folgt und sie verteidigt«, erklärte er, »dürfen wir uns selbst Faschisten nennen. Das ist alles.« In einer späteren Ausgabe ging Evola noch weiter, indem er »einen radikaleren, furchtloseren Faschismus« forderte, »einen wirklich absoluten Faschismus, der aus reiner Kraft besteht und für keine Kompromisse zugänglich ist«,173 das heißt also ein Faschismus, der mehr im Einklang mit Evolas eigenen Ansichten war. Der Kompromiss, den Evola am meisten bedauerte, war der Kompromiss m it der Bour­ geoisie, den der italienische Faschismus seiner Meinung nach m it ihr eingegangen war. Dies war nicht das erste Mal, dass Evola versuchte, sich am faschisti­ schen Diskurs zu beteiligen. Sein vorheriger Versuch fand 1926 oder 1927 statt, bevor er unter dem Einfluss des Traditionalismus seine eigenen Ansichten geändert hatte. In einer Reihe von Artikeln in Critica Fascista, einer der intellektuelleren Zeitschriften der faschistischen Partei, argu­ mentierte Evola, das römische Heidentum sei eine besser geeignete Basis für den Faschismus als das Christentum. Gegen diese Ansicht verwahr­ ten sich der Vatikan sowie auch viele andere, zumal sie in einer halboffi­ ziellen Veröffentlichung geäußert wurde, und Evola verschwand bald aus den Seiten von Critica Fascista. Davon keineswegs entm utigt, verfasste er sein Buch Imperialismo pagano. II fascismo dinnanzi alpericolo euro-cristiano (Heidnischer Imperialismus. Der Faschismus angesichts der euro­ christlichen Gefahr), ein 160-seitiges Buch, in dem er seine Argumen­ tation weiterentwickelte. Evola empfahl nun, die katholische Kirche vollends zu entmachten und der faschistischen Staatsmacht zu unterstel­ len. Anders als Evolas Artikel in Critica Fascista genoss Imperialismo pa­ gano auch nicht die geringste offizielle Unterstützung, und als das Buch 1928 erschien, erregte es wenig Interesse.174 1929 Unterzeichnete Musso­ lini ein Konkordat mit der katholischen Kirche. Der faschistischen Partei gefiel der traditionalistische Ansatz Evolas von 1930 noch weniger als sein heidnischer Ansatz des Jahres 1928. D ie erste Nummer von La Torre wurde von den etablierten faschistischen Presseorganen vehement verurteilt, es gab Todesdrohungen, und die Po-

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lizei riet ihm, die Veröffentlichung vorerst einzustellen. Evola ignorierte diesen Vorschlag, aber nach der fünften Nummer, in welcher er einen »radikaleren, furchtloseren Faschismus« forderte, verbot die Polizei Evolas Druckern, weitere Ausgaben von La Torre zu produzieren. Evola ap­ pellierte an das Innenministerium, aber das Ministerium versagte ihm jede Hilfe, und La Torre verschwand von der Bildfläche.175 Evola zog sich kurzfristig aus der Politik zurück und schrieb, was er als sein »erstes traditionalistisches Werk« bezeichnete, La tradizione ermetica (1931, Die hermetische Tradition).176 De Giorgio, den Evola als manisch-depressiv beschreibt, zog sich nun endgültig zurück und ver­ brachte den größten Teil seines verbleibenden Lebens in einem verfal­ lenen Pfarrhaus in den Alpen. Den Zweiten Weltkriegs überdauerte er größtenteils dort und arbeitete an seinem Buch La Tradizione romana (Die römische Tradition), einem Buch, in dem er versuchte, die römi­ sche Religion mit dem Christentum, dem Vedanta und gewissen Aspek­ ten des Islam in Einklang zu bringen. Dieses Buch war noch immer un­ veröffentlicht, als sich de Giorgio 1959 erhängte. Es erschien erst 1973.177 1932 veröffendichte Evola eine weitere traditionalistische Arbeit, Maschera e volto dello spiritualismo contemporaneo. Analisi critica delle principali correnti moderne Verso il »sovrannaturale« (Masken und Ge­ sichter des zeitgenössischen Spiritualismus. Eine kritische Analyse der wichtigsten modernen Strömungen des »Supranaturalismus«).178 Dieses Buch beruhte auf den beiden antiokkultistischen Büchern Guenons: Theosophisme und Erreur Spirite, aber Evola erweitert Guenons Angriffe auf die Theosophie, um auch Rudolf Steiners Anthroposophie mit ein­ zuschließen, und ebenfalls Guenons Angriff auf andere »gegeninitiatische« Bewegungen, um gegen Krishnamurti vorzugehen. Evola fugte einen neuen Abschnitt hinzu, in dem er die Freud sehe Psychoanalyse angriff, die er als eine Inversion betrachtete, die fälschlicherweise »die unter-persönliche und irrationale Basis des Menschen begünstige«.179In der nächsten Auflage (1949) wurde im Untertitel sovrannaturale (das Übernatürliche) zu sovrasensibile (das Übersinnliche) abgeändert, wahr­ scheinlich weil der Freudianismus kaum als Supranaturalismus bezeich­ net werden kann. Maschera e volto dello spiritualismo ist besonders deshalb von Inter­ esse, weil Evola sich darin mit dem befasst, was wir hier Okkultismus

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genannt haben. In seiner Definition bedeutet occultismo eigentlich »eine Manie für obskure Sprache«, was eine weitaus engere Definition ist als die Guenons. Evola unterscheidet zwischen zwei Formen der Magie, eine, die er »entartet« nennt und die er verurteilt, und eine, die er nicht verurteilt, vermutlich weil er sie selber praktizierte. Nach Evola kenn­ zeichnete die »entartete« Magie eine übertriebene »Kulthaftigkeit« und die Verwendung von Riten und Formeln, die in fast realistischer Weise Wesen und Mächte objektivierten.180 Weniger relevant ist die Frage nach Evolas eigener spiritueller Pra­ xis, da sie anders als bei Guenon nicht von anderen Traditionalisten zum Vorbild genommen wurde. Trotzdem ist sie von Interesse. Sie enthielt mit großer Sicherheit hermetische Elemente, die wahrscheinlich aus dem bestanden, was Evola der »entarteten« Magie gegenüberstellte. Die hermetische Disziplin, die Evola am meisten interessierte, war die Al­ chemie, worunter er jedoch nicht jene »infantile« Stufe der Chemie verstand, für die sie oft fälschlicherweise gehalten wird, sondern eine »initiatische Wissenschaft, die sich einer metallurgisch-chemischen Symbolsprache bedient«.181 Diese Deutung der Alchemie wurde später von dem viel gelesenen brasilianischen Schriftsteller Paul Coelho in sei­ nem Roman O Alquimista (Der Alchemist) popularisiert.182 Außer der Alchemie wird es mit ziemlicher Sicherheit noch eine Form des Neo-Paganismus gegeben haben und vermutlich auch der Se­ xualmagie (Techniken zur Lenkung verschiedener Zustände, die wäh­ rend des Geschlechtsverkehrs entstehen, um nutzbare Energien zu m a­ nipulieren). Bevor er zum Traditionalisten wurde, hatte Evola einen geheimnisvollen Kreis von etwa zwölf bis fünfzehn Personen geleitet, die sich um die Zeitschrift Ur geschart hatten. Zu diesen gehörte M aria de Naglowska, eine Romanschriftstellerin russischer und polnisch-jüdischer Abkunft, die später nach Paris übersiedelte, wo sie in den dreißiger Jahren eine okkultistische Gruppe leitete. Sie wurde für ihre sexualmagi­ schen Praktiken bekannt.183 Es scheint daher naheliegend, dass Evolas eigene Praxis (zumindest vor Ende des Zweiten Weltkriegs) auch etwas mit Sexualmagie zu tun hatte.184 Außerdem wäre es seltsam, wenn der Autor von Imperialismo pagano nie in irgendwelche heidnischen Prakti­ ken verwickelt gewesen wäre, obwohl er später das römische H eiden­ tum als eine »rein politische und juristische Angelegenheit« verwarf, die

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lediglich von einem Überwurf »abergläubischer Praktiken und Kulte bedeckt« sei.185 Ein französischer Muslim und Traditionalist namens Henri Hartung, von dem später noch die Rede sein wird, befragte 1967 Evola gegen Ende seines Lebens zu der immer noch offenen Frage seiner eigenen Praxis: wie denn seiner Meinung nach Selbstverwirklichung erreicht werden könne. Evola antwortete, dass Initiation zwar eine Möglichkeit sei, »aber welche, und unter welchen Umständen?«186An anderer Stelle gab er an, dass seiner Meinung nach Guenons persönlicher Weg »denen sehr wenig zu bieten habe, die nicht zu Muslimen und Orientalen werden woll­ ten,«187 was Evola selbst ganz offensichtlich nicht gewollt hatte. Damit schnitt er sich selbst von einem Zentralelement der spirituellen Praxis der Traditionalisten ab. Im Gespräch mit Hartung führte er sechs Prak­ tiken als Alternativen zur Initiation an: Wissen, Loyalität (die er als »in­ nere Neutralität, das Gegenteil von Heuchelei« definierte), Rückzug, »männliche Energie«, »symbolische Visualisierung« und »innere Samm­ lung«.188 Wir können daher mit Sicherheit davon ausgehen, dass Evola zu einer gewissen Zeit seines Lebens all diese Dinge an sich selbst geprüft hatte. Doch die eigentliche Bedeutung Evolas liegt weniger in seiner per­ sönlichen spirituellen Praxis, als in seinen Schriften und seiner poli­ tischen Aktivität. Im Jahr 1933 nahm er erneut seine verhängnisvollen Versuche auf, den italienischen Faschismus entlang traditionalistischer Richdinien zu steuern. Da wurde ihm angetragen, in der führenden faschistischen Zeitung Reggio Fascista eine Seite über die »spirituellen Probleme der faschistischen Ethik« zu betreuen. Die Zeitung wurde von einem der wenigen alten Faschisten herausgegeben, die nach Evolas An­ sicht der allgemeinen Servilität gegenüber Mussolini widerstanden hat­ ten. Bis zum Untergang des faschistischen Regimes im Jahre 1943 bekam die italienische Öffendichkeit auf dieser Seite fast täglich einen von Evola ausgewählten Beitrag zu lesen, manchmal sogar von Guenon selbst. Doch die Reaktion, wenn überhaupt, war im Allgemeinen nega­ tiv, und Evola war vom Potential des italienischen Faschismus zuneh­ mend desillusioniert.189 Später schrieb er: »Manche sagen, der Faschis­ mus habe die Italiener ruiniert. Ich würde das Gegenteil sagen [...], dass es die Italiener waren, die den Faschismus ruiniert haben, insofern als

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Italien sich als unfähig erwies, angemessenes und geeignetes M enschen­ material zur Verfügung zu stellen, um die höheren Möglichkeiten des Faschismus [...] entsprechend zu entwickeln und die negativen Tenden­ zen zu neutralisieren.«190 Obwohl Evola die Hoffnung, Italien m it Hilfe des Faschismus zu traditionalisieren, aufgeben musste, hoffte er eine Zeidang auf m ehr Erfolg in Deutschland. Im Jahre 1933, als Hitler an die M acht kam, erschien in Leipzig eine deutsche Ausgabe von Imperialismo pagano, »Heidnischer Imperialismus«.191 Dieses Buch war jedoch nicht bloß eine Übersetzung von Imperialismo pagano, sondern eine überarbeitete und erweiterte, man könnte sagen traditionalisierte Fassung, die sich hin­ länglich vom Original unterschied, um im Jahr 1991 ins Italienische rückübersetzt zu werden.192 Das Buch Heidnischer Imperialismus wurde in Deutschland sehr gut aufgenommen und in Zeitungen wie D ie Lite­ rarische 'Welt bis zur Völkischen Kultur positiv rezensiert.193 Evola gestand später ein, dass das deutsche Interesse an dem Buch dem fälschlichen Glauben zuzuschreiben war, er, Evola, sei der führende Vertreter eines interessanten Trends im italienischen Faschismus. In Deutschland war nicht bekannt, dass Evola, in seinen eigenen Worten, »ein Feldherr ohne Truppen« war.194 Woher auch immer es stammen mochte, das Interesse war echt, und Evola erhielt eine Einladung nach Deutschland. Sein Gastgeber war vornehmlich der wohlhabende Industrielle Ludwig Roselius, Sohn des Gründers der Kaffeefirma HAG.195 Voller Hoffnung kam Evola 1934 in Deutschland an. Er hielt Deutschland für ein Land, in dem das »Gesetz der Kasten-Regression« weniger Auswirkungen gezeigt hatte, da die militärische Kaste in Gestalt der preußischen Militärtradition, der Junkerklasse und der noch beste­ henden politischen Macht des Adels besser erhalten sei als anderswo in Europa.196Er nahm an einem nordisch-heidnischen Treffen teil, das von seinem Gastgeber Roselius organisiert wurde. Es war das zweite N or­ dische Thing>wobei Thing das altnordische W ort für Versammlung ist.197 Dann sprach er vor dem »Herrenklub« in Berlin, einer wichtigen, ultrakonservativen politischen Vereinigung, der Industrielle wie Fritz Thyssen und Friedrich Flick, Politiker wie Hjalmar Schacht und Franz von Papen angehörten, der im Jahr 1932 Reichskanzler und 1933/1934 Vizekanzler unter Hitler war. Das nordische Thing erwies sich als Ent-

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täuschung, sowohl für Evola, der es für zu politisch und zu wenig spiri­ tuell befand, als auch fiir die Deutsche Nordische Bewegung, die es als einen Fehler bezeichnete, der nicht wiederholt werden dürfe. Der »Her­ renklub« hingegen begeisterte Evola: »Dort war ich endlich in meinem natürlichen Element.«198 1935 erschien eine deutsche Übersetzung von Evolas Hauptwerk Rivolta contro il mondo moderno unter dem Titel Erhebung wider die mo­ derne Welt. Auch dieses Werk wurde positiv rezensiert, obgleich Her­ mann Hesse es in einem Brief an seinen Verleger als »wirklich gefährlich« bezeichnete.1991936 begab sich Evola ein weiteres Mal in die germanische Welt, diesmal nach Wien, um vor dem Kulturbund des Prinzen Karl An­ ton von Rohan zu sprechen. Es war dies das Wiener Pendant zum Ber­ liner »Herrenklub«, wenn auch mit stärker katholischem Einschlag und einer Begeisterung für einen paneuropäischen Nationalismus. Zu seinen Mitgliedern gehörte einer der wenigen frühen österreichischen Traditio­ nalisten, Walter Heinrich.200Von Mitgliedern dieses Kulturbunds finan­ ziert, bereiste Evola anschließend Ungarn und Rumänien, wo er mit dem Anführer der Legion des Erzengels Michael zusammentraf. Neben dieser Reisetätigkeit veröffentlichten Evola und seine deut­ schen und österreichischen Freunde ihre Werke wechselseitig in ihren Zeitschriften. Artikel der deutschen und österreichischen Ultrakonserva­ tiven erschienen in Regime Fascista, während Beiträge Evolas in der Eu­ ropäischen Revue des Prinzen von Rohan erschienen.201 Obwohl viele Details unklar sind, hatte sich Evola offensichdich ei­ ner politischen Bewegung von potenzieller Bedeutung angegliedert, die für seine Ideen weit empfänglicher war als die faschistische Partei Ita­ liens. Dies bestätigt der Widerstand gegen diese Kontakte von Seiten der italienischen Faschisten, was beinahe dazu führte, dass man Evola den Reisepass entzog.202 Die Ziele, die Evola mit dieser Allianz verfolgte, lassen sich aus sei­ nem nächsten Buch erschließen, das 1937 erschien und vermutlich in der Zeit der deutschen und österreichischen Kontakte entstanden war. Das Buch hieß II mistero del Graal e la tradizione ghibellina delVImpero (Das 203 Es erschien erst 1955 auf Deutsch, scheint aber doch Evolas Denken in jenen Jahren widerzuspiegeln.204

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II mistero del Graal war eine Ausarbeitung von Betrachtungen, die er erstmals in Rivolta contro il mondo moderno angestellt hatte. Der Gral war der Heilige Gral, obwohl Evola das Wort »heilig« nicht verwendet, da er die christlichen Elemente der Gralslegende für spätere H inzufü­ gungen hielt, die demnach abzustoßen sind. Der Gral, so behauptete er, »symbolisiert das Prinzip einer Kraft, die unsterblich macht und über das Irdische hinausführt, die mit dem Urzustand verbunden ist und so­ gar noch in der Epoche der [...] Involution oder Dekadenz [...] gegen­ wärtig bleibt [...]. Das Geheimnis des Grals ist das Geheimnis der Initi­ ation des Kriegers.« Die Ghibellinen waren eine von zwei losen Allianzen (die andere waren die Guelfen), die sich während des 13. Jahrhunderts in einem erbitterten Kampf um die Kontrolle von Ober- und M ittelita­ lien bekriegten. Die Ghibellinen waren die Parteigänger des Kaisers und vorwiegend Feudalherren, während die Guelfen hauptsächlich Kauf­ leute und Anhänger des Papsttums waren.205 Für Evola bedeutete der letztendliche Sieg der Guelfen einen Fall von »Kasten-Regression«, in­ dem die Händlerkaste die Macht der Kriegerkaste übernahm. Die G hi­ bellinen als Gegenspieler der katholischen Kirche stellten für ihn die »Gegen-Tradition« dar: die überlebenden vorchristlichen, keltischen und nordischen initiatischen Traditionen, die in der Gralslegende ihren Ausdruck fanden.206 Evola schwebte damals eine italienisch-deutsche (oder römisch-ger­ manische) Allianz vor, wie sie bereits in den Ghibellinen vorgebildet war. Sie sollte repräsentiert werden durch einen Orden, der Empfänger einer nordischen Initiation sein sollte. Das erinnert an die Ziele des H ohen Armanen-Ordens, aus dem der Germanen-Orden Sebottendorfs hervor­ ging, ohne dass eine direkte Verbindung bekannt ist. Aber er sollte erneut Enttäuschung erleiden. Nachdem die Nazis an die Macht gelangt waren, verloren sie alles Interesse an solchen Bündnis­ sen, gerade zu dem Zeitpunkt, da Evola geglaubt haben muss, er könne endlich etwas erreichen. 1934 hielt Hitlers Vizekanzler Papen eine Rede in Marburg, die zum größten Teil von seinem Privatsekretär und Reden­ schreiber Edgar Julius Jung verfasst worden war. Dieser war ein guter Bekannter Evolas aus dem »Herrenklub«. Die Rede enthielt Anspielun­ gen, deren Quelle nur Evola sein konnte: Es war die Rede von den G hi­ bellinen und einem »Reich des heiligen Geistes«, eine Art erneuertes

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Heiliges Römisches Reich. Die Rede ist jedoch vor allem deshalb denk­ würdig, da Papen in ihr gegen den wachsenden Nazi-Totalitarismus Ein­ spruch erhob. Sie war eine der direkten Ursachen der »Nacht der langen Messer«, welche die Machtübernahme der Nazis festigte und den ehe­ maligen »Steigbügelhalter« Hitlers zum Rücktritt zwang. Ein weiteres Opfer der »Nacht der langen Messer« war von Papens Redenschreiber Jung, der ermordet wurde. Der »Herrenklub« überlebte als Vereinigung nur dadurch, dass er sich in einen »Deutschen Klub« umwandelte. Er verlor jedoch an Bedeutung. Evolas Wiener Freunde wurden unmittel­ bar nach dem Anschluss Österreichs 1938 verhaftet, darunter auch der Traditionalist Heinrich. 1939 wurde von Papen als deutscher Botschafter in die Türkei verbannt. Die Beziehungen zwischen Evolas Gefährten der Jahre 1934-36 und den Nazis entwickelten sich so weiter, dass nach dem gescheiterten Attentat auf Hider vom 20. Juli 1944 zwölf ehemalige Mit­ glieder des »Herrenklubs« zu den Hingerichteten zählten.207 Trotz dieser Rückschläge gab Evola nicht auf. Er wandte nun seine Aufmerksamkeit der SS zu und soll 1938 auf der Wewelsburg, der west­ falischen Ordensburg der SS und ihrem zeremoniellen Hauptquartier, gesprochen und die Gründung eines Geheimordens vorgeschlagen ha­ ben, der auf ein römisch-germanisches Reich hinarbeiten sollte. Einzel­ heiten zu diesem Vorgang sind nicht zugänglich,208 man weiß nur, dass der Geheimorden eine Zeitung herausgeben sollte. SS-Führer Heinrich Himmler ordnete eine Untersuchung der Ideen Evolas an und beauf­ tragte damit den SS-Oberführer Karl Maria Wiligut, einen persönlichen Schützling Himmlers im SS-Rassen- und Siedlungshauptamt und rang­ hohen Nazi mit okkultistischem Hintergrund. Wiligut hatte sich auch mit Runen befasst und einen Totenkopfring für die SS entworfen.209 Wiliguts Gutachten fiel nicht günstig aus. Er kam zu dem Schluss, dass »Evola zwar von einem grundsätzlich arischen Konzept ausgeht, doch von prähistorischen germanischen Institutionen und ihrer Bedeu­ tung keine Ahnung hat«.210 Er empfahl daher, Evolas utopischen Plan abzulehnen. Unter Beisein Himmlers wurde diese Ablehnung auf einer Sitzung beschlossen. Gleichzeitig vereinbarte man, Evola den weiteren Zugang zu »führenden Dienststellen der Partei und des Staates« zu ver­ wehren und seinen Tätigkeiten in Deutschland ein Ende zu setzen, »ohne irgendwelche Sondermaßnahmen«.211 Die Ironie des Schicksals

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wollte es, dass im folgenden Jahr Wiligut selbst aus der SS ausgeschlossen wurde, da bekannt wurde, dass er die Jahre 1924—27 in einer Salzburger Irrenanstalt verbracht hatte und unter Wahnvorstellungen litt. Er hatte damals geglaubt, er sei der Nachkomme einer langen Reihe germani­ scher Könige, die von Gott selbst abstammten.212 Innerhalb eines Jahrzehnts hatte Evola versucht, drei unterschied­ liche Gruppen auf die traditionalistische Linie zu bringen. Die beiden wichtigsten, die Faschistische Partei Italiens und die SS, hatten seine Ideen verworfen. Nur die Ultrakonservativen hatten ihn akzeptiert, und diese waren von den Nazis aufgelöst worden. Evola scheint sodann eine neue Strategie verfolgt zu haben: statt der Infiltration einer Gruppe die Infiltration einer Idee. Er wählte sich dazu eine aktuelle Idee, nämlich die Rassenlehre. Evola hatte bereits Artikel und Flugblätter zu diesem Thema veröffentlicht sowie im Auftrag eines Mailänder Verlegers eine historische Darstellung der Entwicklung der Rassentheorie während des 19. und 20. Jahrhunderts verfasst. 1941 ver­ öffentlichte er das Buch Sintesi di dottrina della razza (Synthese der Rassenlehre) .213 Das Werk stimmte oberflächlich m it den damals in Deutschland und Italien vorherrschenden Rassentheorien überein, be­ tonte aber die spirituelle Definition von Rasse. Evola vertrat dam it ein­ deutig antisemitische Positionen, stellte diese aber nicht auf ethnische Grundlagen. Die Begriffe »Arier« oder »Jude«, meinte er, sollten nicht biologisch verstanden werden, sondern als »typische Haltungen, die nicht unbedingt in allen Individuen arischen oder jüdischen Geblüts anzutreffen sind«. Der wahre Feind seien nicht die biologisch definierten Juden, sondern eine »globale Subversion und Anti-Tradition«.214 Endlich hatte Evola sich einen Weg gebahnt. Mussolini las sein Buch und war davon so angetan, dass er ihn (1942) zu einem Treffen lud. Er sagte zu Evola, sein Buch zeige einen Weg, um die italienische Rassen­ lehre mit der deutschen in Einklang zu bringen unter Beibehaltung ei­ ner spezifischen Differenz, nämlich der Idee der spirituellen Rasse. Eben­ falls gefiel ihm der an anderer Stelle des Buches gemachte Vorschlag, es gäbe eine »arisch-romanische« Rasse nordischer Abkunft. A uf Mussoli­ nis Weisung wurde verschiedenen Rezensenten empfohlen, das Buch Sintesi di dottrina della razza der Öffentlichkeit vorzustellen. »Es gab eine Flut von Rezensionen, beginnend mit dem pompösen Corrierc della

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Sera und anderen führenden Tageszeitungen, die sich nie [zuvor] herabgelassen hatten, meine Bücher zu beachten«, erinnert sich Evola. Über­ raschenderweise gab es sogar eine deutsche Übersetzung, allerdings mit dem etwas vorsichtigeren Titel Grundrisse der faschistischen Rassenlehre (I943).215 Evola nutzte seinen Zugang zu Mussolini, um von seinen deutschen Kontakten zu berichten und um eine zweisprachige italienisch-deutsche Zeitschrift mit dem Titel Blut und Geist vorzuschlagen. Ein detailliertes Konzept wurde von Evola und führenden Beamten des Ministeriums für Volkskultur ausgearbeitet. Mussolini gab seine Zustimmung, und Evola brach auf nach Berlin. Nun war er endlich das, wofür er 1935 fälschlicher­ weise gehalten worden war: der Repräsentant eines interessanten Trends innerhalb des italienischen Faschismus.216 In offiziellem Auftrag der ita­ lienischen Regierung reisend, hatte Evola seine Zurückweisung durch die SS im Jahr 1938 überwunden. Doch dann ging wieder alles schief. Zum einen Teil wohl deshalb, weil man Mussolini inzwischen den wirklichen Unterschied zwischen Evolas Ansichten und seinen eigenen klargemacht hatte. Zum anderen Teil beunruhigten die Reden, die Evola in Berlin hielt. Er soll angeblich gesagt haben, dass die Italiener in rassischer Hinsicht sowohl als nor­ disch wie auch als mediterran einzustufen seien. Das italienische Außen­ ministerium berief Evola vorzeitig nach Italien zurück und widerrief bei seiner Rückkehr seinen Reisepass.217Jetzt schien Evola endgültig aufge­ geben zu haben. Er begann die Arbeit an einem Buch über den Buddhis­ mus.218 Ein Jahr später fiel das faschistische Regime in Italien. Evola floh zusammen mit vielen anderen führenden Faschisten nach Deutschland. Während der deutschen Besatzung kehrte er nach Rom zurück und ver­ ließ kurz vor dem Einmarsch der Alliierten erneut die Stadt. Im Jahr 1945 hielt er sich in Wien auf, wo er der SS dabei half, internationale Freiwillige zu rekrutieren. Kurz bevor die Stadt von der Sowjetarmee übernommen wurde, geriet er in die Druckwelle einer Explosion und erlitt eine Querschnittslähmung. Den Rest seines Lebens verbrachte er im Rollstuhl.219 Im Endeffekt spielte der Traditionalismus trotz der Bemühungen Evolas weder im italienischen Faschismus noch im deutschen Nazismus

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eine große Rolle. Das lag teilweise daran, dass der spätere Mussolini kaum Interesse an Ideologie hatte und Hitler sein eigener Ideologe war. Weder sie noch ihre Regime brauchten daher Evola. Ein weiterer, we­ sentlicherer Grund war, dass Evolas elitäre Vorstellungen kaum m it dem Massencharakter vereinbar waren, den die faschistischen und national­ sozialistischen Regime in der Praxis annahmen, wenn auch nicht im m er in der Theorie. Die Tatsache, dass Evolas Traditionalismus eine unbeliebte M inder­ heitsströmung innerhalb des italienischen Faschismus war, bedeutet je­ doch, dass mit dem Zusammenbruch der Mussolini- und Hitler-Regime die Mehrheitsbewegung diskreditiert wurde und dass nun die Ansichten Evolas auf dem noch verbliebenen Platz dominieren konnten, wie wir noch sehen werden. Evola wird oft als Faschist bezeichnet, aber diese Beschreibung ist kaum zutreffend, zumindest nicht im ursprünglichen, wortgenauen Sinn. Er gehörte niemals der faschistischen Partei an und lässt sich kaum als Anhänger der faschistischen Parteilinie bezeichnen. Ebenso wenig wurden seine Ansichten von den Faschisten oder den Nazis gutgeheißen, abgesehen von der kurzen Periode der Gunst im Jahr 1942, die m it dem Widerruf seines Reisepasses endete. Evolas Aktivitäten während des Faschismus bestehen aus zwei Zeit­ abschnitten, von denen der erste von den frühen Artikeln über das H ei­ dentum im Jahr 1926 bis zu seinem Besuch zehn Jahre später beim W ie­ ner Kulturbund des Prinzen von Rohan dauerte. Der zweite Abschnitt umfasst die Zeit seiner Kontakte mit der SS von 1938 bis zu seinem offi­ ziellen Besuch in Berlin 1942 als italienischer Rassentheoretiker. Ü ber seine Aktivitäten zwischen 1942 und 1945 ist so gut wie nichts bekannt, doch es ist anzunehmen, dass er sich in jenen chaotischen Jahren haupt­ sächlich um sein eigenes Überleben kümmern musste. Verglichen m it der zweiten Periode erscheint die erste relativ harmlos. W ahrend der zweiten Periode begab sich Evola jedoch freiwillig in die beiden dunkels­ ten Bereiche der westeuropäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. 1938 hatte die SS noch nicht mit den mörderischen Aktionen begonnen, für die sie als Verkörperung des Bösen im Reinformat in Erinnerung bleiben wird. Es gibt nichts, was daraufhindeutet, dass Evola ahnte, was noch kommen sollte, und es ist durchaus möglich, dass er die Wewels-

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bürg nie aufgesucht hat, denn sein Besuch dort ist wahrscheinlich, aber nicht gesichert. Doch im Jahr 1942 schwindet jeder Zweifel. Wie ist es möglich, dass jemand, der in jenem Jahr mit der offiziellen Rassenlehre in Berlin zu tun hatte, ahnungslos war, was sie für Folgen haben würde?

Rumänien Für die letzten Auswirkungen des Traditionalismus im Rahmen des Fa­ schismus müssen wir in die Jahrzehnte nach dem Ersten Weltkrieg zu­ rückkehren und uns bemühen, späteres Geschehen zu ignorieren, um die Ereignisse der 1920er und 1930er Jahre nach den Parametern jener Zeit zu verstehen. Der rumänische Traditionalismus kam nicht aus Paris oder Kairo, sondern aus Rom. Der früheste erkennbare Traditionalist war Mircea Eliade, der 1927 entfernt mit der Ur-Gruppe um Evola und Arturo Reghini verknüpft war. Wie auch Evola, war er durch Reghini in Guenons Werk eingefuhrt worden.220 Eliade wurde zu einer zentralen Figur in der Geschichte des Traditionalismus. Es ist unklar, wie Eliade zuerst mit Reghini und der £/r-Gruppe in Berührung kam, aber der Kontakt war womöglich die Folge seines jugendlichen Interesses am Okkultis­ mus. Mit sechzehn Jahren las er theosophische Werke sowie auch LouisClaude de Saint-Martin, den perennialistischen Freimaurer des 18. Jahr­ hunderts, nach dem der Martinismus von Encausse benannt worden war. 2211 Nachdem er die Theosophen gelesen hatte, vermerkte Eliade in sei­ nem Tagebuch, er verspüre den Wunsch, die Originale in Sanskrit222 le­ sen zu können, ganz ähnlich wie sich Agueli 1895 entschlossen hatte, Sanskrit zu lernen. Eliade schrieb sich an der Universität von Bukarest in die philosophische Fakultät ein, doch gab es damals in Rumänien nicht die Möglichkeiten für ein Sanskrit-Studium wie in Frankreich. Er hörte die Vorlesungen Nae Ionescus, zu dessen vielfältigen Interessen auch Re­ ligion gehörte. 1928 ermöglichte eine Stiftung des Maharadschas von Kassimbazar Eliade die Reise nach Kalkutta, wo er Sanskrit und den Hinduismus studierte. In diesen Jahren unterhielt Eliade enge Bezie­ hungen zu Evola, wie aus einem Tagebucheintrag 1974 hervorgeht:

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»Heute erfahre ich vom Tode Evolas. [...] Erinnerungen steigen in m ir auf, [...] an meine Jahre an der Universität, an die Bücher, die wir ge­ meinsam entdeckten, an die Briefe, die ich in Kalkutta von ihm er­ hielt.«223 1931 kehrte Eliade nach Rumänien zurück, um dort 1933 erfolgreich seine Dissertation zu verteidigen. Mit Beginn seiner Lehrtätigkeit an der Universität Bukarest224 wurde er schnell zu einer jener Gestalten, wie sie in kleinen Ländern wie etwa Rumänien vermehrt Vorkommen — ein Universalintellektueller, Wissenschaftler, Kulturkritiker, Journalist und Romanautor. Um 1933 hatte sich eine lockere Gruppe rumänischer Traditionalisten gebildet. Sie wurde nicht von Eliade, sondern von Vasile Lovinescu ge­ leitet, der stärker engagiert war, womöglich aber durch Eliades Vermitt­ lung auf den Traditionalismus gestoßen war.225 Lovinescu ist jedenfalls die zentrale Figur in der Geschichte des rumänischen Traditionalismus. Es gab mindestens ein Dutzend Bukarester Traditionalisten, w om it sie die größte Gruppe außerhalb Frankreichs und der Schweiz bildeten. Einer von ihnen war Michel Välsan, der bei Eliade an der Universität Bukarest studierte und später ebenfalls eine wichtige Rolle in der Ge­ schichte des Traditionalismus spielte.226 Die Aktivitäten dieser Gruppe waren inspiriert von Evola und Guenon. Evolas Einfluss ist erkennbar in Eliades und Lovinescus Engage­ ment für die Eiserne Garde (offiziell: Legion des Erzengels Michael). Sein Einfluss zeigt sich in der Suche nach einer gültigen Initiation, wie sie neben Lovinescu und Välsan wahrscheinlich auch andere unternah­ men. Eliade dagegen stand, soweit bekannt ist, damals schon m ehr in Evolas als in Guenons Schatten und war daher weniger an initiantischen Aspekten interessiert. Einige Mitglieder der Gruppe beteiligten sich auch an dem traditionalistischen Forschungsprojekt, das im U m ­ kreis der Etudes traditionnelles stattfand. Nachdem Lovinescu 1934 einen Artikel über den Heiligen Gral geschrieben hatte (das Them a behandelte auch Eliade 1937 in einem Buch), verfasste er eine Reihe von Artikeln über das »hyperboräiische Dakien«, die 1936 und 1937 in Etudes tradi­ tionnelles publiziert wurden.227 In diesen Artikeln führte er aus, wie D a­ kien die römische Provinz, von der die Rumänen ihre mutmaßliche Ab­ kunft herleiten, der Sitz eines unvergleichlichen spirituellen Zentrum s

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gewesen sei, was Rumänien zum Quell einer primordialen Tradition machte. Ein neo-paganer Nicht-Traditionalist, Vasile Parvan, hatte be­ reits eine ähnliche Idee verbreitet, die einigen Mitgliedern der Legion des Erzengels Michael und ähnlichen Bewegungen zugesagt hatte.228Die Bukarester Traditionalisten gründeten 1934 ihre eigene Zeitschrift, Studii de traditie ezotericä (Studien zur esoterischer Tradition). Ihr Heraus­ geber war Marcel Avramescu, der vom Judentum zur orthodoxen Kirche übergetreten war.229 Die Zeitschrift bestand nicht länger als zwei Jahre. Nach Evolas La Torre war sie der zweite Versuch einer Nachahmung von Etudes traditionnelles,230 Eliade schrieb nicht für Etudes traditionnelles, sondern für etablierte Zeitschriften, insbesondere für die Tageszeitung Vremea (Die Zeit). Er schrieb außerdem wissenschaftliche Werke und literarische Bestseller. Sein Werk richtete sich an die breite Öffentlichkeit, was zur Folge hatte, dass er selten traditionalistische Autoren zitierte,231 selbst da, wo er sie hätte erwähnen müssen. Zwei ganze Kapitel seines Buches M itul reintegrdrii (1942, Mythos der Reintegration) sind nahezu wortwörtlich und ohne Anerkennung von einem Aufsatz Coomaraswamys, »Angel and Titan« (1935), abgeschrieben.232 Nachdem Evola 1951 die neue Auflage von Eliades bedeutendem Traite d*histoire des religions (1948, Abhand­ lung über die Geschichte der Religionen) gelesen hatte, schrieb er an diesen, er könne gut verstehen, dass er sich auf »offizielle akademische Literatur« stützen müsse, fände es aber unverständlich, dass »man kein Wort über Guenon darin finde noch über die anderen Autoren, deren Denken und Werke es Ihnen ermöglichte, so problemlos mit Ihrem Material umzugehen«,233wobei er den Wunsch hinzufiigte, Eliade möge ihm diese Bemerkung nicht übel nehmen. Eliades Antwort ist nicht überliefert, aber in seinem Tagebuch no­ tiert er: »Eines Tages erhielt ich einen ziemlich verbitterten Brief [von Evola], in dem er mir Vorhaltungen machte, dass ich ihn nie zitiere, ebenso­ wenig wie Guenon. Ich antwortete ihm so gut ich es konnte, und eines Tages muss ich die Gründe und Erklärungen abgeben, die jene Antwort erforderte. Mein Argument kann nicht einfach gewesen sein. Meine Bücher sind für ein heutiges Publikum gedacht und

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nicht für Initiaten [Traditionalisten]. Anders als Guenon und seine Epigonen glaube ich nicht, dass ich etwas zu schreiben habe, was speziell für sie gedacht wäre [die potentiellen und tatsächlichen Ini­ tiaten].«234 Eliade scheint damit ausdrücken zu wollen, dass er für die breite Ö ffent­ lichkeit schreiben wolle und ihn ein offen eingestandener Traditionalismus Leser kosten würde.235 Ähnlich hatte auch Guenon 1949 in einem Brief über Eliade geurteilt: »Er stimmt im großen Ganzen völlig m it traditionalistischen Vorstellungen überein, wagt aber nicht, dies in sei­ nen Schriften allzu deutlich zum Ausdruck zu bringen aus Angst davor, mit offiziell akzeptierten Auffassungen zu kollidieren.«236 Wenn dies tatsächlich Eliades Ansicht war, so hatte er Recht. W ie wir noch sehen werden, gilt die allgemeine Regel, dass ein »gemäßigter« Traditionalismus erfolgreich sein kann. Das heißt, Werke, in denen der Traditionalismus nicht so offen zu Tage tritt, können oft populär werden, wohingegen ein »strenger« Traditionalismus, wie ihn Guenon, Evola und ihre Epigonen in Etudes traditionnelles und anderen Veröffendichungen vertraten, nie über eine kleine Leserschaft hinausgelangt. Eliade ist somit ein »sanfter« Traditionalist, da in seinen Werken der Traditionalis­ mus nicht sofort ins Auge sticht. Er ist es auch in dem Sinne, dass er selbst dem Traditionalismus nicht in der Weise verpflichtet war, wie es beispielsweise Lovinescu und Välsan waren. Für diese war Guenon der wichtigste Autor ihres Zeitalters, und der Traditionalismus gab ihnen die Erklärung für alles, was wirklich wichtig war. Mehr noch als für Evola waren für Eliade auch andere Quellen von Bedeutung. Er scheute sich zudem nicht, gelegentlich von der etablierten traditionalistischen Sicht­ weise abzuweichen. Eliade hatte aber auch noch andere Gründe, die Traditionalisten in seinen Werken nicht zu erwähnen. Um 1943 war er sich des von akade­ mischer Seite oft hervorgehobenen Problems bewusst: Die Traditiona­ listen »ignorieren manchmal völlig das historische Zeugnis und die Fak­ ten wissenschaftlicher Forschung«.237 Eliade wiederholt hier, was Sylvain Levi zu Guenons Doktorarbeit und der Rezensent der Harvard Journal ofAsiatic Studies über Coomaraswamys Hinduismus und Buddhismus zu sagen hatten, obgleich Eliade das Werk Coomaraswamys von seiner

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Kritik ausnahm. Er sprach von ihm als »einem der größten und kreativs­ ten Gelehrten des Jahrhunderts«.238 Ganz offenbar war es Eliade klar, dass es seine akademische Karriere beeinträchtigt hätte, wenn er sich Au­ toren verpflichtet erklärte, die, zumindest in der akademischen Welt, als unseriös galten. Coomaraswamy gab seinen Traditionalismus recht offen zu, aber er war 1933 bei der Veröffentlichung seines ersten traditionalistischen Werkes bereits 56 Jahre alt und in einer gefestigten, ja unangreif­ baren Position. Wissenschaftler in seiner Stellung können sich oft weit­ aus Schlimmeres leisten. Doch Eliade, als junger Wissenschaftler, musste wesentlich vorsichtiger vorgehen. Den Traditionalismus im Werk eines »gemäßigten« Traditionalisten zu erkennen, ist weit schwieriger, als die Gedanken eines »strengen« Tra­ ditionalisten wie Guenon zu untersuchen. Im Falle eines derart produk­ tiven und manchmal nachgerade raffinierten Schriftstellers wie Eliade ist dies außerordentlich schwierig. Doch obwohl auch im Detail ein gewis­ ser Einfluss des Tradionalismus festgestellt worden ist,239 lässt er sich vor allem in Eliades Zielsetzungen und in seiner Methode finden.240 Es war nicht das Ziel Eliades, die primordiale Wahrheit aus den Trümmern zusammenzustückeln, um eine Elite zu unterstützen, die eine Implosion des Westens verhindern oder seine Assimilation durch den Orient vermeiden sollte. Sein Vorhaben war vielmehr die Konstruk­ tion eines allgemeinen Modells menschlicher Religiosität, wie sie sich in universell gültigen Mythen und Symbolen ausdrückt und als »Grund­ lage geformten Seins und Bewusstseins« definiert ist. Dieses Modell, so glaubte er, könnte dem Menschen zum Verständnis seiner Selbst ver­ helfen und somit »die Mittel zur kulturellen Erneuerung stellen«, eine Erneuerung, die wegen »des historischen Zeitalters, an dessen Schwelle wir stehen, umso notwendiger ist, und in dem wir nicht nur von »Frem­ dem, das heißt Nichtokzidentalen umgeben, sondern auch von ihnen dominiert sein werden«.241 Diese Auffassung kommt der Guenons in Orient et Occident wirklich sehr nahe. 1937 stellte Eliade selbst die Ver­ bindung zwischen dem Studium des Symbolismus und dem traditionalistischen Projekt her, als er das Werk der führenden Traditionalisten in akademisch annehmbarer Terminologie umschrieb: Guenon, Evola und Coomaraswamy, sagte er, »versuchen, die Einheit der Traditionen und Symbole zu stabilisieren, die den alten orientalischen, amerindischen

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[indianischen] und wesdichen Zivilisationen und auch der >ethnographischen Kultur< zugrunde liegen«.242 Eliades allgemeines Modell der menschlichen Religiosität ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine säkular gewandetephilosophiaperen­ nis. Seine Hoffnung, es könne durch das Verständnis religiöser M ythen und Symbolsprachen zur kulturellen Erneuerung kommen, war in den 1960er Jahren durchaus akzeptabel, besser zumindest als eine Erneue­ rung durch das Verständnis esoterischer Spiritualität und weitaus akzep­ tabler als eine religiöse Erneuerung. Wäre ein allgemeines Modell der menschlichen Religiosität erst einmal zusammengestellt, unterschiede es sich wenig von der philosophia perennis. Seine ganze Laufbahn hindurch widmete sich Eliade dem Standard­ projekt traditionalistischer Forschung und »setzte [...] Trümmer wieder zusammen«, nur unter anderen Namen und m it Hilfe wissenschaftliche­ rer Methoden. Sein Themenbereich ähnelte weitgehend dem der Etudes traditionnelles, aber er definierte ihn jedoch nicht als »Tradition«, son­ dern als »archaische Religion«, obwohl er doch manchmal auch das Wort »traditionell« verwandte.243 Ein regulärer Traditionalist hätte ver­ schiedene Traditionen studiert und an sie alle geglaubt, weil er sie für einen Ausdruck der philosophia perennis hielt. Eliade studierte dagegen archaische Religionen, als ob er »auf ihrer eigenen Bezugsebene« an sie glaubte. Inwieweit Eliade tatsächlich glaubte, dass die »archaischen Reli­ gionen«, die er studierte, Aspekte einer philosophia perennis seien, lässt sich unmöglich sagen, aber sofern er dieser Auffassung war, erleichterte sie ihm auf jeden Fall, den Standpunkt eines Gläubigen der jeweiligen Religion einzunehmen, mit der er sich gerade befasste. Eine Rechtfertigung für seine fast ausschließliche Beschäftigung m it archaischer Religion fand Eliade in einer etwas unsicheren Theorie vom Verlauf der Zeit: Die moderne Auffassung einer linearen Zeit sei aty­ pisch, verglichen mit der archaischen Auffassung eines zyklischen Zeit­ verlaufs, die weitaus allgemeiner verbreitet sei, woraus sich ergibt, dass die nichtarchaische Religion ebenfalls atypisch ist. Dieses Prinzip be­ freite ihn von aller Notwendigkeit, auf das Kali Yuga Bezug zu nehm en (das vierte Zeitalter des Niedergangs und der Finsternis, siehe Kapitel 1), was ein günstiger Umstand war, da er um 1957 herausgefunden hatte, dass es sich bei diesem Konzept um eine ziemlich späte Erweiterung hin-

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duistischen Gedankenguts handelte.244 Es erlaubte ihm jedoch, die Mo­ derne ebenso entschieden zu verwerfen, wie Guenon es getan hatte, ob­ wohl er sich auf ihren religiösen Aspekt beschränkte, auf den es ihm schließlich ankam. Kurz vor 1978 bemerkte Eliade, an Guenons Werk habe ihn vor allem seine »exzessiver Hang zur Polemik« irritiert und »seine brutale Ablehnung der gesamten modernen westlichen Kultur, so als reiche allein schon eine Professur an der Sorbonne aus, jede Möglich­ keit [echten] Verständnisses einzubüßen«.245 Dass der traditionalistische Perennialismus sogar Eliades Spätwerk prägte, zeigt die spätere Erfahrung eines ehemaligen Studenten, der be­ müht war, eine eigene akademische Identität aufzubauen. Der Student, inzwischen selbst schon ein Professor fiir Religionswissenschaft, las be­ stürzt die Druckfahnen seines Buches über den frühen Taoismus: »In jedem zweiten Absatz schien das Wort >primordial< vorzukommen oder eine andere klassische Variante der Terminologie Eliades. Ich bearbeitete die Druckfahnen wie rasend, um mich ein für alle Mal von der Verseu­ chung des Primordialen zu befreien!«246 Dem entsprechend ging 1983 ein entprimordialisiertes Buch in Druck. Es ist nicht klar, ob Lovinescu und Eliade Mitglieder der Legion des Erzengels Michael waren, aber beide unterstützen sie und hatten Kon­ takt zu ihrem Anführer, Corneliu Zelea Codreanu.247 Die Legion war im Jahre 1927 von Codreanu, einem ehemaligen Anhänger von Alexandru C. Cuza, begründet worden. Cuza lehrte Volkswirtschaft an der Univer­ sität von Bukarest und hatte 1923 eine »Liga zur nationalen christlichen Verteidigung« gegründet. Cuzas Liga war unversöhnlich antisemitisch oder, wie ein späterer Historiker sagte, »monoman« in ihrem Antisemi­ tismus. Wegen dieser Frage kam es zwischen Codreanu und Cuza zum Bruch. Das lag nicht etwa daran, dass Codreanu kein Antisemit gewesen wäre —er war einer, wobei er jedoch der Meinung war, es genüge nicht, die Juden für alles verantwordich zu machen. Das Ziel seiner Legion war nicht nur, das rumänische Leben vom jüdischen Einfluss zu säubern, sondern auch eine »moralische Verjüngung« Rumäniens auf einer christ­ lichen und nationalen Grundlage herbeizufiihren. Hierzu gehört für ihn auch die Beseitigung der damals weit verbreiteten Korruption.248 Die Legion des Erzengels Michael unterschied sich erheblich von der Liga Cuzas, vor allem nach 1932. In diesem Jahr nahm Cuza Beziehun-

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gen zu der aufsteigenden NSDAP auf und erklärte, dass die Rumänen arischer Abstammung seien. Außerdem übernahm er das Hakenkreuz als das Symbol seiner Liga. Cuzas Liga hatte auch einen paramilitäri­ schen Zweig, die Lancieri (Lanzer), vergleichbar mit den »Braunhem­ den« der nationalsozialistischen SA. Die »Grünhemden« der Legion Codreanus verschuldeten zahlreiche Exzesse, traten aber im Vergleich zu den Lancieri Cuzas weniger radikal auf.249 Im Jahre 1933 trat Eliades ehemaliger Lehrer und späterer Vorgesetz­ ter an der Universität, Nae Ionescu, der Legion bei. Viele seiner Studenten folgten ihm,250 unter ihnen, so scheint es, auch Eliade. Es gibt keinen dokumentierten Nachweis der Mitgliedschaft Eliades, aber er unter­ stützte die Legion in eindeutiger Weise, indem er nicht allzu subtile Pro­ paganda für sie schrieb. So schrieb er 1937 einen Artikel in Vremea, »Comentariu la un juramint« (Kommentar zu einem Eid), in dem er über den Eid der Legionäre sagt: »Dieser Eid hat eine überwältigende Bedeu­ tung. Das Ausmaß, in dem er erfüllt und fruchtbar gemacht wird, ent­ scheidet über Rumäniens Fähigkeit zur spirituellen Erneuerung. [...] Die Bedeutung der Revolution, die Herr Corneliu Codreanu anstrebt, ist so zutiefst mystisch, dass ihr Erfolg abermals den Triumph des christ­ lichen Geistes in Europa bedeuten wird.«251 Im selben Jahr schrieb Eliade an anderer Stelle, er glaube »an den Sieg der Legionärsbewegung«, weil sie ein Teil der göttlichen und histo­ rischen Bestimmung des rumänischen Volkes sei, und sie werde nicht nur Rumänien retten, sondern auch »einen neuen Menschentypus« her­ vorbringen. Nach Eliade unterschied sich die Legionärsbewegung von allen anderen, indem sie eher spirituell als politisch sei. W ährend der Kommunismus im Namen der Wirtschaft handle, der Faschismus im Namen des Staates und der Nationalsozialismus im Nam en der Rasse, handle die Legionärsbewegung im Namen des Christentums.252 Nicht etwa, dass Eliade die rassistischen Belange völlig ausgeklam­ mert hätte - mindestens bei zwei Gelegenheiten schrieb er in Vremea über die Notwendigkeit, die rumänische Rasse von jüdischen und unga­ rischen Einflüssen zu säubern. Einmal, in einem Artikel m it dem Titel »Bucuresti Centru Viril« (Bukarest, ein männliches Zentrum ),253 lässt sich der Einfluss von Evolas Konzept des manischen Handelns deutlich ablesen sowie auch überhaupt in Eliades Beteiligung an der Legion. ♦

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Auch wenn es keine Belege dafür gibt, ist es möglich, dass Eliade ebenso versuchte, die Legion von innen her zu beeinflussen, wie es Evola in Italien und Deutschland tat. Als Evola Rumänien um 1937 besuchte,254 stellten Eliade und Lovinescu ihm Codreanu vor, in dem Evola eine der »würdigsten und spirituell trefflich orientierten Gestalten« sali, denen er in den nationalistischen Bewegungen der Zeit begegnet sei.255 Evola und Eliade begaben sich dann zum Mittagessen im Hause Nae Ionescus.256 Es gab jedoch in Bukarest nicht nur Aktivitäten vom Typ Evolas, sondern auch Aktivitäten im Stil Guenons. 1935 besuchte Lovinescu das berühmte griechisch-orthodoxe Kloster auf dem Berg Athos auf der Su­ che nach Initiation. Er berichtete Guenon von seinen Erlebnissen dort, der daraus schloss, dass es dort nie etwas von Wert gegeben habe oder dass es jedenfalls nicht länger dort zu finden sei. Er empfahl Lovinescu an Schuon, worauf Lovinescu 1936 nach Basel reiste und nach einer »Vorbereitung« durch Burckhardt nach Amiens ging und Schuons Alawiyya beitrat.257 Eliades ehemaliger Student Välsan unternahm im selben Jahr die­ selbe Reise mit demselben Ergebnis. 1935 gehörte Välsan zu den Tausen­ den von Rumänen, die nach Maglavit, einer Kleinstadt am rumänischen Donauufer, gepilgert waren, um Petrache Lupu aufzusuchen, dessen Vi­ sionen und Wunderheilungen »eine Welle religiöser Verzückung« ausge­ löst hatten, die »das ganze Land überrollte«. Er war in Cuzas Liga zur Nationalen Christlichen Verteidigung aufgenommen worden, nachdem er einen der Liga geneigten Journalisten von einem »unkontrollierbaren Augenblinken« geheilt hatte.258 So wie Lovinescu Guenon über den Berg Athos berichtet hatte, so berichtete Välsan Guenon über seinen Besuch bei Lupu, bis Guenon abermals zu dem Schluss kam, dass es da nichts von Interesse gäbe, und Välsan zur Alawiyya schickte. Lupus Wirkung auf Välsan war nahezu das Gegenteil der Heilwir­ kung, die er auf den Journalisten ausgeübt hatte. Välsan fühlte sich von Lupu heimgesucht. Reyor, der Välsan in Paris auf seinem Weg zu Schuon traf, beschrieb ihn als einen Mann, der »sichtlich unter großer Furcht« litt. Die Alawiyya und der Entschluss, eine von Lupu gesegnete Uhr in die Seine zu werfen, verhalfen Välsan wieder zu seinem inneren Gleich­ gewicht, doch die Erinnerung an Lupu steckte ihm noch jahrelang in den Knochen.259

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Mit Välsans Hilfe gründete Lovinescu einen Zweig der Alawiyya in Bukarest, über den jedoch keine weiteren Einzelheiten bekannt sind. Es gibt keinerlei Hinweise, dass Eliade ihm je angehört hatte, noch dass er je nach einer Initiation gesucht hätte. Jahre später meinte er, die W ieder­ entdeckung eines »sakralen Textes« durch einen »fähigen Leser« könne die Initiation durch eine initiatische Kette ersetzen.260 Dies scheint die »Initiation« gewesen zu sein, die Eliade für sich selbst in Anspruch nahm. Nach 1938 verschwand ein großer Teil des rumänischen Traditionalismus unter dem Druck des Sturms, der sich über Europa zusammen­ braute. König Carol II. von Rumänien, der 1930 bei seiner Thronbestei­ gung eine Form von persönlicher Herrschaft errichtet hatte, beschloss 1938, die Kontrolle über die Legion zu übernehmen. Er ließ Codreanu und viele andere Legionäre verhaften, unter ihnen auch Eliade und sei­ nen Freund Nae Ionescu. Codreanu und zwölf seiner vornehmlichsten Anhänger wurden im Gefängnis erdrosselt (»während eines Fluchtver­ suchs erschossen«), die restlichen wurden später freigelassen.261 Die Füh­ rung der Legion ging dann auf Horia Sima über, der wie Cuza am deut­ schen Nationalsozialismus orientiert war und die Legion in die »Eiserne Garde« umwandelte, welche die Alliierten während des Zweiten W elt­ kriegs als rumänisches Äquivalent der NSDAP kennenlernen sollten. Välsan war es mittlerweile gelungen, sich an die rumänische Gesandt­ schaft in Paris versetzen zu lassen (an der zuvor Lovinescu gedient hatte). 1939 erhielt Eliade einen Posten bei der rumänischen Gesandtschaft in London.262 Im Jahre 1940 nötigte Deutschland Rumänien dazu, große Gebiete an das mit Deutschland verbündete Ungarn abzutreten, und König Ca­ rol dankte ab. Der neue König Michael ernannte eine Regierung, die den Deutschen genehm sein musste, unter dem Vorstand des allgemein angesehenen Marschalls Ion Antonescu und der Mitwirkung des (weni­ ger angesehenen) Sima, dem neuen Führer der »Eisernen Garde«, sowie auch Eliades Freund Nae Ionescu, der allerdings noch im selben Jahr eines natürlichen Todes starb.263 1941 schloss sich Rumänien den Ach­ senmächten an, und Eliade wurde aus dem feindlichen London an die rumänische Legation im neutralen Portugal versetzt. Eliade und Välsan verblieben beide bis zum Ende des Krieges an ihren diplomatischen Pos-

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ten. Lovinescu blieb in Rumänien, wo er kurzzeitig Bürgermeister (sindaco) seiner Heimatstadt Falticeni war.264 Bei der Konferenz von Jalta war Rumänien der Sowjetunion zugesprochen worden, und obwohl es bis 1947 nicht offiziell zur Volksrepublik wurde, war 1945 bereits klar, woher der Wind wehte. Välsan und Eliade beschlossen daher beide im Ausland zu bleiben. Välsan kehrte 1945 noch einmal kurz nach Rumänien zurück, und blieb danach ganz in Frankreich. Eliade zog von Portugal nach Frank­ reich und später nach Amerika. Ihre weitere Geschichte soll später noch erörtert werden, doch an dieser Stelle sei erwähnt, dass der Philosoph Kelley Ross Eliade gegen Ende seines Lebens angriff, wobei er behaup­ tete, »die von Eliade vertretene Religionstheorie«, die archaische und »moralisch unschematisierte« Religionen bevorzuge, führe »logisch und auf direktem Weg zum neuheidnischen Amoralismus der Nazis«. Eliade habe außerdem »vor oder während des Zweiten Weltkriegs dergleichen in Rumänien befürwortet«.265 Eine noch schärfere Kritik wurde gegen Ende des 20. Jahrhunderts gegen Eliade vorgebracht und gründete sich auf verschiedenen Varianten dieses Anwurfs. Diesem kann man mit zweierlei Argumenten begegnen: Erstens, die Erkennung und Untersuchung des »Amoralischen und A-rationalen« führt nicht unbedingt zur Förderung amoralischer und a-rationaler Handlungen; und zweitens, Eliade kann den von Ross ein­ geführten »Test zur Erkennung des Bösen« bestehen: »Man kann Eliade zu Recht den Vorwurf politischer Naivität ma­ chen. Wäre es bloß Naivität, so wäre das eine Art von Verteidigungso wie sie oft im Fall von Heidegger und Werner Heisenberg vorger bracht wird. Das Problem, dass sich dabei stellt, ist, ob dumme oder ignorante Ansichten bösartig, oder aber gut gemeint und lediglich schlecht informiert sind. Ein Prüfstein dafür ist, ob diese Ansichten angesichts einer unübersehbaren Äußerung des Bösen eine Desillu­ sion erleiden. Wenn es unter derartigen Umständen zu keiner Desil­ lusionierung kommt, dann müssen wir fragen, ob solche Übel wirk­ lich eine Folge besagter Ansichten sind, und die Ansichten demzufolge wirklich naiv sind, oder ob sie vielmehr bewusst, absichdich und damit tatsächlich von Übel sind.«266

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Als Eliade Rumänien verließ und nach London zog, schien er desillusioniert zu sein. Der rumänische Traditionalismus überlebte die Volksrepublik Ru­ mänien, hatte aber kaum Kontakt zu traditionalistischen Gruppen an­ derswo. Seine spätere Geschichte kann daher hier in kurzen W orten zu­ sammengefasst werden. Der Alawiyya-Orden Lovinescus bestand in irgendeiner Form bis in die 1970er Jahre fort und umfasste sieben oder acht Anhänger. Im Jahre 1958 gründete Lovinescu eigens einen traditio­ nalistischen Studienkreis, die »Bruderschaft des Hyperion«. Sie bestand aus etwa zehn Personen, die wöchentlich einmal zusammenkamen, und könnte einem orthodoxen initiatischen Orden nahegestanden haben. 1964 begann Lovinescu zu schreiben, und 1981 veröffentlichte er sein erstes Buch, Apatrulea hagialic (Die vierte Pilgerfahrt).267 Nach dem Fall Ceausescus 1989 erlebte der Traditionalismus in Ru­ mänien einen neuen Aufschwung. Die »Bruderschaft des Hyperion« nahm eine straffer organisierte Struktur an und begann die Werke Lovi­ nescus herauszugeben; Übersetzungen anderer Traditionalisten erschie­ nen in einem etablierten Verlagshaus. Der Traditionalismus wurde sogar Gegenstand einer wöchentlichen Radiosendung.268 Die Massierung ru­ mänischer Traditionalisten im Außenministerium, die es in den 1930er Jahren gegeben hatte, wiederholte sich in den 1990er Jahren: Ein Außen­ minister, ein Botschafter in Paris und ein Botschafter in Tunesien waren Traditionalisten. Die Botschaft in Tunesien diente einem M ann als eh­ renhaftes Exil, der nach seiner Mitwirkung im Tribunal, das Ceausescu zum Tode verurteilte, kurzfristig Vizepräsident des Ministerrates war.269

6 . Aufsplitterung Für Evola war der Zweite Weltkrieg eine Zeit intensiver Aktivität, wäh­ rend ansonsten die Tätigkeit des Traditionalisten erlahmte. Guenon hielt sich in dem von britischen Truppen besetzten Ägypten auf, und die meisten übrigen Traditionalisten lebten im deutsch besetzten Frank­ reich. Schuon war in der neutralen Schweiz und hatte Michel Välsan zu seinem muqaddam in Paris bestellt. Die Korrespondenz, die bisher diese und andere Traditionalisten auf der ganzen Welt miteinander verbunden hatte, war durch den Krieg unterbrochen, obwohl bis 1942 eine gewisse Kommunikation auf diplomatischem Wege über das neutrale Brasilien noch möglich war.270 Die Etudes traditionnelles stellten ihr Erscheinen ein, und Guenons Werke waren in Frankreich nicht mehr verfügbar. Alle Art von freimaurerischer Betätigung war stillgelegt, und französi­ sche Freimaurer wurden verfolgt.271 Doch selbst während der Kriegsjahre fand Guenon einige neue An­ hänger. Zu diesen zählte auch ein junger Engländer, Martin Lings, der am Ende des 20. Jahrhunderts zu einem der bedeutendsten traditionalistischen Sufis geworden war. Lings war als Englischlehrer im Baltikum tätig und trat 1938 nach der Lektüre der Schriften Guenons der Alawiyya bei. Zu Beginn des Krieges besuchte er Guenon in Ägypten. Da er nicht nach Litauen zurück konnte, nahm er eine Stelle an der Englischfakultät der Universität Kairo an und wurde während des Krieges zu Guenons engstem Vertrauten, wenn auch nie zu einem nahen Freund.272 Guenon gewann während des Krieges auch einige neue Leser, dar­ unter Alain Danielou, ein französischer Musikwissenschaftler, der sich zum Hinduismus bekannte und zu der Zeit in Benares in Indien lebte. Er begann einige Werke Guenons ins Hindi zu übersetzen. Sein älte­ rer Bruder, Jean Danielou, der am Ende seines Lebens ein katholischer Kardinal und ein Mitglied der Academie fransaise werden sollte, inter­ essierte sich hinlänglich für den Traditionalismus, um gelegentlich Arti­ kel über dieses Thema zu verfassen.273 Der berühmteste der neuen Leser

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Guenons war jedoch der französische Romanautor Andre Gide. Gide verbrachte einen Großteil des Krieges in Marokko, wo ihm 1943 ein französischer Sufi-Traditionalist einige Bücher Guenons lieh. »Was hätte aus mir werden können, wenn ich schon in meiner Jugendzeit au f diese gestoßen wäre?«, fragte sich Gide in seinem Tagebuch. 1943 war es für eine Veränderung schon zu spät: »mein sklerotischer Geist [...] biegt sich nur noch mit Mühe«, schrieb Gide. Die Lektüre Guenons bringe ihm stattdessen höchstens seine »Okzidentalität« zu Bewusstsein und warum er sich weiterhin Descartes und Bacon verbunden fühle.274Trotz­ dem konnte Gide die Herausforderung des Traditionalismus nicht völ­ lig ignorieren, wie etwa um jene Zeit einem Gespräch zu entnehm en ist, das der bereits erwähnte Henri Bosco aufgezeichnet hat. Bosco hielt sich während des Krieges ebenfalls in Marokko auf und hatte Gide kürzlich kennengelernt. Gide teilte Bosco und anderen einiges von dem m it, was schon in seinen Tagebucheintragungen über Guenon zu lesen ist. Er fugte hinzu: »Wenn Guenon Recht hat, dann fällt mein ganzes W erk zusam­ men ...« Woraufhin einer der Anwesenden entgegnete: »Aber m it ihm fal­ len dann auch einige andere, und nicht die Geringsten, zum Beispiel das Werk Montaignes...« [GIDE]: »Es gibt bei Guenon nichts, absolut gar nichts, dem m an widersprechen könnte. Er ist unwiderlegbar.« [Dann, nach einem weiteren Schweigen]: »Es geht hart auf hart, ich bin zu alt.« [Dem fugte er noch hinzu]: »Ich liebe das Leben lei­ denschaftlich - das vielfältige Leben. Ich kann mich nicht dam it abfinden, meinem Leben die Freude an der wunderbaren Vielfalt der Welt zu entziehen, und warum auch? Um es einer Abstraktion zu opfern - einer Einheit, einer undefinierbaren Einheit! ... Beschränk­ te Wesen, vergängliche Kreaturen, sie allein interessieren m ich u n d rufen in mir Liebe hervor, nicht aber das Sein, das ewige Sein, das unbegrenzte Sein.«275 Gide ist offenbar besorgt, dass Guenon Recht haben und er selbst sich geirrt haben könnte. Er scheint sich dem Überbringer der Bücher Gue-

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nons gegenüber dafür rechtfertigen zu wollen, dass er nicht die Konse­ quenzen ergriff und seinem Beispiel folgte, indem er ein Sufi wurde, welcher der Welt um Gottes willen entsagte. Gide wurde natürlich nie zum Sufi, aber seine Betrachtungen zeigen, wie die Bücher Guenons und erst recht das persönliche Exempel von Sufi-Traditionalisten auf andere wirken können: als Herausforderung, als kraftvoller Aufruf zu einer Va­ riante religiöser Bindung.

Wiederaufleben Nach Kriegsende lebte der Traditionalismus in Frankreich rasch wieder auf und entwickelte sich bald in neue Richtungen. Zuerst war es die Freimaurerei. Kurz nach dem Ende des Krieges schrieb Alexandre Mordiof, ein in Paris lebender russischer Traditionalist, an die französische Grande Loge de France. Der Großmeister Michel Dumesnil de Gramont und einige andere ranghohe Maurer schätzten offensichtlich die Arbeit Guenons, wie sie auch das Werk Wirths geschätzt hatten. 1947 erlaubten sie die Gründung einer neuen Loge nach traditionalistischen Prinzipien, die »La Grande Triade« hieß. Dieser Name stammte aus Guenons Buch über die freimaurerische Initiation, La gründe Triade (1946).276 Dies er­ forderte eine besondere Genehmigung, weil es damals ein allgemeines Verbot gegen die Gründung neuer Logen gab. Die Freimaurerei hatte die deutsche Besatzung knapp überlebt, und die Zahl der Freimaurer, die der französischen Großloge angehörten, war von ungefähr 124000 im Jahre 1939 auf nur 3000 im Jahre 1945 gesunken.277 Es war dringender nötig, alte Logen wiederzubeleben, als neue zu begründen. Der Versuch, nach Wirths Dafürhalten und unter Anleitung der Werke Guenons ein »traditionalistisches« Freimaurer-Ritual durch Aus­ merzen späterer Beifügungen wiederzubeleben, erregte in FreimaurerKreisen großes Interesse. Unter den elf ersten Mitgliedern der Grande Triade waren abgesehen von einer Anzahl von Traditionalisten (zu denen auch Mordiof zählte) der damalige Großmeister der Obödienz (de Gra­ mont) und ein künftiger Großmeister 278 Anfangs war der Andrang der Besucher so groß, dass es oft nicht genug Sitzplätze gab.279 Ein Besucher im Jahr 1948 beschreibt den guten Eindruck, den die beiden komple-

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mentären Teile eines jedes Freimaurertreffens auf ihn machten, die R itu­ ale einerseits und die anschließenden Diskussionen andererseits: »Der Ehrwürdige Ivan Cerf leitete die Werke meisterlich. [...] Von dem Augenblick an, da er seinen Platz an seinem Tisch eingenom ­ men hatte, veränderte sich sein Auftreten völlig und wurde zu einer Erscheinung, die nur als priesterlich bezeichnet werden kann, ohne jegliches gekünsteltes Gehabe. Die Riten wurden m it Präzision und Klugheit ausgefiihrt, die Umschreitungen korrekt vollzogen, in der richtigen Richtung und in angemessenem Rhythmus. [...] Die Q ua­ lität der Werke stand auf dem gleichen Niveau wie das Ritual. Die lieh die der meisten anderen Logen. Viele Brüder besaßen große und authentische Weisheit. Die Themen an der Tagesordnung w urden nahezu immer intelligent abgehandelt, und die nachfolgenden D e­ batten waren sachlich und höflich, dank der vollkommenen Diszip­ lin, die eingehalten wurde.«280 Die Rückkehr des Friedens ermöglichte neue Initiativen wie diese. Sie erlaubte auch einzelnen Traditionalisten, ihre unterbrochenen Tätigkei­ ten wieder aufzunehmen. Hartung, welcher der kleinen, aber oft w ichti­ gen protestantischen Minderheit Frankreichs angehörte und der Sohn eines Kommandanten der Ecole militaire war, wurde 1938 von Olivier de Carfort, dem Vater seines Freundes Francis de Carfort, m it den W erken Guenons vertraut gemacht. Er las die ganze N acht hindurch in der Introduction generale, die man ihm gegeben hatte, und fand, dass sein Le­ ben infolgedessen »umgewandelt« war. Der Krieg verzögerte jedoch die Konsequenzen dieser Umwandlung. Nach Abschluss seiner Hochschul­ ausbildung schloss sich Hartung 1942 dem W iderstand an, floh 1943 m it seinem Freund Francis de Carfort in die Schweiz und kehrte 1944 nach Frankreich zurück, um sich der freien französischen Armee anzuschlie­ ßen. Nachdem er im Eisass verwundet und für seine Tapferkeit ausge­ zeichnet worden war, wurde Hartung zum Adjutanten des Präsidenten Charles de Gaulle ernannt. Aber erst 1945, auf einer Mission in Indien, konnte sich Hartung seiner traditionalistischen Suche wieder zuwen­ den.281

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Als er sich 1947 ein weiteres Mal in Südindien aufliielt, verbrachte Har­ tung zehn Tage in Tiruvannamalai, dem ashram (zawiya) von Ramana Maharshi, der zu den berühmtesten Hindu-Gurus oder Weisen des Jahr­ hunderts gehörte. Dieser Besuch war die entscheidende spirituelle Er­ fahrung seines Lebens. Er beschrieb Ramana Maharshi als »die lebende Inkarnation der göttlichen Wirklichkeit, die in jedem Menschen steckt, die jener jedoch wiederentdeckt hat«.282 Und doch konnte er seine Suche nach Initiation dort nicht befriedigen. Nach seinem Abschied von der Armee schloss er in Paris eine Doktorarbeit in Geographie ab.283 Dort begegnete er Välsan, und im Februar 1949 begann er eine Korrespondenz mit Guenon. Sie tauschten sich zunächst über Ramana Maharshi und andere zeitgenössische Hindu-Gurus aus sowie über die Übersetzung ei­ nes Buches Ramana Maharshis, das Hartung in der Zeitschrift Etudes traditionnelles zu veröffentlichen hoffte. Von Välsan ermutigt, richtete sich Hartung im Mai des Jahres an Guenon. Im übertrieben formalen Ton fragte er, ob es nicht angesichts der Schwierigkeiten, die der Hin­ duismus in der Praxis für einen Westler darstelle, »möglich wäre, [...] dass ich mich in einen exoterischen Rahmen begebe, den ich zutiefst er­ strebe und der mir —obwohl ich bisher den Islam viel weniger kenne als Indien —möglicherweise Einflüsse und Rahmenbedingungen zugäng­ lich macht, die der Entwicklung des spirituellen Lebens eines westlichen Menschen besser angepasst sind?« Vierzehn Tage später erwiderte Gue­ non, dass er »diese Absicht voll und ganz billige«, und im Juni oder An­ fang Juli 1949 wurden Hartung und seine Frau Muslime und schlossen sich der Alawiyya an.284 Auch die Alawiyya schlug neue Richtungen ein. Ihre Übungen wur­ den komplexer, Kerzen und Räucherwerk wurden bei den ^/^-S itzun­ gen entzündet, alles ein Teil dessen, was ein feindseliger Kommentar als übertriebene Beschäftigung mit der »Inszenierung« (mise en scene) bezeichnete.285 Das Nachspiel eines dhikrs um etwa 1947 wurde folgender­ maßen beschrieben: »Nach einer einfachen Mahlzeit, bestehend aus Roggenbrot, Käse, Obst und Tee, die schweigend eingenommen wurde, sprach der Scheich für gewöhnlich von der Lehre und dem spirituellen Leben und beantwortete Fragen. Bei diesen Anlässen empfand ich immer

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einen machtvollen Strom des Segens, der seinem M unde entfuhr, es war fast so, als nähme ich Lichtstrahlen wahr, die von ihm ausgingen. Er saß in marokkanischer Kleidung auf seinem Diwan, ebenso seine Schüler, die im Halbkreis auf dem Boden saßen, die Frauen im rück­ wärtigen Teil des Raums. Die traditionelle Bekleidung, auf die der Scheich bestand, verlieh jedem einzelnen Würde. Zwei marokkani­ sche Lampen aus fein ziseliertem Kupfer warfen zarte Spitzenmuster an die Decke und Wände, und Weihrauch erfüllte die Luft, wäh­ renddem wir die Riten ausfiihrten. Alles war von heiliger Schönheit und heiligem Frieden, und wenn ich nach diesen Abendveranstaltun­ gen nach Hause ging, war ich wie betrunken vom Wein der W ahr­ heit.«286 Schuons Beschäftigung mit dem Ambiente ist auch heute noch in den Häusern der Anhänger Schuons erkennbar, die fast alle in sehr erlese­ nem »traditionellen« Stil ausstaffiert sind, der zum Teil vielleicht au f Coomaraswamy zurückgeht. Sie sind unweigerlich m it einem Gebets­ raum ausgestattet, mit Qur’an und Kerze versehen und in der Regel m it einem Dolch.287 Die Schönheit war für Schuon und seine Anhänger für den Zugang zum Göttlichen immer von großer Bedeutung. Die Alawiyya schlug auch eine weitere neue Richtung ein, was m it Schuons langjährigem Interesse an den Ureinwohnern Amerikas zusam­ menhing. Dies führte er selbst auf die Geschichten zurück, die ihm seine Großmutter väterlicherseits als Kind erzählt hatte, die ihre Jugendjahre in Amerika verbracht hatte.288 1946 nahm dieses Interesse konkretere Gestalt an, als Schuon sich an verschiedene Anhänger und Bewunderer wendete mit der Bitte, ihn mit einem indianischen »Ältesten« in Kon­ takt zu bringen. Daraufhin sandte ihm Joseph Epes Brown, ein A nthro­ pologe an der Universität von Indiana, der bereits ein Alawi war, John Neihardts Buch Black Elk Speaks (1932, Der Schwarze Elch spricht) ,289 Wie heute bekannt ist, war dieser Bestseller ein stark überarbeiteter Le­ bensbericht von Black Elk, einem lakotasprachigen H äuptling der O glala-Sioux und einem wichasha wakan (heiligen M ann), der an den Schlachten von Litde Big Horn und Wounded Knee teilgenommen hat­ te.290 Black Elk speaks beeindruckte Schuon sehr. Es war eines der ersten Bücher, die er 1948 Catherine Feer gab, die erst unlängst der Alawiyya

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beigetreten war und die später seine Frau werden sollte.291 Nachdem er das Buch gelesen hatte, begann Schuon, mit Guenon über die Spiritua­ lität der amerikanischen Ureinwohner zu korrespondieren, und er emp­ fahl auch Brown, sich mit Black Elk in Verbindung zu setzen, was dieser auch tat. Er verbrachte um 1947-48 ein ganzes Jahr mit ihm.292 Die Er­ gebnisse seiner einjährigen Recherche wurden 1953 gleichzeitig auf Eng­ lisch und Französisch veröffentlicht, als The Sacred Pipe: Black Elks Ac­ count ofthe Seven Rites ofthe Oglala-Sioux (Die heilige Pfeife: Black Elks Bericht von den sieben Riten der Oglala-Sioux) und Les rites secrets des Indiens sioux (Die geheimen Riten der Sioux-Indianer).293 Viele Jahre lang war The Sacred Pipe neben Neihardts Black Elk Speaks ein grundlegender Quellentext für das Studium der Religion der amerikanischen Ureinwohner, obwohl es nie die außergewöhnliche Be­ liebtheit von Neihardts Buch erreichte.294 The Sacred Pipe wurde zum Großteil in Lausanne in einem Zeitraum von sechs Monaten verfasst. Schuon sah in wöchentlichen Abständen Browns Entwürfe durch und ließ seine traditionalistische Sichtweise in das entstehende Buch einflie­ ßen.295 The Sacred Pipe sorgte somit dafür, dass ein »gemäßigter« Tradi­ tionalismus ganz unbemerkt den allgemeinen akademischen Diskurs durchdringen konnte.

Zwietracht Die Wiederaufnahme traditionalistischer Aktivitäten wurde 1948 zuneh­ mend von einer öffendichen Meinungsverschiedenheit zwischen Gue­ non und Schuon gestört. Hauptsächlich ging es dabei um die Gültigkeit chrisdicher Initiation. Schuon vertrat seit einiger Zeit privat die Ansicht, die christlichen Sakramente der Taufe und der Konfirmation seien als esoterische Weihen in gewisser Weise noch immer gültig. Diese Ansicht brachte er in dem Artikel »Mysteres christiques« in den Etudes tradition­ elles vom Juli/August 1948 zum Ausdruck. Guenon war offenbar weni­ ger von Schuons Ansichten überrascht, mit denen er bereits im Ansatz vertraut war, sondern vor allem verärgert, dass der Artikel in einer Zeit­ schrift erschienen war, die er noch immer als die seinige ansah.296 Be­ richte, die über Reyor nach Kairo gelangten, nährten den Verdacht, dass

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Schuon die Autorität Guenons in Frage stellte. 1948 beschwerte sich Reyor bei Guenon, dass Schuons Anhänger die Kontrolle über die Grande Triade zu übernehmen versuchten und viele von ihnen ihre Abonnements für Etudes traditionnelles abbestellt hätten, allenfalls an alten Exemplaren mit den Artikeln Schuons interessiert seien.297 Nichts deutet darauf hin, dass Schuon tatsächlich versucht hätte, die Grande Triade zu übernehmen, aber es kam nicht unerwartet, dass Schuon auf irgendeine Weise Guenons Autorität herausforderte. Solche Herausforderungen folgen einem allgemeinen Muster: Guenon selbst hatte die Autorität des älteren Encausse abgelehnt, und Encausse hatte ebenso in seiner Jugend die Autorität von Madame Blavatsky in Frage gestellt. Die während des Krieges unterbrochene Kommunikation mach­ te Schuons Absage an die Autorität Guenons zu diesem Zeitpunkt sogar noch wahrscheinlicher. Dadurch wurden die Anhänger Schuons von Guenon unabhängiger, ebenso wie die Anhänger Välsans von Schuon unabhängig geworden waren. In der Auseinandersetzung von 1948 zwischen Guenon und Schuon ging es jedoch nicht allein um Autorität, sondern auch um die O rdnungs­ mäßigkeit eines traditionalistischen Sufiordens. Guenons Standpunkt war klar: Die esoterische Praxis hatte in einem orthodoxen exoterischen Rahmen stattzufinden, und überdies mussten beide übereinstimmen. Ein traditionalistischer Sufiorden in Europa dürfte sich nicht von einem Sufiorden in der islamischen Welt unterscheiden und der exoterische Islam seiner Anhänger nicht vom orthodoxen Islam.298 Alles andere wäre Synkretismus, »die Vermischung traditioneller Formen«. Schuons Sicht­ weise war da großzügiger: Er glaubte, es käme vor allem auf die esoteri­ sche Praxis an, der exoterische Rahmen sei von geringerer Bedeutung. Das war nicht nur eine theoretische Angelegenheit. Schuons Ansicht führte dazu, dass er einigen seiner Anhänger in Lausanne die Verbind­ lichkeiten der shari’a erließ, wahrscheinlich während der letzten Kriegs­ jahre. Vor dem Krieg scheint dies nicht der Fall gewesen zu sein, abgese­ hen vom der Auslassung der sunna-Gebete. Guenon erhielt die ersten Berichte über diese Lockerungen 1948 über Reyor, wonach Schuons An­ hänger das Fasten im Ramadan nicht mehr einhielten.299 U m 1950 bestä­ tigten unabhängig voneinander Välsan und auch H artung diesen Be­ richt, wobei es hieß, dass Schuon die Gesetze der shana nur für einzelne

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Anhänger lockerte, nicht für alle.300 Dies dürfte wohl auch zugetroffen haben.301 In Basel fasteten von Meyenburg und andere wie immer den Monat Ramadan.302 Nach Välsan rechtfertigte Schuon diese und andere Abweichungen seitens seiner Anhänger von der sharia als einen »Verzicht auf exoteri­ sche Formalitäten«, der notwendig sei, um »sich den westlichen Lebens­ bedingungen anzupassen«, eine Rechtfertigung, die Välsan offensicht­ lich ablehnte.303 Välsan hatte die Situation mehr oder weniger richtig erfasst: In einer späteren Erklärung schrieb Schuon über »Vereinfachun­ gen« der sharia, die »unter diesen besonderen Bedingungen legitim« seien, »nicht nur allgemein durch das Leben in dar al-harb (nichtislami­ schen Ländern) bedingt, sondern vor allem auch aufgrund der gegen­ wärtigen zyklischen Gegebenheiten.«304 Ein heutiger Anhänger Schuons erklärt dazu: »Einigen der vorgeschriebenen religiösen Pflichten lag die Absicht zugrunde, dass sie mit der äußeren Unterstützung der gesam­ ten traditionellen Gesellschaft auszuführen wären. [...] Das Beharren auf bestimmten exoterischen Vorschriften birgt ein Risiko, das die ur­ sprüngliche Absicht der Religion gefährdet, da unter den ungewöhn­ lichen Bedingungen der modernen Welt diese Vorschriften viel eher zur Last werden können als zu einer Unterstützung des inneren spirituellen Lebens.«305 Außer der Nichteinhaltung des Fastens im Ramadan beklagte Välsan auch die unregelmäßige Ausführung des Ritualgebets und die unzulässi­ gen Gebetswaschungen.306 Dazu einige kurze Erklärungen: Die wesent­ lichen Teile der islamischen Praxis werden als seine fünf »Säulen« be­ zeichnet, deren erste die Glaubensbekundung ist. Die zweite ist das rituelle Gebet, das fünfmal am Tag während bestimmter, nach dem Son­ nenstand definierter Zeiten auszuführen ist, etwa zwischen dem An­ bruch der Morgendämmerung und dem Sonnenaufgang, zur Halbzeit zwischen dem Sonnenhöchststand zu Mittag und dem Sonnenunter­ gang, und so weiter. Für das rituelle Gebet muss sich ein Muslim in ei­ nem Zustand ritueller Reinheit befinden, der durch das Waschen der Extremitäten in einer bestimmten Weise und Abfolge hergestellt wird. Dazu zählen die Vorderarme, der Mund und einige andere Körperteile. Eine Alternative zu diesen Waschungen, das tayammum, das Ausführen einer verkürzten symbolischen Waschung nicht mit Wasser, sondern mit

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Sand oder Staub, ist gestattet, wenn kein Wasser verfügbar ist. Laut Välsan bedienten sich Schuons Anhänger dieser Alternative selbst dann, wenn Wasser verfügbar war. Die dritte »Säule« ist das Fasten, das heißt sich während des Mondmonats Ramadan von Dämmerungsanbruch bis Sonnenuntergang von aller Speise, Trank, Tabakgenuss und so weiter zu enthalten. Schuon hatte schon seine Gründe, diese Säulen »vereinfachen« zu wollen, wie er sich später ausdrückte. In der islamischen Welt ist es leicht genug, sich an die zweite und dritte Säule des Islam zu halten, wenn man will. Alle Moscheen haben Waschgelegenheiten, wo man seine Wa­ schungen durchführen kann, und ein Verlust der Konzentration und Aufmerksamkeit gegen Ende des Fastentages wird im Ramadan in K auf genommen. Im Westen jedoch stellen diese Verrichtungen sogar heute noch gewisse Schwierigkeiten dar, die damals, während der 1940er Jahre, als es noch keine nennenswerte muslimische Einwanderung gab, noch viel größer waren. Es gab keine Moscheen, in denen man beten konnte, und wer in einem öffentlichen Waschraum anfing, seine Unterarme und Füße zu waschen, hätte gewiss unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Wer während eines Nachmittags im Ramadan an seinem Ar­ beitsplatz eingeschlafen wäre, hätte nicht mit Verständnis rechnen kön­ nen. Darüber hinaus fiel der Ramadan in den 1940er Jahren in den Som­ mer, und obwohl das Wetter in der Schweiz im August in der Regel kühler ist als in Kairo, geht die Sonne viel früher auf und viel später un­ ter, so dass die Zeit des Fastens viel länger wird, obwohl es auch M ög­ lichkeiten gibt, mit dieser Schwierigkeit umzugehen, ohne das Fasten ganz aufzugeben.307 Man kann also verstehen, warum Schuon in diesem Zusammenhang einige Abweichungen von der sharia erlauben konnte, obwohl es nicht ganz klar ist, warum er das tayammum gestattete, wenn Wasser verfügbar war.308 Obwohl Välsan eindeutig nichts für Schuons »Vereinfachungen« übrighatte; und Guenon offenbar auch nicht, sind interessanterweise gegen Ende des 20. Jahrhunderts, als der Islam sich im W esten weiter auszubreiten begann, aus rein pragmatischen Gründen für westliche Muslime einige Erleichterungen der sharia als zulässig erklärt worden.309 Es besteht jedoch ein feiner, aber sehr wesentlicher Unterschied zwi­ schen der Genehmigung, die man einem neuen Muslim eventuell er-

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teilt, das rituelle Gebet zu verzögern, damit er seine Arbeitsstelle nicht verliert,310 und dem Erlauben einer solchen Verzögerung wegen »derzei­ tiger zyklischer Bedingungen« oder weil die Gebetszeit nur eine »exo­ terische« Formalität ist, die sich »essentialisieren« lässt.311 Die meisten Muslime, die mit den Bedingungen im Westen vertraut sind, würden die Begründung im ersteren Fall verstehen. Die zweite Begründung lehnten Guenon und Välsan ab, und fast jeder Muslim würde sich dar­ ob empören. Manch einer würde sich der bekannten Geschichte des Scheichs entsinnen, der während eines Ramadans mit seinen erschöpf­ ten Anhängern durch die Wüste zog. Plötzlich erscheint aus dem Nichts eine Oase mit einem kühlen, klaren Gewässer und Palmen, die voller reifer Datteln hängen. »Bedient euch!«, erklingt da die Stimme des Herrn, »ihr seid Meinem Weg so ergeben, dass ihr euch nicht mehr um Formalitäten zu kümmern braucht.« »Ich nehme Zuflucht bei Allah vor dem verfluchten Satan!«, ruft der Scheich aus. »Woher wusstest du, dass ich es bin?«, fragte der Satan, denn er war es tatsächlich. »Zum ei­ nen erkannte ich den Klang deiner Stimme«, erwiderte der Scheich, »und zum anderen weiß ich, dass Allah niemanden von der Einhaltung der shana befreit.« Eine andere Abweichung von der sha n a , die Välsan berichtete, be­ darf des Kommentars. Demnach war es den Alawis erlaubt, bei Fami­ lientreffen oder Geschäftsessen Bier zu trinken,312 offenbar um den Ver­ dacht zu verringern, sie seien womöglich Muslime. Für Schuons andere Lockerungen der shana mag es anderswo Parallelen geben, doch für diese sind keinerlei bekannt.313 Die shana erlaubt Muslimen zwar, ih­ ren Glauben zu leugnen, wenn sie unter Todesbedrohung stehen, ob­ wohl der Märtyrertod für den, der dazu fähig ist, als verdienstvoller gilt. Neuen Muslimen wird manchmal empfohlen, nicht gleich allen von ihrer Konversion zu erzählen, sondern zu warten, bis sie bereit sind, gegebenenfalls mit der Reaktion fertigzuwerden. Von keinem einzigen Scheich ist jedoch bekannt, dass er verbotene Handlungen erlaubt hätte, um eine Fiktion zu stützen. Außerdem gingen einige Alawis bald dazu über, ihr Bier sowohl im privaten Kreis als auch in der Öffentlichkeit zu trinken.314 Schuon hatte sich aber nicht völlig von der shana gelöst und gab sie auch niemals ganz auf, obwohl es in den kommenden Jahren noch zu

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weiteren Abweichungen kommen sollte. Er war der sharia noch hin­ länglich verhaftet, um seine Anhänger zu ermahnen, dass »sexuelle Be­ ziehungen außerhalb der Ehe absolut verboten sind« (Hervorhebung im Original).315 So verwehrte er Roger Maridort, einem alten französischen Freund Guenons, den Zutritt zur Alawiyya. M aridort war, wie andere seiner Generation, dem Werk Guenons in den Jahren 1927—28 begegnet. In den dreißiger Jahren besuchte er Guenon mehrmals in Kairo. Er könnte gut der reiche Bewunderer Guenons gewesen sein, der ihn wäh­ rend der ersten Jahre in Ägypten vor dem Verhungern bewahrte. Reyor hatte ihn an Välsan verwiesen, von dem er, wie andere auch, eine SufiInitiation erhoffte. Välsan hatte Maridort jedoch abgewiesen, weil er m it einer verheirateten Frau zusammenlebte, die sich von ihrem Ehem ann nicht scheiden lassen konnte. Schuon hatte ihn aus demselben G rund abgewiesen. Guenon hatte offenbar für Maridorts Dilemma m ehr Ver­ ständnis und stimmte zu, dass Maridort nach Marokko reiste und der Darqawiyya beitrat. Dies war der Orden, dem auch Burckhardt beige­ treten war, obwohl unter einem anderen Scheich, M uhammad al-Tadili. Al-Tadili erteilte Maridort später eine ijaza, andere in die Darqawiyya aufzunehmen, und so entstand ein zweiter traditionalistischer Sufiorden.316 Schuons Betonung der esoterischen Praxis und seiner M issachtung einiger Elemente der exoterischen shana entsprach seine Bereitschaft, die christlichen Sakramente als initiatisch anzuerkennen und daher auch christliche Anhänger anzunehmen. Er nahm zwar Nichtmuslime nicht in den Alawiyya-Orden auf, aber er erlaubte ihnen, der Alawi dhikrZeremonie beizuwohnen (wiewohl nicht aktiv an ihr teilzunehmen).317 Um 1950 erreichten Guenon Gerüchte, die er ernst nahm. Schuon habe chrisdiche Anhänger, hieß es, zu denen auch ein katholischer Priester zählte, der in die Bruderschaft der Ritter des Göttlichen Parakleten ein­ geweiht war. Nach dem Tode Charbonneau-Lassays war die Leitung die­ ser Gemeinschaft 1946 an Guenons alten Gefährten aus dem TemplerOrden übergegangen, Alexandre Thomas.318 Obwohl die Geschichte der Bruderschaft des Parakleten zwischen 1946 und ihrer »Stilllegung« im Jahre 1951 unklar ist, scheinen die Berichte, die Guenon erreichten, zu­ treffend gewesen zu sein, da besagter Priester bis M itte der 1960er Jahre Schuons Meditationsübungen verwendete. Angeblich besuchte er in je-

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nen Jahren Lausanne zum ersten Mal, doch was er dort sah, missfiel ihm, so dass er mit Schuon brach.319 Guenon war nicht nur wegen Schuon und der Bruderschaft der Rit­ ter des göttlichen Parakleten besorgt, sondern auch wegen der Grande Triade. Die Beliebtheit dieser Loge hatte bereits zu Problemen geführt. Keine Loge darf ihre Mitgliedschaft auf eine bestimmte Gruppe be­ schränken, obwohl sie zu einem gewissen Grad über ihre eigenen Riten entscheiden darf. Die Grande Triade stand bald vor dem Problem, dass einige ihrer Mitglieder nicht sonderlich am Traditionalismus interessiert waren und die Notwendigkeit einer exoterischen Praxis, welche die eso­ terischen Handlungen der Loge begleiten sollte, bestritten. Daneben gab es Traditionalisten, die wenig Interesse an der Maurerei hatten und die ihrerseits entsprechende Schwierigkeiten bereiteten. Die Loge war außerdem verpflichtet, sich innerhalb von der Grande Loge de France festgelegten Strukturen zu bewegen, was mancherseits als Einschrän­ kung empfunden wurde. Um 1949 begann Guenon Zweifel zu äußern, obwohl er bis zu seinem Tode ein starkes Interesse an der Entwicklung des Logenrituals bekundete.320 1950 sorgte Reyor, der auf Guenons An­ weisung der Grande Triade kurz nach ihrer Gründung beigetreten war, für Aufruhr und Bestürzung, als er vom Rednerpult aus die Loge verur­ teilte, ihre Ziele nicht erreicht zu haben. Reyor wurde gebeten, die Loge zu verlassen, was er auch tat.321 Zu diesem Zeitpunkt (oder vielleicht etwas eher) wurde ein zwei­ ter traditionalistischer Versuch unternommen, freimaurerische Prakti­ ken esoterischer Art einzufiihren.322Reyor und ein weiterer traditionalis­ tischer Briefpartner Guenons, Jean Tourniac, gründeten gemeinsam die Loge der Trois Anneaux (Drei Ringe). Dies war eine »wilde« Loge, die keiner der bestehenden Obödienzen unterstellt war. Als wilde Loge war sie in ihren Aktivitäten weniger eingeschränkt, als es die Grande Triade unter der Obödienz der Grande Loge de France war. Sie übernahm ihre Rituale diesmal von den »operativen« maurerischen Ritualen Clement Strattons, einem Engländer, der behauptete, er habe die ursprüngli­ chen Maurerrituale aus der Zeit vor dem 18. Jahrhundert wiederent­ deckt. Guenon hatte diese Behauptung teilweise akzeptiert, obwohl er Teile der Rituale Strattons als moderne Einschübe erkannte. Die Rituale enthielten möglicherweise Wiederholungen von Gebetsformeln, ähnlich

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dem Sufi dhikr,323 Obwohl sie freier war als die Grande Triade, erregte die Trois Anneaux weit weniger Interesse. Sie soll kaum Rekruten ange­ zogen haben und unter den Spannungen zwischen ihren muslimischen und chrisdichen Mitgliedern gelitten haben. Diese Spannungen hingen wahrscheinlich mehr mit den jeweiligen Persönlichkeiten zusammen als mit dem Religionsunterschied, da es Muslime gab, die der Grande Triade problemlos angehörten und Muslime und Christen im Nahen O sten oft in derselben (nicht-traditionalistischen) Loge aktiv waren. Doch die Schwierigkeiten mit seinen freimaurerischen Projekten waren nicht das größte Problem, mit dem Guenon zu kämpfen hatte. Während der 1950er Jahre verschlechterten sich die Beziehungen zu Schuon weiter, und Guenon und Reyor, der in Guenons Auftrag han­ delte, verlegten sich darauf, Initiationssuchende nicht m ehr zu Schuon zu schicken, sondern direkt an Välsan in Paris oder an M aridort zu ver­ weisen. Schuon versuchte einen Bruch zu verhindern, indem er den Berufsdiplomaten Jacques-Albert Cuttat zu Reyor schickte, um vorzu­ schlagen, dass Schuon Guenon persönlich in Kairo aufsuchen könnte. Guenon ließ jedoch bestellen, dass er Schuon nicht empfangen werde, sollte er nach Kairo kommen.324 Er war zu der Zeit davon überzeugt, dass Schuons Anhänger ihn bespitzelten, und ließ dieselbe leichte Para­ noia erkennen, die schon damals auftrat, als man ihm in Paris seine Nichte Fran^oise fortnahm. Er glaubte, dass M artin Lings in Schuons Auftrag seinen Briefwechsel kontrolliere, was Lings immer bestritten hat.325 Es war Lings’ Aufgabe, Guenons Post in Empfang zu nehm en und Guenon ins Haus zu tragen, und es kam zuweilen vor, dass Briefe Spuren von Manipulation aufwiesen. Sofern Guenons Post tatsächlich geöffnet worden war, so war mit an Sicherheit grenzender W ahrschein­ lichkeit nicht Lings dafür verantwortlich, sondern die ägyptische Zen­ surbehörde, der in vielen Briefen Guenons die Freimaurersymbole auf­ gefallen waren.326 Guenon und Schuon sahen sich nie wieder. Mitte der 1950er Jahre musste Schuon die ersten Abtrünnigen hin­ nehmen. Unter ihnen waren Cuttat, sein ehemaliger Botschafter an Reyor, und Cuttats Freund Hartung, der erst ein Jahr zuvor der Alawiyya beigetreten war. Schon im Juli 1950 beanstandeten beide Schuons »Entislamisierung« des Alawiyya-Ordens, seinen Verzicht auf Teile der shana und seine Einführung von Praktiken, »die in W irklichkeit nichts

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weiter waren als [die Früchte von Schuons] Einbildungskraft ohne jeg­ lichen traditionalistischen Wert«.327 Diese Klage bezog sich vermutlich auf die von Schuon eingeführten sechs Meditationsthemen (die in Ka­ p i t e l besprochen wurden). Bereits 1948 hatte Reyor sich bei Guenon beschwert, dass Schuon Meditationen über Themen außerhalb des Is­ lam eingefiihrt hatte.328 Cuttat und Hartung verließen zwar gemeinsam die Alawiyya, gingen danach aber verschiedene Wege. Cuttat, dessen Frau mit ihm zusammen die Alawiyya verließ, nahm 1951 Unterricht bei einem christlich-orthodo­ xen Priester. 1955, als er als Schweizer Botschafter in Kolumbien diente, traten er und seine Frau der katholischen Kirche bei. Sein Interesse am Traditionalismus behielt er jedoch bei und hielt 1957 an der Sorbonne Vorlesungen über Guenon.329Als Schweizer Botschafter in Indien unter­ nahm er zu Anfang der 1960er Jahre erhebliche Anstrengungen, um zu ermöglichen, dass tibetische Buddhisten, die vor den Chinesen flohen, in die Schweiz aufgenommen wurden.330 Hartung hingegen ließ seine Frau bei der Alawiyya zurück und reichte anschließend die Scheidung ein, blieb aber bis zu seinem Tode im Jahre 1988 ein gewissenhaft prakti­ zierender Muslim. Er war der Alawiyya heimlich beigetreten, und außer seinen nahen Familienangehörigen wusste niemand von seinem Islam. Selbst bei seiner Bestattung wurde die Tatsache nicht öffentlich bekannt gegeben, obwohl einige Alawis, die nicht dem Schuon-Kreis angehör­ ten, für ihn Gebete sprachen.331 Im September 1950 forderte Guenon schließlich Välsan auf, einen kurzen Brief an Schuon zu schreiben, in dem die Trennung der seit 1940 von Välsan geleiteten Pariser Alawiyya von der ursprünglichen Alawiyya Schuons ausgesprochen wird.332 In einem Brief vom Oktober begründet Guenon diesen Schritt: »In Lausanne sind die rituellen Verrichtungen auf ein bloßes Minimum reduziert worden, und die meisten dort fasten sogar nicht einmal während des Ramadans.« Guenon meinte, dass die Alawiyya sich von einem Sufiorden zu einer »vagen >universalistischen< Organisation« umwandle.333 Die gleiche Kritik trug Välsan im November in einem 25-seitigen, höchst kritischen, an Schuon gerichteten offenen Brief vor, dessen Ton äußerst scharf, manchmal sogar sarkastisch war. Välsan warf Schuon vor, vom Islam zu einem »seichten und simplistischen Universalismus« über-

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gegangen zu sein, indem er sich selbst eine »universale Rolle außerhalb des Islam« zuschreibe, die Notwendigkeit des »authentischen m uham madanischen Glaubens« außer Acht lasse und die islamische Prägung der Alawiyya durch eine »universalistische« ersetze.334 Der Unterschied zwischen dem Perennialismus und dem »Universalismus« besteht darin, dass Ersterer eine Einheit in der ursprünglichen Philosophia perennis er­ kennt, während Letzterer eine verschwommene Mischung aller Religio­ nen fabriziert. Auch Cuttat und Hartung hatten im Juli Schuon wegen »der Ver­ göttlichung eines Menschen« kritisiert,335 vermutlich meinten sie dam it Schuon selbst. Dieser Vorwurf und die »universale Rolle außerhalb des Islam«, die Välsan ihm unterstellte, stellen uns vor ein chronologisches Rätsel. Wie wir noch sehen werden, begriff sich Schuon erst M itte der 1960er Jahre als mit einer universalen Rolle beauftragt, und er scheint sich erst in den 1980cm und 1990cm als eine Art von göttlicher Manifesta­ tion angesehen zu haben. In dieser Hinsicht erscheinen die Vorwürfe von Cuttat, Hartung und Välsan verfrüht. Vielleicht hatten sie die ersten Anzeichen einer späteren Entwicklung in ihm bemerkt. Reyor berichtete Guenon offenbar schon im Jahr 1947, dass ein Anhänger Schuons ihn als seinen »göttlichen Meister« bezeichne und dass ein anderer gesagt habe: »Ist es nicht höchst bedeutsam, dass der M ann, der das Christen­ tum derzeit am besten versteht, den Namen Jesus trägt?«336 —Tsa, die arabische Form des Namens Jesus, war der muslimische Name Schuons. Selbstverständlich bezieht sich Reyor nicht auf Schuons Selbstbild, son­ dern auf die Ansichten seiner Anhänger. Gelegentlich kom m t es auch in der islamischen Welt vor, dass Sufis solche Ideen auf ihren Scheich projizieren, und es kann sogar in der islamischen Welt dazu komm en, dass ein Scheich manchmal die Ansichten seiner Anhänger übernim m t — etwas Ähnliches könnte sich in Schuons Fall zugetragen haben. Der Bruch mit Schuon und andere Schwierigkeiten forderten von Guenon ihren Tribut. Seine älteste Freundin in Kairo, Valentine de Saint-Point, schrieb später über Briefe, »die ihn quälten und den lächer­ lichsten Klatsch kolportierten, ihn aber glauben ließen, er werde ver­ folgt, [und die] sein Leben verkürzten. [...] Aus dem lächelnden, glück­ lichen, friedfertigen und angenehmen Schriftsteller wurde ein nervöser, reizbarer Mann, der trotz seines Lächelns sichtlich unglücklich war.«337

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De Saint-Point hat offenbar nicht übertrieben. Guenons Gesundheit hatte derart gelitten, dass ein Journalist nach einem Besuch 1950 fest­ stellte, dass sein Gesicht eingefallen und seine Hände nahezu durchsich­ tig seien, was er aber für ein Zeichen »großer Spiritualität« hielt.338 Im Spätherbst 1950, etwa zur gleichen Zeit, da Välsan seinen 25-seitigen of­ fenen Brief an Schuon schrieb, wurde Guenon wahrscheinlich von sei­ nen Kindern mit einer der vielen Grippesorten infiziert, die um diese Jahreszeit in Kairo grassieren, und musste das Bett hüten. Er erholte sich nicht mehr und starb am Abend des 7. Januar 1951 im Alter von 64 Jah­ ren. Nach muslimischem Brauch wurde er am nächsten Tag auf Kairos riesigem, uralten Südfriedhof beigesetzt. Lings und der amerikanische Alawi Whitall Perry, der seit 1946 in Kairo lebte, gaben ihm das letzte Geleit.339 Guenon hinterließ einen Sohn, zwei Töchter und eine schwangere Ehefrau. Zum Glück fiir seine Familie wurde die französische Gemeinde in Kairo durch seinen Tod auf etwas aufmerksam gemacht, was sie bis dahin nicht geschätzt hatte: dass ein bemerkenswerter Franzose in Kairo gelebt hatte. Das französisch-ägyptische Lycee im wohlhabenden Vorort Heliopolis bot an, Guenons Kinder kostenlos zu unterrichten.340 Alle wuchsen zweisprachig französisch-arabisch auf. Der älteste Sohn, Ah­ mad, wanderte später nach Frankreich aus, wo er Arzt wurde, während die drei anderen Geschwister in Kairo blieben und mehr oder weniger das normale Leben des ägyptischen Mittelstandes führten.341 Kurz vor seinem Tode bat Guenon seine Frau, sein Arbeitszimmer nicht anzutasten, weil er dann, wie er sagte, nach seinem Tode seine Witwe und seine Kinder sehen könne, auch wenn sie ihn nicht wahr­ nähmen.342 Sein Wunsch wurde respektiert, abgesehen von einem er­ folglosen Versuch seiner Witwe, 1953 Guenons Bibliothek zu verkaufen. Sein Arbeitszimmer blieb noch Ende des 20. Jahrhunderts ganz so erhal­ ten, wie er es verlassen hatte, obwohl ein Fernseher dazugekommen 343 w a r.0 Der Traditionalismus konnte sich nach Guenons Tod in Kairo nicht lange halten. Nach der Revolution 1952 wurden britische Staatsange­ hörige en müsse aus der Universität Kairo entlassen, auch Lings verließ Ägypten und kehrte nach England zurück.344 Die Perrys hatten kurz vor der Revolution beschlossen, dass es ohne Guenon wenig Grund gab,

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in einer sich offensichtlich verschlechternden politischen Situation in Kairo zu bleiben. Sie zogen nach Lausanne.345 Guenons ägyptischer Partner Muin al-Arab, der eigentlich nie ein Traditionalist war, wurde ein ergebener Anhänger des Hindugurus Krishna M enon, in dessen Werk ihn S. Katz eingeführt hatte, der Arzt, der Guenon in den Tagen seiner letzten Krankheit betreute. Krishna Menon war auch der G uru John Levys, des jüdischen Konvertiten zum Islam, der Guenon das Haus gekauft hatte und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs m it Schuon un­ terwegs war. Katz, der auch jüdischer Herkunft war, war ein Bekannter von Lings.346 Obwohl Menon eine Reihe von Traditionalisten um sich scharte, scheint er selbst in keiner Weise einer gewesen zu sein, sondern vielmehr eine Art von Modernist. Die französische Gemeinde, die Guenons Anwesenheit in Kairo zu seinen Lebzeiten nur spät bemerkt hatte, beging den ersten Jahrestag seines Todes mit einer Zusammenkunft im Hause Guenons, an der ein zweiter Sekretär der französischen Botschaft teilnahm, aus dem Q ur’an rezitiert wurde und Ansprachen von Leuten gehalten wurden, die Guenon kaum gekannt hatten. Am zweiten Jahrestag seines Todes grün­ deten so ziemlich dieselben Leute eine Vereinigung der Freunde von Rene Guenon in Ägypten, doch diese Organisation hatte kaum noch Bedeutung, da die französische Gemeinde in Ägypten damals in ihren letzten Zügen lag.347 Es gab Leute, die anscheinend die Vereinigung der Freunde von Rene Guenon als eine Möglichkeit ansahen, die Beziehun­ gen zwischen Franzosen und Ägyptern nach der Revolution von 1952 zu verbessern.348 In diesem Fall hätten sie den Charakter der Revolution grob missverstanden.349 Abgesehen von einigen wenigen Ägyptern, die eine französische Er­ ziehung genossen hatten, war Guenon in Ägypten bald vergessen. Im Gegensatz dazu sollten die Lehren von Krishna Menon, die zuerst von al-Arab verbreitet wurden, dort eine Anziehungskraft ausüben, die bis ins 21. Jahrhundert fortdauerte. Der Traditionalismus war das Werk Guenons. O hne ihn und seine Schriften hätte es die Bewegung nie gegeben, keiner seiner frühen M it­ streiter brachte etwas hervor, was Köpfe wie Coomaraswamy, Evola, Eliade und Schuon angezogen hätte. Seine Leistung beruhte nicht nur auf seinen Schriften, sondern auch auf der tiefen Ernsthaftigkeit, m it der

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er sich seiner Aufgabe widmete, insbesondere seiner Korrespondenz. Diese Ernsthaftigkeit und Hingabe blieb auch weiterhin für die traditionalistische Bewegung typisch. Doch der Traditionalismus erbte von Guenon auch zwei problematische Eigenschaften: seine Heimlichkeit und seine Isolation. Guenon schrieb über den Hinduismus, ohne jemals mit dem in Indien gelebten und ausgeübten Hinduismus in Verbindung gestanden zu haben, und er schrieb gleichermaßen über den Islam, ohne nennenswerte Beziehungen zu lebenden islamischen Gelehrten zu un­ terhalten. Darunter litt nicht nur sein Werk, sondern auch der Traditio­ nalismus als Ganzes.

Unabhängige Orden Als Guenon starb, gab es drei unabhängige traditionalistische Sufiorden: Schuons Alawiyya, Välsans Alawiyya und Maridorts Darqawiyya. Ende der siebziger Jahre entstand ein vierter: ein Zweig der Ahmadiyya in Mailand, der von Abd al-Wahid Pallavicini gegründet wurde. Die chro­ nologische Ordnung soll hier unterbrochen werden, um Letzteren der Vollständigkeit halber in diesem Kapitel zu behandeln. Alle vier entwi­ ckelten sich in verschiedene Richtungen. Schuons Orden, der in den beiden folgenden Kapiteln besprochen werden soll, war bei weitem der wichtigste und entwickelte sich zunehmend universalistisch. Der Orden Välsans wurde zunehmend islamisch, und Maridorts Darqawiyya rich­ tete sich immer mehr nach Guenon aus. Pallavicinis Orden wurde der öffendich auffälligste traditionalistische Orden im Westen.

Maridorts Darqawiyya Maridort war ein gestandener Traditionalist, ein alter Freund Guenons und ein Mitglied der Grande Triade. Seine Freimaurerei nahm er sehr ernst. Einmal gestand er einem Logenbruder, dass es die Ausübung der Maurerei sei, die ihm die Kraft gäbe, seine islamische Praxis fortzuset­ zen. Für einige Leute in Frankreich schien es, als habe Maridort den Mantel Guenons geerbt. So kam es, dass Reyor während der 1950er Jahre

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eine ziemlich große Gruppe italienischer Traditionalisten au f der Suche nach einer esoterischen Initiation an M aridort verwies. Auch Chacornac wandte sich an Maridort, um einen neuen Redakteur für die Etudes traditionnelles zu finden, nachdem er i960 Reyor aus dieser Stellung entlas­ sen hatte. Maridort lehnte jedoch ab und schlug ihm Valsan vor, der die Etudes traditionnelles daraufhin von 1961 bis 1974 redigierte.350 Chacornac hatte Reyor entlassen, weil er entdeckte, dass er Geld von den Etudes traditionnelles veruntreut und seinen eigenen Zwecken hatte zufließen lassen. Reyor soll oft knapp bei Kasse gewesen sein, weil er keiner regelmäßigen Arbeit nachging und mehrere Frauen und eine Reihe unehelicher Kinder zu unterstützen hatte. Seine traditionalistische Karriere ist eine traurige: 1928 zählte er zu den ersten Bewunderern Gue­ nons, doch er war mit der ursprünglichen traditionalistischen Philo­ sophie glücklicher gewesen als mit der späteren traditionalistischen Be­ wegung und deren Betonung der Initiation. Er nahm an allen großen traditionalistischen Projekten in Frankreich teil, an den Etudes tradi­ tionnelles, der Bruderschaft des Parakleten, an der Alawiyya, der Grande Triade und an den Trois Anneaux - doch zumeist nur widerwillig. Z u keinem dieser Projekte leistete er einen wesentlichen Beitrag. W ährend der letzten zwanzig Jahre seines Lebens hatte ihn die traditionalistische Bewegung weitgehend vergessen.351 Als er sah, dass er mehr italienische als französische Anhänger hatte, zog Maridort 1961 von Frankreich nach Italien und begründete seine Darqawiyya in Turin. Dort lancierte er mit seinen Anhängern ein italie­ nisches Äquivalent zu Etudes traditionnelles, das sie Rivista di Studi tradizionali (Revue traditionalistischer Studien) nannten, und ebenfalls ein italienisches Äquivalent zu dem gleichnamigen Verlag Chacornacs, die Edizioni Studi tradizionali. Im Laufe der Jahre veröffendichte Edizioni Studi tradizionali nahezu das Gesamtwerk Guenons in italienischer Übersetzung, während die Rivista di Studi tradizionali kürzere Überset­ zungen klassischer traditionalistischer und islamischer Texte brachte, wie Agueli, Guenon, al-Tadili (Maridorts eigenem Scheich) und Ibn alArabi. Sie blieb auch den ursprünglichen Interessen Guenons treu, in­ dem sie Übersetzungen verschiedener hinduistischer Texte veröffent­ lichte. Im Laufe der Zeit sah sich die Turiner Darqawiyya immer mehr als

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die Alleinvertretung des ursprünglichen Traditionalismus Guenons. Sie war ihm mit derartiger Treue verhaftet, dass einige französische Traditio­ nalisten von »Guenolatrie« sprachen. Die späteren Schriften der Turiner Darqawiyya ahmen nicht nur Guenons Prosastil nach, sondern auch seine Paranoia: Sie beziehen sich mitunter auf das Wirken von »Mäch­ ten, die zu den stärksten in unserer Welt zählen«, deren »Ziel die Zer­ störung des Werks Rene Guenons« ist. Abgesehen von ihrer defensi­ ven Haltung sind die Darqawi-Schriften hin und wieder auch offensiv: Beispielsweise wird von einem Nicht-Darqawi-Traditionalisten gesagt: »Diese Person, von der bereits schon allzu häufig die Rede war«, agiere nur deshalb, »um ihre vorgeblichen Kenntnisse in initiatischen Techni­ ken vorzufiihren, in dem hoffnungslosen Versuch, sich selbst für etwas auszugeben, was sie nicht ist.« Ganz allgemein wird von allen anderen Traditionalisten angenommen, sie handelten in böser Absicht. Nicht nur Schuon wird demnach des »manifesten Hasses« gegen Guenon be­ zichtigt, sondern Välsan wird der »hinterhältigen und noch gefährliche­ ren Falschheit« angeklagt.352 Dieser Ton lässt sich zum Teil auf einen langwierigen und erbitterten Streit mit Maridort und anderen zurückfiihren, einschließlich Välsan, in dem es um die Urheberrechte der Werke Guenons ging, die sich im Be­ sitz seiner Kinder befanden. Der Streitpunkt war nicht, wer die Lizenz­ gebühren erhielt, sondern wer die redaktionelle Kontrolle über Guenons Schriften haben sollte. Der Ursprung dieses Streits, der zum Rechtsstreit wurde, lag darin, dass Guenons ältester Sohn Ahmad eine Anhängerin Maridorts heiratete, seinen Anteil an den Urheberrechten seines Vaters an Maridort übertrug und schließlich bei einem Autounfall ums Leben kam. Noch in den 1990cm war der Streit noch nicht zur Zufriedenheit aller Parteien beigelegt worden.353 Was auch immer seine Ursache war, eine Folge der feindseligen Haltung der Darqawiyya ist, dass in weiteren traditionalistischen Kreisen wenig über die spätere Geschichte der Dar­ qawiyya bekannt ist. Als ich versuchte, mit dem Darqawiyya-Orden Kontakt aufzunehmen, wurde mir höflich, aber bestimmt mitgeteilt, dass es vor allem um die Metaphysik ginge und dass Biographien von keinerlei Bedeutung seien. Darum lässt sich über die Darqawiyya weiter nichts aussagen.

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Välsans AJawiyya Im Gegensatz dazu näherte sich die Pariser Alawiyya Välsans im m er mehr der Hauptströmung des Sufi-Islam. Bezeichnenderweise ist Väisan auch der einzige traditionalistische Scheich, der späteren Beschreibun­ gen zufolge wie ein Sufi-Scheich in der islamischen Welt erscheint —wie eine Art Heiliger. Es fehlen nur die Wundergeschichten, die in der ara­ bischen Welt für gewöhnlich die Erinnerung an einen großen Scheich umranken. Er ist auch der erste traditionalistische Scheich, der offen seinen Islam bekannte und in ein allgemein islamisches Milieu integriert war. Seit dem Beginn seiner Zeit in Paris besuchte er regelmäßig die Pa­ riser Moschee und knüpfte gute Beziehungen zu dem Imam dort, ei­ nem Tunesier, dessen Tochter er heiratete. Er besuchte regelmäßig einen frommen tunesischen Sufi in Tunis, und verschiedene arabische Sufis nahmen an seinem dhikr teil, obwohl letztlich keiner von ihnen seinem Orden beitrat.354 Valsan war nach islamischen Begriffen sowohl orthodox als auch fromm. Er verrichtete regelmäßig das Freitagsgebet in der Moschee und hielt sorgfältig die Ritualgebete und Fastenzeiten ein. Außerdem ver­ brachte er täglich mehrere Stunden mit zusätzlichen Gebeten und pilgerte zweimal nach Mekka (im Jahre 1965 fuhr er auf hajj, 1974 machte er eine umra, Wallfahrt). Er unterzog sich der strengsten Auslegung der shana und bestand darauf, dass seine Kinder ab dem siebenten Lebens­ jahr ihr Gebet verrichteten. Sein Sohn Muhammad fastete im Alter von fünf Jahren den Ramadan zum ersten Mal. Er erlaubte seinen Kindern nicht einmal das Zeichnen, was ein erstaunliches Verbot ist, da sogar in der islamischen Welt das Bilderverbot der shana im Allgemeinen ziem­ lich locker gehandhabt wird, selbst in frömmsten Kreisen. Abgesehen von seiner Frömmigkeit war Välsan bescheiden und aske­ tisch. Er weigerte sich, den Scheich zu »spielen«, und trug normale west­ liche Kleidung anstatt sich zu »kostümieren« (eine sarkastische Anspie­ lung auf Schuons »Inszenierungen«). Trotz verschiedener Einladungen hielt er nie öffentliche Ansprachen, und sein Lebensstil war denkbar einfach. Als rumänischer Diplomat während des Zweiten Weltkriegs hatte er einen gehobenen Lebensstandard genossen. Nach Verlassen des diplo­ matischen Dienstes lebte er in »bitterster Armut«, gegen die er anschei-

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nend nichts einzuwenden hatte. Er lebte zunächst in billigen Hotels und schließlich in einem öffentlichen Wohnungsbauprojekt. Seine erste Frau hatte es schwer, sich diesem neuen Lebensstil anzupassen, und verließ ihn. Einige Jahre lang erzog Välsan seinen ersten Sohn, Ahmad, allein und in ärmlichen Verhältnissen. Dann heiratete er abermals, so wie ein Scheich in der islamischen Welt es getan hätte. Seine zweite Frau hieß Khadija und war die junge Tochter seines engsten Anhängers, Rene Roty. Mit ihr hatte Välsan zwölf weitere Kinder. In späteren Jahren be­ stand seine Haupteinnahmequelle aus allocationsfamiliales (Familienzu­ lagen), Zahlungen durch die französische Sozialversicherungsverwaltung im Verhältnis zur Familiengröße. Ergänzt wurden diese durch ein klei­ nes Einkommen von den Etudes traditionnelles und gelegentliche kleine Zuwendungen einiger seiner Anhänger. Välsan befolgte auch das übliche islamische Schema, indem er ein hervorragender Gelehrter wurde. Er bemühte sich sehr um das Erler­ nen der arabischen Sprache, die er vorzüglich beherrschte,355 und er ver­ tiefte sich in das Studium der Texte Ibn al-Arabis. Er brachte es zu einer beträchtlichen Sammlung von Ibn al-Arabi-Manuskripten, auf dessen Schriften die meisten seiner Lehren fußten.356 Er bearbeitete und ver­ öffentlichte auch verschiedene Texte von Ibn al-Arabi in französischer Übersetzung.357 Välsans Orden folgte seinem Beispiel, was Frömmigkeit und Or­ thodoxie angeht, wobei für diejenigen, die die Eignung dazu besaßen, auch Gelehrsamkeit unterstrichen wurde. Keine Abweichungen von der sharia waren erlaubt, und die meisten seiner Anhänger trafen sich einoder sogar zweimal die Woche zu einem dhikrP8 1951, als er sich von Schuon trennte, hatte Välsan nur etwa ein Dutzend Anhänger, doch bei seinem Tode im Jahre 1974 waren es bereits an die hundert,359 eine an­ sehnliche Zahl, die von Scheichs in der islamischen Welt nur selten übertroffen wird.360 Einige der frühesten Anhänger Välsans waren ursprünglich durch Schuon der Alawiyya beigetreten. Beide stammten aus Paris und kamen aus der zawiya in Amiens, die einmal von Louis Caudron, Schuons ehemaligem Arbeitgeber, geleitet wurde, der aber im Zuge des Bruchs zwischen Schuon und Guenon aus dem Islam wieder austrat. Roty war ebenfalls ein Traditionalist dieser Vorkriegsgeneration. Er war auf Gue-

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nons Drängen 1932 Muslim geworden und kam wie viele andere Tradi­ tionalisten aus künstlerischem Milieu. Er selbst war Keramiker und ein Enkel des im 19. Jahrhundert berühmten Graveurs Oscar Roty, dessen La Semeuse (Die Säerin) eines der erfolgreichsten Symbole der m oder­ nen Welt wurde. Sie war die weibliche Gestalt der Republik, die von 1897 bis 2002 auf den meisten französischen Münzen erschien.361 Zu den weiteren frühen Anhängern Välsans zählten ein mittelloser Marquis des vornapoleonischen Adels und ein junger französischer Stu­ dent namens Michel Chodkiewicz.362 Chodkiewicz war der Sohn eines Amtsrichters und hatte mit achtzehn Guenons Crise du monde moderne gelesen, als er seinen Militärdienst auf dem Flugstützpunkt Tours ableis­ tete, und danach Guenons übrige Werke. 1950 wurde er Muslim, nach­ dem ihn der Neffe des mittellosen Marquis m it Välsan bekannt gemacht hatte. Chodkiewicz war der erste französische Traditionalist, der m it dem begann, was man des Traditionalismus »Rache an der Sorbonne« nennen könnte. Sein anfängliches Projekt einer Doktorarbeit über Ibn al-Arabi musste angesichts des Widerstands von Louis Massignon aufge­ geben werden, der in den 1950er Jahren die französische Islamwissen­ schaft beherrschte und keine Sympathien für Ibn al-Arabi hatte. Außer­ dem hatte Chodkiewicz seine junge Familie zu ernähren. Chodkiewicz folgte seinem Scheich in vielen Dingen, nicht aber in seinem spartani­ schen Lebensstil. Er fand eine Anstellung bei dem führenden französi­ schen Verlagshaus Editions du Seuil und blieb bis zu seiner Pensionie­ rung im Jahre 1989 dort, mitderweile als geschäftsführender Vorsitzender des du Seuil Verlags. Trotz dieser Berufslaufbahn arbeitete er weiter an Ibn al-Arabi, veröffentlichte verschiedene Übersetzungen von hoher Qualität und Studien zum Werk Ibn al-Arabis sowie auch Arbeiten über seinen späten Nachfolger, den Amir Abd al-Qadir, an dessen Damasze­ ner Zirkel einst auch Aguelis Scheich Illaysh teilgenommen hatte. Das Werk Chodkiewicz> erhielt schließlich die akademische Anerkennung, die es verdiente, und ab 1982 lehrte er als außerordendicher Professor an der Sorbonne,363 während er nebenbei noch immer den du Seuil Verlag leitete. Nach seiner Pensionierung von du Seuil erhielt er eine ordent­ liche Professur, von der er 1994 emeritiert wurde, allgemein anerkannt als eine der führenden Figuren der französischen Islamforschung. Dem Orden Välsans entsprangen noch andere, ähnliche Gestalten.

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Einer von ihnen war Charles-Andre Gilis, ein belgischer Akademiker und Traditionalist. Ein weiterer war Denis Gril, der mit sechs Jahren Muslim geworden war, als seine Eltern der Alawiyya Välsans beigetreten waren. Er absolvierte sein Studium in Mekka und schlug dann eine glän­ zende Karriere in der französischen Islamwissenschaft ein, als Professor für Arabisch und Islamwissenschaft an der Universität von Provence, dem vornehmlichen Zentrum für das Studium des Islam in Frankreich. Gril folgte den Spuren von Välsan und Chodkiewicz, indem er seine Arbeit auf die Texte von Ibn al-Arabi konzentrierte. Im Westen, wie auch im Nahen Osten, wird der Islam des ausgehen­ den 20. Jahrhunderts nicht vom Sufismus beherrscht, sondern von einer Bewegung, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts den Sufismus als dominie­ renden Einfluss ablöste, nämlich dem Salafismus, der modernistischen Reformbewegung, die letztlich zum Islamismus führte. Es gibt jedoch in Europa eine starke Sufi-Gegenströmung, die zum Teil dem Orden Väl­ sans zu verdanken ist. Auffällig ist, dass es mehr klassische Sufi-Texte in französischer Übersetzung gibt als in englischer, von denen viele die Ar­ beiten von Välsan, Chodkiewicz, Gillis und Gril sind. Der Einfluss von Chodkiewicz, Gillis und Gril auf die akademische Welt in Frankreich hat diesen Trend weiter vorangetrieben.364 Valsans Einfluss ist auch au­ ßerhalb von wissenschaftlichen Kreisen zu bemerken: Zum Beispiel un­ terrichtete Rotys Sohn Yaqub an der Pariser Moschee und veröffendichte eine Reihe von erfolgreichen Kinderbüchern über den Islam.365 Insofern hatte Valsans Orden doch ein wenig von der Wirkung auf Frankreich, die Guenon 1924 in Orient et Occident für seine Elite vorausgesagt hatte. Obwohl er einem regulären Sufi-Scheich so nahe kam, wie es im Westen möglich ist, blieb Välsan im Wesentlichen Traditionalist. Unter seiner Redaktion entwickelte Etudes traditionnelles zwar einen ausge­ prägten islamischen Schwerpunkt, aber es wurden weiterhin Texte zu anderen Religionen veröffentlicht. Obwohl er selbst kein Freimaurer war, bewahrte Välsan sein Interesse an der Maurerei.366 Seinem Sohn Muhammad zufolge war sein Hauptmotiv immer der esoterische Weg, von dem er in den dreißiger Jahren in Rumänien ausgegangen war, doch seine Praxis fußte gänzlich auf dem Vorbild des Propheten Muhammad und auf den Werken Ibn al-Arabis. Er ging darin so weit, dass er die Theorie entwickelte, dass auch Guenons Werk in Ibn al-Arabi begrün-

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det war,367was, wie wir sahen, nicht wirklich der Fall war. Er unterschei­ det klar zwischen Religion und Metaphysik: »Die esoterische Einheit traditioneller Formen,« schrieb er, »betrifft nur Universalprinzipien« und »trifft allein auf den allerhöchsten Aspekt der Metaphysik zu.«368 Dieser Ansatz unterscheidet sich, wie wir noch sehen werden, erheblich von dem Schuons. Die Erklärung dafür, dass Välsan, und somit auch Valsans Anhänger­ schaft, sich so sehr von anderen traditionalistischen Sufis unterscheidet, ist wahrscheinlich in Välsans frühesten Erlebnissen zu suchen, vor allem in seiner Begegnung mit Petrache Lupu in Rumänien. Die Bewegung Lupus war, nach traditionalistischen Begriffen, ein klarer Fall einer »Gegeninitiation« und trug Välsan offenbar eine lebenslange Abneigung gegen alles ein, was auch nur den leisesten Hauch der Unorthodoxie verströmte. Das erklärt auch seine Abneigung gegen Schuons Vorge­ hensweise. Wie sein Sohn Muhammad meint, habe ihn seine Erfahrung mit Schuon gegen alles andere als die strikteste Orthodoxie »geimpft«. Das Schicksal von Välsans Gefolge nach dessen Tod lässt jedoch eini­ gen Zweifel aufkommen, was die Stabilität dieser Mischung aus Traditionalismus und Islam anbelangt. Wie es in der islamischen W elt in neu gegründeten Sufiorden nach dem Tod des Gründungsscheichs oft vor­ kommt, teilte sich auch Välsans Orden in eine Reihe verschiedener Gruppen auf. Eine dieser Gruppen wurde von Roty bis zu dessen eige­ nem Tod geleitet, andere wurden von anderen Anhängern übernom ­ men. Eine Gruppe wurde später von Välsans zweitem Sohn, M uham ­ mad, weitergeführt. Ende des 20. Jahrhunderts bestanden noch drei dieser Gruppen in verschiedenen Gegenden Frankreichs, deren Anfüh­ rer sich und ihre Anhänger jeweils an reguläre Sufiorden in der arabi­ schen Welt angeschlossen hatten. Eine Gruppe gehörte zu einem Zweig der Alawiyya in Damaskus, eine andere zum größten syrischen O rden der Zeit, dem Zweig der Naqshbandiyya unter Leitung des M ufti von Damaskus, und die dritte Gruppe hatte sich einem nordafrikanischen Zweig der Darqawiyya angeschlossen.369 In dem Arbeitszimmer eines dieser Nachfolger Välsans sind die Wände mit arabischen Bänden und Büchern wesdicher Islamwissenschaftler gepflastert. Die Werke Guenons stehen jedoch an einem unzugänglichen Platz hinter dem Sofa.

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Die Ahmadiyya Pallavicinis Für die Ahmadiyya in Mailand spielen Guenon und der Traditionalis­ mus eine viel wichtigere Rolle, obwohl es bei ihnen nicht zu einer »Guenolatrie« kommt. Dieser Orden, der von allen traditionalistischen Or­ den am meisten an die Öffentlichkeit tritt, wurde wie Välsans Alawiyya von einem ehemaligen italienischen Anhänger Schuons gegründet, nämlich von Abd al-Wahid Pallavicini. Wie Maridort entstammte auch Pallavicini einer wohlhabenden Familie. Als junger Mann las er während des Zweiten Weltkriegs Gue­ non in italienischer Übersetzung, und nach Kriegsende nahm er zu Evola Kontakt auf. Evola teilte ihm mit, dass er sich mehr für politische Macht interessiere als für Spiritualität, und verwies ihn an Burckhardt. So reiste Pallavicini nach Lausanne und trat 1951 der Alawiyya Schuons bei.370 Über Pallavicinis Jahre als Alawi unter der Führung Schuons ist we­ nig bekannt, außer dass er den Orient ausgiebig bereiste und schließlich eine Zen praktizierende Japanerin heiratete. Pallavicini beschrieb diese Jahre später selbst als »ein Vagabundenleben«. Mitte der sechziger Jahre verließ Pallavicini jedoch den Orden Schuons, der für ihn zu weit vom wirklichen Orient entfernt war und den er als eine »romantisierte« Form des Islam ansah, was offenbar auf Schuons Leidenschaft für »Inszenie­ rungen« anspielt. Pallavicini gab in späteren Jahren als Grund für seinen Bruch mit Schuon an, dessen damalige Opposition zu Guenon habe den Ausschlag gegeben, als es um die Gültigkeit christlicher Sakramente ging. Das mutet etwas seltsam an, da Pallavicini später selber mit Chris­ ten zu tun hatte; auch war zwischen der ursprünglichen Kontroverse und Pallavicinis Stellungnahme viel Zeit verstrichen. Es deutet einiges darauf hin, dass sich Pallavicini womöglich aus persönlichen Gründen von Lausanne losgesagt hat.371 So wie Hartung blieb Pallavicini auch nach Verlassen der Alawiyya Muslim und Traditionalist. Er verbrachte einige Jahre ohne Anbindung an einen Sufiorden, obwohl er noch immer auf der Suche war. Während eines Aufenthalts in Singapur, wo er im Jahre 1971 als Pianist beschäftigt war, hörte Pallavicini von dem malaiischen Scheich Abd al-Rashid ibn Muhammad Said, dem bedeutendsten Scheich im Singapur jener Zeit.

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Er besuchte seine zawiya und wurde in seinen Sufiorden aufgenommen. Der Orden, die Ahmadiyya, war arabischen Ursprungs, und die Familie des Scheichs Abd al-Rashid ibn Muhammad Said hatte bei der Ausbrei­ tung des Ordens eine wichtige Rolle gespielt. Es besteht keinerlei Ver­ bindung zu der umstrittenen Bewegung desselben Namens, die in In­ dien unter britischer Herrschaft entstand.372 Pallavicini verbrachte einige Zeit bei der Ahmadiyya in Singapur. Da er weder des Arabischen noch des Malaiischen mächtig war, beschränkte sich sein Umgang auf einen der beiden Stellvertreter (muqaddam) des Scheichs, der fließend Englisch sprach. Trotz des mangelnden Kontakts zu Scheich Abd al-Rashid erhielt er wahrscheinlich eine gute Sufi-Ausbildung. Der muqaddam, ein Singapurer malaiischer Abstammung, war nicht am Traditionalismus interessiert. Er kannte sich aber im Sufismus gut aus und war auch mit den Problemen der Moderne und des M ulti­ kulturalismus vertraut, denn Singapur ist eine sehr moderne Stadt m it muslimischer Minderheit. Doch wie schon Schuon vor ihm, vollendete Pallavicini nur die erste Stufe des Sufi- (oder zumindest des Ahmadi-) Trainings. Ein einziges Problem trübte seine Tage dort: ein Streit über die transzendente Einheit aller Religionen, Schuons Version des Perennialis­ mus. Es war dieselbe, typisch traditionalistische Lehrmeinung, die auch während Schuons Aufenthalt in Mostaganem zu Problemen geführt hatte. Pallavicini weigerte sich, die von seinem Scheich vertretene islami­ sche Standardposition zu akzeptieren, selbst nachdem der Scheich eine fatwa (eine maßgebliche, obwohl nicht bindende Ansicht eines ange­ sehenen Gelehrten) von al-Azhar in Kairo eingeholt hatte, was im Islam annähernd einem Führungsorgan nahekommt.373 Trotz dieses Streits erteilte Scheich Abd al-Rashid Pallavicini kurz vor seiner Rückkehr nach Italien eine ijaza, die ihm gestattete, Initiationen in die Ahmadiyya vorzunehmen. Die Existenz dieser ijaza ist seitdem in Frage gestellt worden, aber Quellen in der Ahmadiyya in Singapur und Malaysia bestätigen sie. Dieselben Quellen berichten allerdings auch, dass Scheich Abd al-Rashid später »sehr verärgert« über Pallavicini ge­ wesen sei, doch die Gründe dafür sind unklar.374 Möglicherweise hing es mit Pallavicinis Perennialismus zusammen. Ohne die Absicht, einen eigenen Orden zu gründen, kehrte Palla-

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vicini nach Italien zurück. Die Ordensgründung geschah erst in den i98oern und war eher die unabsichtliche Folge der Beteiligung Pallavicinis am islamisch-christlichen Dialog in den 1970er Jahren. Dieser Dia­ log war das Ergebnis des Zweiten Vatikanischen Konzils von 1962-65, welches anerkannte, dass der Heilige Geist auch außerhalb kirchlicher Strukturen arbeiten könne und dass alle Religionen semina Verbi (Sa­ men des Wortes) enthielten. Der Vatikan richtete ein Sekretariat für Nichtchristen ein, später das Sekretariat für ökumenische Aktivitäten, das sich mit der damals führenden islamischen Organisation in Rom, dem Centro Culturale Islamico d’Italia, in Verbindung setzte. Das Centro besaß eine eindrucksvoll erscheinende Ratsversammlung von Bot­ schaftern verschiedener islamischer Länder, aber nur wenige aktive Mit­ glieder. Manchmal nahmen nicht mehr als fünf oder sechs Personen am Freitagsgebet teil. Zu diesen zählte Pallavicini, und man bat ihn, die Kontaktanfrage des Vatikans zu beantworten, da er zum einen die italie­ nische Sprache beherrschte, zum anderen in christlichen Fragen und in der europäischen Kultur versiert war.375 Pallavicini reagierte darauf mit Begeisterung und sah darin das Po­ tential für eine gemeinsame Front gegen »die Entheiligung des Lebens«, die dieses »auf rein materielles Wohlbefinden reduziere«,376 wie er sich später ausdrückte. In anderen Worten, eine Front gegen die Moderne und den Materialismus. Könnte es für eine Ökumene eine bessere Grundlage geben als die Theorie transzendentaler Einheit? Die Reso­ nanz der katholischen Kirche war jedoch enttäuschend. Die Kirchen­ oberen zeigten kein Interesse an einer Diskussion über Metaphysik mit Pallavicini. Auch die Einladungen des Vatikans wurden bald eingestellt. Die Mailänder Diözese zeigte auch kein Interesse (Pallavicini besaß Wohnsitze in Rom und in Mailand). Auf seinen Vorschlag, ein »kleines Jerusalem« auf einem Teil seines Grundstücks in Mailand zu bauen, re­ agierte sie überhaupt nicht. Dieser Bau sollte ein lebendes Beispiel des Glaubens in einer dunklen Zeit sein: Neben einer katholischen Kapelle sollten eine zawiya und vielleicht auch eine Synagoge stehen. Ein Rab­ biner nahm an einem Treffen teil, doch das Projekt wurde bald aufge­ geben und ersetzt durch ein Centro Studi Metafisici »Rene Guenon«. Dieses Zentrum für metaphysische Studien sollte »ein Forum des brü­ derlichen Austauschs für alle« sein, »die ihr Verständnis traditioneller

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metaphysischer Lehre vertiefen wollen«, sowohl christlicher als auch muslimischer Prägung.377 Obwohl die katholische Kirchenhierarchie kein Interessiere an Pal­ lavicini hatte, zeigten sich verschiedene katholische Organisationen durchaus interessiert. Pallavicini wurde häufig von der katholischen Universität nach Rom eingeladen, um dort zu sprechen. Gruppen wie die Katholische Vereinigung italienischer Arbeiter luden ihn ein. Ver­ schiedene Zeitschriften veröffentlichten seine Schriften, wie etwa Sacro e Profano (Heilig und Profan), das Organ eines katholischen »Freund­ schaftsvereins« in Sizilien.378 Vereinzelt nahmen auch Katholiken an Sit­ zungen in Pallavicinis Zentrum für metaphysische Studien teil. D ort gab man ihnen die Bücher Guenons zu lesen, und in der Folge bekann­ ten sich einige von ihnen zum Islam und traten in die Ahmadiyya ein. 1980 hielt Pallavicini die erste A hm adi-^/^r-Zerem onie in Mailand. Mitte der 1990er Jahre zählte die Mailänder Ahmadiyya etwa drei­ ßig oder vierzig Anhänger, fast alle im Alter von Ende zwanzig oder An­ fang dreißig Jahren. Die meisten von ihnen waren Italiener, doch es gab auch einige Franzosen darunter. Alle entstammten einer ähnlichen Ge­ sellschaftsschicht wie Pallavicini, sie waren gebildete, kultivierte M en­ schen. Diese Ahmadi bildeten eine enge Gemeinschaft; einige arbeite­ ten zusammen in von Pallavicini gegründeten Unternehmen, darunter ein Design-Studio und ein kleines Verlagshaus. Die in M ailand Leben­ den trafen sich wöchentlich, die von außerhalb Kommenden m onatlich zu Handlungen, die den Doppelcharakter der Ahmadiyya als einer Su­ fi-Bruderschaft und einer traditionalistischen Organisation versinnbild­ lichten. Jeden Freitagmittag beteten die Ahmadi das gemeinschaftliche Freitagsgebet und gingen dann zum Mittagessen in eine in der Nähe gelegene Pizzeria, deren Inhaber sie in einem Interview im Jahr 2000 als »gute Leute« (bravagente) und »ausgezeichnete Kundschaft« beschrieb.379 Am Abend trafen sie sich zu Diskussionen über den Traditionalismus. Dem folgte unmittelbar eine dZ?/&r-Zeremonie, die weitgehend der des Ahmadiyya-rf/tf&rr in Singapur glich.380 So traditionalistisch die Ahmadiyya sein mochte, sie war durchaus islamisch. Pallavicini vermied den Universalismus Schuons sowie alles, was auf Synkretismus deuten konnte. Obwohl er vielleicht nicht ganz so penibel war wie Välsan, hielten er und seine Anhänger die Gebote der

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sharia sorgfältig ein. Bis auf ihren Perennialismus sind von der Ahmadiyya keine Abweichungen vom Islam, wie er in der islamischen Welt praktiziert wird, bekannt.381 Wie Välsan, und im Gegensatz zu Schuon oder gar Guenon, fuhr Pallavicini auf hajj und pilgerte nicht weniger als dreimal nach Mekka.382 So islamisch die Ahmadiyya auch sein mochte, sie blieb durchaus traditionalistisch, indem sie ihre Hoffnungen auf die Wiederherstellung der traditionalistischen Esoterik durch den Katholizismus setzte. Man­ ches Mitglied scheint sich eher wegen des Traditionalismus islamisch zu geben als aus dem Glauben an den Islam als der wahren Religion für die Menschheit. Die Ahmadiyya ist auch in dem Sinne traditionalistisch, dass sie viel mehr für den Traditionalismus die Trommel rührt als für den Islam. In Pallavicinis Vorträgen hat nicht der Qur an das letzte Wort, sondern Guenon.383 Die Ahmadiyya verwendet viel Zeit und Energie auf eine weit un­ mittelbarere Missionierung, als sie sonst in der traditionalistischen Be­ wegung zu finden ist. Die Anhänger Pallavicinis verheimlichen ihren Is­ lam in keiner Weise. Pallavicini selbst trug einen Vollbart und kleidete sich sehr eindrucksvoll in einer gallabiyya, einem arabischen Gewand. Auf fast jedem Forum treten seine Anhänger auf, vor katholischen Or­ ganisationen, auf wissenschaftlichen Tagungen, bei öffentlichen Vorträ­ gen, bei einer Gelegenheit sogar in einer Disco der Mailänder Schickeria.384 Diese Aktivitäten erzielen unterschiedliche Reaktionen. Einigen ita­ lienischen Akademikern wäre es lieber, sie könnten ihre Konferenzen ohne traditionalistische Einwürfe abhalten.385 Pallavicinis häufige Auf­ tritte in der italienischen Presse haben sich für die Verbreitung der tra­ ditionalistischen Botschaft als viel effektiver erwiesen. Diese setzten im Jahre 1986 ein, als Pallavicini in einer von mehreren islamischen Delega­ tionen an einem Friedensgebet in Assisi teilnahm, das Papst Johannes Paul II. initiiert hatte. Das Treffen in Assisi begann als ein Treffen der zwölf Religionen, die dazu eingeladen worden waren, aber angesichts wachsender Kritik betonte der Papst mehr den Frieden als die Öku­ mene.386Trotz dieser Abänderung gab Pallavicini eine Erklärung an die Presse ab, die sich auf ein Treffen der diversen Religionen bezog, und er wurde von mehreren italienischen Zeitungen interviewt.

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Die italienische Presse mochte Pallavicini. Sein Ton war versöhnlich, zumal den Katholizismus betreffend. Er war ein guter Redner, und viele schätzten, was II Giornale als seine »spirituell und intellektuell sehr ge­ hobenen« Ansichten bezeichnete.387 Ein Italiener, der einen Sufiorden leitete, war auch berichtenswert, obwohl der Corriere della Sera, eine der bedeutendsten seriösen Tageszeitungen des Landes, doch etwas zu weit ging, wenn sie ihn als Führer »einer der wichtigsten Sufi-Bruderschaften« beschrieb.388 Als in den frühen 1990er Jahren das Interesse der italienischen Öffentlichkeit am Islam anstieg —eine Reaktion auf den Golfkrieg und die erstmalige Ankunft einer erheblichen Zahl von Ein­ wanderern aus islamischen Ländern in Italien —nahm das Interesse an Pallavicini weiter zu. In den Jahren 1991 und 1992 war Pallavicini der meist interviewte Muslim in Italien.389 Die Ankunft einer großen Zahl muslimischer Einwanderer in Ita­ lien erregte das öffentliche Interesse am Islam und wirkte sich zu G uns­ ten Pallavicinis aus, gleichfalls war sie jedoch die Quelle seiner ersten großen Schwierigkeiten. Als er in den 1970er Jahren seinen islamisch­ christlichen Dialog begann, gab es keine nennenswerte muslimische Ge­ meinde in Italien. Doch in den 1990cm gab es eine solche, und viele ihrer Anführer hatten gegen Pallavicini und seine Aussagen etwas ein­ zuwenden. Sie waren nicht etwa gegen Pallavicini, weil er Italiener war, unter ihnen befanden sich sogar einige italienische neue Muslime. Palla­ vicini erregte ihr Missfallen dadurch, dass er den Sufismus und den Tra­ ditionalismus als Islam darstellte. Diese Beschuldigungen trafen beide zu. Aus historischer Sicht war seine Darstellung des Sufismus durchaus berechtigt. Doch viele heutige Muslime, die eine Salafi- oder W ahhabiSchulung genossen haben, lehnen den Sufismus als unislamisch ab, ob­ wohl er unbestreitbar seit mindestens tausend Jahren ein integraler Be­ standteil des Islam ist. Doch Pallavicinis Darstellung des Islam als einem Schmelztiegel traditionalistischer und vor allem perennialistischer An­ sichten kann keinesfalls als zutreffend angesehen werden, es sei denn, man nimmt einen traditionalistischen Standpunkt ein. Bereits 1986 wurde Pallavicini kritisiert, er »fülle die Lücken seiner [Kenntnis der islamischen] Lehre mit seinen eigenen persönlichen T he­ orien, die auszusprechen bereits schon eine deudiche Form von kufr [Unglauben, Abtrünnigkeit] ist«.390 In den 1990er Jahren verschärften

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sich die Anfeindungen gegen Pallavicini, was dazu führte, dass er einmal aus dem wichtigstem islamischen Zentrum in Mailand physisch hin­ ausbefördert wurde, und bei anderer Gelegenheit organisierte man eine Demonstration vor einer Buchhandlung in Rom, wo er gerade einen Vortrag hielt.391 Pallavicini zahlte mit barer Münze zurück, indem er die neuen Mus­ lime unter seinen Gegnern bezichtigte, sie »stiften Revolte und Terroris­ mus an«; sie »scheinen sich von ihrer christlichen Vergangenheit ab­ schneiden zu wollen, vielleicht nicht so sehr, weil sie christlich, sondern weil es ihre Vergangenheit war«.392 Es waren tatsächlich zwei neue Mus­ lime, die den größten Schaden gegen Pallavicini verursachten. Sie brach­ ten einen Rundbrief in Umlauf, in dem die Kopie eines Briefes Scheich Abd al-Rashids abgedruckt war, worin dieser bestreitet, dass Pallavicini je eine tjasut von ihm erhalten habe.393 Dieser Brief war fast mit Sicher­ heit eine Fälschung,394 aber man schenkte ihm trotzdem in weiten Teilen Glauben. Auf der Höhe dieser Anfeindungen schrieb Pallavicini 1992: »Wäh­ rend sie in den Barchen fast aufgegeben haben, von Gott zu sprechen, und stattdessen vom Frieden reden, so reden sie in den Moscheen nur noch vom Krieg. Auf der einen Seite scheinen die Muslime sogar ihr Glaubensbekenntnis vergessen zu haben, die Beteuerung, dass es >keinen Gott außer Gott gibtEs gibt keinen Gott und keine Wahrheit außer im Islam.-» c

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Nach dem Tode Guenons im Jahre 1951 entwickelte sich Schuons Alawiyya unabhängig von der übrigen traditionalistischen Bewegung. In den 1960er Jahren wurde sie aus später noch zu erörternden G ründen umbenannt und heißt seither »Maryamiyya«. Für ihre Anhänger hatte Schuon Guenon ersetzt, er wurde nun zum Vater des Traditionalismus. Wahrend Guenon einigen älteren Maryami wie M artin Lings unvergess­ lich blieb, war er für die meisten, die im Folgenden besprochen werden sollen, nur ein ferner Schatten. Schuon begann bald, seine eigene D an­ kesschuld an Guenon herunterzuspielen, indem er ihm lediglich zugute schrieb, zum Verständnis des Vedanta und der Metaphysik beigetragen zu haben. Guenon, meinte er, sei »Mathematiker, Freimaurer und O k­ kultist« gewesen, was nicht ausreichend sei.1 Zwei Tendenzen zeichneten sich zwischen den 1960er und den 1990er Jahren ab. Einerseits gewannen die Maryamiyya, wie ich sie jetzt nennen werde, und Schuons nichtmuslimisches Gefolge an Größe und Bedeutung. Sie überragten alle anderen traditionalistischen O rden, von denen bisher die Rede war. Andererseits bildete sich auch Schuons eige­ ner Universalismus heraus, und seine Vorstellungen von seiner eigenen Rolle nahmen Form an. Die Fortentwicklung seiner Ansichten kam früher oder später als Veränderung innerhalb der von ihm geführten Gruppe zum Ausdruck, doch immer leicht zeitversetzt, so dass manche Maryami gewisse Entwicklungen erst ganz am Schluss erkannten. Schuons Gefolge entwickelte sich bald zur führenden traditionalisti­ schen Gruppe. Die meisten westlichen Leser traditionalistischer Werke, die durch die Lektüre zu einer persönlichen spirituellen Suche angeregt wurden und die nach einem Meister innerhalb einer gültigen initiatischen spirituellen Tradition suchten, wandten sich an Schuon. Dies ge­ schah teils aufgrund mangelnder Alternativen im leicht zugänglichen Umfeld (zumindest außerhalb von Paris, Turin und Mailand), teils auch wegen der zunehmend zentralen Stellung, die Schuon im Netzwerk tra-

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ditionalistischer Autoren und Zeitschriften einnahm. Bis zu einem ge­ wissen Grad hing dieser Trend auch mit dem Anheuern sorgfältig aus­ gesuchter Persönlichkeiten zusammen, die als geeignete Mitglieder der Elite in Frage kamen.

Die Jungfrau Maria Schuons »unglückliche Liebe« zu Madeleine fand 1943 in Lausanne ihr Ende, beziehungsweise wurde sie in »kosmische Liebe zur Geliebten« umgewandelt. Fünf Jahre später heiratete Schuon zum ersten Mal im Alter von 42 Jahren. Seine Frau war die damals 25-jährige Catherine Feer, der er das Buch Black Elk Speaks geschenkt hatte. Einem unbestä­ tigten Bericht zufolge entschloss sich Schuon zur Heirat, nachdem er ein Zeichen erhalten hatte, so wie er auch in Paris auf ein Zeichen hin Mus­ lim geworden war. Catherine Schuon war als Tochter eines Diplomaten vornehmlich in Schweizer Botschaften in Argentinien und Algerien aufgewachsen und hatte einen weiteren Horizont als ihr Ehemann. Ein wohlmeinender Beobachter meinte, sie sei »eine künsderische Natur« und besäße »ein äußerst ausgeprägtes Organisationstalent«, wodurch sie »der entstehen­ den Gemeinde [in Lausanne] ein Minimum an Grundregeln fesdegen half«.2 Andere, die sich später eindeutig über ihren Einfluss und ihre Unternehmungen ärgerten, hielten sie für übertrieben ehrgeizig, was sie selbst anging, wie auch, was ihren Ehemann betraf, und ihr »Organisie­ ren« der Gemeinde war ihnen höchst unwillkommen. Eine ihrer ersten Aktionen bestand darin, dass sie Schuons Anhänger dazu brachte, ihrem Scheich einen besseren Lebensstil zu ermöglichen, so dass sie ihrem Mann und ihr zunächst eine größere Wohnung beschafften und später, im Jahr 1953, ein anständiges Haus mit einer ordendich angegliederten zawiya. Diese wurden mit Hilfe einer allgemeinen Spendenaktion in Pully, einem gefälligen Vorort von Lausanne, gebaut.3Sie übernahm aber nicht nur das Eintreiben von zakat (die muslimische Pflichtabgabe), sondern begann sich bald in einer Weise in das Leben der Schuon-Schüler einzumischen, die viele von ihnen als unangebracht und kompetenz­ überschreitend empfanden, so künsderisch sie auch sein mochte.4 Schon

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bald nachdem Whitall Perry mit seiner Frau nach Lausanne gekommen war, schlug Catherine Schuon den Perrys vor, ein an ihr eigenes Haus angrenzendes Nachbargrundstück zu kaufen und darauf zu bauen. Au­ ßerdem richtete sie es so ein, dass Perry Schuons Chauffeur wurde, was er fiir ein »Privileg« hielt, das er 25 Jahre lang genoss.5 Abgesehen vom Umorganisieren des Gefolges ihres Ehemannes be­ gann Catherine Schuon sich mit Malerei zu beschäftigen, was von zu­ nehmender Wichtigkeit werden sollte. Nach ihrer Eheschließung hatte Schuon ernsthaft zu malen begonnen, und fiir einige Jahre stellte er das Dichten hintan. Eines seiner ersten Gemälde zeigte zwei Indianerfigu­ ren, die eine nackt und die andere bekleidet, die jeweils die Exoterik (bekleidet) und die Esoterik (nackt) symbolisierten.6 Schuon entwickelte ein zunehmendes Interesse an indianischer Spi­ ritualität. 1959 reisten die Schuons zum ersten Mal in die USA. Eingela­ den hatte sie Thomas Yellowtail, ein Indianer, den das Ehepaar 1953 in Paris kennengelernt hatte und der später bekannt werden sollte. Sie be­ suchten zuerst die Sioux-Reservation bei Pine Ridge, South Dakota, wo einst Black Elk gelebt hatte. Danach begaben sie sich nach Sheridan, Montana, wo Yellowtail zu Hause war. Sie brachten ein Schuon-Gemälde mit, ein Bild der White Buffalo Woman, die eine bedeutende Rolle in den Mythen der Lakota spielte.7 Einer der Gründe für den Be­ such war, dass Schuon die Tradition der nordamerikanischen Indianer vor der Moderne retten wollte.8 Doch es stellte sich heraus, dass die Re­ ligion der nordamerikanischen Ureinwohner einen größeren Einfluss auf Schuon haben sollte als umgekehrt.9 Schuon hatte fast zehn Jahre zuvor die göttlichen Q ualitäten der Natur entdeckt, als seine Frau ihn kurz nach ihrer Hochzeit in die Schweizer Berge führte. Dort erlebte er eine »Befreiung«, wie er sie bis­ her nur in der zawiya der Alawiyya in Mostaganem verspürt hatte. In einer Berghütte lernte er die »Tage am Busen der N atur genießen, Tage, die in gewisser Weise mittelalterlich waren«.10 W ie die Schweizer Berg­ welt, so erinnerte ihn auch die Landschaft um Sheridan, W yoming, an Mostaganem.11Was Mostaganem, die Alpen der Schweiz und die Prairie Wyomings miteinander verbindet, ist natürlich ihre Entfernung von der modernen Welt. Die Schuons begegneten dort vielen Indianern und nahmen auch an

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ihren Tanzzeremonien teil, zunächst als Zuschauer, aber nach und nach engagierten sie sich in zunehmendem Maße. Der Höhepunkt ihrer Reise war der Sonnentanz, dessen Zeugen sie in Fort Hall, Idaho, wurden. Der Sonnentanz ist der krönende Ritus bei den Oglala-Sioux und den Shoshone-Crow, eine drei- oder viertägige Zeremonie von komplizier­ tem Ablauf, die um einen zu diesem Zwecke errichteten »heiligen Baum« ausgefuhrt wird. Den Teilnehmern geht es darum, Sühne durch Opfer zu erreichen, um sich gewissermaßen mit dem Großen Geist zu vereinen (manchmal als »Gott« bezeichnet, was aber umstritten ist). Die Teilneh­ mer fasten einen Tag oder auch mehrere, und sie unterziehen sich auch anderen Geduldsproben, indem sie bei Sonnenaufgang in die Sonne starren oder sich einen Streifen Fleisch aus dem Oberarm schneiden.12 Schuon fand die Eröffnungsriten des Sonnentanzes außerordentlich er­ greifend, die »Vereinigung mit dem Einen«.13Am zweiten Tag schlossen sie sich den Teilnehmern im Fasten an, obwohl sie ansonsten Zuschauer blieben. Als sie bei einem späteren Besuch den nunmehr verlassenen Sun Dance Platz wiedersahen, tanzte Catherine Schuon dort ganz allein.14 Bevor die Schuons in die Schweiz zurückkehrten, wurden sie von den Sioux in ihren Stamm aufgenommen, und erhielten die Namen Wicahpi Wiyakpa (Heller Stern) und Wowan Winyan (Künstlerfrau). Für Schuon war diese Erfahrung ausschlaggebend. Er schrieb später dazu, sie habe ihm zur Heilung von den »spirituellen Wunden [seiner] Jugend« verholfen. 1963 fuhren die Schuons noch ein weiteres Mal zu einem ähn­ lichen, dreimonatigen Besuch nach Amerika.15 Trotz dieses Erlebnisses verfiel Schuon um 1965 in einen depressiven Zustand, der durch sein Asthma noch verschärft wurde.16In diesem Zu­ stand empfing er seine bisher dramatischste Vision, einen Besuch der Jungfrau Maria. Schuon befand sich 1965 auf der Reise von Europa nach Tanger in Marokko. Er war allein in seiner Schiffskabine, als »plötzlich die götdiche Barmherzigkeit in einer besonderen Weise über mich kam. Sie überkam mich innerlich in einer weiblichen Form, die ich nicht be­ schreiben kann, von der ich aber wusste, dass es die Heilige Jungfrau war.« Daraufhin ging es Schoun besser, er »befand sich in einer Ekstase der Liebe und Freude«.17 Frithjof Schuon hatte anfänglich Zweifel. Auf dem Weg von Tanger nach Tetuan verfiel er wieder in seinen depressiven Zustand, und als er

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mit seinen Gefährten in einem Hotel in Tetuan abgestiegen war, fühlte er sich zu schwach, um mit den anderen auszugehen. Als er aber allein in seinem Hotelzimmer war, erlebte er erneut den durch seine Vision her­ vorgerufenen Zustand, der diesmal anhielt, bis die Reisegesellschaft ihr Ziel Fez erreicht hatte. In Fez begann er sich wieder zu sorgen und zu zweifeln, doch »in der Nacht überkam mich abermals jener him m lische Trost, der aus dem Urweiblichen hervorquoll«. Diesmal hielt der Z u ­ stand bis zu seiner Rückkehr in die Schweiz an.18 Diese Erlebnisse vereinten die beiden Themen der Jahre 1942—43: Die »kosmische Liebe zur Geliebten [...] wie bei Mutterliebe«, die Schuon beim Anblick des Kindes von Madeleine empfunden hatte, und die Liebe zur Heiligen Jungfrau, deren Statuette er in einem Schaufens­ ter in Lausanne erblickt hatte. Tatsächlich hatte Schuon zwischen 1942 und 1965 gelegentlich die Gegenwart der Heiligen Jungfrau wahrgenom­ men, zuerst während seines Bruchs mit Guenon um 1949, als er »ihre Segnung verspürte«, und einmal, als er 1953 allein daheim in sein dhikr vertieft war. Bei dieser zweiten Gelegenheit hatte er eine »mächtige Ge­ genwart« verspürt, die er sofort mit der Jungfrau in Verbindung brachte.19 Anfänglich war Schuon sich nicht sicher, wie er sein Erlebnis des Jahres 1965 auswerten sollte. Als Erstes stellte sich die Frage, ob seine Vi­ sionen wahre oder falsche Visionen waren. Er entschied, dass eine wahre Vision sich von einer falschen unterscheiden ließe aufgrund der günsti­ gen Wirkung, die sie auf den Empfänger ausübe, und seine Vision hatte die gute Wirkung, dass sie ihn von seiner Liebe zu Büchern, Zeitungen und dem Theater befreite, in denen er sich von nun an nicht m ehr ver­ lieren konnte.20 In diesem Zusammenhang geht Schuon auf eine andere Auswirkung seiner Vision der Jungfrau ein: den »nahezu unwidersteh­ lichen Drang, nackt zu sein, wie ihr Kind«. Für einige Zeit danach ent­ blößte sich Schuon, sooft er zu Hause allein war.21 Nachdem Schuon entschieden hatte, dass seine Erlebnisse eine wahre Vision darstellten, erhob sich die nächste Frage: Was bedeutete sie? Seine letztendliche Folgerung war, dass die Vision den Anbruch »einer beson­ deren Beziehung zum Himmel« kündete. Worin genau diese besondere Beziehung bestehen sollte, wird nicht verraten, da aber die Jungfrau Maria die »Inkarnation göttlicher Barmherzigkeit und zur gleichen Zeit der religio perennis« ist,22 scheint Schuon sie als eine Veränderung seiner

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Aufgabe aufgefasst zu haben, indem er von einem Alawi-Scheich zu ei­ ner universellen Rolle berufen war, die jenseits des Islam lag - ganz so, wie es ihm durch seine frühere Vision von 1937 bedeutet worden war. Bevor ich auf die Konsequenzen zu sprechen komme, die diese Schlussfolgerung fiir die Maryami haben sollte, will ich kurz eine weitere Vision der Jungfrau Maria erwähnen, die Schuon im Jahre 1966 eben­ falls in Marokko hatte und die noch dramatischer war als die vorher­ gehende. Schuon visualisierte seine Statuette der Heiligen Jungfrau, die »zu zittern und sich zu regen begann, und ich wusste, während mich Furcht ergriff und zugleich Liebe mich überwältigte: das ist kein Traum mehr, das ist Wirklichkeit«. Die Jungfrau erschien, schrieb Schuon, »aber es geziemt mir nicht, mehr darüber zu sagen«.23 Zahlreichen Be­ richten zufolge war der Grund für Schuons schriftliches Schweigen der Umstand, dass ihm die Jungfrau nackt erschienen war. Schuons Hang zum Nudismus und die angebliche Nacktheit der Jungfrau haben einige außerhalb der Maryamiyya dazu geführt, diesen Visionen einen satanischen Ursprung zuzuschreiben, obwohl Schuon selbst eine solche Erklärung eindeutig ablehnte. Er hatte allerdings an­ fänglich auch gezweifelt, ob seine Vision von 1965 eine wahre Vision war oder nicht. Allgemein tendiert der Islam dazu, Nacktheit als ausschließ­ lich negativ zu bewerten, doch die christliche Kunst stellt die Jungfrau oft mit entblößter Brust dar. Perennialisten sind gewöhnlich mit dem Hinduismus vertraut, in dem Nacktheit ein fester Bestandteil bestimm­ ter religiöser Praktiken ist. Henri Hartungs Lehrer etwa, Ramana Maharshi, ging von seinem siebzehnten Lebensjahr an nackt, wenn auch nicht völlig, denn er trug eine kaupina, ein schmales Stoflfband, das die Genitalien verhüllt.24 Die Hauptkonsequenz dieser Visionen scheint es gewesen zu sein, dass Schuon von nun an der festen Meinung war, er habe eine univer­ selle Mission. Es war ungefähr zu diesem Zeitpunkt, dass sich der Schwerpunkt von der Maryamiyya auf die religio perennis im weitesten Sinne zu verlagern begann. Schuon beschloss, dass er eine besondere Be­ ziehung zu der Jungfrau habe25 sowie auch zu Gott. Seine Malerei ver­ änderte sich, und von jener Zeit an konzentrierten sich Schuon und seine Frau auf die Heilige Jungfrau Maria. Frithjof Schuons Bildnisse der Jungfrau Maria zeigen sie manchmal nackt oder halbnackt, mit ent-

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blößten Brüsten, was, wie er erklärte, »Bezug nim m t auf die Enthüllung der Wahrheit im Sinne der Gnosis und auf die befreiende Gnade«.26 Schuon betrachtete seine früheren Bilder der W hite Buffalo W oman als eine »Vorahnung« dieser späteren Bilder der Jungfrau M aria.27 Diese Entwicklung war von Bedeutung, denn Schuon verband die amerikani­ schen Erlebnisse von 1959 mit denen in Marokko von 1965. Seine Auf­ nahme in den Stamm der Sioux wurde später als Schuons »Anbindung an das letzte Glied [der initiatischen Kette] einer authentisch prim ordia­ len Religion« aufgefasst,28 obwohl Schuon davon nie als von einer »Initi­ ation« sprach, sondern vielmehr von einer »Adoption«.29 Ende der sech­ ziger Jahre war Schuon demnach ein Traditionalist m it zwei esoterischen Initiationen. Er war ein Muslim mit einer Sufi-Inititation durch den Alawiyya-Orden, der durch eine Vision zum Scheich eines Sufiordens bestimmt worden war, aber er war auch ein Universalist m it einer pri­ mordialen Initiation durch den Stamm der Sioux, der durch eine weitere Vision der Jungfrau Maria zu einer universalen Mission berufen worden war. Ab diesem Zeitpunkt begann die primordiale Mission allmählich seine ursprüngliche Rolle als Sufi-Scheich zu ersetzen. Die unmittelbaren Folgen all dieser Ereignisse waren für die Anhän­ ger Schuons nicht so dramatisch, wie es die langfristigen sein sollten. Schuon zeigte sich der Welt noch viele Jahre lang in islamischer Gewan­ dung. In den 1960er Jahren änderte sein Orden lediglich den Namen, und einige der täglichen Verrichtungen wurden leicht abgewandelt. An die tägliche Übung wurde eine kurze Anrufung der Heiligen Jungfrau angehängt, und den sechs Meditationsthemen wurden die Gemälde Schuons als eine lockere Konzentrationsstütze für seine Anhänger hin­ zugefugt.30 Letztere Veränderung wurde wahrscheinlich Ende der sech­ ziger Jahre eingefuhrt, obwohl das Datum nicht ganz feststeht. Der Orden hieß nun die »Alawiyya Maryamiyya«, was gewöhnlich zu »Maryamiyya« abgekürzt wurde, von der adjektivischen Form der ara­ bischen Version des Namens der Jungfrau, Maryam. Wahrscheinlich kannten die wenigsten Maryami die Details der Visionen, die diesen Än­ derungen zugrunde lagen. Die neuerliche Konzentration auf Maryam wurde in erster Linie hinsichtlich ihrer symbolischen Bedeutung ge­ rechtfertigt: Die Jungfrau Maria war eine Figur, in der die drei m onothe­ istischen Religionen zusammenliefen, denn sie war eine »jüdische Prin-

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zessin aus dem Hause David«, die »Mutter des Begründers der Christen­ heit«, die »im Islam an höchster Stelle in der weiblichen Hierarchie steht«. Die Jungfrau Maria »liebt die drei Religionen und die Religion im Allgemeinen, so wie auch wir [d. h. die Maryami] es tun«.31Schuons Verehrung der Jungfrau Maria sei kein Synkretismus, erklärte ein Tradi­ tionalist, da »Maria im Islam oft mit großem Eifer verehrt wird«, wie man in Efes (Ephesus) feststellen könne, wo Muslime wie auch Christen an einem Meryemana Evi (das Haus der Mutter Maryam) genannten Schrein beten.32 Es geht nicht so sehr darum, ob diese Erklärungen zu rechtfertigen sind oder nicht (was sie vom islamischen Standpunkt aus gewiss nicht sind),33 sondern darum, dass viele Maryami auf diese Weise die Betonung der Jungfrau Maria vor sich selbst rechtfertigten. Dass Schuons Gemälde als lockere Konzentrationsstütze für die Me­ ditation dienen sollten, wurde zum Teil folgendermaßen erklärt: »Nie­ mand ist gezwungen, sich für sie zu interessieren«, schrieb ein älterer Maryami in den 1980er Jahren, »aber jeder ist verpflichtet, sie zu respek­ tieren, da sie vom Scheich ausgehen und Aspekte seiner Persönlichkeit und Erfahrung wiedergeben.«34 Dass Schuon »stets davon überzeugt war, dass alles, was er tat, einen sakralen Charakter habe«, wie einer sei­ ner frühesten Anhänger es ausdrückte, erklärt nebenbei die bemerkens­ werte Offenheit seiner Erinnerungen und Betrachtungen: Details, die uns privat und überaus menschlich anmuten, schienen ihm offenbar von mehr als nur persönlicher Bedeutung zu sein. Um diese Zeit etwa begann Schuons Gefolge eine eigene Sammlung kanonischer Texte zusammenzustellen. Es handelte sich um kurze, einoder zweiseitige Schriften Schuons, deren früheste aus den 1930er Jah­ ren stammten, größtenteils aber nach 1951 verfasst wurden. Sie beschäf­ tigten sich mit einer Vielfalt möglicher spiritueller Probleme oder Fragen, die später als Livre des Clefe (Buch der Schlüssel) zusammen­ gefasst wurden.35 Diese waren der Einfachheit halber durchnummeriert, so dass ein Maryami einem jüngeren Bruder empfehlen konnte »Text Nr. 258 zu lesen«. Obwohl sie dem islamischen Brauch folgten, indem sie »Im Namen Allahs, des Barmherzigen, des Barmherzigen« began­ nen, handelten die Texte das jeweilige Thema für gewöhnlich viel mehr in traditionalistischen Begriffen ab als in islamischen. Sie bezogen sich ebenso sehr auf hinduistische Quellen wie auf die des Quran oder auf

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prophetische Überlieferung (hadith). Der Kanon der Anhänger Schuons war demnach eher traditionalistisch als islamisch.36 Eine weitere Lockerung der shari’a wurde um diese Zeit vorgenom­ men. Als sich Schuon 1965 eine Zweitfrau nahm, was das Gesetz des Islam erlaubt (das Schweizer Gesetz dagegen nicht), wurde die Ehe­ schließung auf traditionalistischer Basis vorgenommen und nicht au f islamischer. Die neue Braut, eine Schülerin Schuons, war bereits m it ei­ nem seiner Anhänger verheiratet. Während die shana verlangt, dass sie zuerst von ihrem Ehemann geschieden und eine Wartezeit von drei M o­ naten einhalten müsse, ehe sie sich neu vermählen konnte, erlaubte ihr Schuon, mit ihrem ursprünglichen Ehemann weiterhin zusammenzule­ ben und die Ehe fortzuführen und ihn, Schuon, »vertikal« zu ehelichen. Die Unterscheidung zwischen der Vertikalen, die den Menschen m it Gott verbindet, und der Horizontalen, welche rein von dieser W elt ist, leitet sich nicht etwa von der shana ab, sondern stammt aus Schuons westlicher Metaphysik und kommt in Guenons Symbolisme de la croix vor. Schuons »vertikale Verheiratung«, die von manchen seiner späteren Anhänger als »spirituelle Ehe« bezeichnet wurde, war, wie Catherine Schuon sagte, eine »Übereinkunft, die das westliche Gesetz und die ge­ sellschaftlichen Bedingungen berücksichtigte, [und die] außerdem von unmissverständlichen Zeichen und Segnungen des Himmels begleitet« war. Auch Burckhardt und Lings pflichteten ihr nach einigem Zögern bei.37 Die Existenz dieser »Ehe«, die sich aus rein islamischer Sicht keines­ falls rechtfertigen ließe, wurde erst Ende der 1980er Jahre weithin be­ kannt. Burckhardt soll davon tief verstört gewesen sein, wie auch durch einige andere Episoden, in denen es ebenfalls um Frauen ging.38 Aber nach so manchem inneren Kampf kam er zu dem Schluss, dass seine Loyalitätspflicht gegenüber seinem Scheich vor allem anderen vorrangig sei. Der Sufismus betont allgemein die absolute Loyalität zum Scheich und rät dem Schüler dringend davon ab, den Meister zu kritisieren. M an erzählt beispielsweise die Geschichte eines Scheichs, den seine schwach­ gläubigen Anhänger verlassen, nachdem sie ihn eine fremde Frau küssen sehen. Zu ihrer Beschämung entdecken die treulosen Anhänger später, dass die Frau die jüngere Schwester des Scheichs war. 1957 erinnerte Burckhardt einen anderen Maryami daran, dass die

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Anhänger eines Scheichs ihren Meister nicht nach ihrem Verständnis seiner Handlungen beurteilen sollen, sondern nach seinen Lehren und Methoden. »Es ist im Vertrauen darauf [auf die Lehre und Methode], dass wir Gott uns gegenüber >verpflichten aber dennoch mehrfache Auflagen in verschiedenen Sprachen verzeichnen konnten.110 Einige dieser Bücher waren »streng« traditionalistisch und erschie­ nen in unumwunden traditionalistischen Verlagen, zuweilen noch im ­ mer bei Editions traditionnelles in Paris oder aber beim hauseigenen Verlag der Schuon-Anhänger, den World Wisdom Books in Blooming­ ton, Indiana. Einige wurden von Fachverlagen wie Arche herausge­ bracht, einem französischsprachigen Verlag in Mailand. Diese »streng« traditionalistischen Bücher setzten die Entwicklung der traditionalisti­ schen Philosophie fort und richteten sich vor allem an bestehende Tra­ ditionalisten und an ernsthaft spirituell Suchende. N ur wenige dieser Bücher erzielten wesentliche Umsätze. Wichtiger waren die Bücher, die an ein breiteres Allgemeinpublikum gerichtet waren und die einen »gemäßigten« Traditionalismus vorlegten. Es waren Bücher, die von Spiritualität oder Religion im Allgemeinen handelten oder von Aspekten des Islam, des Christentums, des Buddhis­ mus und der Religion der nordamerikanischen Indianer, wobei nur noch selten vom Hinduismus oder vom Judentum die Rede war.111Viele die­ ser Bücher wurden von großen kommerziellen Verlagshäusern publiziert, wie Penguin und Roudedge, den Universitätsverlagen von Harvard, Princeton und Oxford oder Gallimard in Frankreich.112Andere Verlage, die man als »gemäßigt« traditionalistisch bezeichnen kann, sorgten für die Veröffendichung oder Neuauflage verschiedener Schriften. Die drei wichtigsten dieser Verlage wurden alle von einer Person gegründet, oder zumindest mit ihrer Beteiligung, von der Amerikanerin Gray Henry. Gray Henry schrieb selbst und verfasste Rundfunksendungen über den Islam (beispielsweise für den BBC World Service), darüber hinaus gründete sie in England auch zwei Verlagshäuser, 1979 Q uinta Essentia und 1981 die Islamic Texts Society. Nachdem sie in ihr Geburtsland zu­ rückgekehrt war, rief sie 1997 in Kentucky den Verlag Fons Vitae ins Leben. Alle drei Verlage hielten sich weitgehend an dasselbe Muster: ein relativ kleines Verlagsprogramm, das wichtige Texte »strenger« wie auch

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»gemäßigter« traditionalistischer Autoren brachte, doch in der Haupt­ sache Übersetzungen klassischer traditioneller Texte verlegte, alle von höchster Qualität, sowohl nach wissenschaftlichen Kriterien als auch hinsichtlich ihres Designs und ihrer Fertigstellung. Der große Sufi-Ge­ lehrte des späten n . Jahrhunderts, Muhammad al-Ghazali, war bis dahin in englischer Ausgabe nur in absolut ungenügender Qualität verfügbar: oft als Billigdruck in Pakistan erschienen, auf schlechtem Papier, voller Druckfehler, von groben Übersetzungsfehlern ganz zu schweigen. Die Islamic Texts Society begann Ghazalis Werk Band für Band herauszu­ geben, in ansprechender Ausstattung und in sorgfältiger Übersetzung durch Wissenschaftler, die, wenn sie auch nicht immer Schuon-Schüler oder Maryami waren, oft genug englische oder amerikanische neue Mus­ lime waren. Ebenso wie Nasr eine Renaissance klassischer mystischer Texte im Iran ermöglichte und Valsan und seine Anhänger dazu beitru­ gen, ähnliche Texte in französischer Sprache zugänglich zu machen, so leistete Henry dies für den englischen Sprachraum.113 Dieser kurze Überblick über einige der Aktivitäten Henrys lässt un­ gewöhnliches Talent und bemerkenswerte Hingabe und Energie ver­ muten. Ähnliche Qualitäten sind auch im World of Islam Festival zu entdecken, einer Veranstaltung, die 1976 in London organisiert und von Queen Elizabeth II. eröffnet wurde. Auch der Erzbischof von Canterbury nahm daran teil, indem er den damaligen ägyptischen Scheich der al-Azhar-Universität empfing, Scheich Abd al-Halim Mahmud, der sich so wohlwollend über Guenon geäußert hatte.114 Das Festival wurde hauptsächlich finanziert von den neuerlich zu Erdölreichtum gelang­ ten Vereinigten Arabischen Emiraten und wurde von einer Stiftung ver­ waltet, der prominente Engländer vorstanden. Sechs der acht Stiftungs­ mitglieder trugen Adelstitel, und der Stiftungsvorsitzende war Sir Ha­ rold Beeley, ein akademischer Historiker und Diplomat, der zweimal die schwierige Aufgabe des britischen Botschafters in Kairo unter Nasser erfolgreich gemeistert hatte.115Trotz dieser breit angelegten Basis domi­ nierten auf dem Festival traditionalistische Sichtweisen des Islam und die Maryami.116 Nasr organisierte die Ausstellung der islamischen Wis­ senschaft und Technik im Science Museum, Lings beaufsichtigte die Ausstellung islamischer Handschriften und Kalligraphien in der British Library, und es scheint auch einige Maryami-Beiträge in anderen Aus-

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zu h a b e n Ganz allgemein waren Bücher von Tradi­ t io n a lis t e n und insbesondere von Maryami in der literarischen Produk­ t io n der World of Islam Festival Publishing Company Limited vorherr­ s c h e n d , und Rezensionen ihrer Bücher erschienen in der Sonderausgabe v o n The Times Literary Supplement (TLS).118 Den damaligen britischen Zeitungen nach zu urteilen, erzeugte das Festival erhebliche positive Stimmung für den »traditionellen« Islam, doch diese Auswirkung verlief sich bald in der allgemeinen Reaktion auf die islamische Revolution im Iran, eine Reaktion, die sich nicht in erster Linie mit Ayatollah Khomeinis mystischen Neigungen und Poesie be­ fasste.119 Die Wirkung anderer Maryamiyya-Aktivitäten auf ein breites westliches Publikum lässt sich schwerer beurteilen. M it einiger W ahr­ scheinlichkeit kann man annehmen, dass jeder westliche Leser des aus­ gehenden 20. Jahrhunderts, der sich aus spirituellem, nicht aus akademi­ schem Interesse eingehender mit dem Islam befasst hat, irgendwo auf die Maryamiyya gestoßen sein wird, wenn auch meistens ohne es zu be­ merken. Die Autoren unter den Schuon-Schülern sind in der Regel aner­ kannte Fachleute auf einem Gebiet, das unter Umständen m it der Re­ ligion zusammenhängt, mit der sie sich befassen, etwa Aspekte isla­ mischer Kunst und Architektur, womöglich aber auch griechischer Dichtung oder der Renaissancemusik.120 Ihre Bücher sind gut geschrie­ ben und bedrängen den Leser nie, sondern stellen die Religion in einer Art dar, die nicht einmal den zähesten agnostischen Leser abstößt. Im Gegensatz zu den meisten Muslimen, die sich bemühen, den Islam der westlichen Öffentlichkeit zu präsentieren,121wirken die Maryami-Wortfiihrer für den Islam wie hochqualifizierte Intellektuelle, die eine echte Alternative Vorbringen, von der sie selbst völlig überzeugt sind, und die für offensichdiche Gegenargumente bestens gewappnet sind. O b m an sich von dieser Alternative persönlich angezogen fühlt, ist eine andere Frage. Die Bücher der Schuon-Schüler präsentieren für gewöhnlich die eso­ terische Tradition als den wichtigsten Ausdruck der Religion, m it der sie sich befassen, und spielen dabei die Unterschiede zwischen der esote­ rischen und der exoterischen Ausprägung herunter.122 Schuons Understanding Islam und Nasrs Ideals and Realities o f Islam handeln eher S te llu n g e n g e g e b e n

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vom Sufismus als vom Islam. Sie betonen ebenfalls die künstlerischen Ausdrucksformen der Religion, wie Burckhardt in seinem Buch Fez: City o f Islam (englische Übersetzung 1992). Schließlich neigen sie dazu, die esoterische Tradition der jeweiligen Religion als Ausdruck einer ab­ soluten Wahrheit aus grauer Vorzeit darzustellen, die nur jenen zugäng­ lich ist, die sich vom Rationalismus und vom Wissenschaftsglauben lö­ sen können, welche implizit zu den Übeln der Moderne gehören. N ur wer die traditionalistische Philosophie kennt und nach ihr Aus­ schau hält, wird sie in diesen Büchern entdecken. Traditionalistische Deutungen werden nie als solche benannt, sondern als die Wahrheit schlechthin dargestellt. Dabei muss diesem Usus nicht unbedingt ein unehrliches Motiv zugrunde liegen, stellen wir doch alle die Dinge so dar, wie wir sie sehen, ohne uns verpflichtet zu fühlen, genauer zu erklä­ ren, wie wir zu dieser Ansicht gelangt sind. Für entsprechend interes­ sierte Leser findet sich jedoch gelegentlich ein Verweis auf »streng« tradi­ tionalistische Werke. In den späten i98oern gab Nasr einen zweibändigen Titel heraus, Islamic Spirituality, der in der hervorragenden Crossroad-Reihe über die Spiritualität der Welt erschien. Nahezu alle Mitwirkenden an diesen bei­ den Bänden sind Maryami. Trotz seines Titels beschäftigt sich das Werk ausschließlich mit der Sufi-Spiritualität. Dies wird jedem kundigen Le­ ser klar, der darüber urteilen kann, ob Spiritualität im Islam wirklich nur dort zu finden ist. Die meisten Leser werden aber nicht in der Lage sein, zwischen Sufi-Spiritualität und Maryami oder traditionalistischer Spiri­ tualität zu unterscheiden. Für einen Kenner des Sufismus, der mit dem Traditionalismus vertraut ist, enthält fast jeder Aufsatz Deutungen, die ganz eindeutig traditionalistisch sind, obwohl sie nie als solche bezeich­ net werden. Viele dieser Interpretationen sind anfechtbar. Für den fach­ unkundigen Leser sind jedoch weder der Ursprung noch die Fragwür­ digkeit der Deutung offen zu erkennen.123 Nicht jeder ist entzückt, wenn er den Traditionalismus aufspürt, der sich hinter diesen Büchern verbirgt. Eine skandinavische Wissenschaft­ lerin, die sich zum Islam bekehrt hatte, reagierte entsetzt, als sie einen Artikel von mir las, in dem traditionalistische Autoren identifiziert wer­ den, die sie und andere mit ihr gelesen hatten, ohne sich dessen gewahr zu werden: »Überall >traditionalistische< Bücher«, schrieb sie, »das wo-

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möglich Erschreckendste daran ist die raffinierte Durchdringung m it >traditionalistischem< Gedankengut ohne Quellenangaben. [...] Die Leute greifen diese Ideen auf, weil sie reizvoll sind, und geben sie dann weiter. [...] [Dies] betrifft jeden, der auf nichtarabische (nicht-Urdu, nichttürkische usw.) Literatur angewiesen ist.«124 Diese »raffinierte Durchdringung« des Traditionalismus fiel auch einem weiteren Beob­ achter auf, James W. Morris, dem sie jedoch eher ironisch vorkam als finster. Er schreibt: »Man trifft innerhalb der Religionswissenschaften kaum je auf akademische Fachleute für spirituelle Fragen, die nicht zu­ mindest einige der Werke Schuons gelesen haben.« Doch »dieser weit­ reichende Einfluss wird selten öffentlich erwähnt« aufgrund der »eigen­ tümlichen Abläufe akademischer >Kanonisierung der über dem Islam und über jeder anderen Ein­ zeltradition stehe, weil er sich im Zentrum aller befinde. Die Gemein­ schaft von Inverness Farms hielt man für eine »>unmittelbare< Manifesta­ tion der primordialen Tradition in >reinster< Form, während alle anderen

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esoterischen Zusammenschlüsse nur deren >mittelbare< Manifestationen« seien. 140 *

Die Gemeinschaft von Inverness Farms wurde der Maryamiyya von Bloomington aufgepfropft, die Professor Victor Danner 1967 gegründet hatte. Obwohl Danner selbst bald jeder leitenden Rolle in der neuen Gemeinschaft enthoben wurde, blieb doch ein Teil der älteren Maryamiyya bis zum Ende bestehen. Der Schwerpunkt lag jedoch auf dem »inneren Zirkel« der Primordialisten, den neuen Schülern Schuons, nicht auf dem äußeren Zirkel der islamischen Maryami, die allgemein als »muslimische Muslime« bezeichnet wurden. Die Primordialisten sa­ hen auf sie herab, weil sie den exoterischen Formen des Islam übermäßig verhaftet seien. Viele der älteren Maryami hielten sich zunehmend fern oder wurden von der Gemeinschaft ausgeschlossen. Burckhardt war schon seit längerem erkrankt und folgte Schuon nicht nach Amerika. Er starb 1984.141Danner starb 1990 und hatte Schuon seit 1985 nicht wieder­ gesehen.142Nasr besuchte Inverness Farms nur gelegentlich (etwa einmal im Jahr), und einigen Quellen zufolge versuchte man teilweise absicht­ lich vor ihm zu verbergen, was dort vor sich ging. Auch Lings erschien nur einmal im Jahr, aber auch ihm gewährte man nicht zu allem Zu­ gang. Einige oder sogar viele der Primordialisten hielten ihn für einen nur schwer erträglichen Pedanten.143 Schuon, der auf die achtzig zuging, wurde zunehmend unzugäng­ lich. In späteren Jahren nahm er nur noch gelegendich am dhikr teil und trat nur selten öffendich auf, da ihm das Englische nicht so geläufig war (obwohl er die Sprache gut beherrschte) und er lieber Französisch sprach und sich eines Dolmetschers bediente.144 Die Leitung der Inver­ ness Farms ging in die Hände seines muqaddam und anderer Primordia­ listen über, deren wichtigste jedoch Catherine Schuon war, die den Zu­ gang zu ihrem Ehemann regelte. Eine junge Amerikanerin, die unter dem Pseudonym Patricia Estelle läuft, gewann auch an Bedeutung, in­ dem sie gemeinsam mit Schuon zu malen begann und nach manchen Aussagen dazu beitrug, die Auffassung von Schuon als einem mehr als nur menschlichen Wesen zu fördern. Sie wurde außerdem seine dritte »vertikale« (oder »spirituelle«) Ehefrau, obwohl sie im Unterschied zu den beiden anderen »vertikalen« Ehefrauen zur Zeit ihrer »Eheschlie­ ßung« mit Schuon keinen anderen Ehemann hatte.145

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Die meisten Mitglieder der Inverness-Farms-Gemeinschaft waren zumindest nominell Muslime und Maryami, und die Riten des Islam und des Sufismus wurden weiterhin praktiziert, obwohl das Interesse am Islam als Religion wenig unterstützt wurde, er galt als allzu exoterisch. Einem englischen Maryami, der sein Interesse am Erlernen der arabi­ schen Sprache äußerte, wurde geraten, stattdessen doch lieber Franzö­ sisch zu lernen, damit er die Werke Schuons im Original lesen könnte. Das Ramadanfasten war freiwillig. Ein vielbeschäftigter Maryami durfte »alternative Opfer darbringen«, wenn er mindestens an drei Tagen dieses Monats das Fasten einhielt und sich mehr als üblich auf das dhikr be­ sann.146 Die alte Genehmigung zum Biertrinken, um zu verschleiern, dass man Muslim war, blieb weiterhin in Kraft.147 Die islamische Terminologie wurde langsam durch eine andere er­ setzt. Man bezeichnete Schuon oft nicht mehr als qutb (die höchste Rangstufe, die islamische Sufis normalerweise ihrem verehrten Meister zuerkennen), sondern als pneumatikos. Die Ansichten über die richtige Auslegung dieses griechischen Begriffs gehen auseinander. Für manche Traditionalisten bezeichnet er lediglich einen Menschen von besonderer spiritueller Gesinnung, einen Gnostiker, der in G ott das Ziel seines spi­ rituellen Weges gefunden hat, wohingegen manch anderer darunter einen Menschen verstand, in dem sich nicht die menschliche Seele, son­ dern der Geist Gottes behauptet. Wahrscheinlich kamen beide Ausle­ gungen vor. Einige Anhänger Schuons sahen ihn als einen avatar an, ein hinduistischer Begriff, der die Inkarnation einer G ottheit bezeichnet.148 Es kursierten Gerüchte, dass Löwen und Elefanten Schuons spirituel­ len Rang anerkannten und dass der Erzbischof von Straßburg Schuons künftigen spirituellen Rang erkannt habe, als Schuon als Kind in M ül­ hausen lebte. Es gab sogar Geschichten über Leute, die Schuon auf der Straße nicht den gebührenden Respekt bezeigt hatten und auf der Stelle erstarrt waren.149 Schuon versuchte etwas halbherzig, die zunehmend auf ihn gerich­ tete Aufmerksamkeit abzulenken. 1981 schrieb er: »Ich wünsche nicht, dass meine Person zum Gegenstand symbolischer und mystischer Spe­ kulationen wird, die - abgesehen von ihrem ohnehin problematischen Charakter - zusätzliche Voreingenommenheit schaffen und den Geist vom einzig Wesendichen ablenken: meinen Lehren zu folgen, ohne ir-

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gendeine Hinzufiigung.«150 Doch solche Aussagen scheinen wenig be­ wirkt zu haben. Verschiedene »primordiale« Praktiken wurden eingefuhrt. Dem wö­ chentlichen dhikr folgte nicht nur eine kurze Lektion, die von Schuon verfasst war und laut verlesen wurde, und zuweilen ein Vortrag arabi­ scher Dichtung, wie es in Sufi-Kreisen üblich ist, sondern auch »eine Art indianischen Gesangs oder Rezitativs, das der muqaddam vortrug, indes er eine Trommel rührte«.151 »Indianische Tage« {pow-wow genannt) wur­ den eingefuhrt. Sie wurden während des Sommers einmal im Monat abgehalten. Tänze und Zeremonien wurden veranstaltet, die manchmal von Yellowtail angeführt wurden, während der muqaddam das Trom­ meln und den Gesang leitete.152An diesen »indianischen Tagen« kleidete man sich »indianisch«, was bei den weiblichen Teilnehmern zuweilen auf eine Art von verziertem Bikini hinauslief. Bei diesen Gelegenheiten erschien Schuon mitunter als Indianerhäuptling gekleidet und trug in der Hand einen gefiederten Stab.153 Neben diesen indianischen Tagen gibt es auch Berichte über geheime »primordiale Versammlungen«, an denen nur Schuon und eine kleine Anzahl seiner engsten Anhänger teilgenommen haben sollen. Einem Be­ richt zufolge waren es fünf oder sechs Frauen und drei Männer, nach einem anderen Bericht waren zehn bis fünfzehn Personen beiden Ge­ schlechts daran beteiligt. Eine Schuon nahestehende Quelle beschrieb einen solchen Anlass folgendermaßen: »Alle Frauen waren nackt, bis auf mich und [eine andere Frau]. Wir zogen eine leichte Bekleidung vor, weil wir schon etwas älter waren, deshalb trugen wir annähernd durchsichtige Saris. Die Männer tru­ gen Lendenschurze mit Ausnahme des Scheichs [Schuon], der einen >freien< Lendenschurz trug —das heißt, er war darunter unbekleidet, so dass man ihn oft nackt zu sehen bekam. Nach einer guten, simp­ len Abendmahlzeit tanzte [eine Frau] mit Kopfschmuck und Blu­ men eine Art hinduistischen Tanz vor —oder einen indianischen oder balinesischen. Es war überirdisch, förmlich und sehr, sehr schön. [...] Dann führte der Scheich den primordialen Tanz auf, während wir zusahen - und [eine Frau] versuchte manchmal, ihm den Len­ denschurz zu entreißen! [Die andere >ältere< Frau] tanzte manchmal

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einen Flamenco, und zuweilen tanzten [drei weitere Frauen] m itein­ ander einen entzückenden Tanz.«154 Schuon, man möge sich erinnern, betrachtete Schönheit als einen Z u­ gang zum Göttlichen. Um diese Zeit schrieb er: »In Anbetracht der spirituellen Entartung der Menschheit spielt die höchstmögliche Form von Schönheit, die des menschlichen Körpers, in der gewöhnlichen Frömmigkeit keine Rolle. Doch die esoterische Spiritualität kann durch diese Theophanie Unterstützung finden. [...] Nacktheit bedeutet Innerlichkeit, Wesentlichkeit, Primordialität und damit Universalität. [...] Nacktheit bedeutet Herrlichkeit, das Strahlen spiritueller Substanz oder Energie; der Körper ist die Form der Essenz und damit die Essenz der Form. Aber es gibt nicht nur die augenfällige Schönheit - Poesie; Musik und Tanz sind ebenfalls M it­ tel der Verinnerlichung, nicht für sich genommen, sondern im Z u­ sammenhang mit der Vergegenwärtigung des Höchsten Gutes.«155 Heutige Anhänger Schuons vertreten die Ansicht, wie jem and die Nacktheit auffasse, ob er sie als spirituell oder sexuell begreife, sei eine Funktion des spirituellen Zustands und des Entwicklungsstands des Be­ trachters. In den Worten Schuons: »Irdische Schönheit [...] führt den spirituellen Menschen zu Gott, den gemeinen Menschen nur zu sich selbst.«156 Sollte es diese geheimen Versammlungen tatsächlich gegeben haben, so wusste nur der Kern des innersten Zirkels davon, aber viele »musli­ mische Muslime« (und sogar einige der jüngeren Rekruten zur Maryamiyya) waren über die »indianischen Tage« verdrossen, über das, was sie als Verkleidung und affektiertes Gebaren ansahen, sowie um den Kult um Schuon. Ihnen missfiel das »menschliche Ambiente«, welches nach Aussage eines Beteiligten gekennzeichnet war von »Verleumdungen, In­ trigen, Bespitzelung und kleinlichen Machtkämpfen, die ständig in und um den »inneren Zirkeh kreisten, ganz zu schweigen von dem all­ gemeinen Tratsch«. Trotzdem war »die Furcht, ausgeschlossen oder gar als »randständiger< Schüler betrachtet zu werden, ein effektives M ittel, um alle »bei der Stange< zu halten«.157

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Nicht alle ließen sich jedoch bei der Stange halten. Es gab erhebliche Einwände gegen die Rolle, die Catherine Schuon spielte, so dass Frithjof Schuon sich gezwungen fühlte zu schreiben: »Keiner hat das Recht zu glauben, die Frau des Scheichs befasse sich mit Angelegenheiten, die ihre Kompetenz übersteigen, denn lägen sie außerhalb ihres Kompetenzbe­ reichs, so würde sie sich nicht damit befassen.«158 Dieses zirkuläre Ar­ gument überzeugte nicht alle. In den späteren 1980er Jahren nahm die Zahl derer, die die Maryamiyya verließen, zu, besonders nachdem 1988 Alawi al-Alawi von der algerischen Alawiyya nach New York kam und angeblich die Gültigkeit von Schuons Anspruch auf eine Alawi ijaza bestritt.159Außerdem wurde allmählich bekannt, dass Schuon eine Reihe von »vertikalen« Ehefrauen besaß.160 Die Katastrophe brach schließlich 1991 über Inverness Farms her­ ein, als Mark Koslow, der seit einiger Zeit dem inneren Zirkel nahestand und der außerdem ein romantisches Verhältnis zu einer der »vertikalen« Ehefrauen Schuons unterhielt, mit Schuon brach, nachdem ihm dieser die Genehmigung verweigert hatte, sein Verhältnis mit Rose Connor (Pseudonym) fortzusetzen. Koslow ging zur Polizei und berichtete von den »primordialen Versammlungen« und anderen Dingen, die in Inver­ ness Farms stattfanden. Er und einige andere gaben an, dass am Ende sowohl der »indianischen Tage« als auch der »primordialen Versamm­ lungen« Schuon die anwesenden Frauen auf eine Weise zu umarmen pflegte, die zu einer kurzen Berührung ihrer Genitalien führte, wobei einige Mädchen das Alter von sechzehn Jahren noch nicht erreicht hat­ ten.161Koslow, wie auch die Polizei, brachte Nacktheit offenbar eher mit Sexualität als mit Spiritualität in Verbindung. Eine polizeiliche Untersuchung wurde eingeleitet, die nach einigen Monaten zu Schuons Anklage vor einer Grand Jury wegen Kindesmiss­ brauchs und sexueller Übergriffe führte. Die Grundlage der ersten An­ klage war, dass angeblich Mädchen unter sechzehn Jahren an den mut­ maßlichen »Zusammenkünften« teilgenommen hatten und gemeinsam mit den anderen Frauen von Schuon umarmt worden seien. Grundlage der zweiten Anklage war, dass die Frauen, die Schuon angeblich gestattet hatten, sich an sie zu pressen, dies als Folge »ungebührlicher Beeinflus­ sung und Sektendrucks« getan hatten.162 Diese Anschuldigungen wurden später von der Staatsanwaltschaft:

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fallen gelassen, weil es »unzureichende Beweise für eine Strafverfolgung auf der Basis dieser Anklage« gab. Der Staatsanwalt teilte der Presse mit, ein Justizirrtum sei aufgetreten, »insofern [Schuon] in diesem Z u­ sammenhang diffamiert worden ist«.163 Die meisten Mitglieder von Inverness Farms hatten Schuon einmütig verteidigt.164 Sie leugneten die Existenz geheimer »primordialer Zusammenkünfte« ebenso wie sexuelle Übergriffe durch Schuon im Allgemeinen, und insbesondere irgendwel­ che Umarmungen Minderjähriger.165 Laut einem Sprecher der InvernessFarms-Gemeinschaft hielten sich einige der minderjährigen M ädchen, die angeblich umarmt worden seien, zum fraglichen Zeitpunkt ander­ weitig auf.166 Selbst wenn die Umarmungen stattgefunden hätten und zugelassen worden seien, wäre Schuon wohl nach den Gesetzen des Bun­ desstaates Indiana keines Vergehens schuldig befunden worden, da beide Straftaten die Absicht voraussetzten, »sexuelles Verlangen zu wecken oder zu befriedigen«.167 Koslow behauptete später, dass Schuons Absich­ ten »sich nicht primär um den Sex drehten, sondern um sein absurdes und wahnhaftes Machtstreben«.168 Doch obwohl Schuon in den Augen des Gesetzes, des Großteils sei­ ner Gefolgschaft: und der Presse von Indiana entlastet worden war, hatte der Fall doch noch Nachwirkungen. Der mit dem Fall betraute stell­ vertretende Staatsanwalt wurde beschuldigt, die Grand Jury nicht über die »angemessenen Leitlinien für die zur Begründung solcher Anschuldi­ gungen [erforderlichen] juristischen Kriterien« unterrichtet zu haben, und trat zurück.169 Connor reichte eine Zivilklage gegen Koslow ein, in der es um den Besitz des Hauses ging, das sie ihm gekauft hatte. Ein ehemaliger Maryami, Aldo Vidali, der sich m it Koslow gegen Schuon gestellt hatte, wurde von einem anderen Maryami wegen der angeblich betrügerischen Abänderung eines maritimen Vertrags verklagt. Außerdem klagte sein eigener Sohn gegen ihn wegen des vermeintlichen Verkaufs eines Segelbootes, an dem er angeblich zu einem Drittel beteiligt war.170 Andernorts veröffentlichte Ziauddin Sardar, der ein eingefleischter Gegner der Ansichten Nasrs war, eine Rezension einiger der Bücher Nasrs in der Zeitschrift Insight International. Er zitierte eingangs Nasrs aufwendiges Lob für Schuon und beschrieb danach mit offensichtlicher Schadenfreude und in feindseligster Weise die gegen Schuon erhobenen Anschuldigungen.171 Gerüchte über die Ereignisse auf Inverness Farms

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verbreiteten sich allmählich bei den Traditionalisten in Europa und in westlichen und islamischen Sufi-Kreisen, die nicht mit dem Traditiona­ lismus in Verbindung standen. Mitglieder der Inverness-Farms-Gemeinschaft versuchten, die Verbreitung zu verhindern. Beispielsweise erwirk­ ten sie eine gerichtliche Verfügung aus urheberrechtlichen Gründen, die Aldo Vidali an der Verbreitung offenbar kompromittierender Fotogra­ fien Schuons hindern sollte. Später strengten sie eine weitere Klage ge­ gen ihn an, als er statt der Fotografien Abzeichnungen eines Fotos in Umlauf brachte.172 Doch der Schaden war bereits angerichtet. Schuon, inzwischen ein alter und offenbar verstörter Mann, schrieb an seine vornehmlichen muqaddamun, dass er sich von der Leitung der Maryamiyya zurückziehe und dass sie fortan selbstständig Vorgehen soll­ ten. Lings, Nasr und der Maryami muqaddam für die Schweiz bekunde­ ten Schuon zwar ihre Treue, aber sie begannen nun, in der Praxis von ihm unabhängig zu agieren.173 Sie haben seitdem die Maryamiyya ohne Einbeziehung des späteren Primordialismus Schuons fortgefiihrt und treffen sich alljährlich in Kairo, um ihre Bemühungen zu koordinieren. Diese Gruppen in der Maryamiyya hatten immer schon den Islam be­ tont, und seit Beginn der 1990er Jahre sind sie noch betonter islamisch geworden. Schuon verbrachte seine letzten Lebensjahre, indem er sich seinen Schriften widmete. Er verfasste unter anderem rund dreitausend Gedichte in seiner deutschen Muttersprache und starb 1998.174 Die Ge­ meinschaft von Inverness Farms existiert noch immer, und es heißt, sie sei auch weiterhin primordialistisch ausgerichtet. In den letzten Jahren hat sie sich nur wenig vergrößert, der größte Zuwachs ergibt sich durch die Aufnahme der inzwischen volljährig gewordenen Kinder von Mit­ gliedern.175 Seit dem Tode Schuons ist sie nicht mehr auf Geheimhaltung bedacht, und obwohl Inverness Farms von einem hohen Sicherheitszaun umgeben ist, der neugierige Blicke abhält, kann die Maryamiyya selbst nun offen besprochen werden.176 Die Reaktionen anderer Maryami waren unterschiedlich. Den in­ nersten Zirkel von Inverness Farms ließen die Anschuldigungen unbe­ rührt. Denn für den Fall, dass Koslows Anschuldigungen grundlos ge­ wesen waren, wussten sie dies; waren sie aber begründet, so hätten sie diese Vorgänge durch ihre Teilnahme gebilligt und sahen daher kein Vergehen darin. Wie dem auch sei, Catherine Schuon bringt ihre Hai-

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tung am besten zum Ausdruck: »Die Gegenwart von Heiligkeit kann [...] Hass hervorrufen. So musste der Scheich die schmerzliche Erfah­ rung machen, dass Leute sich gegen ihn erhoben und ihn fälschlich be­ schuldigten.«177 Andere wandten ihren Blick von der Inverness-Farms-Gemeinschaft ab: Offenbar hatten sich dort befremdliche Dinge zugetragen. Sie ga­ ben vor allem Schuons Gefolge die Schuld und nicht Schuon selbst. Es sei weder richtig noch sinnvoll, zu tief in etwas eindringen zu wollen, was seiner Natur nach unmöglich sei. Schon dreizehn Jahre zuvor hatte Burckhardt auf frühere Anwürfe gegen Schuon reagiert: »Glauben Sie, Gott könnte Menschen enttäuschen, die sich seit über vierzig Jahren auf dem Pfad befinden, indem sie ihr Gottvertrauen in die Person ihres Meisters legen, ganz wie es sich gehört? [...] Glauben Sie, G ott könnte sie mit einer skandalösen Enttäuschung belohnen wollen?« »Ist es denk­ bar, dass ein Mensch, dessen ganzes Wesen aus geistiger Unbestechlich­ keit besteht, [...] einer banalen Versuchung erliegen sollte?«178 Einige Leute verließen jedoch die Maryamiyya und schlossen sich anderen Sufiorden an, zum Beispiel der ursprünglichen algerischen Alawiyya. Einige kehrten dem Islam den Rücken und entschieden sich für andere Religionen oder für gar keine. Die meisten waren eine Zeitlang mehr oder minder desorientiert; einigen widerfuhren tiefes Leid und persönliche Tragödie.179 Andere entfernten sich so weit als möglich von dem, was ein amerikanischer Maryami, der in der arabischen W elt lebt, als das »Dunkel unterhalb der Leuchte« bezeichnete. Sie folgten dem Vorbild Danners, der sich privat von Schuon distanziert hatte, aber trotzdem daran festhielt, Schuon sei der authentische Scheich eines au­ thentischen Sufiordens, aber »von mittelmäßigen und sogar bösartigen Menschen umgeben, für deren Fehler Schuon selbst weitgehend blind war«.180 So hatte ein Maryami seine Zweifel gegenüber Danner ausge­ drückt. Auf dessen Bericht über seine Abkehr von der Maryamiyya und seinen Beitritt in die Alawiyya schrieb Danner ihm freundlich, dass »die Anbindung an einen anderen Scheich eine der Lösungen für die zahl­ reichen Probleme ist, die [von Schuon] gestellt werden«. Zugleich riet er ihm, »sich nicht mit Schuldzuweisungen gegen [Schuon] oder irgend­ einen seiner hiesigen Anhänger aufzuhalten. [...] Andernfalls möchte der Gedanke an ihn Ihren Geist verfinstern.«181

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Für viele langjährige Maryami war die Entwicklung der Gemein­ schaft auf Inverness Farms eine zutiefst verstörende Tragödie. Verschie­ dene Erklärungsversuche wurden unternommen, man sprach von den Auswirkungen des amerikanischen Umfelds oder vom verderblichen Einfluss Estelies. Die häufigste Erklärung bedächtiger Ex-Maryami-Traditionalisten ist jedoch die, Schuon habe die richtige, perennialistische Beachtung der transzendenten Einheit der Religionen mit dem albernen und unmöglichen Versuch verwechselt, eine einzige einheitliche Reli­ gion auf Erden zu schaffen. Schuon hatte die Tatsache aus dem Auge verloren, dass »die religio perennis keineswegs die vorweggenommene Offenbarung der universellen Weltreligion ist, die [am Ende der Zeiten] kommen soll, noch die Wiedererscheinung der spirituellen Form des primordialen Goldenen Zeitalters«.182 Der Versuch, dem primordialen Zustand »eine sinnliche Form zu verleihen, die sich aus Elementen des Islam, des nordamerikanischen Schamanismus [... ] und der chrisdichen Ikonografie« zusammensetzte, führte dazu, dass »die authentische Esote­ rik durch eine Fantasie ersetzt wurde«.183Wie zuvor schon erwähnt, hatte Huston Smith in einem anderen Kontext die rhetorische Frage gestellt: »Wer kann schon sagen, was das gemeinsame Wesen aller Weltreligionen ist, und wie könnte eine Darstellung dieses Wesens der Prägung durch die sprachliche Eigenart und persönliche Perspektive des jeweiligen Ver­ fechters entgehen?«184Nach dieser Auffassung hatte Schuon den Versuch einer Antwort auf diese Frage unternommen, und seine Antwort war allerdings von persönlichem Gepräge.

9. Terror in I t a l i e n

Julius Evola und Frithjof Schuon waren die am längsten überlebenden Traditionalisten der ersten Generation. Vor seinem Tod im Jahre 1974 sollte Evola noch eine wichtige Rolle in der italienischen Nachkriegsge­ schichte spielen. Er wurde der bekannteste und meistgeschmähte Tradi­ tionalist. Die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges diskreditierten den Faschis­ mus in Italien vollständig, doch im Gegensatz zu Deutschland gab es in Italien kein entsprechendes Entnazifizierungsprogramm der Alliierten, so dass sich in den Folgejahren die extreme politische Rechte in Italien schneller erholte als in Deutschland. Dabei erwies sich für Evola von Vorteil, dass er während des Krieges eine Randfigur ohne persönliche Schuld gewesen war. Die Politik der extremen Rechten im Italien der Nachkriegsjahre lässt sich in zwei Perioden unterteilen: Eine davon war in gewisser Weise m it Mussolinis Faschismus verknüpft, die andere mit dem neuen Radikalis­ mus, der aus den sozialen und politischen Wirren von 1968 stammte. In beiden Phasen wurde die führende Partei der Rechten, der Movimento Sociale Italiano (MSI), durch eine Reihe von außerparlamentarischen Bewegungen unterstützt. Für viele dieser Gruppen waren die Werke Evolas von zentraler Bedeutung, obwohl nicht für den MSI selbst. Obwohl die Art seiner Beteiligung unklar ist, hatte sich Evola zuerst an der Fasci di Azione Rivoluzionaria oder FAR beteiligt, der frühesten rechtsgerichteten Gruppierung der Nachkriegsjahre. Die FAR wurde Ende 1946 gegründet und teilte sich bald in zwei Gruppen, eine revolu­ tionäre und eine »utopische«. Im Jahre 1949 hatte Evola in der Zeit­ schrift einer MSI-Jugendgruppe, Imperium, einen Artikel m it dem Titel »Due intransigenze« (Zwei Kompromisslosigkeiten) veröffendicht. Er setzte sich für den Vorrang einer spirituellen Revolution ein und war vermutlich an den utopischen Flügel der FAR gerichtet. Dieser Artikel bildete im Jahr 1950 die Grundlage einer wichtigen Broschüre, Orien-

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tamenti (Orientierungen).185 Zu dieser Zeit dachte Evola noch immer an einen initiatischen, uranischen Orden, wie er in Kapitel 5 dargestellt wurde. Es sollte allerdings nicht mehr ein italo-germanischer Orden sein, wie er ihm während des Zweiten Weltkriegs vorgeschwebt hatte. Einer Quelle zufolge unterstützte er die Ziele und Aktivitäten von Junio Valerio Borghese, einem Aristokraten, Faschisten und Kriegshelden des Zweiten Weltkriegs.186 1951 verhaftete die italienische Polizei an die dreißig Mitglieder der FAR und bezichtigte sie eines Komplotts zur Wiedereinführung des Fa­ schismus. Evola war unter den Verhafteten, obwohl er kein Mitglied der FAR war. Er wurde beklagt, die FAR durch seine Schriften angestiftet zu haben, eine Anschuldigung, die vor Gericht nicht standhielt, so dass Evola freigesprochen wurde.187 Das öffentliche Interesse, das dieser Pro­ zess auslöste, förderte den Start der Nachkriegskarriere Evolas. Er erwei­ terte die Broschüre Orientamenti zu einem Buch, das 1961 mit dem Titel Cavalcare la Tigre: Orientamenti esistenziali per unepoca della dissoluzione erschien (Den Tiger reiten: Existentielle Orientierungen in einem Zeitalter der Auflösung). Dieses Buch markiert zugleich das Ende von Evolas Interesse an initiatischen und uranischen Orden.188 Die wichtigste Organisation der Rechtsextremen in der ersten Phase italienischer Nachkriegsgeschichte war Ordine Nuovo (Neuer Orden), eine Splittergruppe der MSI und Terrororganisation, die Pino Rauti 1956 gegründet hatte.189 Rauti war ein engagierter Anhänger Evolas, und der Ordine Nuovo verfolgte das Ziel, »alles zu verteidigen, was an Traditio­ nellem gerettet werden konnte und einen >Pol< gefunden hat«. Ordine Nuovo gab eine gleichnamige Zeitschrift heraus und veranstaltete Kurse und Seminare, die von Evolas und manchmal Guenons Werken ausgin­ gen, einschließlich der Orientamenti Evolas.190 Eine kleine Gruppe in­ nerhalb des Ordine Nuovo widmete sich sogar den frühesten Interessen Evolas, der zeremoniellen Magie und dem römischen Neopaganismus, und gründete in den späten 1960cm in Rom I Dioscuri (griechisch Dioskouroi, Söhne des Zeus). Über die Aktivitäten dieser Gruppe ist wenig bekannt, abgesehen davon, dass viele ihrer Mitglieder Selbstmord be­ gingen. Man munkelte von Opferhandlungen, wobei hier vermutlich von Tieropfern die Rede war.1911975 hatten I Dioscuri ihre Tätigkeiten in Rom eingestellt, obwohl in Messina noch ein Zweig Weiterbestand.192 1

Terror in Italien

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Die meisten Aktivitäten des Ordine Nuovo waren jedoch politisch. Der italienische Soziologe Franco Ferraresi ist der Ansicht, der O rdine Nuovo und seine Zeitschrift hätten einer Vielzahl kleinerer, lose verbun­ dener Gruppen als Bezugspunkt gedient, von denen einige eher zu be­ waffneten Aktionen neigten als zu intellektuellen Tätigkeiten —es kam zu Bombenattentaten und einem Putschversuch. Doch der unmittelbare Anstoß zur Gewalt ging für die G ruppen des Ordino Nuovo nicht so sehr von Evola aus. Entscheidend waren viel­ mehr die ersten Jahre des Kalten Krieges. In Algerien bildete sich m it dem Front de liberation nationale (FLN, nationale Befreiungsfront) eine bewaffnete nationalistische Bewegung, welche letztlich die Franzosen aus Algerien vertrieb. Die Italienische Kommunistische Partei (PCI) war die stärkste kommunistische Partei Europas. Die Sorge, Italien könne der Sowjetunion »anheimfallen«, war in Washington wie auch in Teilen der italienischen Regierung, des Militärs und der Sicherheitsdienste weit verbreitet. Demnach führte die Sowjetunion einen unkonventionellen, »revolutionären« Krieg gegen den Westen vermittels Gruppen wie der FLN und der PCI. Es war das Recht und die Pflicht der westlichen Staa­ ten, dem revolutionären Krieg wie einem konventionellen Krieg durch den Einsatz entsprechender Waffen zu begegnen: m it aufständischen und terroristischen Taktiken, welche Gruppen wie die FLN m it offen­ sichtlichem Erfolg verwendeten.193 Einige Anhänger Evolas aus dem Ordine Nuovo halfen das Konzept des revolutionären Krieges zu verbreiten.194 Sie standen jedoch nicht an der Spitze dieser Bewegung, die in keiner Weise m it dem Traditionalismus zu tun hatte. Eine römische Gruppe, die aus dem O rdine Nuovo hervorgegangen war, die Avanguardia Nazionale Giovanile (Nationale Avangarde der Jugend), wurde von Stefano Delle Chiaie angeführt. Sie war führend in der Umsetzung dieser Theorie. M it ihren etwa 500 M it­ gliedern war die Avanguardia Nazionale für mindestens fünfzehn Terror­ anschläge zwischen 1962 und 1967 verantwortlich und genoss zuweilen die Sympathien (und möglicherweise die Unterstützung) mancher Eiemente innerhalb des italienischen Sicherheitsapparats.195 Die Strategie war manchmal direkt, manchmal »indirekt«. Eine Reihe von Aktivisten der Avanguardia Nazionale bekehrte sich beispielsweise scheinbar zur Linken und tauchten 1968 unter Gruppen linksgerichteter Studenten als

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Evola scheint also gebilligt zu haben, was in seinem Namen verübt wurde, vorausgesetzt, dass es mit der richtigen spirituellen Vorbereitung geschah. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Evola für den rechtsextremen Terrorismus in Italien alleinverantwortlich war. Er war nicht der einzige Autor, den die Terroristen lasen: Freda gründete einen Verlag, AR, der neben Evola auch Oswald Spengler und Friedrich Nietzsche verlegte so­ wie Werke von Corneliu Codreanu und Muammar al-Gaddafi.219Dane­ ben spielten eine Reihe sozialer, wirtschaftlicher und politischer Fakto­ ren eine wichtige Rolle. Der Terrorismus der 1960er bis 1980er war ein italienisches, nicht bloß ein rechtsextremes Phänomen. Nach Ansicht Roger Griffins »schuf 1968 ein Klima, in dem Evola hätte erfunden wer­ den müssen, wenn es ihn nicht schon gegeben hätte«.220 In Westeuropa kam im Jahr 1983 die politische Gewaltausübung von rechts im wesentlichen zum Stillstand, nicht aber die Rechte selbst oder der Traditionalismus Evolas. Evola, und bis zu einem gewissen Grad auch Guenon, werden weiterhin von der Neuen Rechten gelesen, was zu der Fehleinschätzung führt, beide seien im Prinzip Theoretiker des Fa­ schismus. Ende des 20. Jahrhunderts war das wichtigste Beispiel für den Tradi­ tionalismus Evolas nicht in Westeuropa, sondern in Russland zu finden, was in einem späteren Kapitel behandelt werden soll. Auch in Ungarn, Deutschland, Österreich, Frankreich und Argentinien sowie in Italien und vielleicht auch anderen Ländern gab es Gruppen von Evola-Anhängern. Unter diesen waren die ungarischen und die italienischen natür­ lich die wichtigsten. Obwohl der traditionalistische Terror in Italien 1983 endete, bedeu­ tete dies nicht das Ende der Traditionalisten, die daran beteiligt waren. Einige, wie Fredas ehemaliger Anhänger Claudio Mutti,221 verfolgten weiterhin unabhängig und gewaltlos ihre Ziele. Andere widmeten sich anstelle der Aktion dem Denken und den Schriften Evolas. Dazu gehör­ ten vor allem diejenigen, die sich um die 1974 gegründete Fondazione Julius Evola scharten, die Ende des 20. Jahrhunderts Bücher und Zeit­ schriften veröffentlichte, regelmäßig Konferenzen organisierte und eine Webseite betrieb.222 Eine Reihe von Evola-Studienkreisen existierte wei­ terhin, darunter mindestens zwei, die ein Teil der Jugendorganisation der Alleanza Nazionale waren, einer allgemein rechtsgerichteten Front,

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die zwischen 1995 und 2009 als gemäßigte Nachfolgeorganisation der faschistischen MSI bestand und 2001 unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi fünf Minister und den Posten des Vize-Premiers stellte.223 Freda, den viele Anhänger Evolas ablehnten und der 1972 zu sech­ zehn Jahren Haftstrafe verurteilt wurde, tauchte Ende der achtziger Jahre wieder auf. 1991 gründete er die Fronte Nazionali. Ihr gehörten überwie­ gend die Skinheads an, und ihr Hauptanliegen war die Zuwanderung, nicht in der Form eines groben Rassismus, sondern in Form von Angrif­ fen auf den Multikulturalismus im Namen einer Wahrung der Reinheit der verschiedenen Traditionen. 1999 wurden jedoch Freda und etwa fünfzig seiner Anhänger wegen »Anstiftung zur Rassendiskriminierung« verurteilt. Im Jahr 2000 wurde die Fronte Nazionali durch ein Dekret des Innenministers aufgelöst, ihre Vermögenswerte beschlagnahmte man.224Es gab jedoch Gerüchte, dass die Aktivisten der Fronte Nazionali in Verbindung mit Mitgliedern der Alleanza Nazionale dazu beigetragen hatten, die gewaltsamen Ausschreitungen zu schüren, die Italien 2001 während der Proteste gegen Globalisierung auf dem G8-Gipfel in Genua so erschüttert hatten.225 Der Traditionalismus in Ungarn und in Rumänien wurde noch vor dem Zweiten Weltkrieg begründet. Er überlebte den Kommunismus und tauchte in den 1990er Jahren wieder auf. Evolas erster Anhänger in Ungarn war Bela Hamvas gewesen, ein Bibliothekar und Journalist, der zwischen 1935 und 1943 Schriften über den Traditionalismus veröffent­ lichte. Nach 1945 sah sich Hamvas jedoch gezwungen, als Nachtwächter zu arbeiten, aber er teilte sein Interesse am Traditionalismus einem jün­ geren regimekritischen Philosophen mit, Andras Läszlö. 1975 begann Laszlö einem Kreis von zwanzig oder dreißig Dissidenten Privatunter­ richt in Philosophie und Traditionalismus zu erteilen, und dieser Kreis entwickelte sich in den 1990er Jahren zu offenem Traditionalismus.226 Ein Hamvas Bela Kör (Bela Hamvas Kreis) wurde gegründet, ein Verlag im Sinne Evolas (Arkhe) und drei verschiedene an Evola orientierte Gruppen.227 Ende des 20. Jahrhunderts war die bedeutendste ungarische Traditionalisten-Gruppe die Kard-Kerezst-Korona Szövetseg (Allianz von Schwert-Kreuz-Krone) von Tibor Imre Baranyi mit Sitz in Debrecen, nahe der rumänischen Grenze. Es ist nicht genau bekannt, welchen Um-

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fang die Kard-Kerezst-Korona Szövetseg besaß, aber er könnte erheblich gewesen sein. Diese Gruppe betrieb einen Verlag, eine Zeitschrift und eine Kirche —A Metafizikai Hagyomäny Egyhäza (Die Kirche der meta­ physischen Tradition). Diese Kirche diente »einer absolut universellen Religion [...] auf der Basis der primordialen und universellen spiritu­ ell-religiösen Tradition«.228 Obwohl sich der postkommunistische ungarische Traditionalismus auf Evola, Hamvas und Läszlö stützte und offensichtlich politische Ziele verfolgte, hatte er ein größeres Interesse an Guenon, Schuon und der Religion im Allgemeinen als der Traditionalismus im Nachkriegsitalien. Eine ähnliche Besinnung auf die religiösen Wurzeln des Traditionalis­ mus ist auch in Italien zu beobachten. Arx, der Zweig der DioskuriGruppe in Messina, der in den 1960er Jahren aus dem Ordine Nuovo entstanden war, wurde in den 1980er Jahren wiederbelebt. Man traf sich verschiedendich, um auf die Wiedervereinigung der unterschiedlichen Stränge des römischen Neo-Paganismus hinzuarbeiten. 1988 kam auf­ grund dieser Bemühungen die Movimento Tradizionalista Romano zu­ stande und 1992 die Curia Romana Patrum, die das neoheidnische Ritual standardisierte und die verschiedenen Kalender vereinheidichte, welche die einzelnen Gruppierungen bisher verwendet hatten. Der Curia Ro­ mana Patrum folgten mindestens fünf weitere neoheidnische Gruppen in verschiedenen Gegenden Italiens. Es ist nicht bekannt, welche Rolle der Traditionalismus für diese Gruppen spielt, es scheint jedoch kaum einen politischen Schwerpunkt zu geben.229 Wenngleich auch im ausgehenden 20. Jahrhundert Evolas Bedeu­ tung für die extreme Rechte in Europa (und sogar für Teile der amerika­ nischen Rechtsextremen) bestehen blieb, war sein Werk nun nicht mehr dominant. Für einen der führenden Autoren und Verleger der europäi­ schen Neuen Rechten, Alain de Benoist, waren Evola und Guenon zwar von Interesse, insbesondere von historischem Interesse, aber nicht mehr von aktueller Bedeutung. De Benoist hatte die meisten ihrer Werke gele­ sen und sogar über sie geschrieben, aber seine eigenen Ideen und die Konzepte beruhen auf einer Grundlage, die mit jeglicher Variante des Traditionalismus unvereinbar ist.230

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In den 1950er und 1960er Jahren trug der gemäßigte Traditionalismus Mircea Eliades zu einer Umwandlung amerikanischer Religionswis­ senschaften bei. In Frankreich gewann die Indologie Louis D um onts zunehmend an Einfluss. Ihr lag ein gemäßigter Traditionalismus zu­ grunde. Henri Hartung und sein Institut des Sciences et Techniques H umaines begannen indes eine Umgestaltung der Erwachsenenbildung. Hartung zielte auf die unmerkliche Umgestaltung des allgemeinen kul­ turellen Rahmens, doch nach einigen Jahren zog er 1968 den Schluss, dass seine dahingehenden Bemühungen vergeblich gewesen seien. Er gab seinen sehr gemäßigten Traditionalismus auf und entschied sich für eine »strenge« Variante, die allerdings erst recht vergeblich war. Ebenfalls in Frankreich stützte sich ein führender jüdischer Pädagoge, Rabbi Leon Ashkenasi, auf den Traditionalismus, wiewohl innerhalb enger Grenzen, die verdeutlichen, warum ein jüdischer Traditionalismus so selten zu fin­ den ist. Zugleich bewies Paul de Selignys Projekt des lln stitu t scientifique d’instruction et d’education (Wissenschaftliches Institut für U nterricht und Bildung), wieweit der Traditionalismus von Guenons erklärten Zie­ len wegzuführen vermochte.

Religionswissenschaften in Amerika Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verließ Mircea Eliade die rum ä­ nische Gesandtschaft in Portugal, um nach Frankreich umzusiedeln, wo er ab 1945 Religionswissenschaften an der Sorbonne unterrichtete. Sein französisches Werk begründete seinen Ruf im Westen, denn seine frü­ heren rumänischen Schriften waren weitgehend unzugänglich. Obwohl er vorübergehend in der rumänischen Auswandererpolitik mitmischte und mit der finanziellen Unterstützung eines ehemaligen Mitglieds der

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Legion des Erzengels Michael die Tageszeitung Lucea Farul (Morgen­ stern) mitbegründen half, scheint er sich schon bald von vielen seiner Vorkriegsgefährten zurückgezogen zu haben. Er traf nur ein einziges Mal, 1948, mit Michel Välsan zusammen.231 Auch Julius Evola traf er einmal in Rom, vermudich 1949, und korrespondierte mit ihm, doch der Briefwechsel scheint 1952 oder 1953 abgebrochen worden zu sein.232 Seine Aktivitäten vor dem Krieg waren in Frankreich nicht bekannt. In dieser Zeit wurden die Unternehmungen Eliades finanziell von der Bollingen-Stiffung getragen. Diese wohlhabende Stiftung, gegründet von Paul Mellon (von Gulf Oil), förderte auch eine einflussreiche Serie über Religion (Bollingen Series), die von der Princeton University Press her­ ausgegeben wurde, sowie die alljährlichen Eranos-Konferenzen, die ab 1933 in Ascona in der Schweiz stattfanden. Eliade nahm regelmäßig an den Eranos-Konferenzen teil und veröffentlichte wie auch Coomaraswamy in der Bollingen-Reihe.233 Obwohl die Bollingen-Stiftung zur Ver­ breitung der neuen Art von Religionswissenschaft im Sinne Eliades bei­ trug, war die Stiftung doch in keiner Weise eine traditionalistische Organisation. Sie stützte sich vielmehr auf das Werk C. G. Jungs, der in Eranos das Sagen hatte, und wurde später seinem Andenken gewidmet. Auch Mellons Ehefrau war eine Jung-Verehrerin gewesen.234 Das Werk und die Interessen Jungs und Eliades hatten zwar Überschneidungs­ punkte, aber es gab doch mehr, was sie voneinander unterschied. Jung, Bollingen und Eranos gehörten einer anderen geistesgeschichtlichen Strömung an als Eliade. Eliades Ruhm wuchs, und 1958 wurde er auf den Lehrstuhl für Re­ ligionsgeschichte an der Universität von Chicago berufen, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1986 lehrte. Wahrend dieser Jahre betätigte er sich hauptsächlich als Wissenschaftler und hielt sich sonst sehr bedeckt. Ob­ wohl einer seiner Doktoranden ihn als offenkundigen Traditionalisten in Erinnerung hat, vermied Eliade allgemein die Diskussion politischer Themen und seiner persönlichen religiösen Überzeugungen.235 Es war sicherlich eine gute Entscheidung, einen Schleier über seine Vergangen­ heit zu werfen. Erst kurz vor seinem Tod wurden seine Verbindungen sowohl zu den Traditionalisten als auch zur Legion des Erzengels Mi­ chael wiederentdeckt und »sein verschmitztes Lächeln wurde durch die Gerüchte moralischer und politischer Zweideutigkeit verfinstert«.236

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Wahrend der 1960er und 1970er Jahre war Eliades Einfluss au f die amerikanische Religionswissenschaft enorm. Zwei Jahre vor seinem Tod kam dies durch die Ehrung der wichtigsten amerikanischen Vereinigung zur Studium der Religionen zum Ausdruck, als die 75. Jahrestagung der American Academy of Religion (der AAR) ihm gewidmet wurde.237 Die Bedeutung seines Werkes für die Religionswissenschaften liegt nicht im Detail seiner Forschung, sondern in seinem grundlegenden Ansatz —das heißt, in seinem »gemäßigten« Traditionalismus. Eliade bewirkte in der amerikanischen und bis zu einem gewissen Grad auch in der westeuro­ päischen akademischen Welt, dass sich die Religionswissenschaften zu einem eigenständigen Studiengebiet entwickelten, anstatt nur eine Bei­ lage der Theologie oder Soziologie zu sein. Vor Eliade waren nichtchristliche Religionen entweder aus rein christlicher Sicht untersucht worden, als liberales Vermächtnis m ittel­ alterlicher Heresiographie, oder aus materialistischer Sicht, wie von Max Weber und dessen Schüler Joachim Wach, der Eliades Vorgänger an der Universität von Chicago war. Was Eliade als »archaische« Religion bezeichnete und Guenon als »Tradition«, wurde damals allgemein als »pri­ mitive« Religion bezeichnet, ein Begriff, der implizit den evolutionä­ ren Gedanken enthielt, dass diese Religionen irgendwie unvollständige Vorläufer einer vollkommenen, späteren Religion seien. Dies war die Auffassung des (von Evola so geschätzten) Philosophen Johann Jakob Bachofen sowie die Standardansicht des 19. Jahrhunderts. Bis in die 1950er Jahre war diese Ansicht unter Wissenschaftlern weit verbreitet, wie sie es in der breiten Öffentlichkeit heute noch ist.238 Von dieser Ansicht unterschied sich Eliades Ansatz radikal. Er wurde zum Prototyp dessen, was als »autonome« Religionswissenschaft be­ zeichnet wurde, wie sie heute allgemein akzeptiert wird.239 W ie schon in Kapitel 5 erwähnt, verwarf Eliade die evolutionäre Hypothese m it der Begründung, die moderne Betrachtung der Dinge sei grundsätzlich eine andere als die archaische. Da sie atypisch sei, sollte man sie außer Acht lassen. Dadurch gab er der archaischen Religion (oder der Tradition) den Vorzug vor der Moderne und verdrängte sowohl den christlichen als auch den materialistischen Standpunkt aus der Religionswissenschaft. Der chrisdiche Ansatz wurde aus offensichtlichen Gründen verdrängt: Archaische Religion war wichtiger als das zeitgenössische Christentum .

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Die materialistische Perspektive wurde außer Kraft gesetzt, weil sie sich evolutionär gebärdete. Eliades Projekt erforderte dagegen, dass Religio­ nen »auf ihrer eigenen Bezugsebene« untersucht würden, d. h. aus ihrem eigenen Kontext heraus. Sie sollten daher nicht nach materialistischen Begriffen untersucht werden, sondern nach den Begriffen ihres jeweili­ gen Glaubens. Das »autonome« Studium der Religion bedeutete sowohl eine Revo­ lution der Methodik als auch eine Revolution der Universitätsstruktu­ ren. Tausende von amerikanischen Religionswissenschaftlern, die an der jährlichen Konferenz der AAR teilnehmen, sind die Frucht dieser Revo­ lution. Ihre Fakultäten verdanken Eliade ihre Existenz. Niemand von ihnen würde heute auch nur einen Augenblick lang in Erwägung ziehen, Forschungsergebnisse nach christlichen oder rein materialistischen Be­ griffen vorzustellen, obwohl sie sich natürlich über mögliche Auswir­ kungen materieller Faktoren auf religiöse Phänomene klar sind.240 Der »autonome« Ansatz, den Eliade vertrat, leitet sich zumindest teilweise vom rumänischen Traditionalismus der 1930er Jahre ab. Es gab natürlich auch andere Faktoren: nicht zuletzt die Tatsache, dass die chrisdichen und materialistischen Perspektiven Zeichen von Alters­ schwäche aufzuweisen begannen. Darum ließen sie sich auch so leicht ersetzen. Amdere warteten mit ähnlichen Ersatzkonzepten auf: Theore­ tische Rechtfertigungen des »autonomen« Ansatzes für das Studium der Religion lassen sich auch an anderer Stelle leicht finden. Eliade selbst verwies auf das Werk Rudolf Ottos, der in seiner Schrift Das Heilige (1917) das brauchbare Konzept des »Numinosen« eingefiihrt hatte, das letzdich auf Kant zurückgeht.241 Dass Ottos Konzept Guenon zu bekräf­ tigen schien, kam Eliade gewiss sehr gelegen, da es ihn zumindest der Verpflichtung enthob, Guenon zu zitieren. Eliades Ansatz in der Religionswissenschaft wurde natürlich auch kritisiert. Es wurde zum Beispiel eingewendet, dass das Studium der Re­ ligionen »auf ihrer eigenen Bezugsebene« zu einer Isolation der Reli­ gionswissenschaft führe.242 Das ist zweifellos richtig, aber es ist eher ein allgemeines Problem der heutigen akademischen Welt, dass eine wissen­ schaftliche Disziplin von der anderen isoliert ist. Das Problem ist durch­ aus erkannt und bis zu einem gewissen Grad berücksichtigt worden, in­ dem man zunehmend interdisziplinäre Studien betont. Gewichtiger war

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der Vorwurf, Eliade warte mit »unkritischen universellen Verallgemei­ nerungen« auf.243 Die gemäßigt traditionalistische These eines allgemei­ nen Modells menschlicher Religiosität ist vielfach angegriffen worden, zumal von denjenigen, die zu beweisen suchen, dass es gar kein allge­ meines Modell gebe, dass der Mythos nicht universell sei und dass das In-einen-Topf-Werfen aller archaischen Völker und ihrer Systeme »ag­ gressiv assimilatorisch« und somit unseriös sei.244 Eliades Ansichten über die zyklische und lineare Zeit waren schon früh in Zweifel gezogen wor­ den, da sie, wie es hieß, historisch schlichtweg unrichtig seien.245 In die­ sen beiden kritischen Anwürfen vernehmen wir einen Nachklang des Kommentars Sylvain Levis zu Guenons Doktorarbeit aus dem Jahre 1921. Eine Kritik, gegen die Eliade in Schutz zu nehmen ist, ist die der Unwissenschaftlichkeit, da sein Projekt nur eine Version des traditionalistischen Standardforschungsprojekts sei, das unter falscher Flagge segle. Eliade wurde sogar vorgeworfen, er habe »seine Quellen vertuscht«.246 Obwohl die Ausführung in Kapitel 5 dieses Urteil teilweise bestätigt, war hier gewiss keine »Duplizität« im Spiel. Der spätere Eliade begriff sich sicherlich nicht als Traditionalist, der unter falscher Flagge segelte.247 Die traditionalistische Herkunft seines Ansatzes bedeutet nicht, dass man sein Werk deswegen verwerfen könnte. Seine wissenschaftliche For­ schung sollte besser nach ihren eigenen Verdiensten beurteilt werden. Es gab allerdings einen wichtigen späteren Versuch, den strengeren Traditionalismus in den herrschenden akademischen Diskurs einzufiihren. Dies geschah bei einer Reihe von Sitzungen während der jährli­ chen Treffen des AAR in den 1980er Jahren. Die Vereinigung war inzwi­ schen derart angewachsen, dass sie in mehrere »Abteilungen«, »Gruppen« und »Seminare« unterteilt werden musste.248 1986 wurde eine G ruppe namens »Esoterik und Perennialismus« gegründet, die fiir den Traditio­ nalismus sprechen sollte, doch nach drei Jahren fiel sie dem Konflikt zwischen den beiden Hauptgruppen zum Opfer, die sich nicht auf eine Agenda einigen konnten. Eine Gruppe, die sich hauptsächlich aus französischen Wissenschaftlern zusammensetzte, wollte den Traditionalismus als religiöses Phänomen untersuchen, so etwa, wie es in diesem Buch geschieht. Die andere Gruppe, die zumeist aus amerikanischen Wissenschaftlern bestand und in der Maryami vorherrschten, wollte die

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Religion von einem traditionalistischen Standpunkt aus erforschen. Die Zusammenstöße oder die »intensive Debatte« zwischen diesen beiden unvereinbaren Zielen führte zum Zerfall der Gruppe oder vielmehr zu ihrer Umwandlung in ein ganz anders geartetes »Seminar für Theoso­ phie und theosophisches Denken«.249 Der Ansatz, der dieser kurzlebigen AAR-Gruppe zugrunde lag, führte allerdings zu einem interessanten Ergebnis, nämlich zu zwei Ar­ tikeln des Indologen Gene Thursby. Thursby war einer der beiden Tra­ ditionalisten an der Universität von Florida. Durch die Lektüre von Schumachers Guide for the Perplexed250 wurde er auf die Werke des Traditionalismus aufmerksam. Danach nahm er an einem Sommersemi­ nar von Huston Smith in Berkeley teil. Thursby ist Traditionalist, inso­ fern er viele traditionalistische Grundvoraussetzungen akzeptiert, gehört aber, soweit bekannt, keiner traditionalistischen Gruppe an.251 In seinen beiden Artikeln wird der Traditionalismus in die wissen­ schaftliche Standardfachsprache des 20. Jahrhunderts umformuliert. Er erklärt beispielsweise, dass der Traditionalismus »darauf besteht, dass Wege zur Transzendenz und Transformation innerhalb eines traditionel­ len Kontexts liegen müssen. Nur in solchen Gemeinschaften werden die sozialisierenden Strukturen durch eine offenbarte Religion bedingt.«252 Er behandelt den Traditionalismus weder als absolute Wahrheit, wie es Nasr und andere Traditionalisten tun, noch als ein Phänomen, wie die französischen Wissenschafüer der AAR (und das vorliegende Buch), sondern als ein System, eine Art und Weise, die Dinge zu betrachten, d. h. eine Phänomenologie, wie zum Beispiel der Marxismus oder der Strukturalismus. Thursbys Traditionalismus, den er als »perennialistische Anthropolo­ gie« bezeichnet, hat somit das Potential, in den herrschenden Diskurs wesdicher Intellektueller einzugehen, wie es auch bei Eliades Traditiona­ lismus der Fall war, nur dass Thursby den Traditionalismus unter seiner eigenen Flagge segeln lässt, das heißt, dass er ihn auch als solchen be­ zeichnet. Allerdings hat er dieses Potential noch nicht erfüllt. Thursby veröffendichte seine Artikel in Fachzeitschriften,253 erweckte damit aber nur wenig Interesse. Offenbar entmutigte ihn diese Rezeption, so wie auch der Zusammenbruch der AAR-Gruppe, so dass Thursby seither seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwendet.

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Es ist klar, dass die meisten nicht-traditionalistischen Wissenschaft­ ler das Studium der Religion aus einer traditionalistischen Sichtweise natürlich ablehnen werden. Wouter Hanegraaff, erster Lehrstuhlinhaber ftir Esoterik an der Universität Amsterdam, bezeichnete als eines der Hauptprobleme der ernsthaften Esoterikforschung, dass sich Wissen­ schaftler »häufig in Seminaren oder Veröffentlichungsreihen program­ miert finden, an denen auch Perennialisten teilnehmen«. Ebenso sieht der deutsche Islamwissenschaftler Bernd Radtke eines der beiden H aupt­ probleme beim Studium des Sufismus in der »Mystifikation«, der »ne­ gativen Rolle«, die Traditionalisten wie etwa Nasr gespielt hätten. Das andere Problem sei, dass zu wenige englischsprachige Wissenschaftler Deutsch lesen können.254

Soziologie und Judentum in Frankreich Louis Dumonts Karriere in Frankreich hat gewisse Parallelen zu der Laufbahn Eliades in Amerika. Dumont entdeckte Guenon in den frü­ hen 1930er Jahren, während er sich als rebellischer Aussteiger in künstle­ rischen Kreisen in Paris herumtrieb. Anschließend setzte er sein Studium fort und lernte in den Jahren von 1939 bis 1945 als Kriegsgefangener in Deutschland Sanskrit. Nach dem Krieg erwarb er den Doktortitel und unterrichtete vier Jahre lang in Oxford Sozialanthropologie. Von 1955 bis Ende der 1970er Jahre hatte er den Lehrstuhl für indische Soziologie an der Sorbonne inne.255Während dieser Zeit wurden viele künftige So­ ziologen und Indologen Frankreichs von ihm ausgebildet. Sein 1966 erschienenes Buch Homo hierarchicusm ist sein bedeutendstes Werk. Darin entwickelt Dumont eine vollkommen traditionalistische Auffas­ sung der indischen Gesellschaft als repräsentatives Beispiel einer tradi­ tionellen Norm innerhalb einer religiösen Hierarchie. In seiner späteren Schrift Essais sur l’individualisme (Studien zum Individualismus)257 ver­ gleicht er dieses Konzept mit dem modernen Individualismus, der dabei ungünstig abschneidet. Dumont und eine kleine Schar seiner Anhänger, die im französischen Centre National de Recherches Scientifiques ein Forschungsteam bildeten, führten diesen Kontrast weiter aus. Dieses Team war bemüht, eine »französische Schule der Soziologie« zu begrün-

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den, die aber nur in sehr begrenztem Umfang Anerkennung fand.258 Diese Schule ist ein rares Beispiel für die offizielle Anerkennung einer gemäßigt traditionalistischen Strömung in akademischen Kreisen. Wie auch Eliade, zitierte Dumont niemals Guenon, obwohl er sich schriftlich zu einem anderen damals aus der Mode gekommenen Ein­ fluss bekannte, zu Alexis de Tocqueville.259 Guenons Bedeutung für Du­ mont war seinen Kollegen jedoch bekannt.260 1995 hob Roland Lardinois diesen Einfluss in einem Artikel hervor, ungefähr zur gleichen Zeit, als Dumont auf einer Konferenz bestritt, von Guenon maßgeblich beein­ flusst zu sein.261 In seinem Artikel unterstrich Lardinois auch gewisse technische Mängel im Werk Dumonts, die seiner Meinung nach Du­ mont zu seinen quasi-traditionalistischen Schlussfolgerungen geführt hatten. Dumont und seine Kritik des modernen Individualismus standen in den 1970er und 1980er Jahren hoch im Kurs, waren beliebt vor allem bei französischen Schriftstellern und Intellektuellen, die sich den Folgen der 68er widersetzten, vor allem dem Strukturalismus und den quasi-mar­ xistischen Strömungen in der Soziologie. Es gab in Frankreich Stimmen, die eine Rückkehr zu »traditionellen Werten« forderten und den »mo­ dernen Individualismus« angrififen. Diese beriefen sich oft auf Dumont, obwohl sie ihn, nach den Worten eines Kritikers, meist nicht einmal gelesen hatten.262 Sicher war den wenigsten von ihnen klar, dass sie sich dabei gleichzeitig auf Guenon stützten. Guenon beeindruckte auch einen anderen französischen Pädagogen ganz anderer Art, Rabbi Leon Ashkenasi, den Direktor der Gilbert Bloch Schule in Orsay (in der Nähe von Paris), einen Meister der jüdischen mystischen Tradition, der Kabbala.263 Wahrscheinlich stieß Ashkenasi auf das Werk Guenons, als er als 22-jähriger Militärgeisdicher mit der freifranzösischen Armee 1944 zum ersten Mal nach Frankreich kam. Ashkenasi war in Algerien geboren und aufgewachsen, wo sein Vater später Oberrabbiner sowohl traditioneller wie moderner Gemeinden wurde. Seine Eltern stammten beide aus alten Gelehrtenfamilien. Sie sprachen auf informeller Ebene Judäo-Arabisch oder Judäo-Spanisch, bei formellen Anlässen klassisches Hebräisch und im öffendichen Raum Französisch. Ashkenasi ging auf das französische Lycee in Oran und wurde nach Beendigung seines Kriegsdienstes an der Sorbonne aufge-

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nommen und schließlich am Musee de l’homme, wo er unter Claude Levy-Strauss Ethnologie und Anthropologie studierte.264 1945 wurde Ashkenasi als Lehrer an der Gilbert-Bloch-Schule ange­ worben.265 Sie wurde gegründet, um eine neue Generation französischer jüdischer Gemeindefiihrer heranzuziehen, um die im Holocaust Um ge­ kommenen zu ersetzen. Der erste Direktor der Schule war Jacob Gordin, ein Rabbiner russischer Abstammung, der seit 1933 in Frankreich lebte und möglicherweise ebenfalle Guenon gelesen hatte. Er starb 1947, und Ashkenasi wurde ab 1951 Direktor der Gilbert-Bloch-Schule. Er lei­ tete ebenfalls die jüdische Pfadfinder-Bewegung, die Eclaireurs Israelites de France und die Union jüdischer Studenten. An der Gilbert-Bloch-Schule richtete sich Ashkenasi besonders an Studenten, die teilweise säkularisiert waren. Die Hauptaufgabe der Schule schien ihm darin zu liegen, »die jüdische Tradition [...] im Voka­ bular und der Begrifflichkeit des Westens« oder »allgemeiner Philoso­ phie auszudrücken«.266 Diese Notwendigkeit führte ihn zu einem weit­ reichenden Studium des zeitgenössischen und klassischen französischen Denkens. Von Guenon übernahm Ashkenasi die Analyse der Tradition und der Moderne, einige Elemente seiner Terminologie und seine Auf­ fassung, dass die Tradition eng mit der Esoterik verwandt sei. Ashkenasis ursprüngliches Interesse an der Kabbala als dem esoteri­ schen Aspekt der jüdischen Tradition stammte nicht von Guenon, son­ dern von seinem Großvater mütterlicherseits, einem bekannten Meister der Kabbala.267 In den jüdischen Kreisen Nordafrikas, aus denen Ash­ kenasi stammte, war die Kabbala weit verbreitet und hochangesehen, wohingegen die europäischen Juden sie zumeist als Obskurantismus ab­ taten. Die Gegenüberstellung von Tradition und »moderner Mentalität« erwies sich als wirksame Methode, viele seiner Studenten ihrer eigenen Tradition wieder näherzubringen. Ganz ähnlich würde sich diese Ge­ genüberstellung bei iranischen Studenten oder frankophonen Marokka­ nern auswirken, die zu ihren religiösen Wurzeln zurückgefiihrt werden sollen, wie später noch erörtert wird. Ashkenasi formte die führenden Köpfe fast einer ganzen Generation frankophoner Juden und vermittelte vielen von ihnen ein Interesse an Guenon und einigen Aspekten desTraditionalismus.268 Sein Rang und seine Begabung waren so überragend,

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dass Charles Mopsik, ein französischer Gelehrter, eine Erklärung abgab, dass Ashkenasi keine religiöse Sekte begründet hat. Mopsik sieht den Grund dafür zum einen in Ashkenasis Temperament und zum anderen darin, dass er die althergebrachten strengen Regeln für die Weitergabe kabbalistischen Wissens gewissenhaft beachtete.269 Nach Ashkenasis Auswanderung nach Israel im Jahre 1958270 wurde Andre Fraenkel sein Nachfolger als Direktor der Gilbert-Bloch-Schule. Fraenkel war eben­ falls ein Traditionalist nach der Art Ashkenasis.271 Obwohl Ashkenasi maßgeblich dazu beitrug, dass die Kabbala von nun an als achtbares und annehmbares Element der jüdischen Tradition galt und dass die westliche Moderne in sich schon als defekt angesehen wurde, verbreitete er doch nicht den Traditionalismus als solchen. Er starb im Jahre 1996. Seinen späteren Anhängern ist Guenon nur als ein Schriftsteller unter vielen bekannt, an denen Ashkenasi Interesse hatte, und sie verliehen ihm keine besondere Bedeutung.272 Die nächste Gene­ ration wurde hauptsächlich in orthodoxen Yeshivot ausgebildet, wo kei­ nerlei Interesse an Guenon bestand.273 Dies ist fast das einzige bekannte Beispiel eines jüdischen Traditio­ nalismus, und der Grund dafür liegt darin, wie Ashkenasis Traditionalis­ mus sich von der Norm unterschied. Obwohl Ashkenasi die Schriften von Elie Benamozegh, einem Rabbiner des 19. Jahrhunderts, geschätzt haben soll, der den Vorschlag machte, die Kabbala als eine Form von Urreligion zu betrachten, die Juden und Christen miteinander vereinen könne,274glaubte Ashkenasi keinesfalls an eine transzendente Einheit der Religionen. Für Ashkenasi war die primordiale Tradition der Mensch­ heit die jüdische Tradition. Während viele Traditionalisten glaubten, mit der Zerstörung des Tempelrittertums sei dem Westen die überkonfessio­ nelle, ewige Philosophie verloren gegangen, sah Ashkenasi im Judentum die Elemente der Wahrheit, die einige Abendländer übernommen hat­ ten. Ashkenasi stimmte zwar mit der traditionalistischen Diagnose über­ ein, dass mit der Moderne die letzte Phase eines Zyklus begonnen habe, der unaufhaltsam auf die Apokalypse zusteuerte, er unterschied sich je­ doch von ihr in der Bewertung der Gegenmittel.275 Obwohl er sich leichter mit dem Islam anfreunden konnte als mit dem Christentum, das ihm hoffnungslos polytheistisch und sogar heidnisch vorkam,276 staunte er darüber, dass die anderen Traditionalisten nicht sahen, was

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ihm klar vor Augen stand: nämlich, dass die ursprüngliche Tradition gar nicht erst wiederhergestellt werden müsse, sondern bereits vorhanden war, intakt und leicht zugänglich, eben in Form des Judentums. Er ver­ mutete, dass das Desinteresse der Traditionalisten am Judentum au f irgendeine Form des Antisemitismus zurückgehe, und er fragte sich so­ gar, ob Guenon nicht selbst jüdischen Ursprungs gewesen sein könnte, da »Guenoun« ein häufiger sephardischer Familienname ist.277 Des Ju­ dentums entschiedene Ablehnung anderer religiöser Traditionen bildet, so scheint es, eine wirksame Schranke gegen die Weiterentwicklung ei­ nes jüdischen Traditionalismus.

Hartungs Institut des Sciences et Techniques Humaines Nachdem Henri Hartung sich von Schuon getrennt hatte und sich von seiner ersten Frau, die bei Schuon blieb, scheiden ließ, trat er eine neue Laufbahn als Pädagoge an. Er gründete eine anspruchsvolle Abendschule in Paris, die Ecole superieure d’orientation (etwa: Höhere Vorberei­ tungsschule), welche die Schüler für den Eintritt in verschiedene renom ­ mierte Hochschulinstitute vorbereiten sollte. Es war dies ein ähnliches Projekt wie das College Rollin, das Guenon 1904 besuchte. D er G rün­ dungsgedanke der Ecole superieure d’orientation beruhte auf H artungs Beobachtung, dass viele Studenten das Gymnasium zwar m it reichli­ chem Wissen verließen, dabei aber wenig Vorstellung davon hatten, was sie damit anfangen könnten. Hartung unterrichtete daher nicht nur die Fächer, die für die verschiedenen Aufnahmeprüfungen erforderlich wa­ ren, sondern auchformation generale (Allgemeinbildung) in den Geistes­ wissenschaften - Logik, Selbstdarstellung und dergleichen.278 Obwohl ein solcher Ansatz heute weit verbreitet ist, war er im Frankreich der 1950er Jahre äußerst innovativ. 1956 eröffnete die Ecole superieure d’orientation einen Zweig für die Weiterbildung von Führungskräften (cadres). Auch dies war ein neuar­ tiges Konzept in Frankreich, und Hartung trug viel zu dessen Verbrei­ tung bei. 1957 war IBM France einer seiner Klienten, und die Abteilung für Führungskräfte hatte sich als so erfolgreich erwiesen, dass sie zu einer selbständigen Schule und schließlich zu einem wichtigen Geschäfts-

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zweig wurde, zum Institut des Sciences et techniques humaines (ISTH, dem Institut für Geisteswissenschaften und technische Fertigkeiten).279 1962 gehörten bereits Air France, die Großbank Credit Lyonnais und der multinationale Erdölkonzern Shell zu Hartungs Kunden. 1963 beschäf­ tigte das ISTH bereits 66 Dozenten, gab eine Zeitschrift und eine eigene Bücherserie beim Fayard Verlag heraus und belegte umfangreiche Räum­ lichkeiten in Paris. 1964 hielt Hartung im Rahmen eines in den Medien große Beachtung findenden französischen Kulturauftrags Vorträge in Japan, und im Jahre 1966 wurde in einem restaurierten Schloss die Eröff­ nung einer internationalen Version des ISTH von Industriegiganten wie Simca Aviation gesponsert. Es wurde nicht nur in der französische Presse darüber berichtet, sondern auch in Time, in der London Times und in der New York Times.2*0 Dieser kometenhafte Aufstieg war teils der Nach­ frage zuzuschreiben, welche das von Hartung angebotene Produkt her­ vorrief (Exekutivausbildung mit Pfiff), teils den rhetorischen Qualitäten Hartungs, der ein ungewöhnlich kompetenter Redner war.281 Hartung machte sich ebenfalls durch eine Reihe von Büchern und Artikeln zur Erwachsenenbildung einen Namen und durch seinen Beitrag zu einer Kampagne, die schließlich 1971 zu einem Gesetz führte, das jedem fran­ zösischen Staatsbürger das Recht auf Weiterbildung zusprach und das mit nur einer ablehnenden Stimme von der Nationalversammlung ver­ abschiedet wurde.282 Hartungs Pour une education permanente (1966, Für eine perma­ nente Fortbildung) wurde in Frankreichs führenden Zeitungen günstig besprochen.283 Er selbst hatte bereits in verschiedenen Reden und Ar­ tikeln angeführt, was in der Folge aus Notwendigkeit zu den Standard­ argumenten werden sollte. Die wirtschaftlichen Konkurrenten Frank­ reichs waren in Fragen der Fortbildung bedenklich weit vorangeschritten. Die moderne Geschäftswelt entwickelte sich so rasch, dass die Anpas­ sungsfähigkeit von Führungskräften für den wirtschaftlichen Erfolg ausschlaggebend war. Hartung beschränkte sich jedoch nicht auf rein ökonomische Argumente. So schrieb er 1966: »Die Fortbildung ist nut­ zungsorientiert, indem sie eine größere professionelle Effizienz ermög­ licht, und zugleich an ihr uninteressiert, indem sie die Selbstverwirk­ lichung unterstützt; sie ist kollektiv, indem ihr Ziel darin besteht, einer größtmöglichen Anzahl von Menschen bessere Organisation und Zu-

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sammenarbeit beizubringen, und sie ist ebenfalls persönlich, da jeder in seiner Selbsterkenntnis und seinem Weltverständnis allein sein muss,«284 Nachdem Hartung in seinem Buch die Notwendigkeit der Fortbil­ dung festgestellt hat, bespricht er deren Organisation und Bestandteile, wobei er die Bedeutung einer culture generale (kulturellen Basis) unter­ streicht, womit im Wesentlichen Allgemeinbildung gemeint ist. Die Führungskräfte sollten gebildete, kultivierte Menschen sein, die in Lo­ gik und Selbstdarstellung geschult sind und die zeitgenössisches Denken und Wirtschaftszusammenhänge durchblicken. Dieser Aspekt der Fort­ bildung wurde in Hartungs eigenem ISTH stark betont und war einer der Gründe für seinen Erfolg. In einem Interview m it Le Figaro Litteraire im Jahre 1962 hatte sich Hartung gerühmt, dass er Firmenpräsidenten zur Lektüre von Montaigne und Sartre bewegte.285 Bei Hartungs culture generale ging es nicht wirklich um Sartre oder um die Wirtschaftswissenschaften. In Kapitel 6 seines Buches bringt er endlich die Notwendigkeit der »Selbstentfaltung« auf den Tisch, sprich spirituelle Verwirklichung, und da zeigt sich nun sein Traditionalismus, gut verpackt in leicht integrierbaren Ideen. Während all dieser Jahre war Hartung Traditionalist und Muslim geblieben, obwohl dies nur wenigen bekannt war. Er fastete im Ramadan heimlich und pflegte sogar den Kontakt zu dem einzigen überlebenden Traditionalisten der ersten Ge­ neration, Julius Evola. Nachdem er 1964 in Rom zum ersten Mal m it Evola zusammengetroffen war, besuchte Hartung ihn regelmäßig bis zu seinem Tod zehn Jahre später.286 Unter der Handvoll Fotografien seiner spirituellen Ratgeber, die er stets bei sich trug, war auch ein Bild Evolas. Diese Beziehung zwischen Hartung, der allgemein als Linker eingestuft wird, und dem eindeutig rechten Evola war eine überaus unwahrschein­ liche, wie Hartung selbst erkannte: »Ein Veteran des W iderstands, von den Deutschen verurteilt, und von einem sozialen Empfinden, das sich, gelinde gesagt, von dem Evolas unterscheidet, [...] befinde ich mich doch in einem Zwiegespräch mit ihm, der sich als ein M ann der Rechten bezeichnet, der dieses Wort sogar mit einem großen >R< schreibt und der mit Mussolini bekannt war.«287 Hartung war nicht an Evolas politischer Einstellung interessiert, sondern an seinem Traditionalismus. Guenon hatte sich 1924 in seinem Buch Orient et Occident für die Wiederbelebung der westlichen Spiritualität ausgesprochen, die durch

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eine zu diesem Zweck gebildete Elite vorzunehmen sei. Nur so könnte der verhängnisvolle Kollaps der westlichen Zivilisation abgewendet wer­ den. 1966 setzte sich Hartung für eine spirituelle Wiederbelebung als Bestandteil des kulturellen Wachstums ein, ebenso für die kulturelle Fortbildung von Führungskräften und Fortbildung aus Gründen der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs, schließlich auch aus menschenfreundlichen Gründen. Auf den ersten Blick war Hartungs Strategie durchaus vernünftig: Im Jahre 1966 machten sich weit mehr Leute Sorgen um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit als um die Gefahr eines katastrophalen Zusammenbruchs der westlichen Zivilisa­ tion. Neben einer Neufassung eines der zentralen Argumente Guenons in »gemäßigten« Begriffen mischte Hartung auch seine eigene Form der spirituellen Wiederbelebung unter den Lehrstoff am ISTH. Um 1968 hatten 12 000 französische Führungskräfte und 6000 andere Schüler wie etwa leitende Beamte an diesen Kursen teilgenommen.288 Inwieweit diese 18 000 Absolventen der ISTH eine »ihnen deudich abgehende kulturelle Basis,«289 geschweige denn eine spirituelle, absor­ biert hatten, lässt sich nicht beurteilen. Hartung kam selbst zu dem Schluss, dass er versagt habe. Diese Schlussfolgerung war eine Konse­ quenz der »Ereignisse« vom Mai 1968, als zu einem Zeitpunkt ein Volks­ aufstand die französische Republik zu zerstören drohte. Am Abend des 24. Mai 1968 spazierte Henri Hartung durch die Straßen von Paris. Nachdem er die Zusammenstöße zwischen studentischen Revolutionä­ ren und der CRS, der Bereitschaftspolizei, am Pont Neuf mitangesehen hatte, ging er heim und verbrachte den Rest der Nacht damit, in seiner Wohnung auf und ab zu gehen. Dieser Abend war ein ebenso wichtiger Wendepunkt in seinem Leben, wie es 1939 die Lektüre der Introduction generale Guenons oder 1947 seine Begegnung mit Ramana Maharshi ge­ wesen war.290 Er erkannte, dass er auf der falschen Seite der Barrikaden gelandet war, denn »ein Mensch kann eine Lüge nur akzeptieren, wenn er auf seine eigene Würde verzichtet«.291 Hartung verstand die Zusammenstöße vom Mai 1968 zunächst als eine Bestätigung »einer innerlichen Souveränität«, als »die unweigerlich gewaltsame, befreiende, unerwartete und brutale Öffnung zur Zukunft hin und zu dem, was möglich ist«.292 Später revidierte Hartung diese Ansicht,293 kam aber immer noch zu dem Schluss, dass sein »gemäßig-

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ter« Ansatz zu nichts führte, dass das System ihn vor den eigenen Kar­ ren gespannt hatte. 1966 hatte Evola nach der Lektüre seines Buches über die permanente Fortbildung an Hartung die Frage gestellt: »Was nutzt es, wenn Ihre Leser klar sehen können und sie dennoch ein profan gebliebenes >System< akzeptieren?«294 Im Mai 1968 akzeptierte H artung Evolas Pessimismus in Bezug auf das System und reiste nach Rom, um Evola dieses Faktum persönlich mitzuteilen.295 Seine Bemühungen seien erfolgreich gewesen, meinte er, aber nur »unter der Voraussetzung, dass keine Verpflichtung bestehe, zwei wesentliche Missbräuche abzuändern, zu teilen oder zu verdrängen: die Kluft zwischen der inneren Freiheit und dem Alltag, [...] und die Magie des Wortes, das in einer ununter­ brochenen Abfolge erhabener, nie eingehaltener Versprechungen das Handeln ersetzt«.296 Auch die permanente Fortbildung, die 1971 das Recht eines jeden Bürgers wurde, war nicht die Art der innerlichen, spirituellen Erziehung, die Hartung vorgeschwebt hatte, sondern »eine Invasion durch [die Schulen] mit ihrer hierarchischen Struktur, ihren Zeugnissen, Lehrplänen und ihrer Pädagogik«.297 Dies war kein Ein­ wand gegen formales Lernen, sondern gegen den anhaltenden Trium ph technischer Schulung über die holistische Erziehung des Gesamtwe­ sens.298 Nach dem Mai 1968 gab Hartung seinen früheren Ansatz auf und wurde ein offener Kritiker des »Systems«, teils aus traditionalistischen Erwägungen, teils aus seiner politisch linken Haltung heraus. Beispiels­ weise war er im August 1968 zu der Bilderberg-Konferenz im kanadi­ schen Mont Tremblant geladen, um über zwei Themen zu referieren: über die Ost-West-Beziehungen und über die Internationalisierung der Geschäftswelt, was später als >Globalisierung< bezeichnet werden sollte. Dies bedeutete ein nicht geringes Kompliment. Die alljährliche Bilderberg-Konferenz ist exklusiver als die bekanntere Jahrestagung des W elt­ wirtschaftsforums in Davos, zu dem Tausende von Einladungen ausge­ geben werden. Zu dem Treffen in Bilderberg werden insgesamt nur etwa hundert Leute geladen. Hartungs Publikum im Jahre 1968 umfasste ei­ nige ausgesuchte Koryphäen. Diese Treffen und ihre Teilnehmer waren und sind auf vertraulicher Basis, aber die kanadische Presse entdeckte dort ihren Premierminister Pierre Trudeau, den amerikanischen Bot­ schafter bei den Vereinten Nationen, David Rockefeller, Präsident der

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Chase Manhattan Bank, und Enoch Powell, den britischen Parlamentsab­ geordneten, der damals von der britischen Rechten vielfach als Kandidat für das Amt des Premierministers und von einigen als antisozialistischer Diktator favorisiert wurde.299 Hartung sprach über »Die Internationalisierung der Geschäftswelt: Der soziale Aspekt«, wobei er unter »sozial« eigentlich »spirituell« verstand: »Das derzeitige wirtschaftliche und gesellschaftliche System entwi­ ckelt sich anscheinend auf einer horizontalen Ebene ohne Rücksicht auf den vertikalen Prozess, der zu einer Transzendenz führt, die ge­ leugnet oder bestenfalls als wissenschaftlich unbeweisbar abgelehnt wird. [...] Der Übergang der Geschäftswelt von der regionalen und nationalen Ebene auf eine weltweite Ebene [...] kann, wenn sie nicht von einer parallelen Erforschung der inneren Wirklichkeit des Men­ schen begleitet ist, [...] nur zu einer Regression führen, durch die Rückkehr zu einem noch engeren Positivismus. [...] Indem das spi­ rituelle Leben völlig ausgeklammert wird, kann es gut dahin kom­ men, dass die Protagonisten der modernen Welt im Begriff sind, eine Welt des Elends zu organisieren, indes sie die Auswirkungen des Elends zu beseitigen bemüht sind.«300 Es ist nicht bekannt, wie das Publikum auf Hartungs Botschaft rea­ gierte, aber er wurde kein weiteres Mal zu einer Bilderberg-Konferenz Hartungs Ernüchterung von 1968 brachte auch ein Buch hervor, das 1969 erschien: Cesprinces du management: lepatronatfrangais devantses responsabilites (Die Prinzen des Managements: Französische Arbeitgeber und ihre Verantwordichkeiten). Hartung schrieb dieses Buch innerhalb kurzer Zeit: In ihm bringt er leidenschafdich all das zum Ausdruck, was er in den vorangegangenen zwanzig Jahren gern gesagt haben muss. Der Triumph des materiellen Fortschritts war der Triumph des Quantitati­ ven über das Qualitative. Die Mittel verkehren sich zu Zielen, wodurch es zur Schaffung einer »Sklavengesellschaft« kommt (so der Titel des 5. Kapitels). Das war nun tatsächlich »strenger« Traditionalismus, ob­ schon mit deudichem Linksdrall. Hartung war der Ansicht, dass die Merkmale des Wirtschaftslebens auf das Leben der Gesellschaft als Gan-

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zes abfärben und dass die Arbeitsbedingungen der ausschlaggebende Faktor im Privatleben des Individuums seien. Hartungs strenger Traditionalismus wurde ganz anderes aufgenom­ men als seine früheren, sehr gemäßigten traditionalistischen Bücher und Initiativen. Ehemalige Kollegen schrieben ihm betrübte und zuweilen feindselige Briefe. Die Presse war von seinem Buch wenig angetan und tat seine Argumente ab als »nichts Neues«. Die meisten Rezensenten fanden beachtenswert, dass Hartung seinen Standpunkt aus Prinzip auf­ gegeben hatte, und manche würdigten seine Courage.301 Diese Reaktion war vielleicht der Leidenschaft zuzuschreiben, die aus Hartungs Zei­ len sprach. Sein Buch zeugt von einem gründlichen Verständnis für die eigentliche Arbeitsweise des Wirtschaftslebens und des »Systems«, wie man es bei radikalen Kritikern selten antrifft. Diese Einsicht entgeht dem Leser leicht, der sich von den extremeren Ansichten beeindrucken lässt. An einer Stelle führt Hartung das Automobil als ein Beispiel der Inversion an, als ein Mittel, das zum Selbstzweck wird.302 Obschon an dieser Ansicht etwas Wahres sein mag, würde sie vielen Lesern ziemlich lächerlich Vorkommen. Die Ausnahmen von dieser allgemein feindseligen Rezeption sind aufschlussreich. Nur drei Kritiker lobten das Buch. UHumanite, das offizielle Organ der damals noch mächtigen Kommunistischen Partei Frankreichs, billigte zwar Hartungs Kritik, bedauerte aber, dass er kei­ ne sozialistische Klassenanalyse durchführe, weil sein Werk dadurch zu »Sterilität und Pessimismus«303 verdammt sei. Die konservative Tribüne de Geneve erkannte, dass Hartungs Ansichten auf religiöser Überzeu­ gung beruhten, und bezeichnete ihn fälschlicherweise als Katholiken.304 Und letzdich wählte Entreprise, das damals führende Wirtschaftsmaga­ zin Frankreichs, Ces princes du management zum Buch der Woche,305 obgleich es schwer zu sagen ist, ob dies wirkliches Interesse widerspie­ gelte oder selbstironische Bespiegelung. Zwei Briefe, die Hartung unterstützten, sind erwähnenswert: ein Brief Jacques Maritains, des einstmaligen Förderers Guenons am Insti­ tut Catholique, und ein weiterer von Henri d’Orleans, dem Grafen von Paris und Anwärter auf die französische Königskrone. H artung unter­ hielt mit ihm gute Beziehungen, seitdem er dessen Sohn an der Ecole superieure d’Orientation unterrichtet hatte. »Der Kampf, in dem Sie be-

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griffen sind«, schrieb der Bourbonen-Erbe, »schließt sich dem an, den ich seit dreißig Jahren in nämlicher Gesinnung führe.«306 Obwohl ihn diese Unterstützung zweifellos ermutigte, war Hartung von der Rezeption seines Buches allgemein enttäuscht und verletzt. Au­ ßerdem hatte er mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, die durch seinen abrupten Rückzug vom ISTH verursacht waren. Er musste seine Pariser Wohnung aufgeben und übersiedelte in das ererbte Haus seiner Großeltern im schweizerischen Fleurier. Seine nachfolgenden Projekte, von denen im nächsten Kapitel die Rede sein wird, richteten sich nicht mehr an die breite Öffentlichkeit.

Das Institut Scientifique d’Instruction et d’Education von de Seligny War das Ende der Maryamiyya in Bloomington durch eine »Entglei­ sung« gekennzeichnet, so war die »Entgleisung« in einem der seltsams­ ten unabhängigen Einsätze des Traditionalismus von Anfang an erkenn­ bar. Es handelte sich dabei um Paul de Seligny, einen Mauritier französischer Abstammung, der in den 1960cm ein minderer, für man­ che aber ein berüchtigter Guru wurde. De Seligny hatte in den späten 1920er oder frühen 1930er Jahren in Frankreich den Traditionalismus entdeckt (wahrscheinlich 1927 oder 1928, wie so viele andere auch) und besuchte möglicherweise Guenon in Kairo. 1939 oder 1940 trat er dem Alawiyya-Orden in Marokko bei, obwohl nicht genau bekannt ist, auf welche Weise dies geschah.307 Es gab damals eine kleine Gruppe SchuonAnhänger in Marokko, unter denen sich auch Jean-Victor Hocquard befand, zu dem er Verbindung hatte. Hocquard war ein Musikwissen­ schaftler, der 1938 oder 1939 der Alawiyya Schuons beigetreten war, den Orden um 1945 wieder verließ und seinen ursprünglichen Katholizismus wieder aufnahm. Danach verlor er den Kontakt zu de Seligny. Beide blieben jedoch in Marokko, Hocquard lehrte am Lycee in Tanger, wäh­ rend de Seligny ebenfalls in Tanger einen Samenhandel betrieb.308 Obwohl Hocquard Schuon und den Islam hinter sich gelassen hatte, blieb sein Interesse am Traditionalismus bestehen. Es übertrug sich schließlich auf seinen Sohn Manuel, auf dessen Drängen und auf das

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seiner damals 18-jährigen Tochter er i960 erneut Kontakt zu de Seligny aufnahm. Die Hocquards baten de Seligny, sie auf dem Sufi-Weg anzu­ leiten. Es entstand ein neuer traditionalistischer Zweig der Alawiyya, gelei­ tet von de Seligny, bestehend aus Hocquard, seinen Kindern und ande­ ren Familienmitgliedern sowie einigen anderen. Es war jedoch ein unge­ wöhnlicher Zweig. De Seligny ging noch weiter als Schuon in seinen späteren Jahren, indem er seine Anhänger sofort von allen Vorschriften der shana befreite. Er vertrat zudem einen Perennialismus von eher hinduistischer als islamischer Prägung. Sein Weg sei, wie er erklärte, »ein intellektueller Weg, kein mystischer Weg«. Im M ittelpunkt stand eine Übung, die le travail hieß, die Arbeit, eine vereinfachte Form des dhikr, bei der das islamische Glaubensbekenntnis wiederholt wurde.309 Nach etwa einem Jahr verließen de Seligny und seine Anhänger Tan­ ger und gingen nach Europa, wo sie sich an der Mittelmeerküste im Fürstentum Monaco niederließen. Nur de Selignys skeptische Ehefrau blieb in Tanger zurück.310 In Monaco veränderte sich der Charakter der Gruppe merklich, sie wurde bald deutlich anti-traditionell. Im Mai 1962 gründete de Seligny ein Centre d ’etudes culturelles (Zentrum für kultu­ relle Studien), das alle vierzehn Tage eine Zeitung herausgab, Je suis (Ich bin). Die ersten Nummern von Je suis beschäftigten sich m it dem (etwas begrenzten) künstlerischen und literarischen Leben in Monaco sowie auch mit Angeln und Segeln. Bald erschien jedoch eine »Jugendseite«, die nach und nach zu einem ganzen Abschnitt erweitert wurde und die bald die Angler- und Seglermeldungen ersetzte. Um Ende 1962 war das gesamte Blatt Jugendfragen gewidmet. Im Februar 1963 erklärte Je suis, die Zeitung sei »ganz und gar von der Jugend editiert und herausgegeben«, obwohl der damals 59-jährige de Seligny eindeutig die Kontrolle beibehielt. »Wir, die Jugend«, litten unter Langeweile und Entfrem dung (ennui), bis sie de Seligny begegnet seien, er und Je suis hätten alles ver­ ändert,311 Wie de Seligny ursprünglich auf die Jugendprobiematik gestoßen ist, ist nicht bekannt, könnte aber mit seiner Affäre mit der Tochter H oc­ quards, ’Ayn Shams, zu tun haben, die damals neunzehn oder zwanzig Jahre alt war. Diese Affäre und die finanziellen Forderungen, die de Seligny an seine Anhänger stellte, die vielfach Hunger litten, dam it de

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Seligny seinen Geschmack an Champagner und Luxusautomobilen be­ friedigen konnte, führten bei einigen seiner Schüler zu Unzufriedenheit. Außerdem kam es zu Schwierigkeiten mit den monegassischen Behör­ den, so dass de Seligny und seine Gruppe 1963 aus Monaco ausgewiesen wurden. Je suis ging aus Mangel an Abonnenten ein.312 De Seligny begab sich mit seiner Schar weiter entlang der Mittel­ meerküste, wo sie sich in Villefranche-sur-Mer in der Nähe von Nizza niederließen. Dort eröffneten sie ein Institut scientifique d’instruction et d’education (Wissenschaftliches Institut für Bildung und Erziehung), das auf einer inzwischen von de Seligny erworbenen Yacht, der StorniBird, seinen Sitz hatte. Weniger ehrgeizig als Hartung, spezialisierte sich de Seligny auf die Lücke zwischen Gymnasium und Universität und auf die Kinder der französischen Elite. Er bot nicht nur den Standardlehr­ plan an, sondern darüber hinaus auch Meditationsübungen und ein ganz besonderes Milieu. Die Meditationsübungen scheinen eine Ab­ wandlung des dhikr gewesen zu sein, das de Seligny während seiner SufiPhase verwendet hatte, nur dass dabei nun seine eigenen »Aphorismen« anstelle des islamischen Glaubensbekenntnisses wiederholt wurden.313 Das Milieu bestand aus einer Kombination des für die 1960er typischen Antiautoritarismus und einer extremen Ergebenheit an die Person de Selignys. Einer seiner treuesten späteren Anhänger war Beatrice Le Mire, die rebellische Tochter eines französischen Diplomaten. Le Mire wurde 1966 von ihren Eltern an de Selignys Institut geschickt, nachdem es de Seligny gelungen war, ihren älteren Bruder, der vom Gymnasium geflogen war, vor der akademischen Katastrophe zu bewahren und ihn in einen passablen Medizinstudenten zu verwandeln.314 Später erinnerte sie sich ihres ersten privaten Treffens mit de Seligny: »Zum ersten Mal in mei­ nem Leben war ich auf jemanden gestoßen, der mich nicht mit schönen Worten umgarnen wollte, um mir eine bestimmte Denkweise aufzu­ drängen. Er half mir lediglich, meinen Ideen auf den Grund zu gehen, so dass ich selbst die Probleme erkennen, die Widersprüche aufdecken konnte.«315 De Seligny schrieb: »Alles beruht auf diesem Grundfehler. Wir begreifen uns als etwas anderes als das, was wir eigentlich sind.«316 De Seligny unterstützte also seine Schüler und Anhänger in einem Pro­ zess der Selbstentdeckung, oder, im Falle von Le Mire, in der für die

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1960er Jahre typischen Entdeckung, dass ihre »bürgerlichen« Eltern an allem Schuld seien und dass ihre Hoffnung auf Erlösung bei de Seligny zu finden sei.317 Le Mires Hingabe an de Seligny war nicht nur die an einen Guru, sondern auch die an ihren Liebhaber, eine Rolle, die sie sich m it ’Ayn Shams teilte. Weniger leicht zu erklären ist die Ergebenheit anderer Anhänger. Hocquard, ’Ayn Shams’ Vater, war der Autor einer erfolgrei­ chen Mozart-Biographie. 1970 widmete er die überarbeitete Ausgabe dieses Werkes de Seligny, »dem Weisen, dessen Werke der ganzen Welt die grundlegende, wissenschaftlich fundierte Weisheit verkünden wer­ den, die er ans Licht befördert hat«. Diese fromme Hoffnung hat de Se­ ligny allerdings niemals erfüllt, da keines seiner Werke jemals in D ruck ging. Hocquard, damals sechzig Jahre alt und offiziell der Direktor des Institut scientifique d’instruction et d’education, schrieb, dass de Seligny ihm geholfen habe, »falsche Ideen« zu identifizieren, indem er ihn von den »philosophischen, metaphysischen und sogar theologischen Ansich­ ten« befreite, die ihn gefangen gehalten hatten. Er hatte sein Buch über Mozart 1964 überarbeitet und versucht, daraus die »falschen Ideen« zu entfernen. Für die Ausgabe von 1970 unternahm er eine noch gründli­ chere Revision, da er die Verantwortung erkannt hatte, die er dafür trug, durch seine Schriften »zur Verbreitung von Ideen beigetragen zu haben, die nur schaden und nur schädliche Wirkung haben können«.318 Abgesehen davon, dass er Hocquard zu überraschendem W iderruf veranlasste - die betreffenden Schriften waren schließlich ein populäres Werk über die Musik Mozarts —, flößte de Seligny seinen Schülern der­ artige Ergebenheit ein, dass die meisten von ihnen bereitwillig eine reine Nudeldiät auf sich nahmen, obwohl die Frau eines Schülers aus H un­ ger Ladendiebstahl beging.319Während der Sufi-Phase verkauften einige Anhänger ihre Möbel,320 und während der Phase des Institut scientifique d’instruction et d’education überredete Le Mire ihre Eltern, ihr ein Auto zu schenken, das sie dann sofort verkaufte, um den Erlös an de Seligny auszuhändigen.321 Die Ergebenheit seiner Schüler de Selignys gegenüber hatte m itunter tragische Folgen: zerbrochene Ehen und verlassene Kinder. Diese lassen sich mit Hinblick auf de Selignys möglicherweise unbeabsichtigte Ent­ wicklung üblicher spiritueller Techniken erklären. Er begann seine Lauf-

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bahn als Sufischeich, und von den Anhängern eines jeden Sufischeichs wird erwartet, dass sie absolutes Vertrauen in ihren Führer setzen. Die den Scheich umgebende Gemeinschaft schirmt den Sufi vor den Ablen­ kungen der Außenwelt ab, und Askese, zu der auch das Fasten gehört, stärkt die Willenskraft gegen jede Versuchung. Im Fall von de Seligny fürchteten seine Anhänger vor allem, vom »Chef« (oder Patron, wie er sich gern nennen ließ) verlassen zu werden, und die geringste Andeu­ tung einer Treulosigkeit oder eines Zögerns führte entweder zu schreck­ lichen Zeichen des Unmuts seitens de Selignys oder zur Androhung der Ausgrenzung durch seine übrige Schülerschaft. Die Gemeinschaft: um de Seligny war so eng gefügt, dass ihre Mitglieder vom normalen Leben vollkommen abgeschnitten waren. Sie konnten dadurch nicht mehr er­ kennen, wie bizarr ihr Verhalten allmählich geworden war. Die Gemein­ schaft stand auch geschlossen hinter jedem von etwaigen Zweifeln befal­ lenen Mitstreiter, um ihm durch einen solchen Anfall von »Schwäche« hindurchzuhelfen. Außerdem verengte die Not des ständigen Hungers das Blickfeld noch weiter, so dass alles ausgeschlossen wurde, was die Schüler von de Selignys Person ablenken konnte. Und schließlich schien de Selignys abgewandeltes dhikr seine Funktion zu erfüllen, sogar bei denen, deren Vertrauen in ihn persönlich ins Wanken geraten war.322 Etwas Ähnliches scheint sich in weniger extremer Weise bei Schuons Anhängern auf Inverness Farms zugetragen zu haben. Der Fall de Seligny ähnelte auch dem Schuons, indem er zum Skan­ dal reifte und de Seligny sich schließlich wegen sexueller Angelegenhei­ ten vor Gericht verantworten musste. Die Eltern von Le Mire entdeck­ ten eines Tages, dass ihre Tochter ihr Studium an der Universität von Nizza abgebrochen hatte und eine Liebesbeziehung zu de Seligny unter­ hielt. Ihre Mutter kam nach Frankreich geflogen, um sie heimzuholen. Le Mire drohte mit Selbstmord, und ihre Mutter sorgte dafür, dass sie in einer psychiatrischen Klinik untergebracht wurde. Das Alter der Volljäh­ rigkeit war damals in Frankreich noch einundzwanzig, so dass Le Mire als minderjährig galt. Gleichzeitig bewirkte Le Mires Vater durch seine Kontakte die Ausweisung de Selignys aus Frankreich, da dieser nach dem O rt seiner Geburt kein französischer, sondern britischer Staatsbür­ ger war.323 In den 1950er Jahren wäre dies vielleicht das Ende der Geschichte

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gewesen, nicht aber in den 1970cm. De Seligny appellierte an das Ge­ richt von Nizza für die Freilassung von Le Mire. Wichtiger noch war, dass die kommunistische Wochenzeitung Le Patriote eine Nachricht ver­ öffentlichte, die angeblich aus der Klinik, in der Le Mire untergebracht war, herausgeschmuggelt worden war. Diese Mitteilung wurde berühmt: »Hilfe, Hilfe. Sie verpassen mir eine Injektion nach der anderen. Sie ge­ ben mir eine Behandlung, die mich verrückt macht. Ich will sie nicht. Hilfe.« Studenten an der Universität von Nizza gründeten einen Aus­ schuss zur Unterstützung von Beatrice Le Mire und reichten eine U n­ terschriftenliste ein. Der Dekan der geisteswissenschaftlichen Fakultät weigerte sich, die Petition zu unterzeichnen, woraufhin Studenten sein Büro verwüsteten. Die Klinik, in der sich Le Mire befand, wurde von Streikposten umstellt, die vom »Kommunistisch-libertären SpartacusBund Nizza« organisiert wurden. In der Nationalversammlung wurde der französische Innenminister über die Ausweisungsverfügung gegen de Seligny befragt, wobei der Fragesteller ein sozialistischer Abgeordneter war, Francois Mitterrand, der später Frankreichs Präsident wurde.324 Das Gericht in Nizza urteilte schließlich, dass Selignys M ethoden zwar dubios seien, dies jedoch nicht das eigentliche Problem sei. Falls Le Mires Einweisung vorsorglich wegen Selbstmordgefährdung vorgenom­ men worden sei und nun keine weitere Gefahr des Selbstmords be­ stünde, sollte sie freigelassen werden. Folglich wurde sie entlassen und von ihrer Mutter in die Dominikanische Republik ausgeflogen, wo ihr Vater damals französischer Botschafter war. Ein paar Monate später fei­ erte Le Mire ihre Volljährigkeit, indem sie mit de Seligny nach Frank­ reich zurückflog. Diese Rückkehr wurde von der französischen Presse als ein Sieg für die Freiheit gegen die Reaktion begrüßt. Mitglieder der Fa­ milie Le Mire waren vorbildliche Vertreter der Reaktion: Beatrices Vater war Botschafter, ihr Onkel ein pensionierter Oberst der Fallschirm­ jäger.325 Diese Ereignisse haben mit dem Traditionalismus wenig zu tun. Sie sind jedoch ein dramatisches Beispiel dafür, wie das, was ursprünglich einmal als traditionalistisches Unternehmen begann, durch außerhalb des Traditionalismus liegende Einflüsse zu ganz anderen Zielen umge­ lenkt werden konnte.

VIERTER TEIL

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Mit dem Tode Schuons und Evolas hatte der Traditionalismus im Wes­ ten seine Bezugspunkte verloren. Stattdessen entstanden im späteren 20. Jahrhundert viele unverbundene traditionalistische Gruppen und Strömungen. Der Traditionalismus war nun nicht mehr die Domäne einzelner herausragender Figuren, sondern vermischte sich, vor allem nach den 1960er Jahren, mit dem allgemeinen Trend der westlichen Spi­ ritualität. Die 1960er Jahre waren zweifellos ein Hauptwendepunkt des kultu­ rellen und intellektuellen Lebens des Westens im 20. Jahrhundert, viel­ leicht waren sie sogar entscheidender als die Zeit im Ersten Weltkrieg. Aus den 1960er Jahren gingen der Traditionalismus und der Westen ver­ ändert hervor. So wie die Renaissance, die der Traditionalist als den Tod der wesdichen esoterischen Tradition verabscheut, die G eburt des für den Traditionalismus so zentralen Perennialismus einleitete, und so wie der Traditionalismus in den Kriegsjahren zwischen 1914 und 1918 ent­ stand, in denen das alte Europa von der Bildfläche verschwand, so führte die kulturelle Revolution der 1960er Jahre dem Traditionalismus neue Energie zu und wurde zum Ausgangspunkt der traditionalistischen Be­ wegung unserer Tage. Im späteren 20. Jahrhundert kam es zu einem phänomenalen Anstieg des öffendichen Interesses an religiösen und spirituellen Alternativen. In Amerika wurde dieses Interesse zunächst durch typische Vertreter der 1960er wie Alan Watts und Louis Pauwels geschürt, wobei Letzterer für große Teile Europas der Wichtigere war. Von geringerer Bedeutung, aber in Frankreich trotz allem einflussreich war Raymond Abellio, der in den 1970er Jahren ein beliebter Rundfunk- und später Fernsehsprecher war.1 Pauwels Glücksstern ging 1961 auf, als sein Buch Le matin des magiciens (Der Morgen der Zauberer) in Paris erschien.2 Das Buch war eine phänomenal erfolgreiche Mischung von Esoterik, Populärwissen­ schaft und Science Fiktion. Dieser Erfolg führte Ende 1961 zur Grün-

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düng der Monatszeitschrift Planete, die innerhalb weniger Monate eine Auflage von 100 000 erreichte.3 Um 1970 behauptete Planete, »die wich­ tigste Zeitschrift in Europa zu sein, aufgrund des Gehalts ihrer Artikel, der Anzahl von Illustrationen, der Höhe ihrer Auflage und ihrer Aus­ landsausgaben«. Die Zeitschrift erschien damals auch auf Italienisch, Deutsch, Spanisch (in Spanien und in Argentinien) und Portugiesisch (in Brasilien).4 Im Jahr 1970 war die ursprüngliche französische Zeit­ schrift: Planete so unfangreich geworden, dass sie dreigeteilt wurde: Planete-plus für Kultur und Spiritualität, Planete-Action für Politik und Le Nouveau Planete für alles Übrige. Planete-Action eröffnete mit einer Sonderausgabe über den vietnamesischen kommunistischen Führer HoChi-Minh, der eine Ausgabe über Fidel Castro folgte. Planete-plus be­ gann mit einer Ausgabe über den Hindu-Guru Ramakrishna, der sich eine weitere über Rene Guenon anschloss.5 Pauwels war selbst kein Traditionalist und allenfalls ein Anhänger Gurdjieffs. Sein Interesse am Traditionalismus zeigt sich jedoch in Le matin des magiciens sowie in der zweiten Ausgabe von Planete-plus mit dem Themenschwerpunkt zu Guenon. Wie auch Hartung war Pauwels ein Veteran der Resistance und ein geschickter Publizist: Vor dem Start der Zeitschrift Planete hatte er das Journal der Resistance, Combat, her­ ausgegeben und danach eine große Frauenzeitschrift, das Hochglanz­ magazin Marie-France, ediert. Nachdem in den frühen siebziger Jahren das Imperium von Planete zusammengebrochen war, ging er zu der füh­ renden nationalen Tageszeitung Le Figaro und rief dort 1978 das Figaro Magazine ins Leben.6 Obwohl er nicht primär Traditionalist war, trug Pauwels maßgeblich zur Verbreitung eines vereinfachten Traditionalis­ mus in ganz Lateineuropa bei. Die Erfolgszeit von Planete fiel mit einer deudichen Umsatzsteigerung der Werke Guenons überein.7 Alan Watts, ein ehemaliger englischer Priester und späterer Guru der amerikanischen Zen-Szene, wusste zwar vom Traditionalismus, aber er war ihm nicht besonders wichtig. Es geschah ganz zufällig, dass er einen jungen Amerikaner, Eugene Rose (später Seraphim Rose), in den Tradi­ tionalismus einfiihrte. Rose hatte Watts 1953 während seiner Studenten­ zeit am Pomona College in Südkalifornien kennengelernt, an dem Watts damals unterrichtete. Er folgte Watts an die American Academy ofAsian Studies, wo er in der Bibliothek auf die Bücher Gu^nons stieß. Nach-

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dem er sich einige Zeit in die frühe »Gegenkultur« von San Francisco vertieft hatte, stellte Rose fest, dass ihm Guenon lieber war als Watts. Roses Biograph schreibt: »Während Guenon versucht hatte, östliche Re­ ligionen in ihrem eigenen Kontext zu studieren, schien [ihm], dass Watts versuchte, sie dem westlichen Geschmack schmackhaft zu machen. D er >BuddhismusGleichheit< und »transzendente Einheit der Religionen ist eine Einbildung der moder­ nistischen, >simplistischen< Mentalität«. Der Traditionalismus war also nicht die vollendete Antwort: »Bei aller >Weisheit< Coomaraswamys, Guenons und der minderen Weisen unserer heutigen Welt scheinen wir einem noch größeren Zusammenbruch nahe zu sein. [...] Christus ver­ langt von uns nicht, dass wir >verstehensakral die ihm immerhin so weit zusagte, dass er an einem Treffen mit Raine Interesse zeigte. Prinz Charles regte sie an, eine Temenos-Akademie zu gründen, die er in seiner fiirsdichen Stiftung unterbrachte, einer Körperschaft, die als Dachorganisation für seine kul­ turellen Projekte fungiert.43 Prinz Charles ist eher ein Antimodernist als ein Traditionalist, ob­ wohl er offenbar auch Burckhardt schätzt44 und traditionalistische Ein­ flüsse in zunehmendem Maße in einigen seiner Reden zu erkennen sind. Im Jahr 2000 richtete sich Prinz Charles zum Beispiel in seiner Eigen­ schaft als Oberkommissar der Kirche von Schottland mit den folgenden Worten an die Generalversammlung der Kirche: »Wir finden uns zunehmend in einem säkularen Zeitalter, das Ge­ fahr läuft, alles sakrale Wissen und alle spirituelle Erkenntnis und alle Prinzipien von Ordnung und Harmonie, die zutiefst dem Uni­ versum zugrunde liegen, [...] zu vergessen oder zu übergehen [...]. Ich habe den größten Respekt vor der Arbeitsweise des rationalen Verstands [...], doch das ihm innewohnende Risiko [...] ist, dass unser Leben aus dem Gleichgewicht zu geraten droht [...] Tradition

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und die ewige Weisheit [sophia perennis], die vielfach unserem tiefe­ ren Verständnis der sichtbaren und unsichtbaren Welten zugrunde liegen, werden dadurch abgewertet oder bleiben unberücksichtigt.«45 An seiner Haltung gegenüber dem Islam, die deutlich wohlwollender ist als im britischen öffentlichen Leben üblich, mag ebenfalls der Traditionalismus beteiligt sein. In einer Ansprache, die er 1993 bei der Eröffnung des Oxford Centre for Islamic Studies hielt, dessen Schirmherr er ist, sprach sich Prinz Charles entschieden gegen westliche Missverständnisse aus. Er verurteilte Ängste vor dem Islam und betonte die »gemeinsame monotheistische Vision« des Islam und des Christentums. Er sprach von der Notwendigkeit, sowohl »eine metaphysische als auch eine materielle Dimension unseres Lebens« zu gewährleisten.46 Die Reaktion auf diese Ansprache erinnert an die Schwierigkeiten, die der »gemäßigte« Traditionalismus auch anderswo erlebte: Das Massenblatt Evening Standard brachte einen Artikel unter der Schlagzeile: »Charles blasts lies o f Sad­ dam Hussein« (Charles kritisiert die Lügen Saddam Husseins),47 wobei die Zeitung sich auf eine flüchtige Bemerkung zur Tagespolitik konzen­ triert und das eigentliche Thema der Rede fast gänzlich übergeht. N atür­ lich reagierten nicht alle britischen Tageszeitungen auf diese Weise, aber wahrscheinlich hat Prinz Charles* Rede letzdich mehr zu seinem Anse­ hen in der islamischen Welt beigetragen als zum Islambild in Großbri­ tannien. Die wichtigste Organisation innerhalb der von Prinz Charles ge­ gründeten Stiftung (zu der auch die Temenos-Akademie gehört) ist ein 1992 gegründetes Institut fiir Architektur, das wie der Prinz selbst eher antimodernistisch als traditionalistisch ist. Eine andere Bildungsorgani­ sation ist jedoch ganz und gar traditionalistisch. Es ist dies das Visual Islamic and Traditional Arts Programme (VITA), das 1984 von Keith Critchlow gegründet und 1993 in die Stiftung des Prinzen aufgenommen wurde.48Aus der VITA entstand schließlich 2004 The Princes s School of Traditional Arts.49 Die Institution bietet Master- und Doktorandenpro­ gramme an und fördert jährlich etwa zwanzig Studenten. Diese Kurse sind in erster Linie praktisch ausgerichtet und geben den Studenten die Handhabe zur Schaffung beeindruckender Werke: Miniaturmalerei nach dem Vorbild der Mogul-Meister, auf osmanischem O rnam ent be-

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ruhende Keramikfliesen, islamisch inspirierte Kalligraphie und geomet­ rische Mosaiken. Insofern es ein theoretisches Element gibt, ist es rein traditionalistisch: die Werke Guenons, Schuons, Coomaraswamys und anderer Autoren. Zu den »Tutoren« gehören auch Nasr und Lings. Die VITA-Studenten reagieren unterschiedlich auf die traditionalistische Komponente ihrer Kurse: Einige haben das Gefühl, hinters Licht ge­ führt worden zu sein, denn es sei nicht das, wofür sie sich eingeschrieben hätten, einige nehmen den traditionalistischen Ansatz in der Kunst mehr oder weniger hin, und bei einigen geht das Interesse so weit, dass sie den Weg weiter verfolgen, und gelegentlich der Maryamiyya beitre­ ten, die innerhalb des VITA-Lehrkörpers stark vertreten ist.50 Wichtiger aber als VITA ist wegen ihrer größeren Tragweite die Te­ menos-Akademie. Obgleich die meisten Vortragsredner an derTemenosAkademie keine Traditionalisten sind, gehören Traditionalisten zu den am häufigsten Vortragenden. Die Vorlesungen befassen sich zu etwa gleichen Teilen mit den Künsten (hauptsächlich mit der Dichtkunst) und dem Islam (vornehmlich dem Sufismus), darüber hinaus mit der wesdichen Esoterik (zumeist dem Perennialismus) und verschiedenen anderen Religionen.51 Zwischen 1992 und 2000 sprach Seyyed Hossein Nasr bei nicht weniger als drei Anlässen an der Temenos-Akademie, de­ ren Mitglied er ist.52 Nasr und königliche Schirmherrschaft sind jedoch nicht das Einzige, was die Temenos-Akademie mit der Kaiserlich Irani­ schen Akademie der Philosophie verbindet. Wie ihr iranischer Vorläu­ fer stellt Temenos einen erfolgreichen Versuch dar, den Traditionalismus in den allgemeinen intellektuellen Diskurs einzubinden, um das, was Raine »ausgeschlossenes« Wissen nannte, wieder einzugliedern. Es ließe sich kaum ein besserer Lobbyist fiir eine vernachlässigte Sache finden als Prinz Charles. Ein prominenter britischer Geschäftsmann und Freund des Prinzen, Lord Young, sprach über sein Engagement für die Umwelt, was eher ein zeitgemäßes Modethema ist, und bemerkte über eine Kon­ ferenz in North Carolina, an der einhundert führende Geschäftsleute teilgenommen hatten: »Wahrscheinlich wollten sie nur mit ihm fotogra­ fiert werden, aber die Ergebnisse waren gut. [...] Gäste, die zu privaten Dinnerpartys in seine Londoner Residenz oder nach Highgrove (seinen Landsitz) eingeladen sind, haben sich am Ende der Abendgesellschaft freiwillig zu allen möglichen Dingen verpflichtet, die sie nie beabsichtigt

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hatten. [...] Er ist ein lebendiger Beweis dafür, dass man nichts ge­ schenkt bekommt.«53 Doch selbst Prinz Charles kann in der heutigen westlichen Welt nur begrenzt etwas für den Traditionalismus leisten. Ein Großteil der popu­ lären britischen Presse begegnet seinen Ansichten und Aktivitäten regel­ mäßig mit einer Mischung aus Feindseligkeit und Hohn. Sogar ein sonst durchaus zustimmender Artikel über ihn kann wie folgt enden: »Natür­ lich halten manche seiner Untertanen Prinz Charles’ Theorien für be­ fremdlich, wenn nicht gar für völlig verrückt. Den spirituellen und phi­ losophischen Aspekt seines Kreuzzugs [gegen den Materialismus] hält man in manchen Teilen des Königreichs entweder für peinlich oder für unausgegoren.«54

Aristasia Aristasia ist der gängige Name für eine Gruppe, die vor den 1980er Jah­ ren in etwas anderer Form als The Romantics und The Olympians be­ kannt war. Sie entstand in den späten 1960er Jahren in der englischen Universitätsstadt Oxford, ins Leben gerufen von einer Akademikerin, die sich »Hester StClare« nannte. StClare war in den 1920cm geboren, weitere Details ihres Lebens sind nicht bekannt. Als Traditionalistin be­ gann sie in den späten 1960cm eine Gruppe jüngerer Frauen um sich zu scharen, zumeist Studentinnen aus Oxford, die über den »kulturel­ len Zusammenbruch« jenes Jahrzehnts konsterniert waren.55 Sie gingen noch einen Schritt weiter als Guenon: Ärger noch als die Moderne war die »invertierte Gesellschaft«, die durch den kulturellen Kollaps der 1960er Jahre hervorgerufene postmoderne, heutige Ära. Diesen Kollaps bezeichnen die Aristasier gern als »the Eclipse« (die Verfinsterung). Laut »Alice Trent«, der wichtigsten Schülerin StClares, steht die invertierte Gesellschaft, die oft auch als »the Pit« (die Grube, der Abgrund) bezeich­ net wurde, zur Moderne in der gleichen Beziehung, wie die M oderne zur Tradition stand. Nicht alles, was vor der Verfinsterung entstand, war werdos, zum Beispiel sind Beethoven und Wordsworth offensichtlich keine »bösartigen Entgleisungen«. Im Zyklus des Abstiegs kann jede Phase Entwicklungen hervorbringen, die, obwohl sie »von niedrigerem Rang sind als das, was in vorhergegangenen Perioden möglich war, [.,.]

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trotzdem in sich doch schön und gut sind«. Was nach der »Eclipse« ent­ stand, hat alles überhaupt keinen Wert mehr, obwohl es theoretisch möglich wäre. In der Praxis ist alles, was zum »Abgrund« gehört, Inver­ sion: »das vorsätzliche Ziel [ist] eine invertierte Parodie all dessen, was sein sollte«. Die höheren Klassen ahmen die niederen nach, »Familien­ leben und persönliche Loyalität« werden ersetzt durch einen Kult per­ sönlicher Unabhängigkeit, und »selbst die früheren Errungenschaften der Moderne gehen verloren, indes Kriminalität und Analphabetentum zunehmen«. In der Kunst wie in der Mode zieht man das Chaos der Harmonie vor, und Männlichkeit ersetzt die Weiblichkeit.56 Obwohl StClare Evola keineswegs direkt verpflichtet ist, fügte sie wie dieser dem Traditionalismus noch eine geschlechtsspezifische Kompo­ nente hinzu. Evola war eindeutig »Maskulinist«, was sogar so weit ging, dass sein »absolutes Individuum« infolge der Moderne von Feminisie­ rung bedroht war. Aristasia bezog den genau entgegengesetzten Stand­ punkt: Die Frau sei von der Vermännlichung bedroht. In Aristasias Kos­ mologie war das erste Zeitalter nicht das Zeitalter der brahmin (wie bei Guenon), sondern das Zeitalter der Göttin. Das Aufkommen männli­ cher Gottheiten und einer männlich dominierten Gesellschaft war Folge der frühesten Stadien des Niedergangs. Die Moderne brachte der Allge­ meinheit den Triumph der »materiellen und quantitativen« männlichen Eigenschaften (Aggression, Kriegsfuhrung und technische Wissenschaf­ ten) über die »spirituellen und qualitativen« weiblichen Charakteristika, im Wesentlichen »das Prinzip der Harmonie oder der Bindung«. Dies war eine frühe Variante der Inversion, da die weiblichen Eigenschaften in sich selbst den männlichen überlegen sind und genau genommen das weibliche »das primäre oder fundamentale Geschlecht« ist. Das letzte Stadium des Niedergangs, der »Abgrund«, brachte »den endgültigen Sieg des Patriarchats«, was »im Abgrund« gewöhnlich als allgemeine Ak­ zeptanz feministischer Ansichten beschrieben wird. Mit der »Eclipse« »kam es dazu, dass das maskuline Prinzip die Kultur gänzlich zu domi­ nieren begann und das Feminine ausgemerzt wurde, selbst aus den Her­ zen der Frauen«.57 Die Elite von Aristasia setzt sich daher ausschließlich aus Frauen zu­ sammen und ist darüber hinaus auch vollkommen »feminin«. Männer sind aus ihrem Kreise ausgeschlossen, um das Risiko einer Rückkehr zur

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Unterdrückung der Frau durch den Mann zu vermeiden, welche eine Folge des Niedergangs war und keineswegs eine Eigenschaft der prim or­ dialen Tradition. Außerdem wird eine Form der apoliteia Evolas prakti­ ziert, obwohl Aristasia diesen Ausdruck nicht gebraucht.58 Da alles im »Abgrund« von Inversion besudelt ist, »ist die Gesamttendenz jedes As­ pekts dieser Kultur zersetzend; diese Zersetzung ist ein ritueller Akt, der die Seele verstört, der [...] den Prozess psychischer Desintegration för­ dert«. Es ist daher notwendig, alles zu regeln, was wir in unser Bewusst­ sein aufnehmen, ebenso wie wir »normalerweise nicht einfach jeden interessanten essbaren Gegenstand von der Straße aufheben und zum Munde führen«. Die Aristasierinnen versuchen so weit wie möglich den »Abgrund« aus ihrem Leben zu bannen. Sie bemühen sich außerdem, ein Milieu zu schaffen, wie es vor der Verfinsterung bestanden haben mag. Da »wahr­ lich traditionelle [...] Bilder [...] zu weit von der Alltagsrealität unseres gegenwärtigen Bewusstseins entfernt sind«, wählte man als zu re-konstruierende Epoche eine, die der gegenwärtigen unmittelbar vorangegan­ gen war, das heißt, die der 1920er bis 1950er Jahre. Aristasia ist nicht nur der Name der Gruppe, sondern auch einer Form von virtueller Realität. Als solche wird sie von den Aristasierinnen nicht bezeichnet, da sie, so wie sie alles für den »Abgrund« Typische ausgrenzen, auch solche Neolo­ gismen ablehnen. In den Häusern von Aristasierinnen werden gewisse Aspekte des Lebens vor der Verfinsterung mit äußerster Sorgfalt nachge­ bildet: Lokale der 1950er, Klubs der 1940er, Wohnstil der 1930er Jahre. Aristasierinnen kleiden sich nach der Mode des Jahrzehnts ihrer Wahl, benutzen Ausrüstung und Gerätschaften jener Zeit, fahren nach Mög­ lichkeit auch ein Auto jener Ära und sehen sich sogar die Filme jener Epochen an. Dieses Verhalten wird als Alternative zum spirituellen Stan­ dardweg ausgegeben, der mit »Heiligsein« oder »spiritueller Transzen­ denz« einhergeht, wozu aber nur wenige berufen sind.59 Der Traditionalismus äla Aristasia wird gelegentlich durch W erbung in Zeitschriften angepriesen und betreibt eine ausführliche Webseite, auf der auch Aristasia-Literatur zu finden ist. In Trents Buch Strängen in Paradise hat eine Nicht-Aristasierin 2001 für Verwirrung gesorgt, indem sie im Gespräch mit zwei Aristasierinnen das W ort »Männer« ausgespro­ chen hat:

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»Hast du eine Ahnung, wovon sie redet?« fragte die Frau mit dem Schreibheft. »Ein klassisches Zitat«, meinte ihre Kollegin Eileen. »Männer das sind mythologische Wesen, menschenähnlich, aber sehr wild und grausam. Sollen angeblich im Altertum das Ödland im Norden bewohnt haben. Sabrina die Jüngere erwähnt sie, ebenso Ulalua.«60 In Trents Buch The Feminine Universe wird aristasischer Traditionalis­ mus etwas ernsthafter abgehandelt. Das Buch richtet sich an eine allge­ meine Leserschaft, befasst sich mit Nietzsche und anschließend mit Guenon und fuhrt recht geschickt historische Argumente an. Auch in der britischen Presse und im Fernsehen ist das Aristasiertum gelegentlich besprochen worden.61 Ende des 20. Jahrhunderts gab es etwa vierzig voll engagierte Aristasierinnen, sowie eine ganze Menge von Teilzeitanhängerinnen. Die meisten Aristasierinnen waren zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt, wobei es einige ältere und ein paar jüngere gab. Die Mehrzahl hatte be­ ruflich »irgendetwas mit der akademischen Welt« zu tun.62 Fast sämt­ liche Aristasierinnen lebten in Großbritannien, in Amerika konnte sich die Bewegung kaum durchsetzen, was vielleicht auf kulturelle Unter­ schiede Zurückzufuhren ist. Aristasia ist von dem schrulligen Humor durchdrungen, der für ihren Geburtsort, die Universitätsstadt Oxford, so typisch ist, wo der Ausdruck felsenfester Überzeugungen selten eines scherzhaften Elements entbehrt, und wo hinter jedem Witz eine sehr ernste Pointe zu vermuten ist. Die britische Presse betonte in ihrer Berichterstattung über Aristasia weniger deren Traditionalismus als zwei Aspekte ihrer Praxis, die, nach Trents Ansicht, nicht den Kern treffen, sondern von eher untergeord­ neter Bedeutung sind. Der eine Aspekt betrifft die Unterteilung der Aristasierinnen in »Blonde« und »Brünette«, Kategorien, die in der Au­ ßenwelt etwa den Begriffen »männlich« und »weiblich« entsprächen. Das führte dazu, dass Aristasia von The Pink Paper; einer der führenden englischen Zeitschriften für Gleichgeschlechtliche, als »eine lesbische Enklave« beschrieben wurde.63 Der andere Aspekt ist die Anwendung körperlicher Züchtigung zur Disziplinierung, was die Aristasierinnen als ein »Streben nach Reinheit« betrachten, ein Mittel der spirituellen Un-

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terwerfung.64 Außenstehenden erschien dies eher als sadomasochisti­ scher Fetischismus. Welche Rolle das Lesbiertum innerhalb Aristasias spielt, ist unbe­ kannt, wenn auch nur deshalb, weil in der Ära vor der Verfinsterung über solche Dinge nicht gesprochen wurde, weshalb die Aristasierinnen auch jetzt nicht darüber zu reden bereit sind, aber »intime Beziehungen zu Männern« werden jedenfalls nicht begünstigt.65 Die Praxis der U nter­ werfung lässt sich jedoch müheloser in eine allgemeine traditionalistische Spiritualität einordnen: Auch der Sufi unterwirft sich ganz seinem Scheich. Hier hat Trent mit ihrer Ansicht nicht Unrecht, dass die »Un­ terwerfung unter eine höhere Macht [...] die Quintessenz der Spiritua­ lität« ist, obwohl man vielleicht zwischen den verschiedenen Arten von Unterwerfung unterscheiden möchte.66 In ähnlicher Weise spiegelt der Separatismus der aristasischen Gemeinschaft vielleicht die Absonderung eines Sufiordens. 1995 bezichtigte die liberale britische Zeitung The Guardian Aristasia der angeblichen Beziehungen zur rechtsextremen British National Party (BNP), was an das immer präsente politische Potential des Traditionalis­ mus erinnert. Es war herausgekommen, dass der BNP-Führer John Tyndall an die prominente Aristasierin »Marianne Martindale« geschrieben hatte: »Ich bewundere und respektiere, was Sie tun, es fasziniert mich geradezu.« Martindale erklärte dem Guardian: »Ich persönlich habe kei­ nerlei Interesse am Faschismus«, und fugte noch etwas provokativ hinzu, dass sie auch keinerlei Interesse an der Demokratie habe »noch an ir­ gendeiner anderen maskulinen politischen Strömung«.67

12. T r a d i t i o n a l i s m u s in Russland

Der Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 brachte eine unge­ wöhnliche Form des Traditionalismus in die russische Politik. Alexan­ der Dugin spielte dabei eine zentrale Rolle. Sein Traditionalismus rich­ tete sich zunächst an jenen Teil der russischen Gesellschaft, der die Politik Boris Jelzins und die Idee der Umgestaltung Russlands in einen liberalen demokratischen Staat, der angemessene Beziehungen zum Westen unterhielt, ablehnte. Als sich das russische politische Klima un­ ter Präsident Wladimir Putin wandelte, rückte Dugins traditionalistischer Neo-Eurasianismus vom Rand in die Mitte der Politik, nicht so sehr, weil Dugin sich veränderte, als dass die Verhältnisse in Russland anders wurden.

F rü h e r T rad itio n alism u s in d er Sow jetunion

Traditionalismus im Untergrund Obwohl der Traditionalismus bis zur Perestroika zwangsläufig auf Dissi­ dentenkreise beschränkt war, gab es bereits in den 1960er Jahren russi­ sche Traditionalisten. Der Traditionalismus erreichte die Sowjetunion zuerst über zwei Bibliotheken Moskaus, die Bibliothek für Fremdspra­ chen und die Lenin-Bibliothek. Letztere war aus nicht bekannten Grün­ den ungewöhnlich gut mit traditionalistischen Werken bestückt.68 Der russische Dichter Jewgenij Golowin wurde 1962 oder 1963 durch Hin­ weise in Louis Pauwels5 Le matin des magiciens auf die traditionalisti­ schen Autoren aufmerksam, was entfernt an Pauwels’ Popularisierung des Traditionalismus in Westeuropa erinnert.69 Etwa zur gleichen Zeit machte ein anderer russsicher Dichter, Jurij Stefanow, eine ähnliche Ent­ deckung, indem er in der Bibliothek für Fremdsprachen Guenon zu lesen begann. Stefanow hatte damals schon als Übersetzer französischer

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Literatur einiges Ansehen erworben.70 Ais Schriftsteller hatten Golowin und Stefanow noch keine Werke publiziert und bewegten sich in einem kleinen Kreis von Dissidenten. Golowin und Stefanow kannten sich, und es ist nicht klar, wer von ihnen Guenon zuerst entdeckte. Golowin und Stefanow vermittelten den Traditionalismus an ihren Kreis, der einer von vielen kleinen Gruppen von Intellektuellen war, wie man sie damals in der ganzen Sowjetunion antraf. Ernüchtert von den zunehmend abgestandenen Orthodoxien des spätsowjetischen Marxis­ mus-Leninismus bewegten sich diese Dissidenten oder unabhängigen Intellektuellen am Rande des Lebens in der Sowjetunion. Sie boykottier­ ten die Kommunistische Partei und den Komsomol, obwohl die M it­ gliedschaft in solchen Institutionen eine unerlässliche Voraussetzung war, um im Wissenschaftsbetrieb oder im Journalismus, also den klassi­ schen intellektuellen Tätigkeitsbereichen, erfolgreich arbeiten zu kön­ nen. Stattdessen betätigten sie sich als Statistiker, Bibliothekare oder Straßenfeger. Nach bewährtem russischen Brauch traf man sich in W oh­ nungen und saß oft: in der Küche herum, um miteinander zu reden und sich zu betrinken, aber auch um philosophische und literarische Werke zu lesen und zu diskutieren, die manchmal in heimlichen Samisdat-Auflagen (Selbstverlag) im Umlauf waren. In diesem Umfeld gedieh auch die alternative Musik. Westliche Rock- und Punk-Musik, die von der sowjetischen Führung verpönt war, gelangte so zur intellektuellen Nobibei (oft mit Hilfe von Paralleltexten). Ihre autodidaktische Ausbildung in den Geisteswissenschaften erreichte häufig eine Stufe, die weit über dem lag, was westliche Autodidakten für gewöhnlich erreichen. Einige Beobachter sind jedoch der Meinung, das Fehlen förmlicher intellektu­ eller Betreuung führe oft zu einem Mangel an Genauigkeit und Diszip­ lin, und gelegendich entstünden überraschende Lücken. Zu Golowins Zirkel gehörten während der Sowjetzeit Stefanow, Haydar (auch: Gaydar) Jamal und (etwas später) Alexander Dugin. Diese drei wurden in der Folge zu Russlands wichtigsten Traditionalis­ ten. Jamal, der 1967 dem Kreis beitrat, war ein Moskowit aserbaidscha­ nischer Herkunft, dessen Erziehung und Ausbildung jedoch eher säkular und sowjetisch als islamisch waren. Als junger M ann hatte er sich in die Bibliothek philosophischer Werke vertieft, die sein Großvater m ütter-

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licherseits hinterlassen hatte. Dieser Großvater war ein nach Russland emigrierter osmanischer Türke, der auf Seiten der Bolschewiken an der Oktoberrevolution teilnahm und später am renommierten Staatlichen Institut für Theaterkunst lehrte.71 Dugin, der sich dem Kreis um 1980 anschloss, war der Sohn eines Obersten in der sowjetischen Armee. Golowin, Stefanow, Jamal und Dugin versuchten den Traditionalis­ mus aus den Büchern zu rekonstruieren; die sie in der Lenin-Bibliothek und in der Bibliothek für Fremdsprachen fanden. Manchmal versuchten sie, den Inhalt nicht verfügbarer Bücher einzig aus ihren Titeln zu er­ raten. Obwohl Guenons Symbolisme de la Croix nicht verfügbar war und in der »geschlossenen Abteilung« der Lenin-Bibliothek verwahrt wurde, war Evolas Heidnischer Imperialismus (in der überarbeiteten und traditionalistischeren Leipziger Ausgabe von 1933) in die offen zugängliche Sammlung der Lenin-Bibliothek gestellt worden, als man das Buch 1957 erworben hatte. Offensichtlich lasen die für diese Entscheidungen Verantwordichen von den Büchern nicht mehr als den Titel. Die meisten russischen Traditionalisten übernahmen Guenons Erklärungen der Mo­ derne, allgemein reagierten sie darauf (zumindest nach 1991) mehr nach dem Modell Evolas. Stefanow allein vertrat eine Tendenz, die sich mehr nach Guenon als nach Evola ausrichtete.72 Der Traditionalismus bot den Dissidenten eine intellektuell befriedi­ gende Erklärung für die sowjetischen Zustände, aber er bewog sie nicht zu irgendeiner Art von Handlung. Dugin übersetzte 1981 Evolas Heid­ nischen Imperialismus ins Russische, aber seine Versuche, das Buch im Selbstverlag zu verbreiten, hatten wenig Erfolg. Weder die spirituelle Aktivität, zu der Guenon gewöhnlich im Westen führte, noch die mit Evola verbundene politische Tätigkeit waren im Moskau der 1960er und 1970er Jahre möglich. Jede Möglichkeit politischer Aktivität war aus of­ fensichtlichen Gründen ausgeschlossen, und eine spirituelle Aktivität war durch das Fehlen einer notwendigen Infrastruktur eingeschränkt. Es war nicht leicht, von der Sowjetunion aus mit bestehenden traditionalistischen religiösen Gruppen Kontakt aufzunehmen. Nur aus dem Kreis Golowins gelang es dem ehemaligen Moskauer Philosophiestudenten Wladimir Stepanow (nicht zu verwechseln mit Jurij Stefanow), mit dem britischen Neo-Sufi und prominenten Schriftsteller Robert Graves (auch Robert von Ranke-Graves) Verbindung aufzunehmen, der allerdings kei-

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nen traditionalistischen Standpunkt vertrat.73 Obwohl Jamal im Jahr 1980 in Tadschikistan dem Sufiorden der Naqshbandiyya beigetreten ist, scheint der Sufismus für ihn keine größere Bedeutung gehabt zu ha­ ben. Als er 1980 oder 1982 mit Dugin eine einmonatige Reise in das Zarafshan-Gebirge im Nordosten des Pamir unternahm, suchten sie Jamals Scheich nicht auf, obwohl sie die Gräber verschiedener Sufi-Heiligen besuchten.74 Konkreten Aktionen kam der Golowin-Kreis noch dadurch am nächsten, dass gelegentlich ein »Bateau ivre« (trunkenes Schiff) veran­ staltet wurde. Hin und wieder ernannte Golowin eine »Mannschaft«, um poetische, alchimistische oder esoterische Texte vorzutragen, was sich über Tage hinziehen konnte, mitunter auch über Wochen, in einem Zustand ständiger Trunkenheit.75 Was Dugin später als »Exzess jeder Art« bezeichnete, wurde als eine Form der Revolte betrachtet. Solche Exzesse tauchen in einigen Romanen eines anderen Mitglieds des Golowin-Kreises auf, in denen des Autors Jurij Mamlejews, der von einem Kritiker als »Meister der sexuellen und nekrophilen Groteske« bezeich­ net wurde.76Sie zeigen sich ebenfalls im Liebesieben einiger Teilnehmer: Zwei der weiblichen Gefährten von Mitgliedern des Kreises wurden spä­ ter lesbische Aktivistinnen. Der Traditionalismus war zwar nur in Moskau zu finden, doch Stepanow, der Briefpartner von Robert Graves, brachte gewissermaßen den Traditionalismus nach Estland. Es gelang ihm, das Interesse eines Esten, Haljand Udam, der von 1967 bis 1971 am Moskauer Institut für O rienta­ listik an seiner Doktorarbeit schrieb, für den Traditionalismus zu we­ cken.77Ursprünglich hatte sich Udam für Indologie interessiert, und auf seiner Suche nach Werken über indische Philosophie war er in einem Bibliothekskatalog auf Guenons Introduction generale ä l 3etude des doctrines hindoues gestoßen. Udam war davon beeindruckt, und er fand und las noch weitere traditionalistische Werke mit Hilfe Stepanows, m it dem ihn sein Doktorvater am Institut für Orientalistik bekannt machte. Er kehrte nach Estland zurück und wurde zum ersten dortigen Traditio­ nalisten. Es bestand jedoch kein wesendicher Kontakt zwischen Udam und dem Golowin-Kreis in Moskau, und später wurde Udam zum Kri­ tiker der russischen Traditionalisten.78 Golowins Kreis scheint wenig offizielle Aufmerksamkeit auf sich

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gezogen zu haben, auch wenn Jamal mehrmals in einer psychiatrischen Anstalt landete, was damals eine übliche Methode war, um Dissidenten unter Kontrolle zu bringen. Generell tolerierte der KGB solche infor­ mellen Zirkel, allerdings innerhalb bestimmter Grenzen, die Dugin of­ fensichtlich überschritt. 1983 erfuhr die Obrigkeit von einer Party in einem Künstleratelier, bei der Dugin Gitarre gespielt und »mystische antikommunistische Lieder« gesungen haben soll. Dugin wurde kurz­ fristig verhaftet. In seinem Zimmer fand der KGB verbotene Literatur, vor allem die Bücher Alexander Solschenizyns und Mamlejews, die dem Golowin-Kreis angehört hatten, aber schon vor Dugins Beitritt nach Amerika ausgewandert waren.79 Dugin wurde aus dem Institut für Luft­ fahrt verwiesen, an dem er damals studierte. Er fand eine Anstellung als Straßenfeger, setzte aber mit Hilfe eines gefälschten Mitgliedsausweises seine Studien an der Lenin-Bibliothek fort.80

Traditionalismus zur Zeit der Perestroika Die Zeit der Perestroika (1986-1991) war in vielerlei Hinsicht eine gol­ dene Ära für »unabhängige« Intellektuelle. Völlig unerwartet war das Undenkbare möglich und sogar populär geworden. Einschränkungen wurden aufgehoben, neue Bereiche taten sich auch für Nichtmitglie­ der der kommunistischen Partei auf, neue Ideen durften formuliert wer­ den. 1988 veröffentlichte das Bulletin der Estnischen Orient-Gesellschaft sogar eine von Udam besorgte Übersetzung von Guenons Cycles cosmiques?1 Während der Perestroika begannen die russischen Traditionalisten aktiv zu werden. 1987 traten Dugin und Jamal gemeinsam der Gruppe Pamjat’ (Gedächtnis/Erinnerung) bei, die Dugin später als »die reaktio­ närste Gruppierung, die damals zu finden war«, beschrieb. Sie hofften, die Gruppe in Richtung Traditionalismus beeinflussen zu können, ähn­ lich wie Eliade einst gehofft hatte, die Legion des Erzengels Michael in Rumänien zu beeinflussen, und Evola die Faschisten, den Herrenklub und die SS. Parnjat’ war der Fokus der populären Opposition gegen Perestroika. Pamjat’ war um 1974 von Kunstrestauratoren und Historikern gegrün­ det worden und ursprünglich der Erhaltung des russischen Kulturerbes

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gewidmet. 1987 trat die Bewegung als politische Massenorganisation hervor,82 möglicherweise mit der Unterstützung des KGB, der sie für »ein Sicherheitsventil« gehalten haben mag, »um den von den Dissiden­ ten erzeugten Dampf abzulassen«.83 Pamjat’ kritisierte die Reformen Michail Gorbatschows und setzte sich für die Verteidigung des wah­ ren Russlands ein. Die Bewegung attackierte angebliche »Russophobie«, den Zionismus und die weltweite Verschwörung der Freimaurer.84 Un­ ter »Russophobie« verstand man die drohende und tatsächliche Schwä­ chung des sowjetischen Staates85 und das Ersetzen sowjetischer Norm en und Werte durch ein liberales oder sogar westliches Wertesystem. Dugins und Jamals Versuche der Infiltration von Pamjat’ hatten ebenso wenig Erfolg wie die früheren Bemühungen, die Eliade oder Evola mit ähnlicher Absicht gehabt hatten. Die Seminare, die sie ab­ hielten, lockten ein ansehnliches Publikum mit bis zu 100 Teilnehmern an; Ende 1988 wurde Dugin sogar in den Zentralrat von Pamjat’ beru­ fen.86 Doch 1989 gaben er und Jamal auf und verließen Pamjat’ wieder. Dugin beschrieb später die Mitglieder der Bewegung als »Hysteriker, KGB-Kollaborateure und Schizophrene«. Viele andere kamen zu ähn­ lichen Schlüssen, und Pamjat’ versank bald in der Bedeutungslosigkeit. Pamjats Einfluss auf die russische Oppositionspolitik ist vergleichbar mit derjenigen der Theosophie auf die westliche Esoterik: ein Forum, in dem Figuren hervortraten, die später anderswo von Bedeutung sein sollten. Nach 1989 verliefen die Aktivitäten Jamals und Dugins auf getrenn­ ten, aber parallelen Bahnen. Als sich 1990 der Islamismus in der Sowjet­ union bemerkbar machte, war Jamal einer der Gründer der Partei der Islamischen Wiedergeburt, die in einem späteren Kapitel behandelt wer­ den soll. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beteiligte sich Dugin zunehmend an der Politik und trat zunächst in nähere Bezie­ hung zu zwei bedeutenden Figuren des politischen Lebens in Russland. Eine dieser Figuren war Gennadi Ziuganow, Führer der Kommunisti­ schen Partei der Russischen Föderation (KPRF). Der andere, engere Kontakt war Aleksandr Andrejewitsch Prochanow, der Führer einer Gruppe, deren Mitglieder sich selbst als »Patrioten« bezeichneten. Pro­ chanow war gleichzeitig auch Romanautor, der viele und (einigen Kriti­ kern zufolge) nicht sehr gute Bücher schrieb. Sein wichtigstes Werk er-

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schien 1982, Derewo w zentre Kabula (Ein Baum in der Mitte Kabuls).87 Dieser Roman, der vom Krieg in Afghanistan handelt, sowie weitere ähnliche Werke verschafften ihm den ironischen Spitznamen »die Nach­ tigall des Generalstabs«.88

Dugins politische Aktivitäten unter PräsidentJelzin Dass Dugin, der einmal als Dissident vom KGB verhaftet worden war, zum Mitstreiter Ziuganows, des Anführers der KPRF, werden sollte, war eine erstaunliche Wandlung. Wie wir noch sehen werden, sollte es später noch eine zweite Wandlung ähnlicher Größenordnung geben, als Dugin sich aus der Sphäre der KPRF zu entfernen begann und auf den politi­ schen Mainstream unter Präsident Putin zusteuerte. Diese Wandlungen bedeuten jedoch keine Inkonsequenz Dugins. Wie Evola, so hielt sich auch Dugin in erster Linie an seine eigene Ideologie und nicht an die politischen Bewegungen anderer Leute. Dugin selbst gab zwei Gründe für seine erste Wandlung vom antiso­ wjetischen Dissidenten zum Mitarbeiter der kommunistischen Führung an. Zum Ersten reiste er 1989 mehrmals in den Westen, um in Frank­ reich, Spanien und Belgien vor der Neuen Rechten aufzutreten. Diese Besuche waren wichtig, da sie eine entscheidende Veränderung seiner eigenen Orientierung bewirkten. Nachdem er zeitlebens geglaubt hatte, es sei keine schlimmere Wirklichkeit denkbar als die »sowjetische Rea­ lität«, fand er nun zu seiner Überraschung, dass die westlichen Verhält­ nisse noch viel schlimmer waren - eine nicht ungewöhnliche Reaktion sowjetischer Dissidenten auf das Erleben westlicher Realitäten. Zweitens wurde seine neue politische Position durch die Ereignisse im August 1991 geprägt, als ein »Staatskomitee für den Ausnahmezustand«, der GKChP, während eines schlecht geplanten Putsches die Kontrolle über den Sowjetstaat verlor und stattdessen die endgültige Auflösung der Sowjetunion einleitete. Das Dokument, das allgemein als das Manifest der GKChP gilt, war Slovo k narodu (Ein Wort an das Volk), das am 23. Juli 1991 in der Tageszeitung Sowjetskaja Rossija (Sowjetrussland) veröffendicht wurde89 und von Dugins späteren Mitarbeitern Gennadi Ziuganow und Aleksandr Prochanow verfasst war. Seinem eigenen Bericht zufolge war Dugin von den Massen in Moskau, die Demokrane, Freiheit

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und den Markt forderten, so angewidert, dass er endlich seine prosowje­ tischen Gefühle entdeckte, eben in dem Augenblick, da die Sowjetunion aufhörte zu existieren. Mit den politischen Veränderungen in der postsowjetischen Pe­ riode gingen Dugins Abänderungen der traditionalistischen Philosophie einher. Der erste Punkt betraf eine »Korrektur« bezüglich Guenons Auf­ fassung des orthodoxen Christentums, vergleichbar der früheren »Kor­ rektur« Coomaraswamys bezüglich Guenons Ansichten über den Bud­ dhismus. Deutlich artikuliert Dugin diese Korrektur in seinem 1996 erschienenen Buch Metafizika blagoi vesti: pravoslavnyi esoterizm (Meta­ physik des Evangeliums. Orthodoxe Esoterik). Hierin folgt Dugin Jean Bies, einem französischen orthodoxen Anhänger Schuons, der argumen­ tiert, dass das von Guenon abgelehnte Christentum der westliche Ka­ tholizismus gewesen sei. Guenon habe darin durchaus Recht gehabt, nicht aber in seiner Ablehnung der östlichen Orthodoxie, über die er herzlich wenig gewusst habe. Nach Bies und Dugin hat die Orthodoxie im Gegensatz zum Katholizismus nie ihre initiatische Gültigkeit ver­ loren und blieb somit eine gültige Tradition, an die ein Traditionalist sich wenden konnte. Dugin übertrug in der Folge viele Werke traditionalistischer Philosophie in orthodoxe Begriffe.90 Aufgrund dieser U m ­ orientierung führte der Traditionalismus Dugin nicht zum Sufismus, der esoterischen Praxis des Islam, sondern zu der esoterischen wie auch exo­ terischen Praxis der russischen Orthodoxie. Dugin selbst bekannte sich zu den Altgläubigen, insbesondere zur Gemeinschaft der Jedinowerije.91 Im Unterschied zu den meisten Varianten des Altglaubens akzeptierte Jedinowerije die Autorität des Patriarchen und wurde im Gegenzug von der Hauptrichtung der russisch-orthodoxen Kirche anerkannt. Dieser Umstand war für Dugin von zentraler Bedeutung. Dugins zweite und etwas später vollzogene Abänderung des Tradi­ tionalismus bestand in der Verknüpfung desselben m it einer als Eurasianismus bekannten Ideologie. Das führte zu einem Ergebnis, das den Auffassungen in Samuel Huntingtons einflussreichem Buch Clash o f Civilizations (Kampf der Kulturen)92 ähnelt. Ende der neunziger Jahre war Dugin zum prominentesten Vertreter des Neo-Eurasianismus in Russland geworden. Nach 2000 war er der Öffentlichkeit in der H aupt­ sache als Neo-Eurasier und weniger als Traditionalist bekannt.

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Der ursprüngliche Eurasianismus wurde in den frühen 1920er Jah­ ren von emigrierten russischen Intellektuellen in Prag, Berlin und Paris entwickelt, vor allem von dem Geographen Pjotr Sawitskij, dem Lingu­ isten Fürst Nikolai Trubezkoi und von Nikolai Aleksejew, einem Rechts­ philosophen.93 Diese Eurasianisten beriefen sich auf die Slawophilen und Pan-Slawisten des 19. Jahrhunderts, vor allem auf Konstantin Leontjew und Nikolas Danilewskij. Sie hofften, dass ihre Lehre sich unter der Elite verbreiten und in der Sowjetunion zu einer »inneren Opposi­ tion« fuhren würde.94 Es geschah jedoch erst in den 1980er Jahren, dass dort der Eurasianismus überhaupt Aufmerksamkeit erregte, als Lew Gumiljows Buch Theorie des Ethnos in Ungarn veröffentlicht wurde.95 Erst Ende der neunziger Jahre erlangte der Eurasianismus in Russland durch Dugins Zutun und in abgewandelter Form Bedeutung. Dugins Version ist allgemein als Neo-Eurasianismus bekannt, ein Begriff, der auch für die Theorien Gumiljows und von einer Reihe späterer Denker wie Aleksandr Panarin verwendet wird. Diese entwickelten sich alle se­ parat aus dem ursprünglichen Eurasianismus der 1920er Jahre. Hier in­ teressiert uns vornehmlich die Entwicklung Dugins. Die Slawophilen, die Pan-Slawisten, die Eurasier der 1920er Jahre und schließlich Dugin selbst sind alle der Überzeugung, dass Russland sich grundsätzlich vom Westen unterscheidet, was seine Spiritualität und Gesellschaft angeht. In manchen wichtigen Details unterscheiden sie sich jedoch voneinander. Die Slawophilen waren die ersten russischen Intellektuellen, die eine russische Identität im Gegensatz zu einer europäischen zu definieren suchten. Dies verlief parallel zu einigen westlichen Intellektuellen, die sich um eine Unterscheidung zwischen dem Westen und den übersee­ ischen Kolonien Europas bemühten. Für den Nationalismus des 19. Jahr­ hunderts war es von zentraler Bedeutung, sich aus dem Gegensatz zu einem »Anderen« zu begreifen. Infolgedessen wurde die wesdiche Iden­ tität als zivilisiert und rational verstanden, während die Völker der euro­ päischen Kolonien zu unzivilisierten und irrationalen Gemeinschaften herabgewürdigt wurden. Diese Identität ersetzte die ältere, als chrisdich definierte Identität des Westens. Die Slawophilen hoben somit die Reli­ gion und den gesellschaftlichen Zusammenhalt hervor, im Gegensatz zu der vermeintlichen trockenen Rationalität und moralischen Dekadenz

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Europas. Anders als ihre westlichen Kollegen stützten sie sich dam it auf eine romantische Kritik der frühen Moderne.96 Die Eurasier der zwanziger Jahre folgten ziemlich dem gleichen Schema wie die Slawophilen und Panslawisten. Ihre Kritik an der west­ lichen Moderne aktualisierten sie dahingehend, dass sie die »Mechani­ sierung« mit einbezogen. Sie erkannten die technischen Triumphe des Westens an und kritisierten ihn wegen seiner Säkularisierung und wegen der Aufsplitterung der Gesellschaft im Namen des Individualismus.97 Ihre Analyse des Westens unterschied sich im Grunde nicht wesentlich von der Guenons. Aus dieser Zeit wissen wir von keinem Eurasier, der Guenon gelesen hätte, aber Guenon wie auch die Eurasier formulier­ ten ihre Gedanken in der selben Epoche und waren mehr oder weniger denselben allgemeinen Einflüssen ausgesetzt. Dugin hatte daher keine Schwierigkeit, die eurasische Sicht auf den Westen m it der traditionalistischen Sicht des Westens zu verbinden. In den hundert Jahren, die seit dem 19. Jahrhundert vergangen sind, hatte sich vor allem die Definition des »Wir« und des »Anderen« verän­ dert. Die Slawophilen und die Panslawisten verstanden unter »Wir« die Slawen, die »Anderen« waren die Europäer, nach panslawistischer Les­ art die »romano-germanische« Zivilisation. Die Eurasier der zwanziger Jahre behielten diese Definition des »Anderen« bei, aber definierten das »Wir« neu: Dies waren jetzt nicht mehr die Slawen, sondern die Völker der eurasischen Steppe.98 Dugin hielt sich in groben Zügen an die Eura­ sier der zwanziger Jahre, wobei er ihre Definitionen im Licht der Arbeit zweier »geopolitischer« Geographen der Zwischenkriegszeit abwandelte, des bahnbrechenden britischen Geographen Sir Haiford Mackinder99 und des einflussreichen deutschen Geopolitikers Karl Haushofer. Mackinder und Haushofer vertraten die These von einer grundle­ genden Trennung zwischen einem »eurasischen Kernland«, bestehend aus Deutschland und Russland, und einer atlantischen Welt, die Seevöl­ ker umfassend, die zum freien Handel und zum demokratischen Libera­ lismus prädisponiert sind. Sie wurde zuerst in Mackinders Buch Democratic Ideals and Reality (Demokratie als Idee und Realität) vorgetragen, das 1919 zur Zeit der Pariser Friedenskonferenz erschien.100 Später wur­ de die These von Haushofer übernommen. Mackinder, ein konservati­ ves Gewerkschaftsmitglied und ein Parlamentarier, nebenbei ein über-

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zeugter Imperialist, hegte die Absicht, die atlantischen Mächte (Groß­ britannien und Amerika) von der Notwendigkeit einer Intervention zu überzeugen, um ein Gleichgewicht zwischen den beiden eurasischen Mächten, Russland und Deutschland, zu gewährleisten. Ironischerweise erregte sein Buch in der atlantischen Welt weniger Aufmerksamkeit als in Deutschland. Haushofer war ein entschiedener Befürworter der Not­ wendigkeit einer sowjetisch-deutschen Allianz gegen die atlantische Welt. Dennoch trägt sein Konzept des Staates als einem lebendigen Or­ ganismus mit Recht auf Lebensrau?n die Mitverantwortung für die deut­ sche Invasion Russlands, durch welche die kurzlebige sowjetisch-deut­ sche Allianz beendet wurde. Wenn der Traditionalismus erst einmal vom Hinduismus und vom Sufi-Islam gelöst und auf das orthodoxe Christentum gerichtet wird, er­ weist er sich als nahezu perfekte Ergänzung zum Eurasianismus. Die at­ lantische Welt lässt sich leicht mit dem Kali Yuga identifizieren: Sie re­ präsentiert die Moderne mit ihrem Fehlen wirklicher Spiritualität und ihrer Demokratie auf der untersten Gesellschaftsstufe, die Evola so ver­ abscheute. Russland dagegen ist das Reservoir einer riesigen und mäch­ tigen initiatischen Tradition und besitzt die bestmögliche spirituelle und metaphysische Rechtfertigung für seinen unvermeidlichen Kampf gegen die Mächte der Finsternis, die in der atlantischen Allianz verkörpert sind. War es einmal der historische Auftrag der Sowjetunion, der Welt den Kommunismus zu bescheren, so ist es nun die heilige Mission Russ­ lands, den orthodoxen Traditionalismus in die Welt zu tragen. Nach Dugins eigenen Worten muss »die Ost-Kirche ihre Mission im planeta­ rischen Kontext erfüllen«.101

Dugin und die Rot-Braunen Um vollends zu erklären, wie ein Traditionalist sich mit Marxisten ver­ bünden konnte, müssen wir uns kurz den besonderen Umständen des politischen Lebens in Russland während der postsowjetischen Ära zu­ wenden.102 Die Standardteilung der wesdichen Politik in Linke, Rechte und Mitte traf dort nicht wirklich zu, denn von Anbeginn der Peres­ troika war der Liberalismus radikal und der Kommunismus konservativ. Als sich 1990 innerhalb der Kommunistischen Partei eine politische Op-

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position gegen die Perestroika zu organisieren begann, konzentrierte sie sich um die KPRF unter Gennadi Ziuganow und war ideologisch auf Prochanows »Patrioten« abgestimmt. Diese Allianz führte zur Bildung einer gemeinsamen Front, die häufig als »die Rot-Braunen« bezeichnet wird, wobei die KPRF die Roten und die »Patrioten« die (faschistischen) Braunen sind. Dugin selbst zog die Bezeichnung »Rot-Weiß« vor.103 Wesentlicher als die Trennung zwischen links und rechts war in die­ sem Fall die Trennung zwischen den »Liberalen«, die wie Jelzin eine Vision vom demokratischen Russland mit guten Beziehungen zum Wes­ ten hatten, und jenen, die eine solche Vision ablehnten und hier als »Opposition« bezeichnet werden sollen. Unterschiedliche Teile der O p­ position nahmen zu verschiedenen Zeiten verschiedene Namensbezeich­ nungen an (Kommunisten, »Patrioten«, Nationalisten, sogar Monarchis­ ten), aber in der Regel war die schiere Zugehörigkeit zur Opposition wichtiger als die genaue Fraktion, der man angehörte.104 Ein ähnliches Phänomen war auch in der Weimarer Republik zu beobachten, als in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ein national-kommunisti­ scher Trend unter den Kommunisten auftrat und 1929 ein national-bol­ schewistischer Trend unter den Rechten entstand, einschließlich einiger Nazis.105 1991 begann Dugin für Prochanows Zeitung Den (Tag) zu schrei­ ben, die damals eine Auflage von etwa 150 000 Exemplaren hatte.106 Er hielt Prochanow für einen »staatsfixierten Patrioten«, der aber eine un­ gewöhnliche Offenheit für neue Ideen zeigte. Die Ideen, die Dugin m it Prochanows Duldung in Den veröffentlichte, waren die Ideen Evolas und Guenons und der westeuropäischen Neuen Rechten. Zu dieser ge­ hörten »Antikapitalisten« (Dugins Ausdruck) wie der italienische EvolaAnhänger Claudio Mutti, der Muslim war, und Alain de Benoist, der intellektuelle Anführer der französischen Neuen Rechten. Wahrend dieser Zeit stand Dugin entschieden auf Seiten der O p­ position, ebenso wie es die Kommunisten Ziuganows taten. Für Dugin war Ziuganows Oppositionshaltung wichtiger als sein Marxismus, der ohnehin nicht wirklich sehr marxistisch war. Wie Aleksandr Tsipko, ein ehemaliger politischer Berater Gorbatschows, es ausdrückte: »Allein schon der Gedanke, die Idee der >Nation< und des >Staates< über die Idee der Befreiung der Arbeiterklasse zu stellen [wie es die KPRF eindeutig

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tat], widerspricht unmittelbar dem Geist und der theoretischen Lehre des Marxismus.«107 Wenn es auch verständlich ist, dass ein Traditionalist wie Dugin sich mit den Kommunisten verbünden mochte, bleibt doch die Frage, wieso die KPRF am Neo-Eurasianismus Dugins Interesse hatte. Die unter­ schiedlichen Gruppen der Opposition hatten zwar gemeinsame Inter­ essen und gemeinsame Gegner, doch es fehlte ihnen eine einheitliche Ideologie. Auf den ersten Blick mochte der Nationalismus die geeignete Ideologie für Oppositionszwecke sein, aber ein ethnisch fundierter Nati­ onalismus, wie wir ihn in Westeuropa seit der Französischen Revolution kennen, war für die Gegebenheiten in Russland kaum geeignet, da die Russische Föderation ein multiethnischer Staat ist. Ein ethnisch fundier­ ter Nationalismus konnte somit weder zur Rechtfertigung des zaristi­ schen noch des sowjetischen Regimes dienen.108Selbst als der Führer von Pamjat’, Dmitri Wassiljew, erklärte: »Unser Ziel ist es, das Nationalbe­ wusstsein des russischen Volkes zu wecken«, musste er einen Zusatz anhängen, nämlich: »Und das aller anderen Völker, die in unserem Vater­ land leben.« 109 Ein ethnisch fundierter Nationalismus wäre Ende des 20. Jahrhunderts auf das Extrem hinausgelaufen, das russische Herr­ schaftsgebiet noch weiter zu verkleinern und ihm zusätzliche Einbußen aufzuerlegen, als es schon 1991 erlitten hatte, so dass es sich letztlich auf einen kleinen Kern rein russischen Territoriums beschränkt hätte. Auch wenn ein kleiner Kreis radikalliberaler Intellektueller in Moskau110eine solche Konsequenz in Betracht zog, wäre sie den meisten gewöhnlichen Russen ein Greuel gewesen. Diese Lösung hätte außerdem den verhee­ renden Nachteil gehabt, dass man eine unannehmbare Zahl ethnischer Russen außerhalb dieses ethnisch rein russischen Kerngebiets ihrem Schicksal überlassen hätte. Dugins Neo-Eurasianismus war also eine inklusivere Form des Na­ tionalismus, die eher den russischen Gegebenheiten entsprach. Der eurasische Block unter der Führung Russlands sollte nicht nur die gesamte Russische Föderation einschließen, sondern den meisten Auslegungen nach auch Gebiete wie die Ukraine und Weißrussland. Einige waren sogar der Ansicht, dieses Eurasien solle nicht nur die Territorien der ehe­ maligen UdSSR enthalten, sondern auch den größten Teil der islami­ schen Welt.

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Beziehungen zwischen Russland und der islamischen Welt waren ein zentrales Paradox in der gedanklichen Untermauerung der Opposition und des Neo-Eurasianismus. Einerseits hatten die Ereignisse in Afgha­ nistan während der achtziger Jahre sowie in Tschetschenien und selbst in Moskau während der neunziger Jahre zu erheblicher Feindseligkeit gegenüber dem Islam und dem Islamismus geführt. Diese antiislamische Stimmung wurde von Präsident Jelzin gefördert und ausgenutzt. Ein gewisser Rassismus gegen die »Schwarzärsche« aus dem Kaukasus war allgemein verbreitet und führte manchmal zu Übergriffen. Ähnliche Tendenzen werden regelmäßig von maßgeblichen Gruppen der extre­ men Rechten im Westen ausgenutzt. Andererseits hatte die Sowjetunion schon lange Zeit freundschaftliche Beziehungen zur arabischen Welt ge­ pflegt, da sie dazu tendierte, die Nahost-Staaten als tatsächliche oder potenzielle Verbündete gegen Amerika anzusehen.111 Wie auch immer die Stimmung der Masse sein mochte, die russische Opposition zeigte sich allgemein dem Islam wohlgesonnen. »Ich respek­ tiere den Islam und andere Religionen«, erklärte 1989 Dm itri Wassiljew von der Pamjat’-Bewegung, und »Khomeini ist ein großer M ann, der für den Islam und die Reinheit der islamischen Tradition kämpft. W ir ste­ hen an der Seite all derer, die an Gott glauben.«112 Eine ähnliche Linie vertraten später die meisten wichtigen Oppositionsführer. Dugin, Prochanow und Ziuganow sprachen sich für eine Allianz m it dem Islam aus. Aus Dugins Sicht trat nun »die Weltstrategie der Bestie« in eine neue Phase ein, die aus zwei Zielen bestand: »einerseits in der Unterordnung des russischen Volkes unter die globale Macht, andererseits in einem An­ sturm auf die sicherste Bastion der Tradition, die in unserer Zeit durch den Islam vertreten ist«.113Ziuganow meinte, »am Ende des 20. Jahrhun­ derts wird es immer deudicher, dass der islamische Weg die wirkliche Alternative zur Hegemonie der westlichen Zivilisation wird. [...] Der Fundamentalismus ist [...] eine Rückkehr zu jahrhundertealter nationa­ ler spiritueller Tradition [...], zu moralischen Normen und Beziehungen zwischen den Menschen.«114 Ziuganow war ein wichtiger Mann in der russischen Politik, und Prochanow war für Ziuganow wichtig. Einige Kommentatoren sind sich einig, dass Prochanow maßgeblich zu der Annäherung Ziuganows an andere Oppositionsgruppen beitrug und somit zu dem bemerkenswer*

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ten Wahlsieg seiner Partei in den Dumawahlen vom Dezember 1995, Die KPRF ging aus diesen als die dominierende Partei in der Duma hervor.115 Sie konnte diese Position auch in den Wahlen von 1999 be­ haupten, obwohl ihre Bedeutung danach abzunehmen begann. Es be­ steht auch Übereinstimmung darüber, dass Prochanows Zeitung Den entscheidend dazu beitrug, den Neo-Eurasianismus zu popularisieren und ihn in »den gemeinsamen Bezugspunkt der russischen >rotbraunen< Koalition« zu verwandeln.116 Ein Kommentator erklärte mit einiger Übertreibung, dass es nicht das Parteiorgan oder Prawda$ sei, sondern die Zeitung Prochanows, »welche die Ideologie der kommunistischen Hauptrichtung vertritt«.117 »Ziuganow hat den Eurasianismus benutzt, um die Kommunistische Partei neu zu erfinden«, schrieb ein anderer, »und er war dabei unglaublich erfolgreich.«118 Der Neo-Eurasianismus spielte innerhalb der Opposition eine zen­ trale Rolle, und ebenso zentral war auch die Rolle Dugins. Dies war die Ansicht vieler westlicher Beobachter, vor allem nach der Veröffent­ lichung des Bestsellers Dugins: Osnowi geopolitiki: geopoliticheskoe hudushchee Rossii (1997, Geopolitische Grundlagen: Die geopolitische Zu­ kunft Russlands).119 Osnowi geopolitiki war Dugins wichtigstes und erfolgreichstes Buch. 1997 war es »unter Militär- und Zivilanalysten an einer Vielzahl von Instituten ein heiß diskutiertes Thema [...], obwohl ein Beobachter den Eindruck gewann, dass das Buch mehr diskutiert als tatsächlich gelesen wurde.«120 Das Interesse des russischen Militärs an Dugins Buch bedeutete, dass es auch im Ausland die intensive Auf­ merksamkeit gewisser Spezialistenkreise auf sich zog. Dugin hatte bereits seinen Aufsatz »Geopolitik als Schicksal« in der Ausgabe vom 25. April 1997 der Militärzeitschrift Krasnaya Swesda (Roter Stern) veröffendicht, und Osnowi geopolitiki gewann auch die Anerkennung des Militärs, ins­ besondere des Generalleutnants Nikolai Pawlowitsch Klotow, der an der Militärakademie des Generalstabs ein Ausbilder war. Bereits zuvor hatte Dugin vor diesem Forum gesprochen, einer Einladung des Oberst-Ge­ nerals Igor Nikolajewitsch Rodionow folgend, dem späteren Verteidi­ gungsminister unter Jelzin.121 Osnowi geopolitiki sprach sich für eine Allianz mit dem Islam aus. Es trat auch fixr die Schaffung einer Berlin-Moskau-Tokio-Achse ein, um der amerikanisch-atlantischen Bedrohung zu begegnen. Außerdem be-

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fürwortete Dugin in diesem Werk die Rückgabe der russischen Stadt Kaliningrad (ehemals Königsberg) an Deutschland und den A btritt der Kurilen an Japan, die beide in der Folge des Zweiten Weltkriegs an die Sowjetunion gegangen waren. »Der Zusammenhang zwischen Dugins Ideen und denen des russischen Establishments«, schrieb Charles Clover in der einflussreichen amerikanischen Zeitschrift Foreign Affairs, »ist zu evident, als dass man ihn ignorieren könnte.« Als Beweis zitierte Clover den russischen Vorschlag des Jahres 1998, dass die Inselgruppe der Kuri­ len an Japan zurückgegeben werden könne, sowie die russische Annä­ herung an den Iran und den Irak.122 Für beides lassen sich natürlich ohne Verweis auf Dugin oder den Traditionalismus ganz einleuchtende Er­ klärungen finden,123 deutlich ist aber, dass Dugins Ideen dem russischen Publikum weniger exzentrisch vorkamen als dem westlichen. Igor Winogradow, ein liberaler Intellektueller und Herausgeber der Zeitschrift Kontinent, hat vielleicht die beste Analyse des Eurasianismus gegeben. Im Zusammenhang mit seinen Ursprüngen in den 1920er Jah­ ren erklärte er, dass der Eurasianismus »schon damals seinen faulbrandi­ gen Utopismus hinreichend enthüllt« habe. Offenbar sieht er bei dem Utopismus die Gefahr, in Totalitarismus zu münden. Über die Neo-Eurasianer der 1990er Jahre hatte Winogradow Folgendes zu sagen: »Sie unternehmen lärmend eine Galvanisierung einer reaktionären Utopie, die schon vor langer Zeit versagt hat, einen Versuch, diese durch Einspritzen eines neuen Impfstoffs wiederzubeleben — eine Kombination aus >Orthodoxie< und >IslamZionismusKatholizismus< und überhaupt gegen jegliche Art von JudenFreimaurerei. [...] Bei all ihrer [intellektuellen] Unbeholfenheit sind sie sehr gefährlich. Schließlich ist die Versuchung des religiösen Fun­ damentalismus in unserem Jahrhundert des Unglaubens und der all­ gemeinen spirituellen Korruption für viele verzweifelte Menschen attraktiv, die sich in diesem Chaos verirrt haben.«124 Das Verdienst fixr diese Wiederbelebung einer »gescheiterten« Ideologie gebührt zweifellos Dugin und dem Traditionalismus. Er ist eindeutig die Quelle des »neuen Impfstoffs«, auf den hier angespielt wird.

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Dugins Neo-Eurasianismus ist nicht spezifisch oder offenkundig traditionalistisch. Obwohl der kundige Leser leicht traditionalistische Einflüsse identifizieren kann125 und Osnoivi geopolitiki einen Abschnitt über das Verhältnis zwischen moderner Geopolitik und sakraler Geo­ graphie enthält, kommt das Wort »Tradition« in der Liste der Wort­ erklärungen dieses Buches nicht vor. Es finden sich auch keine traditionalistischen oder sonstigen philosophischen Texte unter den angeführten Auszügen aus klassischen Werken, an deren erster Stelle Zitate von Hai­ ford Mackinder stehen.126 Insofern ist dieses erfolgreiche Buch, Osnowi geopolitiki, ein weiteres Beispiel für den gemäßigten Traditionalismus.

Die Partei der National-Bolschewisten Unter Präsident Jelzin waren Dugins wichtigste politische Verbündete Prochanow und die KPRF. Nach dem Erfolg seines Buches Osnowi geo­ politiki war es die Partei selbst, und Anfang 1999 wurde Dugin zum Sonderberater des Parteisprechers in der Duma, Gennadi Nikolajewitsch Selesnjows, ernannt.127 Außerdem unterhielt er Kontakte zu rechten Kreisen in Westeuropa. Beziehungen wurden 1989 bei Dugins erstem Besuch im Westen geknüpft und seit März 1992 anlässlich der Gegenbe­ suche de Benoists und seines belgischen Bundesgenossen Robert Steuckers in Russland fortgeführt.128 Auch die Veröffentlichung 1991 und 1992 zweier Sammlungen der Aufsätze Dugins auf Italienisch durch Mutti half die Verbindung weiter zu stärken.129 Doch die politische Be­ ziehung, die Dugin zuerst öffentliche Prominenz in Russland verschaffte, war die zu einem Schriftsteller ganz anderer Art, Eduard Limonow. Wie Golowin war Limonow ein Dichter und Dissident gewesen und wie Mamlejew 1974 nach Amerika emigriert.130 Wie Dugin reagierte auch er auf die Realität im Westen mit Enttäuschung und sogar Ab­ scheu, worüber sein bekanntester Roman berichtet: Eto ja, Editschka (1976, deutscher Titel: Fuck off, Amerika) Er übersiedelte nach Frank­ reich und wurde 1987 französischer Staatsbürger. Er schrieb weiter halb­ biographische Erzählungen, die von den Russen, die sie zu lesen beka­ men (in die Sowjetunion eingeschmuggelt), hochgeschätzt wurden. Die meisten seiner Bücher wurden ins Französische und auch in andere Sprachen übersetzt und waren bei vielen Westeuropäern beliebt.

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Der Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahre 1991 bedeutete, dass Emigranten wie Limonow, Mamlejew und Solschenizyn nach Russland zurückkehren konnten.132 Für jüngere Intellektuelle hatte Limonows Rückkehr eine noch größere Bedeutung als die Solschenizyns. Limonow wurde im Radio und auch im Fernsehen häufig interviewt, obgleich viele liberale Intellektuelle von ihm in gewisser Hinsicht enttäuscht wa­ ren. Obwohl er als Dichter und Schriftsteller unbestreitbare Fähigkeiten hatte, wirkte er vor der Kamera wenig wortgewandt und eher provin­ ziell. Noch beunruhigender war, dass er anfing, »seltsame Dinge« von sich zu geben. Liberale mussten schließlich zugeben, dass Limonows po­ litische Ansichten denen der Opposition glichen. Als 1992 der extreme Nationalist Schirinowski die künftige russische Schattenregierung seiner ironisch benannten Liberal-Demokratischen Partei präsentierte, war Li­ monow einer seiner neun Minister.133 Dugin begegnete Limonow in den Kreisen der Opposition um Prochanow und Ziuganow. Limonow war damals bereit zum Bruch m it Schirinowski, den man inzwischen allgemein als charakterlosen O ppor­ tunisten ansah. Dugin und Limonow waren beide vom »Archaismus« der bestehenden Opposition enttäuscht und entschlossen sich zu einer gemeinsamen Demarche. Dugin schwebte eine Art Bewegung vor, aber Limonow bestand auf einer formalpolitischen Partei, und so gründeten sie 1993 die National-Bolschewistische Partei (NBP).134 Dugin hatte die­ sen markanten Namen vorgeschlagen, den er auf russische Emigranten der zwanziger Jahre zurückftihrte und nicht etwa auf ein deutsches Vor­ bild.135 Ein drittes Gründungsmitglied dieser Partei war der Musiker Jegor Letow, ein drogenkonsumierender anarchistischer Punkrocker, dessen Gruppe Graschdanskaja Oborona (Zivilschutz) viele jugendliche Anhänger besaß.136 Limonow war der Führer der NBP und der »Mann der Tat« hinter den Aktionen der Partei, doch angetrieben wurde er wohl mehr von sei­ nem dramatischen Instinkt und seiner Reaktion auf den Westen wäh­ rend der siebziger Jahre als durch den Traditionalismus oder irgendeine andere Ideologie. Der erste Schritt der National-Bolschewisten war eine Plakatkampagne im ganzen Stadtgebiet von Moskau, die m it dem Slogan »Yankees raus aus Russland« zum Boykott importierter Waren aufforderte. Diese Kampagne trug der Partei einige Aufmerksamkeit

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ein.137 In der Folge ersann Dugin weitere Slogans, wie zum Beispiel: »Trink Kwas, nicht Coca-Cola«. Andere Aktionen waren weniger erfolg­ reich. Die Parteimitgliedschaft in Moskau überschritt niemals 500 Mit­ glieder, und wenn sie auch in ganz Russland 2000 erreicht haben mag, ist das in einem Land von 150 Millionen Einwohnern kaum eine nen­ nenswerte Zahl.138 Limonows Bündnisse mit zwei anderen Oppositions­ parteien waren von nur kurzer Dauer.139 An den Wahlen zur Duma 1995 beteiligten sich die National-Bolschewisten als Einzelpersonen und nicht als Partei, da das Justizministe­ rium wiederholt die Zulassung der NBP als Partei abgelehnt hatte.140 Dugin trat in einem Bezirk St. Petersburgs an, während Limonow in Moskau kandidierte. Dugins Wahlkampf wurde auf breiter Basis geführt und durch die Werbung Sergej Kurjochins unterstützt, eines angesehe­ nen Rock- und Jazzmusikers, der auch Symphonien komponierte und dessen Band, Pop Mechanika, überaus beliebt war. Kurjochins Beliebt­ heit geht teilweise auf seine »Mystifizierungen« zurück, zum Beispiel, als er in einer großen Fernsehsendung behauptete, Lenin sei eigentlich ein Pilz gewesen. Er organisierte ein Gratispopkonzert unter dem Banner »Kurjochin für Dugin«141und erklärte in Interviews das Parteiprogramm der NBP, so im September 1995 in einem Interview in der St. Peters­ burger Jugendzeitung Smena (Veränderung). Trotz dieser Unterstützung bekam Dugin nur 2493 Stimmen, 0,85 Prozent aller Wähler. Limonow hatte in Moskau etwas mehr Glück und erhielt 1,84 Prozent (5555 Stim­ men).142 Ungerührt von diesem Rückschlag ließ sich Limonow im Mai 1997 erneut als Kandidat für die Gouverneurswahl in der Region Nischni Nowgorod aufstellen, erlitt aber eine weitere Niederlage.143 Dugin hin­ gegen kam zu dem Schluss, dass Limonows Ansicht des wahrscheinli­ chen Einflusses der NBP auf die russischen Wähler unrealistisch war. Es bestürzte ihn auch, dass Limonow fortwährend keinerlei ernsthaftes In­ teresse an ideologischen Fragen zeigte.144 Im April oder Mai 1998 verließ er die Partei. Der andere Mitbegründer der Partei, der Punkmusiker Je­ gor Letow, hatte schon seit einiger Zeit das Interesse daran verloren (ob­ wohl er 1996 noch in der Zeitschrift Elementy schrieb, auf welche später noch eingegangen wird). In der NBP gab es zweifellos humoristische Elemente, die an die

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Prosa Limonows erinnern. Ihr politisches Programm gab beispielsweise einem Parteimitglied das Recht, nicht hinzuhören, wenn seine Freundin mit ihm sprach. Die Anweisungen der Partei über angemessenes Verhal­ ten bei einem Kinobesuch (Westernfilme zu fünfzehnt anschauen und anschließend den Kinosaal verwüsten) waren sicherlich nicht ganz ernst gemeint, selbst wenn ein paar Kinosäle dran glauben mussten. Was soll man aber von dem Versprechen halten wie: »Wir werden die Welt der Kriminalität zerstören. Ihre fähigsten Repräsentanten werden in den Dienst des Staates und der Nation aufgenommen. Der Rest wird m it militärischen Mitteln vernichtet werden«? Der Parteigruß —rechter Arm für den Faschismus erhoben, mit geballter Faust für den Bolschewismus, begleitet von dem Ruf »Da, smert\< (Ja, Tod!) - hatte ebenfalls viel von einer Farce an sich. Diese Elemente des Absurden trugen sicher auch zum subkulturellen Reiz der NBP bei. Obwohl sie es nie zugab, war die NBP mehr die Verkörperung einer gewissen Haltung als eine ernstzuneh­ mende politische Organisation. Ein Kritiker der Partei, Ilja Ponamarjow, ging sogar so weit, sie als »ein postmodernes ästhetisches Projekt intellektueller Provokateure«145 zu beschreiben, was auf die primitiveren regionalen Gruppen der NBP vielleicht nicht zutreffen mag, aber als Be­ schreibung der zentralen Figuren gar nicht so abwegig ist. Die Behaup­ tung der Partei, sie strebe nach absoluter Macht, musste eindeutig m it einer gewissen Vorsicht betrachtet werden. Für Dugin bestand die wirk­ liche Bedeutung der NBP darin, dass sie ihm einige Jahre hindurch als Basis für seine öffentlichen Auftritte, seine Schriften und Publikationen diente.

Dugin als Kommunikator Nachdem Dugin die NBP verlassen hatte, machte er seinen eigenen Ver­ lag Arktogaja zur Basis seiner Aktivitäten, der nach einer nordischen Version von Atlantis benannt war. Arktogaja veröffentlichte einige Über­ setzungen von Werken wesdicher Traditionalisten,146 viele der Bücher Dugins (er verfasste in der Regel etwa zwei Bücher im Jahr) und einige Romane von Gustav Meyrink, dem »fantastischen« Prager-deutschen Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts, der sehr an Magie und dem Okkulten interessiert war.147

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Über Zeitschriften, Radio und Internet versuchte Dugin seine Ver­ sion des Traditionaiismus zu verbreiten, mit sehr unterschiedlichen Er­ gebnissen. Wieder einmal erwies sich der gemäßigte Traditionalismus als der erfolgreichste. Die seriöse »theoretische« Zeitschrift Milyi Angel (Sü­ ßer Engel), die zwischen 1991 und 1997 erschien, hatte nur eine kleine Auflage. Eine Zeitschrift von eher allgemeinem Interesse, Elementy (Ele­ mente), wurde 1993 mit einer ehrgeizigen Auflage von 50000 Exempla­ ren ins Leben gerufen. Nachdem sie 1996 auf die immer noch passable Menge von 2000 gesunken war, stellte sie 1998 ihr Erscheinen ein.148Für den Zugang zur breiteren russischen Öffentlichkeit sorgte aber eher eine Seite in Prochanows Zeitung Zawtra (Morgen), der Nachfolgerin von Den (Tag), die in der Folge des von Jelzin befohlenen Einsatzes von Streitkräften gegen eine widerspenstige Duma im Oktober 1993 verbo­ ten worden war. Zawtra erreichte eine Auflage von 70 000 bis 100 ooo.149 Dugins Seite —eine Beilage, die mit Ewraziiskoe Wtorschenie (Eurasische Invasion) überschrieben war, wird kaum an dasselbe Publikum gerichtet gewesen sein wie Zawtra selbst. Zawtra war eine eindeutig populistische Zeitung, mit Titelgeschichten wie »Jelzin —ein Dieb. Djatschenko - eine Diebin?« (Djatschenko ist Jelzins Tochter), Reportagen über militärische Luftfahrt und Enthüllungen über liberale Politiker, die angeblich als amerikanische Spione oder jüdische Agenten entlarvt worden waren. Dugins Ewraziiskoe Wtorschenie schlug dagegen einen wesentlich intel­ lektuelleren Ton an. Ein entschieden postmodernes Layout, das sich vom Rest der Zeitung Zawtra deutlich abhob, wurde unter Umständen durch ein Wort zum Tage von Emerson abgerundet (beispielsweise »Der Held ist derjenige, der einen unbewegten Mittelpunkt besitzt«), und die Ergänzung zur Titelgeschichte »Jelzin —ein Dieb? Djatschenko eine Diebin?« war »Nationaler Existentialismus: Der Körper als Perfor­ mance«.150 Am erfolgreichsten war jedoch eine wöchendiche einstündige Ra­ diosendung Finis M undi (Das Ende der Welt),151 die von Dugin produ­ ziert wurde und während des Jahres 1997 Donnerstagnacht um Mitter­ nacht auf einer beliebten Wellenlänge fiir Musik, FM 101, ausgestrahlt wurde. Einer Moskauer Zeitung zufolge152 »gewann diese Sendung eine Kult-Anhängerschaft unter Universitätsstudenten«: eine vielseitige Mu­ sikauswahl von Wagner bis Edith Piaf vermischt mit Dugins traditiona-

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iistischer Botschaft. In jeder Sendung wurde ein einzelner Philosoph be­ handelt, Guenon in der ersten, Nietzsche in der achten Folge. Das Pro­ gramm wurde jedoch nach sechzehn Wochen wieder eingestellt, aus po­ litischen, nicht journalistischen Gründen. Ähnlichen Erfolg hatte Dugins Webseite, Arctogaia.com (später: arcto.ru). Diese war eine der frühesten russischsprachigen Internetseiten und wurde 1998 gestartet, ein Jahr, bevor sich die Internetnutzung über einen beschränkten Kreis hinaus zu verbreiten begann (RUNET gab es seit 1995, aber es wurde anfänglich nicht viel genutzt).153 Das russische Internet war zu der Zeit noch so unentwickelt, dass ein wichtiger politi­ scher Block, Jedinstwo (Einheit), erst zwölf Tage vor Beginn der Wahlen des Jahres 1999 eine Internetseite ins Netz stellte.154 Bis Ende 1999 hatte die Arctogaia-Webseite eine massive Präsenz im Netz, mit Bereichen zur Metaphysik, Politik, Literatur und Erotik155 sowie mit Diskussionsforen über Traditionalismus, Hermetik, Literatur und dem Altglauben.156 Ein früher Benutzer des russischen Internets erinnert sich, dass bei dem an­ fänglichen Mangel an russischen Internetseiten »die meisten aktiven Nutzer des WWW damals früher oder später unweigerlich den Weg zu [Dugins] Seiten finden mussten«.157

Der Traditionalismus ä la Guenon in Russland Obwohl Dugin in diesen Jahren zum prominentesten russischen Tradi­ tionalisten wurde, konnte sich daneben eine andere, weniger politisch orientierte Version des Traditionalismus durchsetzen. Sie wies eine grö­ ßere Übereinstimmung mit dem in Westeuropa üblichen Traditionalis­ mus auf und legte wie dieser ein größeres Gewicht auf Guenon. Diese Bewegung ging auf Jurij Stefanow zurück, den Dichter und Übersetzer, der Anfang der 1960er Jahre zusammen mit Golowin Guenon entdeckt hatte. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jah­ re 1991 veröffentlichte Stefanow in der Zeitschrift Woprosy filosofii (Fra­ gen der Philosophie) eine Reihe von Artikeln über Guenon. Dies war eine seriöse, von der Russischen Akademie der Wissenschaften herausge­ gebene philosophische Zeitschrift, die eine etwas weitere Leserschaft be­ saß, als es normalerweise bei solchen Zeitschriften üblich ist. Eine Reihe russischer Intellektueller, die diese Zeitschrift lasen, begannen sich flir

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den Traditionalismus in seiner nichtpolitischen Form zu interessieren. Der wichtigste unter diesen war Artur Medwedew, wie Dugin der Sohn eines Armee-Offiziers und Absolvent der Fakultät für Geschichte an der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften. Medwedew wurde der wichtigste Schüler Stefanows, und nach des­ sen Tod wurde er der prominenteste nichtpolitische Traditionalist in Russland. Zugleich mit seinem Universitätsabschluss 1993 gründete er eine Zeitschrift, Wobchebnaja Gora (Der Zauberberg). Diese nach Tho­ mas Manns Roman benannte Zeitschrift war ursprünglich als literari­ sche und philosophische Publikation gedacht, ein Art Gipfel, auf dem sich Intellektuelle unterschiedlicher Färbung treffen könnten.158 Schon ab der zweiten Nummer schlug die Zeitschrift jedoch eine zunehmend traditionalistische Richtung ein, bis sie sich schließlich als die russische Entsprechung der Etudes traditionnelles herausschälte. Seit 1993 bringt Medwedew etwa eine Nummer pro Jahr heraus, wobei nach der Jahr­ tausendwende die Häufigkeit zugenommen hat. Jede neue Nummer umfasst rund 300 Seiten, was wesentlich umfangreicher ist, als es solche Zeitschriften im Westen durchschnittlich sind. Wie ihre westlichen Ent­ sprechungen enthält die Zeitschrift Übersetzungen klassischer traditionalistischer Texte, Übersetzungen klassischer nicht-traditionalistischer spiritueller Autoren, wie etwa Mulla Sadra, neue Artikel und Buchbe­ sprechungen. Die meisten neuen Artikel sind von russischen oder rus­ sischsprachigen Traditionalisten verfasst, doch es werden auch Artikel zeitgenössischer wesdicher Traditionalisten übersetzt, was den russischen Traditionalismus mit demjenigen anderswo verknüpft.159 Der Zauberberg ist ästhetisch ansprechend und auf teurem Papier gedruckt. Seit Ende der neunziger Jahre hat er eine Auflage von 500 Ex­ emplaren. Medwedew ist zwar überzeugt, dass er mehr Exemplare ver­ kaufen könnte, doch da die Zeitschrift kein kommerzielles Unterfangen sei und nur dank der Subventionen seiner Sponsoren und Wohltäter existiert, würden die zusätzlichen Kosten einer größeren Auflage bedeu­ ten, dass die Zeitschrift entweder einen geringeren Umfang oder Einbu­ ßen in der Qualität der Herstellung zu gewärtigen hätte. Keine dieser Alternativen hält er für akzeptabel. Seiner Schätzung nach haben über die Jahre an die 200 Autoren Artikel darin veröffentlicht.160 Diese Zahlen vermitteln einen Eindruck von der Größe der nicht-

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politischen traditionalistischen Gemeinde in Russland, die solchen Gruppierungen anderswo durchaus vergleichbar ist. Sie ist groß genug, um kommerzielle Verlage zu interessieren, vor allem Belowodje, der in den frühen 1990er Jahren Übersetzungen von Guenon und Evola her­ auszugeben begann, und noch 2005 dabei war, neue Übersetzungen der Werke Guenons zu bringen.161 Es gibt einiges an Überschneidung zwischen der Zauberberg-Qzmeinde und der eher politisch ausgerichteten traditionalistischen Ge­ meinschaft. Obwohl die meisten Mitwirkenden am Zauberberg kaum an Dugins Politik interessiert und einige von ihnen sogar Liberale sind, ver­ öffentlichen die Anhänger Dugins und Jamals in der Zeitschrift manch­ mal Beiträge zu rein spirituellen Themen,162 wie es auch Golowin tut, der älteste überlebende russische Traditionalist. Medwedew akzeptiert jedoch in der Regel keine rein politischen Artikel. Die nichtpolitischen Mitwirkenden am Zauberberg sind ziemlich von der gleichen Art wie die Mitwirkenden an ähnlichen Zeitschriften anderswo, obwohl hier vielleicht mehr Nachdruck auf der D ichtung und der wissenschaftlichen Veröffentlichung liegen mag. Wie auch die Anhänger Schuons verfassen viele von ihnen Bücher über diverse The­ men, in denen traditionalistische Perspektiven widergespiegelt werden. Sie stehen jedoch mit keinem Sufiorden in Verbindung und haben auch keine eigenständigen spirituellen Gemeinschaften gebildet. Das hat wohl mit den Ursprüngen des russischen Traditionalismus zu tun, wie weiter oben erwähnt, und auch mit der Überzeugung, dass der russi­ schen Orthodoxie die initiative Gültigkeit erhalten geblieben ist, die Guenon im Christentum so vermisst hatte. Stefanow war zwar an Kab­ bala und Gnostik interessiert, verstand sich aber immer als orthodoxer Christ.163 Ganz ähnlich war für Medwedew die spirituelle Konsequenz seiner Begegnung mit Guenon und Stefanow, dass er zum regelmäßig praktizierenden Christen wurde. Zwei der engsten traditionalistischen Mitarbeiter Medwedews sind Altgläubige, obwohl sie unterschiedlichen Sekten angehören. Unter den russischen Traditionalisten besteht ein gewisses Interesse am Islam, doch der am engsten mit dem Zauberberg verbundene Mus­ lim ist ein gebürtiger Muslim. Dies ist Ali Turgijew, ein kosmopoliti­ scher kaukasischer Zellbiologe, der dem Traditionalismus zuerst in Wo-

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prosy filosofii (Fragen der Philosophie) begegnet war. Später wurde er zum Mitarbeiter Medwedews. Turgijew hält eine persönliche Initiation neben der regelmäßigen Praxis des Islam für unnötig und interessiert sich mehr für die esoterische Literatur des schiitischen Islam als für den Sufismus (obwohl er selbst ein sunnitischer Muslim ist).164 Eine kleine Zahl russischer Traditionalisten haben sich im Laufe der Jahre zum Islam bekehrt, wobei sie sich im Allgemeinen der Schi’a ange­ schlossen haben, was auf Jamals Einfluss zurückgeht, der selbst Sehnt ist. Obwohl Jamal sich in der Hauptsache politisch betätigt, ist er doch noch immer der augenfälligste muslimische Traditionalist in Russland. Einer dieser Konvertiten antwortete auf die Frage, ob er je erwogen hätte, einem Sufiorden (tariqa) beizutreten: »Ist die Schi’a nicht eine einzige große tariqa?«165 Das ist zwar nicht gerade die Meinung der brei­ ten islamischen Masse, aber man findet sie sowohl bei praktizierenden Muslimen als auch bei Außenstehenden. Verschiedene im sunnitischen Islam fvir den Sufismus typische Perspektiven gelten im schi’itischen Is­ lam als völlig durchschnittliche Einstellungen. Die Zauberberg-Gruppe ist nicht die einzige traditionalistische Gruppe in Russland, obwohl sie die wichtigste ist. Es wird von einer Gruppe von Russen berichtet, die der Tijaniyya angehören, einem Sufi­ orden, der in der islamischen Welt von großer Bedeutung ist und der von einem ehemaligen Maryami-Scheich aus der Schweiz geführt wird.166 Es gibt auch eine Reihe von Organisationen wie den Byzantinischen Klub, geleitet von Arkadij Maler, einem ehemaligen jüdischen Mitglied der NBP, der die NBP zusammen mit Dugin und danach Dugin selbst verließ, um eine eigene Gruppe zu bilden, den Eurasischen Klub. Dieser entwickelte sich später in eine orthodoxere Richtung und wurde zum Byzantinischen Klub.167Maler verfasst gelegentlich Beiträge für den Zau­ berberg. Die Gruppe um den Zauberberg und diese kleineren Gruppen sind typisch für den Traditionalismus überall. Ungewöhnlich war jedoch der Dugin der 1990er Jahre. Evolas Projekte waren zwar ebenso ehrgeizig gewesen, doch die Dugins hatten mehr Erfolg. In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts sollte der Erfolg Dugins weiter anwachsen, wie wir im folgenden Kapitel sehen werden.

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Der russische Traditionalismus entwickelte sich unsichtbar im U nter­ grund in der UdSSR und trat erst nach ihrem Zusammenbruch und unter Präsident Jelzin in Erscheinung. Noch sichtbarer und einflussrei­ cher wurde er zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Russland W ladim ir Putins. Dugin wurde im ganzen Land bekannt, zumindest in den intel­ lektuelleren Kreisen. Im Jahr 2006 kannten die meisten Studenten an der geisteswissenschaftlichen Fakultät einer führenden Universität sei­ nen Namen, und viele waren in der Lage, seine öffentlich geäußerten Meinungen wiederzugeben. Unter einer zufällig getroffenen Auswahl russischer Durchschnittsbürger wäre er zwar nur wenigen bekannt,168 aber Dugin war trotzdem zum prominentesten Traditionalisten aller Zeiten geworden. Dieser Ruhm hing mit seinem Neo-Eurasianismus zu­ sammen, von dem im vorigen Kapitel die Rede war, und doch blieb sein Traditionalismus sichtbar und von Bedeutung. Ein weiterer Maßstab für Dugins Bedeutung war die Entwicklung einer Post-Eurasianismus zu nennenden Strömung —einer zweiten Ge­ neration russischer Traditionalisten, die von Dugin beeinflusst waren, aber in der Folge sehr unterschiedliche ideologische Positionen einnahmen. Wir betrachten hier zunächst Dugins Aufstieg zur Prominenz, da­ nach wenden wir uns zwei dieser Persönlichkeiten zu. Darüber hinaus galt als Kriterium für die Bedeutung Dugins das Wachstum einer internationalen eurasischen Bewegung. W ährend kei­ ner der nichtrussischen Zweige dieser Bewegung zum gegenwärtigen Zeitpunkt von großer Bedeutung ist, war die Bewegung in Russland noch immer ein beachtenswerter Trend, der sich womöglich noch be­ schleunigen könnte.

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Die eurasische Bewegung Nach der Jahrtausendwende veränderte sich das politische Klima in Russland. Die Vision, gegen die sich Dugin einstmals gewehrt hatte, die eines liberalen, demokratischen Russlands mit guten Beziehungen zum Westen, war das Opfer in- und ausländischer Ereignisse geworden und verpufft. Der festere Griff des Präsidenten Wladimir Putin gab dem poli­ tischen Leben in Russland ein gewisses Maß an Stabilität, die sich vor­ teilhaft von den Schwankungen und der sehr sichtbaren Korruption der späten Jelzin-Jahre abhob, obwohl viele Beobachter feststellten, dass sei­ ne »Vertikalisierung« der Macht neue Probleme auslöste. In dieser neuen Umgebung war bald nicht zu übersehen, dass die Opposition immer bedeutungsloser wurde. Mit einer überalterten Wählerschaft und der Fi­ xierung auf die sowjetische Vergangenheit schien selbst die KPRF vom Untergang bedroht. Trotz ihrer Tändelei mit dem Neo-Eurasianismus blieb ihr Nationalismus zu sehr an die russische Ethnizität gekettet.169 Unter diesen Umständen zog sich Dugin immer mehr von der Op­ position zurück, obwohl er weiterhin seine Beilage zu Prochanows Eurasischer Invasion herausgab. Dugin verlagerte sich auf eine neue Posi­ tion, die er »radikalen Zentrismus« nannte. Diese neue Position, die er 2001 mit der Gründung einer eurasischen Bewegung öffentlich bekannt machte, war insofern zentristisch, als sie Präsident Putin als einen Pa­ trioten unterstützte, der sich fiir die Wiederherstellung der russischen Macht engagierte und ebenfalls für die Idee von Russland als eurasischer Macht empfänglich schien. Radikal war sie insofern, als der Neo-Eurasianismus Dugins für die eurasische Bewegung von zentraler Bedeutung war und die liberalen Elemente in Putins politischem Programm eher toleriert als unterstützt wurden.170 Sie beruhte auf dem früheren Erfolg von Dugins Werk Osnowi geopolitiki und auf dem wachsenden Konsens wichtiger Kreise innerhalb des Kremls, eine grundsätzlich feindliche Haltung gegenüber Amerika beizubehalten. Obwohl Dugin zum bedeutendsten Exponenten des russischen NeoEurasianismus wurde, war er keineswegs der einzige Vertreter dieser Po­ sition. Einige Monate vor Dugins Ankündigung seiner eurasischen Be­ wegung war eine Eurasische Partei Russlands gegründet worden, von einem Mitglied der Duma, Abd al-Wahid Nijazow (geboren als Wadim

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Medwedew). Der Russe Nijazow war zum Islam übergetreten, hieß viele der Elemente des Neo-Eurasianismus Dugins gut und hatte m it Jamal Kontakt gehabt, ohne jedoch selbst Traditionalist zu sein.171Er hatte eine islamische politische Partei gegründet, die er in Anlehnung an die in den 1990er Jahren in der Türkei erfolgreiche islamistische Partei »Refach« nannte. 1999 errang Refach bei den Duma-Wahlen fünf Sitze. Rein konfessionelle Parteien waren damals verboten, weshalb Nijazow auch ein paar Buddhisten in seine Partei aufnahm und sie in »Eurasische Par­ tei« umbenannte.172Trotz seiner Stellung in der Duma machte Nijazow Dugin niemals den Rang als führendem russischen Neo-Eurasianer streitig. Bei der Gründung seiner eurasischen Bewegung wurde Dugin auf drei verschiedene Arten unterstützt. Zunächst gab es die traditionalistischen Mitstreiter, zu denen zwei ehemalige Mitglieder aus dem Kreis Golowins gehörten, des ursprünglichen regimekritischen Zirkels aus der Sowjetära. Diese waren Jewgenij Golowin selbst und Jurij Mamlejew, der Romanautor, dessen Bücher Dugin Schwierigkeiten m it dem KGB eingebracht hatten, als er noch am Institut für Luftfahrt studierte.173 Die zweite Art von Unterstützung kam von angesehenen Einzelpersonen wie beispielsweise Aleksandr Panarin, einem prominenten Politikwissen­ schaftler, der den Lehrstuhl für Politikwissenschaften an der Staatlichen Universität Moskau bekleidete und sich unabhängig von Dugin zu einer Autorität über den Eurasianismus entwickelt hatte.174 Die Unterstützung solcher Persönlichkeiten war ein gewisses Kriterium für den Erfolg von Dugins Osnowy geopolitiki und auch für das Maß, in dem sich der all­ gemeine politische Trend auf Dugin zubewegte. Die dritte Art von U n­ terstützung kam von Personen, die dem Kreml nahestanden. Z u den offiziellen Mitgliedern der eurasischen Bewegung gehörte zum Beispiel die bekannte Fernsehpersönlichkeit Michail Leontjew, der den R uf des »Lieblingsjournalisten des Präsidenten« hatte.175 Es gab auch Gerüchte, dass Putins enger Berater Gleb Pawlowski die eurasische Bewegung in der einen oder anderen Weise protegierte, obwohl Pawlowski kein offi­ zielles Mitglied war.176Eine derartige Förderung ist jedoch nicht unwahr­ scheinlich, da Pawlowski, der sich selbst als »Polittechnoioge« bezeichnete, damals eine Reihe von politischen Bewegungen unterstützte, von denen man annahm, sie könnten dem Kreml von Nutzen sein.

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Außerdem gab es vielfach Berichte, dass die eurasische Bewegung fi­ nanziell von Gruppierungen ehemaliger Beamter des FSB und SWR un­ terstützt wurde, den In- und Auslandsgeheimdiensten, in die sich 1991 der sowjetische KGB aufspaltete.177 Peter Suslow, der anfänglich in der Führung der eurasischen Bewegung Dugins assistierte, war ein ehemali­ ger Geheimdienstler. Nach seinem Dienst in der ersten Hauptdirektion des KGB trat Suslow 1995 aus dem SWR als Oberst in den Ruhestand.178 Einem umstrittenen und unbestätigten Bericht zufolge war er auf Atten­ tate spezialisiert und hatte Verbindungen zu Maksim Lazowski, einem ehemaligen KGB- und FSB-Beamten, der angeblich 1994 in Moskau in das Fingieren von Bombenanschlägen »tschetschenischer Terroristen« verwickelt war.179 Die Unterstützung durch ehemalige FSB- und SVR-Offiziere be­ weist nicht unbedingt die aktive Unterstützung dienender Mitglieder der Geheimdienste, aber sie verweist immerhin auf eine gewisse Form der Zusammenarbeit mit dem FSB und dem Kreml. Ais Folge dieser Art von Unterstützung gewann die eurasische Be­ wegung schnell an Größe und Beachtung. Nach eigenen Angaben der Bewegung, die optimistisch überhöht sein mögen, gab es bald über 50 Ortsgruppen und 2000 Mitglieder. Es waren zwar weniger als in der NBP, aber die NBP war, im Gegensatz zu der eurasischen Bewegung, auch als politische Partei konzipiert. Im Vorfeld der Duma-Wahlen von 2003 unternahm Dugin einen neuen Vorstoß in die konventionelle Politik. Der zweite Kongress der eurasischen Bewegung (2002) entschied sich, die Bewegung in eine poli­ tische Partei zu verwandeln, in die Eurasia-Partei, womit sich ihr Name von dem der Eurasischen Partei Nijazows nur leicht unterschied.1802003 gab Dugins Eurasia-Partei ihre Allianz mit Sergej Glazews Rodina be­ kannt. Es bestand jedoch Uneinigkeit darüber, wer die drei vorderen Plätze auf der Rodina-Liste einnehmen und von der damit einhergehen­ den öffentlichen Aufmerksamkeit profitieren sollte. Aus diesem wie aus anderen Gründen, zu denen auch ein Bruch zwischen Dugin und Sus­ low gehörte, zog sich Dugins Partei aus der Allianz zurück und nahm letzdich nicht an den Wahlen des Jahres 2003 teil. Die Eurasia-Partei wurde daraufhin aufgelöst.181Als Ergebnis der Wahlen des Jahres 2003 wurden die liberalen Parteien aus der Duma beseitigt, was einen über-

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wältigenden Triumph für die Kandidaten des Kremls bedeutete. Die Re­ levanz der Duma sank augenblicklich ab und damit auch ganz allgemein der Stellenwert politischer Parteien. Noch wichtiger als die Größe der eurasischen Bewegung oder ihr kurzer Ausflug in die Wahlpolitik des Landes war allerdings, dass sie durch die Zusammenarbeit mit dem Kreml gewisse Züge eines respekta­ blen außenpolitischen Think-Tanks anzunehmen begann, der eine ähn­ liche Funktion (wenn auch eine andere ideologische Ausrichtung) besaß wie die amerikanische RAND Corporation oder der Council on Foreign Relations. Viele glaubten, der Kreml lasse sich manchmal von der eura­ sischen Bewegung beraten und benutze zuweilen die Bewegung, um seine eigenen politischen Vorschläge in Umlauf zu setzen.182Dugin selbst erschien immer häufiger in der Presse (einschließlich der Komsomolsakaja prawda und der Rossiiskaja gazeta) und im Fernsehen (von Kultura bis zum Ersten Programm).183 Diese Prominenz verdankte er aber nicht allein seinen Beziehungen zum Kreml. Es gab gute journalistische Gründe, um Dugin zu Interviews heranzuziehen: Man konnte sich dar­ auf verlassen, dass er immer einen plakativen Spruch auf Lager hatte, und als origineller und außergewöhnlich gut informierter Denker ver­ fehlte er die Wirkung nicht. Alle Beobachter waren sich jedoch einig, dass Dugin es niemals zu dieser Prominenz gebracht hätte, wäre der Kreml durchweg feindlich gegen ihn eingestellt gewesen. Dugins Prominenz wuchs auch in der internationalen Arena. Die eurasische Bewegung gründete überall in der Welt Zweigstellen, in der Türkei, in Israel, in Westeuropa so wie in der ehemaligen UdSSR. Was dies für die Welt außerhalb Russlands bedeutet, wird am Ende dieses Kapitels im Zusammenhang mit einer Abhandlung des Eurasianismus in Israel und Großbritannien zu erörtern sein. Für Dugin bedeutete dies, dass er noch größere öffendiche Wirksamkeit gewann. Um 2005 war er von derart aktuellem Interesse, dass selbst das US-Außenministerium es flir ratsam hielt, mit ihm Kontakt aufzunehmen, während er sich in Amerika aufhielt, um an der Johns Hopkins University zu sprechen.184 Dugin erwies sich in gewissen Kreisen Amerikas als überraschend popu­ lär. Han Berman, der stellvertretende politische Leiter des einflussreichen American Foreign Policy Council, bezeichnete ihn als den »wohl wich­ tigsten Strategen Russlands«.185

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Dugins Bewegung folgte der neo-eurasischen und traditionalistischen Theorie, indem sie multikonfessionell war. Der Mufti Talgat Taj al-Din, Scheich al-Islam des europäischen Russlands und Sibiriens, war ein Gründungsmitglied. Taj al-Din war 1980 zu diesem Amt ernannt worden, das erstmals 1789 von Katharina der Großen eingerichtet und 1942 neugegründet worden war. Er war ein linientreuer Sowjetbürger. 1985 verurteilte er beispielsweise zusammen mit drei anderen Sowjet­ muftis den »unerklärten Krieg, den amerikanische Imperialisten und ihre Handlanger (die mujahidin)186 gegen das afghanische Volk führen«, ein Standpunkt, der stark von der Auffassung der Muslime außerhalb der Sowjetunion abwich. Trotz vieler Schwierigkeiten konnte er seine Stellung und einigen Einfluss während der Perestroika und unter Jelzin und Putin bewahren.187 2000 war sein ehemaliger Assistent, Rawil Gainutdin, zu seinem Hauptrivalen geworden. Dieser leitete ab 1994 ein neu gegründetes Direktorat der mitteleuropäischen islamischen Regio­ nen, das seinen Sitz in Moskau hatte, während Taj al-Din seinen Sitz in Ufa beibehalten hatte. Die Tatsache, dass Gainutdin sich mit der Eurasischen Partei Nijazows verbündet hatte, erklärt zu einem Gutteil Taj alDins Gründungsmitgliedschaft in der alternativen Eurasien-Bewegung Dugins.188 Es gibt jedoch Andeutungen, dass Taj al-Din ideologisch mit Dugins traditionalistischen Ansichten über die Einheit aller Religionen sympathisiert haben mag, denn einige seiner eigenen Ansichten standen dem Traditionalismus näher als der Hauptströmung islamischen Den­ kens. Über seinen Vorschlag im Jahre 1992, die vorislamische Verehrung von Tengri bei den Tataren als frühe Form des Monotheismus anzuse­ hen,189 hätte man sich anderswo in der islamischen Welt vor Lachen ge­ bogen, obwohl vom Gesichtspunkt der vergleichenden Religionswissen­ schaft einiges für diese Auffassung spricht. Seine integrativen Ansichten bezüglich anderer Religionen traten 1998 mit dem Bau einer Moschee in Erscheinung, deren Glasmalereien sowohl den Davidsstern als auch das Symbol des Kreuzes aufwiesen,190 was außerhalb Russlands überall zu Empörung geführt hätte. Solche Ansichten erleichterten es Taj al-Din vermutlich, gemeinsam mit dem traditionalistischen Altgläubigen Dugin aufzutreten sowie auch mit Vertretern der orthodoxen Kirche, des Judentums und des Buddhismus, den drei anderen alteingesessenen Re­ ligionen Russlands. Doch selbst in Russland lösten diese Ansichten eini-

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ges an Empörung aus, denn Taj al-Dins multikonfessionelle Glasfenster wurden von unbekannter Hand zerstört.191 Innerhalb der Bewegung war bei dem Vertreter des Judentums, Rab­ bi Awraam Schmulewitsch, eher Radikalismus als Zentrismus zu erken­ nen, aber die entscheidenden Religionen waren die orthodoxe Kirche und der Islam. Angesichts der engen Beziehungen zwischen der ortho­ doxen Hierarchie und dem Kreml spiegelt die Teilnahme der O rthodo­ xen eher das zentristische als das radikale Element in Dugins Ansatz. Die Teilnahme Taj al-Dins war ebenfalls zentristisch. Wie Taj al-Din un­ terschied auch Dugin sorgfältig zwischen dem »Wahhabismus«, der in Russland allgemein mit Islamismus gleichgesetzt wird, und dem »tradi­ tionellen Islam«. Ersteren verurteilte er, während er Letzteren pries. Taj al-Din begrüßte die eurasische Bewegung als »unsere Antwort auf die Anhänger des satanischen Wahhabismus«.192 Aber Dugins »radikaler Zentrismus« und seine Beziehungen zum Kreml machten ihn und seine Bewegung keineswegs zu M arionetten des Kremls, obwohl viele seiner Gegner ihn dessen bezichtigten. Seine fortdauernde Unabhängigkeit bestätigte sich infolge der Angriffe vom 11. September 2001. Dugin drückte unverzüglich sein Beileid aus,193 schrieb daneben aber auch, dass die Flugzeuge, welche die Zwillings­ türme zerstört hätten, »die Schwalben der Apokalypse« seien, parallel zu den Kugeln des Jahres 1914 in Sarajewo aus der Pistole Gavrilo Princips, die den Ersten Weltkrieg gezündet hatten. Diese »Schwalben« des n . September, erklärte Dugin am 12. September, würden Amerika zu einer Art von Reaktion nötigen, die einen möglicherweise apokalyptischen »Krieg zwischen dem [amerikanischen] unipolaren Globalismus [...] und dem Rest der Welt« auslösen würde,194 eine Prophezeiung, die sich als übertrieben erwies, wenn auch nicht als völlig verkehrt. Er meinte, Russland solle sich in diesem Krieg neutral verhalten und seine Bezie­ hungen zum eurasischen Block verbessern.195 Dementsprechend verur­ teilte er auch die proatlantische Haltung, die Putin unmittelbar nach dem 11. September annahm, als »den ersten großen geopolitischen Feh­ ler des Präsidenten« und beklagte das amerikanische Eingreifen in Af­ ghanistan als einen »vernichtenden Schlag gegen die eurasische Strategie in Zentralasien«. Er war jedoch noch immer der Auffassung, man müsse Putin unterstützen, weil alle Alternativen schlimmer seien.196 Dam it

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blieb Dugin seinem Versprechen treu, dass »wir einzig von den langfris­ tigen Interessen Russlands geleitet sind. Sofern die Verteidigung dieser langfristigen Interessen politisch nicht zweckdienlich ist oder diese Inte­ ressen der aktuellen Situation widersprechen, werden wir sie trotzdem verteidigen.«197Taj al-Din nahm später eine noch radikalere Haltung ein als Dugin und kündigte nach der amerikanischen Invasion des Irak im Jahr 2003 an, dass der Widerstand gegen die Amerikaner einen jihad darstelle und somit eine religiöse Pflicht sei. Dies führte zu einiger Auf­ regung im Kreml, der für eine Weile Taj al-Din boykottierte.198 Der scheinbare Proamerikanismus Putins war schon lange verges­ sen, als 2004 bis 2005 in der Ukraine die »Orange Revolution« statt­ fand, entgegen den Wünschen des Kremls und allen Bemühungen Gleb Pawlowskis zum Trotz. Während eine kleine Anzahl russischer Liberaler diese Orange Revolution so auffasste, wie es die meisten im Westen ta­ ten (nämlich als den Triumph der liberalen Demokratie über eine kor­ rupte Autokratie), wurde sie im Kreml vielfach für eine weitere Phase einer komplexen amerikanischen Verschwörung gegen Russland gehal­ ten, wodurch sich die amerikanische Schlinge noch fester um die Russi­ sche Föderation zuzuziehen drohte. Dugins Ankündigung einer Anti­ orangen Jugendfront im September 2005, die auf seiner eigenen kurz davor gegründeten Eurasischen Jugendvereinigung basierte und die sich dazu verpflichtete, jedem ähnlichen Komplott in Russland selbst entge­ genzuwirken,199 kam demnach zum rechten Zeitpunkt und war dem Kreml wahrscheinlich höchst willkommen. Denjenigen, die eine von den Amerikanern angezettelte Orange Revolte in Russland erwarteten, kam eine Alternative zu Bereitschafts­ polizei oder zum Einsatz von Truppen sehr entgegen, um etwaige Orange Demonstranten zu zerstreuen. Abgesehen von der ethischen Proble­ matik sind auf unbewaffnete Volksmassen zielende Truppen denkbar schlechte Propaganda. Entsprechende Szenen aus dem Jahr 1905 waren ein Sargnagel für das zaristische Regime. Eine geeignete, vom Kreml un­ abhängige Kampfeinheit würde die Aufgabe viel besser erfüllen. Vor der Gründung der Antiorangen Jugendfront Dugins gab es nur zwei Ver­ einigungen, die prinzipiell infrage kamen: Naschi (die Unseren) und die NBP, noch immer unter der Führung Limonows. Doch beide Gruppen fielen aus. Naschi war zu eng mit dem Kreml verbunden, und wenige

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Mitglieder waren resolut genug, um konkrete Ziele durchzusetzen. Die NBP war unbrauchbar, seitdem sie 2004 eine auf den ersten Blick er­ staunliche Wendung unternommen und sich für die Orangefarbigen erklärt hatte: Fortan widmete sie sich der liberalen Demokratie.200 Unter diesen Umständen blieb nur Dugins Eurasische Jugend als das einzig mögliche Instrument, um die Orangen Demonstranten zu zerschlagen. Die Umwandlung der offiziellen Ideologie der NBP in das genaue Gegenteil dessen, was sie 1993 bei ihrer Gründung durch Dugin und Limonow gewesen war, lässt sich auf drei verschiedene Arten erklären. Erstens saß Limonow von 2001 bis 2003 im Gefängnis, nachdem er in einer verdeckten Operation des FSB des Waffenbesitzes überfuhrt wor­ den war. Dieses Erlebnis brachte ihn offenbar dazu, ehemalige NBP-Positionen neu zu überdenken. Das alte Schlagwort »Stalin, Beria, Gulag!« büßte anscheinend seinen Reiz ein, wenn man in einer Zelle festsaß. Zweitens hatte Limonow, wie Dugin schon seit langem monierte, die Ideologie sowieso nie so ganz ernst genommen, es ging ihm vor allem um die Provokation. Die provokativste Position, die man 2004 wählen konnte, war genau diejenige, die Limonow einnahm: Orange. Es lässt sich kaum deutlicher darstellen, wie sehr sich in Russland die politische Hauptrichtung seit der Jelzin-Ära gewandelt hatte, als es eine Provoka­ tion war, sich für Braun zu erklären. Wie wir schon sahen, hatte Dugin von dieser Wandlung profitiert. Dass Limonow trotz seiner Bekehrung zum Liberalismus immer Provokateur blieb, wurde durch sein fortdau­ erndes Anwenden der Taktiken des »Samtenen Terrors« deutlich, welche die NBP nun zur Unterstützung der Orangefarbenen einsetzte, so wie sie diese früher zur Unterstützung der Braunen verwendet hatte. »Sam­ tener Terror« ist eine der NBP eigene Taktik, wobei die Angriffsziele, zu denen der ehemalige Generalsekretär Gorbatschow und Prinz Charles gehörten, mit Blumensträußen beworfen wurden, oder indem man bei­ spielsweise ein Sit-in in den offiziellen Empfangsräumen Präsident Pu­ tins inszenierte.201 Die NBP wurde schließlich im November 2005 auf­ grund angeblicher Verfassungsfeindlichkeit vom Obersten Gerichtshof rechtskräftig verboten, führte allerdings weiter aus der Halbillegalität ihre Aktionen durch und trat auch in der Öffendichkeit auf. Die Antiorange-Jugendfront hätte denen willkommen sein können, die das Scheitern eines geplanten Anschlags der Orangefarbigen in Russ-

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land im Sinn hatten. Weder ihre Größe noch die Größe der Eurasischen Jugend war mit Sicherheit bekannt, und sie unterlag raschen Verände­ rungen. Einiges weist darauf hin, dass ehemalige NBP-Mitglieder aus Empörung über die neue ideologische Position Limonows zur Eurasi­ schen Jugend überliefen. Dies soll sich in St. Petersburg und in der Ukraine zugetragen haben,202 als 2005 der Kiewer Zweig der Eurasischen Jugend den Jahrestag der bolschewistischen Revolution damit beging, das Regierungsgebäude mit faulen Orangen zu bewerfen,203 wobei die Wahl der Obstsorte offenbar von dem für die NBP typischen Humor gelenkt war. Ein weiterer Zweig der Antiorange-Jugendfront, die Union der Baschkirischen Jugend, sorgte im April 2005 für Schlagzeilen in Baschkortostan, als sie eine Versammlung einer oppositionellen Gruppe in Ufa gewaltsam auseinandertrieb.204 Dugins Vorstöße in die praktische Politik (die frühe NBP und die Eurasia-Partei) waren nie von großer Bedeutung und mit Sicherheit weit weniger wichtig als seine intellektuellen Interventionen (der ideologi­ sche Mörtel der Rot-Braunen Allianz und danach der eurasischen Bewe­ gung selbst). Als man ihn fragte, warum er denn auf solche Unterneh­ mungen beharrte, gab er zur Antwort, dass er »niemals der konkreten Politik entsagt« hätte und dass es notwendig sei, »zu versuchen, Dinge in die Praxis umzusetzen, die unmöglich in die Praxis umgesetzt werden können«, als eine Art Glaubensbekundung, da intellektuelle Tätigkeit mit der Existenz Zusammenhänge.205 Der spätere Evola hätte diese Logik ohne Vorbehalte gebilligt. Trotz der Aufmerksamkeit, die einige Berichterstatter der Eurasi­ schen Jugend widmen, ist der Neo-Eurasianismus Dugins zweifellos wichtiger. Er erfreut sich unübersehbar zunehmender Beliebtheit bei ei­ nigen der politischen Entscheidungsträger des Kreml, sowie in einigen Bereichen des Militärs und der Sicherheitsdienste. Allerdings kann es sein, dass viele dieser begeisterten Verehrer Dugins seinen Neo-Eurasianismus nur sehr vordergründig verstehen. Wahrscheinlich haben nur wenige seine Bücher gelesen, und viele halten ihn wohl fälschlich für ei­ nen einfachen Chauvinisten der Großmacht Russland, ähnlich wie sie selbst. Insider beklagen oft die »primitive« Auffassung von internationa­ ler Politik auf den höchsten Ebenen des Putin-Kremls, ein Umstand, der kein subtiles Verständnis für die komplexeren Thesen Dugins in Aus-

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sicht stellt. Wie ein Kommentator andeutet, ist es schwer, sich vorzustellen, dass Putins Kreml, in dessen Kantine ein besonderes M enü für die christliche Fastenzeit eingeführt wurde und wo der islamische Funda­ mentalismus für eine wesentliche Bedrohung gehalten wird, eine islami­ sche Allianz sehr ernst nehmen könnte. Es heißt, die höheren Ränge des russischen Militärs seien instinktiv antiamerikanisch, aber sie sind auch instinktiv antiislamisch. Sie besitzen vielleicht ein professionelles Inter­ esse an der Geopolitik, doch sie haben auch eine professionelle Tendenz zur Vereinfachung. Ähnliches ließe sich auch über den russischen Aus­ landsgeheimdienst SWR sagen, obwohl dieser weniger zur Vereinfa­ chung, sondern zur Komplexität tendiert. M it dem Inlandsgeheimdienst FSB verhält es sich etwas anders. In dem Maße, in dem dort die finan­ ziellen Vorteile und die prestigeträchtigen Vorzüge einer Karriere nach­ gelassen haben, ist auch die Qualität der FSB-Offiziere abgesunken. In­ zwischen gibt es nur wenige FSB-Offiziere, die ein intellektuelles Niveau haben, dahingegen gibt es viele, die zu einer etwas mystischen Vision von der Stellung Russlands in der Welt und ihrer eigenen Rolle darin neigen - vielleicht, wie ein Kommentator herzlos bemerkt, als eine Art Entschädigung für ihre niedrigen Gehälter.206

Die Neue Universität Dugin ist, wie ein Beobachter bemerkte, ein mehrschichtiges Phäno­ men. Viele Leute sind das natürlich, aber Dugin ist ungewöhnlich, in­ dem alle seine Schichten öffentlich sichtbar und zugleich öffentlich zu­ gänglich sind.207 Für viele Fernsehzuschauer ist er einfach ein politischer Kommentator nicht ungewöhnlicher Art. Doch wer ein wenig genauer hinsieht, entdeckt sofort die Details seines Neo-Eurasianismus. SeinTraditionalismus, der sich seit den Tagen des Bateau ivre Golowins im We­ sentlichen wenig verändert hat, ist auch öffentlich zugänglich. Den Traditionalismus erkennt man auch auf den Internetseiten D u­ gins, in seinen Schriften208so wie in der Neuen Universität, einer kleinen Organisation ohne Räumlichkeiten, die 1998 gegründet wurde. W ah­ rend sich die Aktivitäten der eurasischen Bewegung auf die Politik kon­ zentrieren, ist die Neue Universität Dugins M ittelpunkt für traditionalistische Metaphysik. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um eine

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Vortragsreihe, wobei etwa hundert Menschen die wöchentlichen Vor­ träge hören. Es werden Themen behandelt wie »Traditionalismus und Post-Guenonianismus«, »Satan und das Problem der Präexistenz« und »Der Tod als Sprache«.209 Der Vortragende ist manchmal Dugin selbst und manchmal ein Kollege wie Wladimir Karpiets, der in den 1990er Jahren Guenon und Evola in den Seiten von Elementy entdeckte und seitdem Traditionalist ist und seit 2004 ein Mitstreiter Dugins. Karpiets ist wie Dugin ein Altgläubiger und besucht die gleiche Kirche wie er, die Michailowska Sloboda, ebenso wie Pawel Sarifulin, der Leiter der Eurasischen Jugend.210 Karpiets ist auch an der Eurasischen Jugend beteiligt und berichtet, dass die Mitglieder der Eurasischen Jugend häufig an der Neuen Universität teilnehmen. Das bedeutet, dass der Moskauer Zweig der Eurasischen Jugend noch klein sein muss. Man hat Mühe, sich vor­ zustellen, wie die 10 000 Kämpfer, die vonnöten wären, um eine tatsäch­ liche Demonstration der Orangefarbigen zu zerschlagen, an Vorlesun­ gen über »Initiation: Evola vs. Guenon« teilnehmen. Dugin hält auch Vorträge über Metaphysik, nicht nur an der Neuen Universität, sondern auch an der Universität Moskau, wo er bis 2014 Vorlesungen über postmoderne Philosophie hielt. Obwohl er keinen förmlichen akademischen Hochschulabschluss besitzt, promovierte er im Jahr 2000 in Wissenschaftsgeschichte (an der Universität von Rostow am Don,211 einer weniger angesehenen Institution als der, an der er jetzt unterrichtet). Seit 2005 moderiert er auch ein wöchentliches Fernseh­ programm über Themen wie den wesdichen Egoismus auf dem Satel­ litenprogramm der orthodoxen Kirche, Spas. Einschaltquoten für Spas sind jedoch nicht verfügbar. Er hat offensichtlich ein weitaus kleineres Publikum als der Erste Kanal, den 98 Prozent aller Russen anschauen. Ein liberaler Russe war jedoch erstaunt, im Wartezimmer der russischen Botschaft in Berlin Dugin im Satellitenprogramm Spas zu entdecken, der sich an die dort Wartenden wandte. Auch im Programm der eurasischen Bewegung sind Andeutungen von Traditionalismus zu entdecken. Wie schon seinerzeit das Programm der NBP ist dieses Programm nicht unbedingt wörtlich zu nehmen, da kaum anzunehmen ist, dass es in seiner jetzigen Form je realisiert wird. Es stellt eine raffinierte, mehrschichtige globale politische Struktur auf, beginnend mit »Großräumen«: der atlantischen Welt, Eurasien (ein-

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schließlich dem »kontinentalen Islam«, das heißt der Türkei, dem Iran, Afghanistan und Pakistan), einem euro-afrikanischen Block, einem ara­ bischen Block und vielleicht einem Hindu-Block. Von diesen »Großräu­ men« aus arbeitet sich Dugin über »Nationalstaaten oder Staatenvereini­ gungen« bis zu den örtlichen Gemeinden vor, die aus »Millionen von Menschen« bestehen können oder aus »kleinen Einheiten von wenigen Arbeitern, von denen jede ihr eigenes örtliches Tauschmittel prägt«, so­ mit ein System, das »die Anhäufung von Kapital zu spekulativen Zwe­ cken verhindert und einen Anreiz für seinen Umlauf bietet. [...] Kapi­ talmittel werden zuallererst dort angelegt, wo sie produktiv eingesetzt werden können.«212 Dies stammt allerdings nicht von Guenon. Es ist im Wesentlichen Neo-Eurasianismus mit einem Einschub von Postmarxis­ mus in die ökonomischen Konzepte. Dugins Beschäftigung m it der Spi­ ritualität seiner lokalen Gemeinden ist jedoch sehr wohl dem Traditio­ nalismus verpflichtet. Mit Bedauern bemerkt er, dass »Stadtbewohner am wenigsten eine Verbindung zu ihren nationalen und religiösen Tradi­ tionen wahren [...] und am meisten den Prozessen der Modernisierung und Globalisierung erliegen«. Das Mittel der Wahl ist ein radikales. Die insgesamt geringe Bevöl­ kerungsdichte Russlands macht Städte weniger notwendig, als sie es in dicht besiedelten Gebieten wie Japan sein mögen. Dugin schlägt daher vor, dass Russlands »große Städte allmählich entvölkert werden soll­ ten«.213 Genau das ist es, was zuletzt von Pol Pot in Kambodscha unter­ nommen wurde.

Der Post-Eurasianismus Dugin ist sowohl Russlands führender Neo-Eurasier als auch Russlands führender politischer Traditionalist. Es gibt jedoch auch andere Neo-Eu­ rasier (wie Nijazow) und andere politische Traditionalisten. Soweit m an weiß, übernehmen die übrigen Neo-Eurasier keine wichtigen Elemente aus dem Traditionalismus. Sie sind daher nicht Gegenstand des vorlie­ genden Buches. Drei namhafte Russen, die unabhängig von Dugin agieren, sind Haydar Jamal, Chozh-Ahmad Nuchajew und Wadim Schtepa. Die ers­ ten beiden sind Muslime und werden daher im nächsten Kapitel behan-

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delt. Einer ist ein »gemäßigter« Traditionalist (Nuchajew), und der an­ dere wurde eher zum Post-Traditionalisten (Jamal). Schtepa ist dagegen ein »strenger« Traditionalist, und von ihm soll hier die Rede sein. Schtepa gehört einer anderen Generation an als Dugin. Er war zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs der Sowjetunion einundzwanzig, als Dugin neunundzwanzig Jahre alt war. Angesichts des rasanten Tempos der Veränderung in Russland zwischen 1980 und 2000 ist der Altersun­ terschied ein wichtiger Faktor. Schtepas Interesse am Traditionalismus wurde zuerst 1991 durch Stefanows Artikel in der Zeitschrift Fragen der Philosophie geweckt, die er während seiner Zeit als Student des Journa­ lismus an der Moskauer Staatsuniversität las, und seine erste traditionalistische Kontaktperson war Stefanow. Er hat im Zauberberg veröffent­ licht und lässt sich mit dem kleineren, mehr spirituellen Zweig des russischen Traditionalismus in Verbindung bringen. Er lernte sogar Französisch mit dem alleinigen Ziel, Guenon im Original lesen zu kön­ nen.214 Zwischen 1992 und 1994 war Schtepa jedoch ein enger Mitarbei­ ter Dugins (damals in der NBP) und war für Dugin bei Elementy tätig, 1994 wurde er nach einem Zusammenstoß mit Dugin, der teils persön­ liche, teils politische Gründe hatte, aus der NBP ausgeschlossen. Schte­ pas politische Einwände richteten sich nicht gegen den »Rechtsdrall« der NBP, sondern gegen das, was er als ihren Imperialismus ansah.215Auf dieser Grundlage könnte Schtepa als Post-Eurasier bezeichnet werden. Schtepa beschäftigt sich mit einem Problem, das heute vielen Russen auf der Seele liegt: die Beziehung zwischen dem Zentrum und der Peri­ pherie, zwischen Moskau und den Provinzen. Häufig wird festgestellt, dass 85 Prozent der russischen Finanzressourcen innerhalb des Moskauer Gartenrings konzentriert sind. In gewissem Maße mag dies die Tatsache widerspiegeln, dass die behördlichen und kriminellen Hindernisse, mit denen sich ein Privatunternehmer konfrontiert sieht, außerhalb Moskaus noch größer sind als innerhalb des Stadtgebiets von Moskau, wo sie na­ türlich schon groß genug sind. Aber es spiegelt auch das außergewöhnli­ che Ausmaß wider, in dem sich in einem der größten Gebiete der Welt alles auf eine einzige Stadt konzentriert, eine Situation, die in anderen Gebieten von ähnlicher Größe keine Parallele hat. Dieses Problem be­ stand schon in den Tagen der UdSSR. Unter Präsident Jelzin verschlim­ merte es sich, und unter Präsident Putin ist es sogar noch schlimmer

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geworden, zum Teil als unmittelbare Folge seiner »Vertikalisierung« der Macht. Das Problem wird durch den multiethnischen Charakter der Be­ völkerung der Russischen Föderation nur noch komplexer. Dieser Um­ stand wurde bereits aus der Perspektive ethnischer Russen betrachtet. Aus der Perspektive anderer Ethnien ist die Dominanz Moskaus, gelinde gesagt, keine gute Sache. Während viele nachdenkliche Russen nicht sehr viel weiter gehen als festzustellen, dass das Missverhältnis zwischen Zentrum und Peripherie zu den ernstlichsten Problemen Russlands gehört, gehen manche doch darüber hinaus. Sie behaupten, dass die gegenwärtige Situation unhalt­ bar sei, und wenn sie unverändert so bestehen bleibt, es unweigerlich zu einem Zusammenbruch und zu einer Zersplitterung der Russischen Föderation fuhren wird, parallel zum vorangegangenen Kollaps und der Zersplitterung der Sowjetunion. Dugin und Schtepa teilen diese Ansicht. Dugin beschreibt dieses Abrücken vom »Staatsnationalismus« als eine der wichtigsten Veränderungen seiner Denkweise.216 Sein Vor­ schlag einer mehrstufigen politischen Struktur ist teilweise als Antwort auf dieses Problem gedacht. Die Vormachtstellung Moskaus in den gro­ ßen Fragen (vor allem, was Verteidigung, Sicherheit, Öl und Boden­ schätze angeht) soll erhalten bleiben, während die Macht über andere Angelegenheiten delegiert werden soll.217 Schtepa kann sich für eine sol­ che Struktur nicht begeistern. Anders als Dugin hat er keinen Wunsch, die Vorherrschaft Moskaus zu erhalten, ganz im Gegenteil. Im Unter­ schied zu den meisten anderen Traditionalisten ist Schtepa kein gebürti­ ger Moskowit. Er stammt aus dem Norden, ist in Petrosawodsk in Karelien geboren und verbrachte seine frühen Jugendjahre in Sibirien. 1997 verließ er Moskau und zog zurück in seinen Geburtsort in Karelien, wo er bis 2004 blieb. Als die Reize der Naturschönheit des Nordens zu ver­ blassen begannen, kehrte er in das städtische Leben der Metropole zu­ rück, doch nicht nach Moskau, sondern nach St. Petersburg. Wie Dugin sucht auch Schtepa in der Vergangenheit Russlands nach einem »traditionellen« politischen Modell. Im Unterschied zu Dugin hält er jedoch das zaristische Imperium, das mit der Sowjetunion weitergefiihrt wurde, nicht für ein geeignetes Vorbild. Er hebt stattdessen die mittelalterliche Republik von Nowgorod hervor und vertritt die An­ sicht, das spätere Kaiserreich sei eine Fehlentwicklung gewesen. Er for-

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dert somit tatsächlich die Aufteilung der Russischen Föderation, also genau das, was andere - der Kreml allzumal - um jeden Preis zu verhin­ dern suchen. Er behauptet, so wie das Römische Reich Westeuropa ge­ wichen ist, sollte das russische Reich nun ebenso etwas anderem wei­ chen. Schtepa empfindet den Konflikt im Süden Russlands (vor allem in Tschetschenien) als ein sehr deutliches Symptom eines größeren Pro­ blems, fühlt sich aber nicht dafür zuständig. Er selbst würde den Tsche­ tschenen gern die Unabhängigkeit erteilen, wie auch jeder anderen Volksgruppe des Südens, die sie begehrt. Die in diesen Gebieten wohn­ haften Russen, denen diese neuen Regelungen nicht gefielen, könnten ja fortziehen. Schtepas eigentliches Anliegen ist nicht der Süden, sondern der Norden. Er ist ein Antiimperialist, ein aktiver Befürworter nordi­ scher Unabhängigkeit, ein Anwalt fiir den Status der Souveränität für seine Heimat Karelien und für andere solche Regionen, und vielleicht sogar für die Region um St. Petersburg selbst, die er als »Ingermanland« bezeichnet, was der alte Name des Gebietes war, bis es 1478 vom Groß­ herzogtum Moskau vereinnahmt wurde. Er macht auf die Tatsache auf­ merksam, dass viele der Öl- und Gasvorkommen Russlands sich im Norden befinden und dass bei dem bestehenden System nicht der Nor­ den, sondern Moskau davon profitiert. Als Begleiterscheinung seines Antiimperialismus lehnt Schtepa auch die russisch-orthodoxe Kirche ab (wiewohl nicht die Altgläubigen), die fiir ihn viel zu eng mit dem russischen Imperialismus verknüpft ist. Die spirituellen Interessen Schtepas und seiner Mitstreiter richten sich auf regionale Traditionen, wie etwa die Religionen der »sibirischen Eingebo­ renen«. So kommen an die zwanzig bis dreißig Leute zusammen, um die Wintersonnenwende zu feiern. Im Traditionalismus ist dies kein neues Phänomen: Die rumänischen Traditionalisten der Zwischenkriegsjahre waren zum Beispiel an volkstümlichen rumänischen spirituellen Tradi­ tionen interessiert. In einem anderen Kontext könnte dies jedoch andere Auswirkungen haben. Seit dem 19. Jahrhundert ist die Wiederentde­ ckung regionaler Volksbräuche oft wichtig fiir die Wiederentdeckung (oder einfach nur Entdeckung) einer neuen nationalen Identität. Derzeit führt Schtepa aber keine nordisch-nationalistische Bewe­ gung an. Es bereitet sich (noch) keine »Weiße Revolution« vor. Eine gut

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informierte Quelle ist der Meinung, dass die kleine nordisch-nationalis­ tische Bewegung noch kleiner geworden ist, als sie in den frühen i99oern war.218Trotzdem finden noch immer gelegentliche Veranstaltungen statt, in denen man Elemente eines nordischen Nationalismus erkennen kann, wie etwa Tagungen des Nordischen Forschungsforums, ein »Forum [...] fiir politikrelevante Diskussion über die Rolle der Forschung«, das 1998 zu ganz anderen Zwecken von der isländischen Regierung ins Leben ge­ rufen wurde. Schtepa nahm 2002 in Nowgorod an der Tagung dieses Forums teil und hielt einen Vortrag über die »Schaffung der gemeinsa­ men Medienressourcen im Interesse der Bevölkerung als ein Schritt hin zum Globalen Norden«.219 Schtepa zufolge wurde im Dezember 2004 in St. Petersburg ein Treffen mit spezifisch nationalistisch ausgerichteter Thematik abgehalten. Eine Weiße Revolution ist demnach nicht unvor­ stellbar und könnte sehr wohl eine ernstere Gefahr für den Kreml wer­ den als die gefürchtete Orange Revolution. In dieser aufkeimenden nordisch-nationalistischen Bewegung ist Schtepa ein aktiver Mitspieler, der einen ideologische H intergrund für einen Separatismus ausarbeitet, den andere aus eher praktischen Grün­ den befürworten, unter anderem aufgrund des Zusammenhangs zwi­ schen der Armut im Norden und der Ausbeutung der nördlichen Bo­ denschätze durch Moskau. In einem gewissen Sinne ist er nicht mehr als eine interessante Persönlichkeit in einer sehr nebensächlichen Bewe­ gung. So ziemlich dasselbe hätte man 1992 aber auch von Dugin sagen können. Schtepa scheint zwar über weniger Dynamik, Energie und auch Charisma zu verfugen als Dugin, es könnte sich aber trotzdem lohnen, ihn im Auge zu behalten. Jedenfalls veranschaulicht Schtepa, wie sehr die neue Generation post-eurasischer russischer Traditionalisten sich vom Modell Dugins un­ terscheiden könnte. Dies verdeutlicht auch ein weiterer Petersburger Traditionalist, Aleksei Iwanenko. Wie Schtepa besitzt Iwanenko haupt­ sächlich eine Internetpräsenz, und könnte ebenfalls als ein Post-Eurasier bezeichnet werden. Im Unterschied zu Schtepa hat er aber Guenon oder Evola nie gelesen und hat auch nicht die Absicht, dies zu tun. Obwohl er sich selbst als einen Traditionalisten bezeichnet, hält er Guenon oder Evola für unwichtig. Seine traditionalistischen Quellen sind rein rus­ sisch, unter anderem auch Dugin.220

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Iwanenkos Interessen sind diffus, konzentrieren sich aber auf die politisch-spirituelle Selbstverwirklichung einer »postmodernen« Vari­ ante (einer seiner Lieblingsausdrücke). Aus politisch-spirituellen Grün­ den konvertierte er nach dem n . September 2001 zum Islam. Trotz dieser Bekehrung hat er keinen regelmäßigen Kontakt zu irgendwelchen ande­ ren Muslimen. In Moskau traf er zwar auf einige Muslime, aber sie ver­ trugen sich nicht miteinander, denn die Moskauer Muslime hielten be­ greiflicherweise islamische Praxis für wichtig, wohingegen Iwanenko diese Praxis mit der Begründung ablehnt, dass er gegen den »Ritualis­ mus« sei. Seine Auffassung von der Einheit der Religionen führte ihn zu dem, wie ihm schien, logischen Schluss, dass er sich in einer evangeli­ schen Kirche trauen ließ, obwohl weder er noch die Familie seiner Frau irgendeine Verbindung zum Protestantismus hatten. Iwanenkos Haupt­ kontakt zum Islam läuft über das Internet. Er liefert Beiträge zu den Webseiten tschetschenischer Separatisten und radikaler Islamisten, wie etwa Hizb al-Tahrir.221 Iwanenko wird in Russland wohl kaum eine wesentliche Rolle spie­ len. Er ist jedoch beispielhaft für einen Trend, der durch Dugin entfes­ selt wurde, obgleich man sich streiten kann, ob er nun als Post-Eurasianismus oder als gemäßigter Neo-Eurasianismus zu bezeichnen ist.

Die eurasische Bewegung im Ausland Im Jahr 2006 hatte die eurasische Bewegung bereits internationale Zweigstellen oder Filialen in der ehemaligen UdSSR (vor allem in der Ukraine und Kasachstan), im Nahen Osten (vor allem in der Türkei und in Israel) sowie in Westeuropa (vor allem in Frankreich, Großbritannien, Italien und Skandinavien) ,222 Einige von ihnen sind bedeutender als an­ dere. Aus praktischen Gründen war es nicht möglich, eine vollständige Untersuchung all dieser Organisationen zu erstellen; stattdessen sollen hier nur die israelischen und britischen Filialen ausführlicher betrachtet werden. * *»v

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Israelischer Neo-Etirasianismus In Israel wird der Neo-Eurasianismus durch Be’ad Artzeinu (An unsere Heimat) vertreten, geleitet von Rabbi Awraam Schmulewitsch und Awigdor Eskin. Beide sind israelische Staatsbürger russischer Herkunft, und beide waren auf dem Gründungskongress der eurasischen Bewe­ gung in Moskau anwesend.223 Im Jahr 2002 hatte Be’ad Artzeinu mehrere hundert Mitglieder, zu­ meist russischer Abkunft. Der Leiter der Gruppe, Schmulewitsch, be­ zeichnet sich selbst als »Hyperzionisten« und hält den früheren Zionis­ mus, der zur Gründung des Staates Israel führte, für überholt, da Israel schließlich eindeutig als Staat existiert und der Zionismus dam it sein Ziel erreicht hat —eine Ansicht, die übrigens viele Israelis m it ihm teilen. Nur wenige Israelis wären jedoch mit der Ideologie einverstanden, m it der Schmulewitsch den ursprünglichen Zionismus der Staatsgründer zu ersetzen beabsichtigt. Laut Schmulewitsch hat Israel eine globale Sen­ dung: auf dem Weg ins 21. Jahrhundert die Führung zu übernehmen und dies so zu prägen, wie seiner Ansicht nach Juden wie Marx, Einstein und Freud das 20. Jahrhundert prägten. Als ersten Schritt müsse Israel nicht nur alle Pläne für einen palästinensischen Staat und die Bedro­ hung durch den Islamismus niederschlagen, sondern die Kontrolle über sein Hoheitsgebiet erweitern, um den gesamten Nahen Osten vom Eu­ phrat bis zum Nil mit einzubeziehen. Diese Kontrolle müsse nicht unbe­ dingt eine militärische sein, wirtschaftliche und gesellschaftliche Kontrollmechanismen würden schon ausreichen. Im zweiten Schritt müsse Israel »die ursprünglichste Stufe der Tradition wieder in Kraft setzen, [diejenige Adams, des ersten Hyperzionisten], aber jede solche W ieder­ einrichtung würde auch auf einer Fusion mit den modernsten Trends beruhen, die in einer postindustriellen Gesellschaft zu finden sind«.224 Obwohl Be ad Artzeinu gewalttätiger Aktionen gegen die Araber in den »besetzten« Gebieten verdächtigt wird, bekennt sich die Organisa­ tion nur zu gewaldosen Protesten (mit einer Ausnahme), obwohl sie durchaus zugibt, dass ihr Ziel letztlich eine Revolution in Israel ist, um die derzeitige politische Klasse durch Hyperzionisten zu ersetzen. Ihre Proteste sind bunt: Die Hyperzionisten tragen rote Hemden und mar­ schieren in geordneten Reihen, angeführt von einem Schäferhund na-

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mens Fritz, der bei einer Gelegenheit einen mit Salami gespickten Kohl­ kopf fraß, der als Jassir Arafats Kopf bemalt war.225 Israelische Journalisten haben Schmulewitsch vorgehalten, dass die­ ser paramilitärische Aufzug Erinnerungen an Gruppen wie Hitlers SA hervorrufen könnte, worauf Schmulewitsch (ganz richtig) antwortete, dass es nicht nur die SA war, die solche Techniken verwendete, sondern auch Betar, die Jugendbewegung des Revisionistischen Zionismus, letzt­ lich die Quelle der heutigen Likud-Partei. Außerdem, erklärte er, müsse »Revolution inspirieren, nicht langweilen. Man muss sich darauf verste­ hen, eine Idee zu verbreiten. Die Uniform und die Provokationen sind Teil des Marketings. Die Verpackung der Ware muss Aufmerksamkeit auf sich ziehen.«226 Ähnliches ließe sich auch von der NBP und von vie­ len Aktivitäten Dugins sagen. Öffendich gesteht Be’ad Artzeinu nur eine möglicherweise gewalt­ tätige Tat ein: die Verfluchung Hassan Nasrallahs, des Generalsekretärs der Hizbullah Ende 2004.227 Ein ähnlicher Fluch mag diese Tat inspiriert haben: Dugins anderer israelischer Partner, Eskin, belegte 1995 in Re­ aktion auf die Osloer Abkommen Premierminister Jitzchak Rabin mit dem aramäischen Fluchpulsa d'nura (Peitschenhiebe von Feuer). Dieser Fluch, so glauben viele, wirkt in der Regel innerhalb eines Zeitraums von dreißig Tagen. Rabin wurde zweiunddreißig Tage nach dem Fluch Eskins erschossen. Yigal Amir, der Attentäter, war weder ein Siedler noch ein Traditionalist, sondern ein Student aus Herzliya. Im Jahr 1997 wurde Eskin wegen Aufwiegelung zu vier Monaten Haftstrafe verur­ teilt.228 Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes ist Nasrallah noch immer am Leben. Die Biographie von Schmulewitsch veranschaulicht, wie aus einem Israeli ein Neo-Traditionalist werden kann —oberflächlich betrachtet eine überraschende Entwicklung, angesichts der Tatsache, dass sowohl der Traditionalismus als auch der Neo-Eurasianismus den Islam beto­ nen, und auch in Anbetracht der ehemaligen Verbindungen Dugins zu Gruppen, die weithin als faschistisch und antisemitisch gelten. Schmu­ lewitsch wuchs in Murmansk als Sohn säkularer sowjetischer Eltern auf, mit einem vagen Bewusstsein seiner »jüdischen« Abkunft, aber ohne alle religiöse Unterweisung. Nachdem er die Religion seiner Großmutter wiederentdeckt hatte, wanderte er nach Israel aus und wurde ein chassi-

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discher Rabbiner (es ist nicht ganz klar, in welcher Reihenfolge diese beiden Ereignisse stattfanden).229 Die Chassidim, auf gewisse Weise das jüdische Pendant zu den Sufis, sind von grimmiger Orthodoxie, und grimmig Orthodoxe wie sie beziehen in Bezug auf den Staat Israel im Allgemeinen eine von zwei Extrempositionen. Im einen Extrem wird der Staat Israel als ein Versuch gedeutet, die Erlösung zu beschleunigen, was als irreligiös und blasphemisch abgelehnt wird. Im anderen Extrem wird Israel selbst als Element bei der Erlösung gesehen. In diesem Fall wird Israels unerwartete Eroberung der Gebiete von Judäa und Samarien im Jahre 1967 als Gottesgabe gesehen, und ein jeder Versuch, auf diese »be­ setzten« Gebiete zu verzichten, wäre lästerlich.230 Letztere ist die Posi­ tion, die Schmulewitsch einnahm. Zusammen m it etwa 250 anderen begab er sich zu einer umstrittenen, symbolträchtigen und stark bewehr­ ten »Siedlung« im Zentrum von Hebron, einer Stadt von etwa 40 000 arabischen Einwohnern, bei denen sie al-Khalil heißt.231 Nach israelischen Begriffen sind Schmulewitsch und seine Genossen unbestreitbar radikal. Die Presse beschreibt sie allgemein als »Rechts­ extremisten«, wobei nach israelischem Usus die Begriffe »rechts« und »links« eine ziemlich andere Bedeutung haben als in Amerika und Eu­ ropa. In erster Linie beziehen sie sich auf die Einstellung zur PalästinaFrage: Die Linke ist für das Land-für-Frieden-Konzept, die Rechte da­ gegen. Die Einstellung der Neo-Eurasier zu der palästinensischen Frage wird gut veranschaulicht durch die Aktivitäten Eskins, dem anderen namhaften israelischen Mitglied der eurasischen Bewegung Dugins. Nach seiner Freilassung aus der Haft wegen Aufwiegelung begann Eskin an zwei Projekten zu arbeiten, die darauf zielten, eine palästinen­ sische Reaktion zu entzünden, welche die Vereinbarungen von Oslo zu­ nichtemachen würde, denen zufolge Israel zum Verzicht auf einen Teil der 1967 eroberten Gebiete verpflichtet wäre. Das eine Projekt sah vor, während des Ramadans einen Schweinskopf auf das Gelände des Felsen­ doms auf dem Tempelberg zu katapultieren, und das andere, einen wei­ teren Schweinskopf auf das Grab Izz al-Din al-Qassams zu setzen, eines palästinensischen Nationalhelden, der 1935 im Kampf gegen die Polizei der britischen Mandatsbehörde getötet wurde. Die israelischen Sicher­ heitsdienste entdeckten jedoch die Pläne sowie auch das Vorhaben, ein Gebäude einer linksgerichteten israelischen Gruppe, Dor Shalom, nie-

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derzubrennen. Eskin und ein Komplize wurden von neuem verhaftet. 1999 wurde Eskin zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.232 Ironi­ scherweise führte Ariel Sharons Besuch des Tempelbergs ein Jahr später zu ziemlich dem gleichen Ergebnis, das Eskins Projekte angestrebt hat­ ten: Er entzündete die zweite intifada. Eskin und Schmulewitschs Teilnahme an einer eurasischen Bewe­ gung, deren Ziel es ist, einen Großteil der islamischen Welt mit einzube­ ziehen, ist paradox. Das Element, das ihnen am Neo-Eurasianismus ge­ fiel, war eindeutig nicht die Allianz mit dem Islam. Was ihnen aber gefiel, waren die antiamerikanischen Elemente im Neo-Eurasianismus, die sehr gut zu dem Gefühl vieler Siedler passten, ihre eigene Regierung verrate sie, das jüdische Volk und den Zionismus, unter dem Druck der Amerikaner. Die Erklärung, die Schmulewitsch für diesen Verrat fand, war, dass es sich hier um den »Prozess der Unterordnung der politischen Elite unter den Einfluss des Westens« handle,233 gegen den der Neo-Eu­ rasianismus sich zur Wehr setzt. Schmulewitsch und Eskin sind eher Neo-Eurasier als Traditionalis­ ten, und nichts deutet darauf hin, dass Eskin jemals Guenon gelesen hat. Selbst ihr Neo-Eurasianismus ist eine Folge und nicht eine Ursache ihrer anderen Aktivitäten: Eskins Stellungnahme ging der Entwicklung des Neo-Eurasianismus voraus, und seine erste bekannte politische Ak­ tion fiel in das Jahr 1979, als er neunzehnjährig mit drei anderen jungen Siedlern wegen Einbruchs in palästinensische Häuser in Hebron festge­ nommen wurde, wo sie »Möbel umgeschmissen und die Bewohner an­ gegriffen« hatten.234 1981, drei Jahre später, wurde Eskin schon wieder verhaftet. Dieses Mal war es während eines Protestes vor dem Büro der sowjetischen Fluggesellschaft Aeroflot in New York. Er wurde des »Auf­ ruhrs, der rechtswidrigen Versammlung, der Ruhestörung und versuch­ ten kriminellen Unfugs« bezichtigt.235 Die israelischen Neo-Eurasier stellen eine Weiterentwicklung der Aktivitäten Dugins dar, die nicht einmal als »gemäßigter« Traditionalismus bezeichnet werden kann. Inso­ weit sie sich aber einer Ideologie bedienen, die teilweise aus dem Tradi­ tionalismus abgeleitet ist, sind auch sie —wenn auch sehr indirekt - als Abkömmlinge des Werks Guenons anzusehen.

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Britischer Neo-Eurasianismus In Großbritannien vertritt eine kleine und informelle Gruppe den NeoEurasianismus, die National Anarchists, unter der Leitung von Troy Southgate. Southgate unterscheidet sich von Schmulewitsch und Eskin dadurch, dass seine Ideologie noch außenseiterischer ist als die ihre. Die radikaleren Anteile der israelischen Siedlerbewegung und die »religiöse Rechte« bilden eine potentielle Wählerschaft, die sich von Schmule­ witsch und Eskin angesprochen fühlen mag, wie auch die Israelis russi­ scher Herkunft. Aber in Großbritannien gibt es keine vergleichbare Wählerschaft. Seit der Auflösung Sir Oswald Mosleys British Union o f Fascists zu Beginn des Zweiten Weltkrieges hat die extreme Rechte in der britischen Politik nur einmal eine gewisse Bedeutung gehabt, und auch das nur kurzfristig. Zwischen 1973 und 1979 profitierte die N atio­ nal Front von einem wachsenden Unbehagen anlässlich der anhalten­ den Einwanderung aus den Westindischen Inseln und Pakistan. Im Jahr 1973 hatte die National Front 17 500 Mitglieder, während sie 1979, ehe­ malige und aktuelle Mitglieder zusammengenommen, 60000 zählte. Dies führte 1979 zu einem fehlgeschätzten Einstieg in die W ahlpolitik, in ebendem Jahr, da Margaret Thatcher an die M acht kam und mehr als jeder andere Premierminister des Jahrhunderts den Charakter der britischen Politik veränderte. Nachdem die National Front bei diesen Wahlen nur 192000 Stimmen gewann (peinliche 0,6 Prozent), fiel sie in sich zusammen.236 Um 1985 hatte sie nur noch 1000 Mitglieder, und 1989 zerfiel sie in eine Reihe kleinerer Splittergruppen.237 Southgate trat 1985 der National Front bei, nachdem sie viele ihrer ursprünglichen Positionen aufgegeben, ihr ursprüngliches Verfechten der Ausweisung nichtweißer Immigranten mit einem Plädoyer für »Rassen-Separatismus« ersetzt und einige Perspektiven Evolas übernommen hatte. Diese traten besonders deutlich in der Broschüre The Political Soldier in Erscheinung. Ihr Verfasser Derek Holland war nach 1979 einer der Anführer der National Front und von Roberto Fiore, einem nach England geflohenen italienischen Rechtsextremen, mit dem W erk Evo­ las vertraut gemacht worden. Nachdem sich die National Front 1989 aufgespalten hatte, folgte Southgate Holland und Fiore zur International Third Position (der ITP, Internationale Dritte Position).238

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Um 1992 schien es Southgate, als rückte die International Third Position einem altmodischen italienischen Faschismus immer näher, und im Jahr 1992 verließ er mit einer kleinen Gruppe von Gefährten die ITP und gründete das English Nationalist Movement. Dieses wurde 1998 zur National Revolutionary Faction.239 Der einzige britische Wis­ senschaftler, der überhaupt die Existenz der National Revolutionary Faction zur Kenntnis nahm, beschrieb sie als politisch »völlig irrele­ vant«.240 Auf der Suche nach neuen ideologischen Richtungen begann South­ gate Bakunin zu lesen. 1998 oder 1999 stieß er dann auf den englisch­ sprachigen Teil der Arktogaja-Webseite Dugins. Dies führte dazu, dass er Evola zum ersten Mal las, obwohl er von dessen Schriften schon seit einigen Jahren wusste. Im Jahr 2000 wurden aus der National Revolu­ tionary Faction die National Anarchists241 - ein britisches Echo auf die wunderliche Aneinanderreihung von Bezeichnungen der National-Bolschewiken. 2006 beschrieb Southgate in einem Interview seine Position als eine Mischung aus Traditionalismus, Anarchismus und Rassentren­ nung.242 Seine Webseite Synthesis bezeichnet sich selbst als »der Anarchie gewidmet [...], der Okkultur (der Würdigung und dem Verständnis des esoterischen Charakters von Leben und Kultur) [...] und der Metapoli­ tik«. Angeführt wurden 24 »Schlüsselfiguren«, angefangen mit Ernst Jünger, Bakunin und Evola, weiterhin Dugin und Guenon sowie auch Nietzsche, Crowley und Sergej Nechajew.243 Trotz des Bezugs auf Ba­ kunin ist Southgates Anarchismus eine ungewöhnliche Variante, die Jüngers Konzept des »Anarchen« einiges verdankt, nämlich dem des Individuums, das alle Autorität abgelehnt hat.244 Jüngers »Anarch« hat einige Ähnlichkeit mit Evolas »absolutem Individuum«. Southgate ist auch in dem Sinne Anarchist, dass er den Staat zugunsten »autonomer, monorassischer Gemeinschaften« ablehnt, in denen »die Menschen ihr eigenes Gebiet entsprechend ihren eigenen Werten und Prinzipien be­ wohnen können«.245Andere britische Anarchisten, die ohnehin recht rar sind, würden sich kaum dieser Position anschließen. Der Traditionalismus spielt in der ideologischen Synthese Southgates eine erkennbare Rolle, ist aber keineswegs dominant. Evola tritt deut­ licher in Erscheinung als Dugin. Der Link zu Dugins Arktogaja auf Southgates Webseite Synthesis ist nur einer von vielen. Die meisten Hin-

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weise auf Dugin waren mehrere Jahre veraltet, indem sie ihn noch im ­ mer mit der NBP in Verbindung brachten.246 Ebenso wie in Israel ist auch für Southgate die Idee eines antiam e­ rikanischen Blocks in Dugins Neo-Eurasianismus das Element, das ihm darin am besten gefällt - wobei es ein antiamerikanischer Block statt eines antiatlantischen Blocks ist, da Southgate, als Bewohner der atlan­ tischen Welt Dugins, gezwungen ist, Dugins geopolitische Deutungen abzulehnen. Southgate hält es für eine zu grobe Vereinfachung, die W elt aufeuteilen in maritime Regionen, die m it der Moderne verbunden sind, und in kontinentale Regionen, die mit der Tradition verknüpft sind. Er ist der Meinung, dass Russland (ein Land, das er aus erster H and gar nicht kennt) europäischer ist, als Dugin zuzugeben bereit ist.247 Southgate stimmt jedoch mit Dugin darin völlig überein, dass er in Amerika den Feind der Tradition erkennt, obwohl für Southgate »Tradi­ tion« eher etwas Kulturelles als etwas Spirituelles bedeutet, ein Ergebnis seines Interesses an Rasse. Europäer (einschließlich der Russen) besitzen eine ausgeprägte Tradition, und Nichteuropäer haben andere Traditio­ nen. Diese Traditionen sollten rein erhalten bleiben. In Städten wie Lon­ don vermischen sie sich aber und finden in degenerierter amerikanischer »Populärkultur« ihren gemeinsamen Nenner.248 Russland kann eine Al­ ternative zur globalen amerikanischen Hegemonie befähigen helfen249 und damit der amerikanischen Popkultur und der Vermischung von Tra­ dition, Rasse und Kultur entgegenwirken. Auch der Islam kann dazu beitragen, da die Muslime sich »nach wie vor dieser Bedrohung ener­ gischwidersetzen«. Aber »ihre Präsenz in Europa befürwortet« Southgate trotzdem nicht.250 Southgates Nationaler Anarchismus hat nie mehr als zehn vollzeit­ liche Anhänger gefunden251 und ist hauptsächlich im Internet anzutref­ fen, einem Medium, in dem die radikale europäische Rechte gedeihen konnte, ebenso wie andere Randgruppen, beispielsweise die nordischen Nationalisten Schtepas. Trotzdem organisiert Southgate immer wieder einmal eine konkrete Veranstaltung: monatliche Zusammenkünfte von zwanzig bis dreißig Personen im gemieteten Hinterzimmer eines Lon­ doner Pubs, wo man sich Vorträge anhört, etwa über die neoheidni­ sche Odin-Verehrung oder über die Ansichten Oswald Mosleys zur europäischen Integration.252 Im Frühjahr 2005 war bei einem solchen

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Treffen Dugin der Gastredner, der sich zu der Zeit gerade in London aufhielt. Southgate sieht für sich und seine Anhänger keine große Rolle bei der Verbreitung des Neo-Eurasianismus, obwohl er durch seine Internet­ aktivitäten bestrebt ist, die Ideen Dugins der englischsprachigen Welt besser zugänglich zu machen.253 Doch der Neo-Eurasianismus Dugins ist für Southgate durchaus von Bedeutung. Erstens wird seine Position im Abseits durch die Verbindung zu einer weniger abseitigen Persön­ lichkeit verbessert, zumal die Bedeutung Dugins für Russland im Aus­ land allgemein höher eingeschätzt wird, als sie tatsächlich ist. Zweitens haben der Neo-Eurasianismus und der Traditionalismus dazu beigetra­ gen, die ideologischen Positionen Southgates mit einem gewissen Glanz zu versehen. Das Konzept der Tradition ermöglichte ihm, der groben Fremdenfeindlichkeit der ursprünglichen National Front einen etwas anspruchsvolleren Anstrich zu geben, der in etwas weiteren Kreisen An­ klang finden könnte. Sein Nachdruck auf die Erhaltung gesonderter Traditionen kann als eine Art Multikulturalismus und sogar als Form von Antiglobalisierung dargestellt werden, welche beide weitaus gefälli­ gere ideologische Positionen sind.

Die globale Bedeutung des Neo-Eurasianismus Die politischen Situationen Russlands, Israels und Großbritanniens ha­ ben wenig miteinander gemein. Es überrascht nicht, dass Dugins israeli­ sche und britische Parteigänger einem Programm folgen, das von den Anliegen ihrer eigenen Länder bestimmt ist und nicht von denen Du­ gins oder Russlands. Schmulewitsch und Eskin sind vornehmlich daran interessiert, die Eroberungen Israels von 1967 zu halten, und Southgates Hauptinteresse scheint auf die Einwanderungsproblematik fixiert zu sein oder zumindest auf ihre Auswirkungen und Konsequenzen. Dugin interessiert sich für keines dieser beiden Probleme. Allerdings ist den nichtrussischen Rechten die Verbindung zu Dugin dienlich, weil sie dadurch aus ihrer Außenseiterposition etwas herausgeholt werden, und verschiedene Elemente des Neo-Eurasianismus erteilen ihnen eine brauchbare ideologische Patina. Bewegungen wie die Schmulewitschs und Southgates waren für die

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nationale Politik ihrer Länder fast gänzlich ohne Bedeutung. Was Leute wie Schmulewitsch und Southgate ins Internet stellen, wird jedoch von manchen Mitgliedern weniger randständiger Parteien gelesen und von den großen etablierten Parteien genau registriert, so wie diese alle ihre Rivalen beobachten, um zuweilen deren populärere Strategien zu belei­ hen. Die Wahlerfolge radikaler, einwanderungsfeindlicher Parteien in Europa haben nach allgemeinem Dafürhalten wesentlich dazu beigetra­ gen, dass die großen etablierten Parteien eine viel härtere Linie in der Einwanderungspolitik eingeschlagen haben. Die Bedeutung und Zukunft des Neo-Eurasianismus in der ehemali­ gen UdSSR außerhalb der Russischen Föderation ist unklar, da es zu diesem Thema an Forschungen fehlt. Der Neo-Eurasianismus könnte von Bedeutung sein, vor allem in Kasachstan. Noch ungewiss ist der Status des Neo-Traditionalismus in der Türkei. Dugin hat der Türkei Besuche abgestattet, und seine Ansprachen wurden in großen Zeitungen abgedruckt, unter anderem in der moderat islamistischen Zeitung Z a man. Sollte der lang gehegte Traum eines EU-Beitritts der Türkei aufge­ geben werden, könnte eine eurasische Alternative für die Türkei attraktiv werden.

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14- D i e i s l a m i s c h e W e lt254

Der Iran war das erste islamische Land, in das der Traditionalismus ein­ drang. Obwohl Nasrs Aktivitäten dort mit der Islamischen Revolution endeten, überlebte der Traditionalismus die Revolution und spielte Ende des 20. Jahrhunderts eine Rolle in der öffentlichen Debatte über die zu­ künftige Richtung der Islamischen Republik. Der Traditionalismus war zu der Zeit bereits im allgemeinen Diskurs anderer islamischer Staaten aufgetaucht, vor allem in der Türkei und in Malaysia sowie in der Russi­ schen Föderation, die eine alteingesessene muslimische Bevölkerung von beträchdiche Größe besitzt.255 In der arabischen Welt blieb der Traditio­ nalismus jedoch im Allgemeinen vom öffentlichen Diskurs ausgeschlos­ sen. In Algerien wurde er als irrelevant abgetan, und in Marokko spielte er eine ähnliche Rolle wie im Westen, indem er vereinzelt wesdich orien­ tierte Marokkaner mit einer Antwort auf ihr spirituelles Suchen versah, sonst aber keine erkennbaren Auswirkungen auf die weitere Gesellschaft hatte.

Guenon in Nordafrika In Europa erfreuten sich nach den 1960er Jahren traditionalistische Schriften erneuter Beliebtheit, was auch Auswirkungen auf das franko­ phone Nordafrika hatte, vor allem auf Algerien und Marokko, wie auch etwa zur gleichen Zeit auf Moskau. Um 1967 begann eine kleine Gruppe regimekritischer algerischer Intellektueller Guenon zu lesen. Sie waren gegen das sozialistische und materialistische Ethos des algerischen Re­ gimes eingestellt. Der Front de liberation nationale (FLN) hatte Alge­ rien durch einen blutigen Krieg mit Frankreich zur Unabhängigkeit ge­ führt und sich danach in einem sozialistischen Einparteienstaat etabliert. Gleichzeitig hatte der FLN in Italien zur Einführung des Begriffs des »revolutionären Krieges« beigetragen.256

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Einer dieser regimekritischen Intellektuellen, Rachid ben Eissa, star­ tete eine Reihe von Workshops für Studenten, deren Ziel es war, junge Algerier dem sozialistischen Materialismus zu entwöhnen und dadurch eine islamische Renaissance einzuleiten.257 Ihr W ortführer war Algeriens führender islamistischer Intellektueller, Malek Bennabi, und ein Gast­ redner war Roger Garaudy, damals Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Frankreichs und später der berühmteste fran­ zösische Konvertit zum Islam, der übrigens auch für Guenon schwärm­ te.258 Traditionalistische Analysen standen im M ittelpunkt der Attacke Ben Eissas gegen die Moderne. Angesichts der M acht des FLN über das kulturelle und intellektuelle Leben Algeriens wäre es schwierig, wenn nicht gar unmöglich gewesen, solche Workshops unabhängig abzuhal­ ten. Aus diesem Grund schuf Ben Eissa im Bildungsministerium ein Büro für islamische Soziologie, das ihm erlaubte, die Workshops im N a­ men des Ministeriums zu veranstalten, die dann gewöhnlich während der Schulferien an staadichen Schulen stattfanden. Diese mehrtägigen Workshops wurden ab 1969 jeden Sommer abgehalten. Jeweils an die 120 bis 140 Studenten nahmen an ihnen teil. Die meisten Teilnehmer waren Studenten technischer oder naturwissenschaftlicher Fachberei­ che - Studenten der Geisteswissenschaften galten als aussichtslose Sache. Es gab jedoch keine arabische Übersetzung der Werke Guenons, ob­ wohl Rachid ben Eissa eine solche erwog. Er kam zu dem Schluss, dass diese in französischer Sprache gefassten Gedanken dazu beitragen könn­ ten, gebildete Algerier dem Islam näher zu bringen, deren Ausbildung in einem überwiegend französischsprachigen Schulsystem stattgefunden hatte. Ins Arabische übersetzt, würden die Werke Guenons die weniger gebildeten algerischen Leser nur schockieren, von ihnen missverstanden und für unislamisch oder sogar antiislamisch gehalten werden. Der Traditionalismus konnte in Algerien keine Wurzeln schlagen. Nachdem er anfänglich Interesse bekundet hatte, kam Bennabi zu dem Schluss, Guenon und andere Traditionalisten richteten sich an die Prob­ leme des Westens und nicht an die Probleme Algeriens, die seiner An­ sicht nach eher politisch und wirtschaftlich waren als spirituell. Das In­ teresse an einer islamischen Lösung für diese Probleme wuchs, das heißt das Interesse am Islamismus bzw. an einem radikalen politischen Islam, und das am Traditionalismus ging zurück. Die Workshops wurden ein-

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gestellt, Ben Eissa verließ Algerien und schlug eine Karriere im Ausland ein, die ihn schließlich ins UNESCO-Hauptquartier in Paris führte. Ben Eissas Vetter, Hamza Ben Eissa, hatte zwei Bücher über die Moderne in französischer Sprache verfasst, die in jeder Hinsicht traditionalistisch waren. Hamza ben Eissa hatte sogar mit einigem Erfolg den Stil Guenons zu reproduzieren versucht. Doch diese Bücher fanden keinen Ver­ leger. Unterstützung für Algeriens wichtigste islamistische Gruppe, den Front islamique du Salut (FIS, die Islamische Heilsfront), führte im Jahr 1991 in den ersten freien Wahlen des unabhängigen Algeriens zu einem Sieg der FIS und im folgenden Jahr zum Bürgerkrieg. In Marokko, wo das politische Klima entspannter und die wirt­ schaftlichen Bedingungen weniger drückend waren als in Algerien, war der Traditionalismus erfolgreicher. Er spielte unter der gesellschaftli­ chen Elite eine wichtige Rolle bei einer Sufi-Renaissance, die in den 1970er Jahren einsetzte, angeführt von einem Sufiorden, der Budshishiyya. Trotzdem wurde Guenon auch dort nie ins Arabische übertragen. Die Budshishiyya ist kein traditionalistischer Orden. Scheich Hamza ibn Abi’l-Abbas, der Scheich des Ordens, hat niemals Guenon gelesen, obwohl er sicherlich von ihm gehört hat.259 Doch nach Ansicht von Ahmad Qustas, einem ehemaligen muqaddam der Budshishiyya für die wichtige Region von Fez, spielten Guenons Werke doch eine gewisse Rolle, indem viele aus dem »frankophonen Milieu« stammende Ordens­ mitglieder, wie Qustas sie nennt, durch sie geworben wurden. Damit ist die marokkanische Elite gemeint, die eine französische Schulbildung ge­ nossen hat und die zwar bei sich zu Hause den marokkanischen Dialekt spricht, der aber das Lesen des Französischen viel leichter fällt als des Arabischen. Die Budshishiyya war bei der Rekrutierung aus diesem Milieu unge­ wöhnlich erfolgreich, so wie auch aus der unmittelbar darunter gele­ genen Gesellschaftsschicht, was eine beträchdiche Leistung darstellt, an­ gesichts der in diesem Milieu vorherrschenden Uninformiertheit und der Feindseligkeit gegenüber dem Sufismus und auch der Diskrepanz zwischen dem Lebensstil der Elite und dem Islam.260 Der Traditionalis­ mus erreicht dieses Milieu in einer Art, wie es anderen Vorgehensweisen nicht gelingt. Als Zakia Zouanat, eine frankophone Budshishiya und Traditionalistin, von der auflagenstarken französischen Zeitschrift De-

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main über den Sufismus interviewt wurde, verwendete sie das Interview nicht, um über ihren eigenen Scheich zu sprechen, sondern um Gue­ nons »unvergleichliches Werk« zu preisen, das »dem Sufismus mehr Adel verliehen« habe.261 Diese nachdrückliche Betonung könnte aus ihrer Be­ geisterung für Guenon entstanden sein, möglicherweise aber auch aus

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In ihren eigenen Artikeln gab sich Zouanat große Mühe, die Miss­ verständnisse ihrer frankophonen Leserschaft über den Sufismus auf­ zuklären. Sie stellte ihn als eine Quelle »jener universellen Dimension« dar, »die den Kontakt mit dem ermöglicht, was den Menschen zutiefst zur Freiheit inspiriert, was seiner Suche nach dem Absoluten zugrunde liegt«. Sie fugt zur Beruhigung auch gleich noch hinzu, dass der Sufis­ mus weder unislamisch noch fanatisch sei.262 Unterstützt wurde dies von der Tatsache, dass die Autorin Zouanat nicht nur unverschleiert, son­ dern auch mondän auftrat. Wahrscheinlich betonte Zouanat Guenon deswegen, weil sie in seinem Werk den besten Zugang für ihre Leser zum Sufismus sah. Für sie, wie für Abd al-Halim M ahmud in Ägypten, ist die Unterstützung des Sufismus durch einen »zivilisierten« Franzosen wün­ schenswert und nützlich. Guenon wurde in den 1960er Jahren in Marokkos frankophonem Milieu ebenso bekannt wie in Algerien, und man las ihn neben Sartre und Camus.263 Im Gegensatz zu den meisten seiner westlichen Leser war es der marokkanischen Leserschaft im Allgemeinen bekannt, dass er Muslim und Sufi geworden war. Er wurde für gewöhnlich (wenn auch nicht ganz zutreffend, siehe Kapitel 4) mit Abd al-Halim M ahm ud in Verbindung gebracht, dessen Schriften in Marokko ebenfalls beliebt wa­ ren. Guenons Traditionalismus wies seinen marokkanischen Lesern ei­ nen direkteren Weg zum Sufismus, als er es für seine europäischen und amerikanischen Leser tat. Es sind auch keine marokkanischen Traditio­ nalisten bekannt, die von Guenon ausgehend außerislamische, spiritueile Ziele angestrebt hätten. Dies liegt zum Teil daran, dass der Sufismus, obgleich verdeckt, auch für die modernsten Marokkaner »unterhalb der Oberfläche präsent« blieb, und zum Teil an dem fast völligen Fehlen »spiritualistischer« New-Age-Gruppierungen in Marokko. Obwohl die französischsprachige Abteilung einer großen Buchhandlung in Casablanca bei der Anordnung ihres Bücherangebots eventuell die westliche

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Standardklassifizierung von »Spiritualität« übernehmen mag, werden sich alle unter dieser Rubrik angebotenen Bücher in der Regel mit dem Islam beschäftigen, mit der einen oder anderen Ausnahme, die sich viel­ leicht um das Christentum drehen mag.264 Von den Büchern über den Islam wird eine weitaus größere Zahl vom Sufismus handeln, als es in der arabischen Abteilung einer solchen Buchhandlung der Fall wäre, was den Geschmack der französischsprachigen Leserschaft widerspiegelt. Die Bücher Guenons lagen Ende des 20. Jahrhunderts dort allge­ mein nicht zum Verkauf aus, zum Teil deshalb, weil Guenons französi­ scher Verleger (Gallimard) für den marokkanischen Markt zu teuer war, doch bei Bedarf ließen sie sich ziemlich problemlos beschaffen. Viele Werke anderer Traditionalisten, die den interessierten Leser zu Guenon fuhren konnten, standen jedoch zur Verfügung.265 Dazu gehörten die Bücher Faouzi Skalis, eines Marokkaners aus dem frankophonen Milieu, der, wie Qustas, ein Budshishi-muqaddam wurde.

Faouzi Skali Abgesehen davon, dass er zum bedeutendsten marokkanischen Traditio­ nalisten wurde, ist Skali auch ein gutes Beispiel dafür, wie der Traditio­ nalismus moderne Marokkaner an ihre Ursprünge zurückführen kann, was laut Qustas eine der Hauptaufgaben der Budshishiyya ist. Beide Großväter Skalis waren ’ulama (islamische Gelehrte) an der Qarawayyin in Fez gewesen, der führenden Lehranstalt des islamischen Westens. Beide waren auch Sufis gewesen, Anhänger eines marokkanischen Zwei­ ges des Khalwatiyya-Ordens. Skalis Vater hatte seinerseits einen gehobe­ nen Posten in der Krankenhausverwaltung inne und sprach fließend Französisch und Arabisch. Er war ein vielbeschäftigter Mann, der kein Interesse am Sufismus hatte, obwohl er die Ritualgebete einhielt. Skali selbst genoss eine vollständig französische Schulbildung: Er ging auf die Mission culturelle fran^aise in Fez, und ab 1973 studierte er Soziologie in Paris, wo er ein Doktorat in Anthropologie erwarb.266 Skali war also durch und durch ein moderner Marokkaner. Während seiner ersten vier Jahre in Paris hatte er die typischen Interessen eines Studenten der 1970er Jahre, obwohl er nur wenig politisch aktiv war und

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keiner politischen Gruppe oder Bewegung beitrat. Unzufriedenheit m it diesem Lebensstil führte ihn jedoch zu einer spirituellen Suche nach »dem Wesentlichen«. Zunächst interessierte er sich für den Taoismus, was auch für einen Pariser Studenten rein französischer H erkunft in den 1970er Jahren wahrscheinlich gewesen wäre, ähnlich wie Nasr seinerzeit zunächst ein Interesse am Hinduismus gezeigt hatte. Obwohl der Tao­ ismus eine elegant verkürzte Version von »Wesentlichkeit« zu bieten schien, fand Skali, dass er keine realisierbare Handlungsweise bereithielt. Seine Enttäuschung darüber erinnert an das im Islam allgemein betonte Prinzip der Praxis (siehe Kapitel 4). Skali wandte sich daher wieder dem Islam seiner marokkanischen Kindheit zu, indem er den Qur’an las und sogar seine Ritualgebete wie­ der aufnahm: »Ganz allein, mitten in Paris!«, wie er sich später erin­ nern sollte. Paris und das Gebet waren für einen frankophonen M arok­ kaner die entgegengesetzten Pole eines Spektrums. Zusätzlich beschaffte sich Skali Bücher über den Islam und den Sufismus: Rumi in französi­ scher Übersetzung, ein Buch über Ibn Arabi von Henry Corbin (dem Mitarbeiter Nasrs), sowie Bücher von Traditionalisten: Guenons Apergus sur l'hoterisme islamique et le taotsme (eine posthume Sammlung von Artikeln), worin Skalis erste und zweite Interessen vereint waren, ein Buch,des Maryami Jean-Louis Michon und zwei Bücher von M artin Lings, die französischen Übersetzungen von What Is Sufism? und A Sufi Saint.267 Während derartige Lektüre einen Franzosen zu Schuon und zur Maryamiyya geführt haben könnte und sogar den Iraner Nasr dahin ge­ bracht hatte, bildete sie für Skali eher ein Sprungbrett. Sie führte ihn dazu, das, was er bereits wusste, zu »dechiffrieren« (sein Wort): Er kehrte nach Marokko zurück, um dort einen spirituellen Meister zu suchen. Skalis ursprünglicher Plan war es, in den Süden zu reisen, in die abgele­ genen Wüstengebiete Marokkos, die am wenigsten von der M oderne berührt waren. Es war eine abenteuerliche Reise, auf der ihn einer seiner Onkel begleiten wollte. Bevor sie jedoch zu der Reise aufbrechen konn­ ten, kam Skali das beklagenswerte Schicksal eines verschwägerten Ver­ wandten zu Ohren, eines Geschäftsmanns namens Tahir Rais, den die Familie zu der Zeit an eine Art von Kult verloren zu haben glaubte. Tatsächlich war Rais Schüler eines der bedeutendsten marokkanischen

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Sufi-Scheichs des ausgehenden 20. Jahrhunderts geworden, des Scheichs Hamza al-Budshishi. Obwohl die Budshishiyya in Wirklichkeit ein ganz normaler islami­ scher Sufiorden war, erfüllte der Beitritt von Tahir Rais die ganze Familie mit Unruhe und Bestürzung. Wegen ihrer ungenauen Vorstellungen von dem, was ein Sufi eigentlich war, kam ihnen Scheich Hamza vor wie ein Betrüger und ein Scharlatan, oder zumindest ein Verblendeter. Die Tat­ sache, dass sein Orden dafür bekannt war, junge Männer anzuziehen, die bisher alles andere als fromm gewesen waren, die beispielsweise offen Alkohol tranken, machte es nur umso befremdlicher. Eine Ausnahme davon bildete ein älterer Herr, der die Gespräche in Casablanca mitangehört hatte und daraufhin bemerkte, die Versammelten sollten sich in ihrem Gerede über Hamza al-Budshishi besser in Acht nehmen, er könne gut ein lebender Heiliger sein. Skali war ähnlicher Ansicht: Was er über ihn gehört hatte, erinnerte ihn an längs Beschreibung von Ah­ mad al-Alawi, dem spirituellen Meister, auf den ihn seine traditionalistische Lektüre gewiesen hatte. Er erwirkte eine Einladung zu einer dhikrZeremonie der Budshishi und trat in den Orden ein. Er reiste zu der zawiya in Madagh, in der Nähe von Oujda an der marokkanisch-algeri­ schen Grenze, wo er eine Woche verbrachte. Für Skali hatte der Traditionalismus zwar eine wichtige Funktion ge­ habt, war aber im Wesendichen eine Zusatzfunktion. Es war die Reli­ gion, in die er hineingeboren war, und nicht der Traditionalismus, der seine Suche auf den Sufismus und zu den marokkanischen Scheichs lenkte, doch seine Lektüre traditionalistischer Autoren war es, die ihm »sehr genaue Hinweise« gab und es ihm erleichterte, Scheich Hamza als den gesuchten Meister zu erkennen. Diese Lektüre trug auch dazu bei, die Wahl, die Rais unabhängig von derartiger Lektüre getroffen hatte, zu bestätigen. Während der Woche, die Skali mit ihm verbrachte, nachdem er ihn beim ersten Budshishidhikr kennengelernt hatte, war Rais’ Frau zugleich fasziniert und erleich­ tert, als ihr Skali die historische Achtbarkeit dieser Variante des Sufismus erläuterte, wobei seine Erklärungen auf seiner Pariser Lektüre beruhten. Andere Formen von Bestätigung erwiesen sich ebenfalls als wirk­ mächtig. Als er Scheich Hamza begegnete, erkannte Skali sofort in ihm den Meister, der ihm um die Zeit seiner Abreise aus Paris in seinen Träu-

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men erschienen war. Die Frage, die Scheich Hamza ihm stellte, schien doppeldeutig zu sein: »Du willst also deine Seele [ruh] ihrem Ursprung [asli~ha] wieder zufiihren?«, da das Wort asl (im Sufi-Sprachgebrauch ein implizites Bezugnehmen auf Gott) auch im Sinne von »Tradition« oder »Ursprung« verstanden werden kann. Eine weitere Bestätigung kam nach Skalis Rückkehr nach Fez. Seine Familie reagierte auf den Beitritt zur Budshishiyya mit »allgemeiner Panik«, und seine entsetzte M utter nahm ihn mit zu ihrem Vater Idris, dem emeritierten Lehrer an der Qarawayyin, auf dass er Skali auseinandersetzen sollte, dass sein Weg ein Irrweg und nicht der Weg des Islam sei und das was er tat im Islam nicht erforderlich sei. Das Gespräch während dieser Mittagsmahlzeit verlief jedoch auf ungewöhnlichen Bahnen: Alle Teilnehmer sprachen von Re­ ligion und Spiritualität, und Großvater Idris erzählte selbst Geschichten von Sufis, die früher in Fez gelebt hatten, von denen keiner der Anwe­ senden je zuvor gehört hatte. Skalis M utter war darüber ziemlich über­ rascht und erinnerte ihren Vater daran, dass sie nicht deshalb zu ihm gekommen seien. Idris antwortete ihr, er werde später darauf zu spre­ chen kommen. Doch stattdessen nahm er seinen Enkel beiseite und fragte ihn, ob es ein »schwerer« Weg sei, den er auf sich genommen habe. Skali antwortete, dass er in der Budshishiyya nichts Schweres gesehen habe, worauf sein Großvater antwortete: »So halte dich daran, wenn dir dein Leben lieb ist.« Skali hatte das Gefühl, in mehr als einer H insicht heimgekommen zu sein. Seitdem befolgt Skali die Budshishiyya und wurde schließlich zum ^\i&shis}\i-muqaddam.

Marokkanischer Traditionalismus Sowohl Skali als auch Qustas sind somit Budshishi-muqaddamun> die mit dem Traditionalismus vertraut sind. Qustas kann aber nicht als Tra­ ditionalist angesehen werden. Erst 1975, nach seinem Beitritt zur Bud­ shishiyya, hatte er von englischen Muslimen von Guenon gehört.268 Er selbst stammte auch nicht aus dem frankophonen Milieu, sondern war der Sohn eines Darqawi-Sufi-Imams, und er gab für einige Zeit einen Kurs für islamwissenschaftliche Studien an der Qarawayyin, die jetzt eine Universität ist. Er schätzt zwar das Werk Guenons und benutzt es in

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seiner gegenwärtigen Rolle als muqaddam für Nordamerika (eine Funk­ tion, die er ausübt, obschon es diesen Titel nicht gibt), aber es hat fär sein eigenes spirituelles oder intellektuelles Leben keine weitere Bedeu­ tung. Er ist im Gegenteil sehr kritisch gegenüber jenen Traditionalisten, die im Perennialismus »stecken bleiben«, und lehnt die utilitaristische Auffassung der shana, die viele Traditionalisten vertreten, kategorisch ab, wobei er betont, dass die shana das Schiff ist, das die haqiqa (Gott, die Wahrheit) in sich bergen muss. Eine Anzahl ehemaliger Maryami gehört zu den Amerikanern, die sich ihm und der Budshishiyya ange­ schlossen haben. Qustas ist daher außerordentlich gut über die skanda­ löseren Aspekte der späteren Jahre der Maryamiyya informiert. Zu ei­ nem gewissen Zeitpunkt versuchte er sogar, einige führende Maryami davon zu überzeugen, dass sie andere Maryami vor Schuon warnen soll­ ten. In einem gewissen Sinn hat demnach der praktisch angewandte Tra­ ditionalismus keinen härteren Kritiker als Qustas. Im Gegensatz dazu haftet an Skali noch viel Traditionalistisches. Ei­ nerseits betont er, dass der Traditionalismus ein Ausdruck spiritueller Wahrheit, aber in keiner Weise ein spiritueller Weg ist. Seiner Ansicht nach verwechseln nur diejenigen den Traditionalismus mit einem spi­ rituellen Weg, die unzureichende spirituelle Erfahrung haben, die nie einen wahren spirituellen Weg richtig kennengelernt haben. Skali argu­ mentiert, dass es nicht nur die Werke Guenons sind, die ein Risiko darstellen, als endgültige spirituelle Lehre missverstanden zu werden, sondern dass auch Ibn al-Arabi in dieser Weise (fälschlich) aufgefasst werden kann. Aus seiner Sicht ist es mit dem sunnitischen Islam un­ vereinbar, einen einzigen Korpus als endgültige Lehre zu nehmen; der endgültige Leitstern ist der Scheich, in seinem eigenen Fall Scheich Hamza. Andererseits war der Traditionalismus für Skali etwas mehr als nur ein Sprungbrett. Er las weiterhin Guenon und stellte fest, dass mit seiner eigenen Entwicklung auf dem Pfad der Budshishiyya und der Vertiefung seines eigenen spirituellen Verständnisses die Werke Guenons bei jedem Neulesen an Bedeutung gewannen. Durch seine Budshishi-Aktivitäten in Frankreich bleibt er weiterhin mit dem Milieu französischer Traditio­ nalisten verbunden. Außerdem betreibt er ein Privatprojekt mit dem Ziel der »Retraditionalisierung« der Gesellschaft, obwohl er selber von

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diesem Projekt sagt, es sei [...] von einem traditionellen Standpunkt aus gesehen [...] der Beitrag des Sufismus zur Gesellschaft«. Dieses Projekt tritt in seiner Teilnahme an einer Anzahl von Vereinigungen zutage, die halbwegs traditionalistische Zielsetzungen haben.269 Skali ist auch G rün­ der und Kurator des alljährlichen World Sacred Music Festival in Fez. Dieses Festival hat seit 1994 an Bedeutung und Größe zugenommen. Im Jahr 2000 erweckte es nicht nur das Interesse Seyyed Hossein Nasrs, sondern auch das Jacques Attalis, eines prominenten französischen W irt­ schaftswissenschaftlers und hohen Staatsbeamten, der am Islam interes­ siert ist.2702001 wurde das Festival durch eine parallel dazu stattfindende Konferenz erweitert, deren erste »Eine Seele für die Globalisierung« zum Thema hatte. Ein breites Spektrum Intellektueller aus aller Welt wurde dazu geladen. Skali betont die Verbindung zwischen den Zielen dieses Festivals und der Vergangenheit der Stadt Fez, die nicht nur das Zen­ trum der Gelehrsamkeit und Spiritualität in der westlichen islamischen Welt ist, sondern auch eine Stadt, in der die drei abrahamitischen Reli­ gionen lange Zeit nebeneinander gediehen. Dies ist in gewisser Weise eine perennialistische Anschauung. Doch für diejenigen, die zur Budshishiyya kommen, besteht wenig Unterschied zwischen Skali und Qustas. Beide sind hinreichend im Tra­ ditionalismus bewandert, um zu behaupten, dass die Budshishiyya die beste aller verfügbaren traditionalistischen Initiationen ist. Skalis erstes und wichtigstes Buch, La voie soufie (1985, Der Sufi-Weg),271 dient eben­ diesen Zielen. Laut Skali entsprang das Buch teilweise seiner eigenen Bemühung, eine »Synthese« zwischen Traditionalismus und Sufismus zu bilden und den Traditionalismus mit den klassischen Sufi-Texten, die er damals las, zu verknüpfen, und m it seiner eigenen Erfahrung der Budshishiyya, um eine »Kohärenz der Glaubensinhalte« zu entwickeln. La voie soufie ist jedoch kein offensichtlich traditionalistisches Werk. Es führt zwar Guenon, Schuon und einige andere traditionalistische Auto­ ren in seiner Bibliographie an und verwendet einige traditionalistische Konzepte, wie die Trennung zwischen der Vertikalen und der Horizon­ talen,272 aber in seinem Aufbau und in seiner Struktur ist es vielmehr das Werk eines Gelehrten, obwohl klar ersichdich wird, dass der Autor sowohl Muslim als auch engagierter Sufi ist. Der erste Teil des Buches ist ein Überblick über die islamische Kosmologie und Metaphysik, der

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sich teilweise auf modernere Quellen wie auf den Amir Abd al-Qadir und teilweise auf klassische Quellen wie Ihn al-Arabi beruft. Dieser Teil könnte gleichermaßen dazu dienen, bei einem Traditionalisten das Ver­ ständnis dieser Thematik zu islamisieren, als auch einen Nicht-Traditio­ nalisten durch die Reichweite und Raffinesse islamischen Denkens zu beeindrucken. Skali betont jedoch, dass die Sufi-»Lehre im Wesentlichen Ausdruck einer gelebten Erfahrung ist«273 —so der erste Satz des Buches, wobei dieser Punkt noch mehrfach betont wird. Der zweite Teil des Bu­ ches ist dagegen eine Einführung in diese gelebte Erfahrung. Ein Ab­ schnitt handelt von dem Orden und dem Scheich, während ein anderer eine Einführung in den Sufi-Weg ist, wie ihn ein Novize eines Ordens, beispielsweise der Budshishiyya, erleben könnte. Nach Aussage des Verfassers führte La voie soufie viele französische Traditionalisten zu ihm und somit zur Budshishiyya. Zum Teil lässt sich diese Wirkung durch die Qualität des Buches erklären: Dessen zweiter Teil ist hervorragend, sowohl aus der Sicht eines Sufi als auch in wissen­ schaftlicher Hinsicht, wohingegen viele Leser mit dem ersten Teil zwei­ felsohne Schwierigkeiten haben werden. Das Buch beugt auch der Ent­ täuschung vor, die ein französischer Traditionalist oder Intellektueller bei seiner Begegnung mit der Realität des Sufismus in der islamischen Welt empfinden könnte. Es erklärt zum Beispiel, dass nicht alle Sufi­ orden die Spiritualität beibehalten, die ihre Gründung begleitete.274Den eher theoretisch gesinnten Lesern erklärt der Autor den relativen Mangel an neuerer Literatur erstrangiger Sufi-Intellektueller, indem er auf eine verschobene Perspektive verweist: eine Verlagerung vom Ausdruck spiri­ tuellen Wissens im Schrifttum auf die innere Verwirklichung dieses Wis­ sens, wobei er speziell jeden Anwurf einer »angeblichen muslimischen Dekadenz« zurückweist.275 Dies ist eine Entgegnung auf die Idealisie­ rung des Orients, die in den frühen Schriften Guenons276 und bei vielen wesdichen Traditionalisten immer noch anzutreffen ist. Noch während seiner Studentenzeit wurde Skali der Budshishi-w#qaddam für Frankreich. Nach seinem Beitritt zur Budshishiyya und mit Erlaubnis seines neuen Scheichs kehrte er nach Frankreich zurück, um seine Ausbildung fortzusetzen.277 Fast unmittelbar danach erteilte ihm Scheich Hamza eine ijaza, und im Jahr 2000 hatte die Budshishiyya Nie­ derlassungen in Paris, Straßburg, Nantes, Montpelier, Aix-en-Provence,

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Nizza und Marseille, von denen einige groß und andere kleiner sind.278 Der zawiya von Marseille ist ein »orientalisches Cafe«, Le Derviche, an­ geschlossen, das der Öffentlichkeit zugänglich ist, und eine Buchhand­ lung, Bibliothek und Verkaufstände für orientalisches Kunsthandwerk sind ihm angegliedert.279 Die Budshishiyya ist einer der wichtigsten Sufi­ orden Frankreichs und beginnt sich auch in Spanien, England und den Vereinigten Staaten auszubreiten.280 Die erfolgreiche Anwerbung neuer Mitglieder der Budshishiyya in Frankreich und in Marokko beruht womöglich auf den hochwirksamen Publikationen und ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Erfolg in der Beibe­ haltung von Mitgliedern mag auf ihre entspannte Annäherung an die short a zurückzufiihren sein. Es könnte natürlich auch m it »Netzwerken« Zusammenhängen, denn sobald ein oder zwei Mitglieder einer gesell­ schaftlichen Gruppe einem Orden beitreten, werden m it einiger W ahr­ scheinlichkeit andere folgen, die sich bei ihrer Aufnahme darin gleich heimisch fühlen werden. Die französischen Veröffentlichungen und Kontaktveranstaltungen der Budshishiyya sind auf den Teil der französischen Öffentlichkeit ab­ gestimmt, der sich für alternative Spiritualität interessiert, behalten da­ bei aber auch die Traditionalisten im Auge. So befasst sich die halbjähr­ lich erscheinende Zeitschrift, die Skali 1998 gründete, Soufisme, d 3Orient et d3occident (Sufismus: Ost und West) mit ausgewählten Sufis, m it Ver­ anstaltungen und Büchern. Sie enthält Übersetzungen klassischer SufiTexte (Rumi, Abd al-Qadir al-Jilani) und Artikel zu Them en wie dhikr und der Qarawayyin-Moschee. Ähnlich wie Zakia Zouanat den franko­ phonen Marokkanern den Sufismus als »die Inspiration des Menschen zur Freiheit« präsentierte, spricht ein Leitartikel in Soufisme vom Ziel des Sufismus als von einer »Umwandlung des Wesens«, anstatt die Be­ griffe Gott oder Islam zu bemühen.281 Die erste für 2001 geplante Aus­ gabe von Soufisme wandte sich speziell an Traditionalisten, indem sie im Vorfeld für ihre Titelgeschichte warb: »Zu einer unveröffentlichten Kor­ respondenz Ren6 Guenons«. Die französische Budshishiyya hat verschiedene öffendiche Kontakt­ veranstaltungen organisiert, beispielsweise die »Rencontres Mediterraneennes sur le soufisme« (Mediterrane Begegnungen m it dem Sufismus), eine alljährliche Serie von Treffen, Filmvorführungen, Ausstellungen und

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Konzerten in Marseille und einer Reihe anderer französischer Städte.282 Skali selbst tritt regelmäßig als öffentlicher Redner auf, gefördert von Organisationen wie der Association Espaces/Expressions an der Sor­ bonne und seit Ende der 1990er Jahre auch von einer Budshishi-Organisation, der Association l’isthme. Im Jahre 2000 trat bei den RencontresTreffen nicht nur Skali als Redner auf, sondern auch Khaled Bentounes, ein Alawi-Scheich, der vielen Traditionalisten bekannt ist, sowie Guende Jeusset, ein Franziskanermönch, der zwanzig Jahre an der Elfenbein­ küste verbracht hat und dabei offenbar etwas universalistisch angehaucht wurde. Er sprach von einem dortigen Tijani-Scheich, der ebenso sehr sein spiritueller Führer sei wie der heilige Franz von Assisi.283 Skali hat von Scheich Hamza die Erlaubnis erhalten, »sich auf euro­ päische Strukturen zu stützen«,284 was einer Quelle zufolge sogar so weit geht, dass er sich zuweilen etwas windet, wenn er Fragen der Art beant­ worten soll, ob man Muslim sein müsse, um Sufi zu sein.285 Er hat eine eher lockere Auffassung der shana, was Bekleidungsvorschriften angeht: Skali betont, dass ihm nicht daran gelegen sei, »Franzosen Turbane auf­ zusetzen«, und dass es ihm beim Auftreten kultureller Konflikte zwi­ schen Budshishi französischer und marokkanischer Herkunft nicht da­ rum ginge, die Franzosen in das kulturelle Milieu nordafrikanischer Einwanderer einzugliedern, sondern vielmehr darum, die Immigranten in das allgemeine kulturelle Milieu Frankreichs zu integrieren. Der Su­ fismus, meint er, sei wie Wasser, das immer die Form des Gefäßes an­ nimmt, in welches es hineingegossen wird. Die Budshishiyya ist kein traditionalistischer Orden in dem Sinn, in dem es die Orden der Maryamiyya, der Ahmadiyya oder sogar Valsans Alawiyya sind. Der Schwerpunkt liegt nicht auf Guenon und dem Tra­ ditionalismus, sondern auf Scheich Hamza und auf dem Sufismus. Die Budshishiyya war einer der wenigen Sufiorden, die in der arabischen Welt in die Moderne eindringen konnten, was er vor allem dem Cha­ risma des Scheichs und organisatorischen Talenten verdankt und weni­ ger dem Traditionalismus. Doch die Rolle, die der Traditionalismus in der fortlaufenden Ausbreitung des Ordens spielt, ist ein Maß für den Erfolg des Durchbruchs. Keinem anderen Orden gelingt die Aufnahme traditionalistischer Intellektueller so reibungslos wie der Budshishiyya. Shaykh Hamza ist gern bereit, Schüler aufzunehmen und zu fuhren, die

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in intellektueller Hinsicht Guenon und Sartre verpflichtet sind, eben­ so wie er diejenigen aufnimmt, die einen rein islamischen H intergrund haben.

Die Islamische Republik Iran In den frühen Jahren der Islamischen Republik spielte der Traditiona­ lismus in der Öffentlichkeit keine Rolle, da der Iran-Irak-Krieg und die Vertiefung der Revolution den Brennpunkt auf praktische, weniger auf intellektuelle Angelegenheiten konzentrierten. Die Akademie Nasrs überlebte,286wenn auch ohne ihren kaiserlichen Titel: Studenten durch­ suchten die Bibliothek der Akademie und tilgten das verhasste W ort »kaiserlich« aus allen gestempelten Bibliotheksbüchern, indem sie es weiß übermalten, sogar auf den Titelseiten alter Ausgaben der Akade­ mie-Zeitschrift.287 Seither ist die Akademie nur noch für das Studium der Philosophie von Bedeutung. Verglichen mit ihren glorreichen An­ fängen wird sie heute mit sehr verkürzten Mitteln betrieben. Sie gibt keine Zeitschrift oder irgendwelche Veröffentlichungen mehr heraus, und die blauen Fliesen sind da und dort angeschlagen.

Reaktionen a u f die Revolution Einige ehemalige Mitglieder der Akademie zogen aus Teheran fort und gaben die Politik auf. Ayatollah Ashtiyani zum Beispiel ging in die hei­ lige Stadt Mashhad, wo er weiterhin Mulla Sadra lehrte. Er hatte Khomeini als Philosophen bewundert und ihn einmal als »das Siegel der Phi­ losophen und Gnostiker unserer Zeit« beschrieben, doch er hatte kein Interesse an der Revolution.288 Der ehemals stellvertretende Direktor der Kaiserlichen Akademie, Hadi Sharifi, zog nach London, wo er die Furqan-Stiftung gründete und viele Jahre hindurch leitete. Dies war eine Gründung, die das Interesse der Akademie an Originaltexten fortfiihrte, indem sie die monumentale Aufgabe übernahm, weltweit M anuskripte islamischer Gelehrsamkeit zu orten, zu verwahren und zu katalogisie­ ren.289 Der Traditionalismus im Iran blieb jedoch erhalten. Nasr, Corbin

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und Chittick wurden durch andere ehemalige Mitglieder der Akade­ mie ersetzt, insbesondere durch Gholam-Reza Äavani, der 1984 an Nasrs Stelle zum Direktor wurde, so wie durch andere traditionelle (aber nicht traditionalistische) Gelehrte.290 Ein Universitätsprofessor aus einer Stadt in der Nähe Teherans ersetzte Nasr als muqaddam der Maryamiyya, doch wie zuvor blieb der Orden selbst relativ klein.291 Es gab jedoch einige Traditionalisten, die eine aktive Rolle in der postrevolutionären Politik übernahmen. Nasrullah Purjavadi, der zuvor enttäuscht gewesen war, dass es der Kaiserlichen Akademie nicht gelun­ gen war, wichtige Veränderungen durchzusetzen, wurde zum Mitglied des Obersten Rates der Kulturrevolution (Shura-ye ali-ye Enqalab-e Farhangi) ernannt,292 dessen Hauptaufgabe die Säuberung der Universitä­ ten des Iran war. Reza Davari Ardakani, der dem Traditionalismus wäh­ rend seines Studiums an der Universität Teheran begegnet war, und Abd al-Karim Soroush, der junge Intellektuelle, der sich noch vor der Revo­ lution vom Anhänger Nasrs zum Anhänger Shariatis gewandelt hatte, wurden ebenfalls Mitglieder des Obersten Rates. Es ist nicht bekannt, ob die übrigen der insgesamt sieben Mitglieder dieses Rates Guenon ge­ lesen hatten oder nicht, doch die Ernennung der drei erwähnten Mit­ glieder zeigt an, wie tief der Traditionalismus in wichtige Bereiche ira­ nischen Geisteslebens eingedrungen war. Sie veranschaulichen auch die drei Varianten der Traditionalisten, die im Iran Vorkommen. An einem Ende der Skala stehen die strengen Traditionalisten wie Purjavadi, die vielleicht Maryami oder Mitglieder eines anderen Sufiordens sind (Pur­ javadi selbst war Nimatollahi). Am anderen Ende sind Leute wie So­ roush, die mit traditionalistischen Ideen und Autoren vertraut sind, für die aber der Traditionalismus nie von großem Interesse war oder nicht länger ist. Dazwischen liegen Leute wie Davari: Der Traditionalismus hat zwar zu ihren Ansichten beigetragen, aber ihr Leben ist nicht wirk­ lich davon betroffen, und sie gehören keiner traditionalistischen Orga­ nisation an. Solche Leute bilden das iranische Äquivalent Schumachers, sie sind die gemäßigten Traditionalisten. M it dem Heranwachsen der islamischen Republik nahmen Traditio­ nalisten eine Reihe von Positionen ein. Im Jahr 2001 waren viele Univer­ sitätsprofessoren vor allem im Fachbereich Philosophie entweder Tradi­ tionalisten oder mit dem Traditionalismus wohlvertraut. Die meisten

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von ihnen gaben zu ihrer Einstellung keine öffentliche Erklärung ab. Einige unterstützten weiterhin das postrevolutionäre Regime. H addad Adil, vormals einer der engsten Mitarbeiter Nasrs, der bald nach der Revolution wegen seiner Verbindung zu Nasr (und damit zum Kaiser­ hof) als Kultusminister abgelehnt worden war,293 wurde ein konserva­ tives Parlamentsmitglied. Es heißt, er stünde dem Obersten Führer Ali Khameini sehr nahe, dessen Sohn mit der Tochter Adils verheiratet ist.294 Davari blieb auch in Regimenähe und wurde Präsident der Aka­ demie der Wissenschaften und ein führender konservativer Intellektuel­ ler. Andere bezogen oppositionelle Stellungen: Laleh Bakhtiar ist eine halbamerikanische Traditionalistin, die ehemals Redakteurin der revo­ lutionär-islamischen Frauenzeitschrift Mahjuba gewesen war und eine Organisation zur Übersetzung der Werke Shariatis ins Englische gegrün­ det hatte.295 Sie verließ den Iran und schlug in Amerika eine Karriere als Psychologin ein, um schließlich bei Kazi Publications zu landen, dem führenden Verleger islamischer Bücher in Amerika.296 Purjavadi blieb im Iran und wurde Direktor der iranischen Universitätspresse. Letztendlich freundete er sich mit den Liberalen an. Er bedauerte, dass »Tradition« und »Islam« zu Masken geworden seien, hinter denen »bestimmte Leute« ihre eigenen Interessen verfolgten, indem sie den Islam auf Details weib­ licher Bekleidung, auf Feldzüge gegen den Alkohol und verstärkte Frem­ denfeindlichkeit reduzierten. Obwohl er weiterhin Traditionalist blieb und 1999 Martin Lings* Werk A Sufi Saint ins Persische übersetzte, kam er zu dem Schluss, dass auch der Islam sich ändern müsse, um zu über­ leben. Schuon und Nasr, so glaubte er, hatten oft Ideen verbreitet, die, würden sie in eine Ideologie integriert, sich als gefährlich und destruktiv erwiesen, sogar für die Zukunft des Islam 297 Daryush Shayegan, ein weiteres ehemaliges Mitglied der Akademie Nasrs, ging nach der Revolution nach Frankreich. Als er in den Iran zu­ rückkehrte, stand er ebenfalls auf der Seite der Liberalen. 1977 erschien sein Buch Asia dar barabir gharb (Asien gegen den Westen), in dem er den Westen als die Heimat der Moderne attackierte.298 Als er Ende der sechziger Jahre Indien bereiste und Sanskrit studierte, hatte sich Shayegan jedoch schon gefragt, ob es überhaupt noch eine traditionelle GeSeilschaft gebe oder nur »Zivilisationen im Übergang« zur Moderne. In den 1990er Jahren war er zu dem Schluss gekommen, es gebe keine tra-

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ditionelle Gesellschaft mehr, und dass dies auch kaum von Bedeutung sei. Die Moderne sei »unvermeidlich und epidemisch«, aber auch multi­ kulturell. Von Amerika ausgehend, beginnen »Kulturen ein Mosaik zu bilden [...] und es ist nicht mehr möglich, sie in linearer Form aneinan­ derzuketten«. Innerhalb der Moderne kann die Religion gleichzeitig be­ stehen, schloss er, da die spirituellen Bedürfnisse des Menschen unab­ hängig vom Kontext existierten, wie sich im Westen an der Beliebtheit der spirituellen Lehren des Orients ablesen lässt, vom Yoga bis zum tibe­ tischen Buddhismus. Die Folgerung ist, dass der Kampf gegen die west­ liche Moderne nicht nur sinnlos, sondern auch unnötig ist.299 Es waren also auf beiden Seiten der politischen Trennlinie noch aus­ reichend Traditionalisten im Iran verblieben, um auf das Wiederaufle­ ben des Traditionalismus in den 1990er Jahren zu reagieren. Dieses Auf­ keimen wurde zuerst bei Lehrern und Studenten der Architektur sichtbar: »Der Stil Dr. Nasrs« wurde vielfach als architektonischer Stil diskutiert, der nicht westlichen Ursprungs war. Die Chicago University Press veröffentlichte 1973 ein Buch von Laleh Bakhtiar und Nader Ardalan mit einer Einführung von Nasr, das viel gelesen wurde (The Sense o f Unity: The Sufi Tradition in Persian Architecture) .30° Nach der Mitte der 1990er Jahre veröffentlichte man eine Reihe neuer Überset­ zungen traditionalistischer Bücher, Übersetzungen der Werke Guenons und Schuons, so wie auch die Bücher Nasrs und zwei weiterer Maryami, Burckhardt und Lings.301 Lings’ Arbeit über Shakespeare wurde in wei­ ten Kreisen diskutiert und von populären Predigern wie Husayn Ilahi Qumsha’i302 bewundert. Ende der 1990er Jahre schien sich auch ein wachsendes Interesse am Traditionalismus unter der Studentenschaft zu entwickeln, sowohl in Qom als auch an den Hauptuniversitäten des Landes.303

Die Debatte über religiösen Pluralismus 1998 brachte es der Traditionalismus zu allgemeiner Prominenz, sozusa­ gen als Nebenwirkung einer öffentlichen Debatte über den religiösen Pluralismus. Die Debatte entstand nicht aufgrund praktischer Fragen hinsichtlich des Status religiöser Minderheiten in der Islamischen Repu­ blik, sondern wegen des Status des Mannes, der die Debatte anzettelte:

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Soroush, und wegen deren Konsequenzen für die iranische Rezeption reformistischer Ideen, die oft mit dem nichtmuslimischen Amerika zu­ sammenhingen. Die religiöse Pluralismus-Debatte war wichtig als ein intellektuelles Spiegelbild des politischen Streites zwischen konservati­ ven Kräften, vertreten durch den Obersten Führer Ayatollah Khomeini und die Reformisten, für die Präsident Khatami stand.304 Soroush begann 1998 die religiöse Pluralismus-Debatte durch einen Artikel, den er später zu einem Buch erweiterte. Der Artikel trug den provokativen Titel »Siratha-ye mustaqim«, zu Deutsch »Die geraden Pfade« (Plural), was auf die Qur’an-Sure al-Fatiha Bezug nim m t, in welcher die Gläubigen Allah bitten, sie den geraden Pfad (Singular) ent­ langzuführen. In seinem Artikel bzw. Buch argumentiert Soroush, dass die Wahrheit eine einzige ist. Wie er einem Interviewer erklärte: »Überall sind Wahrheiten miteinander kompatibel; keine W ahrheit kollidiert m it einer anderen Wahrheit. [...] Eine Wahrheit an einem Ende der Welt muss mit den Wahrheiten anderswo kompatibel sein, sonst ist es keine Wahrheit.«305 Obwohl diese Ansicht entwaffnend einfach klingen mag, hat sie Konsequenzen, die in dem von Soroush gewählten Titel zum Aus­ druck kommen: Mehr als nur ein einziger Pfad kann gerade sein, d. h. der Islam hat kein Monopol auf die Wahrheit. Soroushs Artikel und Buch erregten Aufsehen. Sie erweckten auch von neuem Interesse an der traditionalistischen Theorie transzendenter Einheit, was sich 1998-1999 in einer Reihe von in Qom herausgegebenen Zeitschriften äußerte, angefangen 1998 mit M drifat (Gnosis), der Zeit­ schrift des Imam-Khomeini-Forschungsinstituts. Ebenfalls im Jahr 1998 widmete Naqd ve Nazar (Kommentare und Ansichten), das vom Am t für islamische Propaganda der Hawza von Qom herausgegeben wurde, der transzendenten Einheit und den Traditionalisten eine Sonderaus­ gabe.306 Als das neu gegründete Zentrum für Religionsforschung in Qom 1999 die Zeitschrift H aft Aman (Sieben Himmel) herauszugeben begann, befasste sich der erste Artikel der ersten Ausgabe m it traditio­ nalistischen Ansichten über transzendente Einheit.307 Alle diese Artikel unterstützten weitgehend Soroushs allgemeine Schlussfolgerungen hinsichdich des religiösen Pluralismus, wenn auch unter Berufung auf ihre eigenen jeweils unterschiedlichen Fundamente. Davari, ein Traditionalist, hatte in einer vielbeachteten, von Soroush

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initiierten früheren Debatte auf der anderen Seite gestanden. Es war eine Debatte über den Modernismus gewesen, die ebenfalls ein Artikel Soroushs aufgeworfen hatte, aus dem später ein Buch wurde, Qabz va bast-e Teorik-e Sharta t (Expansion und Kontraktion der Theorie der sharid). Die sharta, so behauptete Soroush, ist transzendent und ewig, aber die Interpretation der shana ist eine profane Wissenschaft, die von den Entdeckungen der Natur- und Sozialwissenschaften Gebrauch ma­ chen sollte. Dieses Argument rief erhebliche Kontroversen hervor, da es zutreffend als Angriff auf die religiösen Institutionen verstanden wurde und als Aufruf zu einer allgemeinen Revision der shana, das heißt zu ihrer Modernisierung.308 Davari reagierte nicht so sehr auf Soroushs grundlegende These, als auf seine implizite Schlussfolgerung. Sein Argument war, dass in Wirk­ lichkeit die Menschen im Westen weniger ihre Religion modernisiert hätten, als dass sie ihrer ganz und gar verlustig gegangen seien. Es war nicht das erste Mal, dass Soroush und Davari aneinandergeraten waren: In den 1980er Jahren war es Soroush gewesen, der auf Davari geantwor­ tet hatte. In einem 1982 erschienenen Buch hatte Davari argumentiert, dass der Westen weniger ein politischer Organismus sei als eine »Tota­ lität« und dass diese »Totalität« dadurch zustande gekommen sei, dass man die Tradition durch die Modernität ersetzt habe. Daher sei es un­ denkbar, wesdiche Elemente unbeschadet übernehmen zu wollen. Davaris Ansichten lassen sich im Allgemeinen auf Heidegger309zurückfuhren, doch seine Meinung, der Westen habe dadurch seine Religion verloren, dass er die Tradition mit der Moderne vertauscht habe, ist typisch traditionalistisch.310

Der Traditionalismus im Iran Davari ist nicht der einzige Konservative, der traditionalistische Ansich­ ten hat. Zum Beispiel heißt es, die intellektuelleren Kreise der politisch bedeutenden Basij-Miliz befürworten zum Teil dringend Nasrs Rück­ kehr in den Iran. Man hat das Gefühl, dass Nasr sich mit der neuen Generation, die Freud liest und die sich offenbar kaum noch fiir die Revolution engagiert, in einer Weise verständigen könnte, wie andere es nicht vermögen.311

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Ironischerweise widerfuhr der Akademie eben zu dem Zeitpunkt, da der Traditionalismus eine neue postrevolutionäre Relevanz anzunehmen begann, das Schicksal, das ihr während der eigentlichen Revolution er­ spart geblieben war: Sie wurde abgeschafft.312 Die Akademie war in der intellektuellen Landschaft des Iran zu einer festen Einrichtung gewor­ den, und trotz ihrer formellen Abschaffung wurde sie auch weiterhin als »die Akademie« bezeichnet, wenn sie auch gesetzlich nicht mehr exis­ tierte. A’avani und die anderen widmeten sich so gut es ging ihrer neuen Aufgabe, Unterricht in westlicher Philosophie zu erteilen,313 obwohl A’avani das Interesse am Studium der westlichen Philosophie m it dem Interesse verglich, das ein Arzt am Studium der Krankheit finden moch­ te.314 Schließlich gelang es A’avani, das Statut für eine neue Akademie (»Akademie II«) vom Kulturminister zu erwirken, und die neue Akade­ mie war im selben Gebäude untergebracht wie die ursprüngliche Aka­ demie, so dass »die Akademie« förmlich wieder auferstand, obwohl sie über keinen Etat verfügte. Es mag überraschen, dass der Traditionalismus im Iran anscheinend niemals wesentlich wegen seiner westlichen und nichtislamischen Ur­ sprünge und Inhalte angegriffen wurde. Diese Ursprünge werden von zeitgenössischen Traditionalisten ganz offen zugegeben, wie in der zuvor erwähnten Sonderausgabe von Naqd ve Nazar. Wären diese Ansichten im Kairo Guenons oder anderswo in der sunnitischen Welt auf Arabisch veröffentlicht worden, hätten sie allgemeine Empörung hervorgerufen. Dass sie im Iran keine Empörung hervorriefen, ist zum einen Teil auf die relative Offenheit des dortigen Geisteslebens zurückzufuhren, zum anderen darauf, dass die Traditionalisten mit Bedacht auswählten, was ins Persische übersetzt wurde. Hujjat al-Islam Sadiq Larijani, ein Mulla, der an der Madrasa-yi Vali-yi Asr in Qom lehrte, sagte zum Beispiel, seine einzige wirkliche Kritik an Guenon sei, dass seine Werke in unzu­ reichender Weise analytisch wären. Zu ihrem Inhalt bemerkte er, dass Soroush Gedanken formuliert, die um einiges schockierender seien.315 Soweit uns bekannt ist, gab es in der Islamischen Republik nur zwei Ausnahmen von der allgemeinen Toleranz gegenüber dem Traditionalis­ mus. Eine war die Reaktion Husayn Ghaffaris, eines Philosophen an der Universität von Teheran, der einmal seine Absicht bekannt gab, er werde gegen die traditionalistische Auffassung der transzendenten Einheit der

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Religionen schreiben - doch es ist nicht bekannt, dass er je etwas zu diesem Thema verfasste.316 Die andere Ausnahme bildete ein Artikel in M arifat, der auf einen früheren Artikel in derselben Zeitschrift antwor­ tete. In diesem wurde der Traditionalismus aus zwei Gründen angegrif­ fen: die Quellen seiner Ideen, die auf Encausse und den französischen Okkultismus des 19. Jahrhunderts zurückgeführt wurden (wenn auch nicht bis auf Ficino), und der Widerspruch zwischen der Theorie trans­ zendenter Einheit und einer strengen, klassischen Auslegung des Qur an und der hadith-Literatur.317 Der Verfasser dieses Artikels war bezeichnen­ derweise kein Produkt des Qom-Systems, sondern ein amerikanischer Philosoph, Dr. Muhammad Legenhausen, der am Imam-Khomeini-Forschungsinstitut Anstellung fand, nachdem er an der Rice University un­ terrichtet hatte.318

Die Türkei Der Traditionalismus in der Türkei hat noch keines der Merkmale her­ vorgebracht, die wir anderswo gesehen haben. Es gibt weder ein Äquiva­ lent der Budshishiyya noch der iranischen Akademie der Philosophie. Stattdessen gibt es in intellektuellen Kreisen ein gewisses wachsendes Interesse an traditionalistischen Werken, das von zahlreichen Übersetzun­ gen genährt wird —das türkische Äquivalent des marokkanischen frank­ ophonen Milieus. Ihr Hauptkennzeichen ist jedoch, was auf Französisch laicisme, Laizismus (aufTürkisch laiklik Anm. d. Übers.) heißt: die Sorte von Säkularismus, die in Frankreich entwickelt wurde, die aber nicht staadiche Neutralität gegenüber der Religion bedeutet, sondern vielmehr den aktiven Ausschluss der Religion aus dem öffentlichen Bereich. Der Laizismus ist ein Teil der Philosophie, der das türkische Interesse am Traditionalismus so bemerkenswert macht. Seit den 1920er Jahren ist die türkische Republik einer Philosophie verpflichtet, die zuweilen Ke­ malismus genannt wird, nach dem weithin verehrten Begründer der mo­ dernen Türkei, Kemal Atatürk. Der Kemalismus ist eine Philosophie, die nicht nur den Laizismus, sondern auch kompromisslose Modernisie­ rung und Verwestlichung mit einschließt, also der Tradition genau ent­ gegengesetzt und somit auch dem Traditionalismus. Aus der Sicht eines

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türkischen Traditionalisten sind die Werke Guenons im türkischen Kon­ text subversiver als die Khomeinis. Obwohl es gelegentliche Hinweise gibt, dass in den 1940er Jahren einige türkische Intellektuelle und Schriftsteller die Bücher Guenons auf Französisch gelesen haben und Guenon während der 1970er Jahre gele­ gentlich erwähnt wurde (zumeist als Kommentar zur Moderne),319 war es erst 1979, dass die ersten traditionalistischen Schriften in der Türkei auftauchten. Es war eine Übersetzung von Guenons Le tawhid, die in der Zeitschrift Kubbealti Akademi Mecmuäsi320 erschien, einer LiteraturZeitschrift von Meiner Auflage, die vorwiegend literarische und histori­ sche Themen abdeckt und vor allem von Akademikern und Intellek­ tuellen gelesen wird. Der Übersetzer war Mustafa Tahrali, der während seiner Pariser Studienzeit in den 1960er Jahren auf Guenon gestoßen war. In Paris nahm er auch Kontakt zu Traditionalisten auf, vor allem zu Ahmad Valsan, dem ältesten Sohn Michel Välsans. Nachdem er 1973 eine Dissertation über den Rifaiyya-Sufiorden an der Sorbonne abge­ schlossen hatte und in die Türkei zurückgekehrt war, lehrte Tahrali an der theologischen Fakultät der Marmara Universität und erhielt schließ­ lich eine Professur und den Vorsitz des Fachbereichs Sufismus.321 Der Übersetzung Tahralis aus dem Jahre 1979 sollten noch viele wei­ tere folgen. Ende des 20. Jahrhunderts konnten die Türken die meisten Bücher Guenons sowie viele der Schriften Evolas und Eliades auf Tür­ kisch lesen. Überraschenderweise wurde Evola allgemein als Autor zu spirituellen und nicht zu politischen Themen verstanden. Seine Verbin­ dungen zur Rechten waren kaum bekannt.322 Der Traditionalismus hat in der Türkei keine nennenswerten politischen Auswirkungen gehabt.323 Verschiedene Maryami-Autoren waren ebenfalls übersetzt worden, vor allem Schuon und Lings und am wichtigsten Nasr.324 Nasr wurde der populärste traditionalistische Autor der Türkei. Im Jahr 2000 war fast sein Gesamtwerk ins Türkische übertragen worden, darunter zwei Bände mit Artikeln, die zuvor nur auf Persisch erschienen waren und in keiner westlichen Sprache Vorlagen. Nach Ansicht eines seiner Übersetzer lag der Grund vor allem darin, dass Nasr das türkische Anliegen des Islam auf eine Weise anspricht, wie es andere Traditionalisten nicht tun. Bei Guenon musste man erst Verbindungen hersteilen, Nasr knüpfte sie selbst.

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Keine dieser Übersetzungen erzielte hohe Auflagen, es wurden maxi­ mal eintausend Exemplare pro Titel verkauft, doch alle erschienen in mehr oder minder etablierten großen Verlagshäusern und lagen in den meisten großen Buchhandlungen aus, die Bücher über den Islam führ­ ten.325 Es besteht also ein gewisses Interesse am Traditionalismus. Es ent­ wickelte sich in den 1980er Jahren parallel zu dem Interesse an Alan Watts (dem ersten Lehrer von Seraphim Rose) eine verstärkte Aufmerk­ samkeit für Bücher über Religion und Wissenschaft wie Fritjof Capras The Tao ofPhysics (1975) oder Paul C. W. Davies5 God and the New Physics (1983), außerdem für die neuen Übersetzungen von Rumi und Ihn Arabi.326 In Marokko wurde Guenon neben Camus gelesen, in der Tür­ kei liest man neben Nasr Alan Watts. Ein kurzer Artikel von mir über die Geschichte des Traditionalismus wurde von Hece> einer allgemeinen literarischen Zeitschrift, ins Türkische übersetzt, wo er zusammen mit Poesie, Rezensionen und Kurzgeschichten erschien. Nasrs Beliebtheit zeigt an, dass türkischer Traditionalismus ausge­ sprochen islamisch ist, mehr als der iranische Traditionalismus, der ei­ nen eher philosophischen Schwerpunkt hat. Ein weiterer Hinweis ist, dass einige traditionalistische Werke speziell ftir den türkischen Markt bearbeitet wurden: Zum Beispiel wurde nur das erste Kapitel von Guenons Introduction generale ä Petude des doctrines hindoues veröffent­ licht (dieses Kapitel ist eine Einführung in die östlichen Lehren ganz allgemein), da man annahm, dass die türkische Leserschaft wenig Inter­ esse am Hinduismus haben würde. Selbst da, wo solche Bearbeitung fehlt, geht die Übersetzung ins Türkische zuweilen Hand in Hand mit einer Islamisierung des Textes, wenn also beispielsweise zur Übersetzung von »Tradition« das Wort din verwendet wird, was Religion bedeutet und speziell den Islam impliziert.327 Es hat in der Türkei allerdings auch mehr Opposition gegen den Tra­ ditionalismus gegeben als in Nordafrika oder im Iran, da man ihn als unislamisch empfand. Ein der islamistischen Bewegung nahestehender Journalist, Zübeyir Yetik, veröffentlichte 1992 das Buch Insann Yüceligi ve Guenoniyen Batinilik (Menschliche Größe und guenonische Esote­ rik)328 sowie auch mehrere Artikel in der Zeitschrift Haksöz, die einem Traditionalisten zufolge gegen eine Rückkehr zur Bronzezeit ins Feld zie­ hen - wohl kaum, was Guenon im Sinn hatte. Der Traditionalismus soll

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auch von der türkischen religiösen Behörde mit wenig Begeisterung auf­ genommen worden sein.329 Diese relativ starke Opposition mag auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass es in der Türkei jedem freisteht, traditionalistische Literatur zu lesen, während in Marokko und Algerien nur die französisch Gebildeten dies tun können. Die islamischen Intel­ lektuellen des Iran sind im Großen und Ganzen ausgefallenen Ansichten über den Islam gegenüber toleranter, als es türkische oder arabische isla­ mische Intellektuelle sind. Trotz all dieser Publikationen gibt es keine traditionalistischen Orga­ nisationen in der Türkei. Das Fehlen wichtiger traditionalistischer Sufi­ orden - nur etwa ein halbes Dutzend Maryami in der Stadt Konya — folgt ganz dem Vorbild des Iran und Marokkos: Da, wo es bereits ausreichend einheimische Orden gibt, ist kein traditionalistischer Orden mehr nötig. Dass es kein Äquivalent der Budshishiyya gibt, liegt viel­ leicht daran, dass es keinen türkischen Orden gibt, der auf »moderne« Türken spezialisiert wäre, wie die Budshishiyya auf »moderne« Marokka­ ner spezialisiert ist. Trotzdem veröffentlichte die Zeitschrift llim ve Sanat (Wissenschaft und Kunst), die von der Naqshbandiyya herausgegeben wird, 1987 einen traditionalistischen Artikel über Guenon,330 und ein Professor für Physik, der Ende der 1990er Jahre zum Khalwati-Scheich wurde, las die Bücher Guenons mit Interesse. Ebenso wirken die führenden Traditionalisten der Türkei alle verein­ zelt. Unter den jüngeren Traditionalisten ist M ahmud K1I19 der prom i­ nenteste. Er leitete die Veröffentlichung vieler Werke Nasrs in die Wege (manchmal unter einem Pseudonym). K1I19 stammt aus einer Sufi-Familie - sein Großvater war ein Sufi-Scheich im Kosovo. Er scheint selbst ein aktiverer Sufi zu sein als sein Kollege Tahrali, der ein »Anhänger« des türkischen Rifai-Scheichs Kenan Rifa’i ist,331 jedoch nur indem er seine Schriften befolgt, da der Orden Rifa’is in den 1920er Jahren aufgelöst wurde, wie es die frühe kemalistische Gesetzgebung verlangte. Scheich Rifai starb im Jahre 1950. Sowohl K1I19 als auch Tahrali haben eigene traditionalistische Artikel verfasst, zumeist in Fachzeitschriften wie Kubbealti Akademi Mecmuast, welche 1979 die erste Übersetzung Guenons veröffentlichte. Darüber hinaus gibt es zwei weitere Akademiker: einer ein populärer islamischer Philosoph und der andere ein bekannter Psy­ chiater, Kemal Sayar, der über Sufi-Psychologie schreibt.332

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In Ermangelung erkennbarer traditionalistischer Organisationen ist es schwer, die Größe der Bewegung in der Türkei abzuschätzen. K1I19 und Tahrali empfangen eine Reihe von Leserbriefen333 und kennen die kleine Anzahl von Türken, die sie in diverse Orden eingeführt haben. Zu diesen gehört eine beliebte türkische Filmregisseurin, Ay§e §a§i, die einem Khalwati-Orden beitrat. K1I19 mag auch zuweilen Leute an die zawiya des algerischen Alawi-Scheichs Banda bin Murad334 in Lausanne verweisen, wenn er meint, dass kulturelle Diskrepanzen zwischen ihnen und türkischen Sufis womöglich zu Schwierigkeiten führen. Jedenfalls empfiehlt er denen, die türkische Scheichs aufsuchen wollen, in der za­ wiya Guenon besser unerwähnt zu lassen. Außerdem wird eine unbe­ kannte Personenzahl vermutlich ganz allein zu einem Scheich gefunden haben, ohne sich auf Tahrali oder K1I19 zu beziehen. Obwohl es 1999 für einen Bewohner Istanbuls schwieriger sein mag als fiir einen Bewohner von Kairo oder Fez, auf eigene Faust einen Scheich zu finden, ist es noch immer sehr viel leichter als für jemanden, der in Rom oder Los Angeles lebt. Die Auswirkung des Traditionalismus in der Türkei ist demnach eine doppelte: Einmal fuhrt er eine unbekannte Anzahl von Personen zum Sufismus, zum anderen führt er traditionalistisches Gedankengut in den Diskurs der neuen Generation desillusionierter, verwestlichter Intellek­ tueller ein —so ziemlich die gleiche Gruppierung, die sich auch im Wes­ ten vom Traditionalismus angesprochen fühlt. Diese Gruppe ist in der Türkei von wachsender Bedeutung. Wie auch in Russland, bleibt abzu­ warten, welche endgültige Bedeutung der Traditionalismus in der Türkei haben wird.

Russland In der Russischen Föderation gibt es zwei Hauptströme des islamischen Traditionalismus: einen in Moskau unter der Leitung von Haydar Ja­ mal und einen anderen in Tschetschenien unter der Leitung von ChozhAhmad Nuchajew.335 Wie wir in Kapitel 12 sahen, war Jamal einer der Dissidenten vom Kreise Golowins in den i96oern. Nach 1991 wurde sein Traditionalismus in erster Linie politisch - eher islamistisch als is-

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lamisch336 - und im Laufe der Zeit wurde er immer islamistischer und immer weniger traditionalistisch. Im Gegensatz dazu entwickelte Nuchajew, den die meisten Russen als tschetschenischen Mafioso, Ban­ diten und Terroristen kennen, einen islamischen Traditionalismus, der zwar auch politisch, aber nicht islamistisch war, und traditionalistisch blieb.

Haydar Jamal Wie im letzten Kapitel erwähnt, schloss sich Haydar Jamal zusammen mit Dugin der Organisation Pamjat’ an und verließ diese auch wieder gemeinsam mit ihm. Er wurde dann zum Gründungsmitglied der Partei für die Islamische Wiedergeburt (PIW), die 1990 in Astrachan von Ah­ mad Qadi Aktayew gegründet wurde. Obwohl sie bei weitem nicht die größte oder wichtigste politische muslimische Organisation in der ge­ samten ehemaligen Sowjetunion war, war die PIW die einzig bedeu­ tende Partei, die im Gesamtgebiet der Russischen Föderation wirkte, da alle anderen Gruppen sich auf regionale oder ethnische Belange be­ schränkten. Die PIW war daher für Russland selbst von Bedeutung, das heißt außerhalb der muslimischen Republiken.337 Zu Anfang war Jamal der Ideologe der PIW, der Herausgeber ihrer Zeitschrift Wahda (Einigkeit) und Direktor ihres Forschungszentrums in Moskau. Frühe Ausgaben von Tawhid (Einheit), einer Zeitschrift, die Jamal damals persönlich in kleiner Auflage herausgab, hatten einen deutlich traditionalistischen Ton. In der ersten Ausgabe bewertete Jamal den Zustand des Islam nach traditionalistischen Kriterien und fugte einen sonst selten anzutreffenden historischen Aspekt hinzu, der in die­ sem Fall islamistischen Schriften entnommen war. Der Islam, so betonte er, existiere innerhalb der Zeit und sei somit, wie alles Übrige, vom Ver­ fall bedroht. Darüber hinaus habe es seit dem Tod des Propheten keine wahrhaft islamische Regierung gegeben, schon gar nicht nach der Zeit der Mongolen. Seit jener Zeit hätte sich alles nur verschlimmert, da die »postkolonialen Eliten« in der islamischen Welt entweder Nationalisten seien (und daher Gegner des universalen Islam) oder aber »atheistische Kosmopoliten«, ebenfalls Feinde des wahren Islam.338

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Ein Artikel Jamals, der 1991 in Dugins Hyperborea erschien, zeigte, wie sehr Jamal weiterhin Evola verpflichtet war. Nachdem er die exis­ tentielle Bedeutung des Todes im Traditionalismus Evolas mit der meta­ physischen Bedeutung des Todes im Islam (als der endgültigen Rück­ kehr zu Allall) vergleicht, behauptet er, »der authentische Islam und die authentische Rechte sind nonkonformistisch. Ihr wesentlicher Charak­ ter besteht aus Widerstand, Dissens und Nichtidentifikation.« Rene Daumal, der in Kapitel 4 erwähnte surrealistische Maler, hätte sich wohl dieser Meinung angeschlossen. Für einen Christen sei »Gott so gut wie gleichbedeutend mit einem Hyperkonformismus«, wohingegen der Is­ lam ein »Protest [...] gegen die Reduzierung Gottes auf einen >KonsensRevolte gegen die moderne Welt< anregen und lenken könne«. Obwohl er später seine Meinung über Gaddafi änderte, behielt er seine Meinung über den Islam bei.380 Muttis Islam ist militant und politisch. Er hat die Schriften Jamals in italienischer Übersetzung veröffendicht sowie auch die Schriften von Ayatollah Khomeini. Dass der Islam seiner früheren Evola-Anhängerschaft aufgepfropft ist, zeigt sich symbolisch im Dekor seines Arbeits­ zimmers, das zwar überwiegend islamisch ist, daneben aber eine hinter dem Aktenschrank lehnende Nazi-Fahne enthält. Mutti hat auch unge­ wöhnliche Versuche unternommen, die Geschichte des Islam zu »euro­ päisieren«. Das Osmanische Reich sei europäisch wie auch arabisch und asiatisch gewesen, behauptet er und verweist darauf, dass eine Reihe von

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Großwesiren, Admiralen und Generalen europäischer Herkunft gewe­ sen seien. Alexander der Große ist (als Dhu 1-Qarnayn) ebenso sehr eine islamische wie eine europäische Gestalt, und Platon ging in das islami­ sche Denken ebenso ein wie in das europäische. M utti identifiziert so­ gar einen der Gefährten des Propheten Muhammad, Suhayb al-Rumi, als einen Europäer.381 Wahrend der neunziger Jahre war Mutti in seiner Funktion als ein Zentrum des internationalen Netzwerks von Traditionalisten im ausge­ henden 20. Jahrhundert von Bedeutung, in dem er kleinere traditionalistische Gruppen in Rumänien, Ungarn, Italien, Frankreich und Russ­ land miteinander verband. In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts setzte er diese Funktion fort und engagierte sich zunehmend für den Neo-Eurasianismus Dugins. Ab 2004 gab er Eurasia: Rivista di studi geopolitici (Zeitschrift für geopolitische Forschung) heraus, für die er des Öfteren Beiträge verfasste.

Auswertung Die Rolle, die der Traditionalismus in der islamischen Welt und in Russ­ land spielt, unterscheidet sich wesentlich von seiner Rolle im Westen. Im Westen sind die meisten traditionalistischen Gruppen klein und iso­ liert, und der Traditionalismus bleibt eine Randerscheinung, obwohl es individuell viele Traditionalisten gegeben hat, die sich wirkungsvoll an die westliche Öffentlichkeit gewendet haben. Mit einigen seltenen Aus­ nahmen waren die meisten Werke westlicher Traditionalisten, die zum Publikumserfolg wurden, »gemäßigte« Werke, die nicht einmal vom Traditionalismus als solchem handelten. Für den reinen Traditionalis­ mus hat sich immer nur ein winziger Bruchteil der westlichen Öffent­ lichkeit interessiert, und die Anliegen westlicher Traditionalisten sind in der Regel für den allgemeinen Diskurs des Westens von geringer Bedeu­ tung. Im Iran, in der Türkei und in Russland sind die Traditionalisten viel mehr in ihre Gesellschaft eingebettet und nehmen an dem H aupt­ diskurs ihres Landes teil, oder, wie in Russland, an zwei Hauptström un­ gen im politischen Diskurs. In Marokko ist dies weniger der Fall, weil es hier mehr nach wesdichem Muster zugeht, da das Element der marokka-

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nischen Gesellschaft, das sich für den Traditionalismus interessiert, selbst dem Westen nahe steht. Es erscheint paradox, dass eine philosophische Strömung, die in der italienischen Renaissance entstand und in Frankreich und in der Schweiz des frühen 20. Jahrhunderts weiterentwickelt wurde, heute im Iran, in der Türkei und in Russland mehr beheimatet ist als im Westen. Ein Tra­ ditionalist würde vielleicht einwenden, dass dieses scheinbare Paradox den Unterschied zwischen der westlichen Moderne und der islamischen Tradition widerspiegelt. Diese Erklärung ist jedoch nicht völlig zufrie­ denstellend. Der Iran war vor der Revolution in vielem sehr modern, und die Türkei ist das dezidiert modernste Land in der islamischen Welt. Obwohl sich Russland in vielem maßgeblich vom Westen unterscheidet, ist es doch auch ein modernes und kein »traditionelles« Land. Die tradi­ tionellsten Länder der islamischen Welt haben das geringste Interesse am Traditionalismus gezeigt. Guenon ist heute in Ägypten unbekannt, und Arabisch ist eine der wenigen weit verbreiteten Sprachen, in der so gut wie keine traditionalistische Literatur zu finden ist. Weder algerische noch marokkanische Traditionalisten hielten es letztlich für sinnvoll, sie in dieser Sprache anzubieten. Der Iran und die Türkei haben im Gegensatz zu Ägypten und dem nichtfrankophonen Marokko das Äquivalent zu Guenons wesdichem Publikum: Es ist klein an Umfang, aber von Bedeutung. In Russland hat es einen größeren Umfang. Nicht das Vorhandensein der Tradition ist es, was im Iran und in der Türkei den Traditionalismus in der Haupt­ richtung der intellektuellen Strömung zulässt, sondern das Auftreten der Moderne. In ähnlicher Weise ist es nicht das Vorhandensein der Moderne, was den Traditionalismus aus der Hauptströmung wesdichen Diskurses ausschließt, sondern vielmehr das Fehlen eines ernsthaften Interesses im Westen an den zentralen Fragen, die Guenon beschäftig­ ten. Eine dieser Fragen wird jetzt in der Türkei zum ersten Mal seit dem 19. Jahrhundert formuliert, während sie in Russland von äußerster Dringlichkeit ist: Ost oder West? Eine andere ist heute eine zentrale Frage für den Iran: Modernisierung oder Isolation zugunsten der tradi­ tionellen Religion? Ebendies sind die Fragen, mit denen sich Guenons ursprüngliche Schriften befassten.

15. G e g e n den S tr o m

In den Jahren vor der Veröffentlichung seines Buches La crise du monde moderne hatte Rene Guenon den Traditionalismus entworfen, eine anti­ modernistische Philosophie, die vor allem nach den 1960er Jahren zur Blüte kam. Vor dem Zweiten Weltkrieg war der Traditionalismus eine kleine Intellektuellenbewegung, die aus dem in Kairo lebenden Gue­ non und seinen zahlreichen Briefpartnern bestand, mit einer einzigen aktiven Organisation, dem Sufiorden, den Frithjof Schuon in Basel lei­ tete. Zu Anfang der 1960er Jahre hatte die intellektuelle Bewegung ih­ ren Mittelpunkt verloren und wurde immer facettenreicher. Es gab bald eine Handvoll aktiver Organisationen, zumeist sufi-artige, aber auch einige Freimaurer. In den folgenden vier Jahrzehnten blühte der O r­ den Schuons, bevor er teilweise in sich zusammenfiel, Eliade wandelte das akademische Studium der Religionswissenschaften um, Baron Julius Evola inspirierte Terroristen, die Italien ins Chaos stürzten, und der Tra­ ditionalismus wurde von der allgemeinen Kultur des Westens aufgenom­ men. Schließlich tauchte er auch im Iran, in der Türkei und in Russland auf. Ende des 20. Jahrhunderts waren die traditionalistischen oder teil­ weise traditionalistischen Organisationen so zahlreich geworden, dass sie nicht mehr zu zählen waren. Es mag zunächst seltsam anmuten, dass gerade die sechziger Jahre den Traditionalismus so stärkten, waren sie doch ein Jahrzehnt, in dem die Moderne sichtliche Fortschritte machte. Eigentlich ist dies gar nicht so außergewöhnlich. Einerseits scheint mit dem Voranschreiten der Mo­ derne die Entfremdung von ihr anzuwachsen. Andererseits erfordert der moderne Fortschritt eine Ablehnung des Status quo, und wer die Ge­ genwart ablehnt, kann sich ebenso gut auf die Vergangenheit berufen wie auf die Zukunft. Die Renaissance brachte Neues hervor, indem sie auf das klassische Zeitalter zurückgriff, und die Reformation erzeugte auch etwas Neues, indem sie sich auf das frühe Christentum berief.

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und der Antimodernismus durch die Moderne. Wie Douglas Allen dar­ gestellt hat, ist Eliades Werk in vieler Hinsicht dem Postmodernismus verwandt. Aliens Kommentar zu Eliade gilt aber auch für die Bewegung, aus der er kam. Sowohl der Traditionalismus als auch die Postmoderne verwerfen »die Tyrannei und die Herrschaft der modernistischen Göt­ zen von Wissenschaft, Rationalismus und >ObjektivitätGeschichten< von der Wirklichkeit konstruieren«.382 Die Anzahl derer, welche die westliche Moderne ablehnten und sich von der zeitgenössischen Gesellschaft entfremdet fühlten, stieg während der 1960er Jahre an, während zugleich die Attraktivität zuvor erstellter Alternativen (wie etwa Moskau-verbündeter kommunistischer Parteien) abzunehmen begann. Traditionalisten wurden immer schon aus den Reihen solcher Dissidenten rekrutiert. Außerhalb des Westens waren die Abweichler von der westlichen Moderne natürlich noch zahlreicher, und im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts griffen einige von ihnen traditionalistische Ideen mit Begeisterung auf. Die für die Geschichte des Traditionalismus interessantesten zukünftigen Entwicklungen könnten in diesen Gebieten liegen. Obwohl eine Aussage darüber verfrüht ist, könnte es durchaus sein, dass sich der Traditionalismus im Westen totge­ laufen hat und dass er allmählich in den Stammbestand wesdichen Ge­ dankenguts resorbiert wird, aus dem er zuerst aufgetaucht war. Einer der bedeutendsten Religionswissenschaftler Frankreichs ist Antoine Faivre, seit 2002 emeritierter Professor der Sorbonne, jener Universität, die seinerzeit Guenon einen Doktortitel verweigert hatte. Er bekannte im Jahr 2000, er könne sich nicht erklären, wie das, was er als »eines der merkwürdigsten kulturellen Phänomene unserer Zeit« bezeichnete, Erfolg haben konnte.383 Ich würde meinen, der Erfolg des Traditionalismus beruht nicht nur auf der symbiotischen Beziehung zwischen der Moderne und dem Antimodernismus, sondern auch auf der speziellen Synthese, die Guenon zustande brachte. Die Philosophie Guenons war nicht besonders originell. Sie setzte sich aus Elementen zusammen, von denen die meisten seit Jahrhunder­ ten Teil des westlichen Denkens gewesen waren. Seine eigendiche Leis­ tung bestand darin, dieses Gedankengut zu einer völlig neuen Synthese

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umzuformen und diese Synthese dahingehend zu avancieren, dass sie von anderen weiterentwickelt werden konnte: von Schuon in religiösen Organisationen, von Evola in der Politik, von Eliade in der akademi­ schen Wissenschaft und von Nasr und Dugin schließlich in der nicht­ westlichen Welt. Guenon betont die Inversion, eine Vorstellung, die älter ist als das Buch der Offenbarung (die Quelle, aus der sie dem Westen am ehesten vertraut ist). Seine Synthese kombiniert diese mit einer Reihe anderer Gedanken, die bereits während des vorigen Jahrhunderts für ihn synthe­ tisiert worden waren. Am ältesten war die Meinung, dass die Weisheit im Osten zu finden sei - ein Gedanke, der schon im 13. Jahrhundert im Sizilien Friedrichs II. auftaucht, eine Zeit, in der dies unbestreitbar und objektiv der Wahrheit entsprach.384 Das Zweitälteste Konzept war der Perennialismus, den ich bis ins 15. Jahrhundert auf Marsilio Ficino zu­ rückverfolgt habe. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war keiner dieser bei­ den Gedanken ungewöhnlich, und am Ende des Jahrhunderts waren beide zu Alltagsware geworden. Während in Amerika Yoga und Zen zu alltäglichen Erscheinungen geworden waren, gehörten Reisen nach In­ dien zur Standardausbildung des europäischen Studenten, so wie die »Grand Tour« einst für die Söhne des europäischen Adels Teil ihrer Bil­ dung war. Die perennialistische Philosophie als solche war zwar unter diesem Namen wenig bekannt, aber eine Art von Universalismus war im Westen zur Norm geworden. Nicht einmal die katholische Kirche wagte es, weiterhin ein absolutes Monopol der religiösen Wahrheit für sich zu beanspruchen. Im Westen verbreitete sich die Tendenz, selbstverständ­ lich anzunehmen, dass eine Religion sich im Wesentlichen wenig von einer anderen unterscheidet. Die Idee, dass die Weisheit im Osten wohne, war Teil des ursprüng­ lichen Perennialismus, wobei der Osten zu jener Zeit aus dem klassi­ schen Griechenland und dem biblischen Israel und Ägypten bestand und durch Hermes vertreten wurde. Ende des 18. Jahrhunderts ersetzt Reuben Burrow erstmals Hermes durch den Hinduismus, was sich wäh­ rend des 19. Jahrhunderts weiter durchsetzte und wozu schließlich die Theosophische Gesellschaft am einflussreichsten beitrug. Wie für viele andere Bewegungen bildete die Theosophische Gesellschaft auch den Ausgangspunkt für die sichtbare Entwicklung des Traditionalismus,

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doch für Guenon war noch eine weitere Synthese erforderlich, damit er seinen Ansatz entwickeln konnte. Es war das sehr alte Konzept der Ini­ tiation, das in seiner charakteristischen modernen Form mit der Ent­ stehung der modernen Maurerei im 17. Jahrhundert in Erscheinung tritt. Der Perennialismus, die Weisheit des Hinduismus und Initiation waren alles Teile des Martinisten-Ordens des ersten Meisters Guenons, Dr. Gerard Encausse, der zwischen exoterischer und esoterischer Reli­ gion unterschied, was ein zentraler Aspekt des Traditionalismus werden sollte. Graf Albert de Pouvourville, Guenons zweiter Meister, trat für eine ähnliche Synthese ein, wobei er den Hinduismus durch den Taois­ mus ersetzte. Bei dem Maler Ivan Agueli findet sich eine recht ähnliche Synthese, außer dass hier —erstmals —der Islam und der Sufismus an die Stelle der Hermetik, des Hinduismus und des Taoismus treten. Diese Synthese setzte sich unabhängig vom Traditionalismus fort und zeigte sich Ende des 20. Jahrhunderts in der Dichterin Katherine Raines, einer Initiatin und begeisterten Anhängerin Ficinos, die im Hinduismus ihre Heimat fand. Es ist klar, dass Guenon diese letzte Synthese von Encausse und de Pouvourville übernahm. Weniger gesichert sind die Quellen seiner Beto­ nung der Inversion. Eine Quelle ist der Nachdruck, mit dem de Pou­ vourville die spirituelle Überlegenheit des Orients als eine Gefahr fiir den Westen darstellt, da diese Ansicht unterstellt, dass zumindest in ei­ ner wichtigen Hinsicht der Westen eher eine Regression als einen Fort­ schritt durchgemacht hatte. Implizit ist die Regression auch im Peren­ nialismus, welcher die Wahrheit eher in der Vergangenheit als in der Zukunft sucht, obwohl kein Perennialist vor de Pouvourville diese Kon­ sequenz bis an ihren logischen Schluss verfolgt zu haben scheint. Katho­ lische Polemik gegen Freimaurer und Satanisten ist eine weitere Quelle, da schließlich Guenons erste Schriften über die Gegeninitiation unter katholischer Ägide erschienen. Doch die wichtigste aller Quellen könn­ ten Guenons eigene jugendliche Erfahrungen bei den Martinisten und Neo-Gnostikern gewesen sein und natürlich sein eigenes Unterfangen der Gründung eines erneuerten Templer-Ordens. Die meisten Leser die­ ses Buches werden diese Unternehmungen gewiss fiir lachhaft empfun­ den haben, und es ist durchaus verständlich, wenn sie Guenon in seinen reiferen Jahren als das Gegenteil dessen erschienen, was sie damals zu

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sein Vorgaben: Wege in den Irrtum anstelle von Wegen zur Wahrheit. Auch mag Guenons gelegentliche Paranoia dazu beigetragen haben, dass er die Kräfte der Gegeninitiation hervorhob. Inversion schließt Regression und Gegeninitiation ein. Wenn man sich im modernen Westen nach den Möglichkeiten einer Initiation um ­ sieht und dabei deutlich das Absterben der Esoterik erkennt, kann die Inversion mit der Suche nach Weisheit im Orient leicht synthetisiert werden. Daraus ergibt sich zwar nicht automatisch der Perennialismus, aber kombiniert mit den beiden anderen Elementen entsteht dadurch der Traditionalismus. Inversion und die Weisheitssuche im Orient haben beide etwas m it dem Orientalismus gemein, wie ihn Edward Said auswertete.385 Said zeigte, wie viel mehr die westliche Auffassung des Nahen Ostens aus dem Selbstverständnis des Westens abgeleitet ist als von der tatsächli­ chen Realität dort. Rationalität war ein Teil des westlichen Selbstbildes, und da der Nahe Osten anders war als der Westen, so war er eben irra­ tional. Im 19. Jahrhundert, als Frauen im Westen vornehmlich als mora­ lisch und tugendhaft angesehen wurden, konzentrierte sich die westliche Auffassung von der muslimischen Frau auf lüsterne Bewohnerinnen des Harems. Als das Bild der westlichen Frau sich dahingehend veränderte, dass nun ihre Emanzipation betont wurde, wurde die muslimische Frau im Hinblick auf ihre Unterordnung und Verschleierung gesehen. Dieses Modell ist auch heute noch praktikabel: Die westliche Presse ignoriert allzu gern, dass es im Nahen Osten eine öffentliche Meinung geben könne, außer durch den Verweis auf eine (finstere, bedrohliche und irra­ tionale) »arabische Straße«, denn die öffentliche Meinung ist es, die im Westen existiert und zählt. Die allgemeine traditionalistische Sicht des Orients ist in vielerlei Hinsicht eine invertierte Form des Orientalismus. Der Traditionalismus wie der Orientalismus sind dualistische Systeme, beide leiten sich aus dem 19. Jahrhundert her, und beide leiden unter einem erheblichen me­ thodologischen Manko, indem sie sich zu sehr auf Texte und zu wenig auf umittelbare Beobachtung verlassen. Wie der Orientalismus, neigt auch der Traditionalismus dazu, die nichtwesdiche Welt als ein Spiegel­ bild des Westens zu zeichnen, mit dem Unterschied, dass beim Traditio­ nalismus der Vergleich zugunsten des Nichtwestens ausfällt. Im Traditio-

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nalismus wird einem gereiften, disziplinierten, wissenschaftlichen und rationalen Westen nicht etwa ein Naher Osten entgegengesetzt, der von kindlichen irrationalen Wesen bevölkert ist, die zu Organisation und Selbstdisziplin unfähig sind, sondern er vergleicht einen von Modernis­ mus, Materialismus und lediglich technischen Fähigkeiten gezeichneten Westen mit einem Nahen Osten der Tradition, Spiritualität und Weis­ heit. Diese Auffassung vom Nahen Osten ist wohl kaum zutreffender als die der klassischen Orientalisten. Noch ein weiteres Element war erforderlich, um der traditionalistischen Philosophie ihre endgültige Form zu verleihen. Es war die Aus­ arbeitung von Guenons Konzept, dass die Initiation auch von einer Pra­ xis begleitet sein musste. Diese Entwicklung fand erst in den 1930er Jahren statt, nachdem Guenon in Ägypten die Praxis des Islam kennen­ gelernt hatte. Bis dahin hatte sich der Traditionalismus auf Texte und Ideen konzentriert. Obwohl Agueli und de Pouvourville das außereuro­ päische Ausland bereist hatten, scheint keiner von beiden viel Wert auf eine Praxis gelegt zu haben. Religiöse Praxis trat in den 1920er Jahren in Frankreich vornehmlich sonntags in Erscheinung, während sie in Ägyp­ ten in den 1930er Jahren überall zu sehen war: Händler führten in ihren Läden ihre Ritualgebete aus, fünfmal am Tag erschallte der Gebetsruf, während des Ramadans kam es unvermeidlich zu Unterbrechungen vie­ ler Aspekte des täglichen Lebens. Es lässt sich nicht unmittelbar nachweisen, dass diese Erfahrungen Guenon zu dem Schluss führten, Initia­ tion müsse mit tätlicher Praxis verbunden sein, aber es ist zumindest sehr wahrscheinlich. Guenons Umgestaltung des Traditionalismus in den 1930er Jahren zugunsten der Praxis war nicht die einzige Abänderung. Die meisten bedeutenden Traditionalisten fugten ihre eigenen Änderungen hinzu. Der angesehene Kunsthistoriker Ananda Coomaraswamy führte eine anhaltende Betonung der Ästhetik in vielen Teilen der traditionellen Be­ wegung ein, vor allem im Traditionalismus Schuons und seiner Anhän­ ger. Auf ihn geht auch der erste, weitgehend erfolglose Versuch zurück, den Traditionalismus in die akademische Wissenschaft zu integrieren Guenon hatte ja der akademischen Welt den Rücken gekehrt, als seine Doktorarbeit von der Sorbonne abgelehnt wurde. Es war Mircea Eliade, der später mit größerem Erfolg den Traditionalismus in die Wissenschaft

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integrierte, indem er »Tradition« zu »archaischer Religion« und Weisheit zu »allgemein gültigem Mythos und Symbol« um formulierte, und seine Schriften mit einem gehörigen Maß an seriöser Wissenschaftlichkeit versah. Die dramatischsten Abänderungen am Traditionalismus Guenons gehen auf Evola zurück. Sie gehen so weit, dass einige heutige Traditio­ nalisten, denen Evolas Politik schlichtweg peinlich ist, es vorzögen, ihn ganz aus dem traditionalistischen Kontext zu bannen. Evolas frühe Les­ art von Nietzsche und Bachofen hatte ihn dazu geführt, den Schwer­ punkt der Verwirklichung nicht auf eine religiöse Praxis, sondern auf das Handeln zu legen, auf die Revolte, deren Mangel schon der Maler Rene Daumal in Guenons Schriften beanstandet hatte. Für Guenon war die Priesterkaste der Kriegerkaste überlegen, Evola war entgegengesetzter Meinung. Unter den Umständen der 1920er, 1930er und 1940er Jahre war der Traditionalismus Evolas politisch rechtsgerichtet, wodurch er sich endgültig vom Traditionalismus Guenons abhob, der im Wesent­ lichen unpolitisch war. Und doch blieben diese beiden Zweige des Tradi­ tionalismus miteinander verbunden, wie man am Beispiel des »linken« Henri Hartung sieht, der während der 1960er Jahre Evola wiederholt aufsuchte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Traditionalismus ä la Evola weiteren Wandlungen unterzogen, als der Existentialismus in ihn eingefugt wurde. Durch das Mitwirken Franco Fredas führte dies zu ei­ ner Auffassung von apoliteia, die in blutigem Chaos mündete. Coomaraswamy, Eliade und Evola gingen von einer früheren Version des Traditionalismus aus, die keinen Nachdruck auf Praxis legte. Frithjof Schuon ging von der endgültigen Fassung aus und modifizierte den Tra­ ditionalismus in ganz anderer Richtung, indem er die charakteristische Organisationsstruktur eines Sufiordens übernahm. Erst von da an kön­ nen wir eigendich von einer traditionalistischen Bewegung sprechen anstatt nur von einer Philosophie. Schuon entwickelte auch den Peren­ nialismus zu seiner eigenen universellen Sendung, was letztlich in die Katastrophe führte. Als Reaktion darauf verlagerte Michel Välsan den Traditionalismus Schuons in Richtung extremer Orthodoxie und führte seine Anhänger zu einem nicht-traditionalistischen Islam zurück —ein Ziel, das auch Dr. Faouzi Skali anstrebte. Innerhalb des Traditionalismus Schuons führte Hossein Nasr entsprechende Abwandlungen durch. Er

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bereitete ihn für den Konsum in moderneren Kreisen der islamischen Welt auf, wobei er die »Islamische Philosophie« betonte und zum ersten Mal den Traditionalismus direkt mit nicht-westlicher Gelehrsamkeit verband. Zusammen mit Eliade zeichnet sich Nasr dadurch aus, dass er ein führender traditionalistischer Wissenschaftler ist. Vorerst bleibt unklar, ob eine der jüngsten Umgestaltungen des Tra­ ditionalismus ernstzunehmen ist oder ob dies nur als amüsantes Zeichen für die Übernahme des Traditionalismus in die allgemeine westliche Kultur zu werten ist: die Anpassung an eine neue Zielgruppe (Frauen), welche die Priester- und Kriegerkaste durch Frauen in Form von Aristasierinnen ersetzt. Alle bisherigen Traditionalisten zeichneten sich durch ihre tiefe Ernsthaftigkeit aus: das humoristische Element bei den Aristasierinnen wird vielleicht ihre Ausbreitung über sehr begrenzte Kreise hinaus verhindern. Alexander Dugin war für die letzte große Veränderung des Traditio­ nalismus im 20. Jahrhundert verantwortlich, indem er ihn unter Einbe­ ziehung des orthodoxen Christentums ftir Osteuropa ausstattete und dies mit den geopolitischen Eurasien-Theorien Sir Haiford Mackinders verband. Dugin verdankt Evola mehr als Guenon, sein Neo-Eurasianismus scheint zu ebenso bedauerlichen Konsequenzen zu fuhren wie die von Evola verursachten. Die politischen Verstrickungen Dugins und Evolas sowie die Katast­ rophe der späteren Maryamiyya Schuons in Bloomington haben zu der zuweilen geäußerten Ansicht geführt, der Traditionalismus sei als Bewe­ gung und Philosophie unwiderruflich schlecht. Zahlreiche Traditionalis­ ten haben das Übel jedoch erkannt und erfolgreich vermeiden können, indes sie weiterhin Traditionalisten blieben. Eliade distanzierte sich von der Legion des Erzengels Michael, als sie sich in ein Ebenbild der Nazis zu verwandeln begann, und Välsan distanzierte sich nicht nur von den Ereignissen in Rumänien, sondern auch von der Katastrophe, die über der Maryamiyya schwebte. Nasr mag unabsichtlich zur iranischen Revo­ lution beigetragen haben, aber er tat sein Möglichstes, um diese Revo­ lution zu verhindern. Zwei weniger bedeutende iranische Traditionalis­ ten (Daryush Shayegan und Nasrullah Purjavadi) waren führend unter den Iranern, welche die von der Revolution eingeleiteten Übel verurteil­ ten.386 Schuon und Paul de Seligny sind zwar schwierigere Fälle, doch

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offenbar hängt Gut oder Böse mehr vom individuellen Traditionalisten ab als vom Traditionalismus als solchem. Auf gewissen Gebieten hat die traditionalistische Bewegung zweifel­ los versagt, während sie auf anderen erfolgreich war. Im großen Rah­ men ist sie in ihrem ursprünglichen Vorhaben, wie es Guenon im Jahre 1924 in Orient et Occident definierte, gescheitert. Zu Beginn des 21. Jahr­ hunderts ist nicht zu erkennen, dass die westliche Zivilisation mehr in spiritueller Tradition verankert wäre als in den zwanziger Jahren des letz­ ten Jahrhunderts. Wenn es heute im Westen eine größere Anzahl nicht­ westlicher Erscheinungsformen der Spiritualität gibt als in den 1920er Jahren, ist dies nicht ausschließlich den Bemühungen einer traditionalistischen Elite zuzuschreiben. Im kleineren Rahmen gehören Traditiona­ listen jedoch zu Schriftstellern, Vortragenden und Pädagogen, die den Islam und den Sufismus am effektivsten einem westlichen Publikum näherbringen konnten und die eine allgemein positivere Annäherung an nicht-westliche Religionen eingefuhrt haben, sowohl innerhalb der wis­ senschaftlichen Arena als auch außerhalb. Traditionalisten haben auch eine wichtige Rolle gespielt, indem sie gewisse Gruppen unter den Frei­ maurern zu einer Art von Spiritualität geführt haben. Auch das früheste Ziel, die Zusammenfügung von Bruchstücken der primordialen Tradi­ tion, ist ihnen zu ihrer eigenen Zufriedenheit gelungen. Der Traditiona­ lismus ist vollendet und in sich stimmig. Am erfolgreichsten haben sich die am wenigsten ehrgeizigen Projekte der Traditionalisten erwiesen. Ein »gemäßigter« Traditionalismus hat ein breiteres Publikum erreicht als ein »strenger« Traditionalismus —etwa durch Bücher, die von einer traditionalistischen Deutung geprägt sind, den Traditionalismus als solchen aber nicht betonen. Diese gemäßigte Form des Traditionalismus hat das Leben vieler Menschen berührt, ohne dass sie davon wussten. Die wenigsten Leser dieses Buches werden vom Traditionalismus als solchem gehört haben, aber viele von ihnen werden schon auf gemäßigt traditionalistische Autoren und Deutungen gesto­ ßen sein. Dieser Tatbestand beschränkt sich natürlich nicht auf den Tra­ ditionalismus - die Werke George Orwells wurden im Westen in weite­ ren Kreisen gelesen als die Werke von Karl Marx. Im Gegensatz dazu haben Frontalangriffe auf die Moderne zum Ge­ genteil ihrer Absicht geführt. Der Anti-Modernismus E. F. Schumachers

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nährte nur eine weitere Modernisierung, und die Aktivitäten der italie­ nischen Terroristen in den 1970er Jahren brachten statt der Zerstörung des bürgerlichen Staates eine Abneigung gegen jeglichen Extremismus hervor, was den Status quo merklich untermauerte. Välsans bescheide­ ner Sufiorden, der nur darauf abzielte, die Suchenden auf dem Standard­ pfad des Sufismus entlang zu führen, erreichte seine Ziele. Schuons uni­ verselle Sendung dagegen formte seinen Orden zu einer ausgesprochen modernen religiösen Bewegung um, die Guenon mit Sicherheit als Ge­ geninitiation erkannt hätte. Traditionalistische Frontalangriffe auf die westliche Moderne haben nur außerhalb des Westens Erfolg gehabt: im Iran und danach in Russ­ land. Die günstige Rezeption von Traditionalisten in diesen Ländern stammt von deren Anpassung an eine bestehende anti-westliche Hal­ tung. Traditionalisten im Iran und in Russland bewegten sich mit dem Strom. Im Westen dagegen bewegte sich der »strenge« Traditionalismus gegen den Strom. Der gemäßigte Traditionalismus vermied im Allge­ meinen die Hauptströmung. Ganz allgemein können Unternehmun­ gen, die mit der historischen Strömung fließen, die Richtung dieser Strömung leicht verändern, während solche, die gegen den Strom gehen, in der Regel untergehen oder - wie Schumacher, Freda oder Schuon von der Strömung erfasst und umgekehrt werden, so dass sie sich in entgegengesetzter Richtung fortbewegen. In diesem Sinne führte Välsan seine Anhänger von einem Strom zum anderen, sie sind jetzt der Haupt­ strömung des Islam weit näher als irgendeiner westlichen Bewegung. Die Personen, die zu Traditionalisten wurden, befanden sich fast ausnahmslos bereits am Ausgangspunkt außerhalb des Hauptstroms. Schuon und Burckhardt, wie vor ihnen Agueli und Eberhardt, stamm­ ten aus künstlerischem, nonkonformistischem Elternhaus, ebenso der traditionalistische Sympathisant Thomas Merton. Von Meyenburg und Pallavicini stammten aus aristokratischem Geblüt, das gar nicht im Einklang mit ihrer Zeit stand, ebenso Graf de Pouvourville und Baron Evola387 und natürlich zwei weitere traditionalistische Sympathisanten, ein französischer Thronprätendent und der englische Thronfolger. Coomaraswamy und Nasr waren das Produkt einer kulturellen Vermischung und hatten von Anfang an keine eigene Strömung. Der einzige bedeu­ tende Traditionalist, der keinen nonkonformistischen Hintergrund hatte

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oder nicht einer Gesellschaftsschicht entstammte, die im Widerspruch zu ihrer Zeit stand, war tatsächlich Guenon selbst, das einzige Kind eines stabil bürgerlichen Elternhauses: Sein Vater war Schadenregulierer bei einer Versicherungsanstalt. In seiner Hauptströmung war das 20. Jahrhundert progressiv, in dem Sinn, dass es seine Hoffnungen auf den Fortschritt setzte, wenn auch nicht in dem Sinne, in dem man den Begriff »progressiv« vor dem Ersten Weltkrieg verstand, als man noch an die Unvermeidlichkeit des Fort­ schritts glaubte. Kein Progressiver ist jemals Traditionalist geworden, nicht einmal ein nicht-westlicher Progressiver. Der höchst progressive ägyptische Intellektuelle Taha Husayn lehnte den Traditionalismus und seinen Hauptvertreter Guenon selbst mit Verachtung ab, der progressive algerische Islamist Malek Bennabi bezeichnete den Traditionalismus als irrelevant, und der progressive iranische Islamist Ali Shariati machte in seinem Werk keinerlei Gebrauch vom Traditionalismus. Wie wichtig es ist, einer Strömung zu folgen, tritt in einer Strategie zutage, die auf Französisch entrisme heißt (Entrismus: Unterwanderung, Infiltration). Dieser Begriff wird gewöhnlich in einem politischen Kon­ text verwendet, um die opportunistische Infiltration einer Organisation zu bezeichnen, um diese von innen her zu beeinflussen. Entrismus wur­ de von zahlreichen Traditionalisten benutzt, in der Regel bei nachfolgen­ den Versuchen mit mehr Erfolg als beim ersten Versuch. Traditionalisti­ sche Versuche einer Unterwanderung waren oft genug vergebliche und allgemein fruchtlose Bemühungen. Eliade, Evola, Dugin, Jamal und Pallavicini konnten ihre Ziele weder mit der Legion des Erzengels M i­ chael in Rumänien erreichen noch mit der faschistischen Partei Italiens, der SS noch mit Pamjat5 und der Partei für islamische Wiedergeburt in Russland, und auch nicht mit der katholischen Kirche —denn es war die katholische Kirche, die den islamisch-chrisdichen Dialog beherrschte, den Pallavicini erfolglos zu traditionalisieren versuchte. In all diesen Fäl­ len handelt(e) es sich um zentral gesteuerte und starr strukturierte Orga­ nisationen, die sich ohnehin nur schwerlich infiltrieren ließen. Im Gegensatz dazu haben Traditionalisten bei politischen Allianzen und locker verbundenen Gruppierungen mehr Erfolg gehabt, in der Re­ gel bei ihrem zweiten oder dritten Versuch von Entrismus: Eliade, und bis zu einem gewissen Grad auch Nasr, in den akademischen Kreisen

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Amerikas, Dugin m it der Rot-Braunen Allianz, Jamal mit dem Netz­ werk von »islamischen Komitees«, Evola bei ultrakonservativen Kreisen, die sich um den Berliner Herrenklub scharten (dass diese Kreise schließ­ lich selbst scheiterten oder vielmehr von den Nazis aufgelöst wurden, ist eine andere Geschichte). Evola unterwanderte auch erfolgreich die Ras­ senfrage, obwohl das faschistische Regime seinen Initiativen von außen ein Ende setzte. Pallavicini brachte es mit der locker gefügten Gemein­ schaft offizieller und halboffizieller internationaler islamischer Organi­ sationen weiter als mit der katholischen Kirche. Eine von drei Ausnahmen bildet Sebottendorf, der ohnehin kein Traditionalist war. Er versagte in lächerlicher Weise bei seinem Versuch, den Germanen-Orden zu infiltrieren, es gelang ihm lediglich, der Nazi­ partei zu einem Teil ihrer Benennung zu verhelfen. Ein zweiter erfolgrei­ cher Versuch von seiner Seite blieb aus. In Großbritannien hat Critchlow m it Erfolg einen Großteil der Temenos-Akademie und der Stiftung des Prinzen traditionalisiert, ohne zuvor Misserfolge erlitten zu haben. In Frankreich hatte Hartung erfolgreich die Ausbildung von Führungskräf­ ten unterwandert, meinte aber später selbst, diese Infiltration sei vom Strom gewendet worden. Nicht nur Progressive und der Hauptstrom der Geschichte des 20. Jahrhunderts haben den »strengen« Traditionalismus abgelehnt, son­ dern auch zwei andere, ganz unterschiedliche Gruppen: Menschen mit fester Traditionsbindung und die meisten Wissenschaftler. Fast die ge­ samte Bevölkerung der arabischen Welt ignoriert den Traditionalismus, weil die arabische Welt offenbar nicht modern genug ist, um ihn aufzu­ nehmen. Religiöse Persönlichkeiten, die fest in ihren eigenen Traditio­ nen verwurzelt sind, haben auch den Traditionalismus oft ganz oder teil­ weise abgelehnt, so etwa Jacques Maritain um der katholischen Kirche willen, Seraphim Rose um der orthodoxen Kirche und Ahmad Qustas um des Islams willen. Außer in der Version Dugins behauptet der Traditionalismus in der Regel nicht, mit dem Christentum kompatibel zu sein (obwohl Schuons Universalismus das Christentum und alle anderen Religionen mit einzu­ schließen beanspruchte). Viele Traditionalisten haben sich aber als Mus­ lime verstanden. Obwohl jeder Muslim, der sich irgendeiner Form des Universalismus verschrieben hat, von dem abweicht, was allgemein als

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islamischer Konsens akzeptiert wird, würden viele Traditionalisten auf der Grundlage ihrer Praxis von Muslimen für Muslime gehalten werden: Nasr, Välsan, Pallavicini und Guenon selbst. Andere, vor allem Schuon, wären abgelehnt worden und wurden es auch. Das Verhältnis zwischen Traditionalismus und der akademischen Wissenschaft ist merkwürdig. Einerseits trägt das ganze Fachgebiet der heutigen Religionswissenschaf­ ten den Stempel des gemäßigten Traditionalismus Eliades, und viele der führenden Traditionalisten sind Wissenschaftler gewesen. Andererseits ist jeder nicht-traditionalistische Wissenschaftler, der sich seit der Ableh­ nung der Doktorarbeit Guenons im Jahre 1921 durch Professor Sylvain Levi mit dem Traditionalismus befasst hat, zu demselben Schluss ge­ kommen: Diese Leute sind nicht ernst zu nehmen. Sie ignorieren die Geschichte und überhaupt alles, was nicht in ihre Theorien hineinpasst. In den Worten Antoine Faivres: Der Traditionalismus »enthebt seine ontologischen Prädikate des historischen und räumlichen Kontexts. [...] Seine Neigung, überall nach Ähnlichkeiten zu suchen, in der Hoffnung, endlich eine hypothetische Einheit zu finden, ist offensichtlich nach­ teilig für historisch-kritische Forschung, das heißt, fiir die empirische Forschung, die mehr daran interessiert ist, die Entstehung, den Verlauf, die Veränderungen und die Migrationen der Phänomene, die sie stu­ diert, aufzudecken.« Wie Faivre erkennt, ist es unwahrscheinlich, dass jemand, der schon von Anfang an die »Wahrheit« kennt, irgendetwas für unerwartet hält, das ihm unterwegs begegnen könnte.388 Es ist nicht Aufgabe dieses Buches, den Traditionalismus zu verteidi­ gen, aber es scheint doch klar, dass diejenigen, die den Traditionalismus als unseriös verurteilen, das Wesendiche nicht begreifen. Der Traditio­ nalismus erhebt wie die Religion oder manche Schulen der Philosophie den Anspruch, die letztgültige Wahrheit zu vertreten. Den Traditionalis­ mus so zu beurteilen, wie man eine wissenschaftliche Arbeit beurteilen würde, wäre ebenso wenig sinnvoll, wie wenn man das Christentum ver­ würfe, weil es unzureichende Beweise für die Göttlichkeit Christi be­ sitzt, oder den Islam, weil er wichtige Aspekte der Dreifaltigkeitslehre missachtet. Andererseits hatte Guenon seine Arbeit Levi als Doktorar­ beit vorgelegt, und Levi hatte mit seiner Empfehlung einer Ablehnung durchaus recht.

A nhang

I

Anmerkungen

Eine Liste meiner vornehmlichen Interviewpartner ist vor der Bibliographie zu fin­ den. Orte und Datumsangaben von Interviews sind dort verzeichnet und werden nicht in einzelnen Endnoten angeführt. Die im Prolog auftretenden Protagonisten sind aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zumTeil mit fiktivem Namen versehen.

E R S T E R T E IL

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William Little u. a Shorter Oyford English Dictionary on Historical Principles, Oxford 1970, s. v. tradition, S. 2225. 2 Rene Guenon, Die Krisis der Neuzeit, Köln 1950 [La crise du monde moderne, Paris 1927] und La metaphysique orientale, Paris 1939. Zu nennen sind außer­ dem: Introduction generale ä l ’etude des doctrines Hindoues, Paris 1921; Le Theosophisme. Histoire dune pseudo-religion, Paris 1921; Lerreur spirite, Paris 1923 sowie Orient et Occident, Paris 1924. 3 Julius Evola, Erhebung wider die moderne Welt, Stuttgart 1935. [Rivolta contro il mondo modemo, Mailand 1934]. Später umbenannt in Revolte gegen die moderne Welt, Interlaken 1982. Der Titel dieses Buches bezieht sich einerseits auf Guenons Die Krisis der Neuzeit und andererseits auf Evolas Erhebung wider die mo­ derne Welt.

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Die in diesem Kapitel angegebene Übersicht der traditionalistischen Philoso­ phie ist notwendigerweise knapp gehalten und unterstreicht vor allem die Ele­ mente, die anschließend für die Geschichte der traditionalistischen Bewegung von Bedeutung waren. Leser, die sich eingehender mit der traditionalistischen Philosophie befassen wollen, sollten mit Guenons Krisis der Neuzeit beginnen oder mit anderen von Traditionalisten verfassten Werken. Eine gute Übersicht findet sich bei William W. Quinn, The Only Tradition, Albany, N.Y. 1996. Ren6 Gu6non, Lintroduction generale ä Letude des doctrines hindoues, Paris 1921. Bericht von Sylvain Levi an Dekan Ferdinand Brunot, zitiert nach Marie-France James, Esoterisme et christianisme. Autour de Rene Guenon, Paris 1981, S. 194. Ebd. Victor Cousin, Cours de philosophie. Introducion ä Vhistoire de la philosophie, Paris 1828.

430

A lt h a n g

9 Jean Filliozat, »Rien sans 1 Orient?«, in: Revue P la n e te P lus i$ (1970), S. 124. 10 Levi an Dekan Brunot, in: James, E so terism e e t ch ristia n ism e , S. 194. 11 Zumindest bezog er dies nicht in die zwei Beanstandungen ein, die er der Be­ sprechung der I n tr o d u c tio n g e n e ra le von Noele Maurice-Denis Boulet hinzufiigte. Vgl. Noele Maurice-Denis Boulet, Les doctrines hindoues, in: La Revue u n iv e rse lle 8 (Juli 1921), S. 237-246. 12 Agostino Steuco, Bibliothekar im Vatikan und christlicher Platoniker, widmete sein Buch Papst Paul III. Vgl.Agostino Steuco, D e p e re tin ip h ilo so p h ia , Lugdunum 1540. 13 Marsilio Ficino, T h eologien P la to n ic a d e a n im a r u m im m o m lita te , Florenz 1482. Ficino betrachtet in seinem bedeutendsten Werk die Frage der Unsterblichkeit im Lichte der Schriften Platons sowie der katholischen Theologie. 14 Paul Oskar Kristeller, Einführung zu T h e L eiters o f M a rsilio F icino , Bd. 1, Lon­ don 1975, S. 17 f. 15 Ebd. 16 Die Gründe dafür werden in Kapitel 2 behandelt. 17 James, E so te rism e e t c h ristia n ism e , S. 194. 18 Rene Guenon, L e th eo so p h ism e, h isto ire d u n e p s e u d o -r e lig io n , Paris 1921; ders., L e r r e u r s p ir ite , Paris 1923. 19 Das ungewöhnliche Foto eines in Urin eingetauchten Kruzifixes in Serranos F lu id M y ste rie s [flüssige Mysterien] löste in den 1980er und 1990er Jahren hef­ tige Kontroversen aus. 20 Interview mit einem anonymen Traditionalisten, 1994. 21 Rene Guenon, O r ie n t e t O c c id e n t , Paris 1924, S. 19. In meiner Bearbeitung lau­ tet das Zitat wie folgt: »Die moderne westliche Zivilisation erscheint in der Geschichte als eine wahrhafte Anomalie [...] unter all denen, die wir kennen [...] ist diese Zivilisation [...] begleitet von entsprechender geistiger Regres­ sion, [...] die nunmehr an einen Punkt gelangt ist, an dem die heutige Abend­ länder nicht mehr wissen, was reine Geistigkeit sein könnte [...] daher ihre Geringschätzung.« 22 Guenon, O r ie n t e t o c c id e n t , S. 187. 23 Ebd., S. 115. 24 Oswald Spengler, D e r U n te rg a n g d es A b en d la n d es. U m risse ein er Morphologie d e r W eltgesch ich te 2 Bde., München 1919-22. 25 Guenon, O r ie n t e t O c c id e n t , S. 169—187. 26 Guenon, O r ie n t e t O c c id e n t , S. 186. Ich habe auch diesen Passus um der Deut­ lichkeit willen bearbeitet: »Wenn die Elite [...] nicht die Zeit hat [...] Mentali­ tät als Ganzes [...] wäre diese Elite [...] die symbolische >Arche< [...] sie würde jedoch [...] die Grundlagen einer neuen Entwicklung erhalten [...] Aber [...] es gäbe noch immer [...] erhebliche Probleme: die ethnischen Revolutionen [•••] wären sicherlich gravierend [...] Es wäre für den Westen weitaus besser [•••] sich eine Zivilisation anzuschaffen ... die ihren eigenen Bedingungen an-

A n m erk u n g en

431

gepasst ist u n d d ie es ih r ersparr [ . . . ] m e h r o d e r w e n ig e r u n a n g e n e h m a s s im i­ liert zu w erden.« 27

G u en on , O rie n t e t O ccidenty S. 1 7 4 ,1 7 7 ,1 8 4 h u n d 188.

28

G u en o n , O rie n t e t O ccidenty S. 177.

29

R ene G u e n o n , L h o m m e e t son d e v e n ir selon le V ed ä n ta , Paris 1925; d e r s., L a crise d u m on de m oderne, Paris 1927. Für d ie vier w e ite r e n B ä n d e s ie h e A N 1: A u f d e r H o m ep a g e w w w .tra d itio n a lists.o rg /a n o tes w ir d w e ite r e s, a u sfü h r lic h e r e s M a t e ­ rial zur V erfügung g estellt. A u f e in e s o lc h e z u sä tz lic h e A n m e r k u n g w ir d d u r c h das Kürzel »Siehe A N « h in g e w ie se n .

50

Rene G u en o n , L a crise d u m o n d e m o d ern e, Paris 1 9 9 9 , S. 187.

31

Z itiert nach Paul C h a co rn a c, L a v ie s im p le d e R en e G u en o n , Paris 1958, S . 7 9 .

32

w w w .icp.fr.

33

N o e le M a u rice-D en is B o u le t, »L’e so te r iste R e n e G u e n o n . S o u v e n ir s e t j u g e m ents«, in: L a pen see ca th o liq u e. C a h iers d e syn th ese 7 7 (1 9 6 2 ), S .1 7 —4 2 , h ie r S .2 4 f.

34

Ebd., S. 18 u n d 2 6 f. V gl. a u ch Jean B o rella , » R en e G u e n o n a n d th e T r a d itio n a ­ list S ch ool«, in: A n to in e Faivre, Jakob N e e d le m a n ( H g .) , M o d e m E so te ric S p ir itu a lityy N e w York 1992, S. 3 3 0 -3 5 8 , h ier S . 373.

35

B oulet, »L’esoteriste R en e G u e n o n « , S. 35 f.

36

D ass G u en o n d en Freres d es E c o le s c h r e tie n n e s (B rü d er d e r c h r is tlic h e n S c h u le , w elch e die E co le d es F ra n cs-B o u rg eo is le ite te n ) v o n M a r ita in u n d a n d e r e n em p foh len w u rde, ist n u r V e r m u tu n g , lässt s ic h a b er u n te r g e g e b e n e n U m s t ä n ­ den rechtfertigen.

37

Z itiert nach Jam es, E soterism e e t c h ristia n ism e , S. 198.

38

A m elee d ’Y vignac, » C o m p te -r e n d u d ’o r ie n t e t o c c id e n t« , in : L a R e v u e d e P h ilo ­ sophie (N ovem b er—D e z e m b e r 1924), S. 6 7 5 —6 7 6 , z itie r t n a c h J a m es, E so te rism e et christianism e, S. 225.

39

Rernard A llo , »Inde et ch etie n te« (R e z e n sio n ), in: R e v u e d es Sciences p h ilo so ph iqu es e t theologiques (Juli 1925), S. 362.

40

In den Jahren 1946 b is 1947, z itie r t n a c h J a m es, E so terism e e t c h r is tia n is m e , S . 389.

41

James, E soterism e e t ch ristia n ism e, S . 233 f. V g l. a u c h M a r ie -F r a n c e J a m e s, E so te risme, occultism e, fra n c-m a g o n n erie e t c h ristia n ism e a u x X I X e t X X siecles. E x p lo rations bio-bibliograph iqu es, Paris 1981, S . 145.

42

O livier de F rem on d .

43

James, E soterism e e t ch ristia n ism e, S . 243 f ., 255 f. u n d 2 6 2 £

44

Für d ie Ü b rig en vgl. A N 2 . P ierL u ig i Z o c c a te lli, L e lie v re q u e ru m in e . A u to u r d e Rene G uenon, L o u is C h a rb o n n ea u -L a ssa y e t la F r a te m ite d u P a ra c le t, M a ila n d 1999, S. 16.

45

G u en o n , Crise d u m o n d e m o d ern e, S . 195—201.

46

A us d em E n tw u r f ein e s S ch reib en s v o n C h a r b o n n e a u -L a ssa y a n G u 6 n o n re­ konstruiert, A p ril 1928, z itiert n a ch Z o c c a te lli, L itv r e q u i r u m in e , S . 61 f.

432

Anhang

47 Marcel Clavelle [Pseudonym für Jean Reyor], Document confidentiel inedit, un­ veröffentlichtes Typoskript, Privatsammlung. 48 Nach seinem Tode fand man eine Reihe von Büchern über den Martinismus u. ä. in seiner Privatbibliothek. Vgl. Igor Volkoff, »Voyage ä travers la bibliotheque de Rene Guenon«, in: LEgypte nouvelle vom 9. Oktober 1953. Vgl. auch Xavier Accart, Daniel Lan^on (Hg.), LErmite de Dtiqqi. Rene Guenon eti marge des milieux francophones egyptiens, Mailand 2001, S. 220-222, hier S. 220f. 49 Chacornac, Vie simple, S. 63. Es gab einige Spekulation darüber, wer die indi­ sche Dame gewesen sein könnte, die manchmal fälschlicherweise als Guenons Ehefrau und manchmal als Frau eines unbekannten Gurus von Guenon identi­ fiziert wurde. Mir erscheint es wahrscheinlicher, dass es sich um ein rein deko­ ratives Porträt handelte. 50 Chacornac, Vie simple, S. 84. Für den Mangel an Begeisterung vgl. Jean Reyor, »De quelques enigmes dans foeuvre de Rene Guenon«, in: Jean-Pierre Laurant, Paul Barbanegra (Hg.), Rene Guenon, Paris 1985, S. 136-143, hier S. 137f. 51 Andre Braire, Interview (2000). 52 James, Esoterisme et christianisme, S. 298. 53 Chacornac, Vie simple, S. 84. 54 Jean-Pierre Laurant, E-Mail, 11. Oktober 2001. 55 Aus der Einführung seiner Übersetzung von La crise du monde moderne, erschie­ nen 1935. Zitiert nach Roger Lipsey, Coomaraswamy, Bd. 3: His Life and Work, Princeton 1977, S. 169. 56 Ananda K. Commaraswamy, Catalogue ofthe Indian Collections in the Museum ofFine Arts, Boston 1923—30; ders. Geschichte der indischen und indonesischen Kunst, Leipzig 1927. [History o f Indian and Indonesian Art, New York1927.] 57 Sein enzyklopädisches Wissen war zum Teil das Ergebnis der zehn Jahre, in de­ nen er die umfangreiche Sammlung des Bostoner Museums katalogisiert hatte. Vgl. Lipsey, Coomaraswamy, S. 135. 58 Genauer vgl. Lipsey, Coomaraswamy, S. 145—148. Die Spekulation ist meine ei­ gene. 59 Dass Guenon die großen Ideen einbrachte, während Coomaraswamy die Ge­ lehrsamkeit beisteuerte, ist Lipseys Ansicht, die ich völlig teile. Vgl. Lipsey, Coomaraswamy, Bd. 3, S. 172. Am wichtigsten ist dabei, dass Coomaraswamy Guenon ausreden konnte, den Buddhismus als eine eher uninteressante hinduistische Häresie darzustellen. Vgl. Marco Pallis, »A Fateful Meeting of Minds. A. K. Coomaraswamy and R. Guenon«, in: Studies in Comparative Religion 12 (1978), S. 175-188, hier S. 180f. 60 Ananda K. Coomaraswamy, A New Approach to the Vedas. An Essay in Transla­ tion and Exegesis, London 1933. 61 Zitiert nach Lipsey, Coomaraswamy, Bd. 3, S. 177, siehe auch S. 163f. 62 Eric Schroeder, »Memories of the Person«, in: Lipsey, Coomaraswamy, Bd.3, S. 285.

Anmerkungen

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63 Ananda K. Coomaraswamy, The Transformation o f Nature in A rt, Cambridge 1934; ders., Hinduism and Buddhism, New York 1943. Für einen weiteren Über­ blick zu Coomaraswamys Traditionalismus vgl. Giovanni Monastra, »Ananda K. Coomaraswamy: de l’idealisme ä la tradition«, in: Nouvelle Ecole 47 (1995), S. 25-42. 64 Lipsey, Coomaraswamy, Bd. 3, S. 186. 65 Coomaraswamy an Marco Pallis, 1944, Nachdruck, vgl. Lipsey, Coomaraswamy\ Bd. 3, S. 184. 66 Eric Schroeder, zitiert nach Lipsey, Coomaraswamy, Bd. 3, S. 206. 67 Walter E. Clark, »Review of Ananda K. Coomaraswamy, Hinduism and Bud­ dhism«, in: HarvardJournal ofAsiatic Studies 8 (März 1944), S. 63—70. Der Re­ zensent, eindeutig ein Indologe der klassischen Tradition, widmet der Aufzäh­ lung zweifelhafter Deutungen, zumeist etymologischer Art, fünf ganze Seiten. 68 Lipsey, Coomaraswamy, Bd. 3, S. 162. 69 Ebd., Bd. 3, S. 254-257. 70 Francois Bonjean, Ahmed Deij, Mansour. Histoire dun enfant dupays dEgypte, Paris 1924. 71 Jean-Pierre Luccioni, »Bonjean, Bosco et la >doctrine S. 276. 189 Paul Chacornac, La vie simple de Rene Guenon, Paris 1986, S. 47 sowie Laurant, Matgioij S. 62. Es ist zu bezweifeln, ob de Pouvourville tatsächlich berechtigt war, Einweihungen in eine Triade vorzunehmen, da der Pfad vom Tao-chung (Assistenten) zum Tao-shih (Herr des Tao) ein langer und komplexer ist, auf dem verschiedene Stadien zu durchlaufen sind, die zu vollenden de Pouvour­ ville wohl kaum Zeit gehabt haben wird. Nur ein Tao-shih darf eigenständig Rituale ausfiihren. Siehe Pas, Leung, HistoricalDictionary ofTaoism, S. 258—260. Das gewöhnlich für diese Ereignisse angegebene Datum von 1912 ist falsch, siehe Rocca, Introduction, S. XIX. *90 Viveca Lindqvist, Ivan Agueli 186p—ip 17, Ausstellungskatalog des Centre culturel suedois, Paris 1983, S. 6. x9i Zu Bernard und der Theosophie siehe Jean-Pierre Laurant, »La >non-conversion< de Rene Guenon (1886-1951)«, in: Jean-Christophe Attias (Hg.), De la conversion, Paris 1998, S. 133-139, hier S. 135. Er hielt auch an einer etwas theosophischen Version des Perennialismus fest. Im Jahr 1907 schrieb er den man­ gelnden Erfolg derTheosophie bei Muslimen der Tatsache zu, dass »keinTheosoph wirklich die Geheimlehren des Islam kannte und daher die Theosophie

Anhang

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in muslimischen Formeln nicht entdecken konnte«. Nachruf auf Colonel 01cott, II Convito 2 (1907), S. 62-64, Nachdruck in Rocca, Abdul-Hadi. Ecrits, S.XIII. 192 Marie Huot, Les courses de taureaux ä Paris, 1887,188p, iSpo. Conferencefaxte le mercredi 11 juin i8poy ä la salle des Capucines, Paris 1890; Alphonse Seche, Les muses frangaises. Anthologie des femmes poetes (XXe siecle), Paris 1908, S. 162; Lindqvist, Ivan Agueli, S. 8. 193 Seche, Les muses frangaises, S. 162. In der AN 2 findet sich ein Gedicht von Huot. 194 Hilary Hocking, Ingrid Holmgren, Ivan Agueli, Sala o. J., S. 2. 195 Aguelis Lehrer Bernard verbrachte die Jahre 1894-1904 in Ägypten, doch diese Tatsache scheint nicht der Grund für Aguelis Reise nach Ägypten gewesen zu sein, da Agueli in diesen Jahren kaum gemalt hat. 196 Rocca, Abdul-Hadi. Ecrits, S. XVI, und Chacornac, Vie simple, S. 45. 197 Lindqvist, Ivan Agueli, S. 8. Zu Aguelis Karriere siehe auch Chacornac, Vie simple, S. 42-48. 198 Salvatore Bono, Orientalismo e Colonialismo. La ricerca di consenso in Egittoper Vimpresa di Libia Rome 1997, S. 33—37 und S. 58-61. 199 Bono, Orientalismo, S. 42—44 und S. 47—50. 200 Ein Mufti ist in erster Linie ein Gelehrter, wird aber oft in eine politische Rolle gedrängt. Muhammad Illaysh nahm an dem von Oberst Ahmad Urabi geführ­ ten antieuropäischen Aufstand des Jahres 1881 teil. Nachdem 1882 die britische Armee, die bis 1956 in Ägypten blieb, Urabis Streitkräfte besiegt hatte, wurde Muhammad Illaysh festgenommen und starb im Gefängnis. Knut S. Vikor, Sufi and Scholar on the Desert Edge. Muhammad b. Ali al- Sanusi and his Brotherhood, London 1995, S. 250 f. 201 Der Bericht von Abd al-Rahmans engen Beziehungen zu Abd al-Qadir in Da­ maskus ist zweifelhaft, weil unklar bleibt, woher Välsan seine Informationen erhielt. Zudem behauptet Valsan, Abd al-Rahman sei in der Lage gewesen, nach der Amnestie durch Königin Victoria nach Kairo zurückzukehren, was unmög­ lich der Fall sein kann. Siehe Michel Välsan, Lislam et lafonction de Rene Guenon. Recueilposthume, Paris 1984, S. 35. 202 Siehe K. Paul Johnson, The Masters Revealed. Madame Blavatsky and the Myth ofthe Great White Lodge, Albany, N.Y. 1994, S. 68 f. 203 Bono, Orientalismo, S. 57; Rocca, Abdul-Hadi. Ecrits, S.XIII-XIV. Äthiopien besitzt nur eine muslimische Minderheit. 204 Välsan, Lislam et lafonction de Rene Guenon, S. 37. 205 Fred De Jong, Turuq and Turuq-linked Institutions in Nineteenth Century Egypt. A Historical Study in Organizational Dimensions o f Islamic Mysticism, Leiden 1978, S. 27 E, S. 113 und S. 173f. 206 Laurant, »Non-conversion«, S.135; Rocca, Abdul-Hadi. Ecrits, S. VIII und S. IXf. t

Anmerkungen

443

207 Roger Shattuck, The Banquet Years. The Origins o f the Avant Garde in Paris, 1885 to World War!, New York 1968, S. 24, S. 211 und S. 215. 208 Lesley Bianch, The Wilder Shores ofLove, London 1955, S. 275 £ 209 Siehe Isabelle Eberhardt, Departures. Selected Writings Translated from the French, San Francisco 1994. 210 Bianch, Wilder Shores ofLove, S. 275-278. 211 Sanua war ein Journalist und Sprachlehrer von politisch radikaler Gesinnung, der in seiner Jugend die italienischen Nationalisten, die Carbonari, unterstützt hatte und später den antikolonialen islamischen Nationalismus von Jamal alDin al-Afghani beförderte. Er gehörte in Kairo derselben Freimaurerloge an wie al-Afghani, und als al-Afghani nach Paris ging, war es Sanua, der ihm Franzö­ sisch beibrachte. Johnson, Masters Revealed, S. 52—55; K. Paul Johnson, Initiates ofTheosophicalMasters, Albany, N.Y. 1995, S. 77. 212 Johnson, Initiates, S. 168 und S. 171h 213 Diese Darstellung von Eberhardt in Algerien setzt sich aus verschiedenen Quel­ len zusammen und ist eine Art Rekonstruktion. Insbesondere siehe Bianch, Wilder Shores ofLove; und Karim Hamdy, »The Intoxicated Mystic. Eberhardt s Sufi Experience«, in: Departures. Selected Writings, San Francisco 1994, S. 225— 242. Ebenfalls verwendet habe ich Tanya Moniers unveröffentlichten Vortrag, »Isabelle Eberhardt, Colonial Heretic«, der am 22.-24. November 1997 auf der Jahrestagung der Middle East Studies Association in San Francisco gehalten wurde. 214 Johnson, Initiates, S. 171. 215 Der Ausdruck »Sufiorden«, tariqa auf Arabisch, kann in doppeltem Sinne ver­ wendet werden: entweder um eine besondere Gruppe von Sufis zu bezeichnen, die einem bestimmten Scheich folgen, oder um eine spirituelle Abstammung zu beschreiben. Eine umfassendere Einführung in den Sufismus findet sich in meiner kurzen Arbeit Sufism. The Essentials, Kairo 2000; siehe auch AN 3. Zur Rahmaniyya und den Kontakten Eberhardts siehe Julia A. Clancy-Smith, Rehei and Saint. Muslim Notables, Populist Protest, Colonial Encounters (Algeria and Tunisia, 1800-IP04), Berkeley 1994, S. 217-222 und S. 233-248.

216 Eberhardt war nicht der erste Gast aus Frankreich, der Bu Sada besuchte. Im Jahr 1884 war der anschließend gefeierte orientalistische Maler Etienne Dinet mit einer entomologischen Expedition dorthin gekommen und dort Muslim geworden. Siehe Denise Brahimi, Les terrasses de Bou-Saada, Agier 1986. 2*17 Bianch, Wilder Shores ofLove, S. 298 f. 2.18 Dieser Behauptung würden die zahlreichen Anhänger solcher Lehrer wie Inayat Khan und Autoren wie Idries Shah nicht zustimmen. Doch aus sachlich his­ torischer Sicht gibt es in der islamischen Welt keinen nichtislamischen Sufis­ mus. Natürlich entstehen gelegentlich sektiererische Bewegungen, aus denen sich nichtislamische Gruppen formieren, die zuweilen im Sufismus wurzeln, so wie immer und überall neue religiöse Bewegungen auftauchen.

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Anhang

219 Sebottendorfs Alter Ego, Erwin Torre, schließt aus der Lektüre von Rumis Mathnawi, dass das Christentum im Grunde das Gleiche ist wie der Islam, und er gelangt zu einer Einsicht in die »Einheit des spirituellen Wesens mit Gott«. Rudolf von Sebottendorf, Der Talisman des Rosenkreuzers, Pfullinger 1925, S. 37. Er vertritt außerdem den Standpunkt, dass Europa der »orientalischen Kultur« mehr bedürfe als die Türkei der Verwestlichung, und das Buch beginnt mit zahlreichen Standarddenunziationen des westlichen Materialismus, die zu einer »orientalischen Spiritualität« in Gegensatz gestellt werden. Die verschiedenen türkischen und ägyptischen Personen, die Sebottendorf zu Beginn des Buches vorstellt und Erläuterungen zur »orientalischen Spiritualität« abgeben lässt, hät­ ten ihm in Wirklichkeit mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit eine Formis­ lamischer Orthodoxie gepredigt. »Orientalische Spiritualität« ist natürlich ein westliches Konzept, kein orientalisches. 220 Sebottendorf behauptete, er sei im Erwachsenenalter von einem älteren Frei­ herrn von Sebottendorf adoptiert worden, wofür es außer seiner Behauptung keinen anderen Beleg gibt. Nicholas Goodrick-Clarke, Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Graz 2000, S. 125f. 221 Sebottendorfs Lebenslauf wird hier mit der gebotenen Vorsicht nacherzählt, zum Großteil auf der Grundlage eines autobiographischen Romans (von Se­ bottendorf, Talisman), dessen erster Teil eher romanhaft ist, wohingegen die Schilderungen ab dem Jahr 1908 deutlicher autobiographische Züge aufweisen. Siehe auch Goodrick-Clarke, Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, S. 121-135. 222 Von Sebottendorf, Talisman, S. 53-55. 223 Es gab nach dem Verbot des Ordens im Jahre 1826 enge Beziehungen zwi­ schen vielen Bektashi und türkischen Freimaurern, insbesondere nach 1839, wobei viele osmanische Liberale Bektashi und Freimaurer zugleich waren. Siehe Irene Melikoff, Hadji Bektach. Un mythe et ses avatars, Leiden 1998, S. 241-244; Thierry Zarcone, Mystiques, philosophes etfrancs-magons en Islam. Riza Tevfiq, penseur ottoman (1868—1948), du soufisme a la confrerie, Paris 1993. 224 Die Variante der von Sebottendorf beschriebenen Numerologie basiert aufder Interpretation der Buchstaben alif, lam und mim im Qur an. Der Schlüssel dazu soll eine uralte Tafel indischen Ursprungs gewesen sein, die dem Prophe­ ten überreicht wurde, der sie dann an seinen Nachfolger Abu Bakr weitergab und dieser wiederum dem Ali vermachte. Die darin enthaltenen Geheimnisse gelangten somit durch Ali zu gewissen Sufiorden. Sebottendorf, Talisman, S. 71 und Sebottendorf, Die Praxis der alten türkischen Freimaurerei. Der Schlüssel zum Verständnis der Alchimie, Freiburg im Breisgau 1954, S. 12f. Diese Überlie­ ferung ist unter den Sufis gewiss nicht weit verbreitet. Ich fand sie sonst nir­ gends erwähnt, obwohl sie zu jener Zeit unter den Bektashi die Runde gemacht haben mag. 225 Erwin Torre empfing die »Kordel« des Bektashi-Ordens von einem Bektashi-

Anmerkungen

445

Scheich, mit dem er nach dem Morgengebet Arabisch- und Qur’anlesen gelernt hatte. Aus dem Zusammenhang zu schließen mag dies vielleicht das wird , die tägliche Übung bedeuten, die normalerweise mit der Aufnahme in einen SufiOrden erteilt wird. Auf die Frage: »Glaubst du an Gott?« antwortete Erwin: »Ja, ich glaube, dass Gott Einer ist«, was ebenso gut eine Bestätigung des muslimi­ schen Gottesbegriffs sein kann wie Ausdruck der perennialistischen Auffassung. Sebottendorf, Talisman, S. 50f. Das wird (die Übung), die Erwin erhielt, hat kaumÄhnlichkeit mit anderen Sxxli-awrad\ die ich kenne, und der ganze Vorfall ähnelt in keiner Weise irgendeiner der Bektashi-Zeremonien, wie sie bei Melikoff, Hadji Bektach, beschrieben sind. An anderer Stelle (Sebottendorf, Talis­ man, S. 34) lässt Sebottendorf seine Vertrautheit mit der Praxis von Nicht-Bektashi-Sufis durchblicken, und er hat vermutlich eine Nicht-Bektashi-Sufi-Praxis in einen fiktiven Bektashi-Kontext gesetzt. Seine Kenntnis ist weniger die eines Insiders als die eines informierten Außenseiters. 226 Sebottendorf, Talisman, S. 73-78. Paradoxerweise könnte Sebottendorf 1910 in Istanbul seine eigene Pseudofreimaurerloge eingerichtet haben, die allerdings erfolglos blieb. 227 Sebottendorf, Praxis der alten türkischen Freimaurerei, S. 9 f. 228 Boulet, »Uesoteriste Rene Guenon«, S. 18 und S. 26 f. 229 Michel Chodkiewicz, der französische Ibn al-Arabi Spezialist, hat einige der Übersetzungen Aguelis aus dem Arabischen kritisiert und hat zweifelsohne Recht. Ich behaupte auch nicht, dass Agueli ein erstklassiger Gelehrter war, wie Chodkiewicz einer ist, sondern lediglich, dass er weit mehr war als ein Amateur. Siehe Chodkiewicz, »L’fFrande au Prophete’ de Muhammad al-Burhanpuri«, in: Connaissance des religions (Juni-Sept. ip88), S. 30-40, insbesondere S. 30. 230 Laurant, »Non-conversion«, S. 136. 231 Besonders Stanislas de Guaita, 1888 Erneuerer des kabbalistischen Ordens vom Rosenkreuz (Ordre Kabbalistique de la Rose-Croix). James Webb, The Occult Underground, La Salle 1974, S. 174. 232 Andre, Beaufils, Papus, S. 160 und S. 168. 233 Katalog der Bibliotheque nationale de France. 234 Boulet, »L’esoteriste Rene Guenon«, S. 22. 235 Chacornac, Vie simple, S. 46. 236 Clavelle [Reyor], »Document confidentiel«; Andre, Beaufils, Papus, S. 338. 23 7 Lindqvist, Ivan Agueli, S. 10 und S. 30. Subversiv war er in den Augen der Bri­ ten, die sich damals mit dem mit den Mittelmächten verbündeten Osmanischen Reich im Krieg befanden. 238 Chacornac, Vie simple, S. 47 f. 239 Lindqvist, Ivan Agueli, S. 5, S. 8 und S. 10 f. 240 Das Agueli-Museum in Sala wurde 1962 gegründet (Hocking, Holmgren, Ivan Agueli, S. 3f.). Der Roman war Torbjörn Säfves Ivan Agueli. En roman omfrihet, Stockholm 1981. Scheinbar trat Agueli vom Islam zu der neuen Bahai-Religion

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über. Siehe Laurants »Non-conversion« sowie Axel Gauffin, Ivan Agueli. Mätiniskan, mystikem, mälaren, Stockholm 1940-41. 241 Er soll angeblich noch ein weiteres religiöses Werk verfasst haben, Sainte Thirhe de Lisieux, das eine Rückkehr zum Katholizismus bekundet, vgl. Laurant, Matgioi, S. 93. Dieses Buch ist jedoch in der französischen Nationalbibliothek nicht zu finden, und de Pouvourvilles Neffe, Guy de Pouvourville, brachte in einem Gespräch mit Jean-Pierre Laurant den Zweifel zum Ausdruck, dass sein Onkel sich erneut der Kirche zugewandt haben sollte. Für diese Information bin ich Jean-Pierre Laurant zu Dank verpflichtet. 242 Siehe auch Albert de Pouvourville, Lhomme qui a mis les Boches dedans, Paris 1919, La grejfe, Paris 1922 sowie Chasseur de pirates, Paris 1928. 243 Andre, Beaufils, Papusy S. 324-334. 244 James, Esoterisme, Occultisme, S. 96 f. 245 Andre, Beaufils, Papusy S. 338 und S. 340-342.

Z W E IT E R T E IL

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Noele Maurice-Denis Boulet, »L’esoteriste Rene Guenon. Souvenirs et jugements«, in: La pensee catholique. Cahiers de synthese 77 (1962), S. 17-42, hier S.41. Noele Maurice-Denis Boulet, »L’esoteriste Rene Guenon. Souvenirs et jugements«, in: La pensee catholique. Cahiers de synthese 78-79 (1962), S. 139-162, hier S. 140. Guenon an Charbonneau-Lassay, 18. Marz 1929 und 11. April 1929, Nachdruck in PierLuigi Zoccatelli, Le lievre qui rumine-autour de Rene Guenon> Louis Charbonneau-Lassay et la Fratemite du Paraclet, Mailand 1999, S. 53 und S. 58f. Aus Guenons Antwort (11. April 1929) auf einen fehlenden Brief Charbonneau-Lassays geht hervor, dass Charbonneau-Lassay versuchte, Frangoise mit der Begründung zu entschuldigen, sie habe sich abgeschnitten gefühlt. Boulet, »L’esoteriste Rene Guenon«, 77, S. 41. Vgl. Schluss bei Robin Waterfield, Rene Guenon and the Future ofthe West. The Life and Writings o fa zoth-Century Metaphysician, o. O. 1987. Shillitos Mann war etwa zur gleichen Zeit verstorben wie die Frau Guenons. Paul Chacornac, La vie simple de Rene Guenon, Paris 1986, S.9if. Chacornac nennt Shillito »Madame Dina« und ihren Mann »Hassan Farid Dina«, ist aber offenbar durch den Usus ägyptischer Namen verwirrt. Nach ägyptischem Brauch wird »Madame« nicht dem Familiennamen, sondern dem Vornamen vorangestellt, und Dina ist ohnehin ein weiblicher Vorname, kein Familien­ name. Verheiratete Frauen behalten auch nach der Eheschließung ihren Fami-

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licnnamen. Shillitos Ehemann hätte folglich Hassan Farid geheißen, und er war bekanntlich ein Ingenieur. Wenn Shillito den ägyptisch-muslimischen Vorna­ men Dina angenommen hat, muss sie sich zum Islam bekannt haben, sonst hätte sie ihren ursprünglichen Namen Mary beibehalten, der sich leicht zu »Maryam« arabisieren lässt. Wegen ihrer Heirat mit Hassan Farid hätte sie nicht zum Islam übertreten müssen, da Muslime christliche oder jüdische Frauen hei­ raten dürfen, was in Ägypten zuweilen vorkommt. Sie muss also aus Überzeu­ gung konvertiert sein. Maurice Clavelle [Jean Reyor], Document confidentiel inedit, unveröffentlichtes Typoskript, Privatsammlung. Waterfield, Rene Guenon, S. 56. Faruq al-Hitami, Interview, Kairo (2001). Chacornac, Vie simple, S. m. Nach ägyptischem Recht richtete sich die Natio­ nalität nach dem Vater. Die Nationalität der Mutter und der Ort der Geburt waren irrelevant. Guenons Kinder hätten daher von Geburt an eine Aufent­ haltsgenehmigung benötigt. Ganz offenbar war es, um sie von dieser Auflage zu entlasten, dass Guenon die ägyptische Staatsbürgerschaft annahm, und nicht wegen irgendeiner Art des ägyptischen Patriotismus. Siehe auch S. 93 f. Er war keineswegs der erste noch der letzte Westler, der diese Entdeckung machte. Trotz ihrer vielen Probleme sind viele Wesder von der Stadt Kairo be­ zaubert, und der geplante Besuch weniger Tage wird manchmal zum jahrzehn­ telangen Aufenthalt. Doch nur wenige von ihnen werden Muslime. Für die meisten liegt der Reiz in dem, was ein Traditionalist als die »traditionelle Le­ bensweise« bezeichnen würde, auch wenn sie selbst nicht all ihre Aspekte ausle­ ben. Jean-Louis Michon, »Dans l’intimite de Cheikh Abd al-Wahid —Rene Gue­ non - au Caire, 1947—49«, in: Sophia 3,2 (1997X Nachdruck in Xavier Accart (Hg.), LErmite de Duqqi. Rene Guenon en marge des milieux francophones egyptiens, Mailand 2001, S. 258. Siehe insbesondere Rene Alleau, Marina Scriabine, Actes du colloque internatio­ nal Rene Guenon et Vactualite de la pensee traditionnelle de Cerisy-la-Salle. 15—20 juillet 1973> Mailand 1980.

15 Michon, »Dans find mite de Cheikh Abd al-Wahid«, S. 256. *6 Eine weitere Besonderheit ist wohl nur scheinbar eine solche: Bei Accart, Ermite de Duqqi (Tafel 25) gibt es ein Photo des bestimmten Winkels im Hause Guenons, in dem er das rituelle Gebet verrichtete. Boden und Wände sind mit Strohmatten bedeckt, wie in Nordafrika üblich, nicht aber in Ägypten, und eine Kerze steht da, wie in türkischen Moscheen, aber fiir gewöhnlich nicht in ägyptischen. Ein anonymer Informant berichtet, Guenon habe sich an die normalen muslimischen Bräuche gehalten, wobei ein Gebetsteppich an einem geeigneten Platz ausgebreitet und nach dem Gebet wieder zusammengefaltet wird. In Anbetracht der nicht-ägyptischen Elemente auf diesem Photo, das

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erst nach Guenons Tod, aufgenommen wurde, ist es denkbar, dass der Photograph diese »Gebetsnische« als einen sichtbaren Beweis der Frömmigkeit Guenons eingerichtet hat, und nicht Guenon selbst. 17 Muhammad Guenon, Interview, Kairo (1997). Er hatte sich auch der Qadiriyya angeschlossen, nach Seyyed Hossein Nasr, »Frithjof Schuon et la tradition islamique«, in: Bernard Chevilliat (Hg.), FrithjofSchuon ipo/-ipp8. Etudesettemoignages, Avon 1999, S. 126. 18 Dieses Urteil beruht auf Michael Gilsenan, Saint and Sufi in Modem Egypt. An Essay in the Sociology o f Religion, Oxford 1973. 19 Guenon an Schuon, 28. November 1932. Diesen Verweis verdanke ichJean-Baptiste Aymard. 20 Eine Sufi-Beteiligung an der Politik ist wahrscheinlich fast ebenso alt wie der Sufismus selbst. 21 Guenon, in: Etudes traditionnelles, 1948, Zitat aus Jean-Pierre Laurant, »La >non-conversion< de Rene Guenon (1886-1951)«, in: Jean-Christophe Attias (Hg.), De la conversion, Paris 1998, S. 133-139, hier S. 139. Guenon schrieb fast genau dasselbe in einem Brief an Alain Danielou, 27. August 1947, zitiert bei Thierry Zarcone, »Relectures et transformations de Soufisme en Occident«, in: Diogene 187 (Januar 2000), S. 145-60. Den Ausdruck »einziehen« (sinstaller) verwendet Guenon auch anderswo; Zarcone macht auf seine Bedeutung in »Relectures et transformations« aufmerksam. 22 Guenon, Brief an Pierre Colard, 1938, Zitat aus Laurant, »Non-conversion«, S. 139. 23 Igor Volkoff, »Voyage ä travers ia bibliotheque de Rene Guenon«, in: Egypte nouvelle vom 9. Oktober 1953. Nachdruck in Accart, Ermite de Duqqi. Siehe S. 220 f. Es werden hier keine arabischen Bücher erwähnt, und in den i98oern gab es in Guenons Bibliothek auch keine, wie zwei Zeugen bestätigen. Es ist natürlich möglich, dass es doch einige gegeben hat, die Volkoff nicht bemerkt hat, und die in den 1980er Jahren bereits verkauft worden waren. 24 Dies war Michel Välsan, siehe Kapitel 5 und 6 (Michel Chodkiewicz, Interview, Loire Tal (2000). 25 Dieser Gedanke drängt sich auf (laut Accart, Ermite de Duqqi, S. 169) ange­ sichts des ungelenken und ungeformten Schriftbilds seiner Unterschrift aufsei­ nem Antragsgesuch auf ägyptische Staatsbürgerschaft, welche das einzige Bei­ spiel eines arabischen Schriftstücks von seiner Hand ist. Ich habe diese Unterschrift selbst nicht gesehen, doch in seiner Korrespondenz verwendete Gu6non arabische Schrift für rituelle Wendungen wie die basmalat und bei die­ sen ist sein Schriftzug durchaus wohlgeformt, wenngleich möglicherweise nicht sehr ausgeschrieben. 26 Alleau, Scriabine, Actes, S. 47 und S. 91. 27 Indien: Alain Daniölou (siehe Kapitel 6). Guenons Hauptkorrespondent in Brasilien war Fernando Guedes Galväo, der 1948 die erste portugiesische Überl953»

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Anmerkungen

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Setzung von La crise du monde moderne veröffentlichte. Es gab noch bis Ende des Jahdiunderts eine traditionalistische Präsenz in Brasilien, zuletzt unter Luiz Pontual (Luiz Pontual, E-Mail, n. August 2000). 28 Zum Angriff siehe Chacornac, Vie simple, S. 99. Für die Erklärung siehe Michon, »Dans l’intimite de Cheikh Abd al-Wahid«, S. 257. 29 Martin Lings, Interview, London (1996). 30 Michon, »Dans Tintimite de Cheikh Abd al-Wahid«, S. 258. 31 Marie-France James, Esoterisme, Occultisme, Franc-Magonnerie et Christianisme aux XIX et XXsiecles. Explorations bio-bibliographiques, Paris 1981, S. 231—233; Jean-Baptiste Aymard, »Frithjof Schuon (1907-1998). Connaissance et voie d’interiorite. Approche biographique«, in: Bernard Chevilliat (Hg.), Frithjof Schuon 1907—1998. Etudes et temoignages, S. 39; ebenso Accart, Ermite de Duqqi, S. 51f. Siehe auch Valentine de Saint-Point, »Rene Guenon«, in: UEgypte nouveile, 25. Januar 1952, Nachdruck in Ermite de Duqqi, S. 157 sowie Jean Moscatelli, Brief an die Redaktion von France-Asie, 28. April 1953, Nachdruck in Er­ mite de Duqqi, S. 213. 32. Sadek Sellam, »Un frere des hommes«, in: Najm-oud-Dine Bammate (Hg.), LUslam et VOccident. Dialogues, Paris 2000, S. 13-15. 33 Faruq al-Hitami, Interview (Kairo 2001). 34 Thierry Zarcone, »Le cheikh al-AzharAbd al-Halim Mahmud et Rene Guenon: entre soufisme populaire et soufisme d’elite«, in: Accart, Ermite de Duqqi, S. 274-276. 35 Diese Ansicht wird hauptsächlich von Ibrahim M Abu-Rabi’ vertreten vgl. »AlAzhar Sufism in Modern Egypt. The Sufi Thought«, in: Islamic Quarterly 32 (1988), S. 207-235. Viele der angeblich traditionalistischen Einstellungen Mah­ muds könnten aus jeder beliebigen Quelle stammen. Jedes Mal, wenn AbuRabi’ eine bestimmte traditionalistische Ansicht Mahmuds anfuhrt, verweist die Fußnote auf ein Werk Guenons und nicht Mahmuds, mit Ausnahme eines Falls, in dem das zitierte Werk Mahmuds gar nicht zu existieren scheint (die Angabe in der Fußnote ist unvollständig). 36 Martin Lings, Interview (London 1996). 37 Abd al-Halim Mahmud, »Al-’arif bi’Llah shaykh Abd al-Wahid Yahya«, in: Mahmud, Al-madrasa al-Shadhiliyya al-haditha wa imamha Abu l-Hasan alShadhili, Kairo o. J., S. 229-254. Meine Schlussfolgerungen wurden 2001 durch Gespräche mit Hatsuki Aishima bestätigt, damals Doktorandin an der Univer­ sität Kyoto, die an einer Doktorarbeit über Mahmud arbeitete. Aishima hatte in Mahmuds Werk keine Ausführungen zu Themen gefunden, die fiir einen Traditionalisten typisch gewesen wären. 38 Al-Marifa wurde von Mustafa Abd al-Raziq herausgegeben, dem Shaykh alAzhar 1945-47. Siehe Accart, Ermite de Duqqi, S.47. Al-Raziqs Amtszeit an al-Azhar war eher eine Zeit der Refom als der Tradition. 39 Ahmad Badawi, Interview (Kairo 1998).

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40 Zitiert nach Albert Hourani, Arabic Thought in the Liberal Age, 1798-1939, Cambridge 1983, S. 328 f. Mein Dank für dieses Zitat gilt Mona Abaza. 41 Accart, Ermite de Duqqi, S. 45. 42 Dies ist eine unbewiesene Annahme, beruhend auf dem Wandel in den Schrif­ ten Guenons. 43 Rene Guenon, Aperqus sur Vinitiation, Paris 1946. 44 Clavelle, »Document confidentiel«. 45 Clavelle, Dokument ohne Titel, Nachdruck in Zoccatelli, Lievre, S. I 2 i f . Der Name Barbots und einige andere Details aus Stefano Salzani, PierLuigi Zocca­ telli, Hermetisme et emblematique du Christ dans la vie et dans Voeuvre de Louis Charbonneau-Lassay (1871-1946), Mailand 1996, S. 64 und S. 66-69. Reyors Dokument gibt den Namen als Estoile interneile an, aber dabei muss es sich wohl um einen Druckfehler handeln —bei E. Mila steht etemelle, vgl. Mila, »Charbonneau-Lassay y el esoterismo catolico en el siglo XX«, in: Disidencias. OnLine Press, URL: http://members.es.tripod.de/disidentes/arti44.htm (Web­ site nicht mehr verfügbar), dort Fußnote 86. 46 Reyor in C. Tacou (Hg.), Mircea Eliade, Paris 1978), S.m f. Nach PierLuigi Zoccatelli, (E-Mail, 2. Juli und 4. Juli 2001) deutet das Tagebuch CharbonneauLassays darauf hin, dass er die Fraternite des Chevaliers du Divin Paraclet wie­ derzubeleben versuchte, um zu verhindern, dass die Menschen vom Christen­ tum abfielen. 47 Reyor in Zoccatelli, Lievre, S. 123, und Mila, »Charbonneau-Lassay«, vgl. S.86 und 291. 48 Ebd.; Reyors Vorschlag in Salzani, Zoccatelli, Hermetisme et emblematique, S.79. 49 Brief von Thomas an Abbe Andre Gircourt, 24. Juni 1947, Nachdruck bei Zoc­ catelli, Lievre, S. 137 f. Die Beschreibung der Praktiken selbst ist in ebd. wieder­ gegeben, S. 127-133. 50 Sie wurden oft als »la Thomasine« bezeichnet. Siehe Zoccatelli, E-Mail. 51 Charbonneau-Lassay, Brief an Abbe Andre Gircourt, 16. Januar 1946. Nach­ druck in Zoccatelli, Lievre, S. 65 £ 52 Mila, »Charbonneau-Lassay«. 53 Sofern nicht anders angegeben, stammen die Informationen über die französi­ sche Freimaurerei und die Rolle des Traditionalismus aus Interviews mit Claude Gagne und Pierre Mollier sowie aus Gesprächen mit anderen französischen und ausländischen Freimaurern. Da ich selbst kein Freimaurer bin, waren meine Informanten im Umgang mit mir zu einiger Umsicht verpflichtet. Ich möchte mich bei meinen Informanten für ihre unerschütterliche Höflichkeit im Um­ gang mit einem »profanen« Interviewer bedanken. Auch möchte ich meine Leser darauf aufmerksam machen, dass ich in diesem Abschnitt in ungewöhn­ lichem Maße auf unbestätigte Belege und spekulative Rekonstruktionen ange­ wiesen bin.

Anmerkungen

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54 Clavelle, »Document confidentiel«. 55 Diese Information verdanke ich Jean-Pierre Laurent. 56 Napoleons Bruder Joseph, verschiedene Generäle und der Polizeichef Fouche waren alle Freimaurer. Antonio Coen, Michel Dumesnil de Grammont, La Franc-Magonnerie Ecossaise, Nizza 1946, S. 23 und S. 27 h 57 Oswald Wirth, La Franc-Magonnerie rendue intelligible ä ses adeptesy3 Bde., hier Bd. 2: Le compagnon, Paris 2000 (1931), S. 22 f. 58 »Die Freimaurerei [...] lehrt die Menschen, sich auf Erden kollektives Glück zu errichten, ohne dass sie ihnen verbietet, an ein zukünftiges Leben zu glauben, so sie dies wünschen.« Vgl. ebd., Bd. 2, S. 51. 59 Ebd., Bd. 2, passim. 60 Ebenfalls Guenons Verdienst anerkennend, vgl. Pierre Chevallier, Histoire de la franc-magonneriefrangaise, Bd. 3: La Magonnerie. Eglise de la Republique (1877— IP 4 4 ), Paris 1975, S. 405. 61 Wirths Ansichten zu vielen Themen stimmen kaum überein mit den Ansichten Guenons oder mit denen eines jeden beliebigen gläubigen Muslims, Juden oder Christen. Er behauptet beispielsweise, dass die menschliche Seele nichts Abso­ lutes sei: Sie könne durch »Zorn, Trunkenheit oder Wahnsinn abgeändert wer­ den«, und dass »das Individuum eine kurzlebige und spezifische Manifestation der Spezies ist, die nur dadurch ein umfassenderes Leben besitzt, dass sie mit dem großen allumfassenden Leben verbunden ist«. Nur die Beteiligung an der Gesamtheit der Menschheit kann uns die Unsterblichkeit geben, da nur die Menschheit als Ganzes unsterblich ist. Siehe Wirth, Franc-Magonnerie rendue intelligibleyBd. 2, S. 83f. 62 Jean-Pierre Laurent, »Rene Guenon (1886-1951) et la Franc-Mag:onnerie«, in: Travauxde Villardd’Honnencourt 9 (1984/2), S. 15-20, hier S. 17. 63 J. Corneloup, Je ne sais quepeler, Paris 1971, S. 99 f., sowie Denys Roman, Rene Guenon et les destins de la Franc-Magonnerie, Paris 1982, S. 159. 64 William Stoddart, »Titus Burckhardt, An Outline of his Life and Works«, in: Titus Burckhardt (Hg.), Mirror ofthe Intellect. Essays on Traditional Science and SacredArt> Cambridge 1987, S. 3 und S. 5. 65 Frithjof Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, Privatdruck, Schweiz 1974, S.12. 66 Wenn im Folgenden keine andere Quelle angegeben ist, stammen die Informa­ tionen aus Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, und von Harald von Meyenburg, Interview (Lausanne 1998). 67 Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 7, ergänzt durch Aymard, E-Mail, 3. Februar 2003. In Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, wird verschiedentlich ange­ deutet, dass Schuons Vater an Spiritualität und an den Veden Interesse hatte. 68 Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 7. 69 Ebd. 70 Schuon an Albert Oesch, 1932, zitiert in Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 12.

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71 Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 12; Nasr, »Frithjof Schuon«, S. 124t 72 Den Vornamen hatte sein Vater wegen seiner norwegischen Freunde gewählt. Schuon, Erinnemngen und Betrachtungen, S. 13f. Siehe AN 1. 73 Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 6. 74 Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 41 und S. 57; Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 7. 75 Diese Bekehrung war offenbar vor dem Tod von Schuons Vater vereinbart wor­ den, da Schuons Vater den Wunsch geäußert hatte, seine Kinder sollten vor seinem Tod katholisch werden. Aymard, E-Mail. 76 Schuon, Erinnenmgen und Betrachtungen, S. 6 f. und S. 12. 77 Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 7. 78 Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 48 f. 79 Ebd., S. 7. 80 Ebd., S. 40. 81 Das Auftreten dieses ungewöhnlichen Ausdrucks im Namen der Bruderschaft Charbonneau-Lassays und in Schuons Tagebuch ist auffallend. Ich habe jedoch keine Verbindung zwischen den beiden finden können und nehme daher an, dass es ein Zufall ist. Der Begriff ist jedoch nicht völlig obskur, vor allem im katholischen Kontext. Er kommt mehrmals im Johannesevangelium vor. 82 Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 66. 83 Was die Zusammenkünfte und Besuche Schuons bei ihnen anbelangt, vgl. Meyenburg, Fax, Juli 2002. Meyenburg legt nicht fest, wer zu der Gruppe ge­ hörte. Aymard (E-Mail) geht davon aus, dass es die von Hans und Ernst Küry gegründete Gruppe war, zwei Brüder, mit denen Schuon sich schrieb, die aber keine wichtige Rolle in der späteren Geschichte der Alawiyya gespielt haben. 84 Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 100. Aymard (E-Mail) datiert diese Ereignisse auf das Jahr 1934, Schuon aber beschreibt das Ereignis im Zu­ sammenhang mit der Abfassung seines Gedichts Du bist der Traum. Dieses wurde geschrieben, bevor er von Basel nach Lausanne zog. Vgl. Erinnerungen und Betrachtungen, S. 97 und S. 99. 85 Martin Lings, A Sufi Saint ofthe Twentieth Century. Shaikh Ahmad al-Älawi, His Spiritual Heritage and Legacy, London, 1971, insbesondere S. 63-66. 86 Dieser jemenitische Seemann war Muhammad Qasim. Bei seinemTod imJahre 1999 schickte der jemenitische Präsident seinen Bruder zu Muhammad Qasims Beerdigung nach England. Siehe Muhammad al-Maysali, Nachruf von Muhammad Qasim al-Alawi, The British-Ycmeni Society Website, http://www. al-bab.com/bys/obits/alawi.htm, letzterAufruf4. Juli 2001, Text nicht mehrvor­ handen. 87 Der Grund fiir diesen Argwohn war nicht etwa, dass die Sufiorden militäri­ sche Organisationen waren, die sich dem jihad geweiht hatten, sondern dass cs außer den Sufi-Orden nichts mehr gab, was einem Widerstand die organi­ satorische Grundlage bieten konnte, nachdem die Franzosen die staadichen

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Institutionen und Instanzen Nordafrikas zerstört oder in Besitz genommen hat­ ten. 88 Robert Caspar berichtet in »Mystique musulmane. Bilan d’une decennie (1963— I973)«, in: I n s titu t d e B eiles L ettres A ra b es 135 (1975), S. 81£, von der Beliebtheit, doch es fällt ihm schwer, diese zu erklären. Über Propst Biraben, Jean-Pierre Laurant, E-Mail, 11. Oktober 2001. 89 Lings berichtet, dass die Matrosen ihm das Ticket gekauft hätten, vgl. Lings, Interview. Von Dechend erinnert sich jedoch, dass sie ihm das Ticket kaufte (Aymard, E-Mail, aufseine Unterredung mit von Dechend Bezug nehmend). 90 Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 14. 91 Eine sehr schöne Beschreibung der z a w iy a findet sich in einem Brief Schuons von Anfang Januar 1933, abgedruckt in Schuon, E rin n e ru n g e n u n d B e tr a c h tu n ­ gen, S. 73. 92 Ebd., S. 71f. 93 Ebd., S. 71-74 und S. 77. 94 Ebd., S. 8, S. 71 und S. 74. 95 Ebd., S. 8. 96 Von Meyenburg, Interview (Lausanne 1998). 97 Burckhardt, unbenannter Text, zitiert in Schuon, E rin n e ru n g e n u n d B e tra c h ­ tungen , S. 87 h 98 Schuon, E rin n eru n gen u n d B etra ch tu n g en , S. 84 sowie Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 17. 99 Al-Alawi werden allgemein universalistische Ansichten zugeschrieben, wobei nicht klar ist, in welchem Ausmaß oder auf welcher Ebene. 100 Schuon, E rin n eru n gen u n d B etra ch tu n g en , S. 84. 101 Burckhardt in Schuon, E rin n eru n g en u n d B etra ch tu n g en , S. 86 und S. 88. 102 Burckhardt in ebd., S. 89. 103 Schuon, ebd., S. 94. 104 Ebd., S. 95. 105 Ebd., S. 94. 106 Ebd., S. 16. 107 Ebd., S. 122. Aus dem Text könnte man schließen, dass diese Ernennung auch ein Teil der Visionen der Propheten und des Buddhas waren. Dies ist jedoch nicht der Fall, da dieselbe Episode in einem Brief von Schuon an Hans Küry vom 20. Februar 1935 ganz sachlich beschrieben wird. Mein Dank an Herrn Aymard fiir das Zitat der entsprechenden Textstelle, E-Mail. 108 Zum Beispiel »Sidi Alawi« an Cyril Glasse (ohne Datum, Privatsammlung); Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 16 sowie Roland Goffin Interview mit Khaled Bentounes, »Entrevista con Khaled Bentounes«, S ym b o lo s 19, URL: http://sym bolos.com/s19rgofif.htm (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 109 Khaled Bentoun&s, Interview (Alexandria 2003). 110 Von Meyenburg nimmt an, Schuon sei der Ansicht gewesen, dass »der Konven-

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tion entsprechend eine ija z a zwar notwendig ist, um Initiation zu erteilen, in Notfällen aber jeder Eingeweihte die Initiation erteilen kann sowie jeder Ge­ taufte taufen kann, wenn kein Priester vorhanden ist.« (von Meyenburg, Fax, Juli 2002). Andere ehemalige oder derzeitige Anhänger Schuons schlagen Ähn­ liches vor, allerdings ohne auf die Taufe zu verweisen. Sollte dies Schuons Logik sein, so beruht sie ganz auf der christlichen Parallele. In der islamischen Welt gibt es kein Konzept von »Notfällen«, die eine Aufnahme in einen Sufi-Orden erfordern. in Von Meyenburg, Interview und Fax, Juli 2002. 112 Ebd. Aymard zitiert Hans Küry, der denselben Vorfall berichtet, nur dass es da Schuon ist, der das d h ik r fortsetzt (E-Mail) und ganz allgemein von Anfang an die Gruppe leitet, anstelle von Burckhardt. Da ich Küry nie interviewt habe, bin ich nicht in der Lage, diese Diskrepanz zu beheben, und folge daher hier einfach von Meyenburgs Version. 113 Von Meyenburg, Interview. 114 Schuon an Burckhardt, Mai 1939. Ich habe ein späteres maschinengeschriebe­ nes Transkript dieses Schreibens verwendet. 115 William Stoddart zitierte zum Beispiel in einer E-Mail den Qur’an-Vers 29:45 (Februar 2003). Dieser Vers beginnt: »Traget vor, was dir von dem Buche [Qur an] geoffenbart ward, und verrichte das [rituelle] Gebet. Denn siehe, das Gebet bewahrt euch vor Schandbarem und Verbotenem.« Danach heißt es je nach Deutung entweder: »das Gedenken an Allah [d h ik r-u lla h ] ist ohne Zwei­ fel am wichtigsten«, oder aber: »die Erinnerung an Gott ist das Größte«. Die Schwierigkeit entsteht, weil auf Arabisch die Worte für »am wichtigsten/ das Größte« und »wichtiger / größer« gleichlauten. Schuons Anhänger bevorzugen die Deutung »wichtiger« und betonen (was noch wichtiger ist) das arabische Wort d h ik r , welches in der Übersetzung als »Gedenken, Erinnerung« wieder­ gegeben wird. Einige zumindest verstehen in diesem Zusammenhang dhikr als direkten Bezug auf die Sufi-Praxis der Wiederholung von Gebetsformeln, die d h ik r genannt wird. Die Verwendung des Wortes in diesem Sinne wird allge­ mein auf eine Zeit nach der Offenbarung des Qur an datiert, und so wird allge­ mein die Bedeutung »Erinnerung« angenommen. Dass die Anhänger Schuons einen Vers, der nach allgemeiner Auffassung die Wichtigkeit des Ritualgebets unterstreicht, so deuten, dass er nahezu das genaue Gegenteil ausdrückt, zeugt von ihrer Entfernung von der etablierten muslimischen Mehrheit, in gewissem Sinne aber auch von ihrer Aufrichtigkeit. 116 Schuon, E rin n e ru n g e n u n d B etra ch tu n g en , S. 100. 117 Ebd., S. 104-118. 118 Nach dem Hinweis in Schuons Brief an Burckhardt vom 5. Mai 1944 zu ur­ teilen, der in Schuon, E rin n eru n g en u n d B etra ch tu n g en , S. 125, wiedergegeben ist. 119 Schuon, E rin n e ru n g e n u n d B etra ch tu n g en , S.122. Aymard bestreitet meine

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Chronologie (E-Mail). Der Textabschnitc, der 1944 geschrieben wurde, be­ schreibt Geschehnisse in Mostaganem und die Erlaubnis, den AJl-Höchsten Namen zu verwenden, und bemerkt, dass er »später« aufgehört habe ihn zu benutzen. Er bringt dieses Aufhören mit seiner weltlichen Liebe in Verbindung. Es ist nicht ganz klar, wann »später« war, aber ich denke, meine Deutung dieser Textstelle ist die wahrscheinlichste. 120 Von Meyenburg, Interview. Aymard bestreitet diese Wendung (E-Mail), aber es gibt einige zusätzliche Nachweise, die von Meyenburgs Erinnerung bekräftigen. 121 Schuon, E rin n eru n gen u n d B etra ch tu n g en , S. 132. 122 Zum Beispiel, Schuon, E rin n eru n g en u n d B etra ch tu n g en , S. 95. 123 Clavelle, »Document confidentiel«. 124 Ebd. 125 Von Meyenburg, Interview. Bei Clavelle, »Document confidentiel« ist zwar von einhundert die Rede, aber von Meyenburg ist die zuverlässigere Quelle. 126 Der spirituelle Rang eines Heiligen mag Privatsache sein, doch alles, was im organisatorischen Sinne als ein Orden aufzufassen ist, spielt sich fast immer öffendich ab. 127 Schuon, E rin n eru n gen u n d B etra ch tu n g en , S. 95 und S. 138. Aymard stellt diese Chronologie in Frage (E-Mail), aber das erste Ereignis ist eindeutig auf Anfang 1 9 3 7 zu datieren, während das zweite etwa zwei Jahre nach dem Tod von Scheich al-Alawi stattfand. 128 Schuon, E rin n eru n gen u n d B etra ch tu n g en , S. 95. 129 Von Meyenburg, Interview. 130 Schuon, E rin n eru n gen u n d B etra ch tu n g en , S. 8 und S. 136 sowie Aymard, »Fridt­ jof Schuon«, S. 25f. 131 Chodkiewicz, Interview (Loire Tal 2000). 132. Guenon, Brief an Vasile Lovinescu, März 1938, zitiert nach Julius Evola, L e ch e m in d u cinahre , Mailand 1983, S. 199 f. 133 Schuon, E rin n eru n gen u n d B e tra c h tu n g e n S. 139. 134 Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 27. 135 James, Esoterisme, occultisme, S. 84 f. sowie von Meyenburg, Interview. *36 Von Meyenburg, Interview. 137 Schuon, E rin n eru n gen u n d B e tra c h tu n g e n S. 9 und S. 37. 138 Schuon, Brief vom 18. August 1943, Nachdruck in Schuon, E rin n e ru n g e n u n d Betrachtungen S. 120. x39 Schuon, E rin n eru n gen u n d B etra ch tu n g en , S. 262 f. x40 Schuons Interesse an der Jungfrau Maria bestand tatsächlich schon früher: um x934 verfasste er ein Gedicht auf die Jungfrau. Vgl. Schuon, E rin n e ru n g e n u n d Betrachtungen S. 154. I4I Dieses sind die Worte Erwin Torres, des Alter Egos Rudolfvon Sebottendorfs in seinem autobiographischen Roman D e r T a lism a n d es R o sen k reu zers , Pfullinger in Württemberg 1925, S. 81-97.

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A nhang

142 Goodrick-Clarke, D ie o k k u lte n W u rze ln d es N a tio n a lso zia lism u s, S. 42-62 und S. 116 £ 143 Ebd., S. 126-129 und S. 133 sowie von Sebottendorf, T alism an , S. 99-102. 144 Albrecht Götz von Olenhusen, »Zeittafel zur Biographie Rudolf von Sebottendorfs (1875-1945)«, nach 1969 in einer nicht identifizierten Zeitschrift abge­ druckt, S. 81-86; Götz von Olenhusen, »Bürgerrat, Einwohnerwehr und Ge­ genrevolution: Freiburg 1918-1920. Zugleich ein Beitrag zur Biographie des Rudolf Freiherr von SebottendorfF«, in: Götz von Olenhusen et al. (Hg.), Bei­ trä g e z u r eu ro p ä isch en G eistesg esch ich te d e r N e u z e it. F estschrift f ü r Ellie Howe

Freiburg 1990, S. 122-126 sowie Goodrick-Clarke, D ie ok­ ku ltem W u rze ln d es N a tio n a ls o z ia lis m u s , S. 130-132 und S. 134f. Dies ist die vollkommen überzeugende Schlussfolgerung Goodrick-Clarkes, D ie o k k u lte n W u rze ln d e s N a tio n a ls o z ia lis m u s , S. 167-172 und S. 274h Der My­ thos wurde jedoch später mit dem Aufkommen okkultistischer Neonazigrup­ pen in den 1970cm und 1980cm zur Wirklichkeit. Siehe Nicholas GoodrickClarke, B la c k S u n : A r y a n C u lts, E so teric N a z is m , a n d th e P o litics o f Identity, New York 2002, insbesondere S. 108 f. und S. 14-17. Rudolf von Sebottendorf, B e v o r H itle r k a m . U rk u n d lich es aus d er Frühzeit der n a tio n a lso zia listisc h e n B ew eg u n g , München 1933. Götz von Olenhusen, »Zeittafel zur Biographie«, S. 88 sowie Herbert Ritdinger, G e h e im d ie n s t m it b e sc h rä n k te r H a ftu n g . B e ric h t vo m B osporus, Stuttgart 1973, S. 184. Ritdinger, G e h e im d ie n st \ S. 184f. und S. 326. Rittlinger nimmt an, von Sebot­ tendorf sei von einflussreichen Freunden unterstützt worden, da sonst seine Rückkehr in die Türkei unerklärlich wäre. Goodrick-Clarke, D ie o k k u lte n W u rze ln d es N a tio n a lso zia lism u s , S. 130. Eine alternative Darstellung der intellektuellen Entwicklung Evolas ist zu fin­ den in Goodrick-Clarke, B la c k S u n , S. 53—66. Julius Evola, L e c h em in d u c in a b re , Mailand 1983, S. 69. Auf S. 85 behauptet er sogar, Guenon in seinem S a g g i su lT id ea lism o m agico , Rom 1925, kritisiert zu haben. Julius Evola, E rh e b u n g w id e r d ie m o d ern e W elt, Stuttgart 1935. H.T. Hansen [Hans Thomas Hakl], »Julius Evola und der Sexus«, in: Julius Evola, D ie G rosse L u st, M e ta p h y sik d es Sexus , [Münsingen] 1998. Julius Evola, A r te a stra tta , p o s iz io n e te o ric a , Zürich 1920; L a p a ro le obscure du p a y sa g e In te rie u r , Zürich 1920. Evola, C h e m in d u cin a b re , S. 17-22 sowie Alain de Benoist, »Bibliographie de Julius Evola«. Ich danke M. de Benoist dafür, dass er mich diese unveröffendichte und erschöpfende Bibliographie benutzen ließ. Richard Drake, »Julius Evola and the Ideological Origins of the Radical Right in Contemporary Italy«, in: Peter H. Merkl (Hg.), P o litic a l Violence a n d Terror. M o tif t a n d M o tiv a tio n s , Berkeley 1986 für die R evu e b leu , und Hansen, »Julius Evola und der Sexus«.

z u m 2 0 . S e p te m b e r,

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Anmerkungen

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Dieses Interesse spiegelte sich in Evolas frühen Werken S a g g i su W id e a lism o m a gico (1925, Essays über magischen Idealismus) und L u o m o c o m e p o te n z a . I T an ­ tra nella loro m eta fisica e n ei loro m e to d i d i a u to r e a liz z a z io n e m a g ic a (1 9 2 6 , Der Mensch als Macht. Tantra als Metaphysik und als Methode magischer Selbst­ verwirklichung). Siehe auch Evola, C h em in d u c in a b re , S. 30 £ x56 H. T. Hansen, »Die >magische< Gruppe von Ur in ihrem Historischen und eso­ terischen Umfeld«, in: Julius Evola, S c h ritte z u r I n itia tio n . M a g ie a ls W issen ­ schaft vom Ich, B d. 2: T h eorie u n d P ra x is d es h öh eren B e w u ß tse in s , Interlaken 1997, S. 7-27 sowie Evola, C h em in d u c in a b re , S. 69. Zu Reghini Dana Lloyd Thomas, »Arturo Reghini: A Modern Pythagorean«, G n osis M a g a z in e 59 (Som­ mer 1997), siehe URL: https://skirret.com/papers/reghini_modern_pythagore an.html (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 157 Evola, C h em in d u cin a b re , S. 79. 158 Sibilla Aleramo, A m o , d u n q u e son o , Mailand 1940 (1927). 159 Hansen, »Julius Evola und der Sexus«. 160 Evola, C h em in d u cin a b re , S. 85—89. Evola erkennt auch Hermann Wirths Ein­ fluss an, aber dieser war weniger wichtig. 161 Evola, C h em in d u cin a b re , S. 8-10 und S. 28 f. 162 Julius Evola, Teoria d eW in d iv id u o a sso lu to , Turin 1927. 163 Joseph Campbell, Introduction, in: Ralph Manheim (Hg.), Myth, Religion and MotherRight. Selected Writings off J. Backofen, Princeton 1967, S. XXXIV—XLIV. 164 Rene Guenon, A u to rite sp iritu e lle e tp o u v o ir tem p ö ret, Paris 1929. 165 Evola, E rh ebu n g w id e r d ie m o d ern e W elt, passim sowie Evola, C h e m in d u c in a bre, S. 90-92, S. io6£, und S. 125p 166 Evola, C h em in d u cinabrey S. 92. 167 Lloyd Thomas, »Arturo Reghini«. 168 Evola, C h em in d u cin a b re, S. 70 f. 169 Evola, C h em in d u cin a b re , S. 97. 170 Julius Evola, Im p eria lism o p a g a n o . II fa scism o d in n a n z i a lp e r ic o lo e u ro -c ristia n o , Rom 1928. 171 Hansen, »Die >magische< Gruppe von Ur«. Reghini war ein engagierter Frei­ maurer und teilte die Ansichten, die in Im p e ria lism o p a g a n o geäußert werden. Er hielt das römische Heidentum für unendlich überlegen über das Christen­ tum, welches er (mit Guenon) nicht nur als Sentimentalität verwarf, sondern auch für die Religion eines »spirituellen Proletariats« hielt. Siehe Evola, C h e m in d u cin abre , S. 69. VJ2 Ebd., S. 87 und S. 93 sowie Hansen, »Die >magische< Gruppe von Ur«. 173 Evola, ebd., S. 94h 174 Ebd., S. 70-75. 175 Ebd., S. 93-96. 176 Julius Evola, L a tra d izio n e erm etica . N e i su o i sim boliy n e lla su a d o ttr in a e n e lla sua »A rte R egia«, Bari 1931. Evola, C h em in d u c in a b re , S. 103.

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Anhang

YJ7 Guiso de Giorgio, La tradizione romana, Mailand 1973. Evola, Chemin du cinabre, S. 87 f.; Hansen, »Die >magische< Gruppe von Ur« sowie Renato del Ponte, »Le correnti della tradizione pagana romana in Italia«, in: Algiza 7 (ca. 1996),

S.4-8. Siehe URL: https://www.centrostudilaruna.it/delponte.html (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 178 Julius Evola, M ä sch ern e v o lto d e llo sp iritu a lis m o contem poraneo. A nalisi critica d e lle p r in c ip a li c o r r e n ti m o d e rn e verso i l » so vra n n a tu ra le« , Turin 1932. 179 Evola, C h em i? i d u c in a b r e , S. 107-113. 180 Ebd., S .m f. 181 Ebd., S. 104. 182 Paulo Coelho, D e r A lc h e m is t, Zürich 1996. Diese Deutung ist das einzige Zei­ chen eines traditionalistischen Einflusses in dem Buch, das im Übrigen ausge­ sprochen modern ist. Coelhos Deutung der Alchimie kam wahrscheinlich durch Mircea Eliade zustande, von dem später die Rede sein wird. 183 Hansen, »Die >magische< Gruppe von Ur«. 184 Dies ist die Ansicht von H. T. Hansen, die sich auch auf andere Untersuchun­ gen gründet (persönliche Mitteilung). 185 Evola, C h e m in d u c in a b re , S. 69. 186 Eigentlich befragte Hartung ihn zu dem »individuierten Individuum« (»Ren­ contres Romaines au milieu des ruines«, unveröffentlichtes Manuskript, März 1984), aber die Frage ist im Wesentlichen dieselbe. 187 Diese Aussage stammt aus dem Jahre 1974. Siehe Claudio Mutti, »Evola e l’Islam«, in: H e lio d ro m o s. C o n tr ib u tip e r ilf r o n te d e lla T ra d izio n e 6 (1995), S. 52£ 188 Hartung, »Rencontres«. 189 Evola, C h e m in d u c in a b re , S. 96-99. 190 Ebd., S. 101. 191 Julius Evola, H e id n isc h e r Im p e ria lism u s , Leipzig 1933. 192 De Benoist, »Bibliographie«. 193 H.T. Hansen [Hans Thomas Hakl], »Julius Evola und die deutsche konserva­ tive Revolution«, in: C ritic o n 158 (1998), S. 16-33. 194 Evola, C h e m in d u c in a b re , S. 75. 195 Hansen, »Julius Evola und die deutsche konservative Revolution«. 196 Evola, C h e m in d u c in a b re , S. 134. 197 Das Wort taucht in seiner modernen Form tin g in den Namen heutiger skandi­ navischer Parlamente auf. 198 Evola, C h e m in d u c in a b re , S. 134f. sowie Hansen, »Julius Evola und die deutsche konservative Revolution«. 199 Hermann Hesse, G esa m m elte B riefe. Z w e ite r B a n d Ip22—ip3$, Frankfurt a. M. 1979, S. 465. 200 Evola, C h e m in d u c in a b re , S. 136f. sowie Hansen, »Julius Evola und die deut­ sche konservative Revolution«. 201 Ebd.

A n m erk u n g en

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202 Evola, C h em in d u cin a b re , S. 137. 203 Julius Evola, I l m istero d e l G ra a l e la tr a d iz io n e g h ib e llin a d e lllm p e r o , Bari 1937204 Hansen, »Julius Evola und der Sexus«. 205 Diese Übersicht stellt das Geschehen auf eine an Evola anmutende Art dar. 206 Evola, C h em in d u cin a b re, S. 129 f. Dies ist eine extreme Vereinfachung kom­ plexer Ereignisse. 207 Hansen, »Julius Evola und die deutsche konservative Revolution«. 208 Die uns bekannten Einzelheiten stammen aus dem Protokoll der Sitzung, die diese Vorschläge ablehnte. Der Besuch auf der Wewelsburg wird in einem ita­ lienischen Polizeibericht von 1939 erwähnt. Da jedoch in einem anderen Poli­ zeibericht des Jahres 1930 von Evola als einem Anhänger Rudolf Steiners ge­ sprochen wird, der enge Beziehungen zu dem deutschen Kronprinzen sowie zu Frau Krupp unterhalte und den deutschen Imperialismus zu verbreiten suche, sind solche Berichte mit einigem Vorbehalt zu bewerten. Siehe Hansen, »Julius Evola und die deutsche konservative Revolution«. In C h e m in d u c in a b r e schweigt sich Evola über alle Kontakte mit der SS aus und berichtet nur über seine Kontakte mit den Ultrakonservativen. Aber bis dahin muss sogar Evola Grund genug gehabt haben, seine Kontakte mit der SS zu bereuen. 209 Wiligut wurde beauftragt, vier Vorträge Evolas zu untersuchen, von denen einer 1937 in Berlin und drei 1938 gehalten wurden, sowie auch H e id n isc h e r I m p e r ia ­ lism us. Vgl. Goodrick-Clarke, D ie o k k u lten W u rze ln d es N a tio n a ls o z ia lis m u s , S. 160-165. Wiliguts Verbindung zum Okkultismus ging auf Ende der 1920er Jahre zurück, auf den O rdo N o v i T em p li, eine Gruppe von Neo-Templern, die im Jahre 1907 von Jörg Lanz von Liebenfels, einem ehemaligen Zisterzienser­ mönch gegründet wurde. Von Liebenfels war, wie vorauszusehen war, mit der Theosophischen Gesellschaft verbunden, doch einige seiner Ideen hatten mit theosophischen Gedanken nicht das Geringste zu tun. Er deutete den bibli­ schen Sündenfall als die Rassenmischung der frühen götdichen Arier mit Pyg­ mäen. 1905 entwickelte er den Plan, die Arier zu ihrem früheren götdichen Zustand zurückzubringen, indem unter anderem die Sterilisation »minderwer­ tiger Rassen« vorzunehmen sei oder womöglich deren Deportation nach Mada­ gaskar oder als Alternative ihre rituelle Einäscherung. Siehe Goodrick-Clarke, D ie okku lten W u rzeln des N a tio n a lso zia lism u s , S. 83-88, S. 91 und S. 157. 210 Ebd., S. 165. 211 Für das Protokoll der Sitzung vom 11. August 1938 siehe Hansen, »Julius Evola und die deutsche konservative Revolution«. Hansen interpretiert diese Proto­ kolle ganz anders. Er unterstreicht die Unzuverlässigkeit des Berichts über Evo­ las Besuch im Jahre 1938. Er zitiert lediglich den Verweis auf die Nichtbilligung der Pläne Evolas wegen ihres utopischen Charakters. Hansen hat wahrschein­ lich das Originalprotokoll einsehen können, was ich nicht konnte, und dieser Umstand macht meine eigene Deutung der Dinge etwas unsicher, aber mir

Anhang scheint, dass die Sitzung nicht beschlossen haben kann, ihm den künftigen Zu­ gang zufiihrenden Dienststellen zu verweigern, es sei denn, der Zugang zuihnen hätte Evola zuvor offen gestanden. Eine Sitzung von hinreichend hoher Stufe, dass Himmler an ihr teilnahm, hätte sich kaum die Mühe gemacht, aufEvolas Pläne einzugehen, wären sie nicht in irgendeiner Weise an die SS gerichtet ge­ wesen. Dies deutet daraufhin, dass die erwähnten fiihrenden Dienststellen sich innerhalb der SS befanden. Goodrick-Clarke, Die okkulten Wurzeln des Natio­ nalsozialismus (auf das sich Hansen nicht bezieht, womöglich ist ihm derWiligut-Bericht nicht bekannt), gibt keine Einzelheiten zu den Reden an, die Wiligut untersuchen sollte. Nur von einer (aus dem Jahre 1937) wird ausdrücklich vermerkt, dass sie in Deutschland gehalten wurde. Es ist also möglich, dass die drei Reden vom Juni 1938 andernorts gehalten wurden, vielleicht sogar in Ita­ lien, und Himmler aus irgendeinem anderen Grunde auf sie aufmerksam ge­ worden war. Es scheint jedoch unwahrscheinlich, dass keine Verbindung be­ steht, wenn drei im Juni 1938 gehaltene Reden von der SS überprüft wurden und der Verfasser dieser Reden im August 1938 auf der Tagesordnung einer hochrangigen SS-Sitzung stand. Es ist jedoch zu unterstreichen, dass noch wei­ tere Forschung auf diesem Gebiet erforderlich ist. 212 Goodrick-Clarke, D ie o k k u lte n W u rze ln d es N a tio n a lso zia lism u s, S. 156f. und S. 165. 213 Julius Evola, S in te s i d i d o ttr in a d e lla r a z z a , Mailand 1941. 214 Evola, C h e m in d u c in a b re , S. 151f. und S. 157. 215 Julius Evola, G ru n d risse d e r fa sc h istisc h e n R assenlehre , Berlin 1943. Evola, Che­ m in d u c in a b re , S. 153 und S. 156, und de Benoist, »Bibliographie«. 216 Evola, C h e m in d u c in a b re , S. 154. 217 Evola, C h e m in d u c in a b re , S. 154 sowie Hansen, »Julius Evola und die deutsche konservative Revolution«. Evola selbst stellt es natürlich ganz anders dar. 218 De Benoist, »Bibliographie«. 219 Evola, C h e m in d u c in a b re , S. 159—162. Goodrick-Clarke, B lack Sun , S. 6 6 f. 220 Zu Reghini siehe H. T. Hansen [Hans Thomas Hakl], »Mircea Eliade, Julius Evola und die Integrale Tradition«, in: Julius Evola, Über das Initiatische. Auf satzsammlung, Sinzheim 1998. Zu Ur, Evola, Chemin du cinabre, S. 137. »Ent­ fernt« im geographischen, aber auch im metaphorischen Sinn. Ende der dreißi­ ger Jahre schickte Evola ein paar Bücher an Eliade mit einem Begleitschreiben: »Ich entsinne mich Ihrer genau.« Claudio Mutti, Julius Evola sulfrontedellest, Parma 1998, S. 94. Die Worte deuten darauf hin, dass Eliade die Bücher in ei­ nem Brief angefordert hatte, der eine Wendung enthielt wie etwa: »Sie mögen sich daran erinnern, dass Reghini [oder sonst wer] mich Ihnen gegenüber er­ wähnt hat.« Das Datum 1927 ist das spätmöglichste, angesichts des Inhalts von Eliades »Ocultismul in cultura europeanä«, das im Dezember 1927 in Cuväntul erschien und das von Evolas Gedanken geprägt ist. Es ist auch das frühestmög­ liche, da es Ur vor 1927 nicht gab.

Anmerkungen

221 Zur Theosophie Natale Spineto, »Mircea Eliade and Traditionalism«, in: Aries NS i (2001/1), S. 68. Saint Martin ist weniger gut erwiesen. 222 Spineto, »Mircea Eliade«, S. 68. 223 Mircea Eliade, Journal III, 1970-1978, Chicago 1989, S. 161. 224 Robert Ellwood, The Politics ofMyth. A Study ofC. G. Jung, Mircea Eliade, and Joseph Campbell, Albany, N.Y. 1999, S. 81. 225 Die Begegnung scheint etwa 1933 stattgefunden zu haben. Im Jahre 1934 ver­ öffentlichte Lovinescu einen Artikel über den Heiligen Gral in den Etudes tra ditionnelles, vgl. Claudio Mutti (Hg.), Introduction, La Dacia iperborea, Parma 1984, S. II. Eine weitere beiläufige Erwähnung Evolas findet sich auch in einem Artikel, den Lovinescu in jenem Jahr in Vremea veröffentlichte. Siehe Mutti, Julius Evola sulJronte delTest, S. 23. 226 Ebd., S. 22. 227 Mutti, Introduction, Dacia iperborea, S. II. Die Artikel über Dakien sind ge­ sammelt und als Dacia iperborea übersetzt. 228 Adriana Berger, »Mircea Eliade: Romanian Fascism and the History of Religions in the United States«, in: Nancy A. Harrowitz (Hg.), Tainted Greatness. Antisemitism and Cultural Heroes, Philadelphia 1994, S. 55f. 229 Mutti, »La vita e i libri di Vasile Lovinescu«, in: Vasile Lovinescu, La colonna traiana [sic], Parma 1995, S. 20. 230 Mutti, Vita e libri, S. 20 231 Eliades frühester traditionalistischer Artikel erschien im Dezember 1927, den er als 20-jähriger Student geschrieben hatte. Er hieß: »Ocultismul in cultura europeanä« (Okkultismus in der europäischen Kultur) und erschien in der Zeit­ schrift Cuväntul (Jugend) am 1. Dezember 1927 auf S. if. Er bezog sich auf ei­ nen Artikel von Evola, der einen Monat zuvor veröffendicht worden war: »II valore delToccultismo nella cultura contemporanea« (Der Wert des Okkultis­ mus in der zeitgenössischen Kultur), Bilychnis, 11. November 1927, S. 250—269. ImJahr 1932 beschrieb Eliade Guenon als »einen bemerkenswerten Okkultisten mit solidem Begriffsvermögen, der immer weiß, wovon er spricht«, (»Spritualitate si mister feminin« (Spirituality and Feminine Mystery), in: A zi, April 1932). In seiner Besprechung 1935 von Evolas Erhebung wider die moderne Welt (1933) in Vremea (31. März 1935, S. 6) ist Eliade schon vorsichtiger und nennt Evola »eine der interessantesten Persönlichkeiten der Kriegsgeneration.« Ab 1935 gibt es jedoch nur noch gelegendiche Hinweise auf traditionalistische Autoren. Siehe Mutti, Julius Evola sulJronte delTest, S. 22, S. 97 h sowie Hansen, »Mircea Eliade«. 232 Spineto, »Mircea Eliade«, S. 67. 233 Zitiert nach Hansen, »Mircea Eliade«. 234 Eliade, Journal III, S. 162f. 235 Da Eliade Evolas Vorwurf der fehlenden Anerkennung nicht bestritt, konnte es ihm nur darum gehen zu erklären, warum diese Anerkennungen, deren Vor-

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A nhang

handensein einen »offenen Traditionalismus« bedeutet hätten, fehlten. In die­ sem Zusammenhang lässt die Erwähnung seines nicht-traditionalistischen Pu­ blikums darauf schließen, dass er dieses Publikum nicht abschrecken wollte. Natürlich hätte er damit auch meinen können, er sähe keinen Sinn darin, auf (traditionalistische) Autoren zu verweisen, die seine eigene Leserschaft niemals lesen würde, aber diese Auslegung ist eher unwahrscheinlich, da Eliade den Doppelzweck von Quellenangaben ganz sicher begriff. An anderer Stelle ge­ steht Eliade seinen Traditionalismus nachgerade ein. Als er 1940 an seinemRo­ man V ia ta N o u ä (Neues Leben) arbeitete, notierte er in seinem Tagebuch über eine seiner Romanfiguren, Tulin: »Tulin wird Dinge sagen, die [...] ich nie den Mut hatte, in der Öffentlichkeit auszudrücken. Ich habe bisher nur einigen wenigen Freunden meine >traditionalistischen< Ansichten (um Rene Guenons Begriff zu gebrauchen) gestanden.« Zitiert nach Spineto, »Mircea Eliade«, S. 68. 236 Zitiert in: Steven M. Wasserstrom, R elig io n a fie r R eligion . Gershom Scholem, M ir c e a E lia d e , a n d H e n r y C o rb in a t E ra n o s , Princeton 1999, S. 272. 237 In Mircea Eliade, C o m e n ta r ii la leg en d a M e ste ru lu i M a n o le (Kommentar zur Legende von Meister Manole), Bukarest 1943. Zitiert nach Spineto, »Mircea Eliade«, S. 73. 238 Mircea Eliade, »Some Notes on T h eo so p h ia p eren n is\ Ananda K. Coomaraswamy and Henry Corbin« Rezension von Roger Lipsey, Coom araswam y, 3Bde., P rin c e to n 1977, in: H is to r y o fR e lig io n s 19 (1979), S. 167-176. 239 Spineto bemerkt: »Die Konzepte der anthropo-kosmischen Entsprechung: des Symbols, des sakralen Mittelpunkts, der »zyklischem Qualität traditioneller Zeit, der Konstruktion des Menschen als Wiederholung der Kosmogonie, des Opfers als einer Reintegration und des Archetyps«. Vgl. Spineto, »Mircea Eli­ ade«, S. 68. Viele von diesen sind weder flir den Traditionalismus noch fiirEliades Werk von zentraler Bedeutung, oder aber sie finden sich bei beiden und ebenso gut auch anderswo. Eliade sieht die traditionelle Zeit zwar als zyklisch an, aber in ganz anderer Weise als Guenon. 240 Auf dieses Ziel lässt seine frühere Verbindung zum Traditionalismus schließen, ein Schluss, den noch folgende Argumente zu bestätigen scheinen. Natürlich wird Eliade, wie jeder von uns, mannigfache Ziele verfolgt haben. 241 Douglas Allen, »Mircea Eliades View of the Study of Religion as the Basis for Cultural and Spiritual Renewal«, in: Bryan S. Rennie (Hg.), ChangingReligious W orlds. T h e M e a n in g a n d E n d o f M irc e a E lia d e , Albany, N.Y. 2000, S. 211 und S. 214-225. Siehe auch Ders., Introduction, C h a n g in g R eligious Worlds, S. IXXXIV. 242 Mircea Eliade, »Folclorul ca instrument de cunostere« (Folklore als ein Instru­ ment des Wissens), in: In su la lu i E u th a n a siu s, Bukarest 1943 (1937). Zitiert nach Mutti, J u liu s E v o la s u lfr o n te delV est, S. 22. 243 Gelegentlich schrieb er auch »soteriologisch« anstatt »initiatisch«, vgl. Spineto, »Mircea Eliade«, S. 69. Eliade verstand unter »archaischer« Religion sogar den

Anmerkungen

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zeitgenössischen Hinduismus, siehe Bryan S. Rennie, »The Religious Creativity of Modern Humanity: Some Observations on Eliade s Unfinished Thought«, in: Religious Studies 31 (1995), S. 221-235, so wie der Hinduismus ja auch für den Traditionalisten als »traditionell« galt. 244 Spineto, »Mircea Eliade«, S. 75. 245 Mircea Eliade, Uepreuve du Labyrinthe. Entretien avec C H Rocquet, Paris 1978, zitiert nach Enrico Montanari, »Eliade e Guenon«, in: Studi e Materiali di Storia della Religioni 61 (1995), S. 131-149, hier S. 133. 246 N.J. Girardot, »Smiles and Whispers«, in: Rennie, Changing Religious Worlds, S. 157. 247 Lovinescus Unterstützung wird abgeleitet aus seinem Artikel »Mistica fascismului« (Die Mystik des Faschismus), in: Vremea (14. Januar 1934), zitiert nach Mutti, Julius Evola sulfronte deWest, S. 23. Er kannte auch Codreanu persönlich, vgl. Mutti, Julius Evola sulfronte deWest, S. 21. Über die Unterstützung Eliades wird später noch zu sprechen sein. 248 Larry L. Watts, Romanian Cassandra. Ion Antonescu and the Strugglefor Reform, 1916-1941, Boulder 1993, S. 132f., für die Beurteilung des Antisemitismus in der Legion, S. 183. Siehe auch Berger, »Mircea Eliade«, S. 56. 249 Radu Ioanid, The Sword ofthe Archangel. Fascist Ideology in Romania, Boulder 1990, S. 54h sowie Watts, Romanian Cassandra, S. 158-160. 250 Z. Ornea, The Romanian Extreme Right. The Nineteen Thirties, Boulder 1999, S. 204 und S. 206. 251 Mircea Eliade, »Comentariu la un juramint«, in: Vremea 10 (1937/476), S. 2, zi­ tiert nach Berger, »Mircea Eliade«, S. 63 f. 252 »Why I Believe in the Victory of the Legionary Movement«, in: Buna Vestire (17. Dezember 1937). 253 Mircea Eliade, »Bucuresti Centru Viril«, in: Vremea 8 (1935/835) sowie »Pilotii Orbi« [Blinde Piloten], in: Vremea 10 (1937/505), zitiert nach Berger, »Mircea Eliade«, S. 56 und S. 63. 254 Möglich wären auch die Jahre 1936 oder 1938, siehe Diskussion bei Mutti, Julius Evola sulfronte deWest, S. 13-15. 255 Evola, Chemin du cinabre, S. 137. 256 Mutti, Julius Evola sulfronte deWest, S. 25 £ 257 Florin Mihaescu, »Rene Guenon, Frithjof Schuon, Vasile Lovinescu et l’initiation«, in: Bernard Chevilliat (Hg.), FrithjofSchuon, ipoy—ipp8. Etudes et temoignages, Avon 1999, S. 195-197. 258 Zu Lupu siehe Ioanid, Sword ofthe Archangel, S. 141. 259 Maurice Clavelle [Jean Reyor], »Document confidentiel inedit«, unveröffent­ lichtes Typoskript (Privatsammlung) sowie Muhammad Välsan, Interview (Pa­ ris 2000). 260 Mircea Eliade, »Initiation et monde moderne«, in: Travaux de Villard de Honnecourtl (1980), S. 21-27. Zitiert nach Wasserstrom, Religion after Religion, S. 41 £

464

A nhang

261 Watts, R o m a n ia n

C a ssa n d ra , S. 173-176;

Ellwood, P o litics o fM y th , S. 82; Ornea,

S. 216. 262 Marie-France James, E so terism e , O c c u ltism e >F ran c-M agon n erie e t Christianisme a u x X I X e t X X siecles. E x p lo v a tio n s b io -b ib lio g ra p h iq u e s, Paris 1981, S. 336 sowie Edward Craig (Hg.), R o u tle d g e E n cyclo p ed ia o f P h ilosoph y, Bd.3 (1998), Bryan Rennie, s. v. Mircea Eliade. 263 Watts, R o m a n ia n C a ssa n d ra , S. 228 £ sowie Ornea, R om an ian Extreme Rights S. 219. 264 Mutti, V ita e l ib r i , S. 22. 265 Die Formulierung, wenn auch nicht die Beschuldigung selbst, stammt von Kelley Ross, »Mircea Eliade (1907—1986)«, in: T h e P roceedin gs o fth e Friesian School, Fourth Series, 1996. URL: http://www.friesian.com/eliade.htm (zuletzt aufgeru­ fen im Juli 2019). 266 Ross, »Mircea Eliade«. 267 Vasile Lovinescu, A p a tr u le a h a g ia lic . E x eg eza n o ctu rn a a C railor de CurteaVeche, Bukarest 1981; Mutti, V ita e lib r i , S. 22 sowie E-Mail von Mihai Marinescu, 1. September 2001. 268 Zu den Ereignissen nach Lovinescus Tod siehe AN 1. 269 Näheres siehe AN 2. 270 Es gab offensichtlich einen unerkannten Traditionalisten im brasilianischen di­ plomatischen Dienst. Im August 1942 erklärte Brasilien den Achsenmächten den Krieg. 271 Die französische Freimaurerei wurde offiziell im Jahr 1940 aufgelöst und alle Vermögenswerte und Aufzeichnungen beschlagnahmt. Listen ehemaliger Frei­ maurer, denen eine Anstellung im öffentlichen Dienst untersagt war und die auch verschiedenen anderen Benachteiligungen ausgesetzt waren, wurden im J o u r n a l o ffic ie l bekannt gegeben. Zahlreiche antimaurerische Ausstellungen und Veröffendichungen wurden veranstaltet. Antonio Coen und Michel Dumesnil de Grammont, L a F ra n c-M a g o n n erie E cossaisey Nizza 1946, S. 6 und S. 57-60. 272 Martin Lings, Interview (London 1996). 273 Alain Danielou, »Rene Guenon et la tradition hindoue«, in: Pierre-Marie Sigaud (Hg.), R en e G u en o n , Lausanne 1984, S. 138f. sowie Marie-France James, R o m a n ia n E x tr e m e R ig h t,

E so terism e, O c c u ltism e , F ra n c-M a g o n n erie e t C h ristia n ism e a u x X IX e t XXsikles.

Paris 1981, S. 88 f. 274 Andre Gide, »Tagebuch 1939-1949«, in: Hans Hinterhäuser et al. (Hg.), Andre Gide: G e sa m m e lte W erke in z w ö l f B ä n d e n , Bd. 4, Stuttgart 1990, S. 322. Der be­ treffende Traditionalist war Abdallah Haddou, der entweder mit Georges oder mit Guy Delon identifiziert wird. Weiter ist nichts über ihn bekannt. 275 Henri Bosco, »Trois rencontres«, in: N o u v e lle R evu e F rangaise (November 1951), S. 279. 276 Rene Guönon, L a g rü n d e T ria d e , Nancy 1946. Denys Roman R ene G uinon etles d e stin s d e la F ra n c-M a g o n n erie , Paris 1982, S. 160. E x p lo ra tio n s b io -b ib lio g ra p h iq u e s,

Anmerkungen

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277 Das ist die Schätzung Claude Gagnes, der später Ehrwürdiger der Grande Triade werden sollte, daneben aber auch Archivar der Grande Loge de France war. 278 Der künftige Großmeister war Antonio Coen. Aus dem Register der Logenmit­ gliedschaft der Grande Triade, deren erste Seiten ich einsehen durfte. 279 Roman, R ene G u en on , S. 166. 280 Ebd., S. 165h 281 Henri Hartung, S p ir itu a lite e t a u to g estio n , Lausanne 1978, S. 28—35, sowie Sylvie Hartung, Interview (Schweiz 2001). Hartungs Bericht, »La Chine communiste et le probleme communiste chinois«, wurde im September vorgelegt. Henri Hartung, »Articles et Conferences«, unveröffentlichtes Manuskript, 1. Juli 1983. 282 Henri Hartung, Presence d e R a m a n a M a h a rsh i , Paris 1987 (1979), S. 36. 283 1947 verteidigte er seine Doktorarbeit über »L’heveaculture et le probleme de caoutchouc en Indochine Fran^aise«. Hartung, »Articles et Conferences«. 284 Hartung an Guenon, 2. Mai und 13. Juli 1949, sowie Guenon an Hartung, 19. Mai 1949, in: Sammlung Sylvie Hartung. 285 Välsan an Schuon, November 1950, Privatsammlung. 286 Catherine Schuon, »Frithjof Schuon: Memories and Anecdotes«, in: S a c re d Web 8 (2001), S. 37-38. 287 Persönliche Beobachtung zu verschiedenen Gelegenheiten. 288 Frithjof Schuon, E rin n eru n gen u n d B etra ch tu n g en , Schweiz Privatdruck 1974, S. 12. 289 John Gneisenau Neihardt, B la ck E lk Speaks, New York 1932. 290 Michael Fitzgerald, »Le role de Frithjof Schuon dans la preservation de l’esprit de l’indien peau-rouge«, in: Bernard Chevilliat (Hg.), F r ith jo f S ch u o n , S. 186 sowie Bernadette Rigal-Cellard, »La religion des sioux oglalas«, in: J. Beranger, P. Guillaume (Hg.), L e fa c te u r relig ieu x en A m e riq u e d u N o rd . R e lig io n e t g ro u p e s ethniques au C a n a d a e t a u x E ta ts-U n is, Bordeaux 1984, S. 245— 248. 291 Catherine Schuon, »Frithjof Schuon«, S. 41. 292 Fitzgerald, »Röle de Frithjof Schuon«, S. 187, sowie Jean-Baptiste Aymard, »Frithjof Schuon (1907-1998). Connaissance et voie d’interiorite. Approche biographique«, in: Chevilliat, F r ith jo f S ch u on , S. 32. 293 Joseph Epes Brown, T h e S a cred P ip e . B la ck E lk s A c c o u n t o f th e S even R ite s o f th e O glala Sioux, Norman 1953. Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 32. 294 Rigal-Cellard, »Religion des sioux oglalas«, S. 245. 295 Fitzgerald, »Role de Frithjof Schuon«, S. 187. 296 Maurice Clavelle [Jean Reyor], »Document confidentiel in£dit«, unveröffent­ lichtes Typoskript (Privatsammlung). Die Beziehungen zwischen Guenon und Schuon scheinen bis dahin wie gehabt weitergelaufen zu sein, da Schuon 1947 sogar die Korrekturbögen seines wichtigsten Buches, De l u n it e tra n sc e n dan ts des religions (Von der transzendenten Einheit der Religionen), zur Durch-

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sicht an Guenon schickte. Es erschien 1948. Claude Gagne, Interview (Paris 2000). 297 Clavelle, »Document confidentiel«. 298 »Orthodoxer Islam« wird hier in der Definition gebraucht, die Guenon ihm gegeben hätte: die Hauptströmung des Islam, wie ihn fromme Sufis in Ländern wie Ägypten praktizieren. 299 Clavelle, »Document confidentiel«. 300 Hartung, Aufzeichnungen von Gesprächen mit Cuttat, 23. Juli 1950, sowie offe­ ner Brief von Välsan an Schuon, November 1950. Es wurde mir nicht gestattet, den Brief selbst zu lesen, ich durfte mir lediglich Notizen machen, währenddem er mir vorgelesen wurde. Es mag Auslassungen gegeben haben, aber ich binmir sicher, dass nichts hinzugefugt wurde und dass der allgemeine Ton des Briefes nicht wesendich abgeändert wurde. 301 Eben darauf verweist auch ein späterer Anhänger Schuons: »Solche Sonderregelungen/Dispense wurden nie zum Prinzip erhoben, das weitgehend angewandt wurde.« Michael Fitzgerald, »Frithjof Schuon. Providence without Paradox«, in: Sacred Web 8 (2001). 302 Harald von Meyenburg, Interview (Lausanne 1998). 303 Välsan an Schuon, November 1950. 304 Schuon, »Ta^awwuf«, undatiertes Typoskript. 305 Fitzgerald, »Frithjof Schuon«. 306 Välsan an Schuon, November 1950. 307 Wie unter solchen Umständen das Fasten zu regeln sei, beschäftigt Muslime schon seit Jahrhunderten. Die Frage tauchte in der Frühzeit des Islamnicht auf und erhielt deshalb keine eindeutige Antwort. Als sich der Islam allmählich nach Norden hin ausbreitete, erkannte man, dass in bestimmten Breiten imJuli das Fasten von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang einem Selbstmord gleichkäme. Eine pragmatische Antwort auf dieses Problem war, beim Fasten die Zeiten der Morgendämmerung und des Sonnenuntergangs an einem anderen Ort einzuhalten, wie beispielsweise Mekka. 308 Der einzige Zweck des tayammum ist das Gebet, und es ist im Westen gewöhn­ lich für einen Muslim schwieriger, einen Platz zu finden, an dem er sein Gebet verrichten kann, als einen Platz, an dem er die Waschung zum Gebet vorneh­ men kann. Eine solche Ausnahmeregelung konnte vielleicht einem Muslim nützen, der die Tür seines Büros, nicht aber die Tür eines öffendichen Wasch­ raums abschließen konnte. 309 Es gibt keine anderen Gründe, auf denen solche Erleichterungen beruhen könnten. Die sharta gestattet eine begrenzte Aufschiebung des Ritualgebets und des Fastens fiir Reisende oder für Kämpfer, und bestimmte Kategorien von Personen sind insgesamt vom Fasten ausgenommen (z. B. schwangere Frauen), aber das ist alles. 310 Zum Beispiel hörte ich einmal, wie ein Sufi-Scheich einem norwegischen Sol-

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daten eine solche Erlaubnis gab, der in der Armee seines Landes bei den Frie­ denstruppen im Libanon diente. Die Reaktion der norwegischen Armee auf einen Soldaten, der sich im Libanon zum Islam bekennt und in aller Öffent­ lichkeit zu beten beginnt, kann man sich nur allzu gut vorstellen. Der Begriff der »Essentialisierung« wird erst viel später in Fitzgeralds »Frithjof Schuon« verwendet, um Schuons »Dispense« zu beschreiben, aber es ist wahr­ scheinlich, dass das zugrunde liegende Konzept schon in den 1940er Jahren zu finden war. Välsan an Schuon, November 1950. Välsan spricht von Wein oder Portwein, der getrunken wurde, aber nach Ansicht Meyenburgs war das zugelassene Getränk Bier, nicht Wein, mit der Begründung, dass Bier weniger Alkohol enthält als Wein. Von Meyenburg, Fax, Juli 2002. Es gab Berichte, wonach beobachtet wurde, wie einige der Flugzeugentführer vom 11. September 2001 Wodka tranken, aber diese Berichte sind mit äußerster Vorsicht zu bewerten. Von Meyenburg, Fax, Juli 2002. Schuon an Burckhardt, Mai 1939. Er richtet sich in diesem Punkt nicht an Burckhardt persönlich, sondern an »alle za w a y a « . Mir stand eine spätere ma­ schinengeschriebene Version des Briefes zur Verfügung. Clavelle, »Document confidentiel«, ergänzt durch ein Interview mit Ai. Ich habe diese ija z a , deren Existenz zuweilen in Frage gestellt worden ist, selber gesehen. Die ija z a Maridorts erregt jedoch weit weniger Kontroversen als die Schuons. Välsan an Schuon, November 1950. Maryami-Quellen jener Zeit bestritten die­ sen Punkt nicht. PierLuigi Zoccatelli, E-Mails, 2. und 4. Juli 2001 sowie PierLuigi Zoccatelli, L e lievre q u i ru m in e. A u to u r d e R en e G u en on , L o u is C h a rb o n n ea u -L a ssa y e t la F ra -

Mailand 1999, S. 31. 319 Zoccatelli, L ievre q u i ru m in e , S. 33, siehe AN 1. 320 Jean-Pierre Laurant, L e se n s ca ch eselo n R en e G u en o n , Lausanne 1975, S. 241 f. 321 Siehe Clavelle, »Document confidentiel inedit« sowie Roman R en e G u e n o n , S. 167. Der ziemlich neutrale Betrachter Corneloup wiederholt diese Deutun­ gen, vgl. J. Corneloup, J e n e sa is q u e p e le r, Paris 1971, S. 114 und S. 117. 322 Oder vielleicht ein dritter Versuch. Eine weitere Loge wurde während der 1950er Jahre von traditionalistischen rumänischen Flüchdingen in Frankreich gegründet. Weitere Einzelheiten hierzu sind jedoch nicht bekannt. 323 Mein Dank für diese Information gilt PierLuigi Zoccatelli. 324 Diese Behauptung Reyors ist angefochten worden, aber angesichts der Über­ zeugung Guenons, er werde bespitzelt, scheint sie plausibel zu sein. 32.5 Clavelle, »Document confidentiel in&iit«, und Lings, Interview. 32.6 Lings wurde sogar bei einer Gelegenheit auf die Polizeistation zitiert und wegen der merkwürdigen Symbole befragt. Eine unabhängige Quelle, ein damals in tern ite d u P araclet,

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Kairo unterrichtender Amerikaner, bestätigt, dass es Ende der vierziger Jahre ganz normal war, wenn Post aus dem Ausland deutliche Spuren der Überprü­ fung durch die Zensurbehörde trug. 32.7 Hartung, Aufzeichnungen von Gesprächen mit Cuttat, 27. August 1950. 32.8 Clavelle, »Document confidentiel inedit«. 329 James, Esoterisme, Occultisme, S. 85 f. 330 Silvie Hartung, Interview. 331 Silvie Hartung, Interview. Die Alawis, die keine Schuon-Anhänger waren, wa­ ren die Schüler von Khaled Bentounes. 332 Valsan an Schuon, 17. September 1950. Für Guenons Zustimmung Michel Chodkiewicz, Interview (Loire Tal 2000). 333 Guenon, Brief vom 9. Oktober 1950, reproduziert in Dominique Devie, »The File on the Schuon Case: The History of a Pseudo-Guenonian Cult«. 334 Valsan an Schuon, November 1950. 335 Hartung, Aufzeichnungen von Gesprächen mit Cuttat, 23. Juli 1950. 336 Clavelle, »Document confidentiel inedit«. 337 Valentine de Saint-Point, »Rene Guenon«, in: U E gypte nouvelle (25.Januar 1952), Nachdruck in Xavier Accart (Hg.), U E rm ite d e D u q q i. Rene Guenon en m a rg e d e s m ilie u x fr a n c o p h o n e s eg yp tien s, Milan 2001), S. 158£ 338 Gabriel Boctor, »Une visite ä Termite de Dokki«, in: La Bourse egyptienne (22. Januar 1951), Nachdruck in Accart, Ermite de Duqqi, S. 103. 339 Paul Chacornac, L a v ie s im p le d e R en e G uenon,, Paris 1986 (1958,), S. 112-124; Lings, Brief an Schuon, 11. Januar 1951, Privatsammlung. Französische Über­ setzung in Accart, E r m ite d e D u q q i , S. 239—241); S. Katz, Brief an Swami Siddheswarananda, 6. Februar 1951, abgedruckt in Accart, E rm ite d e D u q q i, S. 241f.; Whithall N. Perry, »Apercus«, in: Bernard Chevilliat (Hg.), F rith jo f Schuon, S. 90 f., siehe AN 2. 340 Accart, Ermite de Duqqi, S. 53£ 341 Verschiedene Kontaktpersonen. 342 Der Ursprung dieser Vorstellung ließ sich nicht ermitteln. Zu Guenons letztem Wunsch siehe Katz an Siddheswarananda, 6. Februar 1951. 343 Zum versuchten Verkauf der Bibliothek siehe Igor Volkoff, »Voyage ä travers la bibliotheque de Rene Guenon«, in: UEgypte nouvelle (9. Oktober 1953), Nach­ druck in Accart, Ermite de Duqqi, S. 218-223. Mein Dank gilt Jean-Pierre Laurant fiir die Auskunft über den Fernseher. 344 Lings, Interview. 345 Perry, »Apercus«, S. 100 f. 346 Martin Lings und Faruq al-Hitami, Interviews (Kairo 2001). Zu Levy siehe auch Andrew Rawlinson, T h e B o o k o f E n lig h te n e d M a sters. W estern Teachers in E a s te m T ra d itio n s, Chicago 1997. Ich habe das etwas längere Manuskript dieses Buches verwendet, wofür ich Dr. Rawlinson zu danken habe. 347 Accart, Ermite de Duqqi, S. 57—60.

Anmerkungen

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348 Accart, Ermite de Duqqi, S. 61. 349 Gamal Abdul Nasr war ein Nationalist, kein Islamist. Nachdem im Jahre 1956 im Zuge der Suez-Krise französische, britische und israelische Truppen vereint in ägyptisches Gebiet eingedrungen waren (in Ägypten als der »dreiteilige An­ griff« bekannt), wäre die Erinnerung an einen einzigen zum Islam übergetrete­ nen Franzosen kaum von großer Wirksamkeit gewesen. 350 Clavelle, »Document confidentiel«, ergänzt durch Gagne, Interview (Paris 2000). 351 Gagne, Interview, sowie andere Informanten. 352 Pietro Nutrizio (Hg.), Rene Guenon e VOccidente, Mailand 1999, passim. Die Zitate stammen aus Ugo Darbesio, Rezension von Jean Reyors von Pour un aboutissement de Voeuvre de Rene Guenon (Etudes traditionalles 1988), in: Rivista di Studi Tradizionali 68-69 (1989), S. 245—248. 353 Muhammad Guenon, Interview (Kairo 1997) und Ai (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner). 354 Muhammad Välsan, Interview (Paris 2000). Wb keine andere Quelle zu diesem Orden angegeben ist, stammt die Information von Muhammad Välsan oder Michel Chodkiewicz. 355 Von Chodkiewicz, der in der Lage war, dies zu beurteilen, und der nicht über­ trieben zu haben scheint. 356 Muhammad Välsan, Interview. 357 Mindestens zwei Bücher und 25 kürzere Übersetzungen in Etudes traditionnelles zwischen 1951 und 1971. Siehe Bibliographie in Michel Välsan, Uislam et lafonction de Rene Guenon. Recueilposthume, Paris 1984. 358 Diesem dhikr folgte üblicherweise eine Predigt, die zumeist auf dem Qur an oder auf Ibn al-Arabi beruhte; Guenon wurde nur gelegentlich erwähnt. 359 Die Schätzungen schwanken zwischen 65 (Chodkiewicz) und 200 (Muham­ mad Välsan). 360 Das heißt, eine Zahl von Anhängern, die im Fall neuer Orden nur selten über­ schritten wird. Ein langjährig bestehender Orden kann Tausende von nicht be­ sonders engagierten Anhängern haben. 361 Vgl. J. Storch und R. Fran$on, »La difficile naissance de la semeuse«, in: Documents Philatiliques 11 (1986/4). Es gibt auch ein Musee Oscar Roty mit einer Website, URL: http://www.oscar-roty.fr/roty/french/menu/lemuseefr.html (zu­ letzt aufgerufen im Juli 2019). Nach 2002 erschien eine modernisierte Version der Semeuse auf bestimmten in Frankreich geprägten Euromünzen. 362 Der Nachname ist natürlich polnisch, aber die Familie Chodkiewicz ist seit 1832 in Frankreich ansässig. Sie übersiedelte dorthin, nachdem im Jahre 1831 ein Ar­ meeoffizier nach einem erfolglosen Aufstand aus Russland geflohen war. Alle Informationen über Chodkiewicz stammen aus einem Interview mit ihm, mit Bestätigungen, soweit möglich, aus anderen Quellen. 363 Genaugenommen an der ficole des Hautes Etudes en Sciences Sociales, einem renommierten Institut.

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364 Die Revue de Vhistoire des religions, eine ehrwürdige akademische Zeitschrift, die schon 1880 gegründet wurde, veröffentlichte 1998 in einer Sonderausgabe sechs Artikel, die sich mit christlichen und muslimischen Orden befassten (Bd. 215, Nr. 1). Einer dieser Artikel war von Chodkiewicz, einer von Gril und einer von Eric Geoffroy, der zwar kein Traditionalist war, aber Guenon las und ein Muslim war und außerdem der Schwiegersohn von Valsans engstem An­ hänger Rene Roty. Die drei Artikel über christliche Orden waren von Wissen­ schaftlern verfasst, die keine Verbindung zu Välsan hatten: Eric GeofFroy, »La mort du saint en islam«, S. 17—34; Michael Chodkiewicz, »Les quatre morts du soufi« (S. 35-57); Denis Gril, De l’usage sanctifiant des biens en islam(S. 59-89), in: Revue de THistoire des Religions 215 (1998/1). 365 Vgl. zum Beispiel Yacoub Roty, Lattestation de foi. Premiere base de l'hlam, Paris 1994. Der Ansatz ist typisch für den Orden Valsans: Das Buch beruht gänzlich auf klassisch islamischen Quellen, bis auf das letzte Kapitel, das sich mit dem »von der Vorsehung gelenkten Werk« Guenons befasst und in dem von den Gefahren des zeitgenössischen Rationalismus die Rede ist, und das sechs der wichtigsten Werke Guenons empfiehlt. 366 Er war den Mitgliedern der Grand Triade bekannt, schrieb gelegentlich überdie Freimaurerei, vgl. den dreiteiligen Artikel Michel Välsan, »Les derniers hauts grades de l’Ecossisme et la realisation descendante (I—III)«, in: Etudes traditionnelles (1953/6, 8, 9), und mutmaßte voller Anerkennung, dass Illaysh ein Frei­ maurer gewesen sei, was durchaus der Fall gewesen sein mag. Siehe Välsan, Lislam et la fonction de Rene Guenon, S. 30 f. Chodkiewicz stellt jedoch eindeu­ tig klar, dass Välsan kein Maurer war (Interview). 367 Muhammad Välsan, Interview. 368 Välsan, Lislam et la fonction de Rene Guenon, S. 13. 369 Verschiedene Informanten. Keiner dieser Nachfolge-Orden wünschte, weitere Einzelheiten öffentlich bekannt zu geben. 370 Pallavicini, Interview. Wb keine andere Quelle angegeben ist, stammen Infor­ mationen über Pallavicini und die Ahmadiyya von Pallavicini oder aus Beob­ achtungen während eines Besuchs bei der Ahmadiyya in Mailand imJahr 199(5, und aus informellen Gesprächen mit anderen Ahmadi. 371 Verschiedene Informanten. 372 Weitere Angaben zu diesem Orden in meinem Buch: Saints and Sons. The Making and Remaking ofthe Rashidi Ahmadi Sufi Order, 1799-2000, Leiden 2005. 373 Ali Salim, Interview (Singapur 1996). 374 Ali Salim und Muhammad Zabid, Interviews (Kuala Lumpur 1996). 375 Paliavicini, Interview (Mailand 1996). 376 »Centro Studi Metafisici >Rene Gudnonshaikh< Pallavicini e l’incontro traAllah e Roma«, in: Corriere della Sera (30. Juli 1990), S. 18. 389 Dies ist die Ansicht Dr. Stefano Allievis (persönliche Mitteilung). 390 »Abdu-l-Hadi« (Pseudonym), Leserbrief, in: Messaggero deWlslam vom 15. De­ zember 1986, S. 15. 391 Stefano Allievi (persönliche Mitteilung). 392 »In memoriam Rene Guenon«, Nachdruck in Abd-al-Wahid Pallavicini, Lislam intirieur. La spiritualite universelle dans la religion islamique, Paris 1995 (1991), S. 103-113. 393 Communita Islamica (1992), S. 11 und S. 13h Dies war die einzige Ausgabe von Communita Islamica, die im Jahre 1992 erschien, und sie war gänzlich Angriffen auf Palavicini gewidmet. 394 Muhammad Zabid (Interview) hat keine Informationen, dass sein Vater einen solchen Brief geschrieben hat, der überdies in italienischer Sprache abgefasst war, die sein Vater nicht beherrschte. Obwohl möglicherweise ein anderer den Brief ins Italienische hätte übertragen können, ist sein Inhalt schlicht falsch. Muhammad Zabid und Ali Salim (Interviews) bestätigen beide, dass Pallavicini in die Ahmadiyya aufgenommen wurde und eine ijaza erhielt. Scheich Abd al-Rashid hätte nicht abgestritten, ihm eine ijaza gegeben zu haben, wäre das tatsächlich der Fall gewesen, hätte er sie stattdessen einfach widerrufen kön-

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nen, hätte er dies gewollt. Entscheidend ist hier, dass der Brief die Aussage ent­ hält, Pallavicinis Handlungen »entbehren jeder traditionellen Basis« (meine Be­ tonung). Nur jemand, der mit dem Traditionalismus vertraut ist, hätte das schreiben können; es ist nicht eine Wendung, die einem arabisch- oder malay­ sischsprachigen Menschen einfallen würde, es sei denn, er hätte sich in die traditionalistische Literatur vertieft, was Scheich Abd al-Rashid niemals getan hatte. 395 Pallavicini, Uislam interieury S. 163 f. 396 Verschiedene Informanten. 397 Pallavicini, Interview, durch diverse erhärtende Beweise belegt. 398 Verschiedene Ahmadi-Kontaktpersonen. 399 Francesco Battistini, »Moschea: AN diserterä la fiaccolata di protesta«, in: Corriere della Sera (31. Oktober 2000). 400 Elisabetta Rosaspina, »Milano: Un quartiere contro la moschea«, in: Corriere della Sera vom 30. Oktober 2000. 401 Verschiedene Berichte in Corriere della Sera im Oktober 2000. 402 Jean Tourniac [Jean Granger], Johannes Eques A Rosa Mystica. La Franc-mqonnerie chretienne-templiere des Prieures Ecossais Rectifies. Reflexion sur lOrganisa­ tion prieurale et Fesprit du rite, Paris 1997, S. 11-13 und S. 78.

403 Tourniac veröfFendichte zwischen 1965 und 1993 fünfzehn Bücher über die Maurerei, Symbolik, das östliche Christentum und das Judentum sowie über den Traditionalismus als solchen. Zwei weitere Bände über das Judentum er­ schienen posthum. 404 Der gewählte Name war diesmal S. F., obwohl die Befragten sich uneins waren, ob diese Buchstaben für Sainte Fraternite oder Sein de Familie standen. 405 Ihr Ritual zeichnete sich durch einen neuen, von Guenon erfundenen Freimau­ rer-Grad aus, den des Chevalier (oder vielleicht Maitre) d’Orient et d’Occident. 406 Tourniac, Johannes Eques, passim sowie Roman, Rene Guenon, S. 153f. 407 Tourniacs erstes Buch war Symbolisme magonnique et tradition chretienne, Paris 1965. Baylot und Riquet veröffentlichten gemeinsam Les Francs-Magons. dialogue entre Michel Riquet und Jean Baylot, Paris 1968. 408 Tourniac, Johannes Eques, S. 81. 409 Mein Dank gilt Pater Jerome Lacordaire für diese Details. 410 Diese Bemerkungen beruhen auf einer Besprechung der Travaux de la löge natio­ nale de recherches Villard de Honnecourt und den Cahiers Villard de Honnecourt. 41X Patrick Geay, Leitartikel, in: La Regle dAbraham I (April 1996), S. 3-6.

Anmerkungen

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Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 137 f. Jean-Baptiste Aymard, »Frithjof Schuon (1907-1998). Connaissance et voie d’interiorite. Approche biographique«, in: Chevilliat, FrithjofSchuon, S. 43. Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 9. A3, Interview (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner). Whithall N. Perry, »Apercus«, in: Chevilliat, FrithjofSchuon, S. 100—102. Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 152 und S. 267. Ebd., S. 159 sowie Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 50. Yellowtail war mit der ers­ ten staatlich geprüften indianischen Krankenschwester verheiratet und der Bru­ der des ersten indianischen Superintendenten eines Reservats. Michael Fitzge­ rald, »Le role de Frithjof Schuon dans la preservation de Pesprit de Tindien peau-rouge«, in: Chevilliat, FrithjofSchuon, S. 190. Die Weiße BüfFelfrau spielt in dem Gründungsmythos der Lakota eine zentrale Rolle, indem sie den nord­ amerikanischen Indianern ihre erste heilige Pfeife brachte. Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 166. Ebd., S. 169. Ebd., S.i4if. Ebd., S. 167 und S. 169. Ebd., S. 173-183, ergänzt durch Bernadette Rigal-Cellard, »La religion des sioux oglalas«, in: J. Beranger, P. Guillaume (Hg.), Lefacteur religieux en Amerique du Nord. Religion et groupes ethniques au Canada et aux Etats- Unis, Bordeaux 1984, S. 248-251 sowie J. Vahid Brown, E-Mail, Dezember 2002. Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 180. Ebd., S. 200. Ebd., S. 9, S. 190 f. und S. 212-259. Ebd., S. 9. Ebd., S. 264. Ebd., S. 265. Ebd., S. 263. Ebd., S. 266. Ebd., S. 295. Ebd., S. 272 und S. 266. Ebd., S. 268. Henri Hartung, Presence de Ramana Maharshi, Paris 1987 (1979), S. 44. Im Jahre 1967 verpassten Schuon und seine Gefährten das Schiff, mit dem sie nach Tanger fahren wollten, und beschlossen daraufhin, durch Spanien zu rei­ sen und das Schiff dort zu besteigen. Unterwegs statteten sie der berühmten »Macarena« Jungfrau in Sevilla einen Besuch ab, dem Schuon den unbeschwer­ ten Rest ihrer Reise zuschrieb. Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 274.

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Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 53f. Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 153. Dies sind nicht Schuons Worte, sondern Aymards, »Frithjof Schuon«, S. 50. Jean-Baptiste Aymard, E-Mail, Februar 2003. Aymard sagt in einer E-Mail, die Bilder seien nie zur Meditation verwendet wurden, doch verschiedene Maryami-Quellen legen es nahe, dass sie zumindest als lockerer Fokus für die Meditation dienten. 31 Schuon zitierend, vgl. Martin Lings, »Frithjof Schuon. Un respect autobiographique«, in: Chevilliat, FrithjofSchuon, S. 85. 32 Aymard, »Frithjof Schuon«, S. 53 und S. 58. 33 Eigendich ist es ja Abraham, der für gewöhnlich als die Figur gilt, die alle drei monotheistischen Religionen vereinigt, da Abraham in allen dreien in etwa den gleichen Rang einnimmt. Die Jungfrau Maria spielt für das Judentum keine Rolle, obwohl das Haus David von Bedeutung ist. Im Islam gibt es keine fest­ stehende »Hierarchie der Frauen«, und wenn es so etwas gäbe, wäre die nahelie­ gende Spitzenkandidatin Hagar (im Islam die Zweitfrau Abrahams) oder zeit­ näher Fatima, die Tochter des Propheten Muhammad oder vielleicht seine Frau Aysha. Dass einige türkische Muslime Maria in Ephesus verehren, sagt nichts über die muslimische Einstellung zur Jungfrau Maria im Allgemeinen aus: Der volkstümliche türkische Islam ist stark von den Aleviten beeinflusst, die den chrisdichen Kult der Jungfrau miteinbezogen haben und die sich ohnehin wesendich vom sunnitischen und schiitischen Islam unterscheiden. Das Alevitentum könnte als völlig separate Religion angesehen werden, hätte eine solche Einschätzung nicht unüberschaubare Folgen fiir die Beziehungen zwischen der beachtlichen alewitischen Minderheit und der sunnitischen Mehrheit in der Türkei. 34 »Concerning the Paintings«, maschinengeschriebener Text, undatiert, der von Patricia Estelle (Pseudonym, mehr dazu später) stammen könnte. 35 Beim Tode Schuons waren etwa 1200 solcher Texte im Umlauf. Über Daten und Sammlungen siehe Aymard, E-Mail. Aymard beschreibt die Texte nicht als »kanonisch« (mein Ausdruck), sondern als »methodiques«. 36 Diese Darstellung aus meiner eigenen Durchsicht einer Auswahl dieser Texte. 37 Für die Rechtfertigung siehe »Bezugspunkte« ca. 1985, unsigniertes und unda­ tiertes Dokument in Catherine Schuons Handschrift. Die Fakten folgen den Angaben verschiedener Informanten. Was das Datum angeht, A5, Interview (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner). 38 Verschiedene Informanten machten übereinstimmende Namensangaben. Da die in dieser Weise mit Schuon verbundenen Frauen in den meisten Fällen noch am Leben sind und einige von ihnen auch Kinder haben, würde die Veröffent­ lichung dieser Details jedoch keinem guten Zweck dienen. 39 Burckhardt an »Abd al-Hayy«, am 4. August 1957. 40 Seyyed Hossein Nasr, »Intellectual Autobiography«, in: Lewis E. Hahn (Hg.),

Anmerkungen

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The Philosophy o f Seyyed Hossein Nasr, Chicago 2001, S. 4 sowie weitere Infor­

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manten im Iran. Wo keine andere Quelle angegeben ist, gehört die Information über Iran zum Allgemeinwissen und stammt von verschiedenen Informanten, die sich gegenseitig bestätigt haben. Nasr selbst sagt darüber, er sei nach Amerika geschickt worden, um ihn vor einer häuslichen Situation zu schützen, die von der schwindenden Gesundheit seines Vaters bestimmt war, der bei einem Unfall schwer verletzt worden war und kurz nach Nasrs Abreise nach Amerika verstarb. Siehe Nasr, »Intellectual Autobiography«, S. iof. Diese Umstände erklären vielleicht, warum Nasrs El­ tern es womöglich für besser hielten, ihrem Sohn dieses häusliche Leid zu erspa­ ren, aber sie erklären nicht, warum sie ihn nach Amerika schickten, was 1945 eine lange und schwierige Reise war. Nasr, »Intellectual Autobiography«, S. 16-19, und Nasr, Interview (Washington 1996). Adnan Aslan, Religious Pluralism in Christian and Islamic Philosophy. The Thought ofjohn Hick and Seyyed Hossein Nasr, Richmond 1998, S. 15. Seyyed Hossein Nasr, »In Quest of the Eternal Sophia«, in: Andre Mercier, Suilar Maja (Hg.), Philosophes critiques d yeux-memeslPhilosophische Selbstbetrach­ tungen, Bern 1980, S. 115. Zitiert nach Aslan, Religious Pluralism , S. 16. Nasr, »Intellectual Autobiography«, S. 27. Der Begriff »islamische Philosophie« wird hier im Wesentlichen im Sinn von hikma dhawqiyya, »Weisheitsphilosophie« verwendet, ein von Suhrawardi über­ nommener Begriff. Dieser unterscheidet zwischen der »Weisheitsphilosophie« und der »diskursiven Philosophie«. Das Wesentliche an Suhrawardis Unter­ scheidung liegt darin, dass die Weisheitsphilosophie sich dem Götdichen nä­ hert, während die diskursive oder aristotelische Philosophie dies nicht tut. Für Suhrawardi bedarf ein wahrer *arif{der um Gott Wissende) beider Arten. Für diese Unterscheidung vgl. A’avani Interview (Teheran 2001). »Conceptions of Nature and Methods Used for its Study by the Ikhwan al-Safa, al-Biruni, and Ibn Sina«, 1958. Zu Nasrs Lehrern siehe AN 1. Ali Tabandeh, Hurshid tabande, Teheran 1998, S. 46, S. 48, S. 51-53, S. 65-75, S. 80-82 und S. 87. Ideals and Realities o f Islam, New York 1966; The Encounter ofM an and Nature. The Spiritual Crisis o f Modem Man , London 1968; Sufi Essays, New York 1972. Zwischen 1964 und 1968 veröffentlichte die Harvard University Press Nasrs Dissertation unter dem Titel An Introduction to Islamic Cosmological Doctrines. Conceptions o f Nature and Methods Used for Its Study by the Ikhwan al-Safa, al-Biruni, and Ibn Sina (1964) und zwei weitere wichtige Bücher, Three Muslim Sages. Avicenna, Suhrawardi, Ibn Arabi (1964) und Science and Civilization in Islam (1968). Alle drei Bücher waren in ihrer Gelehrsamkeit bedeutende Werke,

und spätere Nachdrucke in englischer Sprache erschienen mehrfach in neuen Auflagen. Science and Civilization in Islam ist auch ins Französische und Italie-

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nische übersetzt worden. Diesen Werken gingen einige kleinere Arbeiten in per­ sischer Sprache voraus: Ahamiyat-i tahqiq dar falsafa- 7 Islam dar ’asr-i hazir (Die Bedeutung des Studiums der islamischen Philosophie in der heutigen Zeit), Teheran S.N., Vujud va takassur-i an (Sein und seine Polarisierung), Te­ heran. Die persischen Übersetzungen der drei Bücher erschienen wie folgt: An Introduction to Islamic Cosmological Doctrines sofort, Three Muslim Sages im Jahr 1967 und Science and Civilization in Islam im Jahr 1972. 51 Einige der Befragten berichten, dass Nasrs Ehefrau persönlich mit der Kaiserin befreundet war. 52 A2, Interview (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner). Wo keine andere Quelle angegeben ist, stammt die Information über die Akademie von dieser Quelle. 53 Seyyed Hossein Nasr, Vorwort, in: Sophia Perennis 1 (1975/1), S. 7. 54 Im Jahre 1975 ersetzte der Schah sogar den seit langem bestehenden islamischen A/jW-Kalender des Iran, wonach die Zeitrechnung mit der Errichtung des ersten islamischen Staates in Medina durch Muhammad beginnt, mit einem Kalen­ der, der die Jahre seit der Thronbesteigung von Cyrus dem Großen im Jahre 559 v. Chr. zählte. Die Verwendung des Wortes falsafa (Philosophie) anstelle von hikma in der Benennung der Akademie hatte wahrscheinlich den gleichen Grund. 55 Nasrullah Purjavadi war zum Beispiel ein Ni matollahi, vgl. Nasr, Interview. 56 Die führende Autorität nach seinem eigenen Lehrer, Tabataba’i, bei dem Nasr selbst studiert hatte. Ali Tabandeh, Hurshid tahande, S. 97 und A’avani, Inter­ view. 57 Yahya Alawi, Interview (Mashhad 2001). 58 Corbin war Massignons Nachfolger an der Ecole Pratique des Hautes Etudes der Sorbonne. Seit 1939 beschäftigte er sich mit Suhrawardi, nach dem Zweiten Weltkrieg in Istanbul, dann in Paris, und im Iran arbeitete er später über Mulla Sadra. Steven M. Wasserstrom, Religion öfter Religion. Gershom Scholem, Mircea Eliade, and Henry Corbin atEranos, Princeton 1999, S. 146 t 1964 erschien von ihm eine Übersetzung des K itab al-mashazir des Mulla Sadra. 59 Zu Eliades Teilnahme siehe Wasserstrom, Religion after Religion, S. 42. Mircea Eliade, »Some Notes on Theosophia perennis'. Ananda K. Coomaraswamy and Henry Corbin«, Rezension von Roger Lipsey, Coomaraswamy, 3 BdePrinceton 1977, in: History ofReligions 19 (1979), S. 167-176, insbesondere S. 173. 60 Antoine Faivre, Interview (Paris 2001). Diese Ansicht wird von anderen Infor­ manten gestützt. Für Parallelen siehe insbesondere Henry Corbin, »The Force of Traditional Philosophy in Iran Today«, in: Studies in Comparative Religion (1968/2), S. 12-26. 61 Nasr, »Intellectual Autobiography«, S. 50. 62 A’avani, Interview. 63 Pierre Lory, Interview (Paris 2000).

Anmerkungen

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64 Die Eröffnungsansprache der Kaiserin Farah wurde in Sophia Perennis I (Herbst 1975/2) abgedruckt. Viele Teilnehmer an Konferenzen dieser Art ignorieren na­ türlich vollkommen das vorgegebene Thema. 65 Wahrend der Umfang der iranischen Maryamiyya nicht gesichert ist, gehörten ihr womöglich nicht mehr als zwölf Personen an, obwohl sie nach der Revolu­ tion schätzungsweise an die 70 Mitglieder gezählt haben soll. 66 Mit der möglichen Ausnahme einer frühen Arbeit in persischer Sprache, Ahamiyat-i tahqiq darfalsafa- VIslami dar *asr-i hazir (Die Bedeutung des Studiums der islamischen Philosophie in der heutigen Zeit), die in den 1960er Jahren er­ schien und die ich bisher weder orten noch lesen konnte. 67 Liste in Sophia Perennis I (Herbst 1975/2), S. 133-138. 68 Diese Bemerkungen stützen sich auf einer Durchsicht der ersten sechs Num­ mern. 69 Muhammad Legenhausen, Interview (Oom 2001). 70 Er empfahl gelegentlich seinen Anhängern Guenon (den er mit Max Planck verglich). Shariati, »A Glance atTomorrows History«, siehe URL: http://www. shariati.com/english/tomorrow/tomorrowi.html (zuletzt aufgerufen im Juli 2019) sowie Ali Rahnema, An Islamic Utopian. A Political Biography ofA li Shariatiy London 1998, S. 161. 71 Er hat Shariati nie schriftlich angefochten, äußerte sich aber oft kritisch über ihn. Soroush, Interview (Harvard 2000). 72. Soroush, Interview. 73 Julian Baidick, Rezension von Tabataba’i, ShiHte Islam, London 1976, in: Times Literary Supplement (30. April 1976), S. 526. 74 Eigendich »Leiter des Privatbüros der Kaiserin«. Nasr wurde fast zufällig in die hohe Politik verwickelt - siehe seine »Intellectual Autobiography«, S. 72. Zu einer der diplomatischen Sendungen Nasrs siehe Parviz C. Radji, In the Service of the Peacock Throne. The Diaries o f the Shah’s Last Ambassador to London, London 1983, S. 270. 75 Nasr, »Intellectual Autobiography«, S. 72. 76 In der Schweiz: Lausanne, Basel und Genf. In Frankreich: Reims und Nancy. In England: London. In Argentinien: Buenos Aires. In Amerika: Bloomington, Berkeley und Washington, D. C. 77 Zu Borella verschiedene Quellen. Zu Rama Coomaraswamy A5, Interview (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner), E-Mail. 78 A5 und A7, Interviews (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner). 79 Da viele von ihnen noch immer ihr Lehramt innehaben, wäre die Nennung von Namen oder Institutionen unangebracht. 80 James H. Forest, Living with Wisdom. A Life o f Thomas Merton, Maryknoll 1991, S. 6-16. 81 Aldous Huxleys Ziele und Wege. Eine Untersuchung des Wesens der Ideale und der M ittel zur Verwirklichung lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Mystik,

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Jacques Maritains Art and Scholasticism und das Vorbild Gerard Manley Hop­ kins* bestätigten in ihm eine Vorliebe fiir den Katholizismus. Merton nahmsich für seine Doktorarbeit zunächst Blake zum Thema, später trat Hopkins an die Stelle. Thomas Merton, The Seven Storey Mountain, New York 1948. Siehe Fo­ rest, Living with Wisdom, S. 47-55, S. 73, S. 79 und S. 90. 82 Für diesen Vorschlag danke ich Jean-Baptiste Aymard (E-Mail, Februar 2003). 83 Forest, Living with Wisdom, S. 125 und S. 128. 84 Zitiert nach Forest, Living with Wisdom, S. 118. 85 Sidney H. Griffith, »Merton, Massignon, and the Challenge of Islam«, in: Rob Baker, Gray Henry (Hg.), Merton & Sufism. The Untold Story, Louisville 1999, S. 59 und S. 68. 86 Rob Baker, »Merton, Marco Pallis, and the Traditionalists«, in: Baker, Henry, Merton & Sufism, S. 203-205. 87 Zitiert nach Baker, »Merton, Marco Pallis«, S. 204. 88 Blake, der auch fiir Merton sehr wichtig war und der ebenfalls ein Perennialist war. 89 Baker, »Merton, Marco Pallis«, S. 195 sowie Forest, Living with Wisdom, S. 126 und S. 173. 90 Baker, »Merton, Marco Pallis«, S. 217-219. 91 Merton, Journaleintrag fiir den 16. Juni 1966, in: Christine M. Bochen (Hg.), The Journals of Thomas Merton, Vol. 6: Learning to Love, San Francisco 1997, zitiert nach Baker, »Merton, Marco Pallis«, S. 220 f. 92 Baker, »Merton, Marco Pallis«, S. 223. Laut William Stoddart (E-Mail, Fe­ bruar 2003) hat es keine Korrespondenz zwischen Merton und Schuon ge­ geben. 93 Seyyed Hossein Nasr, »What Attracted Merton to Sufism«, in: Baker, Henry, Merton & Sufism, S. 9. 94 Die Zitate und die Reiseroute sind aus Forest, Living with Wisdom, S. 201-207. Alle Spekulationen sind von mir. Forest wusste weder von Mertons Interesse am Traditionalismus noch von der Existenz der traditionellen Bewegung. 95 Forest, Living with Wisdom, S. 208-225. Wenn etwas Ungewöhnliches an den Todesumständen Mertons gewesen wäre, hätten sich natürlich viele seiner Kon­ ferenzkollegen verpflichtet gefühlt, diese Tatsache zu verbergen. 96 Schätzwert auf dem Umschlag der Harper-Collins-Taschenbuchausgabe. The Religions ofMan entstand aus einer erfolgreichen 17-teiligen Fernsehserie mit gleichem Titel, die 1955 vom National Educational Television ausgestrahlt wur­ de. Diane Hue Balay, »Can a 76-Year-Old Retired Minister Become a Media Star?« (21. März 1996). 97 G. McLeod Bryan, Voices in the Wildemess. Twentieth-Century Prophets Speak to the New Millennium, Macon 1999, S. 101. 98 Huston Smith, »Bubble Blown and Lived In: A Theological Autobiography«, in: Dialoge (Herbst 1994/4), S. 276f.

Anmerkungen

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99 Bryan, Votces, S. ioi. 100 Smith, »Bubble Blown«, S. 275. 101 Houston Smith, »Einführung«, in: Frithjof Schuon, The Transcendent Unity of Beingy New York 1975, S. IX-XI; Smith, »Bubble Blown«, S. 276 sowie Fax, 29. Juli 2001. 102 Smith, »Bubble Blown«, S. 277. 103 Ebd., S. 278. 104 Ebd., S. 279. 105 Mary Rourke, »Our Culture, Our Beliefs, Our Responsibilities: Explorer of the Worlds Spirituality«, in: Los Angeles Times vom 21. Juli 1999, S. Ei+ sowie Ma­ rilyn Snell, »The World of Religions according to Huston Smith«, in: Mother Jones 22 (1997/5), S. 40-43. 106 Bryan, Voices sowie Snell, »World of Religions«. 107 Dies ist die Ansicht von Gene R. Thursby (E-Mail, 19. Mai 2000); ich selbst habe die Ansprache nicht gehört. 108 Smith, »Bubble Blown«, S. 278. 109 Abschriften erhältlich unter URL http://www.intuitionnetwork.org/idxtran. htm (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 110 Siehe meine »Decade analysis« unter http://www.traditionalists.org/bibliog/ bibstat.htm. hi Warum dies der Fall sein sollte, ist ein Rätsel. Die Anzahl jüdischer Traditiona­ listen scheint dem Bevölkerungsanteil in den jeweiligen Ländern ungefähr zu entsprechen. Vgl. dazu die Ausführung Rabbi Leon Ashkenasis in Kapitel 10 in diesem Buch. 112 Vgl. meine »Traditionalist Writings« unter http://www.traditionalists.org/bib liog/gwrite.htm. 113 Marcia Z. Nelson, »Islamic Publishing Is Poised for Growth«, in: Publishers Weekly (13. November 2000), ergänzt aus Katalogen, Interviews und diversen anderen Quellen. 114 »Moslems: East Comes West«, in: The Economist (3. April 1976), S. 30. Zu Mah­ mud, zeitgenössische Fotografin. Zu der Eröffnung des Festivals durch Königin Elisabeth, Stoddart, E-Mail. Der Artikel im Economist berichtet nur, dass sie eine der Ausstellungen eröffnete. 115 Zur Finanzierung vgl. Alistair Duncan (ehemals Sekretär der Stiftung), Fax, 31. Januar 2000. Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate stiftete ei­ nen Beitrag von £ 1250 000 (etwa $ 15 Millionen nach den Preisen des Jahres 2000), und die Regierungen sechs anderer muslimischer Länder trugen zusam­ men weitere £ 600 000 bei. Zu den Stiftungsmitgliedern Duncan, World ofIs­ lam Festival Trust 1973-1983, London, Privatdruck, undatiert. Zu Beeley siehe »Obituary of Sir Harold Beeley«, in: Daily Telegraph (31. Juli 2001). H6 »Wenn man sagen könnte, ein einziger Mann stehe fiir das batin des Festivals, ja, sogar ein einziger, der es zum Großteil inspiriert hat, so wäre dies Frithjof

Anhang Schuon«. Peter Lamborn Wilson, »The World of Islam«, in: Sophia Perennisih (1976), S. 108. Unter allen Kommentatoren auf dem Festival in London scheint nur die Autorin Doris Lessing darauf gestoßen zu sein, dass viele der Darbie­ tungen »aus ähnlichem Stall« kamen. Doris Lessing, »Die Ones Who Know«, in: Times Literature Supplement vom 30. April 1976, S. 515. 117 Wilson, »The World of Islam«, S. 109. Siehe auch Michael Levey, »The Twin Pillars of Islam«, in: Times Literary Supplement yom 30. April 1976, S. 518. 118 Ebd. 119 Siehe dazu Christian Bonaud, Lim am Khomeyni, un gnostique meconnu deXXe siecle, Beirut 1997. 120 Vgl. meine Webseite »Schuonian Writers: Biographie analysis« unter http:// www.traditionalists.org/bibliog/otherschuonian.htm. 121 Im Allgemeinen wird der Islam der westlichen Öffendichkeit entweder durch befangene »moderne« Muslime oder durch politische Aktivisten präsentiert. Die »modernen« Muslime nehmen oft eine etwas apologetische Haltung ein, wobei sie häufig versuchen, islamische Handlungen im Sinne der gegenwär­ tigen Sozialwissenschaften zu rechtfertigen, oder, in ganz schweren Fällen, im Sinne der Naturwissenschaft. Diese Wortführer sind meist nicht sehr ein­ drucksvoll, man vernimmt den apologetischen Ton. Die Rationalisierungen werden als selbstdienlich und eigennützig abgetan. Sie rufen jedoch gewöhnlich keine Feindseligkeit hervor. 122 Dieser Ansatz mag leicht ironisch anmuten, zumal der Traditionalismus ganz allgemein den Unterschied zwischen Esoterik und Exoterik betont, doch hier ergab es sich als Folge der Betonung des Esoterischen. 123 Diese Bemerkungen stützen sich auf meine eigenen Erfahrungen bezüglich der Folgen, die das Einbetten einiger dieser Aufsätze in den studentischen Lehrstoff haben kann. 124 Anonymer Korrespondent, E-Mail, Mai 2001. 125 James W. Morris, »Ibn Arabi in the >FarWeste Visible and Invisible Influences«, in: Journal of the Muhyiddin Ihn Arahi Society 29 (2001), S. 87-122. 126 Frithjof Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, Privatdruck, Schweiz 1974, S. 295. 127 Aymard bestreitet diese Deutungen (E-Mail) mit Entschiedenheit, sie werden aber von den letzten Seiten der Erinnerungen und Betrachtungen Schuons nahe­ gelegt. Schuon hat wiederholt die verschiedenen Stadien seines Lebens be­ schrieben, und er beendet seine Memoiren 1973 mit der Spekulation, dass (zum Zeitpunkt seines Schreibens) womöglich ein neues Stadium am Anbrechen sei. In diesem Zusammenhang nennt er zwei Ereignisse. Eines davon war eine Kon­ ferenz in Houston, Texas, auf der Leo Schaya einen Vortrag hielt, in dem er auf eine Beziehung zwischen den Aktivitäten der Maryamiyya und der eschatologischen Funktion des Elija aufmerksam machte. Schuon zitiert hier zumindest billigend den implizierten Vergleich zwischen ihm selbst und Elija. Das andere

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Ereignis war der Besuch eines deutschen Sadhus aus Sri Lanka, den er in Ver­ bindung mit einem Traum deutet, den er in den 1940er Jahren hatte. In diesem sah er sich mit Kali verschmolzen, und er hielt diesen Traum offenbar für be­ deutsam. Schuon, Erinnerungen und Betrachtungen, S. 302—304. 128 Schuon, Schreiben vom 19. Dezember 1980 an Leo Schaya, in dem Schuon be­ merkt, dass »am Ende der Zeiten das menschliche Werkzeug zur Manifestation der religio perennis aus dem Westen kommen müsse«. Dabei wird er kaum ei­ nen anderen Westler gemeint haben als sich selbst. 129 Erschienen in Studies in Comparative Religion 12 (1978), S. 131—75. 130 Schuon an Hans Küry, 15. Mai 1981, und Schuon an einen unbekannten Anhän­ ger, 29. April 1989, zitiert nach Jean-Baptiste Aymard, »Frithjof Schuon (1907— 1998). Connaissance et voie d’interiorite. Approche biographique«, in: Chevilliat (Hg.), FrithjofSchuon, S. 59. 131 Drei heutige Anhänger Schuons, E-Mail, Februar 2003. 132 Frithjof Schuon, »Quelques critiques«, in: Pierre-Marie Sigaud (Hg.), Rene Guenon, Lausanne 1984, S. 57 und S. 80. 133 Schuon, »Quelques critiques«, S. 57. 134 Die letzte Ausgabe bezeichnet sich selbst als das »93. Jahr«, aber Philippe Encausse gibt 1890 als Datum des Erscheinungsjahres der ersten Ausgabe an. Phi­ lippe Encausse, Papus, le »Balzac de l’occultisme«. Vingt-cinq annees d ’occultisme Occidental, Paris 1979, S. 31. Vielleicht ist die Diskrepanz auf die Jahre zurückzufuhren, in denen die Veröffentlichung ausgesetzt wurde, wie zum Beispiel wäh­ rend des Zweiten Weltkriegs. 135 Andre Braire, Interview (Paris 2000). 136 Richard B. Forsaith, Interview und andere Quellen. 137 Forsaith, Interview (digital 2000). 138 Zu dem Ereignis dieses Himmelszeichens siehe Catherine Schuon, »Frithjof Schuon: Memories and Anecdotes«, in: Sacred Web 8 (1992), S. 59. 139 In einem Brief an Leo Schaya vom 19. Oktober 1980 erklärte ihm Schuon, dass die Umsiedlung »eine Frage der Abkehr von der religio formalis« (vermutlich dem Islam) war, »mittels einer Hinbewegung auf die religioperennis«. Die alter­ native Erklärung wurde beispielsweise von Seyyed Hosein Nasr angegeben (In­ terview). Ho Forsaith, Interview. Hi Harald von Meyenburg, Interview (Lausanne 1998). H2. A7, Interview (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner). x43 Forsaith und A5 (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner), Interviews. *44 Forsaith, Interview. H5 Forsaith, Interview; Mark Koslow, »Black Elk, Joseph Epes Brown and the Schuon Cult«, unveröffentlichtes Typoskript, Privatsammlung; A7, Interview (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner) sowie Jean-Paul Schneuwly, Interview (Genf 1998). Schuon »heiratete« Estelle um 1989, nachdem er 1974 seine zweite

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»vertikale« Frau »geheiratet« hatte, siehe A5, Interview (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner). 146 Michael Fitzgerald, »Frithjof Schuon. Providence without Paradox«, in: Sacred Web 8, 2002. 147 Forsaidi, Ay (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner), und Schneuwly, Inter­ views. 148 Für die Verwendung des Begriffs pneumatikos siehe vier undatierte Kurztexte von Schuon: 1034,1035, io^2. sowie »Au sujet d’une personnalite pneumatique«. Zur Verwendung des Begriffs avatar und einer Interpretation von pneumatikos siehe von Meyenburg, Interview, und von Meyenburg, Fax, Juli 2002. Für eine weniger dramatische Deutung des Begriffs pneumatikos siehe Aymard, E-Mail, und Stoddart, E-Mail. 149 Catherine Schuon, »Frithjof Schuon. Memories and Anecdotes«, in: Sacred Web 8 (1992), S. 43-46. 150 Schuon, nummeriertes Dokument, datiert 1981, zitiert nach Fitzgerald in »Frithjof Schuon«. 151 Forsaith, Interview. Laut Stoddart »sang er hauptsächlich arabische Qasiden (qasidd). Eine Zeitlang fügte er noch einen indischen Gesang hinzu.« (E-Mail). 152 Einige Quellen fuhren die Rituale der SacredPipe (Heiligen Pfeife) und des Sun Dance (Sonnentanzes) an, während andere bestreiten, dass diese aufgefiihrt wurden, aber nicht ausdrücklich angeben, was tatsächlich während der »India­ nischen Tage« stattgefunden hat. Yellowtail unterhielt enge Beziehungen zu Inverness Farms, er betrachtete alle Anhänger Schuons automatisch als Mitglieder des Stammes der Crow-Indianer, aber einigen Aussagen zufolge war er trotz al­ lem noch ein Außenseiter. 153 Forsaith, Interview; Mark Koslow, »Schuon and Thomas Yellowtail« sowie Fo­ tografien von »Indianischen Tagen« aus einer Privatsammlung. 154 A8 (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner), Brief an Koslow, undatiert, wahr­ scheinlich von 1995. Die Darstellung von S. E. Lambert (unbetitelte eidesstatt­ liche Erklärung, 9. Oktober 1992) deckt sich mit der von A8. Die Darstellungen Koslows deuten auf eine etwas größere und stärker ritualistisch strukturierte Versammlung hin. Andere Anhänger Schuons sind der Ansicht, diese Darstel­ lungen seien alle von Kritikern der Gruppe manipuliert worden, vgl. Koslow, »Schuon and Thomas Yellowtail« sowie »Evidence of the Involvement of Children«, unveröffentlichte Typoskripte, Privatsammlung. 155 Schuon, »Beauty«, Text Nr. 1018. 156 Schuon, »Beautys Requirement«, Text Nr. 316. 157 Forsaith, Interview, durchAy bestätigt (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner). 158 Schuon, »Au sujet du Gouvernement de la Tariqah«, handschriftlicher unda­ tierter Text. 159 Forsaith, Interview. Wie schon in Kapitel 4 erwähnt, waren andere Alawi nicht dieser Meinung und unterstützten die ijaza Schuons.

Anmerkungen

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160 A7, Interview (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner). 161 Connor (ein anderer Brief), Lambert (Aussage) und A5 (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner). 162 Bundesstaat Indiana gegen Frithjof Schuon, Anklageschrift, Monroe Circuit Court, eingereicht am 11. Oktober 1991. Auch Mark Koslow, Interview, bestä­ tigt durch Sergeant (im Ruhestand) Jim Richardson, Interview (Telefon 2001). 163 Kurt Van der Dussen, »Schuon Indictments Dropped«, in: The Herald-Times vom 21. November 1991, S. 1. 164 Kurt Van der Dussen, »Prosecutor Explains Reasons for Dropping Case«, in: Ebd., S. A9. 165 Richardson, Interview; Koslow, »Schuon and Thomas Yellowtail«. 166 »Information on Indictments of Frithjof Schuon«, Pressemitteilung vom 21. November 1999. 167 Indiana Kodex 35-42-4-3 und 35-42-4-8. 168 Koslow, Interview. 169 Robert Miller, Bezirksstaatsanwalt, zitiert nach Robert Niles, »Charges Drop­ ped against Schuon«, in: Indiana Daily Student (21. November 1991), S. 1. 170 Der maritime Vertrag für bedingte Veräußerung war als Teilsicherheit für ein Darlehen von $ 12000 an Vidali gegangen (Urteil, Stanley Jones gegen Aldo Vidali, Rechtssache B118448, Amtsgericht Kalifornien, Bezirk San Diego, Gerichtsbezirk El Cajon, 1993). Vidalis Sohn Ari erwarb ein Drittel Interesse an der Arcadaldo im Jahr 1982; Vidali verkaufte dann das Boot um das Jahr 1992 (Verfügung, Ari Vidali gegen Aldo Vidali, Fall 654 460, Oberster Gerichtshof von Kalifornien, Bezirk San Diego, Gerichtsbezirk San Diego, Dezember 1992). 171 Ziauddin Sardar, »A Man for All Seasons«, Impact International, Dezember 1993, S. 33fE 172 Missachtungsklage, Michael Pollack und Sharlyn Romaine v. Aldo Vidali, Fall 92-1060 S, US-Bezirksgericht für den südlichen Bezirk Kaliforniens, 26. Okto­ ber 1992. 173 Von Meyenburg, Interview. 174 Catherine Schuon, »Frithjof Schuon«, S. 60. 175 Die Führung ging auf Schuons Anweisung an zwei ältere Maryami. Estelies Einfluss schwand, nachdem sie neu geheiratet hatte. A6 (vgl. Anhang, Liste der Interviewpartner), E-Mail, 2002. 176 Ich habe den Zaun zwar selbst nicht gesehen, aber ein Kollege, der 2002 nach Inverness Farms fuhr, berichtete darüber. Für die offene Besprechung der Maryamiyya vgl. die Webseite www.worldwisdom.com (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 177 Catherine Schuon, »Frithjof Schuon«, S. 45. 178 »Lettre de S. Ibrahim ä un accusateur marocain«, ca. 1978. 179 Das Nacherzählen der oftmals anrührenden Geschichten solcher Menschen würde hier keinem lohnenden Zweck dienen. 9

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180 Forsaith, Interview. 181 Danner an Forsaith, 20. Oktober 1988. 182 Patrick Ringgenberg, »Frithjof Schuon: Paradoxes et Providence«, in: Sacred Weh 7 (2001). Das Zitat stammt aus dem französischen Manuskript und nicht aus der veröffentlichten englischen Übersetzung. 183 Forsaith, Interview. 184 Huston Smith, »Bubble Blown«, S. 277. 185 Gianfranco De Turris, Elogio e difesa di Julius Evola. II Barone e i terroristi, Rom 1997, S. 50, S. 52, S. 59, S. 61. 186 EM [Pseudonym], »Sobre los >anos de plomomagische< Gruppe von Ur in ihrem historischen und esoterischen Umfeld«, in: Julius Evola, Schritte zur Initiation., Bern 1997; Renato del Ponte, »Le correnti della tradizione pagana romana in Italia«, in: Agiza 7 [ca. 1996] sowie Claudio Mutti, Interview (Parma 1998). 193 Ferraresi, Minacce alla democrazia, S. 137, S. 140 f. 194 Insbesondere Clemente Graziani, »La Guerra rivoluzionaria«, in: Ordine Nuovo 2 (April 1963), S. 11-27. Siehe Ferraresi, Minacce alla democrazia, S. 136. 195 Ferraresi, ebd., S. 129-231. 196 Ebd., S. 133f. 197 Ebd., S. 127-129. 198 Ebd., S. 232-234. 199 Ebd., S. 175—187. Dass Freda für die Anschläge des 12. Dezember 1969 verantwordich war, beruht eher auf Wahrscheinlichkeit als auf handfesten Beweisen, doch die Verantwortung seiner Gruppe für andere Anschläge mit ähnlichen Zielen ist mehr oder weniger erwiesen. 200 Ferraresi, ebd., S. 175—181. Die Ursache dieses Sturzes ist nie festgestellt worden, aber er ist wahrscheinlich gesprungen oder wurde geschoben. 201 Dario Fo, Morte accidentale di un anarchicoyTurin 1974. 202 Ferraresi, Minacce alla democrazia, S. 173. 203 Ebd., S. 220-224, S. 229.

Anmerkungen

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204 Ebd., S. 242. 205 H.T. Hansen [Hans Thomas Hakl], »Der Ritt auf dem Tiger. Anmerkungen zum Buch«, in: Julius Evola, Cavalcare la Tigre/Den Tiger reiten, Engerda 1997. 206 Julius Evola, Cavalcare la Tigre. Orientamenti esistenzialiper unepoca della dissoluzione, Rom 1995 (1961), S. 149 und S. 151. 207 Evola, Cavalcare la Tigre, S. 151f. 208 Zum Beispiel bei Hansen »Ritt auf dem Tiger«. Eine interessante Parallele, an die Evola gedacht haben mag, ist das islamische Konzept der hijra (Auswande­ rung), die für die extremeren Varianten des politischen Islam im späten zwan­ zigsten Jahrhundert kennzeichnend ist. 209 Ferraresi, Minacce alla democrazia, S. 101, S. 296 sowie De Turris, Elogio e difesa, S.99. 210 Ferraresi, Minacce alla democrazia, S. 302. 211 In der Organisationsmethode und den offenkundigen Zielen der Terroristen, die den Angriff auf Amerika vom 11. September 2001 verübten, sind Anklänge von Freda zu finden. 212 Ferraresi, Minacce alla democrazia, S. 243 und S. 277. 2x3 Ebd., S. 287f., S. 317-319. 214 Ferraresi, Minacce alla democrazia, S. 300. Inzwischen nimmt man an, dass es die Rechte war, obwohl die genaue Täterschaft sich noch immer nicht fesdegen lässt. 215 Ferraresi, Minacce alla democrazia, S. 103, S. 303 f. 216 Ebd., S. 277-279, S. 316£, S. 320-324, S. 338-340. 217 Hansen, »Ritt auf dem Tiger«. Hansens Schlussfolgerungen sind jedoch ganz das Gegenteil der meinigen. 218 Henri Hartung, »Rencontres Romaines au milieu des ruines«, unveröffendichtes Manuskript, März 1984, Eintrag fiir den 25. Juni 1971. Hartung hatte wahr­ scheinlich keine Kenntnis von der Beteiligung dieser Gruppen am Terrorismus. 219 Ferraresi, Minacce alla democrazia, S. 103. Zur Bedeutung Gaddafis siehe Goodrick-Clarke, Black Sun, S. 69. 220 Roger Griffin, »Revolts Against the Modern World: The Blend of Literary and Historical Fantasy in the Italian New Right«, in: Literature and History II (Frühjahr 1985), S. III. 221 Was die Verbindung zu Freda anbelangt, siehe Ferraresi, Minacce alla democra­ zia, S. 195. 222 Siehe URL: http://www.fondazione-evola.it (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 223 Die Gruppen der Alleanza Nazionale waren der Circolo Azione Giovani in Verona und der Circolo Azione Giovani »Rene Guenon« Talenti in Rom. 224 Ruotolo Guido, »IIPM di Verona Papalia: C’e’ un vero pericolo« [Interview mit dem Staatsanwalt Guido Papalia], in: La Stampa vom 30. Dezember 2000, S. 7 sowie Margret Chatwin, »Fronte Nazionale«, Informationsdienst gegen Rechts­ extremismus vom 9. Juli 2001.

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225 Chatwin, »Fronte«, was sich auf Berichte in II Secolo XIX (25. Juli 2001) stütz­ te, die angeblich von Quellen innerhalb der italienischen Sicherheitsdienste stammten. 226 Claudio Mutti, Julius Evola sulfronte dell’est> Parma 1998, S. 43-55. 227 Diese Gruppen waren die Kard-Kerezst-Korona Szövetseg, die Schule der Tra­ dition und Transzendenz von Ärpad Szigeti und Apokalipszis Iskoläja (Schule der Apokalypse). Mutti, Julius Evola sulfronte deWest, S. 48, S. 53-55. Bei Mutti wird die Apokalipszis Iskolaja nicht genannt. 228 Mutti, Julius Evola sulfronte deWest, S. 57-59. Der ungarische Traditionalismus verdient ohne Zweifel weitere Erforschung, zu der es mir an linguistischer Eig­ nung mangelt. 229 Del Ponte, »Correnti della tradizione pagana romana«. 230 De Benoist, Interview (Paris 2000) sowie Lektüre einiger Werke der Neuen Rechten. Für den rein politischen Einfluss Evolas in England siehe GoodrickClarke, Black Sun, S. 49 f., S. 52 und S. 68-71. 231 Adriana Berger, »Mircea Eliade. Romanian Fascism and the History of Reli­ gions in the United States«, in: Nancy A. Harrowitz (Hg.), Tainted Greatness. Antisemitism and Cultural Heroes, Philadelphia 1994, S. 64 h sowie H.T. Han­ sen [Hans Thomas Hakl], »Mircea Eliade, Julius Evola und die Integrale Tradi­ tion«, in: Julius Evola, Über das Initiatische, Sinzheim 1998. 232 Evola hatte Eliade gebeten, ihm dabei zu helfen, seine Bücher in Frankreich zu veröffendichten, und obwohl Eliade ihm entweder nicht helfen konnte oder wollte, übersetzte Evola Eliades Schamanismus und archaische Ekstasetechnik ins Italienische, wofür er das Pseudonym Carlo d’Altavilla wählte, vgl. Hansen, »Mircea Eliade, Julius Evola«. 233 Steven M. Wasserstrom, Religion after Religion. Gershom Scholem, Mircea Eli­ ade, and Henry Corbin at Eranos, Princeton 1999, S. 3, S. 24 und S. 317E; Ed­ mund Leach, »Sermons by a Man on a Ladder«, in: New York Review ofBooks 7 (20. Oktober 1966), S. 28. 234 Wasserstrom, Religion after Religion, S. 153. 235 Der Student, der sich seiner als Traditionalist entsinnt, ist William Quinn, des­ sen traditionalistische Dissertation Eliade stark förderte. Natale Spineto, »Mir­ cea Eliade and Traditionalism«, in: Aries NS 1 (2001/1). Diese Dissertation er­ schien später unter dem Titel: William W. Quinn, The Only Tradition, Albany 1996. Von Eliades Zurückhaltung berichtet auch ein weiterer Forschungs­ student, N. J. Girardot, »Smiles and Whispers«, in: Bryan S. Rennie, Changing Religious Worlds. The Meaning and End o f Mircea Eliade, Albany 2000, S. 152f. Dies stimmt mit anderen Berichten überein. Eliade verfasste weiterhin Romane in rumänischer Sprache, obwohl diese keine weitere Leserschaft fanden als seine Ehefrau und seinen engsten Freundeskreis. Siehe Rachela Permenter, »Roman­ tic Postmodernism and the Literary Eliade«, in: Rennie, Changing Religious Worlds, S. 95-116.

Anmerkungen

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236 Karlfried Graf Dürckheim, Alphonse Goettmann, Dialogue sur le chemin initiatique, Paris 1979, S. 149. Bei Berger, »Mircea Eliade«, heißt es zum Beispiel, Eliade sei »zutiefst interessiert an den spiritualistischen Theorien von Antisemi­ ten wie dem Italiener Julius Evola und dem Franzosen Rene Guenon«. Dies ist eine drastisch grobe Vereinfachung. 237 Eine Stiftungsprofessur wurde 1985 auch an der University of Chicago ins Le­ ben gerufen. Berger, »Mircea Eliade«, S. 66. 238 Siehe Carl Olson, »Eliade, the Comparative Method, Historical Context, and Difference«, in: Rennie, Changing Religious Worlds, insbesondere S. 60-93 und S. 70 f. 239 Diese Unterscheidung zwischen autonomen und »heteronomen« Ansätzen machte Eliades Schüler Ioan Petru Culianu. Nach Roger Corless’ Ansicht war Eliade »der Führer und letzten Endes der Schlussstein« des autonomen Ansat­ zes. Siehe Roger Corless, »Building on Eliades Magnificent Fadure«, in: Rennie, Changing Religious Worlds, S. 3-9. 240 Ein Urteil von solcher Reichweite lässt sich natürlich bestreiten, aber es gibt auch andere Stimmen, die ihm beipflichten. Zum Beispiel heißt es, dass Eliade »mehr als irgendein anderer die Religionswissenschaften jener Zeit in den Ver­ einigten Staaten rettete, nicht nur vor einem eifersüchtigen abrahamitischen Gott und einer engen provinzlerischen Theologie, sondern auch vor den reduk­ tiven wissenschaftsgläubigen Rationalisierungen weldicher Akademiker«. Siehe Girardot, »Smiles and Whispers«, S. 149. 241 Rudolf Otto, Das Heiliget München 1947 (1917). Vgl. Kelley Ross, »Mircea Eli­ ade (1907—1986)«, in: The Proceedings o f the Friesian School, Fourth Series (1996), siehe http://www.friesian.com/eliade.htm; ders., »Rudolf Otto (1869— 1:937)«, siehe http://www.friesian.com/otto.htm; sowie ders., »Jakob Friedrich Fries (1773-1843)«, siehe http://www.friesian.com/fries.htm (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 242 Siehe Rennie, Einleitung zu Changing Religious Worlds, S. IX-XXIV. 243 Douglas Allen, »Mircea Eliades View of the Study of Religion as the Basis for Cultural and Spiritual Renewal«, in: Rennie, Changing Religious Worlds, S. 208. *44 Siehe Rennie, Einleitung. *45 Leach, »Sermons«. S. 28. *46 Wasserstrom, Religion after Religion, S. 45. Wasserstrom geht jedoch manchmal zu weit: zu behaupten, der populäre Schriftsteller Louis Pauwels sei »ein weiter wichtiger Einfluss auf Eliade« (S. 77) gewesen, hieße den Wagen vor das Pferd spannen. Wenn überhaupt, so war es Eliade, der Pauwels beeinflusst hat. *47 Zumindest dem allgemeinen Ton dieses Werkes nach zu urteilen: Mircea Eliade »Some Notes on Theosophia perennisx Ananda K. Coomaraswamy and Henry Corbin«, in: History ofReligions 19 (1979), S. 167-176. *48 Heute gibt es Abteilungen für den Islam, für Ethik, Gruppen für lesbische/fe-

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ministische Fragen und für Ritualforschung sowie Seminare für buddhistische Reliquienverehrung und die Problematik und Einflüsse des schwedischen Theosophen Emanuel Swedenborg. 249 Antoine Faivre, »Presentation du Dossier [>PerennialismeDevolutionary< and >Evolutionary< Orientations in Perennial Philosophy«, in: Religious Traditions 7-9 (1984-86), S. 177-226. 253 »Esoteric Anthropology: >Devolutionary< and >Evolutionary< Orientations in Perennial Philosophy« erschien in Religious Traditions 7-9 (1984-86), S. 177226 und »A Perennial Philosophy Perspective on Richard Rortys Neo-Pragmatism« in International Journalfor Philosophy ofReligion 17 (1985), S. 41-65. 254 Wouter J. HanegraafF, »Some Remarks on the Study of Western Esotericism«, in: Esoterica I (ca. 1998/6) sowie Bernd Radtke, »Between Projection and Sup­ pression: Some Considerations Concerning the Study of Sufism«, in: Fred De Jong (Hg.), Shta Islam, Sects and Sufism. Historical Dimensions, Religious Practice andMethodological Considerations, Utrecht 1992, S. 71. Radtke identifiziert zwar die Wissenschaftler, nicht aber die Bewegung, aus der sie stammen. 255 Anfangs in der sechsten Abteilung der Ecole Pratique des Hautes Etudes, die 1975 selbstständig zur Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales wurde. Marc Gaborieau, »Louis Dumont (1911-1998)«, in: JournalAsiatique 287 (1999), S. if. 256 Louis Dumont, Homo hierarchicus. Essai sttr le Systeme des castes, Paris 1966. 257 Louis Dumont, Essais sur Vindividualisme. Une perspective anthropologique sur Ideologie moderne, Paris 1983. Siehe Roland Lardinois, »Louis Dumont et la Science indigene«, in: Actes de la recherche en Sciences sociales 106—7 (März 1995). 258 Gaborieau, »Louis Dumont«, S. 3. 259 Lardinois, »Louis Dumont«, S. 23-34. 260 Marc Gaborieau, persönliche Mitteilung, April 2003. 261 Lardinois, »Louis Dumont«, S. 12, Nr. 5. 262 Ebd., S. 25f. Dieser Kommentar, den Lardinois zitiert, erschien in Liberation (17. November 1983). 263 Paul Fenton, »Qabbalah and Academia. The Critical Study ofJewish Mysticism in France«, in: Shofar. An Interdisciplinary Journal o f Jewish Studies 18 (Winter 2000/2). Fenton hebt zwar Gu6nons Einfluss auf Ashkenasi und Gordin her­ vor, untersucht ihn aber nicht eingehender. Mein Dank gilt Vahid Brown, der mich auf den Artikel Fentons aufmerksam machte. 264 L6on Ashkenasi, »Lhistoire de ma vie«, URL: https://www.judaicalgeria.com/

Anmerkungen

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pages/le-rav-yehouda-leon-askenazi-manitou.html (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). Wb keine andere Quelle angegeben ist, stammt die Information aus die­ ser kurzen Autobiographie. 265 Er war zunächst als Student eingestellt, wurde aber bald schon zur Lehrkraft befördert. 266 Ashkenasi, »L’histoire de ma vie«. 267 Elyakim Simsovic, E-Maii-Austausch, Juni 2003. Simsovic war ein enger Schü­ ler Ashkenasis, der, als Ashkenasi gegen Ende seines Lebens erkrankt war, manchmal seine Unterrichtsstunden übernahm. Er hatte des Öfteren Gelegen­ heit, mit Ashkenasi über Guenon zu diskutieren. 268 Paul Fenton, E-Mails, Juni 2003. 269 Charles Mopsik, »Quelques echos de la cabale dans la pensee fran^aise du vingtieme siede«, in: Journal des Etudes de la Cabale I (1997), Online siehe http:// jec2.chez.c0m/artmop.htm. 270 Nach seiner Auswanderung nach Israel blieb Ashkenasi in engem Kontakt mit Frankreich, und er gründete auch ein Mayanot-Institut in Jerusalem, ein wenig nach dem Modell der Gilbert-Bloch-Schule. 1983 wurde dies durch ein Netz­ werk jüdischer Studienzentren (Yair) ersetzt, das Juden aus modernem wesdichen Milieu die orthodox-jüdische Kultur beibringen sollte. 271 Fenton, E-Mail, Juni 2003. 272 Kommentare beruhen auf Simsovic, E-Mail und auf einer Durchsicht von Webseiten, die Ashkenasi betreffen. 273 Fenton, E-Mail. 274 Mopsik, »Quelques echos de la cabale«. Siehe Elijah Benamozegh, Israel et Vhumanite, Paris 1885. Simsovic ist mit Mopsiks Deutung von Benamozegh nicht immer einverstanden (E-Mail). 275 Simsovic, E-Mail. 276 Ashkenasi, »L’histoire de ma vie«. 277 Simsovic, E-Mail. 278 Sylvie Hartung, Interview (Schweiz 2001), sowie G. Engelhard, »Sciences humaines, une formule nouvelie de Fenseignement superieure«, in: Riforme, Sep­ tember 1953, S. 3. 279 IBM France Newsletter für 1957, »Preparer les jeunes cadres ä acceder ä de plus hauts emplois«, in: Figaro vom 17. Januar 1956, sowie »L5Institut des Sciences humaines ouvre une nouvelie section«, in: Le Monde vom 24. Januar 1956, S.7. 280 Jean Senard, »Pour se cultiver: d’abord savoir couper le telephone«, in: Figaro Litteraire (24. Februar 1962); Jean Papillon, »1953—1963: L’Institut des Sciences et techniques humaines ä dix ans« (ohne Ort und Datum) und andere zeitgenössi­ sche Presseberichte. 281 Einer seiner Reden nach zu urteilen Videoaufnahme aus der Sammlung Sylvie Hartung.

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282 La loi sur la formation professionnelle continue. Henri Hartung, Le tempsdela rupture. Education permanente et autogestion, Neuchatel 1975, S. 23. 283 Einschließlich Le Monde, Le Figaro, France-Soir und L*Express. 284 Hartung, Pour une education permanente, Paris 1966, S. 12. 285 Senard, »Pour se cultiver«. 286 Henri Hartung, »Rencontres Romaines au milieu des ruines«, unveröffentlich­ tes Manuskript, März 1984. 287 Ebd. 288 Zahlenangaben stammen von Jean Papilion, »Rencontre universite-entreprises pour Tanniversaire de l’Association des Sciences et techniques humaines«, in: Le Figaro vom 13. und 14. Januar 1968. 289 Henri Hartung, Ces princes du management. Le patronatfrangais face a ses responsabilites, Paris 1970, S. 11. 290 Sylvie Hartung, Interview. Wo keine andere Quelle angegeben ist, stammt die Information über Henri oder Sylvie Hartung von Sylvie Hartung. 291 Hartung, Princes du management, S. 12. 292 Ebd., S. 116. 293 Er glaubte weiterhin, dass der Mai 1968 eine angemessene Reaktion auf die Entfremdung des Individuums gewesen sei, die von den Kräften der modernen Welt hervorgebracht wurde, eine Reaktion, die ausnahmsweise einmal kollektiv und nicht nur individuell stattgefimden hatte, doch bedauerte er, dass sie rasch von herkömmlich etablierten Strukturen aufgegriffen worden war, die sie für ihre eigenen Zwecke verwendeten, wie Politiker, Gewerkschaften, politisierte Studenten und dergleichen. Sylvie Hartung, Interview. 294 Hartung, »Rencontres Romaines«. 295 Ebd. 296 Hartung, Princes du management, S. 12. 297 Henri Hartung, Spiritualite et autogestion, Lausanne 1978, S. 144. 298 Die Unterscheidung wird später getroffen, in Henri Hartung, Lei et maintenant, Laval 1989, S. 30. 299 Verschiedene zeitgenössische Presseberichte. Die »streng geheime« Teilnehmer­ liste und Tagesordnung wurden geleaked und sind online einsehbar, URL: litt ps://info.publicintelligence.net/bilderberg/BilderbergConferenceReporti968. pdf (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 300 Nach der offiziellen englischen Übersetzung der Ansprache Hartungs. Typo­ skript. 301 Diese Bemerkungen stützen sich auf eine Durchsicht von Kritiken aus Har­ tungs eigenem Dossier. 302 Hartung, Princes du management, S. 92. 303 LHumanite (22. Juni 1970). 304 Jean Vuilleumier, Tribüne de Geneve (22. April 1970). 305 Entreprise (11. April 1970).

Anmerkungen

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Comte de Paris an Hartung, 25. März 1970. 307 Er wurde durch einen ansonsten unbekannten »Sidi Abdallah al-Alawi« in den Orden aufgenommen. Yves Camicas, Claude Camicas, Gens du bläme: une secte au quotidien, Mailand 1995, S. 37. 308 Camicas, Camicas, Gens du bläme, S. 11 und passim. Sofern keine andere Quelle angegeben ist, stammt die Information aus Gens du bläme. Es handelt sich hier um eine problematische Quelle, da dies eine überarbeitete Version eines Be­ richts ist, der ursprünglich als Roman verfasst wurde und der eine Attacke auf de Seligny durch zwei einstige Anhänger darstellt. Die Arbeit hat unbedingt literarische Qualität und gibt einen aufschlussreichen Einblick in das, was all­ gemein als »Kult-Mentalität« bezeichnet wird. Berichte über »Kulte« seitens feindseliger Ex-Mitglieder sind jedoch als Beweismaterial notorisch unzuverläs­ sig, und der Mangel an erhärtenden Beweisen bedeutet, dass der folgende Be­ richt als vorläufig anzusehen ist. Besonders vorläufig ist meine Identifikation von Hocquard mit »Joseph« in Gens du bläme, da bestimmte Details nicht über­ einstimmen. Das externe Beweismaterial, über das ich verfiige, bestätigt jedoch in anderer Hinsicht Gens du bläme, das in sich konsequent ist. 309 Camicas, Camicas, Gens du bläme, S. 17—39. 310 Ebd., S. 77. 311 Diese Bemerkungen beruhen auf einer Durchsicht der gesamten Serie von Je suis. 312 Camicas, Camicas, Gens du bläme, S. 260-273. 313 Henri Le Mire, Le voleur d ’äme. Reponse ä Beatrice Le Mire, Paris 1978, S. 69—71. 314 Ebd., S. 58. 315 Beatrice Le Mire, Sauvez-moi, sauvez-moil, Paris 1977, S. 62. 316 Impressum von Je Suis (15. Mai 1962). 317 Le Mire, Sauvez-moi, passim. 318 Hocquard, Mozart, Paris 1970, S. 2. 319 Camicas, Camicas, Gens du bläme, S. 144. 320 Ebd., S. 133f. 321 Le Mire, Voleur d ’äme, S. 71 und S. 89. 322 Camicas, Camicas, Gens du bläme, S. 400. 323 Le Mire, Voleur d*äme, S. 123—129. 324 Ebd., S. 131-140; Jean de Rebervilliers, Nachwort zu Camicas, Camicas, Gens du bläme, S. 299-302. 325 Ebd., Nachwort, S. 299-302. 306

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V IERTER TEIL

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Im Gegensatz zu Pauwels wurde Abellio von der französischen Elite als Roman­ schriftsteller, Philosoph und publizistisch aktiver Intellektueller ernst genom­ men. Guenon und Evola waren fiir Abellio nur zwei von vielen anderen Quel­ len, zu denen auch Foucault, Jung und Steiner zählten. Insofern ist Abellio sowohl Mittel als auch Maß für die Durchdringung der breiteren französischen Kultur durch den Traditionalismus. Antoine Faivre, »Histoire de la notion mo­ derne de Tradition dans ses rapports avec les courants esoteriques (XVe-XXe siecles)«, in: Aries, Sonderband, »Symboles et Mythes« (ca. 2000), S. 43 f. sowie Jean-Pierre Lombard, »Avant propos«, in: Jean-Pierre Lombard (Hg.), Raymond Abellio, Paris 1979, S. 9 f. Louis Pauwels, Jacques Bergier, Le Matin des magiciens, introduction au realisme fantastique, Paris i960. Dominique Dhombres, »Louis Pauwels, alchimiste d’une etrange mixture ideologique«, in: Le Monde vom 30. Januar 1997. Ankündigung der Redaktion, Planete, Januar—Februar 1970, S. 4. Rezension der Ausgaben von Planete fiir das Jahr 1970. Vgl. Planete Plus 14, Ramakrishna, Februar 1970, sowie Planete Plus 15, Rene Guenon, April 1970. Dhombres, »Louis Pauwels«. Diese Steigerung lässt sich zwar nur anekdotisch belegen, ist aber überzeu­ gend. Damascene Christensen, N ot ofThis World. The Life and Teachings of Fr. Sera­ phim Rose, Pathfinder to the Heart ofAncient Christianity, Forestville 1993, S. 21, S. 35h, S. 52, S. 54 und S. 68. Christensen, N ot ofThis World, S. 70, S. 79, S. 81, S. 98 und S. 190. Rose, unveröffendichter Entwurf, wahrscheinlich seines unvollständigen Bu­ ches: The Kingdom o f Man and the Kingdom o f God, zitiert nach Christensen, N ot ofThis World, S. 125f. Zitiert nach Christensen, N ot ofThis World, S. 651. Christensen, Not ofThis World, S. 637-644. Eugene Rose, Orthodoxy and the Religion o f the Future. Can the Orthodox Church Enter a »Dialogue« with Non-Christian Religions?, Platina 1976; The Soul öfter Death. Contemporary After-death Experiences in the Light ofthe Ortho­ dox Teaching on the Afterlife, Platina 1980; Eugene Rose, Die Seele nach dem Tod. Heutige »Nach- Todes«-Efahrungen im Licht der orthodoxen Lehre vom Leben nach dem Tod, München 1999 sowie Orthodoxie und die Religion der Zukunft,

Straelen 2010. 14 Christensen, Not ofThis World, passim. Für die russische Rezeption der Bücher und Veröffendichungen Roses bin ich Boris Falikov zu Dank verpflichtet. 15 Jean-Fran^ois Mayer, Confessionsdun chasseur desectes, Paris 1990, S. 27-46.

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Pierre Assouline, Les nouveaux convertis. Enquete sur des chretiens, desjuifi et des musulmanspas comme les autres, Paris 1992, S. 250. Ali Schutz, Interview, Mailand 1996. Abt Silvano, E-Mail, November 1998. In Umberto Eco, Das Foucaultsche Pendel, München u. a. 1989, werden Zitate verschiedener traditionalistischer Schriftsteller als Motto den Kapiteln vorange­ stellt, und es gibt daneben zahlreiche andere Hinweise auf den Traditionalismus. Es kommt sogar eine Figur vor, die daran »interessiert ist, die Fragmente einer verlorenen Tradition wieder zusammenzufugen« (S. 433), die Aglie heißt, ein Name, der sich leicht von Agueli herleiten lässt. Aber trotz all dieser Bezug­ nahmen gibt es weder in der Handlung noch in den Handelnden dieses Buches irgend etwas, das traditionalistisch zu nennen wäre. Eco hat der westlichen Eso­ terik Steinchen für sein eigenes Mosaik entnommen. Sylvie Hartung, Interview (Schweiz 2001). Ebd. Martha Biberstein, Bruno Biberstein, »Henri Hartung: pour deux fois formateur d’adultes«, unveröffentlichtes Typoskript, 21. Mai 1982. Karlfried Graf Dürckheim und Alphonse Goettmann, Dialogue sur le chemin initiatique, Paris 1979, S. 19-27. Barbara Wood, E. E Schumacher. His Life and Thought, New York 1984, S. 348 und S. 352. Dies ist ein halbautobiographischer Bericht der Tochter Schuma­ chers. E. F. Schumacher, Small Is Beautiful. Die Rückkehr zum menschlichen Maß, Reinbeck bei Hamburg 1985, S. 34. Schumacher, Small Is Beautiful, S. 34. Schumacher, Small Is Beautifid, S. 48-56. In ihremWerk E. E Schumacher äußert sich Wood ausdrücklich über Gurdjieff, den Buddhismus und den Katholizismus, doch über den Traditionalismus schweigt sie sich weitgehend aus. Wie viel Schumacher dem Traditionalismus verdankt, wird jedoch aus seinem weniger bekannten Buch A Guide for the Perplexed, London 1995 (zuerst 1977), ersiehdich, in dem er über Guenon schreibt, er sei »einer der wenigen bedeutenden Metaphysiker unserer Zeit«, S. 135. Seine Bibliothek war gut mit traditionalistischen Werken bestückt. Siehe den Online Katalog, http://www.centerforneweconomics.org/content/e-f-schu machers-personal-library (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). Wood, E. E Schumacher, S. 249. Schumacher, Guidefor the Perplexed, S. 14. Schumacher, Small Is Beautiful, S. 106 oder S. 93—106. Wood, E. E Schumacher, S. 221f. Ebd., S. 300-303. Ebd., S. 352-367. Kathleen Raine, Blake and Tradition, Princeton 1968.

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Kapila Vatsyayan, »Kathleen Raine Speaks« (Interview mit Kathleen Raine), in: IGNCA [Indira Gandhi National Center for the Arts\ Newsletter 3 (OktoberDezember 1995/3), Online die IGNCA Webseite, http://ignca.gov.in. Siehe Ka­ thleen Raine, Yeats, the Tarot, and the Golden Dawn, Dublin 1972 sowie Yeats the Initiate. Essays on Certain Themes in the Work o f W B. Yeats, Savage 1990. Diese Medaille wird auf Empfehlung des Dichterfürsten (Poet Laureate) seit 1935 jährlich verliehen. Vgl. »Gilt-edged poets«, in: Stinday Telegraph vom 3.Ja­ nuar 1993, S. 20. Vatsyayan, »Kathleen Raine Speaks«. Kathleen Raine, Brief an Stephen Overy in Antwort auf ein E-Mail des Autors vom 15. Juni 2001. Raine selbst verwendet diesen Begriff in ihren Schriften nicht (oder zumindest nicht häufig genug, als dass ich darauf gestoßen wäre), aber die amerikanische Studentin Margaret Williams kam offenbar zu diesem Schluss, als sie Raine Mitte der 1980er Jahre besuchte, wie sie in ihrem gelungenen Gedicht »Kali Yuga: Juni 1995« zum Ausdruck bringt. URL: http://www.csun.edu/^6^029/ yeats/rainepoem.html (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). Kathleen Raine, »India and the Modern World«, in: Harry Oldmeadow (Hg.), The Betrayal o f Tradition, Bloomington 2005, S. 45-54. Vatsyayan, »Kathleen Raine Speaks«. Vatsyayan, »Kathleen Raine Speaks«; Maggie Parham, »She Will Not Cease from Mental Fight«, in: The Times [London] (18. April 1992). 1996 zitierte Prinz Charles Burckhardt zweimal in seinen Reden. Die Einstel­ lung von Prinz Charles ließe sich als »antimodernistischer Jung-Emersonscher Universalismus« bezeichnen. Bei der Eröffnung seines Instituts für Architektur definierte er den »Geist« als »die überwältigende Erfahrung der Wahrnehmung eines Einsseins mit der natürlichen Welt und darüber hinaus mit der schöpfe­ rischen Kraft, die wir Gott nennen, die im Mittelpunkt aller Dinge liegt. [...] Sie ist sowohl >heidnisch< als auch chrisdich, und in diesem Sinne ist sie sicher­ lich der fundamentale Ausdruck dessen, was wir als Religion bezeichnen.« In derselben Rede sprach sich Prinz Charles gegen den »wissenschaftlichen Ratio­ nalismus« aus, der »die traditionellen Grundlagen« zerstöre, »auf denen seit Jahrtausenden viele unserer menschlichen Werte beruhen«. The Inauguration of the Prince of Wales s Institute of Architecture, Januar 1992, siehe URL https: //www.princeofwales.gov.uk/media/Speeches/speech-hrh-the-prince-of-walesthe-inauguration-of-the-prince-of-waless-insdtute-of (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). Auch andere Quellen bestätigen ihn als Anhänger Jungs, wie zum Beispiel der Privatsekretär des Prinzen, der Kommandant Richard Aylford, vgl. Kate Muir, »The Selling of the Prince of Wales«, in: The Times vom 30. März 1992. Der wichtigste Unterschied zwischen dem Traditionalismus und einer sol­ chen Einstellung ist das Fehlen des initiatischen Elements. Es ist nicht bekannt, ob Prinz Charles Freimaurer ist. Die Familientradition macht es zwar wahr-

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scheinlich, aber es gibt keine Andeutung dafür, wie ernst ihm die Maurerei ist oder welcher Art von Loge er, falls überhaupt, angehört. Charles, Prince of Wales, Ansprache an die Generalversammlung der Church of Scotland, Edinburgh, 20. Mai 2000. URL: https://www.princeofwales.gov.uk/ media/speeches/speech-hrh-the-prince-charles-the-duke-of-rothesay-the-lordhigh-commissioners. Zuletzt erwähnte er die perenniale Weisheit im Jahr 2017, siehe https://www.princeofwales.gov.uk/media/speeches/speech-hrh-the-prince -of-wales-the-harmony-food-and-farming-conference (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). »Islam and the West«, Rede im Sheldonian Theatre, Oxford, am 27. Oktober 1993. Siehe https://www.princeofwales.gov.uk/media/speeches/speech-hrh-theprince-of-wales-titled-islam-and-the-west-the-oxford-centre-islamic. Gervase Webb, »Charles Blasts Lies of Saddam Hussein«, in: Evening Standard vom 27. Oktober 1993, S. 2. VITA wurde ursprünglich 1984 als Programm innerhalb des Royal College of Arts gegründet, einer bedeutenden Londoner Kunstakademie, wobei der Zu­ satz »Royal« eher eine frühere Schirmherrschaft anzeigt und keine Verbindung zu dem gegenwärtigen Prinzen von Wales bedeutet. Critchlow war ebenfalls als Studienleiter am Institut für Architektur beteiligt, und er ist auch ein Mitglied der Temenos-Akademie. Er ist der vornehmlichste Traditionalist in der Stiftung des Prinzen. Im Jahr 2004 wurde aus VITA dann »The Princess School of Traditional Arts«. Vgl. URL https://www.psta.org.uk/about (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). Prince of Wales, »Inauguration« sowie Eric Broug (Student in einem VITAMasterprogramm), E-Mails, September 2001. Kommentare beruhen auf einer Rezension alter Ausgaben, Kataloge, käuflicher Vortragsaufzeichnungen usw. Katalog käuflicher Vortragsaufzeichnungen. Zitat aus Muir, »Selling«. Ebd. »Alice Trent«, E-Mail, 27.-30. Juni 2001. Wo keine andere Quelle angegeben ist, stammt alle Information zu Aristasia aus dieser Korrespondenz. »Alice Lucy Trent«, The Feminine Universe. A Complete Outline ofthe Primor­ dial Feminine Essentialist Philosophy, London o. D., S. 8, S. 30-32, S. 34h, S. 38, S. 40 und S. 44. Trent, Feminine Universe, S. 9, S. 11—14, S. 27, S. 44 und S. 49 f. Frühe Zivilisa­ tionen betreffend bezieht sich Trent auf das Werk des britischen Prähistorikers James Mellaart. Was den biologischen und nicht den sozialen Ursprung »kon­ ventioneller Weiblichkeit« angeht, zitiert sie Anne Moir, David Jessel, Brain Sex. The real difference hetween Men & Woment London 1989. Trent hat Evola nie gelesen (E-Mail) und bezieht sich auf Gu6non, aber sie ist unabhängig davon zu ähnlichen Schlüssen gekommen.

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59 Trent, Feminine Unwerse, S. 103-m und S. 115-125. 60 Trent, »Strangers in Paradise«, auf: Femmeworld Modular Femmefiction. URL: http://aristasia.net/Modula.html (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 61 1996 sendete Channel 4 einen Dokumentarfilm über Aristasia. 62 Trent, E-Mail. 63 Zitiert nach Francis Wheen, »A Firm Hand behind Sweethearts«, in: The Guar­ dian vom 18. März 1998, S. 10. 64 Trent, Feminine Universe, S. 126. 65 Trent, E-Mail. 66 Trent, Feminine Universe, S. 122. In »Ermangelung einer lebendigen femininen Tradition« und im »Bewusstsein der Gefahren, die einem Versuch, eine solche zu erschaffen oder >wiederzubelebenJudeZionist< jeweils nur einmal verwendet habe. Zum Prozess vgl. »Landmark Anti-Semitism Conviction« UPI-Depesche aus Moskau, 12. Oktober 1990. Im Gespräch mit einem israelischen Journalisten behauptete Wasiljew, sein Anti­ zionismus sei nicht gegen Theodor Herzls (israelischen) Zionismus gerichtet, sondern gegen den Zionismus, »der die Weltherrschaft anstrebe«, den »aggressi­ ven« und verdeckten Zionismus der Nachfolger früher bolschewistischer Juden wie Trotzki, Swerdlow, Kamenew und Sinowjew —die antisemitische Aussage ist hier evident. Es gab ganz bestimmt Antisemitismus, vor allem im Leningrader Zweig von Pamjat’, von dem sich Wasiljew öffentlich distanzierte, siehe Walter Ruby, »Über Rußland, >Erinnerung< [Pamjat’] und die Juden«, Interview mit Wasiljew, in: Jerusalem Post vom 7. März 1989. 85 Die Verwirrung, die hier zwischen >sowjetisch< und >russisch< zutage tritt (wes­ sen Staat war die UdSSR?), weist auf den Kern des Problems, wie Aleksandr Tsipko, ein politischer Berater Gorbatschows, es ausdrückt: »Zur Zeit, als die Perestroika begann, war das alte Russland bereits gestorben. Die Russen hatten damals schon keine bestimmte nationale Identität, Kultur oder Weltanschau••

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ung mehr«. Obschon diese Aussage etwas übertrieben klingt, weist sie auf ei­ nen wichtigen Punkt hin. Im Verlauf der sowjetischen Geschichte war der anti­ nationalistische Internationalismus der frühen Bolschewiken zwar abgeschwächt worden (insbesondere natürlich unter Stalin, der viele Symbole russischer Nati­ onalität rehabilitierte, angefangen mit der russisch-orthodoxen Kirche bis hin zu den Uniformen der Armee nach zaristischem Vorbild), doch mittlerweile war die russische Identität in wichtigen Aspekten einer sowjetischen Identität zugeordnet worden. Als die sowjetische Ideologie dann demontiert wurde, war die Unsicherheit der Russen hinsichtlich ihrer nationalen Identität fast ebenso groß wie die hinsichtlich ihrer politischen Zukunft. »Keiner der Führer der Pe­ restroika«:, beklagte Tsipko später, »wusste, wie man die Perestroika auf die Ge­ schichte der russischen Nation beziehen sollte«. Alexander Tsipko, »Russias Difficult Path Toward Democracy. Moral and Ideological Preconditions for Overcoming the Legacies of the Communist System in Russia«, in: Internatio­ nal Review o f Sociology 7 (1997), S. 267—318. Stephen D. Shenfield, Russian Fascism. Traditions, Tendencies, and Movements, New York 2000. Ich bedanke mich für die Genehmigung, einen Kapitelentwurf aus diesem Buch verwenden zu dürfen. Aleksandr Prochanow, Derevo v tsentre Kabula, Moskau 1982. Während der achtziger Jahre hatte sich Prochanow einwandfrei als der Führer der »Dorfprosa«-Bewegung (derewenskoiprozy) erwiesen, einer literarischen Be­ wegung, die in den 1950er Jahren als der erste poststalinistische Ausdruck des russischen Nationalismus entstanden war und die sich in den 1960er Jahren radikalisiert hatte. Sie trat fiir eine Modernisierung der nationalistischen russi­ schen Ideologie ein, um sie »fiir die Menschen relevant zu machen, die auf nuklearen U-Booten ihren Dienst tun oder im täglichen Verkehrsstau sitzen«. Yitzhak M. Brudny, Reinventing Russia. Russian Nationalism and the Soviet State, ip tf—ippi, Cambridge 1998, S. ijff., S. 155F. Prochanow wurde zur Leitfi­ gur einer Gruppe von Schriftstellern, die sich um einen Verlag, Molodaja Gwardija (Junge Garde), und eine Literaturzeitschrift, Nash Sovremennik (Un­ ser Zeitgenosse), gruppierten. Dies war der wichtigste Brennpunkt intellektuel­ ler Opposition zur Perestroika. Über die Urheberschaft dieses Dokuments ist man sich nicht einig. Michael Specter, »Muse of Anti-Yeltsin Forces: He is Feared, Never Ignored«, New York Times vom 2. Mai 1996, S. Ai berichtet, dass Prochanow es verfasst und Ziuganow es unterschrieben habe. Tsipko ist der Meinung, Zjuganow habe es in die Wege geleitet und selbst unterzeichnet (»Russias Difficult Path«). Beide sind sich allerdings einig, dass Prochanow und Ziuganow an der Veröffentlichung mitgewirkt haben. Siehe Dugins Zusammenfassung seines Buches, »La Metaphysique de la bonne nouvelle«t URL: http://arctogaia.com/public/bies.htm; Siehe jetzt http://my. arcto.ru/public/bies.htm (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). Dies ersetzt bei-

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spielsweise Guenons Betonung der metaphysischen Einheit durch Betonung der »metaphysischen« Dreieinigkeit, die mit der biblischen und der hinduistischen Kosmologie in Einklang gebracht ist, und vertritt die Ansicht, dass der insan al-kamil (der vollkommene Mensch, ein Sufi-Konzept) in der orthodoxen Tradition nicht Jesus, sondern Maria ist. Bies scheint 1996 einen großen Ein­ fluss auf Dugin ausgeübt zu haben, da er in den beiden ersten Ausgaben von M ilyi Angel vorkommt und Thema einer der Finis AfzW/-Rundfunksendungen Dugins ist. Als Sohn französischer Eitern in Algerien geboren, hatte Bies Guenon entdeckt, als er noch zur Schule ging. Von 1953-1955 war er Mitglied der Alawiyya von Mostaganem, aber als er im Jahr 1956 (zu Beginn des algerischen Krieges) Algerien verließ und mit seinen Eltern nach Frankreich zog, »ent­ deckte« er die Orthodoxie. 1967 begegnete er Schuon und war seitdem eng mit ihm verbunden. 91 Karpiets, Interview (Moskau 2006). 92 Samuel P. Huntington, The Clash o f Civilizations and the Remaking of World Order,; New York 1996. Deutsche Erstausgabe: Kam pfder Kulturen. Die Neuge­ staltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. München, Wien 1996. 93 Marlene Lamelle, Lideologie eurasiste russe, ou comment penser l ’empire, Paris 1999, S. 62. 94 Lamelle, Lideologie eurasiste russe, S. 79. 95 James H. Billington, Russia in Search ofltselfi Baltimore 2004, S. 74. 96 Zu Slawophilen und Pan-Slawisten, siehe Lamelle, Lideologie eurasiste russe, S. 34 ff. 97 Lamelle, Lideologie eurasiste russe, S. 92. 98 Lamelle, Lideologie eurasiste russe, S. 39. 99 Mackinder war eine Schlüsselfigur für die Institution der Geographie als einer respektablen akademischen Disziplin in Großbritannien. Er hatte die erste Pro­ fessur in Geographie an der Universität Oxford inne (1887) und war später der erste Direktor der London School of Economics and Political Science (in 1904). 100 Die Grundthese von Democratic Ideals and Reality. A Study in the Politics of Reconstruction, London 1919 wurde zuerst im Jahr 1904 aufgestellt, in einemvor der Royal Geographical Society gehaltenen Vortrag: »The Geographical Pivot of History«. 101 Dugin, »Metaphysique de la bonne nouvelle«. 102 Siehe auch den hervorragenden Vortrag Mikhail Epsteins, »Main Trends of Contemporary Russian Thought«, der anlässlich des zwanzigsten Weltkongres­ ses der Philosophie in Boston vom 10.-15. August 1998 gehalten wurde. Siehe URL https://www.bu.edu/wcp/Papers/Cont/ContEpst.htm (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 103 Alexander Tsipko, »Russia’s Difficult Path Toward Democracy. Moral and Ideological Preconditions for Overcoming the Legacies of the Communist System in Russia«, in: International Review ofSociology 7 (1997), S. 267—318; Dugin,

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»Landmarks of Eurasianism«. Prochanows offene Opposition gegen die Peres­ troika lässt sich auf Mai 1987 datieren, als seine Kritik an der liberalen und westlichen Neigung der Gorbatschow-Reformen in der Literaturnaja gazeta veröffentlicht wurde. Seine »Patrioten« boten ähnliche Ideen wie die Pamjats, waren aber in ihrem Ausdruck kultivierter. Dennoch können sie kaum als Schwesterorganisationen gesehen werden: 1990 beschrieb zum Beispiel eine An­ zahl von »Patrioten« Pamjat’ als eine »völlig unverhältnismäßig aufgeblasene Provokation«, eine unerhebliche Ansammlung »einiger Witzfiguren«. Zu den Ansichten der »Patrioten« siehe »Brief der Schriftsteller Russlands an den Obersten Sowjet der UdSSR, den Obersten Sowjet der Russischen Republik und das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion«, in: Literaturnaja Rossija (2. März 1990), S. 2-4. Zu Pamjats, siehe Ruby, »Of Rus­ sia«. 104 In ihrem Buch Polititscheskii extremizm v Rossii (Politischer Extremismus in Russland), Moskau 1996, decken Aleksandr Werchowskij, Anatolii Papp und Wladimir Pribylowskii »sorgfältig auf, wie die [Oppositionsgruppen] im Laufe der Jahre durch einen gemeinsamen Mitarbeiterstab und organisationsbezo­ gene Vermischungen einander durchdrungen haben«, so dass sie »trotz ihrer ideologischen Unterschiede aus einem relativ einheitlichen Kern bestehen«. Siehe Andreas Umland, »The Post-Soviet Extreme Right«, in: Problems ofPostCommunism 44 (Juli-August 1997), S. 53-61. 105 James J. Ward, »Pipe Dreams or Revolutionary Politics? The Group of Social Revolutionary Nationalists in the Weimar Republic«, in: Journal o f Contempo­ rary History 15 (1980), S. 515ff. 106 Schmakow, Interview (Kairo 2006). 107 Tsipko, »Russias Difficult Path«. 108 David G. Rowley, »>Redeemer Empiree Russian Millenarianism«, American Historical Review 104 (1999), 1582-1602, insbesondere 1597-99. 109 Walter Ruby, »Of Russia, >Memory< and the Jews« [Interview mit Wassiljew], in: Jerusalem Post vom 7. März 1989. 110 Und von einigen Nationalisten begrüßt, unter der Bedingung, dass der »Kern rein russischen Territoriums« alles andere als klein wäre und mindestens die Ukraine und Weißrussland mit einschlösse. hi Im Gegenzug hielten gebildete Araber die UdSSR vielfach für ein unerlässliches Gegengewicht zu den USA, und die Haltung der UdSSR gegenüber Israel wurde allgemein geschätzt. Es gibt wohl nur wenige Gebiete auf der Welt, in denen der Untergang der UdSSR so sehr bedauert wurde wie im Nahen Osten. 112 Ruby, »Of Russia«. 113 Interview mit Claudio Mutti, übersetzt in Alternative terceriste 27 (Dezember 1990), S. 5. Zitiert nach Deborah Cook, »Origins and Metamorphoses of the New Right: An Interview with Pierre-Andre Taguieff«, Telos 98—99 (Winter 1993/Frühjahr 1994), S. 159-172.

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114 Gennadi Ziuganow, The Geography o f Victory, zitiert nach Charles Clover, »Dreams of the Eurasian Heartland«, in: Foreign Affairs 78 (März-April 1999/2). 115 Mit 21,7 Prozent der Stimmen und 58 Sitzen in Einzelmandaten, vgl. Tsipko, »Russias Difficult Path«. Am deutlichsten ist Specter: »Womöglich mehr als je­ der andere in Russland war es [Prochanow], der die mächtige Allianz der Kom­ munisten und der nationalistischen Gruppen schmieden half, [...] die Gennadi A. Ziuganow [...] zum Hauptkonkurrenten in den Präsidentschaftswahlen« von 1996 machte. Michael Specter, »Muse of Anti-Yeltsin Forces. He Is Feared, Never Ignored«, in: New York Times vom 2. Mai 1996, S. Ai. Für die Bedeutung dieser Allianz in den Wahlen von 1995 siehe Tsipko, »Russias Difficult Path«. 116 Andrei P. Tsygankov, »Hard-Line Eurasianism and Russias Contending Geopolitical Perspectives«, in: East European Quarterly 32 (1998), S. 315-334. 117 Dmitry Shlapentokh, »>Red-to-Brown< Jews and Russian Liberal Reform«, in: Washington Quarterly 21 (Herbst 1998/4), S. 107-126. 118 Clover, »Dreams«, S. 91-93. 119 Eine verkürzte Taschenbuchausgabe dieses Werkes erschien 1999 mit demTitel Nasch Put’ (Unser Weg). 120 Jakob Kipp, zitiert nach Shenfield, Russian Fascism. 121 »Ostritt«, Antifaschistische Nachrichten, April 1998. Auch Jacob W. Kipp »Forecasting Future War. Andrei Kokoshin and the Military-Political Debate in Con­ temporary Russia« (Januar 1999). US Army, Foreign Military Studies Office [On­ line]. URL: http://call.army.mil/call/fmso/issues/kokoshin.htm (im Juli 2019 nicht verfügbar). 122 Clover, »Dreams«. 123 Seit Jahrzehnten fordert Japan die Rückkehr der Inselgruppe der Kurilen als Preis für die Normalisierung der Beziehungen erst mit der Sowjetunion und danach mit Russland. Außenminister Jewgenij Primakow war ein Arabist, der von 1977 bis 1985 das Institut für Orientalistik in Moskau leitete und der einen Großteil seines Erwachsenenlebens der Förderung sowjetischer Beziehungen mit der arabischen Welt gewidmet hat. Von ihm war durchaus zu erwarten, dass er den traditionellen nahösdichen Verbündeten der Sowjetunion geneigt war. Wie Clover selbst bemerkt, betonte Primakow die Rolle der Sowjetunion als »Hüterin des Ostens«, bevor noch der Eurasianismus, der Traditionalismus oder auch nur Perestroika erfunden worden waren. Primakov, The East after the Collapse ofthe Colonial System, Moskau 1983. 124 Winogradow, in Elena Jakowitsch, »Kontinent in Moskau. Stimme der russi­ schen Kultur« [Interview mit Igor Winogradow], in: Literatumaja Gazeta vom 22. Juli 1992, S. 5. 125 Shenfield, Russian Fascism, weist darauf hin, es sei der Geographie und mariti­ men Geschichte des Landes nach zu erwarten, dass die eurasische Theorie Japan dem adantischen Block zuordne. Er schreibt Dugins positive Einstellung ge­ genüber Japan seiner Ansicht zu, Japan sei »ein Land, in dem es noch Traditio-

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nen und heilige Werte gibt«, und schließt, dass in einem Konflikt zwischen eurasischer und traditionalistischer Logik der Traditionalismus gesiegt habe. Auch Pjotr Sawitskij, Carl Schmitt, Karl Haushofer und Jean Parvulesco kom­ men hier zu Wort. Selesnjow gab diesen Termin bei einem Interview mit Radio Russland im Fe­ bruar 1999 bekannt. Iwan Kurilla, »Geopolitika i kommunizm« (Geopolitik und Kommunismus), in: Russkii schurnal vom 23. Februar 1999. Seleznjov war Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und seit 1991 Her­ ausgeber der Prawda. Cook, »Origins«. Unter dem Titel Continente Rusia auf Italienisch von Claudio Muttis Verlag 1991 und als Rusia. Misterio del Eurasia, Madrid 1992. Laut Shenfield, Russian Fascism, kannte Limonow zwar Golowin und Mamlejew in den 1970cm, stand ihnen aber nicht sonderlich nahe. Dieser Roman, der erstmals 1976 in New York auf Russisch erschien (und später ins Englische und Deutsche übersetzt wurde), ist der Form nach eine Autobio­ graphie und beschreibt die Reaktionen des russischen Emigranten, der seine ehrenvolle Position als unabhängiger Intellektueller in seinem Heimadand ge­ gen die Position eines Fremden im westlichen Ausland eintauscht. Für Amerika ist er irrelevant und wird von ihm ignoriert, und der zur Fiktion gewordene Limonow ist auf die Arbeit als Kellner in einem Hotel angewiesen, in dem der Wachmann ein ähnlich degradierter ehemaliger Hauptmann der sowjetischen Marine ist. Bald dehnt er die flir den unabhängigen Intellektuellen typische Revolte auf ein weiteres Gebiet aus und beschließt, mit der Homosexualität zu experimentieren, zumal seine Ehefrau, von den materiellen Wonnen Amerikas verfuhrt, ihm entfremdet ist. Siehe Its me, Eddie. A Fictional Memoir, London 1983, passim. Die Unmenge an Sex in Eto ja, Editschka lässt sich teilweise durch Limonows Entscheidung erklären, überreichlich Worte zu verwenden, die noch nie zuvor auf Russisch in Druck erschienen waren. In dieser Hinsicht kann er mit Mamlejew verglichen werden. Limonows Bedauern über seine Auswan­ derung gipfelte in einem Versuch, in die Sowjetunion zurückzukehren, doch obwohl die Sowjetpresse nach Kräften aus dem Widerruf eines Dissidenten Ka­ pital schlug, der noch dazu recht bekannt und in bestimmten Kreisen gut ange­ sehen war, blieb Limonow, der die sowjetische Staatsbürgerschaft beim Verlas­ sen der Sowjetunion verloren hatte, dennoch im Ausland. Einigen Berichten zufolge hielt sich Mamlejew nach 1991 zwischen Paris und Moskau auf. Diese Information sowie die liberale Reaktion auf Limonows Rückkehr (von der später die Rede sein wird) von Boris Faiikow. Interview (Moskau 1999). Als künftiger Chef einer gesamtrussischen Untersuchungsbehörde mit beab­ sichtigter zusätzlicher Einheit zur »Überwachung der Aktivitäten anderer Ge­ setzesvollzugsbehörden, zur Förderung eines gewissen Maßes an Konkurrenz

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und zur Verhinderung von Korruption und Machtmissbrauch«. In seinen Ant­ worten auf Fragen bei einer Pressekonferenz versicherte Limonow der Öffent­ lichkeit, dass seine Einheit mehr wie das FBI als die Tscheka Feliks Dzerschinskijs sein würde, und verwirrte möglicherweise die ethnischen Nationalisten unter der Anhängerschaft Schirinowskis, indem er sich selbst als halb-russisch, halb-ukrainisch beschrieb, mit einer Beimischung abessinischen und tatari­ schen Bluts. Ein ethnisch begründeter Nationalismus, erklärte er, sei in einem Land wie Russland nicht angemessen. Pressekonferenz der Körperschaft Föde­ raler Informationssysteme, abgehalten von Wladimir Schirinowski und ande­ ren, 22. Juni 1992. 134 Dugin, Interview. Wo keine andere Quelle angegeben ist, stammt die Informa­ tion von Dugin. 135 Dugin bezieht dies aus Nikolai Wasiljewitsch Ustrjalows Rossia u okna wagona (Russland durch ein Zugfenster), Harbin 1926. Siehe Einleitung zu einemAus­ zug aus Ustrjalows Pust*pravit imyajewo (Es herrsche Sein Name), Nachdruck in Ewraziiskoe Wtorzhenje, August-September 1999. 136 Dugin, Interview. 137 Sander Thoens, »Neo-Fascists Launch Boycott«, in: Moscow Times vom 23.Juli 1994. 138 Die Zahl 500 stammt von Shenfield, Russian Fascism. Ein ehemaliges Mitglied, das der NBP im Jahr 2000 beitrat, erhielt eine Mitgliedskarte, die in den Zwei­ tausendern nummeriert war (persönliche Mitteilung), was fiir eine Mitglied­ schaft von weniger als 2000 spricht, da vermutlich die Mitgliedsnummern aus­ getretener Mitglieder nicht wiederverwendet wurden. Diese Bewertung ist meine eigene. Shenfield hält die NBP für eine wichtige Partei, »die größte fa­ schistische Organisation des Mittelfelds in Russland« mit »erheblichem Poten­ tial für weiteres Wachstum«. 139 Zu diesen kurzlebigen Allianzen zählte eine mit der »radikalen« Kommunisti­ schen Arbeiterpartei Russlands Wiktor Iwanowitsch Anpilows (geb. 1945) und eine mit Aleksandr Barkaschows (geb. 1953) Russkoje nazionalnoje Jedinstwo (Russische Nationale Einheit), der RNE. Sergej Tschernow, »Rockstar verwen­ det sein Talent, um Extremisten zu helfen«, in: St. Petersburg Times vom 26. Sep­ tember 1995. Einige Elemente eines mystisch-politischen Ansatzes hatte Barkaschow mit Dugin gemeinsam. In einem Interview mit Zawtra im November 1998 verglich Barkaschow seine Partei mit einem »geschlossenen religiösen Or­ den« und beschrieb die russische Orthodoxie als »die Summe der eurasisch-nordischen Mysterien«. Vgl. Sergej Borisow, »Fascists exploit Orthodox Language«, in: Nezawisimajagazeta vom 3. Februar 1999, übersetzt von der Union der Räte für sowjetische Juden. Barkaschow baute mit Erfolg eine beträchdiche und disziplinierte paramilitärische Gefolgschaft auf, aber er war von der wichtigen KPRF abgeschnitten. Siehe William D. Jackson, »Fascism, Vigilantism and the State«, in: Problems of Post-Communism 46 (Januar-Februar 1999/1), S. 34-42.

Anmerkungen

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140 Shenfield, Russian Fascism. 141 Er war nicht der Einzige, der diese Taktik verwendete. Tschernomyrdin organi­ sierte ebenfalls Gratis-Popkonzerte, bei denen westliche Stars auftraten. 142 Berichte in der St. Petersburg Times von Sergej Tschernow (26. September 1995, 19. März 1996 und 14. Juli 1996), Sarah Hurst (12. Dezember 1995) und von Ale­ xander Kan in der Moscow Times (28. September 1995). Würdigung Kurjochins von Boris Falikow (Interview). Kurjochin stand mit westlichen Gruppen in Verbindung, die Interesse an Evola hatten, insbesondere Death in June und Sol Invictus. Auch teilte er Dugins Interesse an Crowley (Schmakow, Interview). 143 Christian Lowe, »Campaign Heats Up in Nizhni Novgorod«, in: Moscow Times vom 20. Mai 1997. 144 Dugin, Interview (2006). 145 Victor Yasmann, »National Bolsheviks: The Party of »Direct ActionSoviet Mentality< Renaissance«, in: Politmk 56 (6. Juni 2001). 183 Gabowitsch, Interview (Moskau 2006), durch andere Beobachter bestätigt. 184 Für den Kontakt zum Außenministerium Dugin, Interview (2006). Für Dugin an Johns Hopkins* Nitze School siehe Laurence Jarvik, »Eurasianism Explained«, in: LaurenceJarvik Onlitie (8. Oktober 2005), URL: http://laurencejar vikonline.blogspot.com/2005/10/eurasianism-explained.html. Zuletzt aufgeru­ fen im Juli 2019. 185 Ilan Berman, »Increasingly, Russia seeks to regain ground in Eurasia«, Orlando Sentinel, 15. Juni 2001, URL: http://www.afpc.org/pubs/eurasianism.shtml (Ar­ tikel zuletzt erreichbar im Februar 2018). 186 Von den mujahidin hieß es damals, sie seien »Sabotagebanden, von ausländi­ schen Ausbildern geschaffen und trainiert«, die, »von amerikanischem DollarKapital angestachelt, [...] das Blut ihrer eigenen Brüder vergießen, wobei sie sich selbst noch immer Muslime nennen«. Bericht der Telegraphenagentur der Sowjetunion am 24. Oktober 1985. 187 Galina M. Yemelianova, »New Muftis, New Russians?«, in: Prism 5 (1999/16), URL: https://jamestown.org/program/new-muftis-new-russians/ (zuletzt auf­ gerufen im Juli 2019.). 188 Laruelle, »L’appartenance ä Tlslam«. 189 Ebd. 190 Ebd. 191 Ebd. 192 Dorofeyeva, »Eurasia Movement Created in Russia«. 193 Dugin, »The Swallows of Apocalypse« Kommunique der Eurasischen Bewe­ gung (12. September 2002), siehe http://www.eurasia.com.ru/swallows.html (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 194 Dugin, »Swallows«. 195 Worunter man China, Indien, Iran und bestimmte arabische Länder verstand. 196 Dugin, »The Eurasia Movement at a Difficult Stage«. 197 Ebd. 198 Laruelle, »Lappartenance ä l’Islam«. 199 »Window on Eurasia: Eurasians Organize >Anti-Orange< Front in Russia, CIS«. 13. September 2005. Siehe URL http://mariuver.narod.ru/eng/articles/ polit/2005/09/oi.htm (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). Die Antiorange-Ju­ gendfront gründete auf der Eurasischen Jugendvereinigung, umfasste aber auch einige andere kleinere Gruppen. 200 Victor Yasmann, »National Bolsheviks: The Party of >Direct ActionEuroasia [sic] Above Alk Is His Platform«, Online siehe Jewsweek (17. Juni 2002). 224 Alexandr Rybalka, E-Mail an den Verfasser, 15. Oktober 2004. Auch Natasha Mozgovaya, »The Red Army of the Hebron Rabbi«, in: Ediot Ahronot vom 18. Juli 2003 sowie Be’ad Artzeinu, »Hyperzionism«, ND. 225 Mozgovaya, »Red Army«. 226 Ebd.

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227 Alexandr Rybalka, E-Mail an den Verfasser, 31. Dezember 2004. 228 »Eskin Gets Four Months for Curse on Rabin«, in: Jemsalem Post vom 21. Juli x997 * 229 Arseni Volkov, »They Called Him Nikita ...«, Interview mit Abraham Schmulewitsch. 230 Siehe Aviezer Ravitzky, Messianism, Zionism , and Jewish Religious Radicalismy Chicago 1996. 231 Die Zahlen sind natürlich umstritten. Die hier verwendeten (235 und 40000) stammen aus »Not Intifada, This Time It s War«, in: The Economist vom 16. No­ vember 2000. Werden die Bewohner des benachbarten Kiryat Arba mitgezählt, steigt natürlich die Anzahl der Siedler. Ich wollte mit diesem Zahlenvergleich auf die Unsicherheit und Bedrohtheit der Siedlungen im Zentrum von Hebron hinweisen. 232 Er wurde der Anstiftung eines Brandanschlages und der Verschwörung zur Grabschändung schuldig befunden, wurde aber des geplanten Anschlags auf den Tempelberg freigesprochen. Seinen Komplizen, Damian Peckovitch, be­ fand man in allen Punkten für schuldig. Im Fall des Tempelberganschlags wurde er wegen Aufruhrs verurteilt. Elli Wohlgelernter, »Eskin Held in Foiled Temple Mount Pig Plot«, in: Jerusalem Post, 28 (Dezember 1997), S. 1; Sari Bashi, »Israeli Convicted of Defacing Muslim Grave with Pigs Head«, AP-Bericht aus Jeru­ salem, 5. Oktober 1999. Moshe Reinfeld, »Court Acquits Man in Pigs Head Plot on Temple Mount«, in: Hdaretz vom 6. Oktober 1999; Reinfeld, »Pigs Head Plotter Gets 30 Months Jail«, in: Hdaretz vom 12. November 1999. 233 Alexander Sherman, »Here Everything Is as Usual: They re Shooting« (Inter­ view mit Avraam Schmulewitsch, 5. April 2001). 234 AP-Bericht aus Tel Aviv, 16. Juli 1979. 235 Larry McShane, »Allen: Administration Will >Redefine< Actions to Help Soviet Jews«, AP-Bericht aus New York, 31. Mai 1981. 236 Wegen des britischen Systems, einem Wahlkandidaten eine finanzielle Kaution abzuverlangen, die im Fall, dass der Kandidat nicht den erforderlichen Prozent­ satz an Stimmen erhält, verfällt, stand die National Front nach ihrem fehlge­ schlagenen Versuch vor dem Bankrott, da sie jede einzeln hinterlegte Kaution verloren hatte. 237 Graham D. Macklin, »Co-opting the Counter Culture: Troy Southgate and the National Revolutionary Faction«, in: Patterns ofPrejudice 39 (2005), S. 302ff. 238 Southgate, Interview (London 2006). 239 Die English Nationalist Movement entstand zuerst als eine Gruppierung inner­ halb der ITP. Southgate, Interview. 240 Macklin, »Co-opting«, S. 325. 241 Southgate, Interview. 242 Ebd. 243 Synthesis Homepage, Link nicht mehr existent.

Anmerkungen

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244 Macklin, »Co-opting«, S. 309. 245 Tord Morsund, Interview mit Troy Southgate, in: New Imperium 1 (undatiert), S.17. 246 Diese Bemerkungen beruhen auf einer Rezension von Synthesis im März 2006. 247 Southgate, Interview. 248 Ebd. 249 Ebd. 250 Morsund, Interview, S. 16. 251 Southgate, Interview. 252 Diese zählten zu den Themen, die für ein am 14. Januar 2006 geplantes Treffen aufgeführt waren. Southgate, Interview. 253 Ebd. 254 Teile dieses Kapitels wurden ursprünglich als Vortrag verfasst: »The Imperial Iranian Academy of Philosophy and Religious Pluralism in the Islamic Republic of Iran«, bei dem Annual Meeting of the Middle East Studies Association, San Francisco, Cal., 17.-20. November 2001. Eine Fassung dieses Vortrags wurde veröffentlicht in Jill Edwards (Hg.), Historian in Cairo. Essays in Honor of George Scanion, Kairo 2002. 255 Zwischen n und 20 Millionen einer russischen Gesamtbevölkerung von 150 Millionen. In diesem Kapitel wird aus praktischen Gründen der Traditionalismus in Malaysia nicht behandelt, was aber gewiss der Mühe wert sein dürfte. Der führende Traditionalist dort ist Osman Bakar, wahrscheinlich ein Maryami. 256 Siehe Kapitel 9. 257 Rachid ben Eissa, Interview (Paris 2001). Ben Eissa ist die Quelle aller Informa­ tion zum Traditionalismus in Algerien. 258 Garaudy drückte in einem Gespräch mit Alain de Benoist seine Begeisterung für Guenon aus. Vgl. de Benoist, Interview (Paris 2000). 259 Faouzi Skali, Interview (Fes 2001). 260 Viele Aspekte französischer Kultur, die Mitglieder der frankophonen Elite übernommen haben, trennen sie vom Islam wie auch vom Sufismus: das Tragen westlicher Kleidung (vor allem der Frauen), engere gesellschaftliche Kontakte zwischen den Geschlechtern, als es die shana erlaubt, und in manchen Fällen sogar der regelmäßige Genuss von Wein. Der Alkoholkonsum ist vor allem in Nordafrika vorherrschend. 261 Thami Afailal, »Rene Guenon: un modele soufi du XX&me siede« (Interview mit Zakia Zouanat), in: Demain vom 1. Juli 2000, S. 17. 262 Afailal, »Rene Guenon« und Zakia Zouanat, »Sidi Hamza, le saint vivant«, Le Journal (Casablanca) vom 27. Mai 2000, S. 55. 263 Ahmad Qustas, Interview (Fes 2001). 264 Stöbern in Buchläden in Casablanca. Der Buchladen »Livre Service« führte allerdings ein Buch von Idries Shah. 265 Diese Bemerkungen beruhen auf dem Besuch einer Anzahl von Buchläden in

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Casablanca im Januar 2001. Der größte dieser Läden hatte Schuon (Comprendre VIslam) auf Lager sowie du Pasquier (Decouverte de l'Islam) und Skali (drei Ti­ tel), nicht aber Guenon. Wo keine andere Quelle angegeben ist, stammt die Information zu Faouzi Skali aus Interviews mit ihm. Rumis Le livre de dedans [Fi-hi ma fi], Henri Corbins Limagination creatrice d lb n Arabi und Jean-Louis Michons Ibn Ajiba et son miraj. Skali, Interview, ergänzt durch Faouzi Skali, »Eva de Vitray, ou la rencontre des deux rives«, in: Soufisme 4 (2000), S. 11--14, bes. S. 14. Qustas trat der Budshishiyya 1971 bei. Er ist der regionale Vorsitzende der Fondation Internationale de Synthese Architecturale, der Gründer und Präsident von Habitat Culture Developpement. Soufisme 4 (2000). Attalis Interesse spiegelt sich in seinem Chemins de sagesse und leitet sich teilweise aus der Tatsache ab, dass er in Algerien geboren wurde. Nach einer glänzenden administrativen und akademischen Karriere wurde Attali 1981 Sonderberater des französischen Präsidenten und 1991 der erste (und umstrittene) Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwick-

271 Die Angaben hier beziehen sich auf La voie soufie, Paris 1995. Das Buch war eine Zeitlang in Skalis Heimatland weithin im Handel erhältlich. Noch 2001 war Skali einer der am besten vertretenen zeitgenössischen Autoren in den Regalen für »Spirituelles« in der französischsprachigen Abteilung einer der wichtigsten Buchhandlungen Casablancas. Drei seiner Bücher waren in dieser Abteilung von Livre Service erhäldich. 272 Skali, Voie, S. 56. Beispielsweise wird Titus Burckhardts Unterscheidung zwi­ schen der kosmologischen und der metaphysischen Bedeutung des Wortes qabil (Gefäß, Behältnis) bei Ibn al-Arabi auch hier verwendet, vgl. S. 25. 273 Skali, Voie, S. 13. 274 Ebd., S. 149-153. 275 Ebd., S. 67-69. Diese Ansicht mag zwar durchaus gerechtfertigt sein, aber sie scheint mir weniger eindeutig zutreffend zu sein als die vorhergehende. 276 Siehe Kapitel 3. 277 In Frankreich wechselte er von der Soziologie zur Anthropologie über und ging an die Universität Paris VII, damit er unter Aufsicht des traditionalistischen Muslims Najm al-Din Bammate seine these de troisieme cycle (was etwa einer MA-Arbeit entspricht) absolvieren konnte. Er weitete seine Guenon-Lektüre aus und verwendete viel des Gelesenen in seiner Arbeit, auch erweiterte er seine Kontakte zu anderen Traditionalisten in Paris. 278 Skali, Interview. 279 Anzeige in Soufisme 4 (2000). 280 Skali hat geiegendich in Barcelona gesprochen (wohl mit Hilfe eines Dolmet­ schers), und einige Veranstaltungen der Rencontres 2000 haben in dieser Stadt

Anmerkungen

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stattgefunden. Eine Budshishi-ztfzwjw in Birmingham, England, wird von Ha­ mid Lee, einem britischen Budshishi, geleitet. Für die USA ist Qustas zuständig. 281 Nicht Unterzeichneter Leitartikel, in: Soufisme 5 (2000), S. 2. 282 Jean-Louis Girotto, »Sacrees emotions: Retour sur les 5emes Rencontres Mediterraneennes sur le soufisme«, in: Soufisme 5 (2000), S. 4—5, bes. S. 4. 283 Girotto, »Sacrees emotions«. 284 Skali, Interview. 285 Denis Gril, Interview (Kairo 2000). 286 Die Akademie fiel zunächst unter die Kontrolle des Amtes des Premierministers und wurde eine Zeitlang von Chihil Tani verwaltet, einem Revolutionär, der mit den Zielen der Akademie zwar sympathisierte, aber selber beileibe kein Phi­ losoph war und die Akademie so gut er konnte weiterführte. 287 An Büchern in der Bibliothek der Akademie beobachtet im Januar 2001. 288 Yahya Alawi, Interview (Iran 2001) sowie Ashtiyani, Sharh-e moqaddeme-ye Qaysani, zitiert in Christian Bonaud, L'Imam Khomeyni, un gnostique meconnu deXXesieclet Beirut 1997, S. 16. 289 Hadi Sharifi, Interview (Teheran 2001). Die Stiftung war hauptsächlich von Scheich Yamani, dem saudi-arabischen Ölminister, finanziert, die erforderlichen Einführungen übernahm Nasr. Die Arbeit der Stiftung wurde sehr bekannt und gewann die Anerkennung westlicher Wissenschaftler. Weniger bekannt war, dass viele der Mitarbeiter Traditionalisten waren. 290 A’avani und A2 (vgl. der Bibliographie vorangehende Liste), Interviews. 291 Diversen Berichten zufolge hatte er an die fünfzig Mitglieder. 292 Shahram Pazuki, Interview (Teheran 2001). 293 Ebd. 294 Ebd. 295 Muhammad Legenhausen, Interview (Oom 2001). 296 Marcia Z. Nelson, »Islamic Publishing Is Poised for Growth«, in: Publishers Weekly vom 13. November 2000. 297 Nasrullah Purjavadi, Interview (Teheran 2001). 298 Daryush Shayegan, Asia dar barabir gharb* Teheran 1977. 299 Hamshahri Maah, »One Foot on Water, One Foot on Earth: Interview with Dariush Shaygan«, ehemals online bei TehranAvenue.com (August 2001). 300 Laleh Bakhtiar, Nader Ardalan, The Sense ofUnity. The Sufi Tradition in Persian Architecture, Chicago 1973; Pazuki, Interview. 301 Siehe AN 1. 302 Ashk Dahlen, E-Mail, 9. November 2001. 303 Legenhausen und Pazuki, Interviews. 304 Für einen knappen und faszinierenden Bericht über diesen Streit siehe Wil­ fried Buchta, Who Rules Iran? The Structure o f Power in the Islamic Republic, Washington, D. C. 2000. Man beachte dabei aber, dass Buchta vornehmlich auf

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reformistische Quellen angewiesen ist und dadurch ein etwas einseitiges und gelegentlich panikmacherisches Bild entsteht. 305 Mahmoud Sadri, »Intellectual Autobiography [of Soroush]« (n.Mai 1999), siehe URL: http://drsoroush.com/en/intellectual-autobiography-interview-with -mahmoud-sadri/ (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 306 Bd. 4, Nr. 3-4 (Sommer und Herbst 1998). 307 Diese Fragen werden vielleicht auch in späteren Veröffentlichungen erörtert. Die Debatte zieht sich bis in die Gegenwart hin. 308 Für beide Debatten siehe Mehrzad Boroujerdi, »The Encounter of Post-Revolutionary Thought in Iran with Hegel, Heidegger, and Popper«, in: Serif Mardin (Hg.), Cultural Transitions in the Middle East, Leiden, 1994, S. 236-259. 309 Zum Beispiel von Boroujerdi, »Encounter«, S. 239. 310 Ich kann nicht eindeutig beweisen, dass Davari dem Traditionalismus ver­ pflichtet ist, doch alle Indizien (einschließlich seiner Biographie) weisen darauf hin. 311 Alawi, Interview. 312 Siehe AN 2. 313 Ein Philosoph aus dem westlichen Ausland, der die Akademie mehrmals be­ sucht hatte, äußerte sich sehr lobend zu der Qualität der Arbeit an diesem Ins­ titut. Ernest Wolf-Gazo, Interview (Kairo 2000). 314 Bei anderer Gelegenheit beschrieb er jede Philosophie, der ein transzendentales Element fehlt, als »vergeblich«. A’avani, Interview. 315 Sadiq Larijani, Interview (Oom 2001). 316 Pazuki und Legenhausen, Interviews. 317 Diese Argumente werden noch weiter entwickelt bei Muhammad Legenhau­ sen, Islam and Religious Pluralism, London 1999. 318 Legenhausen, Interview. 319 Guenon wird beispielsweise bei Hilmi Ziya Ülken, Islam Diqüncesi, erwähnt, das erstmalig um 1946 veröffendicht wurde. Ülken war Professor der Philoso­ phie, zuletzt an der Universität Ankara. Wie andere Intellektuelle der Spätzeit des Osmanischen Reiches und der ersten Jahre der Republik war er mit dem Französischen vertraut (erst in den 1950er Jahren begann Englisch unter gebil­ deten Türken das Französische zu verdrängen). Eine Erwähnung aus den 1970cm findet sich in einem Band des enzyklopädischen Werkes Türk Tdrihinde Osmanh Asirlart von Sämiha Ayverdi (Türkische Geschichte im osmani­ schen Zeitalter), 1954—1975. In Zeitungsartikeln waren auch Hinweise auf La Crise du monde moderne und Orient et Occident zu finden. 320 Rene Guenon, »Tavhid«, in: Kuhbealtt Akademi Mecmuäsi 8 (1979). 321 Wo keine andere Quelle angegeben ist, stammt diese Information zum Traditionalismus in der Türkei aus Interviews mit Mustafa Tahrali und Mahmud K1I19 (Istanbul 1999). 322 Dieser Eindruck entstand teilweise durch die beiden Bücher, die bisher in

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Übersetzung vorliegen (siehe AN 3). 1999 kam eine Übersetzung seines Buches Metaphysique de la guerre heraus. 323 Die Ausnahme bildet eine indirekte Auswirkung in Form des türkischen Zweigs von Nuevo Acropolis. Das leicht traditionalistische Konzept des Heiligen Rö­ mischen Reiches von Nuevo Acropolis wurde als Idee eines Heiligen Osmanischen Reiches übernommen, doch die Bewegung hatte keine besondere Bedeu­ tung. 324 Siehe AN 4. 325 Eine Ausnahme bildet Yeryüzü Yayinlan, ein Verlagshaus, dessen Eigentümer, Ahmet Kot, ein traditionalistischer Journalist ist. Ein weiterer Verleger, Iz Yayincilik, ist auch auf traditionalistische Werke spezialisiert. Auflagen waren an­ fänglich 2000-3000 stark, fielen aber Ende der 1990er auf 1000-1500. Zuwei­ len erschien nach ein oder zwei Jahren eine Neuauflage, manchmal aber auch nur alle fünf Jahre. A4, Interview (vgl. die der Bibliographie vorangestellte Liste). Viele türkische Buchhandlungen fuhren keine umfangreichen islami­ schen Abteilungen, um ihren Säkularismus betont zur Schau zu stellen. 326 Fritjof Capra, The Tao ofPhysics, Berkeley 1975; Paul C. W. Davies, God and the New Physics, New York 1983; K1I19, Interview. 327 Einige Übersetzer verwenden auch die wördiche Übersetzung, gelenek, was aber leider den unerwünschten Beiklang einer überholten Modeerscheinung hat. Ein ähnliches Problem ergab sich im Arabischen: die wördiche Übersetzung von »Tradition« wäre taqlid , was aber leider auf einen veralteten Brauch hin­ deutet. Ben Eissa entschied sich wie mancher türkische Übersetzer für das Wort din (ein aus dem Arabischen stammendes Wort). Die übliche persische Über­ setzung ist vermudich die beste: sunna, ein dem islamischen Recht entlehnter Begriff, wo er eine vorbildliche Praxis aus der Vergangenheit bezeichnet. 32-8 Zübeyir Yetik, tnsamn Yüceligi Guenoniyen Batinilik , Istanbul 1992. 32-9 K1I19, Interview. 330 Mahmud K1I19, »Ölümünün 37. Yildönümünde R. Guenon u Anmak« [Geden­ ken an R. Guenon an seinem 37. Todestag], in: Ilim ve Sanat 18 (1987), S. 40— 42. Für diesen Hinweis habe ich Thierry Zarcone zu danken. 331 Ken an Rifai besuchte die Galatasaray-Schule in Istanbul und wurde dann von Hamza al-Rifa’i in Medina in die Rifaiyya aufgenommen. 33z Die anderen Akademiker sind Nabi Avci, der an der Bilgi-Universität in Istan­ bul an der Fakultät flir Film und Fernsehen unterrichtete und vier traditionalis­ tische Bücher geschrieben sowie Guenon übersetzt hat, und Ersin Gürdogan, ein Wirtschaftswissenschaftler, der bei iz sieben Bücher veröffentlicht hat. Der islamische Philosoph ist ilhan Kutluer. 333 Zu diesen gehörte ein in der Türkei geborener Grieche, der von Athen aus schrieb. 334 Bin Murad ist ein Nachfolger Ahmad al-Alawis mit jSÄodyd-Niederlassungen in Algerien und in der Schweiz und erkennt die Maryamiyya nicht an.

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335 Ich habe Eduard ten Houten dafür zu danken, dass er mich auf Nuchajew auf­ merksam machte. 336 Nach der üblichen wissenschaftlichen Konvention wird hier der Begriff »Isla­ mist« anstelle von »Wahhabi« verwendet, was nach allgemeinem Sprachge­ brauch in Russland ziemlich dasselbe bezeichnet. Genaugenommen bedeutet der Begriff »Wahhabi« die puritanische und legalistische Variante des Islam, wie sie in Saudi-Arabien praktiziert wird. Dies ist ein Element des Islamismus, aber eben nur eines. 337 Yaacov Ro’i, Muslim Eurasia. Conflicting Legacies, London 1995, S. 43£ 338 Jamal, Tawhid, S. 16 f. und S. 18 f. 339 »Islam und die Rechte«, in: Giperhoreja [Vilnius], 1 (1991), für die italienische Übersetzung, siehe Jamal, Tawhid, S. 31-36. 340 Ro’i, Muslim Eurasia, S. 44. 341 Leonid Berres, »The Wahhabis are Ready to Make an Alliance with Makashov and Ilyukhin«, in: Kommersant vom 24. Juli 1999, S. iff. 342 Berres, »The Wahhabis«. In der Überschrift dieses Artikels wird Jamal mit den »Wahhabi«-Islamisten, die zu der Zeit gegen die russischen Streitkräfte in Da­ gestan kämpften, gleichgesetzt. Der Text des Artikels rechtfertigt diese Bezeich­ nung eigentlich nicht. 343 »Krasnoe i zelenoe: vozmozhen li edinyi front kommunistov i musulman?« [Rot und Grün: ist eine vereinte Front von Kommunisten und Muslimen mög­ lich?], in: Zawtra (August—September 1999), S. 6. Siehe AN 5. 344 Als diese Allianz verkündet wurde, setzten die Feindseligkeiten in Dagestan ge­ rade ein und weiteten sich bald darauf auch nach Tschetschenien aus. 345 Oberst Bondarenko, der den Vorsitz über die Bewegung zur Unterstützung der Armee in Kabardino-Balkarien führte (einer kleinen Republik im wesdichen Kaukasus), stellte bei der Ilyuchin-Makaschow-Pressekonferenz eine Frage. 346 Federal Information Systems Corporation, Pressekonferenz am 2. September 1999, gehalten von Viktor Ilyuchin und General Makaschow. 347 Zawtra, Interview. 348 Solche Theorien sind natürlich nicht immer völlig falsch, vor allem in Russ­ land. 349 Der Islamismus ist progressiv, hat kein Interesse am Perennialismus und lehnt den Sufismus im Allgemeinen ab. 350 Dugin, Interview. 351 Haydar Jamal, Interview (Moskau 1999/2006). 352 »Der wahre Vertreter der Rechten ist weder ein Asket noch ein Mystiker, [wie Evola ihn verstand]. Die Rechte ist keine religiöse Bewegung«, vgl. Jamal, Ztfwhid, S. 33. 353 Haydar Jamal, Liga Internationaler Sozialisten, Moskau 2006, S. 210 und S. 214. 354 Es besteht hier die Gefahr der Verwechslung zwischen »hanifisch« und »hanafi«, wobei letzterer Begriff sich auf die madhhab oder Rechtsschule bezieht, die

Anmerkungen

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nach dem Imam Abu Hanifa benannt ist. Wie sich noch zeigen wird, lehnt Nuchajew die madbahib ganz allgemein ab. 355 Wobei die anderen M. Atlangerijew (»Ruslan«), L. Altemirow (»Lecho-Lysy«) und N. Suleimanow (»Hoza«) sind. 356 Aleksandr Zhilin, »The Shadow of Chechen Crime over Moscow«, in: Prism 2 (22. März 199616 ). Siehe URL: https://jamestown.org/program/the-shadow-ofchechen-crime-over-moscow/ (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 357 Jos de Putter, »The Making of a New Empire«, September 1999. De Putter drehte einen Film dieses Titels über Nuchajew, der 1999 gezeigt wurde, URL: https://www.josdeputter.com/the-making-of-a-new-empire (zuletzt aufgerufen im Juli 2019). 358 Alexandre Bennigsen, S. Enders Wimbush, Mystics and Commissars. Sufism in the Soviet Union, London 1985. 359 Jachimczyk, Telefoninterview (2006). 360 Ebd. 361 Über die Unterstützung Timur Alijew, E-Mail, Januar 2006. Was die Mittel angeht, ein Auskunftsgeber, der seine Anonymität zu wahren wünschte. 362 Nuchajew, Rede vor der Dritten Internationalen Konferenz der Serie »Offene und geschlossene Gesellschaften: Konflikt und Dialog« zum Thema »Globalis­ mus und Traditionalismus als rivalisierende Tendenzen in der Entwicklung der ethnischen Kulturen des Kaukasus«. Le Meridien Moscow Country Club, Mos­ kau, 24.-28. November 2003. Wo keine andere Quelle zu hanifischem Traditio­ nalismus angegeben ist, wurde diese Rede verwendet. 363 Arutiunow, Telefoninterview (2006). 364 Dugin, Interview (2006). 365 Vgl. meinen Artikel »Al-Qaeda and the Nature of Religious Terrorism«, in: Ter­ rorism and Political Violence 16 (2004), S. 795 ff. 366 Es ist nicht eindeutig zu klären, ob Nuchajew den weltweiten Islam für einen Teil der Barbarei oder der Zivilisation hält. Die Bedeutung, welche die Of­ fenbarung für den Islam hat, deutet eher auf Barbarei als auf Zivilisation hin, andererseits fehlt der Tribalismus in vielen oder den meisten islamischen Gesell­ schaften, was eher für Zivilisation spricht. In seinen Kommentaren zum pa­ lästinensisch-israelischen Konflikt (siehe unten) scheint Nuchajew jedoch den nicht-stammesbezogenen Charakter des palästinensischen Islam außer Acht zu lassen. Er neigt womöglich dazu, alle islamischen Gesellschaften für der tschet­ schenischen ähnlich zu halten. 367 Die shana stützt sich auf zwei Hauptquellen: die eine ist der Qur an und die andere sind die hadith, die Berichte der Handlungen und Worte des Propheten Muhammad. Nach einiger Streiterei im siebten Jahrhundert einigte man sich, dass diese beiden Quellen eine gleichrangige Autorität besitzen. Die Steinigung von Ehebrechern ist in den hadithy nicht im Quran verankert. Dass diese Form der Bestrafung in die sharia aufgenommen wurde, ist eine direkte Folge davon,

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Anhang

dass die ’ulamai den hadith die gleiche Autorität wie dem Qur’an zuerkannten. Nuchajews Einwand gegen diese Strafe ist das Ergebnis seiner Ablehnung der gleichrangigen Autorität der hadith. Nach Nuchajews Ansicht entstanden die /w*fe/;-Sammlungen und der sharid -Kodex zu einer Zeit, da der Islamvon der Barbarei zur Zivilisation übergegangen war, und daher ist beiden mit großer Vorsicht zu begegnen. Jachimczyk, Interview. Auf dieser Grundlage beruht auch Nuchajews Ablehnung der madhahih. 368 Darüber beschwert er sich in seiner Ansprache. 369 Arutiunow, Interview. 370 Dies war die Ansicht Timur Alijews, des Chefredakteurs der Chechenskoe Obshchestvo (E-Mail, Januar 2006). 371 »Aufruf der Führung der Nokhchi-Latta-Islam Inter-Teip Bewegung an das Volk der Tschetschenen«, 9. August 2002. 372. Dugin, Interview (2006). 373 Arutiunow, Interview. 374 Ebd. 375 Florian Muehlfried, »Konferenzbericht: >Closed Society and Open Society: Conflict and Dialogue< (Moskau 24.-28.11.2003)«, in: Ethnoscripts 6 (2004), S. 253 ff. 376 Daniel Pipes, »The Real >New Middle Eastnon-conversion< de Rene Guenon (1886-1951)«, in: Jean-Christophe Attias (Hg.), De la conversion, Paris 1998, S. 133ff. Laurant, Jean-Pierre und Paul Barbanegra (Hg.), Rene Guenon, Paris 1985. Le Forestier, Rene, LOccultisme en France aux XIXe et XXe siecles. Ueglise gnostique, Hg. v. Antoine Faivre, Mailand 1990. Le Mire, Beatrice, Sauvez-moi, sauvez-moi!, Paris 1977. Le Mire, Henri, Le voleur d'äme: reponse ä Beatrice Le Mire, Paris 1978. Lindqvist, Viveca, Ivan Agueli 1869-1917. Centre culturel suidois, Paris 11 mars-24 avril, 1983, Paris 1983. Lings, Martin, A Moslem Saint ofthe Twentieth Century, London 1961.

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Alleanza Nazionale, 272 £ amerikanische Ureinwohner, 183£, 221, 246, 253, 404, 409 Amiens, 141,174, 200 Anarchismus, 82, 98—100,102, 213, 266 £, 337, 368 h, 401 Anizan, Pater Felix (1878—1944), 57h Anjoman, sieh e Kaiserlich Iranische Akademie der Philosophie Anthroposophie, 156, 310, (435) Antisemitismus, 163,172, 285, 364 a p o lite ia , 268 £, 317,419 Arab, Muin al-, 122h, 195 Arabiyya Shadhiliyya, sieh e Shadhiliyya, Sufiorden, Arabiyya arabische Welt, sieh e Algerien; Ägypten; Marokko; VAE (Vereinigte Arabische Emirate) archaische Religion, 171, 277,419 Ardakani, Reza Davari (1933—), 386 Ardalan, Näder (1939—), 388 Argentinien, 220, 238, 272, 302 Argos, sieh e Thomas, Georges-Auguste Aristasia, 315-319,409 Arktogaja, 339,368,408 Armanen-Orden, 147,161 Arts and Crafts Bewegung, 88 £ Ashtiyani, Ayatollah Jalal al-Din (1925-2005), 232h, 385 Asiatick Society of Bengal, 72 h, 433

Ashk^nasi, Rabbi Leon, 275, 282—284 Avanguardia Nazionale Giovanile, 265 £, 268 Avramescu, Marcel (1909-1984), 168

536

Anhang

Ägypten, 17, 20, 23, 25, 29, 65, 74 t, 79, 91, 98-101,106,108,116-118, 121-125,146,178,189,191,194£, 375, 412, 415, 418 Bachofen, Johann Jakob (1815-1887), 151£, 277, 405, 419 Baha’ismus, Baha’i Bewegung, 82 Bakhtiar, Laleh, 387 f. Bammate, Najm al-Din (1922—1985), 122 Baranyi, Tibor Emre, 273 Barbot, Canon Benjamin-Theophile (1841-1927), 126 f. Basel, 115,130,132-135,138,144,152, 174,186,413 Baylot, Jean (1897-1976), 214 f. Be’ad Artzeinu, 363F. Beeley, Sir Harold (1909—2001), 248 Bektashiyya, Sufiorden, 106 Benamozegh, Elie (1822-1900), 284 Ben Eissa, Rachid, 373 £ Bennabi, Malek (1905-1973), 373, 423 Benoist, Alain de (1943—), 274, 331, 336 Bentounes, Adda, 135,137 £, 307 Bentounes, Khaled, 384 Bernard, Emile (1868-1941), 98 bewaffneter Kampf, siehe Terrorismus bewaffnete Propaganda, siehe Terrorismus bewaffnete Spontaneität, siehe spontaneismo armato, Bewegung zur Unterstützung der Armee, der Rüstungsindustrie und der Wehrwissenschaft, 399 f. Bilderberg-Konferenz, 289 £, 308 Black Elk (1862-1950), 183£, 220 £ Blake, William (1757-1827), 38, 89 £, 240 £, 310 Blavatsky, Helena Pctrovna (Baronin von Hahn, 1831-1891), 31£, 74-77, 80-83, 85, 97» 106, 108,185

Blois, 109, 306 Bloomington, Indiana, siehe auch Inverness Farms, zawiya der Maryamiyya, 238 h, 247, 253£, 292, 420 Bollingen Foundation, 276 Bonjean, Francois, 65, 67 Borella, Jean, 238 Borghese, Junio Valerio, 264,267 Bosco, Henri (1888-1976), 67,179 brahmin, 153, 316 Brasilien, 36,121,178, 302 Breton, Andre (1896-1966), 66 Brown, Joseph Epes (1920-2000), 183£, 238 £ Bukarest, 166-168,172-175 Buddhismus, 63 £, 108,122,164,169, 240 £, 244, 247, 303,305,309,327, 351»388 Budshishiyya, Sufiorden, 374,376, 378-384, 392, 395 Bulwer-Lytton, Sir Edward (1803-1873), 76 Burckhardt, Jacob (1818—1897), 131,152 Burckhardt, Titus (»Ibrahim«, 1908-1984), 14,130 £, 135£, 138£, 141,144,152,174,189, 204,227,229, 250, 254, 261, 312, 388, 422 Burrow, Reuben, 72£, 83,415 Calvari, Decio, 150 Carfort, Francis de, 181 Casaubon, Isaac, 71, 83 Caudron, Louis (»Mahmud«), 141,200 Ceau§escu, Nicolae, 30,177 Centre d’etudes culturelles, 293 Centro Culturale Islamico dTtalia, 206 Centro Studi Metafisici »Ren6 Gu6non«, 206 Cerf, Ivan, 181 Ceylon, siehe Sri Lanka Chacornac Fr&res, 34, 59£, 197

Register Chacornac, Henri (1855-1907), 59, 81 Chacornac, Paul (1884—1964), 59-61, 116£, 197, 253 Champrenaud, Leon, 98,102 Charbonneau-Lassay, Louis (1871-1948), 57, 67,116,125-127,138, 189 Charles, Prinz (Charles Windsor, Prince of Wales, 1948—), 36 f., 312-315, 353 Chittick, William, 234, 386 Chodkiewicz, Michel (1929-), 201 f. Christentum, sieh e Katholische Kirche; katholischer Traditionalismus; Initiation, christliche; Methodismus; Orthodoxie, der Ostkirche Clarin de la Rive, Abel, 97 Clavelle, Marcel, sieh e Reyor, Jean Codreanu, Corneliu Zelea (1899—1938), 171-175 College Rollin, 69, 285 Comunitä Religiosa Islamica, 211 C onnaissance des religion s , 252 Constant, Alphonse-Louis, sieh e Levi, Eliphas Convito> sieh e N a d i, a l-

Coomaraswamy, Ananda Kentish (1877-1947), 61-65, 86-90,149, 168-170,183,195, 229 £, 233, 238, 276, 303,310 f., 314,327,418 £, 422 Corbin, Professor Henry (1903—1978), 233 £> 377»385 CoRels, 211f. Cousin, Victor (1792-1867), 45, 73 £, 87 Critchlow, Keith, 312£, 424 C ritica F ascista , 155 Crowley, Aleister, 90, 311,368 Cuttat, Jacques-Albert (1909-1989), 144,191-193 Cuza, Alexandru C. (1857—1946), 171-175

537

Dadaismus, 66,150 £ Danielou, Alain (»Shiva Sharan«, 1907-1994), 178 Danielou, Cardinal Jean (1905—1974), 178 Danner, Dr. Victor (1926-1990), 238 £, 254, 261 Darqawiyya, Sufiorden, 136,189, 196-198, 203 Daumal, Rene (1908—1944), 66£, 150, 398,419 Dechend, Lucy von (1899-1991), 131, 133£ Delle Chiaie, Stefano, 265 £ Detre, Charles (»Teder«, 1855—1918), in Deutschland, 9, 29 £, 95,100,107,110, 143,146-149,159 £, 162-164,174 £» 178, 263, 272, 281, 287,307, 329 £, 335»337 Dialog, konfessioneller, sieh e a u ch religiöser Pluralismus, 206, 209, 2ii£, 240,423 Dinet, Etienne (1861-1929), 441 Dioscuri, 264 Dissidenten, sowjetische, 18, 20, 38, 273, 320-322, 324-326, 336, 397, 405, 414 Doinel, Jules-Benoit (1842-1902), 91 £ Dubois, Cardinal Louis-Ernest (1865-1925), 57, 68 Dugin, Alexander (1962—), 17-20,38, 320-359, 361-366,368-371, 397-401» 404-408,411,415,420,423 £ Dumesnil de Gramont, Großmeister Michel (1894—?), 180 Dumont, Louis (1911-1998), 66 £, 275, 281£ Dürckheim, Karlfried Graf (1896-1988), 307 Dzhemal, Gaidar, sieh e Jamal, Gaydar

538

Anhang

Eberhardt, Isabelle (1877-1904), 102-108,124, 422 Eco, Umberto (1932-2016), 305 Editions traditionnelles, sie h e Chacornac Freres Einheit der Religionen, sie h e perennialistische Philosophie; Schuon, Frithjof, Ansichten über transzendente Einheit Eliade, Mircea (1907-1986), 37, 166-177,195» 2.15, 233, 275-282, 324 f., 393, 413-415» 418-420, 423-425 Elite, spirituelle, 50-53, 92,121,127,138, 141,153h, 170, 202, 228, 231, 288, 316, 421 Elk, Black, sie h e Black Elk Emerson, Ralph Waldo (1803—1882), 73 £, 86, 90,106, 340 Encausse, Gerard (»Papus«, 1865-1916), sie h e a u c h Martinismus, 70 £, 74 f., 77-85, 92-94, 97,108, i i o , 166,185, 396» 4 1 6

Encausse, Philippe (1906-1984), in England, 25, 72, 79, 86-89, m >*94» 238, 240, 247, 315, 367, 383, 422 Englische Grand Lodge, freimaurerische Obödienz, 213 Entfremdung, 293, 308, 413 £ e n trism e , 39,423 Eranos, 276 Erneuerter Templerorden, 84 £, 91,93, 96,189, 416 Eskin, Avigdor, 363-367, 370 Essarts, sieh e Fahre des Essarts, Leonce Estoile interneile, 126 Estland, 323 fitudes traditionnelles, 36, 60, 63, 67, 81, 84,117,125,154,167-169,171,178, 182,184t, 197, 200, 202, 232, 234, 245, 252, 342 Eurasia-Partei, 348, 354

Eurasische Bewegung, 344-349, 354— 356>362 f, 365£ Eurasianismus, sieh e auch NeoEurasianismus, 327 £, 330,334, 347 »349 Eurasische Partei Russlands, 3 4 6 £ Eurasische Partei, 3 4 7 £, 3 5 0 Evola, Baron Julius (Baron Giulio Evola, 1 8 9 6 / 8 - 1 9 7 4 ) , 2 0 - 2 4 , 2 9 - 3 1 , 3 7 £ , 4 3 , 6 6 , 1 4 9 - 1 7 0 , 1 7 3 £ , 1 7 8 ,1 9 5 , 2 0 4 , 2 6 3 - 2 7 4 , 2 7 6 £ , 2 8 7 ,2 8 9 ,3 0 1 , 3 1 6 £ , 3 2 2 , 3 2 4 - 3 2 6 , 3 3 0 £ , 3 4 3 £ , 354, 3 5 6 ,3 6 1 £ , 3 6 7 £ , 3 9 3 ,3 9 8 ,4 0 0 ,4 0 5 , 4 1 0 ,4 1 3 ,4 1 5 ,4 1 9 £ , 4 2 2 -4 2 4

Evolution, sieh e Fortschritt Exzess, sieh e a u ch Alkohol, exzessiver Konsum, 2 7 1 , 3 2 3 Fahre des Essarts, Leonce (1848-1917), 92 £,109 Faccio, Rina, sieh e Aleramo, Sibilla Fasci di Azione Rivoluzionaria (FAR), 263 £ Faschismus, sieh e a u ch Rechte; Faschistische Partei, 9f. 21, 24,37 £, 44,146-177,263 £, 272 £, 319,324, 33i» 339» 364» 368,423 £ Faugeron (Führer der Katholischen Gnostischen Kirche), 437 Feminismus, sieh e a u ch Aristasia, 25,74, 82, 98,103,122,151, 316 Ferraresi, Franco, 31, 265 Ficino, Marsilio (1433-1499), 36,46,71» 79 »89» 3io £» 392»415 £ Fleurier, 292, 306 £ Fo, Dario (1926-2016), 266 Fondazione Julius Evola, 272 Fons Vitae, 247 Fortbildung, 286-289,3°7 Fortschritt, sieh e a u ch Zeit; k a liy u g a , 48 £, 69,152, 290,405,413,416, 423

Register

Fraenkel, Andre, 284 Frankreich, 14, 27, 33, 35, 54f., 57, 67, 79-81, 92-103,105,109 f., 115, 117h, I2if., 125£, 128,132-135,141,143,146, 166 i y 176,178,180 £, 194-196, 200-203,211, 214£, 238, 240, 247, 272, 275 £, 281-286, 288, 290-292, 294, 296£, 301, 306£, 332, 326,336, 362, 372-377» 380, 382-384, 387, 392, 4ii£, 414,418, 424 France anti-magonniquey 97 France chretienne, 54, 57, 97 Fraternite d’Abraham, maurerische commanderie, 214 Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet, 126-128,132,138,142 h Freda, Franco (1941-), 31, 266, 269-273, 410, 419,422 Freimaurerei, 33, 35, 54, 57, 60 £, 71-73, 77-82, 85, 92 h, 97,100,106-109, in, 125,128-130,147,149,157,166, 178,180 £, 190 £, 196,213-215,219, 306,325,413,416,423 Freer, Catherine, siehe Schuon, Catherine Free School of Hermetic Sciences/Die Freie Schule für hermetische Wissenschaften, siehe auch, Unabhängige esoterische Studiengruppe, 82 Fremond, Olivier de (1850-1940),

429 Freudianismus, 156, 363,390 Friedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250), 415 Fronte Nazionali, 273 Fundamentalismus, siehe Islamismus; Salafismus; Wahhabismus Furqan Stiftung, 385 Gaddafi, Muammar al-, 272,410 Garaudy, Roger (1913-2012), 373

539

Gegeninitiation, 47 h, 54, 203, 303-305, 416 £, 422 Genty, Patrice (1883-1961), 61, 84h, 93, 109 Geopolitik, 329, 334, 336, 351, 355, 369, 411, 420 Germanen-Orden, 147,149,154,161,

424 GhafFari, Husayn, 391 Gide, Andre (1869-1951), 37,179 h Gilbert-Bloch-Schule, 283 £ Gilis, Charles-Andre (1934-), 202 Giorgio, Guido de (1890-1957), 154,156 Glauer, Adam, siehe Sebottendorf, Rudolf Freiherr von Gleizes, Albert (1881—1953), 60 Globalisierung, siehe auch kulturelle Verdrängung; Imperialismus, 10, 39, 273, 289, 351, 357, 369 h, 381, 405 Gnose> Lay 91, 96 h, 109 Gnostische Kirche, 91—97,109 Gnostizismus, Gnostik, 91—98,109, 255, 343»385» 416 Golden Dawn, 311 Golowin, Jewgenij (ca. 1937-), 330- 334»336, 34i» 343»347»355»397 Gordin, Jakob, 283 Gouverneur, Aisha, siehe Henry, Gray Gral, 57,160 £, 167 Gramont, siehe Dumesnil de Gramont Grande Loge de Francey

Freimaurerloge,129,213, 215 Grande Loge nationale fran^aise, maurerische Obödienz, 213£ Grand Orient, maurerische Obödienz, 128 £, 213 Grande Triade, Freimaurerloge, 180, 185,190 £, 196£, 213 Granger, Jean, siehe Tourniac, Jean Graves, Robert (1895-1985), 322 £ Griechische Orthodoxie, siehe Orthodoxie

540

Anhang

Gril, Denis, 202 Guaita, Stanislas de (1860-1898), 443 Guenolatrie, 198, 204 Guenon, Ahmad, 194,198, 200 Guenon, Berthe (1883-1927), 109,115 f., 121 Guenon, Fatima (Fatima Muhammad Ibrahim), 118 f. Guenon, Fran^oise, 115h, 191 Guenon, Rene (1886-1951), 22-26, 29 h, 33—37» 43-70, 74, 77 £, 80-86, 90-99,102,107-110,115-134, 141-143,146 f., 149-154,156-158 166-170,172,174,178-182,184 £, 187-198,200-204,206-208, 213, 219, 223, 227, 229, 233, 235-237, 241-244,246, 248, 252 £, 264, 266, 272,274t, 277-279,281-285,287£, 291 f., 302-309,311,314-316,318, 320-324,327,329,331,341,343, 356-358,361,366,368, 372-377, 379-386, 388,391,393-396,400, 402,404,409 £, 412-425 Guiderdoni, Bruno, 211 GurdjiefF, George Ivanovich (George Georgiades, 1872-1949), 62, 66,302, 309 Hahn, Baronin von, siehe Blavatsky, Helena Petrovna Hamdiyya Shadhiliyya, siehe Shadhiliyya, Sufiorden, Hamdiyya Hamvas, Bela (1897-1968), 273 f. Harrer, Karl (1890-1926), 147 f. Hartung, Henri (1921-1988), 158, i 8 i £ , 185,191-193, 204, 224, 271, 275, 285-292,294,302,306-308,419,424 Hartung, Sylvie (Sylvie Bomgarten, 1935-)» 307 £, Haschisch, siehe Rauschgift Heard, Gerald, 244 Heinrich, Walter (1902-1984), 160,162

Henry, Gray (»Aisha« Gouverneur), 247 £ Hermes, theosophische Loge, siehe auch Hermetik, 81 Hermetik, 71, 76, 78 £, 81, 85,151,156f., 34* > 416

Herrenklub, 159-162, 324,424 Hesse, Hermann (1877-1962), 160 hikmay siehe Islamische Philosophie Himmler, Heinrich (1900-1945), 162 Hinduismus, siehe auch Vedanta; brahmin\ khatriya> 44 £, 46,51,53 £» 56, 63 h, 66, 72 £, 76, 83£, 97,99, 108,120,123,125,143,152,166,169, 178,182,196£, 224, 226,229,233, 247, 251, 255£, 293,303,311,330,377» 397,400,415 £ Hitler, Adolf (1889-1945), 146,148,159> i 6 i £ , 165, 364 Hocquard, Ain Shams (1942-), 293, 295 Hocquard, Jean-Victor (1910-1995)» 292 £, 295 Hoher Armanen-Orden, 147,161 Hohenstaufen, siehe Friedrich II. Humanidad, Freimaurerloge, 81, 85»111 Hunger, 189, 293,195 £ Huot, Marie (1846-?), 98 £ Husayn, Taha (1889-1973), 123£, 423 Husayniyya-ye Irshad, 235 Huxley, Aldous (1894-1963), 37,74» 240,244 Hyperion, Bruderschaft, 177 Ibn Abi’l-Abbas, Hamza, 374 Ibn Abi’l-Qasim, Muhammad (1823-1897), 105 Ibn Abfl-Qasim, Zaynab bint Muhammad (ca.1880-1904), io4 Ibn al-Arabi, Muhyi al-Din (1165-1240), 100 £, 122,197, 200-202, 234, 377,380,382,394

Register

Ibn Muhammad Said, Abd al-Rashid (1918-1992), 204 f. Idealisierung, siehe romantische Sichtweisen der islamischen Welt ijaza, 1 0 2 , 1 3 5 , 1 3 7 - 3 9 » 189» 2 °5> 2 1 0 , 258, 382 Illaysh, Abd al-Rahman (gest. 1921), 100-102,119,134, 201 Illaysh, Muhammad (1802—1882), 100 f. Imperialismus, siehe auch Nationalismus; Orientalismus, 26, 75, 96,100,154,159, 322, 330, 350, 358, 360 Index verbotener Bücher, 56, 61, 92 Indien, 61, 64, 66, 72, 75, 77, 83 £, 88 f., 99,121,143,178, i 8 i £ , 192,196, 205, 243 h, 281, 311, 323, 387.415 Indiana, Universität von, 183, 238 Indianische Tage, siehe auch amerikanische Ureinwohner, 256-258 Individualismus, 53,151-154, 252, 268, 281£, 316, 329, 368, Initiation, 47 £, 77, 83 £, 93 £, 108, 124-126,130,138,142,153,158,161, 167,174£, 180,182,189,191,197, 205, 225,230, 233, 242, 344, 356, 381, 416-418 Chrisdiche, 77 £, 184 Insabato, Enrico (1878-?), 100 Institut catholique, siehe Katholisches Institut Institut des Sciences et techniques humaines (ISTH), 285—288, 292,307 Institut für Orientalistik, Moskau, 323 Institut scientifique d’instruction et d’education, 275, 292, 294 h Internationales Zentrum für vergleichende Erforschung von Spiritualität, 233 Inverness Farms, zawiya der Maryamiyya, 253-255, 258-262, 292

541

Inversion, 47-49, 53h, 91, 95,156, 291, 308, 316 £, 4U-4I7 Ionescu, Nae (1890-1940), 166,173-175 Iran, 12£, 28, 36,133, 228. 230-238, 248 £, 252, 267, 283, 314, 335, 257, 3 7 2 > 3 7 7 » 385 - 39 2 » 3 9 4 *-» 4 H - 4 U »

420, 422 £ Islamische Revolution, siehe auch Rat der Kulturrevolution, 28, 230, 2 34 —2 3 7 » 2 4 9 » 2 .6 7 , 3 7 2 » 3 8 5 - 3 8 7 » 391 ,

412, 420 Isa Nur al-Din, siehe Schuon, Frithjof Isis, theosophische Loge, siehe auch Voile d ’Isis; Isis Unveiled, 77, 79 £ Isis Unveiled, j6 , 81 Islam, 20-28, 30-33, 35£, 44, 97-101, 103-108,116-128,136 £, 139-144,156, 182,185-187,192 £, 195-197,199 £, 202-222, 224, 226-241, 245, 247-255,260-262, 284,292-294, 305, 3 0 7 . 309. 313f-. 3M» 315. 32-7 . 330, 332-325, 343 £, 347. 350 £> 355. 357. 362. 364, 366, 369, 372, 374-412, 416, 4 1 8 -4 2 5

Bekehrung zum, 21-26,103, 105-108,117,120,122,136£, 188, 2 50» 3 0 5 , 3 4 4 » 3 ^ 2 » 3 4 7 » 373 » 4 ° 2 »

410 Islamische Philosophie, 230 £, 233-236, 420 Islamic Texts Society, 247 £ Islamismus, 20,100, 230 £, 233, 325£, 351,362 £, 371,373,420 Israel, 284, 349, 362-367, 369 £, 400, 4 0 3 £ , 415

Italien, 20-22, 24, 29-31, 36,46, 100£, 103,130£, 146,149£, I54f., 158-161,163-165,174,197,204-212, 263-274,305,362, 367 £, 372, 410-413,422 £

54*

Anhang

Jamal, Gaydar (1947-), 19 f., 321-325, 343 f- 347 >358»396-401, 410, 423 Javidan Kherad, 231, 234 £ Je suis, 293 £ Jogand-Pages, Gabrel, sieheTaxA, Leo Jones, Sir William (1746-1794), 72 Jourd’Heuil, Genevieve, 61 Judentum, siehe auch Kabbala Jung, Carl Gustav (1875-1961), 37, 276, 307, 312 Jung, Edgar Julius (1894-1934), i 6 i £ Jungfrau Maria, siehe Schuon, Frithjof, Visionen der Jungfrau Kabbala, 33,106, 282-284, 343 Kairo, 9,12, 20-23, 25f-> 28> 31, 33, 36, 69,100,109,115, ii7f., 120-126,141, 143,166,178,184,187,189,191, I93-I95> 2.05» 248, 260, 292, 391, 396,

413 Kaiserlich Iranische Akademie der Philosophie, 228, 231, 314, 392 kaliyugdy 53h, 171, 308, 311, 350 Kalter Krieg, 265 Kant, Immanuel (1724—1804), 278 Kard-Kerezst-Korona Szövetseg (Allianz von Schwert-Kreuz-Krone), 273 h Katholische Kirche, siehe auch Index Verbotener Bücher; Vatikan, 43, 54-58, 82, 92, 95, 97,125-127,144, 155,161,178,189,192,206£, 214, 415,

423 f. Katholische Gnostische Kirche, siehe Gnostische Kirche Katholisches Institut, 54—56, 60 £, 229 Katholischer Traditionalismus, 43, 214, 238 Katz, S., 195 Keeble, Brian, 312 KGB, 19, 324-326,347 £ Khalwatiyya, Sufiorden, 376 Kilii$, Mahmud (1961-), 395 £

Klokotow, Lieutenant-General Nikolai Pawlowitsch, 334 Kolonialismus, siehe Imperialismus Kommerz, siehe Ökonomie, Wirtschaft Kommunismus, siehe auch Kommunistische Partei der Russischen Föderation, 18,138,151, 173, 265, 267 h, 270, 273, 291,297, 302, 321, 324, 326, 330-332, 373, 414 Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF), 325,331h, 398 Koslow, Mark, 258h Kostas, Ahmed, siehe Qustas, Ahmad Kremlin, Krishna Menon (»Atmananda«), 195 kshatriya, 153 Kult, siehe auch neue religiöse Bewegungen, 31, 83, 304, 316,340, 377

Kulturbund, 160,165 kulturelle Verdrängung, 39 Kurjochin, Sergej (1954-1996), 338 Lao-Tse, siehe auch Taoismus, 90,94 Lanz, AdolfJosef, siehe Liebenfels, Jörg Lanz von Larijani, Hujjat al-Islam Sadiq, 391 Läszlo, Andräs (1941-), 273 £ Lausanne, Alawi zawiya in, 141,185, 190,192, 204, 220, 396 Lefebvre, Archbishop Marcel (1905-1991), 381 Legenhausen, Muhammad, 392 Legion des Erzengels Michael, 160, 167 h, 172 h, 175,276, 324,420,423 Le Mire, Beatrice, 294-297 Lenin-Bibliothek, 20, 320,322,324 Leontjew, Konstantin Nikolajewitsch (1831-1891), 328, 347 Lermina, Jules (1839-1915), 81 Letow, Jegor, 337£

Register

Levi, Sylvain (1863-1935), 45-47, 55, 64, 99,169, 279, 425 Levy, John, 117,143,195 Liga zur nationalen christlichen Verteidigung, 172-174 Limonow, Eduard (Edward Wenjaminowitsch Sawenko, 1943-), 17-20, 336-339, 353 f. Lings, Martin (»Abu Bakr« 1909-2005), 25,178,191,194f., 219, 227, 241, 248, 254, 260, 314, 377 £, 387 f., 393 Lory, Pierre, 234 Lotus, Revue des Hautes Etudes Theosophiques, 77 Loury, Berthe, siehe Guenon, Berthe Lovinescu, Vasile (»Abd al-Qadir Isa«, 1905-1984), 167,169,172, 174-177

Loyalitätspflicht, siehe Treuepflicht Lupu, Petrache, 174, 203 Lyautey, General Hubert, 105 Mackinder, Sir Haiford (1861-1947), 329, 336, 420 Madeleine (Schuons Geliebte, Familienname unbekannt [1915--?]), 133,140 £, 144£, 220, 223 Maharshi, Ramana (Venkataraman, 1879-1950), 182, 224, 288 Mahmud, Abd al-Halim (1910-1978), 122, 248, 375 Maistre, GrafJoseph de (1753-1821), 71 Makaschow, Generaloberst Albert, 399 £ Malaysia, 205, 372 Malerei, siehe auch Schuon, Frithjof, Malerei und Dichtung, 66, 96, 98 £, 110,150 £, 221, 224, 313, 350 Mamlejew, Juri (1931-2015), 323£, 336 f, 347 Management, siehe Wirtschaftswissenschaften

543

Maria, Jungfrau, siehe Schuon, Frithjof, Visionen der Jungfrau Maridort, Roger, 189,191,196-198, 204 Maritain, Jacques (1882-1973), 44-47, 54, 56, 64, 229, 240, 291,424 Marmara Universität, 393 Marokko, 12, 65,122,133—135,139,179, 189, 222, 224 f., 230, 292, 372, 374-378, 383 f., 394 £, 4 iif Martinismus, 70 £, 77, 80-82, 84£, 92 £, 96 £, 110,116,126,166,416 Marxismus, siehe Kommunismus Maryamiyya, Sufiorden, siehe auch Alawiyya, 26 £, 37,130, 219, 224-232, 238 £, 241-243,245, 248-250,253255, 257-262, 279, 292, 303,314, 344, 377,380, 384, 386, 388,393, 395,420 Maurerische Obödienz, siehe englische Grand Lodge; Grande Loge Nationale Francaise; Grand Orient Maurerei, siehe Freimaurerei Massignon, Louis (1863—1962), 201, 241 Matgioi, siehe Pouvourville, Graf Albert-Eugene Puyou de Mayer, Jean-Fran^ois, 12, 304 £ Merton, Thomas (»Brother Louis«, 1915-1968), 37, 239-244, 247, 422 Methodismus, 243-245 Meyenburg, Harald von (Harald de Meyenburg, 1911-2003), 138£, I4i£, 186,422 Meyrink, Gustav (1868-1932), 339 Michon, Jean-Louis, 377 Mitterrand, Francois, 297 Monaco, 293 £ Mordiof, Alexandre, 180 Morris, William (1834-1896), 88-90 Motahhari, Ayatollah Mortada (gest. 1979), 234-236 Movimento Sociale Italiano (MSI), 263 £, 273 Musik, 19, 249,257, 295,321, 340

544

Anhang

Mussolini, Benito (1883-1945), 21, 38, 146,149,154f., 158,163-165, 263, 287 Mutti, Claudio, 30 £, 37, 272, 331, 336, 410 £ Nadi, al-y 100 £

Naglowska, Maria de, 157 Nahrung, siehe Hunger Naqshbandiyya, Sufiorden, 203, 323, 395

Nasr, Seyyed Hossein (1933-), 25 £, 28 £, 228-237, 239, 242>244f-> 248-250, 254, 259 £, 267, 280 £, 314, 372, 377 »381, 385-388, 390, 393- 395, 415, 419 £, 422£, 425 Nationalbolschewistische Partei (NBP), 19, 331»33-338> 344, 348, 352- 354, 356, 358, 364, 369 Nationalismus, 75, 87, 89,108,120,154, 160,174, 265, 328, 331£, 337,346, 359, 361, 368 £, 397 Natur, 63, 86, 99, 221, 228-230, 309 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), 30,146,

165,173,175 Neihardt, John, 183 £ Neo-Eurasianismus, 320, 327 £, 332- 334, 336, 345- 347 , 354 ^, 357, 362-367, 369-371, 399, 408, 411, 420 Neo-Paganismus, 131,157, 274 Neue religiöse Bewegungen, siehe auch Blavatsky, Helena; Theosophie, 33, 70, 252, 304 £ Nietzsche, Friedrich (1844—1900), 150 £, 152, 272, 318, 341, 368, 419 Nijazow, Abd al-Wahid (Wadim Medwedew), 346-348, 350, 357 Noaillat, Georges-Gabriel de (1865-1926), 57 Nordamerikanische Indianer, siehe amerikanische Ureinwohner Numerologie, 106 £

Okkultismus, siehe Neue religiöse Bewegungen Olcott, Colonel Henry (1832-1907), 70, 73-77, 80,108 Opium, siehe Rauschgift Orden, Sufi, siehe Sufismus, Orden Orden, christlich, siehe Fraternite des Chevaliers du divin Paraclet Ordine Nuovo, 264-269,274 Ordre du temple renove, siehe Erneuerter Templerorden Orientalismus, 39,417 £ Orleans, Henri d\ Comte de Paris (1908-1999), 291 Orthodoxie, 47, 64,108,124,127,138, 168,174,177,185,192,199 £, 203, 252, 284, 303-305, 321, 327 , 330,335, 343 £, 35° f-, 356, 360, 365,400,419 £, 4 24

Otto, Rudolf (1869-1937), 278 Ökologie, siehe auch Natur, 310 »» Ökonomie, 286, 306, 309, 357 Österreich, 160,162, 272 Pallavicini, Abd al-Wahid (Felice Pallavicini, 1926-2017), 21£, 24-26, 196, 204-213, 422-425 Pallis, Marco (1895-1989), 240-242 Pamjat’, 324h, 332h, 397h, 423 Panarin, Aleksandr (1940-2003), 328, 347

Papen, Franz von (1879-1969), 159, i6if. Papus, siehe Encausse, Gerard Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIW), 325, 397£, 423 Parvan, Vasile (1882-1927), 168 Pauwels, Louis (1920-1997), 301£, 309, 320 Pawlowski, Gleb (1951-), 347,352. Peillaube, Emile, 47, 54 perennialistische Philosophie, siehe philosophia perennis

Register

Perry, Whithall, 194, 221 philosophia perennis, 46-48, 51, 57, 62-64, 70-74, 80, 83, 85f., 89 £, 95£, 106,123,136,140,166,171 £, 193, 205, 208 £, 224, 230, 243, 245, 279-281,293, 301, 307, 310, 314, 380 £, 415-417» 419 Planete> 302, 305 Platon, 46, 71, 89, 240, 411 Pluralismus, siehe religiöser Pluralismus pneumatikos, 255 Post, Sir Laurens van der, siehe Van der Post, Sir Laurens Postmodernismus, 245, 315, 339 £, 356, 362,414 Pouvourville, GrafAlbert-Eugene Puyou de (»Matgioi«, 1861-1940), 91, 93-96, 98,100,102,109 £, 416, 418, 422 Pow-wow, siehe Indianische Tage Primordialismus, siehe Inverness Farms; perennialistische Philosophie Probst-Biraben, Jean-Henry, 61 Prochanow, Alexander Andrejewitsch (1938-), 325£, 331, 333£, 336£, 340, 346,398 £ Pulvenis, Paul Marie, siehe Seligny, Paul de Purjavadi, Nasrullah, 386 £, 420 Qadiriyya, Sufiorden, 104 £ Qazwini, Abu 1-Hasan Raf’i (1892-1975), 230 Qom, 388 £, 391£ Quinta Essentia, 247 Qumshai, Husyan Illahi, 388 Qustas, Ahmad (1952- ), 374, 376, 379-381,424 Rassismus, siehe auch Antisemitismus, 147,164,173, 273, 333, 368 Radi, Salama al- (1867-1939), H9f.

545

Rahmaniyya, Sufiorden, 104 Raine, Kathleen (1908-2003), 36-38, 310-312, 314, 416 Oberster Rat der Kulturrevolution, 386 Rauschgift, 96,103 £, 109, 246, 337 Rauti, Pino, 264 Reghini, Arturo (1878-1946), 149-151, 154,166 Regle d’Abraham, Freimaurerloge, 215 Regnabit, 57 h, 67 h, 116,127 religiöser Pluralismus, 388 £ Religionswissenschaften, akademische, 2-9» 33» 54» 172., 215, 238, 251£, 275-278, 350, 414, 425 Renaissance, 36£, 46, 49, 60, 71, 79, 89, 130£, 248£, 301, 310, 373 £, 412h Resistance, siehe Widerstand, französischer Revolte, siehe Daumal, Rene; Evola, Julius Revue theosophique, La, 80 Reyor, Jean (»Marcel Clavelle«, 1905-1988), 59, 61, 67,117,125-128, 131,141,143,146,174,184 £, 189-193, 196 £, 213 Rifai, Ken an (1867-1950), 395 Rechte, die, 9 £, 29, 31,149, 212, 263 £, 268 £, 270-274,287,290, 319,326, 328,330 £, 333,336 £, 365,369,393» 398,419 Riquet, Michel, 214h Ritdinger, Herbert, 148 £ Rodionow, Generaloberst Igor Nikolajewitsch, 334 Rohan, Prinz Karl Anton von (1896-1975), 160,165 Romantische Bewegung, 86 Rose, Eugene (»Seraphim«, 1934-1982), 302-304, 308 £, 394,424 Roselius, Ludwig (1874-1943), 159 Ross, Kelley, 176 Roty, Oscar (1846-1911), 201

546

Anhang

Roty, Rene (»Hamid al-Din«, gest. 1995), 2oo, 2003 Roty, Yaqub, 202 Royalismus, 306 Rumänien, 146,160,166-168,172-177, 202f., 273, 275, 324, 411, 420, 423 Russland, 17,19, 44,103, 271 f., 304, 320-322, 325-338, 34°» 342~ 346 , 349 - 355»357-36o, 369 - 372» 396-401, 404, 407-409, 411-413, 422 f. Russische Orthodoxie, siehe Orthodoxie; Rose, Eugene Römisch-katholische Kirche, siehe Katholische Kirche Said, Edward, 417 Saint-Martin, Louis-Claude de (1743-1803), 71,166 Saint-Point, Gräfin Valentine de (Anna Vercell, »Ruhiyya« 1870-1953), 122, 193 £ Salafismus, 202, 401 Santillana, Giorgio de, 229 Sanua, James (Yaqub Sannu, 1839-?), 103 Sardar, Ziauddin, 259 Sarraut, Albert (1872—1962), 96 Sayar, Kemal, 396 Schaw, William (ca. 1550-1602), 79 Scheich, siehe Sufismus, Scheichs, Arten von Schirinowski, Wladimir, 337 Schotdand, 78 £, 312 Schumacher, E. F. (»Fritz«/Ernst Friedrich, 1911-1977), 37, 280, 308-311, 386 Schuon, Catherine (»Latifa«), 220-222, 227, 254, 258, 261 Schuon, Erich (1906-1991), 132,136 Schuon, Frithjof (»Isa Nur al-Din«, 1907-1998), 14h, 23-27, 29, 37-39,

130-144,146,152,174,178,183-196, 198-200, 203-205, 207, 219-229, 234> 238-242, 244-249, 251-263, 274, 285, 292 h, 296, 301, 303,308, 312, 314, 327, 343, 377,380 £, 387f., 393»409» 413»415»418-420,422, 4 24 £ siehe auch Alawiyya, Sufiorden; Madeleine; Maryamiyya, Sufiorden; Schweiz, 22,103,122,130,133,142,146, 150,167,178,181,187,192, 221-223, 238, 260, 276, 306 £, 344,412 Sebottendorf, Rudolf Freiherr von (Adam Glauer, 1875-1945), 106-108, 146-149,154,161, 424 Sedir, siehe Le Loup, Yvon Selesnjow, Gennadi Nikolajewitsch (1 9 4 7 -)» 3 3 6 Seligny, Paul de (Paul Marie Pulvenis »Villemont de Seligny« »Muhammad« 1903-?), 275, 292-297, 420 Shadhiüyya, Sufiorden Arabiyya, 98, i o i £ , 119 Hamdiyya, 119 shana , 104 h, 108,119,144,185-189,191, 199 h, 208, 227, 293,380,383 £, 390, 403, 406 Shariati, Ali (1933-1977), 236£, 386£, 423

Sharifi, Hadi, 385 Shayegan, Daryush (1935-2018), 387, 420 Sherrard, Phillip, 312 Shillito, Dina (Mary Shillito), n6f. Shirazi, Sadr al-Din Muhammad (gest. 1640), 230 Schmulewitsch, Rabbi Avraam (Nikita Demin), 351,363-367, 370£ Shura-ye ali-ye Enqalab-e Farhangi, siehe Oberster Rat der Kulturrevolution

Register

Sima, Horia (1907-1993), 146,175 Singapur, 204 f., 207 Skali, Faozi, siehe Sqali, Fawzy Smith, Huston (1919-2016), 37, 243-246, 262, 280 Sonnentanz, 222 Sorbonne, 33f., 54f., 99,172,192, 20X, 234, 275, 281 f., 384, 393, 414, 418 Soroush, Abd al-Karim (1945-), 236b, 386, 389-391 Spanien, 82, 302, 306, 326, 383 Spengler, Oswald (1880-1936), 50, 272 Spinoza, Baruch (1632-1677), 150 spontaneismo armato, 270 Skali, Faouzi (1953-), 376-384, 419 Sri Lanka, 23, 75, 86-89, 243 Schutzstaffel (SS), 24,149,162-165, 271, 324,423 StClare, Hester (Pseudonym), 315£ Steiner, Rudolf (1861-1925), 156, 310 Stepanow, Wladimir (1941-), 322 h Steuckers, Robert, 336 St. Herman Kloster, 304 St. Serafin von Sarov, 305 Studi tradizionali, 197 Sudan, 21, 398 Sufismus, 26, 29, 31, 33, 36, 91, 97-99, ioif., 105-108,122 £, 128,131,134, 144, 202, 205, 209, 227, 240, 246, 250, 252, 255, 281, 314, 323, 327, 344, 374- 378, 381-384» 393»396 ,416» 421£ Sufistische Orden, siehe unter. Ahmadiyya; Alawiyya; Bektashiyya; Budshishiyya; Darqawiyya; Khalwatiyya; Maryamiyya; Naqshbandiyya; Rahmaniyya; Shadhiliyya; Qadiriyya Suhrawardi, Shihab al-Din Yahya (1154-1191), 230, 232

547

Suslow, Peter Yevgenevich (1951-), 348, 408 Symbolisme, Le, 129 h, 227, 322 Synkretismus, 185, 207, 226 4

Tabataba i, Muhammad Husayn (gest. 1982), 230, 235, 237 Tadzhuddinov, Talgat, siehe Taj al-Din, Mufti Talgat Tahrali, Mustafa (1943-), 393, 395£ Taj al-Din, Mufti Talgat (Talgat Tadzhuddinov, 1948—), 350—352 Tamos, siehe Thomas, Georges-Auguste Taoismus, siehe auch Lao-Tse, 93 £, 98, 172, 240, 303, 377,416 Taxil, Leo (Gabrel Jogand-Pages, 1854-1907), 97 Taylor, Thomas (1758-1835), 89 Teder, siehe Detre, Charles Temenos, 36, 38, 312-314, 424 Tempelritter, Orden der, 147, 284 Tempels, Bau des, 79 Terrorismus, 29, 31, 99, 210, 263—272, 348, 353»397»401»4 io, 413» 4^2 Thebah, Maurerloge, 108,128 Theosophie, siehe auch Blavatsky, Helena, 31-33,47 h, 51, 56, 70, 75-77» 79-82, 84 h, 92, 98,100, 142,147,150,156,166, 280, 310, 325,

415 Thomas, Alexandre (»Tamos«, »Argos«, 1884-1966), 61, 85, 93, 96,126£, 146, 189 Thoreau, Henry D. (1817—1862), 73 Thulegesellschaft, 147£ Tierrechte, siehe auch Natur, 82, 99 Thursby, Gene, 280 Torre, La, 154-156,168 Tourniac, Jean (Jean Granger, 1912-1995), 190, 213-215 Transzendentalistische Bewegung, siehe auch Emerson, Ralph Waldo, 73 £

548

Anhang

Transzendente Einheit, siehe religiöser Pluralismus Trent, Alice (Pseudonym), 315, 317-319 Treuepflicht, 227, 295 £ Triaden, 93 £, 96 Trois Anneaux, Maurerloge, 190 f., 197, 213 f. Turabi, Hasan al-, 398 £ Türkei, 106,108,146,148,162, 347, 3 4 9 » 3 5 7 . 3 6 2 , 3 7 1 f-> 3 9 2 - 3 9 6 , 4 H -4 1 3

Tyndall, John, 319 Tzara, Tristan (1896-1963), 150 Udam, Haljand (1936-), 323 £ Universale Gnostische Kirche, siehe Gnostische Kirche Universalismus, siehe auch Synkretismus; Schuon, Frithjof, Ansichten über transzendente Einheit, 120,145,192h, 196, 207, 219, 225, 243, 257, 384, 415, 424 Universität Oxford, 12, 247, 281, 313, 315, 318, 403 Universität von Chicago, 276 £, 388 Universität von Nancy, 238 Universität von Nizza, 298 £ Universität Kairo, Al-Azhar, 100,122, 205, 248 Universität von Teheran, 228, 230 £, 234-236, 386, 391 Unabhängige Gruppe für esoterische Studien, siehe auch Martinismus, 80-83 Ungarn, 30,160,175, 272 £, 328,411 Ur, 149,151,154,157,166 Utopismus, 162, 263,335 Välsan, Ahmad, 200, 393 Välsan, Michel (Mihai Välsan, »Mustafa«,1907-1974), 167,174-176, 178,182,185-189,191-194,196-204,

207 f., 248, 276, 308,384, 393,419 £, 422, 425 Välsan, Muhammad (1957-), 199,202f. Van der Post, Sir Laurens (1906-1996), 312 Vatikan, siehe auch Katholische Kirche, 43,155, 206, 211 Vedanta, siehe auch perennialistische Philosophie, 45-47, 52, 59, 62, 66, 70-74, 76, 82, 90,131,156,219, 244 £, 252 Veden, siehe Vedanta Venkataraman, siehe Maharshi, Ramana Vercell, Anna, siehe Saint-Point, Gräfin Valentine de Vereinigtes Königreich, siehe England, Schotdand Vereinigte Staaten von Amerika, siehe Amerika Vereinigung der Freunde Rene Guenons in Ägypten, 195 Verlage, Verleger, 27, 34, 60,177,197, 201, 207, 247, 253, 272-274,286, 321 £, 339, 343, 382, 394,419 Vidali, Aldo, 259 £ Vietnam, 93 £, 240, 243, 302 Villard de Honnecourt, Maurerloge, 215 Vinceguerra, Gaetano (1945-), 266 Vinceguerra, Vincenzo (1945-), 266 Visual Islamic and Traditional Arts Program (VITA), 313£ Voile dlsis , siehe auch Etudes traditionelles , 36, 59-61, 63, 67, 80 £ , 84, 97, i i 6 £ , 136 ••

Wahhabismus, 209,351, 399,401 Wassiljew, Dmitri, 332£ Watts, Alan (1915-1973), 301-303, 394

Welitschkowski, Ehrwürdige Paissij (gest. 1794), 304 White Buflalo Woman, 221, 225

Register

Widerstand, französischer, 181, 287, 302 Wiligut, SS-Oberfiihrer Karl Maria (1866-1946), 162 h Willermoz, Jean-Baptiste, 71 Winogradow, Igor, 335 Wirth, Oswald (1860-1943), 108 £, 128-130,180 Wirtschaftslehre, Wirtschaftswissenschaften, 96,172, 287,308,310,381 Wolska, Anna de, 82 World of Islam Festival, 248 f.

549

Yeats, William Butler (1865—1939), 38, 90, 310 £ Yellowtail, Thomas (1903-1993), 221, 256 Zen, 204, 240, 302, 307,415 Zionismus, 325, 335, 363 h, 366 Zisterzienserorden, 132, 239-243 Zouanat, Zakia (1957-2012), 374h, 383

Ziuganow, Gennadi, 325 h, 331,333h, 337»398

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