Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft: Teil 2 Die socialen Gesetze [Reprint 2020 ed.] 9783112381908, 9783112381892


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Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft: Teil 2 Die socialen Gesetze [Reprint 2020 ed.]
 9783112381908, 9783112381892

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Gedanken über die

o c i a l w i s s eil s c h a f t der Z u k u n f t von

Paul von Lilienfeld.

II. T h e i l :

Die s o c i a l e n Gesetze.

Mitau 1875. In Commission bei Georg Reimer. Berlin 1901.

Die

ocialen

Gesetz

Yon

Paul von Lilienfeld.

Mitau

1875.

In Commission bei Georg Reimer. Berlin 1901.

Vorwort.

D e r vorliegende zweite Theil der »Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft« steht in engem, organischem Zusammenhange mit dem ersten Theile, indem er nicht nur eine einfache Fortsetzung des ersten giebt, sondern ein organisch mit demselben verknüpftes Ganzes bildet.

Die in diesem zweiten Theile darge-

legten socialen Gesetze sind als nothwendige Folgerungen dem im ersten Theile zubereiteten und bebauten Boden entsprossen; sie bilden die logische Consequenz der Auffassung der menschlichen Gesellschaft als einen eben so realen Organismus, wie uns solche die Natur bietet. — Daher ist auch zur vollständigen Erkenntniss dieses zweiten Theiles die Aneignung der im ersten festgestellten Principien und Ideen unumgänglich nothwendig. Wem die im ersten Theile durchgeführte reale Ana-

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logie zwischen der menschlichen Gesellschaft und den Einzelorganismen der Natur noch kein geläufiger Gedanke, keine selbstverständliche Anschauung geworden sind, dem wird so Manches in diesem zweiten Theil unklar, unerwiesen und unbegründet erscheinen. — In keinem Gebiete des menschlichen Wissens ist es möglich, alle Consequenzen einer Wahrheit auszuführen, alle Beweise für ein System zusammenzustellen, alle Facta und Data, die es betreffen, aufzuzählen, allen möglichen Einwendungen vorzubeugen und voraus zu begegnen.

Der Leser muss selbst Vieles in seinem Geiste

ausfüllen, ergänzen, ja zurechtstellen.

Solches kann

von Seiten des Lesers jedoch nur dann geschehen, wenn er sich vollständig mit den Grundideen eines Werkes bekannt gemacht, hat. —• Auf diese vervollständigende, ergänzende und zurechtstellende Arbeit des Lesers hat der Verfasser gerechnet, indem er seine Gedanken niederschrieb. — Das Gebiet der Socialwissenschaft ist ein so umfangreiches, dass von einer erschöpfenden Auseinandersetzung und Anwendung der vom Verfasser vertretenen Anschauung unmöglich die Rede sein kann. Die von ihm zur Bestätigung seiner Anschauung angeführten Fakta müssen nur als zerstreute, der Masse des über die Socialwissenschaft bereits vorliegenden Materials entnommene Beispiele oder Illustrationen angesehen werden. Dabei war der Verfasser beim Niederschreibe!

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die Entwickelung des Nervensystems in der gesammten Thierreihe, so sieht man, wie dieselbe vom einfachsten Ganglion bis zum vollendetsten Cerebrospinal- und sympathischen Nervensysteme vorwärts schreitet, und wie ihr mathematisch parallel die intellectuellen und moralischen Vermögen sich ausbilden. Diese Entfaltung kann der Entwickelung irgend eines Säugethieres im Mutterleibe verglichen werden; sie erfolgt nach denselben Normen und in ihrer Art ebenso allmälig. In ihrer Art, Bage ich; denn während bei dem Fötus wir mit den Einheiten der Tage rechnen, rechnen wir mit den Einheiten der Jahrtausende bei der Entwickelung des Nervensystems in der Thierreihe, c *) — Und dennoch wird dadurch noch immer nicht das Ideelle in dem Kraftbegriff und das Materielle in dem Stoffbegriff aufgehoben. Im Gegentheil, je höher die Potenzirung, *) Reich, Der Mensch und die Seele, S. 439.

23 desto mehr treten diese Begriffe auseinander, desto deutlicher tritt der Gegensatz zwischen Kraft und Stoff trotz ihrer gegenseitigen Verknüpfung hervor, und am meisten in der menschlichen Gesellschaft als dem höchst entwickelten realen Organismus. Hier treten die der Kraft vorzugsweise zukommenden Principe der Zweckmässigkeit, Geistigkeit und Freiheit in einem Verhältniss zum Stoff hervor, welches den Gegensatz desselben zur Kraft oder zur höchsten Potenzirung derselben, dem Geiste, klar an den Tag legt. Die Nervenreflexe, die im thierischen Organismus und Bpeciell im menschlichen Gehirne direkt durch Nervenfaden vermittelt werden, gehen im socialen Organismus zwischen den Zellenindividuen, die sich dureh grössere Selbstthätigkeit und Freiheit als die einfachen Nervenzellen auszeichnen, aus direkten in indirekte über. Nun sagt aber Reich: »Wozu die Mühe, eine Seele zu ersinnen und deren Sitz zu ermitteln? Die Thatsache, dass die psychische Thätigkeit jetzt an dieser und später an jener Stelle des Gehirns am intensivsten sei, veranlasst uns nicht, dafür zu halten, dass an dieser oder jener Stelle die Seele ihre Kräfte verdoppele, sondern leitet uns vielmehr zu dem Gedanken, dass in Folge irgend einer Erregung nun die Action dieses oder jenes Gehirntheiles, Gehirnorganes ^beträchtlicher sei. Diese letztere Erklärung ist eine natürliche, einfache, sachgemässe; die Erklärung durch eine besondere Seele schwerfällig, unnatürlich, erkünstelt, romanhaft. noch einmal die physikalischen Vorgänge innerhalb der Nervenbahnen, in welchen sich der Reflex bewegt. Der elektrische Process im Empfindungsnerven pflanzt sich durch Nervenzellen auf die Fasern von Bewegungsnerven fort, und zwar auf eine je nach dei; Stärke des *)

M. Perty, Die Natur im Lichte philosophischer Anschauung, 1869,

S. 612. **)

W. Wandt, Vorlesungen über die Menschen- und Thierseele, Bd. 1.,

S. 228.

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Beizes und der Grösse der Empfindlichkeit wechselnde Anzahl von Fasern. Die schwächsten Beize bleiben in derjenigen Nervenbahn, die mit dem gereizten Empfindnngsnerven am nächsten verknüpft ist, stärkere breiten weiter nnd weiter sich aus. Sonach bewegt sich der aof Reizung eines bestimmten Empfindungsnerven eintretende Reflexvorgang bei weitem am häufigsten in einer fest bestimmten Nervenbahn, er ist in ihr, 6obald überhaupt Reflexthätigkeit erwacht, immer vorhanden, während er in den anderen Bahnen nur zeitweilig zum Vorschein kommt. Es liegt nun nahe anzunehmen, dass diese nächstliegende Nervenbahn diejenige ist, durch deren Erregung eine Bewegung nach der gereizten Stelle hin ausgeführt wird, so dass der regelmässige Zusammenhang der Reflexe in der regelmässigen Anordnung der Nervenverbindungen schon vorgebildet ist. In der That hat diese Annahme die grösste Wahrscheinlichkeit für sich. Wir sehen ja fiir alle in das körperliche Geschehen hereingreifenden Leistungen der Seele in der körperlichen Organisation die unerlässlichen Vorbedingungen gegeben. Die Ortsbewegung des Körpers ist innig gebunden an den Bau des Skeletts, an die Anordnung der Skelettmuskeln, die Sinnesempfindung ist nothwendig geknüpft an die Beschaffenheit der Nervenausbreitungen in den Sinnesorganen — und doch sind die Ortsbewegung wie die Empfindung in letzter Instanz Thätigkeiten, die in der Seele ihren treibenden Grund haben. Desshalb werden wir nicht minder die Annahme, dass der innige Reflexzusammenhang bestimmter Empfindungs- und Bewegungsnerven auf einem innigeren anatomischen Zusammenhange beruhe, mehr als wahrscheinlich, wir werden sie nothwendig geboten finden, wenngleich die Zergliederung der Centraiorgane noch za unvollständig ist, als dass bis jetzt hier ein directer Nachweiss gelungen wäre.« Etwas ist jedoch bis jetzt in Betreff der Gehirnthätigkeit des menschlichen und folglich auch des thierischen Nervensystems überhaupt, dessen integrirenden, nur mehr entwickelten Theil das Gehirn bildet, nicht gehörig hervorgehoben worden, zum Wenigsten so viel uns bekannt, nämlich die hochwichtige und für die Psychologie weitgreifende Wahrheit, dass eine jede Zelle die Fähigkeit besitzt, mehr oder weniger, in geringerem oder höherem Grade von allen anderen angeregt und folglich weiter entwickelt zu werden und ihrerseits dieselbe Wirkung auf alle anderen direct oder indirect hervorzubringen; und dieses geschieht auf Grundlage

27 desselben Gesetzes, nach welchem in der menschlichen Gesellschaft ein jedes Individuum alle anderen durch directen Einflnss oder durch Wort, Zeichen, Schrift oder Druck anregen und entwickeln kann. »Schon bei den Weich- und Gliederthieren kommt es zu einer Gegenstellnng von animalem und vegetativem, sogen, sympathischen Nervensystem. Beide sind ursprünglich auf mehrere Centralmassen mit ausstrahlenden Nerven angelegt; heim animalen Nervensystem liegen diese im Kopf und haben die Neigung, einander immer näher zu rücken und zu einem übermächtigen Gebilde, dem Hirn, sich zu vereinen, im sympathischen bleiben Bie in doppelter Hinsicht getrennt, indem ihre Centralmassen sowohl als ihre beiden Seitenhälften eine gewisse Distanz einhalten. Indem die Fäden der sympathischen Nerven sich netzförmig verbreiten und zahlreiche Nervenzellen sich zwischen sie einlagern, entstehen vielerlei Geflechte und Knoten, Ganglienknoten genannt.« »Histologisch besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen vegetativem und animalem Nervensystem.« »Das sympathische Nervensystem erhält im Menschen und den Wirbelthieren seine Wurzeln aus den beiden Wurzelabtheilungen sämmtlicher Bückenmarksnerven, hängt auch mit den meisten Hirnnerven zusammen und erstreckt sich auf jeder Seite vom Kopfe bis zum Ende des Schwanzbeines. Seine Unabhängigkeit vom Cerebrospinalsystem ist nur eine theilweise und relativeUnter seinem Einflüsse stehen hauptsächlich der Stoffwechsel, die Bildungs- und Wachsthumsvorgänge, aber auch diese unter Mitwirkung des Cerebrospinalsystems, welchem speciell dann Bewegung, Empfindung, Sinneswahrnehmung und psychisches Leben zur Regulation übergeben sind.«*) Alles kommt nur auf den Grad, also nur auf relative Grössen an. Und wie in jeder Gesellschaft die grosse Masse unzugänglich ist für Philosophie, Wissenschaft, Kunst, höhere ethische und ästhetische Genüsse und Empfindungen, und höchstens nur dumpf und unbewusst sich denselben unterordnet, so sind auch im menschlichen Gehirn und im thierischen Organismus unzählige Zellen und Zellengruppen, die eben so un*) H. Perty, Die Natnr im Lichte philosophischer Anschauung, 1869, S. 609.

28 vollkommen, einseitig und unbewusst die Anregungen der höher entwickelten Zellen und Zellengruppen empfinden und wiedergehen. Aber wie ein jeder Mensch bei wiederholter Anregung sich weiter entwickeln kann, wobei es freilich sehr viel auch auf die von früheren Generationen angeerbten Anlagen ankommt, so schliesst auch eine jede Zelle des Nervensystems schon im Keime die Anlagen in sich, sich zu einer höher entwickelten emporzuschwingen. Und wenn für die einzelne Zelle im niederen Organismus dieses schwieriger ist, als dem Menschen in der Gesellschaft, so liegt die Ursache wiederum nur darin, dass die Zelle im Einzelorganismus in Hinsicht auf Ort und Zeit, auf Lage und unmittelbare Umgebung fester gekettet ist, als der Mensch in der Gesellschaft. Hängt ja auch in jeder einzelnen Gesellschaft die Möglichkeit der höheren Entwickelung der Individuen und ganzer socialer Gruppen von der höheren Organisation derselben ab, d. h. von denselben Ursachen, welche die Entwickelung der Zellen überhaupt, auch im Einzelorganismus, bedingen. Aus allem oben Gesagten folgt nun nothwendig die hochwichtige Wahrheit, dass die Gesetze des Denkens und Empfindens mit den socialen und also auch mit den Naturgesetzen im Wesentlichen zusammenfallen müssen. Wenn der Mensch im Kleinen die ganze Welt und den ganzen socialen Kosmos darstellt und wenn dasselbe für eine jede der Zellen, aus denen ein Einzelorganismus besteht, gelten soll, — wenn ferner eine Anregung, von der einzelnen Zelle ausgehend, auf alle anderen und umgekehrt wirken kann, so erfolgt im Innern eines jeden Organismus derselbe Umsatz von Kräften und zwar nach denselben Gesetzen, wie in der Natur und in der menschlichen Gesellschaft. Und da das menschliche Gehirn im Grunde nichts Anderes ist, als eine nur höher entwickelte Gemeinschaft von Zellen, so kann die Reflectirung, auf welche eine jede geistige Function zurückgeführt werden kann, auch hier nur nach denselben Gesetzen vor sich gehen, wie in der ganzen Natur. — Nachdem wir dieses vorausgeschickt, gehen wir jetzt zu den Betrachtungen über, die uns zur Ergründung der realen Analogie zwischen den Denkverrichtungen im menschlichen Gehirn und der Wechselwirkung der Kräfte in der Natur führen, könnten. —

29 Es ist bereits wissenschaftlich erwiesen, dass eine jede Denkoperation durch eine gewisse Anregung und Spannung der Gehirnzellen bedingt wird. Es unterliegt weiter keinem Zweifel, dass dabei auch das übrige Nervensystem mehr oder weniger jedes Mal in Mitleidenschaft gezogen wird. Durch das Nervensystem werden aber ihrerseits die Muskeln beständig in Spannung erhalten und umgekehrt wirkt das Muskelsystem beständig auf das Nervensystem und das Gehirn zurück. Hier findet ebenso wie in der Natur ein Umsatz von mechanischer Kraft in Wärme, Electricität, Galvanismus u. s. w. und umgekehrt statt, und dass dieses nach denselben Gesetzen vor sich geht, wie auch in der Natur, obgleich dieselben nicht so klar nach Maass und Gewicht zu bestimmen sind, wird wohl kaum einem Zweifel unterliegen. »Die meisten unserer Gemütsbewegungen«, sagt Darwin, »sind so innig mit ihren Ausdrucksformen verbunden, dass sie kaum existiren, wenn der Körper passiv bleibt.«*) Bain bemerkt dazu, dieses gelte nicht nur von den meisten, sondern von allen Gemüthsbewegungen. **) »Die specielle Muskelthätigkeit,« sagt Maudsley, »ist nicht blos der Ausdruck der Leidenschaft, sondern wirklich ein wesentlicher Bestandtheil derselben. Wenn wir, während die Züge in dem Ausdruck einer Leidenschaft fixirt sind, versuchen, den Geist in eine andere hinüberzüstimmen, so überzeugen wir uns bald von der Unmöglichkeit.«***) »Bei einiger Aufmerksamkeit auf unsere Bewegungen«, sagt W. Wundtf), »bemerken wir in der That, dass sie stets von Empfindungen in den Muskeln begleitet sind. Gewöhnlich sind diese Empfindungen freilich so schwach, dass sie leicht unserer Beachtung entgehen. Erst wenn wir eine gewisse Anstrengung ausüben, also grössere Massen in Bewegung setzen, erfahren wir ein deutliches Spannungsgefühl in den Muskeln. Aber auch weniger angestrengte Bewegungen können allmäb'g zu sehr intensiven Empfindungen fuhren, wenn sie sich oft nach einander *) Charles Darwin, Ausdruck der Gemüthabewegungen, S. 243. (Uebers. von J. V. Carus.) **) Bain, Geist und Körper, S. 7. *•*) Maudsley, Body and Mind, S. 30. (Bain, S. 7.) t) W. Wundt, Vorlesungen über die Menschen- und Thiereeele, Bd. I., S. 221.

30 wiederholen und dadurch Ermüdung hervorrufen. Die Ermüdung macht sich durch eine deutliche Empfindung in den Muskeln geltend, die oft in der Ruhe schon vorhanden ist, oft auch erst bei der Bewegung eintritt oder wenigstens bei derselben bedeutend, manchmal bis zum Schmerze sich steigert. < Wir gehen aber noch weiter und behaupten, dass auch der ganze Denkprocess im Gehirne des Menschen auf demselben Umsatz von Kräften beruht und wollen es auf folgendem Wege beweisen. Die Körper im Räume bewegen sich nothwendig nach dem Gesetze der Inertie in gerader Richtung, bis sie durch irgend eine Nebenursache von dieser Richtung abgelenkt werden. Wird ein Körper abgelenkt, so schlägt er unter einem gewissen Winkel einen neuen Weg ein, um wieder in gerader Richtung fortzugehen. Bei einer neuen Wirkung geschieht dasselbe u. s. w. Von den Winkeln, die der Körper dabei bildet, hängt es ab, ob er in seiner Bahn ein gleichwinkliges, schiefwinkliges, rechtwinkliges oder ein stumpfwinkliges Dreieck, ein Viereck, Fünfeck, Tausendeck u. s. w. bildet. Und dabei wird der Körper alle geometrischen Gesetze nothwendig beobachten. Setzt man voraus, dass nicht eine nur momentan wirkende, sondern eine beständig beeinflussende Kraft den Körper von der geraden Linie ablenkt, so wird er, je nach den Verkältnissen, eine Hyperbel, Parabel, einen Kreis etc. beschreiben und ganz mit derselben Notwendigkeit und unter Beobachtung derselben geometrischen Gesetze, denen er folgte, als er in gerader Richtung sich bewegt hatte. Nun thut aber der Mensch in Gedanken mit Notwendigkeit dasselbe, wenn er sich eine Bewegung vorstellt. Nach welchen nothwendigen Gesetzen thut er es aber? Darauf antworten wir folgendermaassen. Der Geist des Menschen folgt beim Denken mit NothwetidigTteit denselben Gesetzen der Bewegung im Räume, wie auch alle Naturkörper, weil bei jeder geistigen Vorstellung irgend einer Bewegung im menschlichen Organismus, in unendlich kleinen Vibrationen des Nerven- und Muskelsystems, eine wirklich reale Bewegung oder Vibration nach denselben Gesetzen vor sich geht. Der Mensch denkt also mit eben so realer NothcendigTteü nach geometrischen und also auch nach mathematischen Gesetzen, wie ein Körjper nach denselben im Baume sich bewegt, tveil der Mensch im Grunde jedes Mal dasselbe im Kleinen durch-

31 macht, was die Naturkörper in weiterem Maassstabe und grösserem Zeiträume an den Tag legen. Und warum ist er gezwungen, jedes Mal dasselbe durchzumachen ? Weil er in sich das ganze Weltall, nicht nur in der Gegenwart, sondern durch unendlich lange Evolutionen in Zeit und Baum vereinigt, und also beständig nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit lebt und durch Erregung seiner höheren Nervenorgane immer an seinen Ursprung durch eine unendlich lange Reihe von Reflexen, die in seinem Organismus selbst bis zum mechanischen Stoss zurückgeführt werden können, erinnert wird. Diese Erinnerung selbst besteht aber in den wirklich vor sich gehenden und jedes Mal von den Gehirnnerven selbst oder von dem durch sie angeregten Muskelsystem .ausgeführten Bewegungen. Obgleich in unendlich kleinen Zeiträumen und oft unmerklichen "Vibrationen bestehend, fuhren die Muskeln und Nerven dennoch vollständig, oft in unendlich kleinen Schwingungen, welche als eine latente Spannung an den Tag tritt, dasselbe aus, was ein jeder in der Natur, unter dem Einfluss einer mechanischen Kraft sich frei bewegende Körper thut. Die Schwingungstheorie ist nach allen Seiten hin bereits auf die anorganische Natur ausgedehnt worden. »Ein Atom für sichIm Einklang mit dem Weltganzen, nicht blos ihm äusserlich angepasst, entwickelt sich das Sinnensystem. Indem die Welt diese ist, so haben sich eben diese Sinne entwickelt, weil Beide in ihrem Grunde Eines sind; die Sinnesorgane drücken das Wesen der Welt aus und diese schaut sich in ihnen an. Es ist dieselbe weltbildende Kraft, welche die Dinge schafft und zur Wahrnehmung bringt. Sie schafft sie nach den ihr vorschwebenden Urbildern, sie bringt sie zur Wahrnehmung, indem sie selbe aus der Aeusserlichkeit wieder in die Innerlichkeit, aus der Materialisirung wieder in die Urbilder zurückführt. Dies ist nur im Geiste möglich; durch die sinnliche Wahrnehmung des Universums gelangt der Individualgeist zu einer Vorstellung der Gedanken des universellen Geistes.«*) Und weiter: »Die organische Schöpfung, welche ein Weltkörper entwickelt, ist in ihrer specifischen Bestimmtheit Ausdruck seines innersten Wesens; daher die Uebereinstimmung zwischen den tellurischen und organischen Gesetzen. Wie in der Erde stete Umbildung, Fest- und Flüssigwerden, Gerinnung und Auflösung, chemischer Process, stattfindet, so auch in den Organismen. Der elektro-magnetische Process der Erde wiederholt sich im Nervensystem, der Luft bildet sich die Lunge entgegen, dem Erd- und Wasserprocess entspricht die Blutbildung und der Kreislauf, den Schallschwingungen das Hörorgan; das Lichtund Farbenreich der grossen Welt lässt die kleine des Auges entstehen, welches sich jenem, einer Blume gleich, bald öffnet, bald verschliesst. Welches Entgegenkommen von Medium und Organ bei der Bewegung!« »Hier die feste Gliedmasse zum Aufstützen auf den Boden, dort die biegsame Flosse im ausweichenden Elemente oder der elastische Fittig zur Compression der Luft, immer mit angemessener Muskulatur und Nervenströmung. Diese Ueberein*) M. Perty, S. 623. Oedanken über die Socialwisaenachaft der Zukunft. II.

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34 Stimmung ist durch Urgesetze prästabilirt, wie die Verkettung der Organismen untereinander.«*) So ist denn durch die Anerkennung der menschlichen Gesellschaft als realen Organismus auch das schwere Problem der doppelten Nothwendigkeit der Denk- und Naturgesetze in ein einfaches verwandelt, wobei nur noch das absolute, das beziehungslose > Wie« ein unverrückbares Geheimniss bleibt und gewiss ewig bleiben wird. Wie die Materie oder die mechanische Kraft zu chemischer Verwandtschaft, physiologischer Lebenskraft, bis zum Empfinden und Denken sich verdichtet, worin das Wesen des Subjects als Gegensatz zum Object besteht, das ist für uns ein unergründliches Geheimniss, ebenso wie das Wesen der Kraft und der Materie überhaupt und das Wie des Ueberganges des einfachen mechanischen Stosses von einem Körper zum anderen. — Aber ein unbegrenzter Horizont neuer Anschauungen und Gesichtspunkte, ein unendliches Gebiet neuer Realitäten eröffnen sich für den Forscher durch Zusammenstellung von Analogien zwischen der Natur, der menschlichen Gesellschaft und der Fntwickelung des menschlichen Geistes. Ist die Nothwendigkeit der logischen Verknüpfung, der geometrischen und mathematischen Begriffe, d. h. der Raum- und Zeitverhältnisse, dieselbe, wie auch die der realen Wechselwirkung der Kräfte, so muss auch die Grundlage des idealen und realen Kausalitätsprincips dieselbe sein. Schon Eberhard hat versucht, a priori die Identität des Kausalverhältnisses in der Natur und der Gedankenfolge des menschlichen Erkenntnisses durchzuführen und stellte sich als Nachfolger Leibnitz's Kant gegenüber hin, dessen ganze Philosophie auf dem Unterschiede zwischen dem transscendentalen Erkennen des Zusammenhanges von Ursache und Wirkung und der formalen Erkenntniss der Verknüpfung zwischen Grund und Folge begründet ist. Alle Anhänger Kant's haben diese Doppelanschauung verfochten. So sagt Kiesewetter: > Logischer Grund (Erkenntnissgrund) ist nicht zu verwechseln mit dem realen (Ursache). Der Satz des zureichenden Grundes gehört in die Logik, der Satz der Kausalität in die Metaphysik. Jener ist Grundsatz des Denkens, dieser der Erfahrung. Ursache betrifft wirkliche Dinge, logischer Grund nur Vorstellungen.« — *) M. Perty, S. 359.

35 Schopenhauer fügt noch hinzu: >Die Gegner Kant's dringen noch mehr auf diese Unterscheidung. G. E. Schulze, in seiner Logik (§. 19 Anmerkung 1 und §. 63), klagt über Verwechselung des Satzes vom zureichenden Grund mit dem der Kausalität. Salomon Maimon in seiner Logik (S. 20, 21) klagt, dass man viel vom zureichenden Grunde gesprochen habe, ohne zu erklären, was man darunter verstehe, und in der Vorrede S. XXIV. tadelt er, dass Kant das Princip der Kausalität von der logischen Form der hypothetischen Urtheile ableite.« »F. H. Jacobi, in seinen >>Briefen über die Lehre des Spinoza««, Beilage 7, S. 414, sagt, dass aus der Vermischung des Begriffes des Grundes mit dem der Ursache eine Täuschung entstehe, welche die Quelle verschiedener falscher Speculationen geworden sei: auch giebt er den Unterschied derselben auf seine Weise an.«*) Ganz richtig betitelt Kant seine kleine gegen Eberhard gerichtete Schrift: »Ueber eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll. < **) Denn ist die Identität der Denk- und Naturgesetze bewiesen, so wird einerseits jegliche transscendentale Metaphysik mit dem >Ding an sich«, andererseits die formal dem Menschen angeborenen reinen Vernunftbegriffe von Zeit, Raum und Kausalität, wie es Kant durchzuführen gesucht hat, aufgehoben. •— Aber Eberhard, sowie dessen Vorgängern und Nachfolgern, ist es nicht gelungen, die Identität der Denk- und Naturgesetze bis in die äussersten (Konsequenzen durchzuführen, geschweige denn zu beweisen, weil sie sich nicht auf die Naturkunde stützten, so dass ihre Anschauung, ohne einen realen Boden zu besitzen, beständig einerseits zwischen den Idealisten und Spiritualisten, die Alles aus dem cogito, ergo sum ableiten wollten und Zeit, Raum und Kausalität als dem Menschen angeborene Ideen anerkannten, — andererseits zwischen den Sensualisten und Materialisten, welche dem Ding an sich absolute Bedeutung gaben und den Geist als etwas Zufälliges betrachteten, schwankte. Die Identität der *) Arth. Schopenhauer, Ueber die vierfache Wurzel vom Satze des zureichenden Grundes. (1873.) S. 22. **) Immanuel Kant's sämmtliche Werke, Heft 34 u. 35.

herausgegeben von Kirchmann,

36 Denk- und der Naturgesetze, des Geistes und der Materie, des Ichs und des Nicht-Ichs, wie sie bis jetzt aufgefasst worden ist, bildet nichts Reales, wirklich Existirendes, sondern den Nullpunkt zwischen zwei Grössen, die Interferenz zwischen zwei absoluten Begriffen. Daher ist auch die Begründung dieser Anschauung bis jetzt misslungen. Und dieses Misslingen ist wesentlich nur dem Umstände zuzuschreiben, dass Eberhard und seine Anhänger die Durchführung nicht auf dem Wege der realen Analogie zwischen Geist- und Naturprocessen, sondern a priori versucht hatten. Sobald jedoch die reale Identität zwischen dem Kausalitätsverhältnisse der Naturerscheinungen und der Verknüpfung der Gedanken im menschlichen Gehirn wird bewiesen werden, müssen alle dogmatischen, metaphysischen und transscendentalen Wortfechtereien eines natürlichen Todes sterben und feierlichst zu Grabe getragen werden, wobei es freilich an herzzeireissenden Wehklagen und salbungsvollen Redensarten von Seiten der »Verwandten und Freunde« der Dahingeschiedenen nicht fehlen wird. Das Cartesianische cogito, ergo sunt als absolute Wahrheit aufgefasst, musste consequent zur Verneinung der objectiven Welt fuhren. Und das that Berkeley und dessen idealistische Schule^ zu der auch Schopenhauer gehört. Andererseits musste die Schule Locke's, die Alles aus der Aussenwelt ableitete, zur Verneinung des Subjectes führen. Wenn Descartes einerseits und Locke andererseits nicht bis zu den äussersten Grenzen ihrer Weltanschauung gelangten, so lag der Grund darin, dass sie selbst nicht conseqent waren. Das thaten aber ihre Schüler. »Ich finde, < sagt Descartes*), »unzählige Ideen gewisser Dinge in mir, welche, wenn sie auch nirgends ausser mir existiren, dennoch nicht ein Nichts genannt werden können; und wenn sie auch von mir gewissermaassen nach Belieben in's Bewusstsein gerufen werden, so werden sie doch nicht von mir gebildet, sondern sie haben ihre eigene, wahre und unveränderliche Natur. So besitze ich z. B. die Idee eines Dreiecks. Es wäre möglich, dass ausserhalb meines Denkens nirgends in der Welt eine solche Figur existire oder je existirt habe; dennoch ist deren Natur, Wesen oder Form *) Medid V.p S. 31. (Descarte's Lehre von den angeborenen Ideen, von Dr. Grimm, S. 25.).

37 vollständig bestimmt, unveränderlich und ewig. Dieselbe ist nicht von mir gebildet und hängt nicht von meinem Geiste ab, denn ich kann gewisse Eigentümlichkeiten am Dreieck beweisen, z. B. dass seine drei Winkel gleich zwei Rechten sind oder dass dem grössten Winkel stets die grösste Seite gegenüberliegt, die ich, mag ich wollen oder nicht, anerkennen muss sollte ich auch früher, als ich mir ein Dreieck vorstellte, dieser Eigentümlichkeiten mir nicht bewusst geworden sein.« >Bis hierher ist es also die unveränderliche, selbständige Natur der in unserem Denken enthaltenen Figuren, welche dieselben wahr und angeboren erscheinen lässt. Denn nicht genug, dass ich die eigentümliche Beschaffenheit dieser Figuren überhaupt klar und deutlich einsehe; diese Klarheit und Deutlichkeit ist sogar so unmittelbar und zwingend, dass sie das so Eingesehene von der äusseren Wahrnehmung wie von der Willkür meines Denkens gänzlich unabhängig erscheinen lässt.« Ganz consequent führt nun Descartes weiter aus:*) »Wer richtig darauf geachtet hat, wie weit sich unsere Sinne erstrecken oder was das eigentlich sei, was von jenen zu unserer Denkfähigkeit gelangen könne, der muss bekennen, dass uns durch die Sinne Ideen, wie wir sie im Denken bilden, niemals zugeführt werden. Daher befindet sich unter diesen Ideen keine, die dem Geiste oder der Fähigkeit zu denken nicht angeboren wäre.« — Aber Descartes wird inconsequent, wenn er weiter sagt: >Eine alleinige Ausnahme möchten diejenigen Eigenschaften bilden, welche sich auf Erfahrung beziehen. Denn jedenfalls sind wir der Meinung, dass diese oder jene Ideen, die jetzt gegenwärtig vor unserem Bewusstsein liegen, auf gewisse, ausser uns liegende Dinge sich beziehen, nicht als ob diese Dinge durch die Organe der Sinne unserm Geiste jene Vorstellungen zugeführt hätten, sondern weil sie uns doch Etwas zugeführt haben, was unserem Geiste Gelegenheit gab, vermittselt der ihm angeborenen Fähigkeit, in dieser Zeit mehr, als in einer anderen jene herauszubilden.« Aus diesen Betrachtungen folgert nun Descartes: 1) dass die sinnliche Wahrnehmung uns solche Ideen nicht darzubringen vermöge; *) Episl. P. 1. 99, S. 326. (Dr. Grimm S. 72).

38 2) dass das in uns liegende Vermögen, willkürlich Ideen zu bilden, nicht die Quelle dieser Ideen sein könne.*) Locke und seine Schule haben dagegen die Existenz der angeborenen Ideen geläugnet. Er hat zu beweisen gesucht, dass wir Alle ohne Ausnahme Ideen nur vermittelst der Sinne erlangen und hat diese 6eine Thesis in folgenden "Worten zuBammengefasst:

nihil est in intellectu quod non aniea fuerit in sensu. Endlich hat Kant die Begriffe von Raum, Zeit und Kausalität ab die angeborenen Formen unseres Denkens anerkannt, in welche alle Erscheinungen der Natur von uns aufgenommen werden. Kant steht also in der Mitte zwischen Beiden. Er erkennt die transscendentale Idealität der Begriffe: Baum, Zeit und Kausalität an; er giebt aber zugleich ein absolutes Object in >dem Dinge an sich« zu. Dieser innere Widerspruch hat denn auch die Philosophie Kant's in immer weitere Widersprüche verwickelt und seine Nachfolger in zwei feindliche Lager getheilt. Der Widerspruch fallt jedoch vollständig weg, sobald man von der Absolutheit der Begriffe vom Subject und Object, Geist (Kraft) und Materie, Zweckmässigkeit und Kausalität, Freiheit und Nothwendigkeit absteht, und eine jede Erscheinung, sowohl in der Natur als auch in der menschlichen Gesellschaft, als eine in verschiedenen Verhältnissen zusammengesetzte Ausprägung dieser Begriffe, betrachtet. Alsdann werden die Begriffe: Subject und Object, Geist und Materie etc. nur eine relative Bedeutung haben und die verschiedenen Erscheinungen in der Natur, im Menschen und in der Gesellschaft nur allmälige Uebergänge, nicht etwas Starres, sondern etwas Flüssiges diesen Begriffen gegenüber darstellen; alsdann werden die Gefühle nur als potenzirte Kräfte, und Ideen nur als potenzirte Gefühle anerkannt werden müssen und umgekehrt Gefühle als halbbewusste Ideen und Kräfte als unbewusste Gefühle. Und als Beweis dieser Hierarchie dient die ähnliche Polarisation der Kräfte, Gefühle und Ideen nach aussen hin. Was die Kräfte, die Gefühle, die Ideen an sich sind, können wir weder aus dem subjectiven, noch aus dem objectiven Sinne ergründen. Wjr *) Grimm, S. 27.

39 wissen nur, wie Göthe richtig ausgesprochen h a t , dass im Subject ein gesetzmässiges Etwas ist, was dem gesetzmässigen Etwas im Object entspricht. »Wir besitzen Entsagung genug«, sagt Du Bois >um uns zu finden in die Vorstellung, dass zuletzt aller Wissenschaft doch nur das Ziel gesteckt sein möchte, nicht das Wesen der Dinge zu begreifen, sondern begreiflich zu machen, dass es nicht begreiflich sei. So hat sich's schliesslich als Aufgabe der Mathematik herausgestellt, nicht den Kreis zu quadriren, sondern zu zeigen, dass er nicht zu quadriren sei; der Mechanik, nicht ein perpetuüm mobile herzustellen, sondern die Fruchtlosigkeit dieser Bemühung darzuthun.« Und Lange fügt hinzu: »der Philosophie nicht metaphysische Kenntnisse zu sammeln, sondern zu zeigen, dass wir über den Kreis der Erfahrung nicht hinaus können. So werden wir mit dem Fortschritte der Wissenschaft immer sicherer in der Kenntniss der Beziehungen der Dinge und immer unsicherer über das Subject dieser Beziehungen.« Aber er urtheilt von dem einseitig materialistischen Standpunkte aus, wenn er weiter sagt: »Alles bleibt klar und verständlich, so lange wir uns an die Körper halten können, wie sie unseren-Sinnen unmittelbar erscheinen oder so lange wir uns die hypothetischen Elemente derselben nach Analogie dessen, was in die Sinne fallt, vorstellen können; allein die Theorie treibt stets darüber hinaus, und indem wir das Vorhandene wissenschaftlich erklären, indem wir unsere Einsicht in den Zusammenhang der Dinge so weit treiben, dass wir die Erscheinungen voraussagen können, betreten wir den Weg einer Analyse, welche ebenso ins Unendliche führt, wie unsere Vorstellungen vom Räume und von der Zeit.«*) In einem besonderen Theil unseres Werkes werden wir die reale Analogie zwischen den in der menschlichen Gesellschaft vor sich gehenden directen und indirecten Nervenreflexen und der Association der Ideen und Begriffe in dem menschlichen Gehirn durch Reflexe der einzelnen, das Gehirn bildenden Nervenzellen näher durchzuführen suchen. Die menschliche Gesellschaft als realer Organismus, dessen einzelne Theile unserer Beobachtung zugänglicher sind, als die Verrichtungen des Gehirns, wird uns *) Friedrich Albert Lange, Geschichte des Materialismus (etc., 1874, S. 207.

40 alsdann diejenigen hervorragenden Instanzen darbieten, anf deren Grundlage wir auf dem Wege der Analogie die Gesetze ableiten werden, welche die Ideenwelt des Menschen beherrschen. Andererseits wird uns das menschliche Gehirn als ein mit grösserer Plasticität versehenes Organ die Bedeutung auch der im socialen Organismus vor sich gehenden psychologischen Verrichtungen real begründen und 8ie an die allgemeinen Naturgesetze anschliessen helfen. Denk-, sociale und Naturgesetze, aus einer Quelle entspringend und auf ein gemeinschaftliches Ziel hindeutend, in denselben realen, nur immer vollkommeneren, durch grössere Differenzirung und Integrirung von Kraft- und Stoffverhältnissen bedingten Formen sich ausprägend, — darin besteht die reale Analogie zwischen Geist, Gesellschaft und Natur. Hier haben wir nur vorläufig und in Kurzem auf die Identität zwischen Natur- und Denkgesetzen hingewiesen, um dem Leser das nöthige Zutrauen zu dem Werkzeuge, mit dessen Hülfe wir die reale Analogie zwischen Natur und Gesellschaft weiter durchfuhren werden, d. h. zu unserem Erkenntnissvermögen, einzuflössen, indem dieses Vermögen nicht als etwas ausserhalb der Natur und der menschlichen Gesellschaft Stehendes, sondern als ein nach denselben Gesetzen wirkendes, aus denselben Kräften und Stoffverhältnissen zusammengesetztes Product Beider zu betrachten ist. Unser Geist ist also kein todtes Werkzeug, kein ausserhalb stehendes Bindemittel, sondern ein Organismus, welcher der Natur als Gesammtorganismus und der menschlichen Gesellschaft, dieser Fortsetzung der Natur, gleichberechtigt, »als der Dritte im Bunde«, zur Seite steht. Wenn wir die real vergleichende Methode, die wir als die einzige fruchttragende für die Socialwissenschaft anerkannt haben, durch den Satz bezeichnet haben: non ex unalogia mentis, sed ex analogia naturae, so haben wir dadurch nicht die reale Analogie zwischen Natur, Gesellschaft und Geist ableugnen, sondern nur ausdrücken wollen, dass der menschliche Geist nur in äusserst geringem Maasse solche hervorragende Instanzen aufzubieten hat, die als reale Grundlage zur Entdeckung analoger Erscheinungen zwischen Natur und Gesellschaft dienen könnten. Dadurch, das9 die Denkgesetze bis jetzt nicht als identisch mit den Naturgesetzen anerkannt worden sind, hat auch die Ergründung der Analogie zwischen Natur, Gesellschaft und Geist immer nur zu metaphysischen Grübeleien ohne realen Boden geführt.

41 Durch Anerkennung der realen Analogie zwischen Natur, Gesellschaft und Geist wird die Metaphysik sammt dem Dogmatismus und allen auf absoluten Begriffen begründeten Wortfechtereien aus ihrer Citadelle siegreich vertrieben. Denn in allen drei Sphären tritt Kraft und Stoff dem Menschen entgegen: sei es in ihm selbst als Subject, sei es in der Natur als Object. Der menschliche Geist ist nur eine potenzirte Naturkraft und der Mensch selbst ein durch Kapitalisation und Specialisation der Kräfte gesteigerte Stoffentwickelung. Endlich tritt uns auch die menschliche Gesellschaft, als reale Ausprägung derselben zu einer höheren Einheit integrirten und in grösserer Mannigfaltigkeit differirten Kräfte, entgegen. Hier wird aber die als Geist des ganzen Menschengeschlechts capitalisirte Kraftpotenzirung zu einer solchen Höhe erhoben, dass sie, in der von uns im ersten Theil angeführten mathematischen Proportion, fast als ein unendlich grosser geistiger Nenner einem unendlich kleinen materiellen Zähler gegenüber dasteht. Und gleichwie das nach mechanischen Gleichgewichtsgesetzen sich bewegende Weltall gegen einen uns unbekannten Mittelpunkt streben muss, so strebt auch der aus vernunftbegabten Individuen bestehende geistige Organismus der Menschheit gegen ein gemeinschaftliches geistiges Centrum — die Idee der Gottheit. Diese Idee, sie möge sich nun in einem realen Wesen, einem Gottmenschen, ausprägen oder als nur geahntes und gesuchtes geistiges Centrum für die Menschheit, gleich dem uns unbekannten Centrum des Weltalls, gelten, hat für die geistige Entwickelung der Menschheit eine eben so reale Bedeutung wie der Centraischwerpunkt für das Weltall. Der ganze Unterschied besteht nur in einer höher gesteigerten Spannung, in einer grösseren Integrirung und Differenzirung der Kräfte. Und da die Kräfte der Natur und des Geistes dieselben sind, so geht daraus hervor, dass auch dem ganzen Weltall die Idee Gottes zu Grunde liegen muss. — Und wie es nicht zwei Notwendigkeiten giebt — eine logische und eine Naturnotwendigkeit — , eine Anschauung, die der Philosophie bis jetzt einen doppelten Ausgangspunkt gewährte und eine unüberbrückbare Kluft zwischen Subject und Object, zwischen dem Ich und dem Nichtich, zwischen der Idee und der Wirklichkeit, zwischen Geist und Materie bildete, eine Anschauung, welche den sogenannten angeborenen Ideen, dem absoluten Ich, dem »Ding an sich« und gleichen Undingen das Leben gegeben

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hatte, — wie es also keine zwei Notwendigkeiten giebt, von denen die eine in der Natur waltet und die andere speciell für unseren Geist nachträglich arrangirt worden sein soll, so kann es noch weniger eine dritte Notwendigkeit geben, die von den Philosophen auf metaphysischer Grundlage herausgesponnene ethische Notwendigkeit. Dass es eine sittliche Weltordnung giebt, dass die Gesetze dieser sittlichen Weltordnung im Gewissen des Menschen ihren Stützpunkt haben, dass diese Gesetze notwendige Gesetze sind, — das Alles unterliegt wohl keinem Zweifel. Dass die Notwendigkeit dieser Gesetze jedoch eine andere sei, als die Notwendigkeit der Naturgesetze, dass das Gewissen etwas anderes sei, als die im Menschen durch die Erziehung des Menschengeschlechts in der Geschichte allmälig verdichtete und von Geschlecht zu Geschlecht vererbte Idee der socialen gesetzmässigen Entwickelung, deren Gesetze ihrerseits mit den Entwickelungsgesetzen der Naturorganismen zusammenfallen, und dieses aus dem Grunde, weil die menschliche Gesellschaft ein ebenso realer Organismus als jeder Einzelorganismus in der Natur ist; dass das Pflichtgefühl oder das »kategorische Soll« von Eant etwas absolut Anderes sei, als das Gefühl und das >Soll Uebersetzten wir etwa »Kräfte« money< berechnet. Und wahrhaft Ausserordentliches, früher nie Geliofftes und Geahntes hat das neunzehnte Jahrhundert im Gebiete der Industrie und des Handels, in der Entwickelung der Verkehrsmittel, in Hebung des materiellen Wohlstandes ganzer Volksmassen geleistet. In dem Fortschreiten der industriellen Production liegt auch nichts Unnatürliches, im Gegentheil, es gründet sich auf ein allgemeines organisches Gesetz, nach welchem mit der höheren Entwickelung eines jeden socialen Organismus auch dessen Interzellularsubstanz zunimmt und in seiner Masse die Gewebe übersteigt. — .Die Interzellularsubstanz enthält diejenigen Stoffe, welche die Existenz der Gewebe und Zellen selbst unterhalten und bedingen. In der socialen Sphäre dient die Interzellularsubstanz ausserdem auch noch als Mittel zu den indirecten Reflexen, von denen hauptsächlich die Entwickelung der höheren Nervenorgane des Menschen hergeleitet werden muss und noch jetzt ab-

100 hängt. Der materielle Wohlstand, die geistige und ethische Entwicklung, die Existenz und die Verbreitung des Menschengeschlechts werden somit durch die Interzellularsubstanz in ihren verschiedenartigsten Formen, als Naturkräfte, Arbeit oder Capital, als bewegliches oder unbewegliches 'Vermögen, als Werthgegenstände oder Thätigkeiten bedingt. — Aber niemals darf, weder im Gebiete der Wissenschaft, noch im Leben, ausser Augen gelassen werden, dass die Interzellularsubstanz immer nur ein Mittel zum Zweck, ein Werkzeug zur Erreichung eines Zieles ist. Und dieser Zweck, dieses Ziel ist der Mensch selbst, seine Entwickelung und vor Allem, als das höchste Ziel, seine geistige und ethische Entwickelung. — Der einzelne Mensch bildet aber nur das Bruchstück eines Ganzen, er ist nur eine Zelle im ganzen Gewebe des socialen Nervensystems. Die höhere geistige und ethische Entwickelung dieses Systems ist also das höchste Ziel des socialen Lebens,- welches Hand in Hand gehen muss mit der Entwickelung der Interzellularsubstanz, als Werkzeug zur Erreichung dieses Zieles. — Und gerade diese grosse Wahrheit ist in der letzten Zeit immer mehr in den Hintergrund getreten. Das materielle Treiben verdrängt immer mehr das geistige und ethische, der äussere, den Gegenständen anhaftende, Tauschwerth erhält immer mehr Bedeutung vor dem wesentlichen Nutzen, das Werkzeug wird als Zweck selbst angesehen, die Interzellularsubstanz wird als das Wesentliche, Ursprüngliche und der Mensch selbst als das Beiläufige und Zufällige im socialen Leben betrachtet. Wird denn bis jetzt unter Socialwissenschaft etwas mehr als die Nationalökonomie verstanden? Und was ist Nationalökonomie anders, als ausschliesslich die Lehre vom Tauschwerth der Güter und der Arbeit, die Lehre von der Interzellularsubstanz des socialen Organismus ? Die meisten Nationalökonomen geben gar nicht zu, dass es in der menschlichen Gesellschaft etwas anderes als Tauschwerthe gebe; alles wird auf Wertheinheiten reducirt und was sich darauf nicht reduciren l ä s s t , soll überhaupt für Wissenschaft und Leben keinen Werth besitzen. Und diese Anschauung ist vollständig richtig, so lange man die Interzellularsubstanz als das Wesentliche betrachtet. Der Tauschwerth der Güter erhält aber eine secundäre Bedeutung, sobald man als Zweck und Ziel der socialen Entwickelung den Menschen selbst, seine höhere Entwickelung , also das sociale Nervensystem, anerkennt. Dann

101 muss auch der Riss sich wieder schliessen, der durch die Einseitigkeit der jetzigen National-, Social- und anderen Oekonomien und derjenigen Bestrebungen und Bedürfnisse der Gesellschaft, welche höhere Zwecke im Auge haben, sich aufgethan hat. Dann werden auch alle diejenigen Widersprüche, die jetzt noch zwischen Religion, Kunst, Wissenschaft einerseits und den materiellen Interessen des Menschen und der Gesellschaft andererseits sich fühlbar machen, gelöst und ausgeglichen werden. — Dazu muss aber vor Allem im Gebiete der Sotialwissenschaft der Schwerpunkt aus der Interzellularsubstanz auf das Nervensystem hinübergetragen werden. Das Zellengewebe, als das Ursprüngliche, primär Wesentliche und die Zwischenzellensubstanz, als das Secundäre und Nebensächliche, sind also die beiden Hauptbestandtheile des socialen Organismus wie auch eines jeden Einzelorganismus in der Natur. Zwischen dieser und der menschlichen Gesellschaft prägt sich also auch in dieser Hinsicht eine vollständig reale Analogie aus. Da nun aber ein jeder Einzelorganismus in der Natur nichts weiter als eine höhere Potenzirung der Naturkräfte bietet, ein Uebereinander dessen, was im Nacheinander der verschiedenen Entwickelungsstadien der niederen anorganischen und organischen Erscheinungen vor sich geht und was im Nebeneinander des jetzt Existirenden sich darthut, so muss dasselbe auch in Betreff des socialen Organismus wahr sein. — Mit anderen WTorten: eine jede sociale Entwicklung enthält im Uebereinander das, was in der Geschichte im Nacheinander und noch jetzt im Nebeneinander der verschiedenen Entwickelungsstadien einzelner Individuen, Völker, Racen, Staaten etc. zum Ausdruck gelangt. Diesem dreifachen Parallelismus des Ueber-, Nach- und Nebeneinander, einem Parallelismus, welcher die ganze anorganische und organische Natur umfasst und alle Erscheinungen in ihren gegenseitigen Beziehungen, alle Kräfte in ihrer gegenseitigen Wechselwirkung erklärt und begründet, diesem grossen, allumfassenden, nothwendigen Naturgesetze, welches auch auf die menschliche Gesellschaft vollständige Anwendung findet, werden wir unsere nachstehenden Betrachtungen widmen. —

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V.

Das Gesetz der dreifachen Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander in der organischen und socialen Welt überhaupt. Professor Haeckel war der erste, der das grosse und allgemeine Gesetz der dreifachen Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander auch in der Entwickelung der organischen Welt klar nachgewiesen hat. Haeckel fasst dieses Gesetz wie folgt zusammen: »Die Entwickelungsreihe der ausgebildeten Formen, welche die vergleichende Anatomie in den verschiedenen Divergenz- und Fortschrittsstufen des organischen Systems nachweist, und welche wir die systematische Entwickelungsreihe nannten, ist parallel der paläontologischen Entwickelungsreihe, weil sie das anatomische Resultat der letzteren betrachtet, und sie ist parallel der individuellen Entwickelungsreihe, weil diese selbst wiederum der paläontologischen parallel ist. Wenn zwei Parallelen einer dritten parallel sind, so müssen sie auch unter einander parallel sein.«'*) In seiner »Generellen Morphologie der Organismen« stellt Haeckel auf Grundlage desselben Gesetzes folgende Thesen auf: -"'*) »1. Die Kette von successiven Form Veränderungen, welche die Zeugungskreise oder die dieselben repräsentirenden Bionten während ihrer individuellen Existenz durchlaufen, ist im Ganzen parallel der Kette von successiven Formveränderungen, welche die Vorfahren der betreffenden Zeugungskreise während ihrer paläontologischen Entwickelung aus der ursprünglichen Stammform ihres Phylon durchlaufen haben. 2. Diese Parallele zwischen der biontischen und der phyletischen Entwickelung erklärt sich aus den Gesetzen der Vererbung, und insbesondere aus den Gesetzen der abbreviirten, homotopen und homochronen Vererbung. *) Natürliche Schöpfungsgeschichte von Dr. Ernst Haeckel, 1872, S. 278. **) Generelle Morphologie. Bd. II, S. 421.

108 3. Die Kette von coexistenten Formverschiedenheiten, welche die verwandten Arten und Artengruppen jedes Stammes zu jeder Zeit der Erdgeschichte darbieten, ist im Ganzen parallel der Kette von successiven Formveränderungen, welche die divergenten Formenbüschel dieses Stammes während ihrer paläontologischen Entwickelung aus der gemeinsamen ursprünglichen Stammform durchlaufen haben. 4. Diese Parallele zwischen der systematischen und der phyletischen Entwickelung erklärt sich aus den Gesetzen der Divergenz und insbesondere aus der Erscheinung, dass die verschiedenen Aeste und Zweige eines und desselben Stammes einen sehr ungleich raschen Verlauf ihrer phyletischen Veränderung erleiden und zu sehr ungleicher Höhe sich entwickeln. 5. Die Kette von coexistenten Formverschiedenheiten, welche die verwandten Arten und Artengruppen jedes Stammes zu jeder Zeit der Erdgeschichte darbieten, ist im Ganzen parallel der Kette von successiven Formveränderungen, welche die Bionten der betreffenden Artengruppe während ihrer individuellen Existenz durchlaufen. 6. Diese Parallele erklärt sich aus der gemeinsamen Abstammung der verwandten Arten, und zunächst schon aus der Verbindung der beiden vorhergehenden Parallelen; denn wenn die phyletische Entwickelungsreihe sowohl der biontischen als der systematischen Entwickelungsreihe parallel ist, so müssen auch diese beiden letzteren unter einander parallel sein, und endlich 7. Der dreifache Parallelismus der phyletischen, biontischen und systematischen Entwickelung erklärt sich demnach, gleich allen anderen allgemeinen Entwickelungserscheinungen, einfach und vollständig durch die Descendenztlieorie, während er ohne dieselbe, gleich diesen allen, völlig unerklärt bleibt.« Haeckel bezeichnet ganz richtig die Descendenztheorie als ein allgemeines Inductions-Gesetz, welches sich aus der vergleichenden Synthese aller organischen Naturerscheinungen und insbesondere aus der dreifachen Parallele der phyletischen, (paläontologischen), biontischen (individuellen) und systematischen (specifisclien) Entwickelung mit absoluter Notwendigkeit ergiebt. *) *) Generelle Morphologie I I , 427.

104 Betrachten wir den Menschen zunächst als natürlichen Organismus, so erweist sich, dass dieser dreifache Parallelismns seine Geltung auch für das ganze Menschengeschlecht, als eine besondere, höhere Gattung physisch höher organisirter Wesen, in vollem Maasse haben muss. Dank den neueren Entdeckungen der Paläontologie sind schon einige Bruchstücke der grossen Kette gefunden, die einerseits das Menschengeschlecht der höher organisirten Thierwelt, andererseits die entwickelteren Bacen durch eine ununterbrochene Stufenleiter an den wilden Urmenschen anschliesst. — Dieser seit Millionen, ja vielleicht seit Milliarden von Jahren vor sich gehende paläontologische Process der stufenweisen Entwickelung vom Niederen zum Höheren wiederholt sich in kurzen, momentanen Abschnitten und Evolutionen in jedem einzelnen Menschen nach dem der ganzen organischen Natur gemeinsamen embryologischen Gesetz. — Daraus gellt aber hervor, dass das Gesetz des Parallelismus zwischen der phyletischen (paläontologischen) und der biontischen (individuellen) Entwickelung auch für den Menschen, als Gattungsindividuum, seine volle Gültigkeit behalten muss. — Endlich gehört der Mensch, als Specimen einer bestimmten Bace, eines bestimmten Stammes, zu einem ganzen, durch Blutsverwandtschaft verbundenen System von Organismen, dessen einzelne Gruppen und Individuen im Grossen und Ganzen in gleicher Beziehung zu einander stehen, wie die aufeinanderfolgenden Generationen und Gattungen in der paläontologischen Reihe und wie die Evolutionsformen eines jeden Individuums. Das ist das dritte Glied der Parallele, welches das schöne Gesetz des dreifachen Parallelismus zu einem harmonischen Ganzen abschliesst. Bis jetzt wurden jedoch auch bei Anpassung dieses Gesetzes an den Menschen die höheren Nervenorgane, als Product des socialen Lebens, ausser Acht gelassen. — Daher konnte auch die den einzelnen Menschen durch alle Epochen der geschichtlichen Entwickelung verfolgende sociale Embryologie noch gar keinen realen Boden finden. Nun haben wir aber schon bewiesen, dass die höheren Nervenorgane denselben Gesetzen der Descendenztheorie unterliegen, wie auch alle übrigen Theile des Organismus des Menschen, dass Anpassung und Vererbung für das Nervensystem des Menschen und für die durch dasselbe bedingten geistigen und ethischen Eigenschaften dieselbe Bedeutung haben, wie für die

105 niederen Sphären der organischen Entwickelung, dass die verschiedenen Menschenracen, vom Gesichtspunkte der höheren Nervenorgane aus betrachtet, eben solch' ein divergirendes organische System bilden, wie die Arten und Gattungen der niederen Organismen; endlich, dass auch ein jeder einzelne Mensch diejenigen embryologischen Formveränderungen der Nervenorgane durchläuft, welche die ursprünglichen Racen durchlaufen haben. Daraus folgt, dass das Gesetz Haeckel's vom dreifachen Parallelismus der phyletischen, biontischen und systematischen Entwickelung auch in Betrefi" der historischen Entwickelung der Menschenracen, vom Gesichtspunkte der höheren Nervenorgane aus betrachtet, seine vollständige Anwendung finden muss. Die höhereu Nervenorgane bilden im Menschen, vom naturwissenschaftlichen Standpunkte aus betrachtet, eigentlich das rein Menschliche. Das Uebrige besitzt der Mensch gemeinschaftlich mit der niederen organischen Welt und unterliegt daher auch denselben Gesetzen. Ist es nun bewiesen, dass das Gesetz des dreifachen Farallelismus auch auf die höheren Nervenorgane des Menschen seine volle Anwendung findet, so knüpft sich schon von selbst die sociale Sphäre an die naturhistorische und die ethische und geistige Entwicklungsgeschichte der Menschheit an die Naturkunde. — Und da alle übrigen Thesen Haeckel's in seinem epochemachenden Werke nur eine Specificirung dieses allgemeinen Gesetzes sind, so kann auch ohne Mühe alles sich auf die Entwickelung der höheren Nervenorgane des Menschen Beziehende auf jene Thesen zurückgeführt werden, woraus denn wiederum die reale Analogie zwischen der socialen und der organischen Entwickelung in der Natur in allen ihren, wenn auch noch so weit gegriffenen Folgerungen, völlig klar zu Tage tritt. Nun stellt aber die menschliche Gesellschaft einen f ü r sich bestehenden Einzelorganismus d a r , von welchem die menschlichen Individuen die einzelnen Theile oder Zellen bilden. Würden die einzelnen Menschen sich unabhängig von einander, etwa nur als B e s t a n d t e i l e einer Heerde, entwickeln, so würde der dreifache Parallelismus sich auch in Betreff der höheren Nervenorgane einfach unter dem Eiuflusse des Kausalzusammenhanges der Descendenztheorie völlig klar ausprägen. — Nun ist aber jeder Mensch Thei! eines höheren Organismus, in welchem er die Rolle einer Zelle spielt, die sich der Entwickelung des Ganzen anpassen muss. Hier muss also nicht nur das einfache

106 Gesetz der Vererbung und der Anpassung an die verschiedenen Lebensbedingungen des umgebenden physischen Mediums gelten, sondern das complicirtere Gesetz der »abweichenden Anpassung.« Haeckel drückt dieses wichtige Gesetz auf folgende Weise a u s : »Gleiche Theile (gleiche Individuen einer und derselben Individualitätsordnung), welche in Mehrzahl in dem Organismus verbunden sind, erleiden ungleiche Abänderungen, indem dieselben in verschiedenem Grade der cumulativen Anpassung unterliegen. « * ) Die verschiedenen Theile (Zellen) eines jeden Organismus haben nämlich das Bestreben, sich nach verschiedenen, Eichtungen hin zu specialisiren und zu differenziren. Einige Zellen bleiben auch im weiteren Verlauf der individuellen Entwickelung des ganzen Organismus auf der Stufe von Piastiden oder Moneren stehen. Andere Zellen differenziren sich allmälig zu verschiedenen Geweben (Knochen, Muskeln, Nerven) oder zu Gefässen (Blut-, Lymph- etc. Gefässen). Haeckel bezeichnet ganz richtig dieses Gesetz der divergirenden oder abweichenden Anpassung, welches für die Individuen aller Ordnungen, von der Plastide hinauf bis zur Person, gilt, als die Basis des bekannten Gesetzes der Arbeitsteilung, und sagt zum Schluss: »Dieses allgemeine Differenzirungsgesetz oder Divergenzgesetz ist in den vollendeten Folgen seiner ungeheuern und äusserst mannigfaltigen Wirkung von allen Naturforschern anerkannt. Viele haben auch seine kausal^ Bedeutung und active Wirksamkeit während des Laufes der embryologischen, Wenige während des parallelen Laufes der paläontologischen Entwickelung erkannt. Die Wenigsten aber sind von der äusserst wichtigen Thatsache durchdrungen, dass alle Difierenzirungen oder Divergenzerscheinungen, welche wir während jener laufenden Entwickelungsreihe beobachten, nur die gehäuften Folgen und Wiederholungen von zahllosen einzelnen divergenten Anpassungen sind, welche die individuellen Organismen während des Laufes ihrer individuellen Existenz allmälig erfahren haben. « * * ) Diese Diiferenzirung der einzelnen Theile, diese Divergenz in der Entwickelung der einzelnen Zellen, welche sich in jedem *) Generelle Morphologie, Bei. II, S. 217. **) S. 218.

107 Einzelorganismus darthut, bedingt gleichfalls die Arbeitstheilung der einzelnen Glieder in der menschlichen Gesellschaft. — Und diese Arbeitstheilung ist nicht nur eine rein äusserliche, sondern bedingt auch die Anpassung der physischen, moralischen und intellectuellen Eigenschaften eines jeden Einzelindividuums an das mit der Arbeitstheilung verknüpfte physische, moralische und intellectuelle Medium. — Da aber alle ethischen und geistigen Eigenschaften des Menschen durch reale Veränderungen in der Bildung und Entwickelung des Nervensystems bedingt sind, ro besteht die geistige und ethische Arbeitstheilung im socialen Leben in einer Divergenz und Differenzirung der höheren Nervenorgane der einzelnen Glieder der Gesellschaft, ganz nach demselben Gesetz, laut welchem eine solche Differenzirung im Einzelorganismus unter den Zellen der Naturorganismen stattfindet. Wie auf den niederen Stufen der organischen Entwickelung die Differenzirung der Zellen durch mechanische, chemische und physiologische Lebensbedingungen hervorgebracht wird, so geschieht es in den niederen Sphären des socialen Lebens durch ökonomische Existenzfragen; und wie im thierischen Organismus das Nervensystem in seinen einzelnen Theilen und Organen durch directe Nervenreflexe differenzirt wird, so geschieht dasselbe in der socialen Sphäre in Betreff der höheren Nervenorgane des Menschen auf dem Wege nicht nur directer, sondern auch indirecter Nervenreflexe. — Und wie in jedem Einzelorganismus einige Zellen, im Laufe der Entwickelung desselben, immer nur Moneren und Piastiden bleiben, andere sich zu Geweben vereinigen, und von diesen wieder einige in den niederen Geweben stehen bleiben, andere jedoch sich zu den höchsten Functionen des Nervensystems emporschwingen, so bleiben auch in jedem socialen Organismus, sei es in Folge der gesellschaftlichen Stellung, der Erziehung oder der inneren Anlagen und Fähigkeiten, einige Individuen auf der Stufe der geistigen und ethischen Entwickelung stehen, welche möglicherweise derjenigen unserer Vorfahren aus der Steinperiode entspricht; ein anderer Theil geht einige Schritte weiter in der Entwickelung, die möglicherweise derjenigen der Eisenperiode entspricht; Andere sind ächte Kinder der modernen Eisenbahn- und Telegraphenperiode; endlich einzelne Wenige überholen die grosse Masse und gehen in ihrem Streben über das Jahrhundert hinaus. Wie schön drückt Schiller dieses in folgenden Worten aus:

108 „ höher stets und höher, Yom Mongolen Ms zum griech'schen Seher, Der sich an den letzten Seraph reiht.*

Obige Betrachtungen beziehen sich, streng genommen, nur auf die fortschreitende Entwickelung,. so zu sagen, in gerader Linie. Eine jede Arbeitsteilung bringt aber ausserdem auch noch verschiedene Specialisirungen der höheren Nervenorgane •wie der niederen Organe mit sich. Arbeiter, Gewerker, Kaufleute, Börsenmänner, Künstler, Gelehrte, Staatsmänner stehen nicht nur auf verschiedenen Stufen der menschlichen Entwickelung überhaupt, je nach ihren Anschauungen, Strebungen, Bedürfnissen, Anlagen, sondern ein Jeder von ihnen ist ausserdem noch ein Fachmann, ein Spezialist, dessen niedere und höhere Organe wie sein ganzes Nervensystem in einer gewissen specifisch divergirenden Spannung den anderen Individuen gegenüber steht. Diese specifisch divergirende Spannung, die einerseits eine schon angeerbte, andererseits aber auch durch individuelle Anpassung an die ökonomischen, rechtlichen, politischen, materiellen, ethischen oder geistigen Lebensbedingungen dieser oder jener socialen Sphäre bedingt sein kann und zu divergirenden Anschauungen und Thätigkeiten der einzelnen Glieder der Gesellschaft Anlass giebt, — bildet die Differenzirung eines jeden socialen Organismus , ganz nach demselben Divergenzgesetz, welches die ungleiche Entwickelung der Zellen in dem Einzelorganismus bedingt. In der menschlichen Gesellschaft, wie in jedem Einzelorganismus, thut sich jedoch ausser dem Divergenzgesetz noch ein zweites Gesetz kund, nämlich das Gesetz der Yererbung. Die durch diese Gesetze bedingte Wechselwirkung der Kräfte bringt die unendliche Mannigfaltigkeit der Organismenwelt hervor. —• Haeckel fasst diese Wechselwirkung in folgende Worte zu sammen: »Alle Eigenschaften oder Charaktere der Organismen -sind das Product der Wechselwirkung von zwei gestaltenden physiologischen Functionen: dem innern auf der materiellen Zusammensetzung des Organismus beruhenden und durch die Fortpflanzung vermittelten Bildungstriebe der Yererbung, und dem äussern, auf der Gegenwirkung des Organismus gegen die Aussenwelt beruhenden und durch die Ernährung vermittelten Bildungstriebe der Anpassung. ' In jeder Eigenschaft des Organismus kann aber der eine der beiden Bildungstriebe als die

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vorzugsweise bewirkende Ursache erkannt werden, und in dieser Beziehung sind alle Charaktere des Organismus in erster Instanz entweder ererbt oder durch Anpassung erworben. *) Für die Zellen, die ihrerseits als Theile eines Ganzen fungiren, sowie für die zum socialen Organismus gehörenden menschlichen Individuen wird die Vererbung und Anpassung bedingt, nicht nur durch die physische Aussenwelt, sondern auch durch die Lebensbedingungen des ganzen Organismus, zu dem sie gehören. Unter dieser Bedingung hat die Descendenztheorie — diese kausale Begründung der gesammten Entwickelungsgeschichte der Naturorganismen, — auch ihre volle Gültigkeit für die Entwicklung der Menschheit. Die organischen und historischen Gesetze fallen in dieser Hinsicht vollständig zusammen. — Mit Recht sagt Haeckel: »Die der Descendenztheorie entgegengesetzte dualistische Behauptung, dass jede Art oder Species unabhängig von den verwandten entstanden sei, und dass die Formenverwandtschaft der ähnlichen Arten keine Blutsverwandtschaft sei, ist ein unwissenschaftliches Dogma, und als solches keiner Widerlegung bedürftig **) « — Setzen wir unsererseits hinzu, dass es ein eben so unwissenschaftliches, aber leider noch der Widerlegung bedürftiges dualistisches Dogma ist, welches die menschliche Gesellschaft nach anderen Gesetzen sich entwickeln lässt, als die Naturorganismen, und welches eine Scheidewand zieht zwischen dem socialen Leben und dem Leben in der Natur, zwischen dem Wirken der socialen und dem der natürlichen Kräfte. — Das von Haeckel hervorgehobene Divergenzgesetz, nach welchem sich die einzelnen Zellen und Organe, als Theile eines Gesammtorganismus, differenziren, kann nur in dem Falle auch auf das sociale Leben volle Anwendung linden, wenn die menschliche Gesellschaft als realer Organismus anerkannt wird. Und da dieses bis jetzt nicht geschehen ist, so fehlte auch überhaupt jeder feste Grund zur Anpassung der Naturgesetze an die menschliche Gesellschaft. — Denn auch das Gesetz des dreifachen Parallelismus findet seine vollständige Geltung als sociales Gesetz nur in dem Falle, wenn wir in den Begriff der individuellen (bionti*) Generelle Morphologie, II, S. 224. **) S. 291, II.

110 sehen) Entwickelung nicht allein das menschliche Individuum sogar mit Berücksichtigung der Evolution seiner höheren Nervenorgane, einschliessen, sondern auch den socialen Organismus, als ein in sich abgeschlossenes Individuum, als Biont betrachten. Denn nur das höher entwickelte persönliche Individuum durchläuft in den folgerechten Evolutionen seiner höheren Nervenorgane die ganze paläontologische Reihe der Formveränderungen seiner Vorfahren und entspricht dadurch dem Gesetz des Parallelismus zwischen der individuellen (biontischen) und paläontologischen (pliyletischen) Entwickelung. Die meisten Individuen werden aber als Theile eines Gesammtorganismus, gleich den Zellen im natürlichen Einzelorganismus, in ihrer Entwickelung gehemmt, indem sie sich oft nicht über den embryonalen Zustand erheben. — Auch entwickeln sich die Glieder einer Gesellschaft nicht frei nach allen Seiten hin, wie es die unabhängig dastehenden Bionten, unter dem Einfluss des Vererbungs- und Anpassungsgesetzes an das umgebende physische Medium, thun, sondern specificiren sich unier dem Einfluss des Gesammtiebens des socialen Organismus gleich den Zellen im Natur Organismus. Hier wird also auch das Gesetz des Parallelismus zwischen der individuellen (biontischen) und der systematischen (specifischen) Entwickelung gestört. Denn ein jedes Individuum specificirt sich nicht allein nach dem natürlichen System der Eacen, Stämme etc. sondern auch als Bestandtheil eines anderen Gesammtorganismus. Das Gesetz des dreifachen Parallelismus findet aber seine vollständige Herrschaft wieder, sobald wir die menschliche Gesellschaft als realen Organismus betrachten; denn im Organismus der Menschheit, als Vereinigung aller Individuen zu einem einheitlichen Ganzen, finden wir das individuelle Moment, in seiner ganzen Vielseitigkeit und in der ganzen Stufenfolge vom Niedern zum Höhern ausgeprägt. Alsdann ist auch der dreifache Parallelismus ein vollständiger und das Nacheinander — die paläontologische oder phyletische Entwickelung, das Nebeneinander — die systematische oder specifische Entwickelung und endlich das Ucbereinander — die biontische oder individuelle Entwickelung, stimmen im Grossen und Ganzen vollständig überein. — Das Nacheinander betrachtet die menschliche Gesellschaft in ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als einen realen Gesammtorganismus, dessen einzelne Theile: Individuen, Geschlech-

111 ter, Stämme, Nationalitüten, Stände, Körperschaften, Institutionen, Staaten auf Grundlage des in der organischen Natur allgemein wirkenden, durch Vererbung und Anpassung bedingten Divergenzgesetzes, im Laufe der geschichtlichen Entwickelung differenzirt icorden sind, wobei die ethischen und geistigen Anlagen und Eigenschaften der ganzen Menschheit, sowie auch der Individuen, soicohl durch directc als auch durch indirecte Reflexwirkungen der höheren Nervenorgane, angeregt und entwickelt wurden. Das Nacheinander, vom realen Gesichtspunkte aus betrachtet, umfasst also das Evolutionsgesetz der geschichtlichen Entwickelung der ganzen Menschheit und dieses Evolutionsgesetz fällt vollständig mit dem Entwickelungsgesetze der organischen Natur und vermittelst letzterer mit dem Entwickelungsgesetze der Natur überhaupt zusammen. Dieses Gesetz gründet 'sich auf den realen Kausalzusammenhang aller socialen Erscheinungen im Verlaufe der paläontologischen Entwickelung des Menschengeschlechts. Die Behauptung, es gebe für die Menschheit, namentlich in ihren höchsten Bestrebüngen und Anlagen, andere Gesetze, einen anderen Zusammenhang, als den natürlichen Kausalzusammenhang , gehört unter die unwissenschaftlichen Dogmen, ist Blendwerk, enthält Worte ohne Inhalt, Phrasen ohne realen Untergrund. Das sind die von Bacon schon vor fast drei Jahrhunderten im Gebiete der Naturwissenschaft niedergeworfenen Idole. — Dass diese Idole im Gebiete der Socialwissenschaft schwerer zu bewältigen sein werden, ist selbstverständlich. Und dieses für die Natur und für die Entwickelung der Menschheit gemeinschaftliche Evolutionsgesetz erklärt uns nicht nur den Kausalzusammenhang der Entwickelung des Menschengeschlechts in der Vergangenheit, sondern erlaubt uns auch einen Blick in die Zukunft zu werfen. Denn Wissenschaft ist zugleich Voraussicht. — Durch den Kausalzusammenhang in der Vergangenheit können wir uns einen allgemeinen Begriff machen, worin der Fortschritt der Menschheit in der Zukunft bestehen wird. — Dieser Fortschritt wird nun gerade in der weiteren Entwickelung, in der grösseren Integrirung und Differenzirung einerseits des Nervensystems de3 Individuums und andrerseits des Nervensystems des socialen Organismus bestehen. Beide Nervensysteme, das individuelle und das sociale, bedingen einander in ihrer fortschreitenden oder rückschreitenden Entwickelung, in ihrer gegenseitigen Differenzirung und Integrirung r

112 sei es durch latente Spannung, sei es durch offenbare Thätigkeiten oder directe und indirecte Reflexe; beide sind nichts weiter als die nach organischen Gesetzen bedingte Polarisation von Naturkräften , die sich durch gegenseitige Wechselwirkung im Verlaufe der Zeit durch Vererbung und Anpassung gegenseitig potenzirt haben. Diese Potenzirung steht auch noch in der Zukunft bis zu einem von uns jetzt noch nicht zu erkennenden Grade bevor. In dieser Potenzirung wird die ganze Entwickelung des Menschengeschlechts auch in Zukunft bestehen, indem Hand in Hand mit der Entwickelung des individuellen und socialen Nervensystems auch die ethischen und geistigen Kräfte des Individuums und des ganzen Menschengeschlechts, denen die Nervenorgane nur als materielle Ausprägung dienen, sich steigern werden. — Und wenn wir auch wahrscheinlich nie im Stande sein werden, die einzelnen Begebenheiten, j a nicht einmal die Reihenfolge der einzelnen Epochen des künftigen Evolutionsganges der Menschheit vorauszusehen; wenn die Abweichungen und Schwankungen, mit denen ein jedes Streben nach Vervollkommnung verknüpft ist, uns entgehen werden; wenn auch der Sieg im Kampfe um den Fortschritt und um die Vervollkommnung oft schwanken wird und die einzelnen Episoden dieses Kampfes unmöglich voraus bestimmt werden können, so wird doch die "Wissenschaft, auf die allgemeinen Naturgesetze gestützt, den Kausalzusammenhang als Ausgangspunkt annehmend, die Hauptlinien des künftigen Entwicklungsganges der Menschheit mit Sicherheit bezeichnen und dadurch einen neuen Beweis für die tiefe Wahrheit liefern, dass »Wissenschaft Voraussicht isti}q, nQtjv^io, etwas erst Zukünftiges anzuzeigen. Dieser Fortuna soll auch Servius Tullius einen Tempel auf dem Capitol erbaut haben. Man hatte von diesem König grosse Vorstellungen; er selbst, sagte man, sei wunderbar entstanden, und man habe sein Haupt von einem blitzähnlichen Lichtschein umleuchtet erblickt. Eine Fortuna primigenia gab es zu Rom auch auf dem Quirinal. Sie war im Laufe des hannibalischen Krieges 204 v. Chr. gelobt und zehn Jahre darauf eingeweiht worden. Von dieser Fortuna hatte auch die zweiundzwanzigste römische Legion ihren Namen. < »Jupiter wurde in dem Culte von Präneste auch noch besonders als Knabe verehrt. Der heiligste Festtag war der 11. April, wo der Fortuna primigenia und dem Jupiter puer von den Orts-

158 behörden geopfert wurde. Dies führt uns auf einen Ton den Eleern verehrten Wunderhuiben hin, der zu Olympia ein gemeinschaftliches Heiligthum mit der Geburtsgöttin Eileithyia hatte. Der Dienst war sehr mysteriös und der Eid bei diesem Genius sehr heilig. Niemand hatte Zutritt zu seinem Altare, als die Priesterin, und auch diese nur mit verhülltem Haupte. Sie nannten ihn Sosipolis, Stadt- oder Staatsretter, und hatten darüber folgende Sage. Sie waren von Feinden bedrängt; da erschien ihren Heerführern ein Weib mit einem Knaben an der Brust und empfahl ihnen denselben zum Mitstreiter. Sie nahmen ihn im Glauben an und siegten. Er wurde als Knabe mit dem Kriegsmantel und dem Hörne der Amalthea abgebildet. Dieses letztere ist bekanntlich ein Bild der Fülle, der Fruchtbarkeit und des Ueberflusses, und als solches auch ein Attribut der Glücksgöttin. Also auch auf diese Weise berührt sich der eleische Cult mit dem von Präneste. Die Eileithyia, die als Mutter dieses Genius galt, heisst auch Eleutho, die Kommende, und erinnert an.Eleusis, wo derselbe Begriff hervorleuchtet. Die Erwartung einer erst zukünftigen Gottheit voll Rettung, Segen, Heil ist auch hier deutlich genug angezeigt. Zugleich aber ist auch das ersichtlich und wird ganz besonders durch diese letzteren Nachrichten bezeugt, wie jene Gottheit in schon vorläufige Wirksamkeit gesetzt wurde; man scheint von dem Glauben an sie und der Andacht zu ihr sogar noch mehr Gutes gehofft zu haben, als von den Göttern der Gegenwart.» »Ein drittes Beispiel der Art ist endlich folgendes. Zu Megalopolis in Arkadien sah noch Pausanias — in der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Chr. — eine Nymphe Nais, welche in ihrem Busen den Zeus als Säugling trug. Auch hier möchte schwerlich der Götterfürst des allgemeinen griechischen Religionssystems, sondern ein ganz anderer, den prophetischen und anticipirenden Mysterienculten angehöriger gemeint gewesen sein.«*) Aus diesem Allem geht hervor, dass ähnliche religiöse Anschauungen zu ähnlichen ThäUgkeitsäusscrungen führten. — Als hervorragende Instanz des dreifachen Parallelismus im Nach-, Neben- und TJebereinander der Sitten und Gebräuche könnte unter anderem auch die Menschenfresserei angeführt werden. — Die Menschenfresserei war nicht nur unter den wilden Völ*) G. Fr. D a u m e r , der Zukunftsidealismus der Vorwelt, 1874, S. 17.

159 kern des Alterthums eine allgemein verbreitete Sitte, sondern ist es noch jetzt bei den Wilden in allen Theilen der Erde. Dr. F r i e d m a n n bezeugt den noch jetzt bei den Battaern an der Westküste Sumatras herrschenden Anthropophagismus und hält denselben überhaupt für einen im wilden Zustande der Menschheit allgemein verbreiteten Brauch. Die Sitte, Menschenopfer darzubringen, leitet er direkt vom Anthropophagismus ab. »Nachdem die meisten Völker den Anthropophagismus abgelegt«, sagt er, »und als unerlaubte grausame Sitte zu halten begannen, hielt sich noch lange Zeit, einige Jahrtausende hindurch, die Gewohnheit, Menschenopfer darzubringen. Denn was man selbst verschmäht, das trauen oft die Menschen noch ihren Göttern zu. Es ist kaum möglich, alle jene Völker und Volksstämme aufzuzählen, welche in früheren Zeiten Menschenopfer ihren Göttern darbrachten. Dass auch die alten Germanen auf solche Weise ihren Göttern huldigten, ist bekannt. Die Normannen opferten selbst noch im 9. Jahrhundert (841) nach Bastian ihrem Gotte Thür Menschenblut (Bastian, Völker Ostasiens, 5 Bd.). Nach Prokopius schlachteten die Tholiten in Skandinavien unaufhörlich allerlei Opfer, besonders Kriegsgefangene. Nach Thietmar von Merseburg wurden zu Lowa in Seeland alle 9 Jahre 99 Menschen, Perde und Hähne geopfert. Auch in Upsala wurden alle 9 Jahre Menschen zur Ehre der Götter getödtet. Bei den alten Hebräern finden sich noch einige Spuren von Menschenopfer.»*) ».. . Der Gebrauch von Menschenopfern, der bei Persern, Griechen, Römern, Aegyptern, Celten, Franken, Gothen bestanden hat, lässt mit einem gewissen Grade von Sicherheit auf Cannibalismus als seine Quelle zurückschliessen. — (J. G. M ü l l e r , Gesch. der amerik. Urrelig., 1855, S. 629 ff.)**) In der im Archiv für Anthropologie (Bd. IV, 3. Vierteljahrsheft für 1870) erschienenen Schrift: » Die Menschenfresserei und das Menschenopfer« hat S c h a a f f h a u s e n die allgemeine Verbreitung dieser schaudererregenden Gebräuche in der Vorzeit sowie auch in der Gegenwart unter den barbarischen Völkerschaften genügend nachgewiesen. — Hier nur einige Angaben: *) Zeitschrift für Ethnologie, III, 1871, 325.

") Waitz, I, 384.

160 Nach Herodot sollen alle gegen Norden wohnende Völker sowie auch die Koletier und die Padäer in Indien Menschenfresser gewesen sein; desgleichen die Massageten am Araxes, die Issedonen und die Scythen. Strabo und Diodor bezeugen dasselbe von den alten Irländern. Ersterer beschuldigt sogar die Gallier und Iberer, bei Belagerungen und anderen Bedrängnissen Menschenfleisch genossen zu haben. Desgleichen in Algier während der Hungersnoth von 1868, unter den Indianern in Nord- und Südamerika, in Afrika, Polynesien und Asien. Liest man den Process der Brinvilliers, aus welchem hervorgeht, dass Kinder geschlachtet wurden, um Liebestränke zu bereiten, so muss man zugeben, dass es an die Menschenfresserei erinnernde Anklänge auch in civilisirten Gesellschaften, ja in den höheren Regionen derselben, gegeben hat. — Nachfolgende, auch unter den Naturvölkern der Gegenwart allgemein verbreitete, Sitten könnten noch als Illustrationen des Parallelismus im Nach-, Neben- und Uebereinander der Gebräuche dienen. — W a i t z bemerkt, dass sich eine lange Reihe von Parallelen zwischen den Sitten der sogenannten Wilden und denen mancher Kulturvölker des Alterthums ziehen lässt ; sie betreffen das Tättowiren, Skalpiren, Aufbewahren der Feindesköpfe als Trophäen, die Weise des Feueranmachens und vieles Andere. — W a i t z verweist dabei auf die Zusammenstellung solcher Analogien bei Lafitau (Moeurs des Sauvages Américains, 1724, II, 257; Carli, Briefe über Amerika, deutsch von Hennig, 1785; Martius, von den Rechtszuständen unter den Ureinwohnern Brasiliens, 1832, S. 11 not.; die Neuseeländer nach d. Engl., Lpz. 1833 not.).*) »Ein Theil der alten Bewohner Europa's tättowirte. — In Afrika zeigen die alten Malereien von Tep in Aegypten, dass der lichtgemalte Menschenschlag, der sich nur in Thierfelle hüllte, Tättowirung hatte. — Die rohen Man im südlichen China und Hinterindien tättowirten sich an der Stirn. Die Chinesen kannten auch im Nordosten Stämme, welche dieser Sitte huldigten, und sie besassen für »tättowirte Leute« einen eigenen Ausdruck: Wentschin. Als Ta'ipe nach Japan kam, fand er die Insel von tättowirten Barbaren bewohnt. — Im Morgenlande ist das Tätto*) Anthropologie der Naturvölker, I, 381.

161 wiren nur bei den Weibern, die ja stets alte Sitten länger bewahren, noch bis zur Gegenwart geblieben. Die Perserinnen lassen sich auf Stirn, Handoberfläche, Brust und Waden stereotype eckige Vögelgestalten und Blumengewinde, um den Nabel einen Veilchenkranz einpunktiren von der Weiberzunft der Halzen, die Geschäfte im Aberglauben machen, Amulettenkram und Fetische besorgen, und in geheimem Wissen bewandert zu sein vorgeben. Die Halzen bedienen sich dazu des Hammers, abgestumpfter Nadelbüschel und verschiedenfarbiger Flüssigkeiten. Die Beduinenmädchen in Syrien lassen sich zuweilen Arm und Gesicht, Lippen und Brüste tattuiren, etwa auf jeden Busen einen Stern, und auf der Mitte der Brust einen Palmbaum. Die Araberinnen und die niederen Weiber in Aegypten lassen sich Stirn, Backen, Kinn punktiren. Auf diese Theile, auch zuweilen auf Lippen, Arm, Brust, Unterleib stechen die Ziegeunerinnen den Mädchen der unteren Stände in Aegypten im Alter von 5—6 Jahren mit zusammengebundenen Nadeln Figuren ein, und reiben in die Wunde Russ oder Indigo. Araberinnen in Kairo haben denselben senkrechten Strich von der Unterlippe über das Kinn herab, welcher an Bewohnern der Nordwestküste Amerika's gesehen wurde. Die Maurinnen im alten Numidien lassen sich mit Nähnadeln Figuren über den Augenbraunen einstechen; in diesem Lande lassen sich auch die Männer über den Armen, über der Handwurzel und in der Magengegend tattuiren.« — »Fast über ganz Amerika war diese Aetzschrift verbreitet, obwohl sie nicht in ausgedehntem Umfange geübt wurde. Die höher entwickelten Peruaner und die Bewohner des Chaco im Argentinischen Gebiet übten und üben sie noch. In Anfängen zeigt sie sich (so scheint es nach unseren Vorlagen vorbehaltlich besserer Kunde) bei südamerikanischen Wilden. Die Guaranis in Brasilien bedienen sich ihrer nur wenig. Bei den Bewohnern der Ostküste Südamerika's ist sie so selten, dass Prinz Maximilian von Neuwied dort nur einmal eine kleine Figur im Gesicht eines jungen Coropo-Indianers erblickte. In Guiana fanden indess Schomburgk und Appun wiederholt Tattuirung. Ausgebildet ist sie bei den nordamerikanischen Jägern, in Virginien, Luisiana, Florida, Canada u. s. w. Die Californier und die mitternächtigen Stämme tattuiren sich nur wenig, auch nicht mit so künstlichen Figuren, manche nördliche Stämme gar nicht, dafür bemalen sie meist ihr Antlitz.« Gedanken Uber die Socialwtasemch&ft der Z u k u n f t . I I .

11

162 »Tattuirung haben die rohesten Afrikaner in den Bergen südlich von Sennaar, die beinahe wie das Vieh dahinleben, und die höher stehenden Bewohner der Sierra-Leonaküste, bei welchen letzteren, falls Winterbottom recht berichtet hat, bei den Weibern noch das Einschneiden, um Narben hervorzubringen, das Mankaverfahren gilt, Tattuirung aber Sitte der Männer geworden ist, die an der Stirn und den Schläfen sich Maale einpunktiren. Im Kaffernlande haben alle Weiber eine tattuirte Haut zwischen den Brüsten und auf den Armen. < »Tattuirung kommt ebensowohl bei den Negerstämmen, die ein so sonniges Land bewohnen, wie bei den Völkern des Nordstrichs vor. Die in den Waldungen herumziehenden Tungusen tattuiren sich, indess nicht mehr alle. Die Tungusen des Amurlandes machen sich nur aus einigen Punkten ein Kreuz auf die Stirn. Die Ostjaken, namentlich die Ostjakinnen, die Grönländer, die Tschuktschen und Aleuten, die Bewohner der Insel Koniak bei Aliaschka und endlich das weibliche Geschlecht der Innuit oder Eskimos haben Tattuirung. An den Ai'nos sah Krusenstern tattuirte Hände, Beechey fand an der amerikanischen Küste sämmtliche Frauen und Mädchen der Eskimos tattuirt, und Back beschreibt tattuirte Frauen, die im änssersten Norden des amerikanischen Binnenlandes lebten. Hall sah da vorzugsweise die Frauen, nur vereinzelt noch Unverheiratliete, auf Stirn, Wangen und Kinn mittelst des Durchnähens gezeichnet. Indess haben keineswegs alle Nordasiaten diesen Brauch. Auch wo er im hohen Norden bestand, musste seinem Umfange die Bekleidung, zu der die scharfe Kälte zwang, Abbruch thun.« — »Die malaiisch-polynesische Race hat gleichfalls Tattuirung. Die Insulaner des stillen Meeres üben sie fast allgemein, jedenfalls auf den meisten Inseln, wo das Manka nicht besteht.«*) — »Ausser den Marianern und den Bewohnern von Nowodo«, sagt W a i t z , * * ) »waren alle Mikronesier tattuirt. Die Bewohner von Palaus waren neben anderen Körperstellen namentlich von den Knöcheln bis in die Mitte der Schenkel und zwar hier mit lauter einzelnen Punkten so sorgfältig tattuirt, dass die Beine dadurch wie mit Hosen bekleidet erschienen. Kadu, der von Wolie stammte, hatte wie es auch auf den Palaus häufig *) Ausland, 1873, S. 50. **) Anthropologie der Naturvölker, V. 2. S. 04.

163 •war, undeutliche Figuren von Fischen und Vögeln, einzeln und in Reihen, an den Enieen, Armen und Schultern, und ein Bewohner von Lukunor trug die ihm bekannten Inseln an seinem Körper etc.< »Am stärksten*) sind die Bewohner der westlichen Karolinen mit diesem Hautschmuck versehen, welcher überhaupt sich immer auf grösseren Strecken des Gebietes gleich bleibt. Auf einzelnen Inseln waren besondere Arten des Tattuirens für einzelne Körpertheile heimisch, welche dann nach diesen Inseln genannt wurden. So auf Wolea ein Muster für die Brust, auf Faraulep und Fais für die Arme, auf Kap für die Beine und man reiste von einer Insel auf die andere, um sich diese eigentümlichen Muster aufzeichnen zu lassen. Im westlichen Mikronesien tragen die Weiber noch eine andere Hautverzierung, welche, wie berichtet wird, den Männern ganz besonders gefällt, nämlich mehrere Reihen kleiner Narben auf Schultern und Armen. < »Zwischen beiden Geschlechtern **) wurde mit diesem Schmuck ein Unterschied gemacht, wie wir schon sahen: streng geschieden waren auf Kusaie die Zeichnungen an Männern und Frauen, die Weiber auf Ratak waren viel schwächer als die Männer, die Bewohnerinnen von Kap fast gar nicht tattuirt, und hiermit stimmt die Notiz Clains bei le Gobien 404 überein, dass die Weiber der nach Samal verschlagenen Karoliner, welche von den westlichen Inseln stammten, gar nicht tattuirt waren, ebenso wenig wie die Kinder. Auch ein Unterschied des Ranges bestand. Wenn auch die Behauptung Aragos, auf den Karolinen hätten alle Häuptlinge gleichen Ranges gleiches Muster der Tattuirung, vielleicht nicht ganz sicher erscheint, so steht es doch für ganz Mikronesien fest, dass die Vornehmen stärker tattuirt waren, als die Männer aus dem Volke. < > . . . . hier genüge***) nur die Bemerkung, dass es nicht bloss Gedächtnisszeichen sind, wenn man auf den Karolinen sich Zeichen für die Vorfahren eintattuirt und dass, wenn Mertens auf seine Frage, wozu eigentlich das Tattuiren sei, von einem Bewohner von Lukunor die Antwort erhielt: >»es hat den *) Ebendas. S. 65. **) Ebendas. S. 60. ***) Ebendas. S. 67.

ii •

164 Zweck-, den eure Kleider haben, nämlich den Weibern zu gefallen« Ebenso war*) es in Nukuhiva. In Tahiti begann man die Operation mit dem achten oder zehnten (Wallis bei Schiller 1, 257 sagt mit dem zwölften) und vollendet war sie etwa bis zum dreissigsten Jahr, auf anderen Inseln aber, wo man den ganzen Körper mit diesem Schmucke bedeckte, wurden oft noch im höheren Alter Zusätze gemacht. Auf Samoa galten die noch nicht Tattuirten für minderjährig und durften nirgend mitsprechen, obwohl man hier erst mit dem 17. Jahre die Operation begann. Sie wurde meist an 6 —12 Jünglingen zugleich unternommen und dauerte 2 — 3 Monate. In Tonga herrschten dieselben Gebräuche. Die Weiber sind meist viel weniger tattuirt als die Männer; Sklaven oder Leute aus dem Volke dürfen eigentlich nicht tattuirt werden, ja wurden auf Neuseeland freie Männer, deren Tattuirung noch nicht vollendet war, im Kriege gefangen und dadurch zu Sklaven, so unterblieb die Fortsetzung der Operation. Auf den Markesas freilich war auch bisweilen das Volk tattuirt, aber niemals so sorgfältig wie die Häuptlinge, ab und zu auch in Neuseeland, wenn dies letztere kein Irrthum ist. Denn wenn z. B. Polack Narr. 1, 386 sagt, dass ebendaselbst auch Sklaven oft schön tattuirt seien, so waren dies gewiss im Kriege erbeutete Sklaven, welche aus früherer Zeit den Schmuck besassen.« >Es ist nach **) alledem auffallend, wenn Cook (1. R. 2, 239) behauptet, dass weder Beschncidung noch Tattuirung in Zusammenhang mit der Religion stehe; sagt er doch selbst, dass es grösste Schande gewesen sei, dieser Operation nicht theilhaftig zu sein. Allerdings ist schon lange die Tattuirung zu etwas anderem geworden, als was sie ursprünglich war. So dient noch jetzt in Mikronesien das Muster der Tattuirung als Kennzeichen der Familie und des Dorfes; und ebenso war es auf den Markesas, auf Mangareva und in Neuseeland, wo man schon lange die Schlangen und Eidechsen aufgegeben und sie in Arabesken aufgelöst hatte, welche jeder Einzelne sich nach seinem Geschmack aufzeichnen liess. So unterschied er sich deutlich von anderen *) Ebendas. VI, S. 30. **) Ebenda?. 8. 38.

165 Stammesgenossen und da sein eigentümliches Muster allen bekannt war, so konnte er dasselbe als seine Chiffre brauchen, wie dies häufig geschah: Contrakte unterzeichnete man so. Von Hawaii hören wir (Ellis zuverlässige Nachrichten von Cooks 3. R., Frankfurt 1783, p. 252), dass Männer und Weiber die Zeichen ihres Bezirkshäuptlings an sich trugen. Alles das sind neue Erfindungen, welche aber sich in späterer Zeit fast mit Nothwendigkeit aus den alten heiligen Grundlagen entwickeln mussten. Von hier aus ist es nur noch ein Schritt zu der Auffassung, nach welcher die englischen Bücher das Tattuzeichen des weissen Mannes heissen, wobei man sich nur über die unnütze Wiederholung desselben Zeichens wunderte. Ferner liegt es nah, dass man die Tattuirung einfach als Gedächtnisszeichen brauchte, wie z. B. Lütke einen Mann erwähnt, der sämmtliche Inseln des Oceans nach ihren Zeichen auf seinem Leibe eintattuirt trug, oder Haie eine Frau aufPonapi, welche alle Vorfahren ihres Mannes sich auf den Arm hatte einzeichnen lassen. Doch könnte letzteres noch religiöse Bedeutung haben.« Dass das Tattuiren auch noch in der civilisirten Gesellschaft stattfindet, beweist der Umstand, dass noch jetzt in Schulen als Ausdruck von Freundschaftsgefühlen und unter halberwachsenen Verliebten als Zeichen der Liebe »bis zum Grabet Nftmen, Zeichen, Buchstaben auf Arme und Brust eingeschnitten oder eingeätzt werden. Dieselbe Sitte soll unter dem Seevolk auch noch in der Gegenwart sehr verbreitet sein. — Oft finden sich Analogien für die sonderbarsten Gebräuche zwischen Völkerschaften, die sonst unter einander nichts Gemeinsames haben. — In Südamerika haben die Guancavilcasv im Gouvernement Guayaquil ihren Namen von der unter ihnen herrschenden Sitte, sich zwei Vorderzähne auszuschlagen, erhalten.*) Dieselbe Sitte herrscht aber auch unter vielen wilden Völkerschaften im Innern Afrikas. So hat auch A. B a s t i a n in seinem Artikel in der Zeitschrift für Ethnologie (1869): »Die Vorstellungen von Wasser und Feuere, die Gleichartigkeit der Gebräuche in Betreff dieser beiden Elemente unter verschiedenen Völkern unumstösslich nachgewiesen. Die Gleichartigkeit der Rechtsverhältnisse auf den verschiedenen Stufen der socialen Entwickelung ist durch die ge•) W a i t z , IV, 383.

166 nauesten Forschungen in Betreff der Völker des Alterthums und der Naturvölker der Gegenwart bereits unwiderleglich festgestellt worden. Ueberbleibsel früherer Sitten, Gebräuche und Rechtsverhältnisse auch in den höher cultivirten Gesellschaften sind unter Anderem auch von T y l o r nachgewiesen und beschrieben worden. — Ist unser Duell nicht ein Ueberbleibsel der Ordalien, des Grottesgerichtes des Mittelalters? Und gehörten die Ordalien etwa allein dem europäischen Mittelalter an? W a i t z fuhrt unter anderen altmalaischen Institutionen bei den Lampongs Folgendes an: »Der Mörder musste . . . . ausser mancherlei Strafgeldern an die Familie des Erschlagenen zwei Menschenköpfe liefern, die zu Füssen desselben begraben wurden, und einen lebendigen Menschen (irauan), mit dessen Blute sich die Verwandten bestreichen zur Sühne, nachdem sie ihn umtanzt und getödtet haben. Verwandtenmord beschädigt nur die eigene Ehre und zieht keine Geldstrafe nach sich. Eide und Ordalien werden bei heiligen alten Gräbern vollzogen, an denen auch Opfer gebracht werden.*) — »Es ist nicht zu verkennen, dass im Charakter der Malaien eine gewisse Ritterlichkeit liegt. In schwierigen Rechtssachen wird bisweilen der Zweikampf auf Tod und Leben von ihnen zur Entscheidung gewählt, dessen Ausgang dann als Gottesurtheil gilt, und wie ein Streit zwischen Einzelnen auf diese Weise geschlichtet wird, so geschieht es auch bei Zwist unter ganzen Stämmen, dass man nur wenige Auserwählte um die Sache mit einander kämpfen lässt. Prof. B a s t i a n bezeugt die in Afrika weit verbreiteten Entsagungsgelübde, die unter besonderen Ceremonien abgelegt und streng befolgt werden.***) Und die Strafen, die in der Gegenwart der Staat vollzieht, werden sie nicht verhängt in Folge der allmäligen, in der Geschichte des Rechtes Schritt vor Schritt nachzuweisenden Entwickelung des Rechtes der persönlichen Rache, welche vom Indi*) Waitz, V, I, 149. **) Waitz, V, 1, 161. *•*) Ausland.. 1873, 396.

167 viduum auf die Familie und von dieser auf das Geschlecht, den Stamm und endlich auf den Staat übergegangen ist? Die Blutrache als roheste Ausdrucksform des socialen Rechtsgefuhls; das Wehrgeld zur Stihnung begangener Verbrechen durch Zahlung einer Entschädigung an die Verwandten des Verwundeten oder Getödteten als nächste Stufe der Entwickelung des Rechtssinnes, wobei in beiden Fällen die solidarische Haft der Familienglieder, der Gemeinde, des Geschlechts oder Clan's hinsichtlich begangener Verbrechen oder in Bezug auf die Entrichtung eines Schadenersatzes in den Vordergrund tritt, — eine solidarische Verbindlichkeit, die später auf einer höheren Stufe der socialen Entwickelung als Garantie des Staates für die Unversehrtheit des Staatsterritoriums und für die persönliche Sicherheit der Staatsbürger oder Unterthanen den anderen socialen Gemeinschaften oder Staaten gegenüber ihren Ausdruck findet; endlich die Gleichartigkeit der Rechtspflege überhaupt auf den entsprechenden Stufen der socialen Entwickelung, in den entlegensten Theilen der Erde und zu verschiedenen Zeiten — Alles das sind von der Wissenschaft bereits festgestellte Erscheinungen, welche auf die Gleichartigkeit und stufenweise Entwickelung der Rechtsverhältnisse unter den verschiedensten Völkern der Vergangenheit und Gegenwart hinweisen. — Das durch das Gesetz in besonderen Fällen sogar in hochcultivirten Gesammtheiten noch zuerkannte Recht der Selbsthülfe und Selbstvertheidigung; das ganzen Familien und Geschlechtern eigene gemeinsame Ehrgefühl und die gegenseitige moralische Verantwortlichkeit der Stände und Corporationen; die in China und Japan jetzt noch stattfindenden Hinrichtungen ganzer Familien für die Vergehen und Verbrechen einzelner Mitglieder derselben — Alles das sind, nach dem Ausdruck T y l o r ' s , Ueberbleibsel früherer socialer Zustände, die im Uebereinander der höher gesitteten Gesammtheiten das Nach- und Nebeneinander der Naturvölker der Vergangenheit und Gegenwart in einzelnen Fällen oder ähnlichen Formen reproduciren. — Auch in Betreff der Lebensweise gleichen einander bei ähnlichen Verhältnissen fast alle rohen Völker. Liest man Berichte über die Seeräuberei im Malaischen Archipel, so glaubt man Erzählungen aus der Normannenzeit zu hören.

168 >Da die Piraterie nach malaiischen Begriffen ein ehrenvolles Geschäft ist, das von jungen Fürsten und Adeligen betrieben, in den Romanen und historischen Traditionen gefeiert und dem selbst gewinnreicheren Handel als die »noblere Passion« vorgezogen wird (Raffles 1, 232, Brooke bei Keppel I, 195), kann man sich nicht wundern, dass sie als ein vollkommen regelmässiges Geschäft behandelt wird, das man in bestimmten Zeiten und in bestimmten Formen vornimmt: der Seeräuber hat an den Eigent ü m e r und Ausrüster des Schiffes 2,3 der Beute und ebenso an den Fürsten des Landes und an einzelne Beamte bestimmte Abgaben zu entrichten (Angelbeck a. a. 0 . 56). Ein kleiner Fürst, der sich durch das Spiel ruinirt hat oder seine Vermögensumstände verbessern will, sammelt eine Schaar von Genossen um sich und segelt mit ihnen nach einem versteckten Platz, wo er ein Dorf anlegt, das zur Niederlage für geraubte Menschen und Güter dienen könue. Sind die Räuber glücklich, so vermehrt sich die Bande und das Dorf vergrössert sich; die Flotte wird alsdann in einzelne Schwadronen abgetheilt, die je nach dem Zwecke, den man vor Augen hat, aus 3 bis 20 Prauwen bestehen, jede zu 15 bis 40 Mann. Die geraubten Fahrzeuge werden verbraunt, die Güter und Sklaven verkauft (W. Eearl. a, 384). Nach Räuberart greifen sie nur an, wo sie des Sieges gewiss sind; in äusserster Noth ermorden sie bisweilen selbst ihre Weiber und Kinder und kämpfen bis zum Tode (Boudyck, 134). — *) Dieser flüchtige Ueberblick würde genügen, um in dem Leser die Ueberzeugung hervorzurufen, dass das allgemeine Gesetz der Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander auch in Betreff der Sitten, Gebräuche, Rechtsverhältnisse, also aller Thätigkeitsäusserungen des Menschen, vollständige Gültigkeit hat, und dass dieser Parallelismus seinerseits wiederum mit demjenigen der Entwickelung der Zellen und Zellengewebe eines Theils und mit der socialen Zwischenzellensubstanz andern Theils im Grossen und Ganzen im Einklänge steht und demnach als ein neuer Beleg für die reale Analogie zwischen den Einzelorganismen der Natur und der menschlichen Gesellschaft gelten muss. — *) W a i t z , V, I. Heft, S. 137 u. 138.

169

YHI. Die Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander in Betreff organischer und socialer Gemeinschaften. Die Zelle stellt nur auf der niedrigsten Stufe der organischen Entwickelung einzeln da. Ein jeder Organismus, der sich über das Protoplasma und die Monere erhebt, besteht aus Zellengemeinschaften und je höher die Entwicklungsstufe, desto zahlreicher und mannigfaltiger sind die Zellengemeinschaften. Im socialen Organismus besteht die ursprünglichste aller Gemeinschaften aus der Familie, ohne welche eine Gesellschaft überhaupt nicht denkbar ist. — Die Differenzirung der Geschlechter in der Person des Mannes und des Weibes ist durch eine höhere Stufe der organischen Entwickelung bedingt und da die Zeugung und Vermehrung des Menschengeschlechts nur unter dieser Bedingung stattfinden kann, so muss eine jede sociale Gemeinschaft auf die Familie zurückgeführt werden. — Da die den natürlichen Einzelorganismus bildenden Zellen in Folge ihrer niederen Entwickelungsstufe sich noch durch Theilung vermehren und eine Divergenz der Geschlechter bei ihnen noch nicht stattfindet, so genügt zur Bildung des Einzelorganismus eine einfache Vereinigung von geschlechtslosen Zellen. Die Zellenfamilien in den natürlichen Einzelorganismen sind also Zellenvereine, die sich noch nicht in verschiedene Geschlechter difFerenzirt haben. In dieser Hinsicht ist aber der Unterschied auch nur ein relativer. Die menschliche Familie kann nur als eine grössere Differenzirung dessen angesehen werden, was als Anlage auch in jeder Einzelzelle vorhanden sein muss. — Aus der Familie entsteht durch allmälige Ausdehnung derselben ein Geschlecht, aus dem Geschlechte ein Stamm, ein Volk, eine Race. Die Vermehrung, die im Einzelorganismus durch Theilung der geschlechtslosen Zellen vor sich geht, entspringt in der menschlichen Gesellschaft aus der Familie. — Mit Recht ist daher die Familie zu jeder Zeit als der Ausgangspunkt, als die ursprüngliche Quelle und der Boden, dem das sociale Leben ent-

170 sprossen ist, anerkannt worden. — Die Familie bildet also den Ansgar gspunkt eines auf Blutsverwandtschaft gegründeten Nach-, Neben- und Uebereinander, durch welches die Entwickelung des socialen und des organischen Lebens überhaupt bedingt wird. — Die Beziehungen der Eltern zu einander und zu den Kindern, des Familienhauptes zu den jüngeren Familiengliedern, des Patriarchen, des Stammvaters zu den Stammesgenossen etc., alle diese Beziehungen entspringen direct oder indirect aus dem Familienverbande oder der Vereinigung mehrerer Familien. — Eine aus Blutsverwandtschaft entstandene Gemeinschaft ist die naturwüchsigste von allen übrigen. Ihr Nach-, Neben- und Uebereinander entspricht auch am handgreiflichsten und augenscheinlichsten dem Gesetze des dreifachen Parallelismus in der organischen Natur, nur dass in der menschlichen Gesellschaft die Blutsverwandtschaft sich als eine bewusste Einigung durch eine grössere Zahl von Generationen und durch weitere Verzweigung erhält und ausbreitet. — Aber unabhängig von der Blutsverwandtschaft ist auch eine Vereinigung von Menschen zu einem Ganzen möglich in Folge gemeinschaftlicher materieller Interessen oder geistiger Strebungen, Bedürfnisse, Anschauungen. — G o e t h e macht in einem seiner Gespräche mit E c k e r m a n n folgenden Ausspruch:*) »Grosse Geheimnisse liegen noch verborgen, manches weiss ich, von Vielem habe ich eine Ahnung. Etwas will ich Ihnen vertrauen und mich wunderlich dabei ausdrücken. Die Pflanze geht von Knoten zu Knoten und schliesst zuletzt ab mit der Blüthe und dem Samen. In der Thierwelt ist es nicht anders. Die Raupe, der Bandwurm geht von Knoten zu Knoten und bildet zuletzt einen Kopf; bei den höher stehenden Thieren und Menschen sind es die Wirbelknochen, die sich anfügen und anfügen und mit dem Kopfe abschliessen, in welchem sich die Kräfte concentriren. Was so bei Einzelnen geschieht, geschieht auch bei ganzen Corporationen. Die Bienen, auch eine Reihe von Einzelheiten, die sich aneinander schliessen, bringen als Gesammtheit etwas hervor, das auch den Schluss macht und als Kopf des Ganzen anzusehen ist, die Bienenkönigin. Wie dieses geschieht, ist geheimnissvoll, schwer auszusprechen; aber ich könnte sagen, dass ich darüber *) E c k e r m a n n ' s Gespräche mit G o e t h e , II, 65.

171 meine Gedanken habe. So bringt ein Volk ßeine Helden hervor, die gleich Halbgöttern zu Schutz und Heil an der Spitze stehen.« — Wie lassen sich nun diese Gedanken des grossen naturwissenschaftlichen Hellsehers erklären? H a e c k e l bezeichnet in seiner »Generellen Morphologie« die Pflanze als eine Gesammtheit von übereinander stehenden Kategorien oder Ordnungen von Zellengemeinschaften, »von denen jede einzelne eine Vielheit von der darauf folgenden untergeordneten Einheit repräsentirt.« *) An den höher entwickelten Pflanzen unterscheidet H a e c k e l , von den niederen zu den höheren Stufen aufsteigend, folgende sechs Ordnungen: 1. die Zelle (Cellula), 2. das Organ (Blattorgan und Axorgan), 3. das Gegenstück oder Antimer, 4. das Stengelglied oder Folgestück (Metamer), 5. den Spross (Gemna), 6. den Stock (Cormus).**) H a e c k e l ist der Meinung, dass allein diese Theorie von der relativen Individualität im Stande ist, die Tektologie (Individualitätslehre der Pflanzen) zu erklären und zu einer scharfen Begriffsbestimmung des pflanzlichen Individuums zu verhelfen, und fugt hinzu: »Wir müssen, wie es von Decandolle, S c h l e i d e n , N a e g e l i und Anderen schon als nothwendig anerkannt ist, verschiedene subordinirte Kategorieen von pflanzlichen Individuen unterscheiden, von denen jede höhere als Einheit einen Complex von mehreren Einzelwesen niederer Stufe, jede niedere als Einheit einen Bestandtheil eines Einzelwesens höherer Stufe repräsentirt.« ***) H a e c k e l wendet die Theorie der relativen Individualität gleichfalls auf die Thiere an und unterscheidet, wie bei den Pflanzen, sechs übereinander geschichtete Ordnungen, von denen die höheren alle niederen als untergeordnete Kategorien enthalten, namentlich 1. die Zelle, 2. das Organ (Rumpf-Organe und Extremitäten-Organe), 3. das Gegenstück oder Antimer, 4. das Rumpfglied (Segment) oder Folgestück (Metamer), 5. die Person (dem pflanzlichen Spross entsprechend), 6. den Stock (Cormus). j-) Und nun hebt H a e c k e 1 die Wichtigkeit der Erwägung hervor, dass »alle Organismen ohne Ausnahme, welche als ausgebildete, reife Lebenseinheiten, durch morphologische Individuen höherer *) **) **•) t)

Generelle Morphologie, I, 250. Seite 251. Ebendaselbst, Generelle Morphologie, I, 265.

172 Ordnung repräsentirt werden, ursprünglich nur der niedersten Ordnung angehören und sich zu den höheren Stufen nur dadurch -erheben können, dass sie die niederen alle oder grösstentheils durchlaufen. Der Mensch z. B. und ebenso jedes andere Wirbelthier, ist als Ei ursprünglich ein Form-Individuum erster Ordnung. Es erreicht die zweite Stufe, indem aus der Eifurchung ein Zellenhaufen hervorgeht, der den morphologischen Werth eines Organs besitzt. Mit der Ausbildung der Embryonalanlage und mit dem Auftreten des Primitivstreifes (der Axenzplatte) scheidet es sich in zwei Individuen dritter Ordnung oder Antimeren. Mit dem Hervorknospen der Urwirbel beginnt die Gliederung des Rumpfes, der Zerfall in Metameren und mit deren Differenzirung ist die Ausbildung der Person, des Form-Individuums fünfter Ordnung, vollendet, welches nun' als physiologisches Individuum persistirt. >dass Tai-wanga, ein neuseeländischer Häuptling, wie ein Kind geweint habe, weil ihm die Matrosen seinen besten Mantel mit Mehl bestäubt hatten.«« >>Es ist nicht auffallend««, sagt Cook, >>dass die Sorgen dieser Naturmenschen rasch verfliegen und dass ihre Leidenschaften sich plötzlich und gewaltsam äussern. Es ist ihnen nie gelehrt worden, ihre Empfindungen zu verhüllen oder zu unterdrücken, und da sie keine Denkweise haben, die ihnen beständig die Vergangenheit zurückruft und sie die Zukunft ahnen lässt, so werden sie auch durch jeden Wechsel der dahineilenden Stunde berührt und reflektiren die Farbe der Zeit, so oft sie sich auch verändern mag. Sie haben keinen Plan, den sie von einem Tage zum andern verfolgen; kein Entwurf voll unablässiger Sorge und Angst erhebt sich schon mit dem anbrechenden Morgen in ihrem Geiste, um endlich mit dem Schlaf in später Nacht zur Ruhe zu kommen. Und trotzdem, — sobald wir zugeben, dass sie im Ganzen glücklicher sind als wir, so müssen wir auch zugeben, dass ein Kind glücklicher ist als ein Mann, und dass wir durch die Vervollkommnung unserer Natur, die Vermehrung unserer Kenntnisse und die Erweiterung unserer Anschauungen eine Einbusse erleiden.« »Wir kennen die Mühe, die den Kindern (las Nachsprechen gewisser Laute bereitet. So verwechseln sie namentlich oft L und R. Dasselbe ist auch bei den Sandwich-Insulanern und nach F r e y e i n e t auch bei den Bewohnern der Ladronen der Fall, und gilt auch von den Vanikoros, den Dammas und den Freundschafts-Insulanern. D a r w i n machte die Beobachtung, dass die Feuerländer nicht gut eine Alternative begreifen können, und auffallend ist die Neigung der Wilden, die Worte durch gleichlautende Doppelsilben zu bilden. Bei den Kulturvölkern haben die Kinder dieselbe Eigenthümlichkeit.« »Ferner dürfen wir die meisten Rohheiten, die uns berichtet werden, nicht für absichtliche Grausamkeiten, sondern vielmehr für die Aeusserungen einer kindlichen Gedankenlosigkeit und Erregung halten. Ein auffallendes Beispiel hiervon erzählt uns B y r o n in seiner >Narrative of the Loss of tlie Weigere >>Ein Cazike, der dem Namen nach ein Christ war, kehrte mit seiner Frau vom Seeigelfang heim. Er hatte wenig Erfolg gehabt und war schlechter Laune. Einer seiner kleinen Knaben,

202 ein Kind von drei Jahren, das er zärtlich zu lieben schien, wartete am Strande auf seine Eltern und lief ihnen entgegen. Der Vater gab dem Kinde einen Korb mit Seeigeln, den es jedoch nicht zu heben vermochte, worauf der Vater aus dem Canoe sprang, das Kind emporhob und es mit aller Gewalt gegen die Steine schmetterte. Das arme kleine Ding lag regungslos und blutend am Boden und ward in diesem Zustande von der Mutter aufgehoben, starb aber bald darauf. Im Lande der Ibus giebt es keine grösseren Staaten, sondern fast jede Stadt hat ihren eigenen Herrn.« Bei den M'Pongwes (Pongos) giebt es drei Stände, > die sich streng von einander scheiden und die bestehenden Rangunterschiede eifersüchtig aufrecht halten: Adel, freie Arbeiter und Sklaven. Jedes ihrer Dörfer steht für sich allein unter einem Häuptling. < > In Congo wählen die drei vornehmsten Grossen des Reiches den Herrscher, doch muss dieser der königlichen Familie durch die Geburt angehören; die Aemter bleiben meist bei denselben Familien, sind jedoch ebenfalls nicht eigentlich erblich, sondern werden vom Könige verliehen. Nach Andern wäre Congo dagegen kein Wahlreich, sondern eine erbliche und absolute Monarchie von feudalem Charakter: sowohl der König als auch die Prinzen von Geblüte haben ihre Vasallen, die, so gross ihr Grundbesitz auch ist, doch ganz in der Hand ihres Lehnsherrn stehen, so dass sie von diesem sogar verkauft werden dürfen. — In Ambriz wird der König von je 5 zu 5 Jahren neu gewählt,**) — bei den Gallas auf 7 und 8 Jahre. Die Damara (eine Völkerschaft der grossen südafrikanischen Familie) sind in Kasten eingetheilt, deren jede ihre besonderen Gebräuche und ihren besonderen Aberglauben hat. Namentlich sind es die Speiseverbote, die sich nach der Ejanda (Abstammung von der Sonne, dem Regen u. s. w.) richten, und "diese letztere wird durch die Mutter vererbt, welche überhaupt bei ihnen eine ebenso hochgeachtete Stellung einzunehmen scheint wie bei den Negern, denn sie schwören »»bei den Thränen ihrer Mutter«Er entwickelt in seinem principio dcl diritto einen Vorläufer der Scicnza miova, wie die Staatsformen sich dem Charakter der Nationen anschmiegen, wie die weichlichen Asiaten dem Despotismus verfallen, wie die Staatsformen bei den starken und scharfsinnigen Griechen sich auf Gesetze und Demokratie gründen, wie die. starken, aber nicht so freien Römer länger unter der ursprünglichen Aristokratie bleiben. < »Jede Form der Regierung könnte nach V i c o das Wohlbefinden und Glück einer Nation befördern, wenn die Sittenverderbniss (corrnzione) sich nicht einstellte.«*) Das sind die wichtigen Schlüsse, zu welchen die Socialwissenschaft auf dem Wege der von uns angenommenen real vergleichenden Methode gelangen muss, Schlüsse, die auf jeden vorurtheilsfreien Geist ihre Wirkung nicht versagen können. — Die Wirkung auf weitere Kreise kann nur das Resultat einer höheren Bildungsstufe überhaupt und einer weiteren Verbreitung unverfälschter, dem Boden des Realen entsprossener socialwissenschaftlicher Kenntnisse sein. Und dass dieses Resultat, wenn auch vielleicht erst nach geraumer Zeit und nach schweren Kämpfen, erlangt werden wird, dafür bürgt uns das immer weitere und raschere VorBchreiten der modernen Kultur. — *) Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, herausg. von L a z a r u s und S t c i n t h a l , VI. Band, 1869, S. 451.

Gedwken über die Socialwiasenschaft der Zukunft. II.

15

226

X.

Das sociale Hemmungs- und Rückbildungsgesetz. Im ersten Kapitel dieses Theiles (S. 4 ) haben wir bereits die Worte K ö l l i k e r ' s angeführt, dass das Schicksal der Zellen, aus welchen ein jeder Naturorganismus gebildet wird, ein sehr verschiedenartiges ist. Der grösste Theil der Zellen »bleibt nur kurze Zeit im ursprünglichen Zustande bestehen und verschmilzt später- mit anderen Zellen zur Bildung der höheren Elementartheile. < »Ein anderer Theil geht zwar keine solchen Verbindungen ein, ändert jedoch mehr oder weniger seine frühere Natur und bildet höher organisirte Formen. Viele Zellen endlich machen nie Metamorphosen durch, bleiben vielmehr als Zellen bestehen, bis sie früher oder später, oft erst mit dem Untergange des Organismus, zufällig oder typisch vergehen.« — Dieses giebt uns ein annäherndes Bild von Lebensbewegungen und Entwickelungsvorgängen, wie solche auch in jeder socialen Gemeinschaft wahrzunehmen sind. Nach unserer Auffassung unterliegt der Einzelne im socialen Organismus nicht einfach den Gesetzen der Züchtung, des Kampfes um's Dasein, der Anpassung, Vererbung und Divergenz, wie die Individuen irgend einer Thierspecies, sondern den Gesetzen der Entwickelung der Zelle im Einzelorganismus. Hätten wir einfach die Resultate der neuen Errungenschaften der Naturkunde und speciell die Descendenztheorie auf den Menschen, als selbstständiges Individuum einer nur höheren Species, angewandt, so würde unsere Anschauung nichts Neues bieten. Denn das ist bereits von zahlreichen Forschern in Deutschland und in England, besonders von S p e n c e r und B a g e h o t , unternommen worden. — Von unserem Standpunkte aus erscheint der Mensch nur als Theil eines höheren Ganzen, als Zelle des socialen Organismus. Dieser Standpunkt ist ein wesentlich verschiedener. Der Begriff eines realen socialen Nervensystems, der direkten und indirekten Nervenreflexe, welche in der socialen Sphäre vor sich gehen, der realen Analogie zwischen der ökonomischen, rechtlichen und politischen Sphäre der menschlichen Gesellschaft einerseits und der

227 physiologischen, morphologischen und teleologischen (einheitlichen) Sphäre der Einzelorganismen in der Natur andererseits; endlich die ganze sociale Embryologie, als Fortsetzung der natürlichen, sind mit dieser Anschauung unauflöslich verknüpft und in derselben begründet. Durch diese Auffassung erhalten alle Begriffe, denen bis jetzt der reale Boden mangelte: Freiheit, Recht, Macht, Moral etc. eine reale Unterlage. — Die Richtigkeit unserer Auffassung und ihr wesentlicher Unterschied von jener allgemein angenommenen, nach welcher einfach die Gesetze der Züchtung, des Kampfes um's Dasein etc. auf den Menschen, als selbstständiges Individuum einer Species, angewandt werden müssen, ergeben sich aber klar und deutlich, sobald wir die Entwickelung des Menschen vom embryologischen Standpunkte aus betrachten. Würde er sich einfach als selbstständiges Individuum einer Species entwickeln, so müssten die höheren Nervenorgane (und was wir unter diesem Ausdrucke verstehen, ist schon früher erläutert worden) aller Individuen einander sehr ähnlich sein und ohngefähr eine gleiche Stufe der Entwickelung erreichen, auf jeden Fall müsste aber die Divergenz in den geistigen und ethischen Fähigkeiten sowie die Erreichung verschiedener Entwickelungsstufen hauptsächlich nur durch das umgebende physische Medium bedingt werden. — Dem ist jedoch nicht so. Eine jede sociale Gesammtheit und vorzugsweise die höher entwickelten Gemeinschaften stellen eine sehr grosse Mannigfaltigkeit in der Specialisation und in der Höhenstufe der Entwickelung der höheren Nervenorgane dar, gleich den Zellen, aus welchen die Einzelorganismen in der Natur gebildet werden. — Und woher? — Eben weil der Mensch selbst nur eine Zelle eines höheren Organismus bildet. Wenn nun aber das Individuum die vollständig reale Bedeutung einer Zelle inmitten eines Organismus hat, so unterliegt ein jeder Mensch, als Mitglied der Gesellschaft, nicht nur dem Gesetze der Divergenz, sondern auch demjenigen der Hemmung in der individuellen Entwickelung, in Folge der Unterordnung des Niederen unter das Höhere, des Schwächeren unter das Stärkere, des in ungünstigeren Lebensverhältnissen sich Bewegenden unter das Bevorzugte. In Folge dessen kann das allgemeine Gesetz, dass ein jeder Mensch alle Stufen der Entwickelung real durchläuft, nur unter der Voraussetzung als vollständig wahr anerkannt werden, dass alle Individuen in der Entwickelung 15»

228 gleichen Schritt halten. In Wirklichkeit bleiben jedoch, in Folge der Hemmungskräfte, einzelne Individuen und ganze Schichten der Gesellschaft auf niederen Stufen stehen, gleich den einzelnen Zellen und Zellengeweben in den Naturorganismen. Dieser Hemmungsprocess führt eine ganze Reihe von Erscheinungen nach sich, welche man kataplastische nennt und die wir in diesem Kapitel auseinandersetzen werden. — Die Geschichte, die Anthropologie und die Statistik bieten uns auf jeden Schritt zahlreiche Beispiele, welche das Hemmungsgesetz der socialen Embryologie klar an den Tag legen. Auch in dieser Hinsicht stimmt das Nach-, Neben- und Uebereinander vollständig überein. Das Ebenbild des Urmenschen spiegelt sich noch jetzt ab in dem Wilden der gegenwärtigen Naturvölker und in dem verwilderten Mitgliede der civilisirten Gesellschaft. Zwischen diesen und dem hoch entwickelten Kulturmenschen giebt es unzählige Zwischenstufen der geistigen, ethischen, ökonomischen, juridischen und politischen Entwickelung, welche als Belege der stärkeren und schwächeren Wirkung des socialen Hemmungsprocesses dienen können, gleichwie dasselbe in jedem Einzelorganismus durch Hemmung der Entwickelung einzelner Zellen und ganzer Gewebe bewirkt wird. Es versteht sich von selbst, dass hierbei auch das Divergenzgesetz seinen Einfluss durch Specialisirung der Entwickelung nach einer bestimmten Richtung hin beständig an den Tag legt. — Dabei können zwei Fälle eintreten: Es kann in der Entwickelung des Individuums entweder eine einfache Hemmung, oder eine Rückbildung oder Kataplase stattfinden. — Selbstverständlich ist hier nur von denjenigen Hemmungen und Rückbildungen die Rede, welche von der socialen Organisation einer Gesellschaft bedingt werden. Denn der Mensch, als einfach physischer Organismus, unterliegt der Kataplase gleich allen organischen Individuen. Dieses tritt ganz besonders bei den sogenannten Mikrocephalen oder Kleinköpfen zum Vorschein. »Unter Mikrocephalie oder Kleinköpfigkeit*) versteht man jene Form von Blödsinn, die durch mangelhafte Entwickelung des Nervensystems während des Fötoilzustandcs bedingt ist, so dass das Kind schon mit einem bedeutend kleineren und in seiner Form veränderten Gehirn geboren wird, und zwar steht das Ge*) „Wissenschaft" ( 3 n a n i e ) .

1872, No. 11, i>. 172.

229 hirn an Volumen und Gewicht unter dem Minimum, zu welchem das menschliche Gehirn ohne bedeutende Unterdrückung seiner Funktionen, namentlich der geistigen, herabsinken kann. Die Mikrocephalie ist stets angeboren und unterscheidet sich dadurch wesentlich von anderen nach der Geburt durch pathologische Veränderungen des Gehirns entstandenen Formen des Blödsinns.« »Das Gehirn der Mikrocephalen oder Affenmenschen, unter welchen Namen man dieselben oft beschrieben hat, charakterisirt sich durch geringe Entwickelung der Scheitel- und Stirnlappen, während die Schläfenlappen meist stark ausgebildet sind; durch mangelhafte Entwickelung der Stirnwindungen, in deren hinteren die Fähigkeit zur Kombination von Lauten zu Worten und Sätzen ihren Sitz haben soll; durch besondere Form der Sylvischen Gruben, die an die Form derselben bei Kindern und Affen erinnert; durch die Gestaltung des vorderen Endes der Hemisphären in Form eines Vogelschnabels und endlich durch starke Vereinfachung der Schichtung der Hemisphären. Das Volumen ihres Gehirns schwankt zwischen 272 bis 622 Kubikcentimeter, während das Gehirn des Gorilla im Maximum 500, des erwachsenen Menschen 1350—1450 Kubikcentimeter fasst.« V o g t in seiner von der Pariser anthropologischen Gesellschaft mit dem Godard'schen Preise gekrönten Schrift: >>Ueber die Mikrocephalen oder Affenmenschen« < führt 42 in der Literatur bekannte Fälle auf, wozu noch eine eigene Beobachtung an einem lebenden Mädchen kommt. An 9 Schädeln und Gehirnen hat er genaue Messungen nach Abdrücken der innern Oberfläche des Schädels angestellt. V o g t gelangte nun zu der Ueberzeugung, dass sowohl Schädel als grosses Gehirn nach dem Typus der am höchsten stehenden Affen gebildet sind und bei der Klassificirung in der Mitte zwischen Orang-Outang und Gorilla stehen, und spricht sich in Berücksichtigung der geringen geistigen Entwickelung dahin aus, dass wir bei der Mikrocephalie es mit einer besonderen ,Form der Erblichkeit, dem Atavismus, zu thun haben, d. i. jene Erblichkeit, bei der im Individuum sich nicht die Kennzeichen der Eltern, sondern eines der Glieder der aufsteigenden Generationslinie wiederholen. Die Aehnlichkeit kann dabei eine vollständige oder nur partielle, nur in einzelnen Organen oder Körpertheilen hervortretende sein. Der Atavismus kann nach unbestimmten Zeiträumen oder nach einer unbestimmten Zahl unter

230 einander ähnlicher Generationen erscheinen. So z. B. kehrt er bei der Blattlaus nach 15 Generationen wieder. Es kamen aber auch Fälle vor, in denen das Individuum Kennzeichen schon von der Erde verschwundener, nur durch historische Ueberreste bekannter Vorfahren besitzt, wie z. B. der Atavismus der Füsse des untergegangenen Hypparion bei jetzt lebenden Pferden; Diese Thatsache im Auge und gestützt auf das bekannte Gesetz der Embryologie, dem zufolge jeder Organismus in seiner embryonalen oder individuellen Entwickelung alle die Formen durchläuft, die ihm in seiner paläontologischen oder historischen Entwickelung vorhergingen, behauptet V o g t : der Mikrocephalismus sei ein partieller Atavismus, das Gehini des menschlichen Fötus, nachdem es einen bestimmten Grad der Entwickelung erreicht, gehe nicht weiter auf dem gewöhnlichen Wege, sondern entwickele sich in einer anderen Richtung, und zwar nach dem Typus der Alfen und erreiche nur die bei diesen stattfindende Ausbildung. Die Kleinköpfe seien mithin ihrem Schädel und Gehirn nach eine von den früheren Entwickelungsstufen des Menschengeschlechts und zeigen uns die Richtung, in welcher der gemeinschaftliche Stammvater der höheren Glieder des Thierreichs, d. i. des Menschen und der menschenähnlichen Affen zu suchen sei.*) B ü c h n e r sagt darüber Folgendes: »Eine von der sardinisclien Regierung zu diesem Zwecke ernannte Commission stattete einen sehr genauen und ausführlichen Bericht über die Cretinen a b , welcher ergab, dass bei allen Cretinen eine fehlerhafte Bildung der Hirnschale und mangel- oder fehlerhafte EntwicJcelung des Gehirns vorhanden ist. Dr. K n o l z beobachtete, dass die Cretinen bis in ihr höchstes Alter Kinder bleiben und Alles thun, was Kinder zu thun pflegen. > »Indem ich die hervorstechendsten Züge der Entwickelung der Cretinen im Einzelnen studirte««, sagt B a i l l a r g e r , »»fand ich etc., dass die allgemeinen Formen des Körpers und der Glieder fortfuhren, diejenigen von sehr jungen Kindern zu sein, dass es sich ebenso verhielt bezüglich der Gelüste und Neigungen, welche diejenigen der Kindheit sind und bleiben.und Sie werden es in Ihrem Leben vielfach bestätigt finden. Alle im Rückschreiten und in der Auflösung begriffenen Epochen sind subjektiv, dagegen aber haben alle fortschreitenden Epochen eine objektive Richtung. Unsere ganze jetzige Zeit ist eine rückschreitende, denn sie ist eine subjektive. Dieses sehen Sie nicht blos an der Poesie, sondern auch an der Malerei und vielen andern. Jedes tüchtige Bestreben dagegen wendet sich aus dem Innern hinaus auf die Welt, wie Sie an allen grossen Epochen sehen, die wirklich im Streben und Fortschreiten begriffen und alle objektiver Natur waren.«*) G ö t h e hatte insofern Recht, als eine jede Thätigkeitsäusserung irgend welcher, sowohl physischer als auch geistiger, Kraft überhaupt nur durch Wirkung nach aussen hin möglich ist und dass ein Insichkehren der Kraft eine nur innere Spannung zur Folge hat, welche sich nach aussen nicht ausprägt. — Damit jedoch eine höhere Energie nach aussen überhaupt ermöglicht werde, ist vorläufig ein inneres Sammeln der Kraft nöthig. Die subjektiven Epochen in der Geschichte entsprechen also dem Integrationsprocess der Kräfte in der Natur; die objektiven — der Ausprägung nach aussen in differenzirten Formen der durch die Integration höher potenzirten Kräfte. Die subjektiven Epochen sind also reich an innerem Leben, die objektiven zeichnen sich durch die Reichhaltigkeit der äusseren Erscheinungen aus. Doch allmälig erschöpft sich die innere Quelle; die Mannigfaltigkeit der Formen, die Veräusserlichung der Lebenskraft artet in Seichtigkeit, Haltlosigkeit, in Schwäche aus. Es tritt eine Reaktion ein. Die Kräfte streben wieder nach Yerinnerlichung und so tritt nach einer an äusserem Glanz und an Mannigfaltigkeit der Formen reichen Periode eine stillere, an äusseren Begebenheiten *) Gtspräche mit Göthe, von J. F. Eck ermann, I. Tlieil, S. 167.

315 und Resultaten ärmere Periode ein, in welcher sich die geistig» und ethische, sowie auch die physische Kraft wiederum innerlich höher potenzirt, bis sie wieder die engen subjektiven Schranken durchbrechend sich nach aussen kund thut. Zieht man dabei in. Betracht, dass bei jeder derartigen Aktion und Reaktion sowohl die physischen, als auch die socialen Kräfte immer irgend welche neue Richtung einschlagen, dass bei fortschreitender Entwicklung die Wechselwirkung eine sich höher potenzirende nach innen, und eine immer mehr differenzirende nach aussen ist, bei rückschreitender Entwickelung dagegen ein Herabsetzen der Potenzirung nach innen und eine geringere Differenzirung nach aussen zur Folge hat, so wird man auf diesem Wege die ganze Entwickelung jedes einzelnen Menschen, jeder socialen Gesammtheit und der ganzen Menschheit in allen Sphären: der religiösen, intellektuellen, ethischen, industriellen, rechtlichen, politischen Schritt vor Schritt verfolgen und erklären können. Und diese Erklärung wird einerseits auf analoge Erscheinungen, die in jedem Einzelorganismus der Natur vor sich gehen, sich stützen könen, andererseits aber auch diese durch analoge sociale Erschninuugen erklären helfen. So wird auch in dieser Hinsicht die Sociologie als Hülfswissenschafl der Naturkunde dienen könen. — So ar z. B. in der religiösen Sphäre der Buddhaismus eine Reaktion gegen die bis in's Ungeheuerliche getriebene Veräusserlichung des Bralimanismus. Das Christenthum hatte dieselbe Bedeutung für die griechische und römische Welt, nur mit dem Unterschiede, dass einerseits der religiöse Sinn der Griechen und Römer sich in den maassvollsten und schönsten Formen ausprägte, andererseits aber auch das Christenthum die Reaktion gegen die Aussenwelt nicht bis zur vollständigen Negirung derselben, nicht bis zum Nirwana des Buddha trieb. Endlich hatte auch der Protestantismus der römischen Kirche gegenüber dieselbe Bedeutung, wie der Buddhaismus dem Brahmanismus und wie das Christenthum überhaupt der alten Welt gegenüber. Dieselben Schwankungen bieten uns die Gebiete der Kunst und der Wissenschaft. Romantische Dichtung folgt auf plastische und umgekehrt, metaphysische und theoretische wissenschaftliche Epochen folgen auf praktische und umgekehrt. So sind wir auch überzeugt, dass nach der jetzigen in-

316 dustriellen, d. h. vorzüglich auf die Mehrung und Vervielfältigung •der Zwi8chenzellensubstanz gerichteten Epoche, welche die industrielle Entwickelung bis zu einer nie geahnten Höhe emporgehoben hat, eine Periode der ethischen und geistigen Verinnerlichung folgen wird, während welcher die religiösen, moralischen und philosophischen Fragen den Vorzug vor allen anderen haben werden. — Desgleichen schwankt das sociale Leben in der ökonomischen Sphäre zwischen Kapitalisirung und Zersplitterung der Werthgegenstände, in der rechtlichen zwischen Concentrirung und Verallgemeinerung der Rechte, in der politischen zwischen Macht und politischer Freiheit. In der verschiedenen Wechselwirkung nnd Concentration .der socialen Kräfte gründen sich die mannigfaltigsten ökonomischen, rechtlichen und politischen Principien, Tendenzen und Gestaltungen. Aus allen kann ein Rück- oder Fortschritt, ein Plus oder Minus, eine höhere oder niedere innere Potenzirung oder äussere Differenzirung hervorgehen, weil sie alle durch dasselbe Gesetz der Aktion und Reaktion der Kräfte bedingt werden. — Demokratische, aristokratische, oligarchische, monarchische, republikanische sociale Zustände und Staatenbildungen sind nur verschiedene Typen, die sich durch innere und äussere Anpassung an den individuellen Charakter der Völker und an die äusseren Verhältnisse entwickeln und feststellen. Dabei können auch krankhafte Erscheinungen auftreten. So ist die Demagogie eine krankhafte Form der Volksregierung und der Despotismus eine krankhafte Form des monarchischen Princips. Ueberhaupt ist «ine jede Krisis eine krankhafte Wechselwirkung zwischen Aktion und Reaktion der socialen Kräfte. Demokratisch ist eine Gesellschaft und ein Staat zu nennen, wenn zwischen den verschiedenen Zellenindividuen und Gesammtheiten keine zu grosse, auf Blutsverwandtschaft gegründete Abgeschlossenheit sich kund thut. Daher können demokratische Verhältnisse nicht nur in einem republikanischen, sondern auch in einem monarchischen und despotischen Staate existiren. Die russische Gesellschaft ist, trotz der autokratischen Staatsverfassung, in mancher Hinsicht eine mehr demokratische zu nennen, als sogar die nordamerikanische. Das Princip der Blutsverwandtschaft kann auch in einer demokratischen Gesellschaft nicht

317 ganz ohne Bedeutung sein, weil dieses Princip die Grundlage der realen Verknüpfung der verschiedenen Generationen von Individuen in der Gesellschaft bildet. Aber in einer aristokratischen Gesellschaft tritt dieses Princip mit mehr Macht, Folgerichtigkeit und Energie auf und bedingt dabei eine stärkere Differenzirung" der verschiedenen Schichten der Gesellschaft in Betreff der Subordination der niederen unter die höheren, auf Grundlage der Abstammung und Geburt. Geht diese Abgeschlossenheit so weit, dass zwischen den verschiedenen Klassen einer Bevölkerung Entfremdung eintritt, dass die verschiedenen Klassen sich nach ihrer Abstammung für verschiedene Racen halten, sei es nach religiösen oder historischen Ueberlieferungen, — dann bilden sich im Schoosse desselben Staates und der Gesellschaft Kasten, wie wir sie noch jetzt in Indien vorfinden. — Eine Eintheilung in Kasten, sowie auch aristokratische und demokratische Zustände, können bei jeder Staatsverfassung vorhanden sein. Im Innern Afrika's findet man noch jetzt Republiken, die sich auf kastenartige Gliederung der Gemeinschaften gründen. Rom und Venedig waren aristokratische Republiken; Athen eine demokratische Republik. England kann als Typus einer aristokratischen und Russland als Typus einer demokratischen Monarchie dienen. Im Innern Afrika's giebt es noch jetzt . demokratische, aristokratische, oligarchische und theokratische Despotieen. — Analysirt und zerlegt man alle diese allgemeinen Begriffe in ihre realen Bestandtheile, so erweist sich, dass es sich immer nur um verschiedene Gruppirungen von Zellengesammtheiten und um das Verhältniss, in welchem die Dauerzellen zu den Bildungszellen stehen, handelt. Das Ueberwiegen der ersteren erzeugt im Grossen und Ganzen aristokratische, das Ueberwiegen der letzteren demokratische Zustände. Die politische Gestaltung einer Gemeinschaft hängt dabei nur davon ab, ob die Staatssouverainität durch eine oder mehrere Personen repräsentirt wird und ob dabei das Princip der Blutsverwandtschaft (erbliche Monarchie) oder das der Reflexwirkung (Wahlmonarchien, Wahlverfassungen) zur Herrschaft gelangt. Und wie zwischen den verschiedenen Typen und Ordnungen von Organismen in der Natur keine absolute, sondern nur eine relative Verschiedenheit sich kund thut, so ist auch der Uebergang zwischen den verschiedenen Typen socialer Gemeinschäften ein flüssiger, um so mehr, als der sociale Organismus überhaupt,

318 •sowohl in seinen Theilen, als auch im Ganzen, ein beweglicherer und freierer ist, als die Einzelorganismen in der Natur. Daher gehen auch die socialen Gemeinschaften leichter aus einem Typus in einen anderen über, als die Einzelorganismen in der Natur. Die verschiedenen Typen, Ordnungen und Species im Thier- und Pflanzenreiche müssen in ihrem jetzigen Zustande als eben so viel abgeschlossene, sich feindlich gegenüberstehende Kasten betrachtet werden. In der Geschichte der Menschheit haben sich dagegen wiederholentlich demokratische Gesammtheiten in aristokratische, olig.archische, theokratische und vice versa allmälig oder durch plötzliche und gewaltsame Uebergänge umgebildet. Und diese Umbildung geht auch noch jetzt vor sich. Deutschland bildete sich im Mittelalter aus einer demokratischen Gesammtheit in einen aristokratisch-theokratischen Staat und jetzt ist die Tendenz fast in ganz Europa eine entgegengesetzte. Kann man nun behaupten, dass irgend einer von allen diesen Typen socialer Zustände: der aristokratische, demokratische, oligarchische, theokratische unter allen Umständen und Verhältnissen den Fort- oder Rückschritt in der Entwickelung der menschlichen Gesellschaft bedingt? Die Geschichte lehrt uns, dass sowohl der Fortschritt, als auch der Rückschritt bei allen Typen, zu verschiedenen Zeiten, bei den verschiedensten Racen und unter den verschiedenartigsten Verhältnissen sich kund gethan hat. Die Ursache dieser Erscheinung liegt darin, dass eine höhere Potenzirung der individuellen und socialen Kräfte, eine grössere Differenzirung und Integrirung derselben nicht mit diesem oder jenem Typus der socialen Zustände parallel läuft; sondern von dem Resultate der Wechselwirkung der socialen Kräfte abhängt. Die Typen werden, wie alle Erscheinungen in der Natur und in der Gesellschaft, durch Aktion und Reaktion der Kräfte erzeugt. Aristokratische Zustände werden erzeugt durch das Bestreben der Gesellschaft, sich hierarchisch, auf Grundlage des Princips der Blutsverwandtschaft, zu differenziren. Nun kann aber diese Differenzirung nicht bis zu einer vollständigen Abgeschlossenheit der Kasten, Stände, Korporationen führen, ohne den Zusammenhang des Ganzen zu gefährden. Die Natur sorgt selbst dafür, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Dem zu weit getriebenen Princip der Differenzirung tritt das der Integrirung «ntgegen. Die Abgesondertheit der verschiedenen Klassen wird

319 aufgelöst oder durchbrochen und es treten allmälig oder gewaltsam demokratische Zustände ein. Dass es hier sich nur um die Aktion und Reaktion und nicht iim einen höheren oder niederen Typus handelt, dazu kann als unwiderleglicher Beweis der Umstand dienen, dass alle socialen Typen bereits in der Urgeschichte und noch jetzt unter den wildesten Völkern vorgefunden werden. Dasselbe gilt auch von den verschiedenen politischen Gestaltungen. Eine jede Aktion und Reaktion kann in allen Sphären des socialen Lebens schöpferisch umgestaltend und folgerecht oder auch unfolgerecht und zerstörend wirken. Im ersten Falle wird mehr oder weniger Kraft kapitalisirt, im letzteren dieselbe unproduktiv aufgerieben und vergeudet. Von diesem Standpunkte aus sind alle zeitgemässen und den wahren Bedürfnissen des Volkes oder des Staates entsprechenden Reformen als produktive, alle gewaltsamen Revolutionen als destruktive Faktoren in der Entwickelung der Gesellschaft zu bezeichnen. Und dieses bezieht sich nicht nur auf den Uebergang von einem socialen Typus zum anderen, von einer Staatsform zur anderen, sondern überhaupt auf jegliche Wechselwirkung zwischen den einzelnen Zellen und Zellengesammtheiten im Schoosse der Gesellschaft. Um bei allen Folgerungen den realen Boden nicht zu verlieren, muss man dabei nie aus dem Auge lassen, dass es sich immer nur um Zellen und Zellengemeinschaften, d. h. um das sociale Nervensystem einerseits und um die sociale Zwischenzellensubstanz andererseits handelt. So wie in den Einzelorganismen der Natur das ganze organische Leben sich in Bewegungen, Spannungen und Vibrationen der den Organismus bildenden Zellen auflösen und analytisch zerlegen lässt, so muss dasselbe in Betreff der socialen Kräfte im Geiste vorgenommen werden, damit die allgemeinen Begriffe sich stets in reale Faktoren umsetzen. Die Entwickelung jedes thierischen Organismus beginnt nach der Befruchtung, wie die jedes pflanzlichen Organismus, in der Form eines einfachen Protaplasmaklumpen. Nachdem ein jeder höhere Organismus nur sehr kurze Zeit in diesem Zustande verharrt hat, beginnt der Process der Furchung, welcher darin besteht, dass die einfache Eizelle sich allmälig in zwei, vier, sechszehn etc. Zellen theilt, die auf diese Weise eine immer zahlreichere Zellengemeinde bilden. Die einzelnen Furchungszellen liegen dicht an einander und bilden, nachdem der Theilungsprocess beendet,

320 eine Kugel, die einer Maulbeere sehr ähnlich ist und daher > Maulbeerdotter < genannt wird. — Das nächste Entwickelungsstadium der Zellengemeinde besteht darin, dass die einzelnen Zellen des Maulbeerdotters, durch die im Innern derselben sich bildende Flüssigkeit nach aussen gedrückt, eine gleiche Schicht zusammenhängender Zellen bilden, •welche von v. B a e r entdeckt worden und die Keimblase oder Keimhautblase genannt wird. Es bleiben jedoch einige wenige Zellen in der inneren Flüssigkeit nach, ohne sich an der Bildung der Keimhautblase zu betheiligen. Nun bleibt ein Theil dieser im Innern der Keimhautblase schwimmenden Zellen an einem gewissen Punkte der inneren Fläche derselben haften. Es entsteht ein dunkler Fleck, den man Fruchthof nennt und der sich durch Vermehrung der Zellen allmälig über die ganze innere Wand der Keimhautblase verbreitet und so eine zweite Zellenschicht bildet. >Mit der Ausbildung oder Differenzierung dieser beiden zelligen Blastoderm - Schichten der Blätter der Keimblase das vegetative Keimblatt. < Die äussere, festere und hellere Zellenschicht ist das äussere primäre Keimblatt oder das Hautblatt, das >animale Keimblatts < H ä c k e l hebt alsdann hervor, dass diese beiden Keimblätter nur den niedersten Thieren oder Protozoen, welche überhaupt noch gar nicht zur Bildung derselben gelangen, fehlen. Die niederen Pflanzenthiere (Spongien, einfachste Polypen etc.) erheben sich während ihres ganzen Lebens nicht über das Bildungsstadium jener beiden primären Keimblätter. Die höheren Thiere durchlaufen dagegen dieses Stadium in äusserst kurzer Zeit in *) Entwiekelungsgeschichte des Menschen, S. 151.

320 eine Kugel, die einer Maulbeere sehr ähnlich ist und daher >Maulbeerdotter« genannt wird. — Das nächste Entwickelungsstadium der Zellengemeinde besteht darin, dass die einzelnen Zellen des Maulbeerdotters, durch die im Innern derselben sich bildende Flüssigkeit nach aussen gedrückt, eine gleiche Schicht zusammenhängender Zellen bilden^ welche von v. B a e r entdeckt worden und die. Keimblase oder Keimhautblase genannt wird. Es bleiben jedoch einige wenige Zellen in der inneren Flüssigkeit nach, ohne sich an der Bildung der Keimhautblase zu betheiligen. Nun bleibt ein Theil dieser im Innern der Keimhautblase schwimmenden Zellen an einem gewissen Punkte der inneren Fläche derselben haften. Es entsteht ein dunkler Fleck, den man Fruchthof nennt und der sich durch Vermehrung der Zellen allmälig über die ganze innere Wand der Keimhautblase verbreitet und so eine zweite Zellenschicht bildet. i>Mit der Ausbildung oder Differenzirung dieser beiden zelligen Blastoderm- Schichten der Blätter der Keimblase«, sagt H ä c k e l , * ) »welche man leicht mechanisch voneinander trennen kann, ist ein höchst wichtiger Fortschritt zur fundamentalen Constitution des Säugethierkörpers gegeben. Diese beiden Zellenschichten sind nämlich nichts Anderes, als die bedeutungsvollen beiden primären Keimblätter, welche für sich allein die erste Grundlage des Körpers sämmtlicher Thiere (mit einziger Ausnahme der Protozoen) zusammensetzen und alle später denselben aufbauenden Zellen erzeugen. Die innere, weichere und dunklere Zellenschicht ist das innere primäre Keimblatt oder das Darmblatt, >das vegetative Keimblatt.« Die äussere, festere und hellere Zellenschicht ist das äussere primäre Keimblatt oder das Hautblatt, das >animale Keimblatt«.« H ä c k e l hebt alsdann hervor, dass diese beiden Keimblätter nur den niedersten Thieren oder Protozoen, welche überhaupt noch gar nicht zur Bildung derselben gelangen, fehlen. Die niederen Pflanzenthiere (Spongien, einfachste Polypen etc.) erheben sich während ihres ganzen Lebens nicht über das Bildungsstadium jener beiden primären Keimblätter. Die höheren Thiere durchlaufen dagegen dieses Stadium in äusserst kurzer Zeit in *) Entwickelungsgeschichte des Menschen, S. 151.

322 Medullär- oder Markrohr, welches anfänglich sich ganz äuBser— lieh in der Oberfläche der Haut bildet und erst später allmälig im Laufe der Keim- und Stammentwickelung nach innen hineinrückt und von Knochen, Muskeln und anderen Gebilden umschlossen wird. Die meisten Naturforscher sind der Meinung, dass auch die Geschlechtsorgane und die Urnieren aus dem Hautsinnesblatte sich entwickeln. Das zweite secundare Keimblatt, das Hautfaserblatt, liefert die Lederhäut, das Fleisch oder die Muskelmasse, das innere Skelett, endlich die Zellenschicht, welche die Innenfläche der Leibeswand bildet. Aus dem dritten secundaren Keimblatt, dem Darmfaserblatt, entstehen die Zellenschicht, welche auswendig die Darmwand bekleidet, das Blut- und Lymphsystem und das Darmmuskelrohr. Endlich liefert das vierte Keimblatt oder das Darmdriisenblatt die innere Zellenauskleidung des gesammten Darmkanals und aller seiner Anhange, Lunge, Leber, Speicheldrüsen etc.*) Auch in Hinsicht auf diese allmälige Specialisirung der vier secundaren Keimesblätter geht im Grossen und Ganzen die Keimes- und Stammesgeschichte Hand in Hand, indem jede niedere Ordnung ein gewisses Stadium nicht übersteigt, die höheren Gattungen dagegen bereits in den ersten Entwickelungsstadien ihrer genetischen Entwickelung die niederen Ordnungen überholen. — Vergleicht man nun die Entwicklungsgeschichte der Einzelorganismen in der Natur mit derjenigen der einzelnen socialen Gemeinschaften, so erweist sich im Grossen und Ganzen eine merkwürdige Aehnlichkeit in den wesentlichen Grundzügen beider. Wie in den Naturorganismen, so haben auch in den socialen Gemeinschäften die einzelnen Zellen, nachdem sie sich bis zu einer gewissen Zahl vermehrt haben, die Tendenz, sich in Schichten zu lagern und an einander zu schliessen. Der Unterschied besteht hauptsächlich nur darin, dass im socialen Organismus die Wechselwirkung der Individuen in direkten und indirekten Nervenreflexen begründet ist und daher die Lagerung und das Aneinanderschliessen der Zellen kein in gewisser Hinsicht mechanisches, d. h. kein plastisches Ganzes, in der Form einer Schicht, eines Blattes etc., bildet, sondern vielmehr als Spannung, *) Ebendas., S. 187 und ff.

323 Vibration oder Thätigkeitsäusserung nach einer gewissen Richtung hin im Einklang mit anderen Individuen an den Tag tritt. Das ursprüngliche physische Stadium der Schichtenbildung ist jedoch auch in den Socialorganismen, wie bei den Zellen, die Vermehrung durch Blutsverwandtschaft, indem sie den primären realen Zusammenhang der Familien, Geschlechter, Stände, Nationen etc. erzeugt. Die Nervenreflexe bilden so zu sagen erst das secundäre, jedoch gleichfalls reale Moment dieses Zusammenhanges. — Weil nun aber die Nervenreflexe bereits das secundäre Stadium in der socialen Schichtenbildung abgeben, so kann freilich von einer mechanisch handgreiflichen Parallele zwischen der Differenzirung der Keimblätter der Naturorganismen in Haut, Knochen, Muskeln, Blut- und Lymphsystem etc. nicht die Rede sein, sondern kann die Differenzirung im socialen Organismus nur in einer höheren Potenzirung und Specialisation der direkten und indirekten Nervenreflexe bestehen, die wiederum ihrerseits, indem sie auf die Individuen zurückwirken, die höheren Nervenorgane der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft zu einer höheren Entwickelung anregen. — Dennoch dürfte die reale Analogie zwischen der Bildung der Keimblätter im Naturorganismus und der socialen Schichten in der menschlichen Gesellschaft, mit Berücksichtigung der verhältnissmässig grösseren Freiheit, Zweckmässigkeit und Geistigkeit, durch welche die Reflexwirkung im socialen Organismus bedingt wird, wohl kaum einem Zweifel unterliegen, wenn man die Vermehrung und Differenzirung der Individuen im Schoosse der Gesellschaft unter dem Einflüsse des Princips der Arbeitsteilung im weitesten Sinne dieses Wortes betrachtet. — Sogar wenn der Einzelne durch seine physischen oder geistigen höheren Anlagen oder durch günstige Zeitverhältnisse, durch Reichthum etc. sich der Art emporschwingt, dass er für ein neues staatliches, religiöses, wissenschaftliches etc. Gebilde ein neues Centrum constituirt, so stellt das immer nur die höher entwickelte und potenzirte Geschichte der einzelnen, in der Keimblase frei gebliebenen Zelle dar, die sich an das ursprüngliche Keimblatt ansetzt und der Art zu wuchern beginnt, dass dadurch ein neues Keimblatt, im Anschluss an das erste, gebildet wird. Der Gründer einer Dynastie, mag er nun auf gewaltsamem oder friedlichem Wege zur Herrschaft gelangt sein; der Ahnherr eines alten und weitverzweigten Geschlechts; der Stifter einer neuen Religion; der Schöpfer einer neuen Wissenschaft; der Gründer 21»

324 einer mächtigen industriellen Anstalt; alles das sind Einzelzellenr um welche sich allmälig, oft mehrere Generationen hindurch, ganze Schichten von organischen Gebilden, theils durch Abstammung, theils durch Reflexwirkung, vermehren und ansammeln. — Aber auch die Gliederung einer Gesellschaft in Stände, Kasten, Nationalitäten etc. in Folge von Eroberungen und Unterjochungen durch auswärtige staatliche Gemeinschaften, Nationalitäten, Individuen bietet im Grunde dasselbe dar, nur mit dem Unterschiede, dass der erste Anstoss zur Differenzirung nicht von innen, sondern von aussen herrührt. • In Folge der Selbstständigkeit und freiheitlichen Selbstbestimmung der einzelnen Theile des socialen Organismus ist eine solche Differenzirung in organische Schichten, durch Ablagerungen ganzer Nationalitäten und Völkerschaften über einander, nur in der menschlichen Gesellschaft möglich, obgleich auch die Natur analoge Erscheinungen darbietet, namentlich wenn zwei oder mehrere Organismen so in einander verwachsen, dass sie ein einheitliches Ganzes bilden. Dieses findet besonders im Pflanzenreich statt und wird auch auf künstlichem Wege durch Pfropfen verschiedener Arten von Fruchtbäumen bewerkstelligt. Sehr lehrreich wäre es daher, diesbezügliche Beobachtungen aus dem Pflanzenreiche auf den socialen Organismus hinüberzutragen. Allein hier würde das zu weit fuhren. Auf dem Wege der realen Analogie zwischen der menschlichen Gesellschaft und den Emzelorganismen in der Natur lässt sich somit nicht nur die genetische Entwickelung des socialen Organismus real verfolgen, wodurch manche praktische Erfahrungen aus der organischen Natur für den socialen Organismus gewonnen werden könnten; sondern es fällt auch, wenn man die hervorragenden Instanzen, welche uns die Gesellschaft bietet, auf die Naturorganismen anwendet, manches helle Streiflicht auf die Embryologie der Naturwesen. Das Entwickelungsgesetz der Geschichte der Menschheit hat bis jetzt die Forschungen der Denker aller Zeiten in Anspruch genommen. Schon P i a t o n glaubte die stufenweise Vervollkommnung einer socialen Gesammtheit in dem Uebergange von der aristokratischen, seiner Meinung nach der vollkommensten aller Formen, zur demokratischen und endlich zur monarchischen, unter welcher er die Tyrannei verstand, erkannt zu haben. Die Tyrannei bezeichnet P i a t o n als den Verfall des staatlichen Lebens, nach welchem die

325 Gesammtheit wieder von Neuem denselben Cyclus durchläuft, den sie schon früher zurückgelegt hat. — Schon der Umstand, dass nach der Anschauung P1 a t o n 's das Vollkommenere dem Unvollkommeneren in der Entwickelung vorausgeht, beweist die Unrichtigkeit seiner Auffassung. Alsdann verwechselt er die Form der Regierung (Monarchie, Tyrannei) mit derjenigen der gesellschaftlichen Konstitution, d. h. der Wechselwirkung der einzelnen socialen Gruppen und Individuen im Schoosse der Gesellschaft (Aristokratie, Demokratie). Eine Monarchie, wie eine Republik kann aristokratisch oder demokratisch sein, je nach der verschiedenen Ueberschichtung der Nationalitäten, Kasten, Stände etc. — Auch ist es sehr schwer, den aristokratischen Typus vom demokratischen streng zu scheiden. Athen war in den höheren Schichten, d. h. in Betreff der eigentlichen Bürger, eine demokratische Republik, nach unten hin jedoch, d. h. den Sklaven gegenüber, ein auf Kastenscheidung fussender Staat. In der Sphäre der Intelligenz und der Kunst kann man dagegen die Athenische Gesellschaft als eine aristokratische bezeichnen , indem die höheren Befähigungen, das Ausgezeichnete, sich in diesen Gebieten über die Masse erhob, sie leitete und beherrschte. — Die Veränderung der Regierungsform kann, je nach den Verhältnissen, die Entwickelung aristokratischer oder demokratischer Zustände fördern oder hemmen. Eine sehr beschränkte Monarchie kann dabei die Bedeutung einer Republik erhalten (Sparta, Rom unter den Königen, Polen zur Zeit seiner Selbstständigkeit), sowie eine Wahlrepublik die Bedeutung einer Tyrannei (Cromwell, das Direktorium etc.). — Die verschiedenen Typen in der organischen Natur dagegen, gerade weil sie fester sind, weil ihre Umgestaltung, in Folge der beschränkteren Freiheit und geringeren Zweckmässigkeit in der Vertheilung der Zellen, Zellengewebe und der Zwischenzellensubstanz, mehr Schwierigkeiten bietet und längere Perioden in Anspruch nimmt, können bestimmter und leichter festgestellt und aufgefasst werden. Daher auch gewisse Typen, weil sie unter günstigeren Lebensbedingungen sich entwickelt haben, vielleicht auf immer, zum. wenigsten was unsere Erde anbetrifft, alle anderen überholt haben. Zu diesen höher entwickelten Typen gehören die Wirbelthiere. — Hieraus folgt jedoch, wie wir bereits bemerkt haben, nicht, dass eine jede Species von Wirbelthieren vom Standpunkte der Vervollkommnung über alle Thierspecies der anderen Typen steht. Letztere hängt speciell von einer grösseren Differenzirung und Integrirung der

326 Kräfte, von einer höheren Potenzirung derselben ab. Im Thierreich prägt sich dieses in der Gestalt eines höher entwickelten, d. h. höher differenzirten und integrirten, höher potenzirten Nervensystems, insbesondere des Gehirns, aus. — Dasselbe Gesetz der stufen weisen Vervollkommnung hat volle Gültigkeit auch in Betreff des socialen Nervensystems, welches ein ebeso reales Wesen ist, wie das thierische. Da nun aber der Uebergang von einem Typus zum anderen, von einer politischen, juridischen oder ökonomischen Ausprägungsform der Kräfte zur anderen im socialen Gebiete, in welchem die Principien der Zweckmässigkeit und Freiheit grösseren Spielraum haben, leichter und schneller von statten gehen kann, als in der Pflanzen- und Thierwelt, so kann der Typus der verschiedenen socialen Gesammtheiten noch weniger als in letzterer zur Bestimmung der Stufe der Vervollkommnung, die eine Gesellschaft erreicht hat oder erreichen kann, als Maassstab dienen. Hat ja die Geschichte der Menschheit bereits in ihrem Urzustände alle Typen zum Vorschein gebracht, und finden wir ja dasselbe auch noch jetzt im Innern Afrikas, wie nicht minder im hochkultivirten Europa. — Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass in Folge von Aktion und Reaktion ein Aufeinanderfolgen gewisser Typen, bei bestimmten Verhältnissen, vor sich gehen kann; man würde sich aber in grellem Widerspruch mit der Entwickelungsgeschichte stellen müssen, wenn man, gleich P i a t o n , eine stufenweise Vervollkommnung in diesem Aufeinanderfolgen erblicken und solches zu einem nothwendigen Gesetz der Geschichte erheben wollte. — A r i s t o t e l e s bezeichnet die Familie als Ausgangspunkt der menschlichen Gesellschaft und definirt die Gesellschaft als Erweiterung der Familie und den Staat als Erweiterung der Gesellschaft. Diese Anschauung würde eine ganz richtige sein, wenn sie nur nicht zu der beschränkten und einseitigen Meinung führen würde, als bildeten Staat und Gesellschaft etwas Besonderes untereinander und in Hinsicht auf die Familie, und als ob letztere nicht bereits Staat und Gesellschaft in sich schliesse und durch sich auspräge. Staat und Gesellschaft stellen nichts von aussen Hinzugekommenes, sondern etwas mit Naturnothwendigkeit in der Familie bereits Enthaltenes, in der Familie Immanentes dar. Dass irgend eine Gesellschaft staatliche Formen von aussen, von anderen socialen Gruppen, sich aneignet, dass fremde Eroberer durch Gewalt Staaten ge-

327 gründet haben und noch gründen, widerspricht nicht im Geringsten dieser Anschauung, indem eine Eroberung oder eine gewaltmässige oder friedliche Aenderung einer Regierungsform in allen Fällen immer wieder nur durch eine Veränderung in der Vertkeilung der Zellen und Zellengewebe oder der Zwischenzellensubstanz bedingt wird, mögen diese Zellen, Zellengewebe oder ein Theil der Zwischenzellensubstanz von aussen hinzukommen oder sich im Innern des socialen Organismus entwickeln, mögen die Einflüsse und Lebensbedingungen, welche die Veränderungen verursacht haben, äussere oder innere sein. Auch diejenige Gesammtheit, aus welcher der Eroberer stammt, muss nothwendig in der Familie, als Ausgangspunkt irgend welcher socialer Gesammtheit, begründet gewesen sein und daher die Ausprägung desselben Princips in sich schliessen. — A r i s t o t e l e s erkennt vier Formen von staatlichen Typen an: die monarchische, die aristokratische, die demokratische und eine mittlere Form zwischen allen dreien, nämlich eine Vereinigung von Monarchie, Aristokratie und Demokratie. Dabei bezeichnet er das Ausarten der Monarchie als Tyrannei, das der Aristokratie als Oligarchie und das der Demokratie als Ochlokratie. — Ein Fortschritt in der Auffassung des A r i s t o t e l e s P i a t o n gegenüber ist nicht zu verkennen, indem er der Vereinigung verschiedener Typen eine gewisse Vervollkommnung, eine höhere Differenzirung zuschreibt und indem er die unzweckmässigen und krankhaften socialen Erscheinungen hervorhebt. V i c o hat in seiner Philosophie der Geschichte die stufenweise Entwickelung der Menschheit im Verlaufe der Geschichte im Uebergange vom religiösen zum heroischen und zum monarchischen Princip erblicken wollen, ein Uebergang, der sich periodisch wiederholen soll. — Die Unzulänglichkeit dieser Anschauung liegt nach allem oben Gesagten auf der Hand. Es handelt sich hier erstens um ganz verschiedene Entwickelungssphären der Menschheit, die neben einander laufen können, nämlich: um die geistige, die socialheroische und die monarchische Regierungsform. Dass das religiöse und das heroische Entwickelungsstadium wiederkehren können, wäre nicht zu bestreiten, denn Aktion und Reaktion bilden eins der nothwendigen Grundgesetze der socialen, gleich der natürlichen Entwickelung; wie Alles in der Natur und der Gesellschaft, so stellen auch die Aktion und Reaktion der von V i c o hervorgehobenen geschieht-

328 liehen Momente nichts von einander absolut Unabhängiges dar; sie gehen jedoch in verschiedenen Sphären vor sich und können daher durch lange Perioden von einander getrennt sein oder auch gleichzeitig hervortreten. H e g e l hat die Vervollkommnung der Menschheit in der Erweiterung der menschlichen Freiheit gesehen, indem nach seiner Anschauung im Orient nur einer, der Despot, frei ist, bei den Griechen und Römern einige, nämlich nur die Bürger, frei waren und in der jetzigen civilisirten Welt Alle frei sind. Es unterliegt auch von unserem Standpunkte aus keinem Zweifel, dass mit der Vervollkommnung der Menschheit auch eine Erweiterung der Freiheit vor sich gehe. In dieser Erweiterung jedoch den ganzen Fortschritt zu erblicken — ist eine Einseitigkeit, die mehr als einmal bereits verhängnissvoll gewesen ist. Der sociale Organismus prägt sich, gleich jedem Naturorganismus, in drei Richtungen nach aussen aus: er entwickelt sich in der ökonomischen (physiologischen), juridischen (morphologischen) und politischen (einheitlichen) Sphäre. Durch die höhere Differensirung und Integrirung aller dieser Sphären wird im Grossen und Ganzen das allgemeine Gesetz der Vervollkommnung eines jeden socialen Körpers, als realen, sich nach aussen ausprägenden Wesens, bedingt. Dass die Potenzirung von Eigenthum (Nahrung), Recht (Abgrenzung der Thätigkeiten) und Macht (Einheitlichkeit, Unterordnung) bei einer fortschreitenden socialen Bewegung nur Hand in Hand mit der Erweiterung von Freiheit in jeder Sphäre vor sich gehen kann, ist ein allgemeines organisches Naturgesetz. Freiheit ist Bewegung; damit jedoch eine Bewegung eine höhere Potenzirung zum Zwecke habe oder in sich schliesse, muss sie eine immer zweckmässigere, eine höher organisirte sein. In mancher Hinsicht kann man die mechanischen Kräfte als die freiesten betrachten, weil viele von ihnen am wenigsten in ihrer Ausprägung gehemmt oder eingeschränkt werden. So haben sich auch Denker, wie J. J. R o u s s e a u , gefunden, die im Urzustände der Menschheit die grösste Summe von Freiheit erblickt haben. Sie haben auch in mancher Hinsicht Recht, obgleich eine nähere Bekanntschaft mit dem Zustande der Wilden die Idyllen solcher Schriftsteller auf ihr richtiges Maass zurückgeführt haben. — Der Wilde ist im Grossen und Ganzen wirklich freier, als der Kulturmensch der unteren socialen

329 Schichten, gleichwie der Wolf freier ist, als der Ketten-, ja sogar als der Schoosshund. — Die Sache ist aber die, dass die Vervollkommnung und die höhere Potenzirung der socialen Kräfte nicht allein durch das Maass der Freiheit, sondern auch durch die anderen äusseren Ausprägungen der socialen Entwickelung, nämlich durch Mehrung • von Eigenthum, Recht, Macht und Freiheit gemessen werden müssen. Und dieses geschieht auf derselben Grundlage wie die Vervollkommnung in Betreff der Naturorganismen durch Nahrung, Form, Einheit und Wechselwirkung der Zellen und Zellengewebe unter einander und nach aussen hin, d. h. durch höhere Differenzirung und Integrirung der Theile und des Ganzen. Nur darin kann die Vervollkommnung des Einzelnen, einer bestimmten socialen Gemeinschaft und der ganzen Menschheit, von welcher C o u s i n , S c h e l l i n g , K a n t und andere in allgemeinen Ausdrücken gesprochen haben, erblickt werden. — Im Einzelnen, als socialem Mikrokosmos, spiegelt sich die Gesellschaft als socialer Makrokosmos ab. Im Nervensystem des Einzelnen geht im Kleinen und in kurzen Abschnitten dasselbe vor, was im socialen Nervensystem sich ausprägt. Eigenthum, Recht, Macht und Freiheit bilden nur verschiedene, an die menschliche Gesellschaft angepasste- Ausdrücke für dieselben psychologischen Begriffe, die auch in Betreff des Individuums als Zellengesammtheit ihre Anwendung finden. — Und dasselbe gilt auch in Betreff der Familie, als organisches Ganzes, sowie auch in Hinsicht auf jede ökonomische, juridische und politische Körperschaft. — Noch mehr. Die geistige Sphäre, an und für sich genommen und abgesehen von allen anderen, bildet auch einen realen, aus Zellen (die höheren Nervenorgane der Einzelnen), Zellengeweben (auf geistige und ethische Wechselwirkung begründete Gesammtheiten) und einer Zwischenzellensubstanz (die Schöpfungen der Wissenschaft und Kunst, die religiösen Lehren in Schrift, Druck, Kirchen etc.) bestehenden Organismus, der sich durch Mehrung von Eigenthum, Recht, Macht und Freiheit entwickelt und vervollkommt. Nur bedeutet in dieser Sphäre Mehrung von Eigenthum — eine höhere Potenzirung der durch Schrift, Druck und andere Mittel vermittelten indirekten Nervenreflexe; Mehrung von Recht — eine mannigfaltigere Specialisirung des geistigen Forschungsgebietes; Mehrung von Macht — eine höhere Einheit der geistigen Thätigkeit, eine zweckmässigere Unterordnung des Nie-

330 deren unter das Höhere. Die höchste Einheit im geistigen und ethischen Gebiete bildet die Idee Gottes, daher ihr auch die Macht im geistigen Gebiete und zwar als »Reich Gottes«, gehören muss. — Dasselbe muss auch überhaupt von jeder anderen Sphäre der socialen Entwickelung gelten und wir werden nicht ermangelnt wo gehörig auseinanderzusetzen, in welchen Formen dasselbe Naturgesetz sich in den einzelnen Sphären kund thut. — Mögen hier diese allgemeinen Andeutungen genügen, um die Unzulänglichkeit der bis jetzt aufgestellten Theorien zur Ergründung des Entwickelungsgesetzes der Menschheit darzuthun. — So hat Auguste C o m t e die stufenweise Entwickelung der Menschheit in dem Uebergange aus dem theologischen in das subjektiv - metaphysische und endlich in das positivistische Stadium bezeichnet. Versteht man unter Theologie eine Sammlung von abergläubigen Anschauungen, Götzendienst etc., so kann man wohl behaupten, dass das theologische Stadium einen überwundenen Standpunkt der Kultur der Menschheit bildet. Versteht man jedoch unter Religion das Einswerden des Menschen mit Gott, das Insichgekehrtsein des menschlichen Geistes bei Erforschung der höchsten und tiefsten Wahrheiten über die Welt und den Menschen selbst, so ist das theologische Stadium eine Naturnotwendigkeit, die immer wiederkehren wird und ven der Menschheit nie ganz verlassen werden kann, ohne den Kern des geistigen Lebens selbst der Zerstörung preiszugeben. — Comte's Positivismus ist gleichfalls kein neues Stadium, sondern bedeutet nur das objektive Auffassen der äusseren Welt — etwas, was auch immer stattgefunden hatte und stattfinden wird. Es kommt bei dem Fortschreiten der Wissenschaft sowie auch der Religion nur Alles auf den Grad an. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dasa jetzt das positivistische Wissen ein bewusstvolleres ist, als es in den früheren Epochen der Fall war; aber dasselbe gilt auch vom Gottesbewusstsein. In beiden Sphären ist eine Vervollkommnung eingetreten; zwischen beiden existirt kein Gegensatz, sondern eine organische Wechselwirkung, wobei freilich auch der Sieg öfters nicht ohne harten Kampf erlangt wird. Das religiöse Streben der Menschheit überhaupt als ein niederes Stadium der Entwickelung darzustellen, beruht auf einer einseitigen Auffassung. Es scheint im Gegentheil, dass die Menschheit, des äusserlichen Treibens — sei dieses nun auf materiellen Erwerb gerichtete Arbeit oder Genuss — müde,

331 sich wiederum nach einer Verinnerlichung der geistigen und ethischen Kräfte sehnt. Dass eine solche Verinnerlichung nur ein Streben nach der Erkenntnisseines höchsten Wesens sein k a n n , möglicherweise in anderen F o r m e n , als es bis jetzt war, das ist auf eine Naturnotwendigkeit gegründet. Von den neueren Kulturhistorikern wollen wir nur B u c k l e nennen, der den Fortschritt der geistigen und ethischen Entwickelung der Menschheit fast ausschliesslich von dem Einfluss der physischen Natur abhängig macht — eine Anschauung, die wir im dritten Theile unseres Werkes widerlegen werden — und der die Entwickelung der menschlichen Intelligenz als einziges Kriterium des Fortschrittes anerkennt; alsdann H e r m a n n , der in der technischen Vervollkommnung der modernen Industrie das höchste Entwickelungsstadium der Menschheit erblickt und somit den Schwerpunkt des Entwickelungsgesetzes in die Zwischenzellensubstanz, d. h. in das secundare Princip des socialen Organismus verlegt; endlich den geistreichen H e l l w a l d , der die Vervollkommnung des Menschen vom Gesetze des Kampfes um's Dasein abhängig macht. Ohne Zweifel ist der Standpunkt H e l l w a l d ' s vollständig berechtigt, nur müsste dieser Standpunkt durch die Auffassung der menschlichen Gesellschaft als realen Organismus vervollständigt und der Kampf, der im Schoosse der Gesellschaft vor sich geht, nicht einfach demjenigen gleichgestellt werden, welcher zwischen selbstständigen Individuen im Pflanzen- und Thierreich vor sich geht, sondern dem Kampfe und der Wechselwirkung , die zwischen den Zellen- und Zellengeweben des Einzelorganismus in der Natur sich kund thun. — Unter diesem Vorbehalt kann man H e l l w a l d als denjenigen anerkennen, der, nach H e r d e r , am meisten sich der modernen Naturanschauung auch im Gebiete der Geschichte genähert hat. Den festesten Stützpunkt, das sicherste Maass der Vervollkommnung und des Fortschrittes des Menschengeschlechts bietet jedoch immer das Individuum, indem es im Kleinen und Kurzen die Gesammtheit zusammenfasst. — Da das Individuum, wie wir bereits im ersten Theile bewiesen haben, die ganze Entwicklungsgeschichte der Menschheit real durchläuft, so kann der Mittelmensch (l'homme moyen) als Maassstab für das mittlere Niveau der Entwickelung einer socialen Gesammtheit, einer Race oder der ganzen Menschheit dienen. Es versteht sich von selbst, dass

332 wir hier den mittleren Menschen nicht so, wie es Q u e t e l e t gethan hat, sondern vom embryologischen Standpunkte aus (vergl. Kap. XXII des I. Theiles: Sociale Embryologie) auffassen. Erreicht in einer bestimmten Gesellschaft der mittlere Mensch früher und in kürzeren Perioden eine höhere und mannigfaltigere geistige und ethische Ausbildung (die ihr reales Substrat in dem Nervensystem des Individuums hat) so ist eine solche Gesammtheit im Grossen und Ganzen eine höher entwickelte zu nennen, als eine andere, in welcher der mittlere Mensch dieselben Stadien erst später, unvollkommener, einseitiger erreicht. Dasselbe muss auch auf jeden Stand, jede Körperschaft, jede Nationalität, jede Race Anwendung finden. — Der mittlere Europäer ist ein höher entwickeltes Wesen, als der mittlere Chinese oder Neger und das mittlere Individuum des gelehrten Standes ist ein höher entwickeltes Wesen, als dasjenige aus manchen anderen Ständen. — Dass die individuelle Entwickelung im Grossen und Ganzen mit der socialen Hand in Hand gehen muss, unterliegt wohl keinem Zweifel. Aus der höheren Entwickelung des Europäers muss man daher schliessen, dass im socialen Leben Europas überhaupt mehr Eigenthum, Recht, Macht und Freiheit sich kund thun. als in Asien und Afrika, gleichwie aus dem mittleren Entwickelungsstadium der Zellen eines Baumes und Thieres man auf eine höhere Organisation derselben schliessen kann. Es kommt freilich in beiden Fällen viel auf die verschiedene Differenzirung der einzelnen Theile eines Organismus an. Durchschnittszahlen und Massenbeobachtungen sind aber auch von diesem Standpunkte aus von grosser Bedeutung. Der Einzelne wird in seiner Entwickelung gehemmt, wenn dieselbe durch die Gesammtheit nicht gefördert wird. Und wenn nach Tausenden von Generationen und Millionen von Jahren unsere Nachkommen vielleicht im jugendlichen Alter diejenigen Stadien durchlaufen werden, welche der am höchsten entwickelte Kulturmensch der Gegenwart erst in vollständig reifem Alter durchläuft und das erst nach langen Mühen und Rümpfen, so wird gewiss auch die künftige sociale Gesammtheit mehr Eigenthum, Recht, Macht und Freiheit an den Tag legen, indem nur unter diesen Bedingungen eine höhere Entwickelung des Individuums möglich ist. Wenn dabei die niederen, roheren, thierischen materiellen Elemente, sowohl im

333 Individuum, als auch in der Gesammtbeit, immer weiter verdrängt und immer sicherer und vollständiger von den höheren, zweckmässigeren, freieren, d. i. den geistigen und ethischen Elementen beherrscht sein werden; wenn das auf diesem Wege erlangte Uebereinander eine immer höhere Potenzirung von Kräften darstellen wird, so wird der Fortschritt immer doch nur durch dieselben nothwendigen Naturgesetze bestimmt werden, nach welchen sich das Thier, die Pflanze und die Monere entwickeln. Nur durch Ergründung der Analogie mit den Naturgesetzen wird es möglich, einen Blick auf das Schicksal der Menschheit in der Zukunft zu werfen. Schon im ersten Theile unseres Werkes (Kap. X , S. 103 und ff.) haben wir darauf hingewiesen, dass für die Socialwissenschaft, gleichwie für alle Zweige der Naturkunde, ein Maass nothwendig ist zur Bestimmung der Bewegung, auf die zuletzt die ganze sociale Entwickelung reducirt werden muss. Dieses Maass bietet uns der mittlere Mensch, aber, wie gesagt, nicht im Sinne der neueren »socialen Physik«, sondern vom embryologischen Standpunkte aus. Dass dieses Maass kein festes, dass es selbst ein bewegliches, aus einem Stadium ins andere übergehendes ist, unterliegt keinem Zweifel. Dasselbe gilt jedoch auch von den Himmelsräumen und von dem Ausgangspunkte aller astronomischen Berechnungen — von der Bewegung unserer Erde. Im ganzen, unserer Erkenntniss zugänglichen Himmelsraum giebt es keinen festen Punkt, auf welchem der Beobachter fussen könnte. Die Bewegung der Erde ist dabei eine sehr complicirte, denn sie bewegt sich nicht nur um ihre Axe und um die Sonne, sondern aüch mit unserem Sonnensystem nach einer bestimmten Richtung hin, abgesehen von der* Schwankungen der Ekliptik und anderen Störungen, die durch verschiedene Himmelskörper verursacht werden. Trotzdem werden die Himmelsräume ziemlich genau gemessen, wobei die Erde als Ausgangspunkt dient. Komplicirter sind die Bewegungen in der organischen Welt; die embryologischen Untersuchungen haben jedoch bereits die Dauer und die verschiedenen Momente der Entwickelungsstadien einer grossen Anzahl von Pflanzen und Thieren bestimmt, Stadien, welche dem Nacheinander in der paläontologischen Entwickelung und dem Nebeneinander in der specifischen Entwickelung des ganzen Pflanzen- und Thierreichs entsprechen. Würden die

334 Epochen der paläontologischen Entwickelung durch irgend welche Anknüpfungspunkte zu bestimmen sein, so könnte ein relatives Zahlenverhältniss zwischen den Zeitabschnitten der embryologischen Entwickelungsstadien irgend eines Organismus und denen der paläontologischen Entwickelung der Arten und Species, von welchen der Organismus abstammt, aufgestellt werden. Auch könnte man dabei unter günstigen Verhältnissen einige, wenn auch nicht unbedingt sichere, Schlüsse für die Entwickelung des Individuums oder einer Species für die Zukunft ableiten. — Eine derartige Zeitbestimmung für die verschiedenen Entwickelungsepochen unseres Planeten hat bereits die Zoologie mit viel Scharfsinn und Glück durchgeführt. — Nun bietet freilich eine derartige Bestimmung für die Entwickelung, besonders die geistige und ethische, d. h. der höheren Nervenorgane des Menschen und des Menschengeschlechts, schon deshalb sehr viel mehr Schwierigkeiten, weil die Bewegung, durch welche diese Entwickelung bedingt wird, eine sehr viel complicirtere und mannigfaltigere .ist. — Die Beobachtung der embryologischen Entwickelung der höheren Nervenorgane des Menschen bietet aber noch eine andere Schwierigkeit. Zur Bestimmung der verschiedenen Entwickelungsstadien eines thierischen oder pflanzlichen Embryos genügt eine genaue, mit Hülfe des Mikroskops bewerkstelligte Beobachtung der äusseren Merkmale, die bei den verschiedenen Stadien an den Tag treten, sowie die Vergleichung dieser Merkmale mit denjenigen der anderen Embryonen oder ausgewachsenen Individuen. Die höheren Nervenorgane des Menschen bestehen dagegen in einer Verfeinerung des menschlichen Nervensystems nach allen Richtungen hin, in einer zarteren, mannigfaltigeren und zweckmässigeren Reizbarkeit so unbemerkbarer und sogar dem bewaffneten Auge unzugänglicher Nervengewebe, dass nur die Bestimmung der hervorragendsten Unterschiede der auf verschiedenen Stadien der geistigen und ethischen Entwickelung stehenden Racen und Individuen möglich ist, und sogar dieses nur ganz im Allgemeinen. Weil die Naturforscher vorzugsiveise nur die äusseren Merkmale des Nervensystems und speciell des Gehirns in Betracht ziehen, haben sie bis jetzt den Unterschied zwischen dem Menschen und dem Thicre unterschätzt. — Wir wiederholen es und bitten den Leser, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, nicht aus dem Auge zu lassen, dass wir unter höheren Nervenorganen diejenigen Entwickelungs-

335 Stadien des menschlichen Nervensystems verstehen, vermittelst welcher der Mensch das Thier in ethischer und geistiger Hinsicht überragt. Diese Stadien sind nur durch wenige und unbedeutende äussere Merkmale zu bestimmen, etwa durch die grössere Zahl und Feinheit der Windungen des menschlichen Gehirns im Vergleich zu denjenigen des Affen, das grössere relative Gewicht desselben etc.; dennoch ist der Unterschied ein ungeheuerer, indem die Bewegung, welche der Mensch, als solcher, durch Erreichung eines zarteren, verfeinerteren, zweckmässi geren, höheren Nervensystems, als das thierische, im Grossen und Ganzen der gesammten geschichtlichen Entwickelung der Menschheit entspricht, gleichwie auch thierische und pflanzliche Embryonen in kurzen Momenten ungeheure paläontologische Perioden durchlaufen. — Da nun aber die Entwickelungsstadien für die höheren Nervenorgane des Menschen durch äussere Merkmale nicht zu bestimmen sind, so müssen dieselben durch äussere Thätigkeitsäusserungen festgesetzt werden, indem man nach letzteren auf den Zustand, die Anlagen, Kräfte, auf die Stufe der Entwickelung der höheren Nervenorgane eines Menschen schliessen muss. Der Eine hat nur edle Thaten aufzuweisen und was er geschrieben oder gesprochen hat, war immer wahr, logisch zusammenhängend; der Andere ist ein Verbrecher oder Querkopf; aus diesen Fakten lässt sich im Allgemeinen darauf schliessen, dass die höheren Nervenorgane des Ersten zweckmässiger und den höheren Zielen der Menschheit entsprechender gebaut sind und fungiren, als die des Letzteren. Da jedoch die Mannigfaltigkeit der Entwickelung des menschlichen Nervensystems eine äusserst grosse ist und die' Divergenz der Entwickelung desselben nach unzähligen Richtungen hin vor sich gehen kann, so ist eine Bestimmung des Entwickelungsstadiums der höheren Nervenorgane nach ihren äusseren Thätigkeitsäusserungen eine sehr schwierige. Schwierigkeiten dürfen aber einen Forscher nicht zurückhalten oder zurückschrecken, sobald nur ein gewisser und bestimmter Weg zur Ergründung der Wahrheit vorhanden ist. — Das einsige Maass zur Bestimmung der Enticickelungsbetvegung der Menschheit bietet nach unserer Meinung der mittlere Maisch rom embryologischen Standpunkte ans betrachtet. Die Stadien der Entwickelung des mittreren Menschen, man nehme ihn nun aus einem bestimmten Stande, einer Nationalität oder einer Race, müssen als Resultat unzähliger Beobachtungen, sowohl in der geistigen und

336 ethischen, als auch in der physischen Sphäre betrachtet werden. Die Statistik würde zu diesem Zwccke als eine sehr wichtige Hülfswissenschaft anerkannt werden müssen; sie kann aber nur das feststellen, was sich in Zahlen ausdrücken lässt. Nicht alle socialen Thätigkeitsäusserungen unterliegen jedoch diesem Kriterium. Die ganze Socialwissenschaft in ihrer umfassendsten Bedeutung, muss die Feststellung des mittleren Menschen zum Gegenstand haben. Denn der mittlere Mensch vom embryologischen Standpunkte aus bildet, trotz seiner Umgestaltungsfähigkeit, den einzigen festen Punkt, welcher die Bewegung der Menschheit in der Geschichte in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft ausrechnen liesse, gleichwie einzig und allein die Erde, trotz ihrer Beweglichkeit, zur Bestimmung der Bewegungen der Himmelskörper und der Bewegungen im Himmelsraume einen Ausgangspunkt bieten kann. — Ohne diesen Stützpunkt zerfliesst alles in Unbestimmtheit und Schwanken. — Durch die obigen Betrachtungen haben wir nur das allgemeine, sowohl die materiellen, als auch die geistigen Sphären des socialen Lebens umfassende Gesetz des Fort- und Rückschrittes ausdrücken und auseinandersetzen wollen. Das Gesetz der allmäligen höher und tiefer potenzirten Differenzirung und Integrirung der Kräfte ist ein für die Natur und die menschliche Gesellschaft gemeinschaftliches, und das aus dem Grunde, weil letztere einen integrirenden Theil der Natur, eine Fortsetzung der Entwickelung der Naturkräfte bis in die höchsten Regionen des geistigen und ethischen Lebens des Menschen bildet. Da ausserdem die menschliche Gesellschaft als der höchstentwickelte reale Organismus anerkannt werden muss, so muss auch die Differenzirung und Integrirung der socialen Kräfte nicht nur eine organische, sondern auch eine höher potenzirte organische sein, als die der Naturorganismen. — Daher je zweckmässiger eine sociale GesammthcU, eine Korporation, ein Stand, ein Staat organisirt ist und sich organisch entioickelt, desto höher die Stufe und sicherer das Fortschreiten seiner Entwickelung. Dagegen je mehr die socialen Kräfte den Charakter der Wirkung anorganischer Kräfte annehmen, desto niedriger die Stufe der Vervollkommnung und desto offenbarer legt eine Gesellschaft die Merkmale einer rückschreitenden Bewegung an den Tag. Zu solchen Merkmalen gehören alle unfolgerichtigen, plötzlichen, zerstörenden ökonomischen und politischen Krisen und Revolu-

337 tionen, alle eigenmächtigen Rechtsübeischreitungen nnd -Verletzungen, sie mögen min von oben oder von unten kommen Und dieses aus dem einfachen Grunde, weil alles Organische sich durch damalige Uebergänge entwickelt, die anorganischen Kräfte dagegen ihre Wirkung in dem unerbittlich verheerenden Kampf der rohen Elemente an den Tag legen. Das allgemeine Gesetz der allmäligen Differenzirung und Integrirung der Kräfte ist das nämliche für alle Seiten des socialen Lebens, nur prägt es sich in den verschiedenen Sphären in verschiedenen Formen aus nnd wird in Folge dessen auch in allen Sprachen durch verschiedene Worte ausgedrückt und zu verschiedenen Begriffen zusammengefasst. — Dabei tritt aber auch wiederum der Parallelismus der beiden ineinander greifenden undin Steter Wechselwirkungstehenden Haupterscheinungen des socialen Lebens an den Tag, nämlich des socialen Nervensystems und der socialen Zwischenzellensubstanz. Obgleich das allgemeine Gesetz des Fort- und Rückschrittes für beide Erscheinungen dasselbe ist, so sind doch die Formen, in welchen sich die Integrirung und Differenzirung der Kräfte für eine jede derselben ausprägt, gleichfalls verschieden und werden auch in besondere Begriffe und Sprachausdrücke zusammengefasst. — In der ökonomischen Sphäre besteht die Integrirung der socialen Kräfte, was das sociale Nervensystem anbetrifft, in einer höher poteilzirten einheitlichen Wechselwirkung der individuellen Kräfte zum Zweck der Produktion, Vertheilung und Konsumtion von Nutzgegenstäiiden, also in einer immer tiefer gehenden und umfassenderen Solidarität aller einzelnen ökonomischen Kräfte und in der Unterordnung derselben den höheren Zwecken der Gesammtheit. Die höhere Differenzirung in der ökonomischen Sphäre besteht dagegen in einer mannigfaltigeren und höher potenzirten Specialisation der individuellen Kräfte, also in einer grösseren Theilung der Nerventhätigkeit, welche ihrerseits in einer ausgesprocheneren Specialisirung der einzelnen ökonomischen Sphären, in einer erhöhten Selbstthätigkeit und Entwickelungsfähigkeit des Individuums und der einzelnen Thätigkeitssphären im ökonomischen Gebiete sich kund thut. Die Zwischenzellensubstanz erreicht in der ökonomischen Sphäre eine höhere Integrirung durch Anhäufung von Kapitalien in allen Formen. »Geld ist Macht«, lautet ganz richtig ein bekanntes Sprüchwort. Gedanken ü b e r die SociolwUsenachaft d e r Zukunft. I I .

22

338 Die höhere Differenzirung der Zwischenzellensubstanz in der ökonomischen Sphäre besteht dagegen in einer grösseren Mannigfaltigkeit der Werthgegenstände, in einer zweckmässigeren Anpassung derselben an die verschiedensten Bedürfnisse des Menschen, in einer weiteren Verbreitung und Vertheilung derselben etc. — Dass alle diese Erscheinungen den physiologischen der Einzelorganismen vollständig analog sind, haben wir bereits bewiesen. — In der rechtlichen Sphäre, welche der morphologischen der Einzelorganismen entspricht, äussert sich der Fortschritt, was das sociale Nervensystem anbetrifft, durch eine höher potenzirte Einheitlichkeit der Thätigkeitsäusserungen der Individuen und der einzelnen socialen Gruppen vom Standpunkte der äusseren Abgrenzung ihrer Thätigkeiten aus betrachtet. Eine höher und besser organisirte richterliche Gewalt, bessere Civil- und Kriminalbehörden, die Unterordnung individueller, persönlicher, korporativer und Standesrechte unter das allgemeine Recht etc., in allem diesem prägt sich eine höhere Integrirung des socialen Nervensystems in der juridischen Sphäre aus. Das öffentliche Rechtsbewusstsein eines Volkes, eines Staates, das allgemeine Gewissen drückt die Verinnerlichung dieser Einheitlichkeit der Rechtsbestrebungen aus. Das Gewissen des Individuums bildet nur einen Bruchtheil des allgemeinen Gewissens, spiegelt dasselbe aber zugleich in seiner Allgemeinheit mit mehr oder weniger Klarheit, Treue und Mannigfaltigkeit ab, ebenso wie ein Tropfen im Ocean den Sternenhimmel abspiegelt -und ebenso wie die integrlrenden Bestandtheile eines jeden Tropfens mehr oder weniger denjenigen der anderen Tropfen gleichen. — Sowohl das öffentliche, als auch das individuelle Gewissen ist das Resultat einer unendlichen Zahl von Integrirungen äusserer Rechtsthätigkeiten, welche sich im Menschengeschlecht im Verlaufe seiner geschichtlichen Entwickelung durch allmälige Concentration in den einzelnen Individuen und im socialen Nervensystem verinnerlicht haben. Die Sittengesetze stellen also nichts mehr als verinnerlichte Rechtsverhältnisse dar und umgekehrt Rechtsgesetze sind veräusserlielite Sittengeseteze. Und da die juridische Seite der socialen Entwickelung nur eine höhere Potenzirung der morphologischen der Naturorganismen darstellt und Rechtsgesetze in Naturgesetzen begründet sind, so stellt der nach Sittengesetzen wirkende menschliche Wille auch eine Kraftpotenzirung dar, welche sich gleich allen übrigen Naturkräften in realen Formen nach

339 aussen ausprägt und welche ihre fortschreitende Entwickelung dadurch -an den Tag legt, dass sie eine immer grössere Integrirung und Differenzirung bekundet. — Die höhere Differenzirung in der Rechtssphäre thut sich ihrerseits durch eine- mannigfaltigere, genauere und umfassendere Abgrenzung und Specialisirung der Thätigkeitsäusserungen der Individuen und der einzelnen socialen Gruppen kund, also gleichfalls ganz analog mit dem, was bei einer fortschreitenden morphologischen Entwickelung der Einzelorganismen in der Natur vorgeht. Alles dieses gilt auch von der socialen Zwischenzellensubstanz im Bereiche der Rechtssphäre. In der politischen Sphäre, welche der einheitlichen der Einzelorganismen in der Natur entspricht, besteht die höhere Integrirung der Kräfte im Bereiche des socialen Nervensystems in einer zweckmässigeren Unterordnung des Niederen unter das Höhere, des Individuellen unter das Allgemeine vom Standpunkte der Persönlichheit des Menschen aus betrachtet. Einfluss, Macht etc., wenn sie das Resultat einer überwiegenden Persönlichkeit oder der Vereinigung politischer Rechte, Vorzüge etc. in den Händen einzelner Individuen oder Stände sind, prägen die Integrirung der politischen Kräfte im socialen Nervensystem aus. Dasselbe gilt auch in Betreff der Zwischenzellensubstanz, wenn man die in der Gesellschaft circulirenden Güter und Werthgegeustände in Betracht zieht. — Alle materiellen Mittel, über welche der Staat verfügt und welche er zu allgemeinen Zwecken verwendet, bilden Bestandtheile dieser Integrirung. Die Differenzirung der Kräfte in der politischen Sphäre findet für das sociale Nervensystem in der politischen Selbstständigkeit und Freiheit des Individuums und der einzelnen socialen Gruppen dem Staate gegenüber ihren Ausdruck. — Dasselbe gilt im Bereiche der Zwischenzellensubstanz, was die Produktion, Vertheilung und Konsumtion der Güter anbetrifft, als Gegensatz zu den Rechten und Ansprüchen des Staates und seiner Finanzwirthschaft. Hier wie in allen anderen Sphären besteht der Gegensatz in einer beständigen Aktion und Reaktion, in stets sich wiederholendem Fortschritt und Rückschritt, in einer immer höher potenzirten Differenzirung und Integrirung. Dasselbe Gesetz prägt sich in der geistigen Sphäre wiederum in anderen Formen aus, als in der materiellen. In der religiösen, Sphäre wird das sociale Nervensystem durch 32 •

340 diejenige Wechselwirkung der Individuen und der socialen Gesammtheiten, welche vom religiösen Gefühl und der Idee Gottes getragen wird, angeregt und entwickelt, und je mehr Einheit in dieser Wechselwirkung und je inniger und tiefer die Durchdringung des Gemüths durch das Gottesbewusstsein, desto höher die Integrirung des socialen Nervensystems nach dieser Richtung hin. Die Specialisation in der religiösen Sphäre besteht dagegen in der religiösen Freiheit, in der Durchdringung aller speciellen geistigen und ethischen Verrichtungen und Anschauungen einzelner Individuen und ganzer Gesammtheiten durch das religiöse Gefühl. — Die höher potenzirte Integrirung der Zwischenzellensubstanz in der religiösen Sphäre findet in der Concentrirung der materiellen Güter, über welche die Kirche verfugt, ihren Ausdruck, sowie die Differenzirung der Zwischenzellensubstanz in der religiösen Sphäre in der Mannigfaltigkeit und speciellen Vertheilung derselben Güter. — Dasselbe liesse sich auf die wissenschaftliche und auf alle anderen Sphären des geistigen und ethischen Lebens des Menschen und der Gesellschaft anwenden. — Zieht man die hervorragendsten Staatengebilde des Alterthums, des Mittelalters und der Neuzeit in Betracht, so drängt sich unwiderstehlich die Ueberzeugung auf, dass im Grossen und Ganzen im Verlaufe der Geschichte der Menschheit eine Potenzirung der Kräfte, eine höhere Differenzirung und Integrirung derselben stattgefunden hat. Das alte Indien und Aegypten mit ihrer Kasteneintheilung, sowie das alte Griechenland mit seiner Sklaverei und mit der Abgeschlossenheit der Frauen bieten zweifelsohne, trotz aller schönen Phrasen, im Grossen und Ganzen doch weniger Freiheit dar, als das europäische Mittelalter. Auch die Rechtsverhältnisse und das Rechtsbewusstsein des germanischen Mittelalters müssen, trotz zahlreicher individueller Rechts- und Machtüberschreitungen und trotz der Rauhheit der Sitten, dem Alterthum gegenüber als ein Fortschritt anerkannt werden. In dieser Hinsicht, wie auch nach manchen anderen Richtungen hin, bietet Rom einen Uebergang von der alten Welt zur Neuzeit. — Die politische Macht in den Staatengebilden des Mittelalters, namentlich das deutsche Königthum, bietet gleichfalls, trotz zahlreicher Einschränkungen und Verletzungen, denen sie preisgegeben war, doch ein mein- organisch gegliedertes Gebilde dar, als die staatliche Souverainität im Alterthum, Rom vielleicht ausgenommen.

341 Endlich wird Niemand bezweifeln, dass die Bedeutung des Grundeigenthums, dieser Hauptquelle der Erzeugung der socialen Zwischenzellensubstanz, im Mittelalter eine höhere war, als im Alterthum. — Aber noch klarer tritt das Ueberwiegen des organischen Elementes in der Entwickelung des germanischen Mittelalters hervor, wenn man die Beziehungen der Staaten unter einander in Betracht zieht. Das Völkerrecht, im weitesten Sinne des Wortes, ist ein Produkt des Mittelalters. Im Alterthum herrschte nach dieser Richtung die Gewalt und der Kampf um's Dasein in seiner rohesten Gestalt. Der plötzliche Untergang ganzer Völker und Staaten im Alterthum stellt eine Analogie mit dem vor, was in der anorganischen Natur durch plötzliche Ausbrüche unbezähmbarer mechanischer Kräfte an den Tag tritt. — Die alten Kastenstaaten zeichneten sich freilich durch ihre lange Dauer aus. Dieser Erscheinung lagen jedoch zwei Ursachen zu Grunde. Erstens die Isolirtheit und Abgeschlossenheit der einzelnen Kulturstaaten von der übrigen Welt, und zweitens das Ueberwiegen der durch die innere Abgeschlossenheit der Kasten bedingten conservativen Elemente. Die Ursache der Lebensfähigkeit und der langen Dauer der alten ägyptischen und indischen Staatsgebilde lag in dem Ueberwiegen der Dauerzellen den Bildungszellen gegenüber, also in demselben Grunde, aus welchem ein Baum eine längere Existenz fristet, als ein Thier. Eine solche Langlebigkeit könnte daher eher als Beweis einer unvollkommeneren als einer höheren Organisation angeführt werden. Dass die Kulturstaaten der Neuzeit in Hinsicht auf Eigenthum, Recht, Macht und Freiheit eine höher potenzirte Differenzirung und Integrirung darstellen und daher als höher organisirte Wesen, als die Staatengebilde des Mittelalters und des Alterthums anerkannt werden müssen, wird wohl Niemand bestreiten. Und dieses hat seine Vollgültigkeit sowohl in der materiellen, als auch in der geistigen Sphäre. Denn wenn auch die Griechen und Römer nach einigen rein ästhetischen Seiten hin, vorzugsweise im Gebiete der plastischen Künste, so Ausserordentliches geleistet haben, dass ihre Leistungen auch bis jetzt noch als etwas Unerreichbares erscheinen, so war solches gerade eine Folge der Einseitigkeit der antiken Bildung. Alle geistigen und ethischen Kräfte des Griechen waren vorzugsweise auf das Plastische in der Kunst gerichtet, was beim Mangel an wissenschaftlicher und

342 industrieller Bildung auch ganz natürlich war. Jedoch die höchste und die den Menschen nach der Poesie am tiefsten ergreifende aller Künste, die Musik, lag sowohl bei den Griechen, als auch bei den Römern noch in der Kindheit. Das Gottesbewusstsein war dabei überhaupt im AltertIi um bis zur Ausbreitung des Christenthums ein oberflächliches und verschwommenes. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass auch im geistigen und ethischen Gebiete die Menschheit der Neuzeit ein höher organisirtes Gebilde darstellt, als die einzelnen Kulturcentra des Alterthums. — Aber noch etwas Anderes giebt der modernen Kultur einen überwiegenden Vorzug vor derjenigen des Alterthums. Das ist das engere Zusammenfügen der einzelnen organischen Gesammtheiten des Menschengeschlechts zu einem Ganzen, eine Gemeinschaft, die im Alterthum nur sehr locker und mehr mechanischer Natur war. Dass aus einer solchen umfassenderen und engeren Wechselwirkung aller Theile der menschlichen Familie eine Potenzirung, eine höhere Integrirung und Differenzirung der socialen Kräfte hervorgehen musste und dass die fortschreitende Bewegung sich in Folge dessen mit einer immer grösseren Geschwindigkeit in der Zukunft fortpflanzen wird, liegt auf der Hand: das alles involvirt jedoch nichts absolut Neues, sondern ein nur immer höheres Werden aus dem Gewordenen. — Hand in Hand mit der Potenzirung der Organisation- der Gesellschaft musste auch die Integrirung und Differenzirung der höheren Nervenorgane des Individuums, welches im Grossen und Ganzen die Gesellschaft wiederspiegelt, fortschreiten. Und Niemand wird es auch bestreiten, dass der moderne Kulturmensch ein ethisch und geistig höheres Wesen ist, als der durchschnittliche antike Kulturmensch. Aber da auch jede höhere sociale Gemeinschaft, wie auch jeder höher entwickelte Organismus, im Uebereinander das Nacheinander der Geschichte und das Nebeneinander der Gegenwart in sich concentrirt, so giebt es auch noch jetzt in der modernen Gesellschaft sociale Schichten, die unter dem Niveau der antiken Civilisation stehen, wie es auch noch jetzt Völker giebt, die im Naturzustande leben. Die Kultur selbst besteht nur in einer höheren Potenzirung roher Kräfte und nicht in einer vollständigen Aufhebung derselben. Im Kampfe um das Höhere und Edlere wird der Gegner nie voll-

343 ständig vernichtet, sondern nur mehr oder weniger unterdrückt und den höheren Zwecken untergeordnet. — Weder der Fortschritt noch der Rückschritt geht gleichmassig oder gleichzeitig vor sich, sei es nun in der.Natur oder in der menschlichen Gesellschaft. Der eine wie der andere bildet keine Bewegung in gerader Linie, sondern äussert sich in den verschiedensten, oft unregelmässigsten Spirallinien. Die Entwickelung einer Seite einer Sphäre, einer socialen Kraft wird gewöhnlich auf Kosten einer oder mehrerer Anderer gewonnen und errungen: Eigenthum entwickelt sich auf Kosten des Rechtes, Recht auf Kosten der Macht, Macht auf Kosten von Recht und Freiheit, diese auf Kosten von Eigenthum, Recht oder Macht, die geistige Sphäre auf Kosten der materiellen und in der geistigen Sphäre Religion auf Kosten der Wissenschaft, letztere auf Kosten der Kunst, die höheren Stände auf Kosten der Masse des Volkes oder die niederen Schichten auf Kosten der höheren, die sociale Zwischenzellensubstanz auf Kosten des socialen Nervensystems et vice versa, die höheren Nervenorgane auf Kosten der niederen, diese auf Kosten der höheren etc. — Das sociale Leben, wie auch das Naturleben, die sociale Entwickelung wie auch die Entwickelung der Naturkräfte bestehen in einer steten Aktion und Reaktion, in einem beständigen Kampf um's Dasein, in welchem das Stärkere, Lebensfähigere den Sieg davon trägt. Daher kann, wie in der Natur, so auch in der menschlichen Gesellschaft nur das allgemeine Resultat, nur die durchschnittliche Bewegung für eine gegebene Epoche darüber entscheiden, ob eine fortschreitende oder rückschreitende Bewegung stattgefunden hat. Der Fortschritt kann aber sowohl in der geistigen, als auch in der materiellen Sphäre immer nur in einer höheren Integrirung und Differenzirung der socialen Kräfte bestehen, sowie der Rückschritt in einem Herabsinken in der Potenzirung der Kräfte. — Und diese Erscheinung ist auf ein allgemeines Gesetz gegründet, welches sowohl auf die menschliche Gesellschaft, als auch auf die Natur Anwendung findet. Den Fort- und Rückschritt in den einzelnen Sphären der socialen Entwickelung werden wir noch besonders für jede specielle Sphäre in dem dritten Theile unseres Werkes zu ergründen suchen und so die vollständige Uebereinstimmung der socialen Gesetze mit den Naturgesetzen klar legen.

344

XIY.

Reaktionär, konservativ, liberal, radikal. Fasst man die realen Analogien zwischen der menschlichen Gesellschaft und den Einzelorganismen der Natur richtig auf, eo erhalten auch diejenigen Begriffe und Anschauungen im socialen Gebiete, welche jetzt durch ihre Unbestimmtheit und Unklarheit noch so manchen Kopf verwirren und noch so zahlreiche Leidenschaften erregen, eine klare, die Leidenschaften beschwichtigende Bedeutung. So können denn auch nach allem oben Gesagten unter Anderem auch die Begriffe: reaktionär, konservativ, liberal, radikal, welche als eben so viel Schlachtrosse im bunten Gewirre der politischen und socialen Parteien in allen möglichen, oft eqtgegengesetzten Bedeutungen, gewöhnlich aber als Scheltworte, die man dem Gegner in's Gesicht wirft, gebraucht werden, vom realen Standpunkt aus auf eine ganz natürliche Weise erklärt und festgestellt werden. Um jedem Missverständniss in der Abgrenzung und Bestimmung dieser Begriffe vorzubeugen, muss man vor Allem die doppelte Bedeutung, in der man sie auffassen kann, sich vergegenwärtigen. Unter reaktionär kann man im weiteren Sinne das Zurückgehen zu dem Vergangenen und Abgelebten überhaupt verstehen und nicht etwa die Erhaltung oder Wiederherstellung speciell ultraconservativer Principien. Ebenso kann man unter konservativ das Festhalten an dem einmal Bestehenden, unter liberal und radikal das allmälige oder plötzliche Herausgehen und Sichabtrennen von dem Bestehenden überhaupt sich vorstellen, aberschienr den Naturforschern wenigstens, absolut sinnlos. Von den vielen ausgezeichneten Naturforschern jener Zeit fand sich nicht ein Einziger, der sich mit den Hegel'schen Ideen hätte befreunden können. Da es andererseits für H e g e l vtfn besonderer Wichtigkeit war, gerade in diesem Felde sich Anerkennung zu erfechten, die er anderwärts so reichlich gefunden hatte, so folgte eine ungewöhnlich leidenschaftliche und erbitterte Polemik von seiner Seite, die namentlich gegen J. N e w t o n , als den ersten und grössten Repräsentanten der wissenschaftlichen Naturforschung, gerichtet war. Die Naturforscher wurden von den Philosophen der Bornirtheit geziehen, die letzteren von den ersteren der Sinnlosigkeit. Die Naturforscher fingen nun an ein gewisses Gewicht darauf zu legen, dass ihre Arbeiten ganz frei von allen philosophischen Einflüssen gehalten seien, und es kam bald dahin, da6S viele von ihnen, und zwar selbst Männer von hervorragender Bedeutung, alle Philosophie nicht nur als unnütz, sondern selbst als schädliche Träumerei verdammten. — Wir können nicht leugnen, dass hierbei mit den ungerechtfertigten Ansprüchen, welche die Identitätsphilosophie auf Unterordnung der übrigen Disciplinen erhob, auch die berechtigten Ansprüche der Philosophie, nämlich die Kritik der Erkenntnissquellen auszuüben und den Maassstab der geistigen Arbeit festzustellen, über Bord geworfen wurden.« >In den Geisteswissenschaften war der Verlauf ein anderer, wenn er auch schliesslich ziemlich zu demselben Resultate führte.« »In allen Zweigen der Wissenschaft, für Religion, Staat, Recht, Kunst, Sprache, standen begeisterte Anhänger der Hegel'schen Philosophie auf, welche jeder sein Gebiet im Sinne dieser Lehre zu reformiren und schnell auf spekulativem Wege Früchte ein-

367 zusammeln sachten, denen man sich bis dahin nur langsam durch langwierige Arbeit genähert hatte. So stellte sich eine Zeit lang ein schneidender und scharfer Gegensatz zwischen den Naturwissenschaften auf der einen und den Geisteswissenschaften auf der anderen Seite her, wobei den ersteren nicht selten der Charakter der Wissenschaft ganz abgesprochen wurde.«*) Seitdem hat die Hegel'sche Philosophie immer mehr an Boden verloren. Eine eigentliche philosophische Schule im umfassendsten Sinne, ein philosophisches System als Ganzes, ist seitdem auch nicht entstanden. Und dem Schicksal der Philosophie H e g e l ' s sind bis jetzt alle philosophischen Systeme erlegen. — Was ist nun, fragen wir wieder, die Ursache dieser Erscheinung? Auf diese Frage ist nur eine Antwort möglich: die Ursache dieser Erscheinung liegt in den philosophischen Systemen selbst, nämlich darin, dass die Schöpfer dieser Systeme entweder unlogisch und unsystematisch, oder einseitig, oder endlich oberflächlich gedacht haben. Nicht etwa, dass wir uns anmaassen würden, Alles, was bis jetzt im Gebiete der Philosophie Grosses und Schönes geleistet worden ist, niederzureissen und zu verurtheilen. Im Gegentheil, wir zollen volle Bewunderung den hellen Lichtstrahlen, die bereits die Denker des Alterthums uns herüber gesandt haben, sowie den genialen Anstrengungen und Versuchen der grossen Philosophen der Neuzeit, ein nach allen Seiten hin ausgearbeitetes, das ganze Weltall umfassendes philosophisches System zu begründen. Grosses und Dauerhaftes ist in einzelnen Gebieten der Philosophie von diesen Geistern geleistet worden, und muss als unentäusserliche Errungenschaft der Wissenschaft anerkannt werden. Jedoch als Ganzes betrachtet, müssen auch diese Systeme, wie die des Alterthums, als einseitig und unvollständig erklärt werden. — Die atomistische Theorie des L e u c i p p u s und D e m o k r i t dient auch noch jetzt, wie A. N a g u e t es bemerkt (De Tatomiti cifS), als Grundlage für die Erklärungen der chemischen Verwandtschaften. Aus der Metaphysik des A r i s t o t e l e s ersieht man, dass P l a t o in mancher Hinsicht mit den Ansichten Her a k l i t ' s über das Fliessen aller Erscheinungen überein*) H. H e l m h o l t z , populäre wissenschaftliche Vorträge, 1865, S. 8. H. L

368 stimmte und dieses Ineinan derfliessen bildet jetzt die Grundlage der Descendenztheorie. Diejenige Systematisirung der Wissenschaften, welche bereits von A r i s t o t e l e s angenommen worden ist, muss auch bis jetzt als die zweckentsprechendste anerkannt werden. Die Bewegung, die Umwandlung der-Elemente, das Pflanzen-, Thier- und Menschenreich, das sind die verschiedenen Kategorien, die A r i s t o t e l e s in seiner Eintheilung als Grundlage annimmt. Auch hat A r i s t o t e l e s sich bereits dahin ausgesprochen, dass die Natur von einer Art zur anderen durch unmerkliche Stufen übergeht und dass vom Menschen bis zur gefühllosen Materie sich Alles durch ein unlösbares Band aneinanderhält. — Somit hat schon Aristoteles den Grundgedanken der Descendenztheorie ausgesprochen. — Dass das Sein und das Denken, die Entwickelung der objektiven Welt und des menschlichen Geistes, die Gesetze der Natur und der Logik identisch seien, hat schon A n a x a g o r a s ausgesprochen, indem er die Uebereinstimmung zwischen dem >Nus< und der Welt lehrte. H e g e l sagt, dass A n a x a g o r a s damit den Grund zu einer Intellektualansicht des Universums gelegt habe, deren reine Gestalt die Logik sein muss. Es ist, nach H e g e l , in ihr nicht um ein Denken über Etwas, das für sich ausser dem Denken zu Grunde läge, zu thun, um Formen, welche blosse Merkmale der Wahrheit abgeben sollten; sondern die n o t wendigen Formen und eigenen Bestimmungen des Denkens sind der Inhalt und die höchste Wahrheit selbst.*) Das sind aber immer nur einzelne Lichtstrahlen, welche das Ganze nur einseitig und momentan beleuchten. — Da man unmöglich voraussetzen kann, dass die Welt an und für sich etwas Unlogisches oder Unzusammenhängendes darstelle, so muss, wie gesagt, der Grund der Unzulänglichkeit der bisbisherigen philosophischen Systeme in dem einseitigen Denkvermögen der Gründer derselben gesucht werden. Das Logische und Zusammenhängende, welches uns sowohl die Welt, als auch der Mensch selbst, nicht nur vom objektiven, sondern auch vom subjektiven Standpunkte aus betrachtet, darbietet, haben alle Philosophen anerkannt; ja, nur unter Anerkennung dieser Wahrheit konnten sie überhaupt zu einer systematischen Weltbetrach*) H e g e l : Wissenschaft der Logik. III. Bd., S. 36 (Ausg. 1833).

369 tung schreiten. — Da nun die Welt sammt dem Menschen ein vollständig abgeschlossenes und zusammenhängendes System bildet, so fragt es sich, wie konnte es geschehen, dass alle philosophischen Systeme, vom Standpunkte ihrer Vollständigkeit und Allseitigkeit aus betrachtet — und ein philosophisches System hat ja überhaupt nur insofern einen Werth, als es nach allen Seiten hin die Welt und den Menschen erklärt — wie war es möglich, dass alle derartigen Versuche bis jetzt missglückt sind? — Auf diese Frage kann wiederum nur dieselbe Antwort erfolgen: weil jene Systeme, als Ganses, unlogisch, unsystematisch und einseitig gedacht worden sind. — Fragen wir nun weiter, worin der Grund des Scheiterns der Bemühungen so vieler grosser Geister und des Fehlschlagens so vieler mühevoller Bestrebungen bis jetzt vorzugsweise im Gebiete der Philosophie gelegen hat? Die Errungenschaften der Naturkunde wachsen mit jedem Jahre und bilden feste, unbestrittene ja unentäusserliche Eroberungen des menschlichen Geistes; in der Philosophie dagegen verdrängt ein System das andere und was von einer Schule in einem Jahrhundert als absolute Wahrheit, als letztes Wort der menschlichen Erkenntniss gepriesen und gepredigt worden ist, wird in einem anderen Jahrhundert von jener als Unwahrheit, ja selbst als Unsinn bezeichnet. Der Grund dieser Erscheinung liegt darin, dass die Naturkunde sich auf einen realen Boden stützt, auf die durch n o t wendige Naturgesetze bedingten Erscheinungen. Dieser reale Boden hat der Philosophie in den Gebieten der höheren Erkenntniss in der Logik, der Ethik, der Religion, der Sociologie, der Geschichte bis jetzt gefehlt, weshalb sie denn auch fast ausschliesslich auf aprioristische Gedankenschlüsse angewiesen war. Diese aprioristischen Gedankenschlüsse, denen der reale Boden mangelte, waren die Ursache der Verirrungen des menschlichen Geistes auf dem philosophischen Gebiete. Darin liegt auch bis jetzt noch der Grund des Zwiespaltes zwischen der idealistischen und materialistischen Weltanschauung. Durch die Anerkennung der menschlichen Gesellschaft als realen Organismus wird aber gerade dieser reale Boden gewonnen. Von nun an wird erst ein auf Realitäten fussendes systematisch-philosophisches Denken, ein logisches und alle Seiten des Seins umfassendes philosophisches System möglich. — Manchem mag diese Behauptung anmassend klingen. Wir scheuen uns jedoch nicht, eine Ueberzeugung klar Gedanken Uber die Socialwissemchaft der Zaknaft. I I .

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370 und bestimmt auszusprechen, sobald wir eine solche gewonnen haben. Es wäre unsererseits Kleinmuth und würde der "Wichtigkeit unseres Standpunktes nicht entsprechen, wenn wir in solchem Falle es nicht thäten. — Bis jetzt konnte man sich in der Philosophie, Ethik, Religion etc. nur bis zu einer sehr geringen Höhe erheben, ohne den realen Boden unter sich schwinden zu sehen. Bei Anerkennung der menschlichen Gesellschaft als realen Organismus Erhalten alle diese Gebiete ein reales Substrat bis in die höchsten und idealsten Regionen des menschlichen Denkens. Freilich auch unter solchen Verhältnissen sind einseitige und mangelhafte philosophische Systeme möglich, aber der Boden, der beackert werden muss, ist zum wenigsten gegeben. Die Früchte, die er künftig tragen wird, werden vom geistigen Arbeiter selbst abhängen. Den Begriff der Philosophie selbst hat, nach unserer Meinung, in neuerer Zeit am treffendsten der englische. Philosoph Herbert S p e n c e r definirt. »Was hat nun«, fragt Herbert S p e n c e r , * ) >der allzuweite deutsche Begriff gemein mit der unter englischen Gelehrten gangbaren Auffassung? — welche übrigens, so beschränkt und roh sie auch ist, doch nicht 60 beschränkt und roh ist, wie man nach ihrem Missbrauch des Wortes »philosophische vermuthen könnte. Sie haben«, antwortet S p e n c e r , »das gemein, dass weder Deutsche noch Engländer das Wort auf unsystematisirtes Wissen anwenden, auf Wissen, was in gar keinem Zusammenhang mit anderem Wissen steht. Auch der eingefleischteste Specialist würde eine Arbeit nicht für philosophisch erklären, die lauter Details behandelte, ohne eine Einsicht in die Tragweite dieser Details in Bezug auf höhere Wahrheiten zu verratlien.« — S p e n c e r definirt alsdann die Philosophie, — und wir können ihm in dieser Hinsicht nur vollständig beistimmen — als >die Erkenntniss von der allerhöchsten Allgemeinlieit.< »Wenn wir«, sagt er,**) »das Fliessen eines Stromes derselben Kraft zuschreiben, welche das Fallen eines Steines verursacht, so stellen wir damit einen Satz auf, der, richtig in Bezug auf dfis was er umfasst, zu einer bestimmten Abtheilung der Wissenschaft gehört. Wenn wir behufs weiterer Erklärung einer durch die Schwerkraft, aber in beinahe horizontaler Richtung liervorge*) H. S p e n c e r : Grundlagen der Philosophie, übers, v. V e t t e r , S. 128. **) Ebendas., S. 130.

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brachten Bewegung das Gesetz anführen, dass der Einwirkung mechanischer Kräfte ausgesetzte Flüssigkeiten einen Gegendruck ausüben, der nach allen Bichtungen gleich ist, so formuliren wir damit eine umfassendere Thatsache, welche die wissenschaftliche Erklärung mancher anderen Erscheinungen mit enthält, wie z. B. derjenigen, welche der Springbrunnen, die hydraulische Presse, die Dampfmaschine, die Luftpumpe darbieten. Und wenn dieser Satz, der sich blos auf die Dynamik der Flüssigkeiten bezieht, in einen Lehrsatz der allgemeinen Dynamik aufgeht, welcher die Bewegungsgesetze der festen sowohl, wie der flüssigen Körper in sich begreift, so ist damit eine noch höhere Wahrheit erreicht, immerhin aber eine Wahrheit, die noch ganz innerhalb des Gebietes der Wissenschaft fällt.« Nun geht S p e n c e r zu immer umfangreicheren Gesetzen und Wahrheiten der empirischen Wissenschaft über, unter welcher er die Wissenschaft im engeren Sinne versteht, und antwortet alsdann auf die Frage: »Was ist die Aufgabe der Philosophie?«*) mit folgenden Worten: »Ihre Aufgabe ist, den bezeichneten Process noch um eine Stufe weiter zu führen. So lange diese Wahrheiten nur gesondert erkannt und als von einander unabhängig angesehen werden, kann auch die allgemeinste derselben nur in ganz ungenauer Sprechweise philosophisch genannt werden. Wenn sie aber alle auf ein einfaches mechanisches Axiom, einen Grundsatz der Molecularphysik und ein Gesetz der socialen Vorgänge zurückgeführt sind und nun allesammt als Folgesätze irgend einer höchsten Wahrheit betrachtet werden, dann erheben wir uns zu der Art von Erkenntniss, welche eben Philosophie im wahren Sinne ist.« »Die Wahrheiten der Philosophie stehen also in derselben Beziehung zu den höchsten wissenschaftlichen Wahrheiten, wie jede von diesen zu solchen einer niedrigeren Stufe. Wie jede weitere Verallgemeinerung der Wissenschaft die beschränkteren Verallgemeinerungen ihrer eigenen Abtheilung umfasst und befestigt, so umfassen und befestigen die Verallgemeinerungen der Philosophie die weitesten Verallgemeinerungen der Wissenschaft. Sie ist somit eine Erkenntnisä, welche ihrem Wesen nach im grössten Gegensatze steht zu derjenigen, welche die Erfahrung zuerst ansammelt. Sie ist das Endresultat jenes Processes, welcher *) Ebendaa., S. 131. 24 *

372 mit der Uossen Aneinanderreihung roher Beobachtungen beginnt, sich in der Aufstellung allgemeinerer nnd immer mehr von besonderen Fällen abgelöster Sätze weiter entwickelt nnd mit Universalgesetzen abschliesst. Oder um eine Definition in einfachster nnd klarster Form zu geben: Wissen der niedrigsten Art ist noch nicht vereinheitlichte Erkenntniss; Wissenschaft ist theiltceise vereinheitlichte Erkenntniss; Philosophie ist vollkommen vereinheitlichte Erkenntnisse Nun beweist aber S p e n c e r selbst, dass überhaupt nur das Relative unserer Erkenntniss zugänglich ist. Die Einheitlichkeit der Erkenntniss kann daher nicht in irgend einem absoluten Begriff ihren Stützpunkt finden, sondern allein in einem verallgemeinerten Zusammenfassen relativer Begriffe, in einem so allgemeinen Gesetze, welches alle Relationen in der Natur und im Menschen, sowie auch zwischen Natur und Mensch, in sich schlieBsen würde. Welches ist nun das allgemeinste aller Naturgesetze, das, sowohl den Menschen, als auch die Welt umfassend, als Grundlage eines allseitigen, zusammenhängenden. philosophischen Systems dienen könnte? — Wir finden dieses Gesetz in der Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander sowohl in den Naturerscheinungen, als auch im Menschen, als Individuum, nnd in der menschlichen Gesellschaft, als Theil der Natur. Dieses Gesetz umfasst alle Verhältnisse, alle Beziehungen von Kraft und Stoff, Geist und Materie, Subjekt und Objekt, sowie auch die Beziehungen aller einzelnen Erscheinungen sowohl in der Natur, als auch im Menschen selbst und in der menschlichen Gesellschaft. Ausserhalb dieses Gesetzes und der Verhältnisse, denen es zu Grunde liegt, kann es nur das Absolute geben und wenn nach einem philosophischen Systeme nur das Absolute als unauflösbarer Best zurückbleibt, dann, aber nur dann ist der Beweis vorhanden, dass das System kein einseitiges und kein unzusammenhängendes ist. Wer den dreifachen Parallelismus des Nach-, Neben- und Uebereinander allseitig und zusammenhängend auffasst, muss alle Erscheinungen in ihrem Kausal- und Zweckmässigkeitsverhältnisse, sowohl vom subjektiven, als auch vom objektiven Standpunkte aus richtig auffassen und begründen. Unter dieser Voraussetzung würde der wahre Idealismus bestrebt sein, dieses allgemeine Gesetz nur verhültnissmüssig mehr

373 vom subjektiven Standpunkte aus zu ergründen, namentlich vom Standpunkte der Zweckmässigkeit, Geistigkeit und Freiheit. Der wahre Materialismus würde alsdann dasselbe Gesetz nur von einem verhältnissmässig anderen Gesichtspunkte aus betrachten und zu beleuchten suchen: von dem Gesichtspunkte der Kausalität, der Materialität und der Notwendigkeit aus. Zwischen beiden Systemen wird alsdann keine unübersteigliche Kluft bestehen, wie es jetzt der Fall ist, sondern ein flüssiges Verhältniss, welches •ein und dasselbe Gesetz zur Grundlage haben wird. Der Skepticismus, Kriticismus und Empirismus bilden nicht selbstständige philosophische Systeme, sondern werden nur durch verschiedene Methoden bedingt. Sowohl der Idealist, als auch der Materialist kann zugleich Skeptiker und Kritiker, und letzterer auch Empiriker sein. Die Begriffe von Subjekt und Objekt, von Idealität und Realität, Geist und Materie, Kausalität und Zweckmässigkeit, N o t wendigkeit und Freiheit müssen nicht nur als etwas Relatives, sondern als etwas allmälig in einander Uebergehendes, etwas Flüssiges, als etwas das Eine ohne das Andere Undenkbares aufgefasst werden, gleichwie die Begriffe von Wärme und Kälte, von oben und unten, von Liebe und Hass, von Recht und Unrecht. Wie wir nicht im Stande sind, in der Natur zu bestimmen, wo die Kälte aufhört und die Wärme beginnt, oder einen qualitativen Unterschied zwischen beiden zu finden, ebensowenig können wir es für die obenbezeichneten Begriffe thun. Von einem absoluten Subjekt, vom absoluten Ich, von der absoluten Freiheit etc. sprechen, denen ein absolutes Objekt oder »Ding an sich Wille«, auf welchen sich sein ganzes System stützt, doch nur ein anderes Wort für Kraft ist. Wir wiederholen, es muss jedoch eine allgemeine Formel gehen, die alle Relationen: Geist und Materie, Kausalität und Zweckmässigkeit, Notwendigkeit und Freiheit, Subjekt und Objekt, Zeit und Raum in sich schliesst und nur das Absolute als Rest hinterlässt. In der Uebereinstimmung des Nach-, Nebenund Uebereinander glauben wir, diese Formel gefunden haben. Sie umfasst alle Verhältnisse, alle Relationen, weil sie nicht nur die Uebereinstimmung zwischen den allgemeinsten Zeit- und Raumbegriffen, zwischen Zahlen- und Ausdehnungsverhältnissen umfasst, sondern auch das Verhältniss, in welchem jede einzelne Erscheinung in Raum und Zeit zu allen anderen Erscheinungen im Weltall steht. Dieser Formel hat sich von allen Philosophen H e g e l am meisten genähert. — So sagt auch H e r m a n n : »Die einzelnen Theile einer Sache oder eines Begriffes, welche an und für sich oder ihrer gegebenen natürlichen Wirklichkeit nach sich in dem Verhältnisse eines Nebeneinander oder einer äusseren Coordination befinden, diese ordnen sich im Lichte der Auffassung H e g e l ' s in Rücksicht ihres geistigen Wesens oder Gehaltes als eine Reihe von Stufen in der Form eines Nacheinander oder einer Succession auf einer zusammenhängenden Linie des Werdens oder der Entfaltung und das Interesse H e g e l ' s ist überall darauf gerichtet, jedem einzelnen Theile des Seins die ihm gebührende Stelle auf dieser ganzen Linie eines geistigen Entwickelungsprocesses anzuweisen. Das Werden aber als die natürliche Form des Seins ist bei H e g e l auch selbstverständlich zugleich diejenige der Wissenschaft, da in dem Lichte seiner Auffassung die Bewegung des erkennenden Denkens überall nur eine Wiederholung oder eine Parallele des eigenen geistigen Entwickelungsprocesses des Seins selbst sein kann.»entlegene Vergangenheit«< Die Zeit ist eine unendliche Linie, der Raum ein unendlicher Würfel, dessen Mittelpunkt überall ist; die drei Linien, welche wir Länge, Breite, Tiefe nennen, sind sich ganz gleich und eine kann für die andere gelten. Das Zusammenfallen von Raum und Zeit in einem relativen Moment giebt den Ort. — Das Wesen der Dinge ist als ein Geistiges nicht in Raum und Zeit, aber als Erscheinung doch wieder in denselben.«*) Die Begriffe von Zeit und Raum sind ideell, insofern sie subjektiv sind, insofern sie eine Verallgemeinerung der einzelnen, ausserhalb uns sich ausprägenden Naturkräfte sind. Jedoch von diesem Standpunkt aus sind auch alle übrigen Begriffe, die irgend eine Verallgemeinerung in sich schliessen, ideell, sowie alle Begriffe gleichzeitig auch subjektiv sind, weil wir überhaupt die objektiven Erscheinungen nur durch unsere Sinne auffassen können. Daher sind die Begriffe von Zeit und Raum uns eben so viel oder eben so wenig angeboren, wie alle anderen Begriffe. Eben so. viel — weil auch alle anderen Begriffe subjektive, nur uns zugehörige sind; eben so wenig — weil wir immer doch nur einen integrirenden Theil des Ganzen bilden, weil das Uebereinander, welches unsere Anschauungen, Gefühle, unseren Intellekt darstellt, immer nur dem Nach- und Nebeneinander der Natur entsprechen kann und daher in uns Nichts absolut Verschiedenes sein kann von dem, was uns die objektive Welt bietet. »Weil wir«, sagt P e r t y , »in Uebereinstimmung mit der Natur geschaffen sind, weil zwischen Auge und Licht, Ohr und Ton, allen Sinnen und ihren Objekten dieselbe prästäbilirte Harmonie wie zwischen Sein und Vernunft herrscht, weil das SinnlichAeussere und das Dynamisch - Innere übereinstimmen, weil die *) M. P e r t y , S. 11.

die Natur im Lichte philosophischer Anschauung, 1869,

382 Zahlen- und Denkgesetze des menschlichen Geistes auch in der Natur gelten, so dürfen wir uns zur Erkenntniss der Natur befähigt halten. Zwar sind die von uns aufgestellten sogenannten Naturgesetze oft nur einer vorübergehenden Zeitanschauung entsprungen, aber wir vermögen nach und nach auch die wahren ewigen Gesetze zu erkennen, weil der unendliche Geist, der sie gegeben hat, in uns, wie in der Natur lebendig ist.«*) Da wir selbst nur allmälig, Schritt vor Schritt, aus dem Nach- und Nebeneinander entstanden sind, so würde im entgegengesetzen Falle zu bestimmen sein, in welchem Moment dieses absolut Verschiedene ¿um Menschen hinüber gekommen ist. Die Religion hat bis jetzt dergleichen Momente durch besondere Schöpfungsakte des höchsten Wesens zu erklären gesucht. Die neueste Naturwissenschaft sucht dagegen alle Eigenschaften und Strebungen des Menschen aus der allmäligen Potenzirung der Naturkräfte zu erklären. Diese Erklärung schliesst nicht nothwendig ein Negiren des höchsten Wesens, des Schöpfers der Welt, in sich, obgleich die Theologen der Naturkunde diesen Vorwurf machen und einige Naturforscher wirklich solche Consequenzen gezogen haben. Dagegen giebt es aber auch eben so Naturforscher, wie Philosophen und sogar Theologen, die in der neueren Naturanschauung mit Recht eine Erhöhung des Gottesbewusstseins der Menschheit erblicken, indem durch Ergrtindung der gesetzmässigen Harmonie, die alle Erscheinungen des Weltalls, den Menschen mit inbegriffen, umfasst, das Zufällige und Willkürliche des Schöpfungsaktes beseitigt, alle Widersprüche zwischen Religion und Wissenschaft, zwischen Ideellem und Realem, zwischen Geist und Materie aufgehoben werden und das Weltall als ein Harmonisches, zu einem höheren Ziele Schreitendes aufgefasst wird. Der Abscheu gegen das »Materielle« wird durch dasselbe Gefühl bedingt, nach welchem eine höhere Thierspecies eine niedere hasst und verfolgt. Der Hass ist jedoch kein schöpferisches Gefühl. Indem wir die niederen Stufen der Kraftpotenzirungen als etwas tief unter uns stehendes betrachten müssen, sollen wir uns jedoch über dieselben erheben, nicht durch Verneinen und Abstossen, sondern durch noch höheres Potenziren derselben Kräfte. Der Geist muss die Materie beherrschen, indem er sie *) Ebendas., S. 7.

383 zu höheren Zielen lenkt und nicht, indem er sie zu vernichten strebt. Unser Leib muss nicht ausgehungert und gemartert, sondern gepflegt und geschont werden, jedoch nicht des Fleisches,' sondern des Geistes wegen. Die materiellen Interessen der Menschheit müssen gefordert und entwickelt werden, und wiederum nicht um die thierischen Instinkte zu befriedigen, sondern um Religion, Moral, Kunst und Wissenschaft zu fördern und den Menschen den höheren Zielen näher zü bringen. Das ist die neuere Weltanschauung, auf Natur und Leben basirt, als Gegensatz zu der früheren indisch-jüdischen, die auf den absoluten Gegensatz zwischen Geist und Materie, zwischen Ideellem und Reellem gegründet iBt und auf Verfolgen, Vernichten, Unterdrücken alles Fleischlichen im Menschen und alles Materiellen in der Gesellschaft losging. Davon stammen auch ab die zu uns herübergekommenen Ideen von einem absoluten Gegensatz zwischen Kirche und Staat, zwischen Wissenschaft und Religion, zwischen Naturkunde und Theologie, daher der absolute Zwiespalt in der Philosophie und im Herzen des Menschen. — Die neuere Weltanschauung ist eine versöhnende, friedenbringende, als Gegensatz zu d$r früheren, die eine kriegerische, den Gegner vernichtende war. — Möge man daraus folgern, ob wir in einem Fortschritt oder Rückschritt begriffen sind. Auf diese Weise wird jedoch der Fortschritt von nur Wenigen aufgefasst. Die Einen sehen in der Bestrebung, die materiellen Interessen zu heben, einen Verderb, die Anderen negiren wirklich alle höheren Strebungen der Menschheit. Doch diese Gegensätze werden und müssen sich ausgleichen; aus dem erbitterten Kampfe kann nur die Wahrheit hervorgehen. — Indem wir diese allgemeinen Zusammenstellungen der Beurtheilüng des Lesers anheimstellen, haben wir kein nach allen Richtungen hin ausgearbeitetes philosophisches System schaffen wollen. Unsere Absicht lag nur darin, den Beweis zu liefern, dass der Begriff der Realität der menschlichen Gesellschaft als Organismus bis in die höchsten Regionen des menschlichen Denkens seine fruchtbringende Bedeutung haben wird. Auch erklären wir im Voraus, dass wir unseren Gegnern, die bereits zahlreich genug sind, nicht auf diesem Boden der allgemeinen Begriffe begegnen werden, obgleich sich am meisten solche Liebhaber finden würden, die gerade auf diesem Boden ihre Angriffe gegen uns richten möchten. Der Kern unserer Anschauung liegt in der

384 Anerkennung der menschlichen Gesellschaft als realen Organismus. Wer es ernsthaft und ehrlich mit der wissenschaftlichen Wahrheit meint, muss, wenn er unsere Anschauung nicht theilt, uns auf diesem Boden angreifen, indem er diejenigen Beweise widerlegt, auf denen wir die reale Analogie zwischen der menschlichen Gesellschaft und den Naturorganismen begründet haben.

XYI.

Philosophie der Geschichte. Wie die ganze Philosophie überhaupt, so erhält auch die Philosophie der Geschichte erst durch Anerkennung der menschlichen Gesellschaft als realen Organismus eine feste Grundlage. In Folge dessen muss auch der Benennung: Philosophie der Geschichte, dieselbe Bedeutung zuerkannt werden, wie die Naturphilosophie sie hat. Den Gegenstand der Naturphilosophie bildet die Ergründung der allgemeinen Gesetze, Analogien und Homologien, welche den Erscheinungen in der Natur überhaupt zu Grunde liegen. Die Methode der Naturphilosophie ist also keine rein aprioristische — und eine solche, wie auch eine rein empirische, kann es überhaupt nicht geben, — sondern sie nimmt nur in einem verhältnissmässig höherem Grade der Naturkunde gegenüber den ideellen Coefficienten in sich auf. Die Methode, die Grundlage der Forschung, ist für die Naturphilosophie, wie auch für die einzelnen Zweige der Naturkunde dieselbe; nur ist das Gebiet für den philosophischen Theil einer jeden speciellen Wissenschaft ein umfassenderes und daher ist auch die Zusammenstellung der Erscheinungen eine allgemeinere. — Ganz in demselben Verhältniss, in welchem die Naturphilosophie zu den einzelnen Zweigen der Naturkunde steht, muss daher auch die Philosophie der Geschichte zu den verschiedenen Gebieten der Geschichte stehen. Denn die Geschichte ist gleich der Naturkunde eine beobachtende, also eine empirische Wissenschaft. Ihre Beobachtungen gründen sich freilich nicht Vorzugs-

384 Anerkennung der menschlichen Gesellschaft als realen Organismus. Wer es ernsthaft und ehrlich mit der wissenschaftlichen Wahrheit meint, muss, wenn er unsere Anschauung nicht theilt, uns auf diesem Boden angreifen, indem er diejenigen Beweise widerlegt, auf denen wir die reale Analogie zwischen der menschlichen Gesellschaft und den Naturorganismen begründet haben.

XYI.

Philosophie der Geschichte. Wie die ganze Philosophie überhaupt, so erhält auch die Philosophie der Geschichte erst durch Anerkennung der menschlichen Gesellschaft als realen Organismus eine feste Grundlage. In Folge dessen muss auch der Benennung: Philosophie der Geschichte, dieselbe Bedeutung zuerkannt werden, wie die Naturphilosophie sie hat. Den Gegenstand der Naturphilosophie bildet die Ergründung der allgemeinen Gesetze, Analogien und Homologien, welche den Erscheinungen in der Natur überhaupt zu Grunde liegen. Die Methode der Naturphilosophie ist also keine rein aprioristische — und eine solche, wie auch eine rein empirische, kann es überhaupt nicht geben, — sondern sie nimmt nur in einem verhältnissmässig höherem Grade der Naturkunde gegenüber den ideellen Coefficienten in sich auf. Die Methode, die Grundlage der Forschung, ist für die Naturphilosophie, wie auch für die einzelnen Zweige der Naturkunde dieselbe; nur ist das Gebiet für den philosophischen Theil einer jeden speciellen Wissenschaft ein umfassenderes und daher ist auch die Zusammenstellung der Erscheinungen eine allgemeinere. — Ganz in demselben Verhältniss, in welchem die Naturphilosophie zu den einzelnen Zweigen der Naturkunde steht, muss daher auch die Philosophie der Geschichte zu den verschiedenen Gebieten der Geschichte stehen. Denn die Geschichte ist gleich der Naturkunde eine beobachtende, also eine empirische Wissenschaft. Ihre Beobachtungen gründen sich freilich nicht Vorzugs-

385 weise auf Experimente, wie die der Physik und Chemie; das ändert jedoch nicht im geringsten den Charakter der Geschichte, als empirischer Wissenschaft. Denn je höher man überhaupt in der Naturkunde steigt, desto mehr wird das Experiment durch die Beobachtung ersetzt. So ist die Biologie hauptsächlich in letzterer begründet, die Psychologie aber noch mehr als jene. Nur in der anorganischen Natur können Experimente mit einer gewissen Genauigkeit und Sicherheit vorgenommen und durchgeführt werden; für die Organismen, besonders die thierischen und namentlich für die höher entwickelten, ist mehr die Beobachtung, als das Experimentiren geeignet. Auch widerstrebt es dem moralischen Gefühl des Menschen, ein lebendes, mit Empfinden versehenes Wesen qualvollen und lebensgefährlichen Experimenten zu unterziehen. Mit Recht protestirt S c h o p e n h a u e r im Namen der Menschlichkeit gegen qualvolle Operationen lebender Wesen. — In einem noch höheren Grade steigern sich diese Schwierigkeiten und Bedenken in Betreff der menschlichen Gesellschaft, als eines höher organisirten Wesens. Trotzdem werden aber nicht selten auch mit dem socialen Organismus von unreifen Theoretikern und kurzsichtigen Praktikern Experimente vorgenommen, die, wenn sie auch nicht immer lebensgefährlich sind, doch in der Regel zu sehr bedenklichen Krisen und zu chronisch-krankhaften Zuständen führen. Daher muss die Geschichte, gleich der Biologie, der Psychologie und der Socialwissenschaft, vorzugsweise als beobachtende Wissenschaft anerkannt werden. Meistentheils wird die Geschichte als »beschreibende < Wissenschaft bezeichnet und diese Bezeichnung war die Ursache, woher der Geschichte immer eine ganz besondere Stellung in der Reihe der anderen Wissenschaften angewiesen .wurde. Diese Bezeichnung ist jedoch nicht auf eine wesentliche, sondern auf eine blos zufällige Eigenschaft gegründet. Eine jede Wissenschaft, sogar wenn sie auch auf unmittelbare persönliche Beobachtungen und eigenhändiges Experimentiren sich stützt, ist eine beschreibende; das gilt sowohl von der Physik, als auch von der Chemie, von der Biologie, wie nicht minder von der Astronomie etc. Denn die Beobachtung, sowie auch die Resultate der Experimente, müssen auseinandergesetzt werden und dies kann für die Abwesenden nur auf dem Wege der Beschreibung geschehen. Die Geschichte ist nur in einer Hinsicht eine vorzugsweis beschreiOedanken aber die Social wi«jen«ohaft der Zukunft. II.

2S

386 bende Wissenschaft, nämlich weil diejenigen Begebenheiten, Personen und Verhältnisse, welche beschrieben werden, nicht mehr existiren. In dieser Läge befindet sich aber ganz ebenso die Naturkunde in Betreff derjenigen Species, Individuen, klimatischen, atmosphärischen, geologischen und kosmischen Erscheinungen und Verhältnisse, welche verschwunden, modificirt oder durch andere Erscheinungen verdrängt worden sind. Die Gletscher, mit welchen ein grosser Theil Europa's während der Eisperiode bedeckt war, existiren nicht mehr; desgleichen sind viele Sterne, zum wenigsten den Augen des Menschen, wahrscheinlich auf immer, entschwunden; sie existiren aber, gleich den Gletschern der Eisperiode in der beschreibenden Naturkunde. — Umgekehrt giebt es aber auch Erscheinungen, die, obgleich sie in der Wirklichkeit nicht mehr existiren, für uns noch als solche erscheinen können. Ein Stern, dessen Licht uns erst nach Tausenden von Jahren erreicht, kann schon seit Jahrtausenden aufgehört haben, als leuchtender Körper zu existiren; trotzdem erscheint er uns aber noch immer als solcher, indem die von demselben hervorgebrachte Vibration des Aethers erst nach Tausenden von Jahren unser Auge erreicht. Die Natur, gleich der Geschichte, bietet uns also auch Vergangenes, statt Gegenwärtiges, und Gegenwärtiges statt Vergangenes, und die Naturkunde ist, gleich der Geschichte, wenn auch nicht in demselben Maasse, eine beschreibende Wissenschaft. Ist es aber wirklich der Fall, so muss auch die Philosophie der Geschichte, gleich der Naturphilosophie, einen realen Boden haben, auf dem sie beruht und ihre Beobachtungen anstellt. Diesen realen Boden bietet der Philosophie der Geschichte, wie bereits erwähnt, die menschliche Gesellschaft als realer Organismus. Aus der Vergangenheit tritt uns dieser reale Organismus durch die beschreibende Geschichte vor Augen; in der Gegenwart können wir ihn unmittelbar beobachten. Mit den mündlichen und schriftlichen Ueberlieferungen, den Schöpfungen der Wissenschaft und Kunst, den historischen Denkmälern etc. muss die Philosophie der Geschichte ebenso verfahren, wie die Naturphilosophie es mit den Naturerscheinungen thut: sie muss die allgemeinen Gesetze der Entwickelung, die dem Ganzen zu Grunde liegen, zu erforschen und zu ergründen suchen. — Die Uranfänge der menschlichen Gesellschaft sind zurückzuführen auf die Familie, d. h. auf die Vereinigung der beiden

387 Geschlechter und die durch diese Vereinigung bedingte Fortpflanzung der Art. Die menschliche Gesellschaft ist also uranfänglich demselben Boden entwachsen, wie das Pflanzen- und Thierreich. Dieselben Gesetze der Geschlechtsgemeinschaft, der Zeugung und Vermehrung, welche den verschiedenen Pflanzenund Thierspecies zn Grunde liegen, bedingen auch im Wesentlichen die Bildung der Familie des Menschen. — Es sind untrügliche Anzeichen vorhanden, die vermuthen lassen, dass die menschliche Familie uranfänglich aus loseren Banden bestand und daher eine wildere war, als die Vereinigung der Geschlechter bei manchen Thierspecies. Hätte der Mensch sich daher nicht über die für die Erhaltung und Vermehrung der Art nothwendige Vereinigung der Geschlechter erhoben, so wäre er nicht aus dem Zustande des rohen Halbmenschen herausgetreten, sondern hätte, wenn auch in Gemeinschaft mit Seinesgleichen, immer doch nur als Glied einer Heerde fortgelebt. Daher kann man die menschliche Gesellschaft nur von dem Momente an als konstituirt betrachten, wo sich zu der Blutsverwandtschaft noch eine organische Wechselwirkung zwischen den einzelnen Individuen gesellt. Diese Wechselwirkung wird, wie wir es schon im ersten Theile nachgewiesen haben, zuerst durch direkte und später durch indirekte Nervenreflexe bedingt und vermittelt. — In Folge der sich ununterbrochen wiederholenden Reflexe wurde das Nervensystem, und namentlich die höheren Nervenorgane der einzelnen menschlichen Individuen, zu immer höherer Entwickelung angeregt und differenzirt und alsdann durch Hervorrufen einer gegenseitigen Spannung und regelmässigen Wechselwirkung zwischen den Individuen wurde auch das sociale Nervensystem allmälig ausgebildet und entwickelt. Durch die gegenseitige Wechselwirkung der Glieder der Gesellschaft wurde ihrerseits die sociale Zwischenzellensubstanz, d. h. die durch Theilung der Arbeit producirten Werthgegenstände, gleich der Interzellularsubstanz in den Einzelorganismen der Natur, hervorgebracht. Es traten Eigenthum, Recht und Macht als Ausprägungen der ökonomischen, juridischen und politischen Seiten der socialen Entwickelung zum Vorschein, entsprechend den physiologischen, morphologischen und tektologischen (einheitlichen) Seiten der Einzelorganismen in der Natur. Gleichwie bei diesen, wird der Fortschritt der Entwickelung, die Stufe der organischen Vollkommenheit auch in der socialen Gemeinschaft durch eine höhere Differenzirung und Integrirung in den Theilen und im Ganzen 35 *

388 bedingt, nur dass im socialen Organismus die Ttieile aus menschlichen Individuen bestehen und das Ganze durch eine gegenseitige Wechselwirkung und Spannung von höher potenzirten Kräften bedingt wird. Dass auch die höher potenzirten geistigen Kräfte sich nur auf reale Weise kund thun können, hahen wir bereits bewiesen. Dass der Uebergang des Menschen vom thierischen Heerdenieben zu gesellschaftlichen Gemeinschaften nur allmälig, Schritt vor Schritt, erfolgen konnte, versteht sich von selbst, denn die Natur macht keine Sprünge. Dabei erweist sich, dass auch in Hinsicht auf die Entwickelung der menschlichen Familie das Gesetz des Nach-, Neben- und Uebereinander, in Betreff der socialen Gemeinschaften sowohl, als auch in der organischen Welt volle Gültigkeit behält. So kann man durch Beobachtung der noch jetzt auf den verschiedensten Stufen der socialen Entwickelung stehenden Völkerschaften und Staaten, ja durch Beobachtung der verschiedensten Schichten der am höchsten entwickelten Kulturstaaten, die allmälige Entwickelung der menschlichen Gesellschaft aus der Familie Schritt vor Schritt verfolgen. — Die wilde Ehe ist nicht eine ausschliessliche Erscheinung im Urzustände der menschlichen Gesellschaft; man findet sie noch jetzt unter den Wilden sowie auch in der modernen Gesellschaft, hier freilich in ihrer rohesten Form — als Prostitution. — Der Schwerpunkt des realen Zusammenhanges zwischen den Generationen, die eine sociale Gesammtheit bilden, liegt noch jetzt in der Blutsverwandtschaft. Nur werden die Bande dieser Verwandtschaft immer freier und allmälig durch direkte und indirekte geistige und ethische Reflexe ersetzt, ohne jedoch vollständig aufgelöst zu werden. Denn die Erhaltung und Vermehrung des Menschengeschlechtes kann ebenso jetzt, wie früher, immer nur durch Vereinigung der Geschlechter und durch Kindererzeugung auf Grundlage der allgemeinen Naturgesetze trotz immer höherer Potenzirung der geistigen und ethischen socialen Kräfte, erfolgen. Die Familie, diese Urform jeglicher, sowohl thierischer, als auch menschlicher Gemeinschaft, enthält im Keime bereits alle Seiten der socialen Entwickelung und beruht im Wesentlichen auf denselben Gesetzen, wie der höchst entwickelte Staat. Die ökonomische (physiologische) Entwickelung der Familie wird, gleich der auf der höchsten Stufe der Kultur stehenden Gesellschaft, durch die Arbeitstheilung zwischen Mann, Weib und

389 Kindern, durch den Austausch der erworbenen und zubereiteten Nahrungsstoffe, also durch Produktion, Vertheilnng und Konsumtion von Nutzgegenständen bedingt, hier freilich in einem viel geringeren Maasse und in einem bedeutend engeren Kreise, als dort. Wie in jedem Staate, so beruht auch in der Familie der innere Halt und Zusammenhang auf dem Princip der Gesittung, der Sittlichkeit und der Sitten, welche in ihren äusseren Formen sich als Rechtsverhältnisse gestalten, in ihrer inneren subjektiven Bedeutung jedoch sich in Anhänglichkeit, Liebe und einem Gefühl der Solidarität den nächsten Verwandten gegenüber kund thun, ein Gefühl, welches bereits im Keime Gewissen und sittlichen Sinn in ihrer weiteren und tieferen Bedeutung enthält. — An diese morphologische Seite der Entwickelung.schliesst sich endlich die politische (tektologische), welche die Familie unter der Leitung des Familienvaters als Gesammtheit erscheinen lässt. Wie im Staat, gilt auch im Schoosse der Familie das Princip der Autorität, der Unterordnung des körperlich und geistig Schwächeren unter den Stärkeren, Unternehmenderen, geistig höher Entwickelteren. Der patriarchalische Staat ist die Weiterentwickelung der Familie in einfachster Form. Aber auch für alle andern socialen Formen bildet die Familie den Ausgangspunkt und die Grundlage. — So sagt auch Emile de L a v e l e y e : >In den ursprünglichen gesellschaftlichen Vereinen concentrirt sich die ganze sociale Einrichtung in der Familie. Die Familie hat ihren Kultus, ihre eigenen Götter, ihre Gesetze, ihre Gerichte, ihre Regierung. Sie allein ist Grundbesitzerin. Jede Nation besteht aus einem Verein unabhängiger Familien, die nur schwach mit einander durch ein sehr lockeres föderales Verhältniss verbunden sind. Ausserhalb der Familie existirt kein Staat. Nicht nur bei den verschiedenen Volksstämmen arischen Ursprungs, sondern fast bei allen Völkern zeigt die Familie ursprünglich dieselben Charaktere. — Es ist in Griechenland das yivog, in Rom die gern, der Clan bei den Kelten, die Stammverwandtschaft (cognatio) bei den Germanen. Wie F u s t e l d e C o u l a n g e s in seinem Werke: >der antike Staat< nachgewiesen hat, leitet die römische gens, die noch in den ersten Zeiten der Republik eine so grosse Rolle spielte, ihre Abstammung von einem gemeinschaftlichen Vorahn ab. In Schottland bei den Hochländern betrachtet sich der Clan als eine grosso Familie, dessen sämmtliche Glieder durch die älteste Verwandtschaft verbunden sind. In Wallis zählt man noch gegenwärtig 18 Verwandtschafts-

890 grade auf. Die Vetterschaft der Bretagner ist sprichwörtlich; in der Nieder-Bretagne erstreckt sie sich bis in's Unendliche; der 15. August — der Tag, an dem alle Bewohner eines Kirchspiels zusammen kommen — heisst der Vettertag. Bei allen Völkern, die durch ihre Abgeschiedenheit den Einflüssen moderner Ideen und Anschauungen entzogen worden sind, lässt sich noch jetzt ein Urtheil fällen über.die Macht, welche die alte Organisation der Familie einst besass.«*) >Je nachdem das, was wir Civilisation zu nennen pflegen, fortschreitet, werden die Gefühle und Bande der Familie abgeschwächt und üben geringere Herrschaft über die Handlungen der Menschen. Dieses Faktum ist so allgemein, dass man darin ein Gesetz der gesellschaftlichen Entwickelung erblicken kann. Vergleicht man die Familieneinrichtung im Alterthum bei den Römern oder bei den ländlichen Klassen in Russland, wie sie noch in der patriarchalischen Periode bestanden, mit der, die man bei den Angelsachsen der Vereinigten Staaten antrifft, welche das moderne Princip der Individualisation auf die Spitze getrieben haben, welch' ein Unterschied ergiebt sich dann ! In Russland, wie in Rom, übt der Familienvater, der Patriarch, über alle die Seinigen eine despotische Gewalt aus. Er bestimmt die Ordnung der Arbeiten, er vertheilt die Früchte derselben, er verheirathet seine Töchter und Söhne ohne Rücksicht auf ihre Neigung zu nehmen, er ist der unumschränkte Gebieter über ihr Schicksal, gleichsam ihr Souverain. In den Vereinigten Staaten dagegen ist die väterliche Autorität beinahe gleich Null. Die jungen Leute von 14, 15 Jahren wählen sich selbst ihre Laufbahn und verfahren in einer vollkommen unabhängigen Weise. Die jungen Mädchen kommen und gehen, wie es ihnen gefällt, sie empfangen allein, wer ihnen gefällt, sie machen allein Reisen und wählen sich einen Mann ohne Jemand zu befragen. Die neu herangewachsene Generation zerstreut sich bald in alle vier Winde. Das Individuum entwickelt sich in solcher Weise in seiner ganzen Energie; die Familiengruppe spielt nicht die geringste Rolle; sie schützt und bewahrt nur die Kinder vor Wind und Wetter bis zu dem bald eintretenden Augenblick, dass sieflüggewerden.«**) *) Revue des deux Mondes, Septembre 1872, S. 39. tives de la propriété.

**) Ebendas., S. 38.

Les formes

primi-

391 A r i s t o t e l e s setzt in seiner »Politik« auseinander, dass aus den zwei Gemeinschaften: Mann und Weib, Herr und Sklave das Haus entstehe, aus mehreren Hausständen das Dorf, als Kolonie mehrerer Familien. Jeder Hausstand steht unter königlicher Herrschaft des durch Alter Ehrwürdigsten und so bleibt denn auch in dem Dorfe, als Kolonie von Hausständen, in Folge der Verwandtschaft, dieselbe Regierungsform bestehen. Diese Einrichtung königlich beherrschter Dörfer schildert auch H o m e r (Od. 9. 114) bei den Kyklopen: »Jeder Einzelne richtet seine Kinder und Weiber.« Aus einer aus mehreren Dörfern gebildeten Gemeinschaft entsteht endlich, nach A r i s t o t e l e s , die zum Staate ausgebildete Stadt. Hieraus folgert A r i s t o t e l e s , dass der Staat zu den Naturdingen gehört und dass der Mensch ein von Natur staatliches Geschöpf ist und ein nicht zufällig, sondern von Natur Staatloser entweder übermenschlich oder ein verdorbener Mensch ist, von demselben Schlage wie der bei H o m e r (II. 9, 63) gescholtene »Mann ohne Sippe, ohne Recht, ohne Heerd.« — Der altdeutsche Staat erscheint, nach S y b e l (Entstehung des deutschen Königthums) in der Form der Geschlechtsverfassung der Art, »dass alle politischen Ordnungen in die Formen der Familie gekleidet waren.« Gemeinde und Geschlecht und zwar das natürliche, durch die Erweiterung der Familie erwachsene Geschlecht, decken sich; das Leben der Gemeinschaft vollzieht sich nur nach den durch die Fiktion der Familieneinheit gegebenen Formen. — »Die Familie*) haftet für jeden ihrer Angehörigen auch der Gemeinde gegenüber; sie zahlt die Busse, wenn einer aus ihrer Mitte Blutschuld auf sich geladen, wie sie Theil hat an dem Wergeid, das für den Erschlagenen, sofern er ihr angehört, entrichtet wird. Die Familie sitzt zu Gericht über das Weib, welches Ehebruch begangen hat und stösst sie hinaus; nach Familien erfolgt Landanweisung und Ansiedelung; in der Schlachtlinie stehen die Familien zusammen. Nirgends aber sind diese künstlich gebildete gentes, in welche auch andere, als die durch Bande des Bluts Verbundenen, eintreten können.« Dasselbe bietet uns die Geschichte der Slaven und etwas *) Ueber das altgermanische Königthum von B o s e n s t e i n in Zeitschrift für Völkerpsychologie und Völkerkunde, 1871, VII. Band, S. 132.

392 Aehnliches findet man noch jetzt im Innern Airika's, in Polynesien, Indien etc. Auch in Europa finden sich noch jetzt Ueberbleibsel der Claneinrichtung. >Es giebt kein Band*) zwischen den verschiedenen Stämmen Albaniens. Ihre Sprache zeigt nur wenig verschiedene Dialekte, sie führen einen gleichen Namen, vereinigen sich gegen den auswärtigen Feind. In Friedenszeiten jedoch bleibt ein jeder derselben abgeschieden in seinen Bergen. Ihr Land ist in Clans getheilt, die sie nach Gefallen verwalten oder vielmehr — denn das Wort Verwalten ist nicht der richtige Ausdruck — in denen sie nach Belieben leben. Keine Organisation kann einfacher sein: die Aeltesten oder Pliaks entscheiden die wenigen etwa vorkommenden Streitfragen; sie bestimmen z. B. die Zeit, wann die Heerden zur Weide getrieben werden sollen, sie theilen die Weiden ab, sie entscheiden über die Ansprüche, welche gegen einen benachbarten Clan erhoben werden sollen, über die Streitigkeiten zwischen den einzelnen Bewohnern u. dgl. m. Irgend welche feste Bestimmungen giebt es nicht, noch viel weniger existirt ein geschriebenes Gesetz; die Familienhäupter treten auf die natürlichste Weise bei Entscheidungen, die sie betreffen, zusammen. Ganz ebenso war es im ursprünglichen Griechenland, wo die Verwaltenden eines jeden Stammes Aelteste (ysqovrsg) hiessen. Auf Steinen im Kreise sitzend sprachen diese Aeltesten Recht, wie man es auf dem Schilde des Achilles sieht. Wenn die Häupter der Albanesen derartig sich zu einem Richterspruch vereinigen, bilden sie die sogenannte Blutrunde, dasselbe, was die alten Sagen Gerichtsring nennen. Meistenteils wird es nicht nöthig, andere Anführer zu wählen; aber wenn sie zu den Waffen greifen oder eine entferntere Expedition beschlossen wird, wird ein Oberhaupt mit ausgedehnterer Machtbefugniss eingesetzt. — Im Leben eines wenig zahlreichen Clans ist der Begriff eines Principats völlig unbekannt; er entsteht nur erst jedesmal dann, wenn die Albanesen ein gemeinschaftliches Unternehmen beabsichtigen. Solche Unternehmungen haben aber stets nur eine kurze Dauer gehabt, so dass das Königthum keine feststehende Einrichtung werden konnte. Selbst eine Aristokratie existirte nur in den Stämmen,

par

*) litvue de deux Mondes, Albert Dumont, S. 104.

1. Novembre

1872.

Souvenirs

de

l'Adriatique

393 die eine grössere Ausdehnung gewonnen hatten, fruchtbare Weiden und Aecker besassen. Und nur der Reichthum, die Anerkennung des Verdienstes oder der Kraft, alles Früchte des Zufalls, waren es, die bisweilen eine Aristokratie schufen. Desgleichen in Afrika: »In den muselmännschen Staaten im Negergebietec, sagt W a i t z , * ) >giebt es überall eine Art von Lehnswesen: die Unterkönige, welche den Titel Mek führen, sind verpflichtet, dem Oberherrn zu huldigen, die Treue zu bewahren und Geschenke darzubringen, und geniesen dafür von seiner Seite Schutz und Gunst. < »Ziemlich abweichend, fast von Allem, was sich sonst bei den Negern findet, ist die Verfassung der Krus; doch scheint diese Abweichung fast nur darin begründet zu sein, dass das patriarchalische Princip von ihnen mit weit grösserer Strenge durchgeführt und beibehalten worden ist als von andern Völkern. Sie wird daher besonders lehrreich dadurch, dass sie an die ursprünglichsten Zustände der menschlichen Gesellschaft erinnert, und weist deutlich darauf hin, auf welche Weise allmälig ein Volk und ein kleiner Staat heranwächst, indem ein Familienhaupt eine Niederlassung gründet und durch das Ansehen, in dem es steht, andere Schutzbedürftige zu sich heranzieht, die sich um das Oberhaupt schaaren und ihre Dienste zur Verfügung stellen, um bei ihm Sicherheit und Hilfe in der Noth zu finden.« >An der Spitze einer jeden Familie steht bei den Krus, oder vielmehr Grebos ein Patriarch, in dessen Hände jedes männliche Mitglied derselben einen Theil seines Vermögens niederlegt, damit er als Verwalter des Familienvermögens aus demselben alle Ausgaben, die Strafen und die Verlobungsgelder, für die Seinigen bestreite, für die er auch durchaus verantwortlich ist. Er schickt sie auf Reisen, verdingt sie namentlich auf europäische Schiffe als Matrosen, damit sie sich Reichthümer erwerben, die bei der Rückkehr ihm übergeben werden zur Vertheilung des Gewinnes an die Einzelnen nach seinem eigenen Ermessen: jeder Einzelne findet Berücksichtigung bei den Ausgaben und geniesst Achtung in der Gesellschaft nach Maassgabe des Beitrages, den -er zum Familienvermögen geliefert hat. Bisweilen nimmt jener auch selbst Theil an der Reise als Meister, Anführer und Vormund der ihm untergebenen jungen Leute, die unter seiner Leitung einen gewissen Gemeingeist und ein Nationalbewusstsein zeigen; nur der *) W a i t z , Anthropologie der Naturvölker, II, 138.

394 Patron der Mannschaft darf die Bestrafung eines Schuldigen ans ihrer Mitte vornehmen, die sie bisweilen selbst fordern, wenn sie dessen Handlung für entehrend halten < »Jene Patriarchen bilden zusammen den Rath der Alten, der über alle politischen Angelegenheiten entscheidet; ihm gegenüber steht die Versammlung der übrigen Männer, welchen die legislative und exekutive Gewalt zukommt, der Rath der Alten aber hat, was die Gesetze selbst nnd ihre Handhabung betrifft, nur eine berathende Stimme. Die vier grossen Aemter im Staate führen der oberste Patriarch, der Oberpriester (Bodio), welcher die wichtigsten Opfer darbringt, zugleich aber auch für die Ernte, das Wetter, die Gesundheit, den Fischreichthum und die gewünschten Handelsgelegenheiten verantwortlich ist — beide sind die Präsidenten des Raths der Alten, — ferner der Vorsteher der zweiten Versammlung, endlich der Anführer im Kriege.«*) Dasselbe findet man bei den alten Ariern. »Nach der Darstellung der ältesten VedentheileWunder« wurzelt gleichfalls in einem zwiefachen Boden: in dem Wundervollen der Naturerscheinungen überhaupt und in der Empfänglichkeit des menschlichen Geistes und Gemüthes für den Eindruck, den diese oder jene äussere Erscheinung hervorbringt, d. h. in dem Hange, vorzugsweise diese oder jene Erscheinung als wundervoll aufzunehmen oder darzustellen. — Dasselbe ist auch auf die Nervenreflexe und auf die Persönlichkeiten, von denen sie ausgehen, anzuwenden. Auch Persönlichkeiten, von denen .die religiösen Reflexe am mächtigsten ausgehen und am tiefsten auf die Gemüther Anderer wirkten, wurden als Wunder, als göttbegeisterte Propheten, göttliche Lehrer und Meister, als bevorzugte Kinder Gottes betrachtet, verehrt, ja vergöttert. Wie in der auf das Gemüth des Menschen tiefer wirkenden Naturerscheinung oder Kunstschöpfung die Anwesenheit einer göttlichen Macht vorausgesetzt wurde, so auch im Religionsstifter und Propheten. Dort wirkte die Zwischenzellensubstanz, hier ging die Wirkung unmittelbar von der Zelle Belbst aus. In beiden Fällen, es möge nun vorzugsweise dieser oder jener Faktor einen grösseren Einfluss bei der Entstehung und Weiterentwickelung der verschiedenen Religionen gehabt haben, ging die Entwickelung dennoch auf natürlichem Wege und nach den Gesetzen .der Natur vor sich. Denn die Idee Gottes muss in Folge einer natürlichen

430 Notwendigkeit im Menschen entstehen und sich entwickeln. Ohne diese höchste Integrirung entbehrt das geistige Leben, der ethisch-reale Organismus der Menschheit des Centraischwerpunktes, der Einheit, der höchsten Potenzirung, der einheitlichen Verdichtung der geistigen, und ethischen Kräfte, welche sich in den höhern Nervenorganen eines jeden Individuums und der ganzen Menschheit, als Gesammtheit der Individuen, real ausprägt: — Zugleich beruhen aber alle Religionen auch auf Offenbarungen, indem eine jede neue Kraftpotenzirung als ein Wunder zu betrachten ist, welches das in jeder Naturerscheinung verborgene geistige Princip klarer und prägnanter an den Tag fördert, um so mehr aber solche Kraftpotenzirungen, die in die höchsten Sphären der geistigen und ethischen Entwickelung hineinragen und Andere in dieselbe geistige Strömung hineinziehen. Auf diesen Wegen gleichen sich denn die bis jetzt in Hinsicht auf Religion und Natur noch hervortretenden Gegensätze aus und erweisen sich als nur verschiedene Ausprägungen eines und desselben nothwendigen allgemeinen Gesetzes. Seit ihrer Entstehung hat die Kirche stets einerseits die Wissenschaft, andererseits den Staat bekämpft. Dass dieser Kampf auch in natürlichen Gesetzen seinen Grund hat, dürfte schon aus dem Vorhergehenden folgen. Da jedoch gerade in diesem Augenblick dieser Kampf nach beiden Seiten hin wiederum mit der grössten Erbitterung geführt wird, so müssen wir demselben einige Betrachtungen widmen. — Wollen wir zuvörderst das Verhältniss der Kirche zum Staat in's Auge fassen. — Die Kirche bildet, wie wir es schon dargelegt haben, die Ausprägung der höchsten Integration des geistigen Lebens der Menschheit überhaupt, sowie jeder socialen Gemeinschaft und jedes einzelnen Menschen als Theil des Ganzen. Gerade dieser ihr specieller Beruf der Integrirung, der Zusammenfassung alles Einzelnen zu einem Ganzen, welches die Kirche über alle specialen, zeitlichen, vorübergehenden Verhältnisse stellt, setzt sie in Widerspruch mit der Wirklichkeit und dem Zeitgeist, welche gerade aus realen, zeitweiligen, vorübergehenden Verhältnissen und Beziehungen bestehen. Der Staat ist nun aber da, um diesen zeitlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen, um den

431 momentan drohenden Gefahren vorzubeugen, um nicht allein das geistige, sondern auch das materielle Wohl der Gemeinschaft zu schützen und zu fördern. Der Staat repräsentirt den ganzen socialen Organismus — Seele und Leib, also nach allen Seiten hin; er muss für Alles sorgen: für das zeitliche, indem er Ackerbau, Industrie und Handel fördert, den Frieden mehrt oder den Krieg vorbereitet und führt; aber auch zugleich für das Geistige, indem er die Kirche schützt, Wissenschaft und Kunst fördert und unterstützt. Nun ist aber auch die Kirche ihrerseits nicht nur eine geistliche, sondern auch eine weltliche Macht. Sie selbst ist, indem sie das Unvergängliche und Ewige predigt, abhängig von dem Vergänglichen und Zeitlichen. Sie begnügt sich nicht mit dem Geistigen allein und kann sich auch damit nicht begnügen, weil sie selbst, an und für sich, ein realer Organismus ist, und daher auch in die realen Lebensverhältnisse hineingreift. Sie ist noch jetzt bei allen Hauptabschnitten und Ereignissen des Lebens zugegen, indem sie ihnen ihre Weihe verleiht od6r indem sie diese oder jene Handlung für verwerflich und verabscheuungswürdig erklärt. Ausserdem wird der geistliche Stand doch nur von Menschen gebildet, die gleichfalls an materielle Bestrebungen, Bedürfnisse und Leiden gebunden sind. Es liegt auch in der Kirche in dieser Hinsicht ein innerer Widerspruch, wie in jedem einzelnen Menschen und in der ganzen Menschheit, namentlich in Betreff einerseits der höheren Bestrebungen uud andererseits der materiellen Bedürfnisse. Und dieser Widerspruch prägt sich auch nach aussen aus in dem Verhältnisse der Kirche zum Staate. — Der Ausspruch: eine freie Kirche in einem freien Staate, beruht auf einer rein ideellen Auffassung, von welcher die jetzigen socialen Verhältnisse noch weit entfernt sind und welcher im absoluten Sinne nie wird realisirt werden können. Eine freie Kirche in einem freien Staate würde bei den jetzigen Verhältnissen soviel als ein kirchlicher Stäat in einem weltlichen Staate bedeuten und zu noch grösseren Konflikten, wie die jetzigen, führen müssen. Wenn solche Konflikte in den Nordajnerikanischep vereinigten Staaten noch nicht zum Vorschein gekommen sind, so liegt der Grund darin, dass die verschiedenen Religionsbekenntnisse dort eine sehr schwache staatliche Konstitution besitzen, dass der Katholicismus dort noch zu schwach .vertreten ist, um den Kampf gegen die weltliche Macht aufzu-

432

nehmen/endlich dass dort die staatliche Macht selbst eine 6ehr lockere und zerfahrene ist. Wo diese Bedingungen nicht vorhanden sind, dort ist es auch immer und immer wieder zwischen Kirche und Staat zu Konflikten gekommen. Der Kampf zwischen Kirche und Staat muss aber, Arie ein jeder Kampf in der Natur, einen Ausgang, eine höhere Mitte haben und diese höhere Mitte besteht darin, dass in beiden Fällen aus den Gegensätzen eine höhere Potenz, eine höhere gegenseitige Differenzirung und Integrirung der Kräfte hervorgebracht wird. Worin muss nun nothwendig diese höhere Potenzirung bestehen? Sie wird bei fortschreitender Entwicklung der Menschheit darin bestehen, dass einerseits der Staat, gleich der Kirche, einen geistigeren, auf mehr Freiheit, Moral und Liebe gegründeten realen Organismus darstellen und andererseits dass die Kirche mit ihrem Geiste das reale Leben immer mehr durchdringen wird. Die Reformation hat schon einerseits eine solche Potenzirung der Kirche zu Wege gebracht, hat aber andererseits die Einheit der Kirchenverfassung gesprengt und die Zwischenzeilensubstanz derselben geschwächt. Die Reaktion gegen diese schwache Seite des Protestantismus wird bereits fühlbar und wird vielleicht zu neuen Konflikten und Kämpfen fuhren. Der Gegensatz zwischen Religion und Wissenschaft, zwischen Kirche und Gelehrtenwelt hat seinen Grund darin, dass von Seiten der Wissenschaft die Natur und die menschliche Gesellschaft speciell vom Standpunkte des nothwendigen Kausalverhältnisses betrachtet und erklärt wird, die Kirche dagegen die Natur und den Menschen vom einheitlichen Standpunkte der höchsten Integrirung der Idee Gottes zusammenfasst. Die Wissenschaft will Alles aus dem Kausalverhältniss erklären, was augenscheinlich ihre Kräfte übersteigt und was sie wahrscheinlich nie vermögen wird. Die Religion dagegen ist bestrebt, Alles vom Standpunkte der Idee Gottes zu erklären und zu beleuchten, was a priori auch nicht möglich ist. Nun glaubt sich die Wissenschaft in ihrem Rechte gekränkt, wenn die Religion durch ihre Satzungen, Dogmen, Erklärungen, der wissenschaftlichen Forschung vorgreift oder ihr gar ihre aprioristischen Schlussfolgerungen aufbürden will. Andererseits will aber auch die Wissenschaft Alles durch ihre Forschungen ersetzen und leugnet das Unbegreifliche, das Absolute, ja die Existenz Gottes.

433 Wo ist nun aber auch hier wiederum die höhere Mitte? — Sie besteht darin, dass die 'Wissenschaft, indem sie das Kausalverhältniss der Erscheinungen, d. h. ihren nothwendigen, materiellen, mechanischen Zusammenhang erforscht, nicht alle übrigen Beziehungen und Verhältnisse, diejenigen nämlich, welche auf Zweckmässigkeit, Freiheit und Geistigkeit beruhen, sowie die Bestrebungen des Menschen nach Erkenntniss eines höchsten Wesens, negire; andererseits dass die Religion die Berechtigung der Wissenschaft anerkenne, nach allen Bichtungen hin den nothwendigen Kausalzusammenhang der Erscheinungen zu ergründen. Und das reale Substrat, der reale Boden, auf welchem sich diese beiden Gegensätze ausgleichen können, ist die Anerkennung der menschlichen Gesellschaft als reales, nach nothwendigen Gesetzen sich entwickelndes, aber zugleich durch Freiheit, Geistigkeit und Zweckmässigkeit in ihrer höchsten Potenz bedingtes Wesen. — Von dem Standpunkte dieser höheren Mitte, welcher die grosse Masse sogar der Gebildeten noch so fern steht, haben einzelne hervorragende Geister auch schon früher Religion und Wissenschaft betrachtet. So sagt Dr. E r d m a n n über S c h l e i e r m a c h e r ' s Reden: >Dass die Gebildeten unserer Zeit die Religion verachten liegt darin, dass sie, wie auch die meisten sogenaftnten Frommen, für Religion halten, was etwas ganz Anderes ist. Die Religion nämlich oder die Frömmigkeit ist nicht ein Wissen von einem Objekt, welches in der Anschauung oder dem Sein der Dinge in uns besteht, sie ist ebensowenig ein Handeln oder eine Praxis, d. h. ein Hineintreten in die Dinge, sondern sie ist das unmittelbare Sein des Endlichen in dem Unendlichen, darum Gefühl, Sinn, Empfindung; der Religiöse ist unmittelbar mit dem Ewigen Eins und hat das Gefühl des gemeinschaftlichen Lebens von All und Ich. Wird nun um die religiösen Gefühle gewusst, so entstehen durch diese Reflexion Beschreibungen frommer Gemüthszustände, und dies allein sind die religiösen Grundsätze und Dogmen. Sieht man diese für Wissenssätze an, d. h. für solche, die etwas von einem Objekt aussagen, so ist das Mysticismus und Mythologie.. .< »Darum bereichert die Religion das Wissen durchaus nicht, höchstens läutert sie es, indem sie vor Dünkelwissen bewahrt. Ganz dasselbe gilt vom Handeln. Die einzelnen Handlungen spllen nicht aus Gefühlen hervorgehen; da nun in diesen die Gedanken aber die Social Wissenschaft der Zukunft. II.

39

434 Religion besteht, so muss man sagen, dass im gesunden Leben der Mensch nichts aus Religion thun soll, sondern Alles mit Religion. Das herrliche Gedicht vom Paradiese**) und dem sich darin findenden ersten Menschenpaare stellt bildlich den ganzen Entwickelungsgang, das Aufdämmern des bewussten Menschheitlebens dar — im träumerischen Kindleben erkennen sich die inneren Gegensätze des Menschheitorganismus leiblich, die Individuen werden sich des Dualismus ihres Daseins bewusst, und indem sie im Naturdrange den Zweck ihres Geschlechtes erfüllen, erwachsen sie zur Erkenntniss ihrer Sendung in die Natur und bethätigen sich durch Arbeit und Familie, um damit ein allgemeines, geselliges Vereinsleben anzubahnen. — Durch die Schlange — durch den Erkenntnissapfel — also durch die objektive Welt, wird das Weib, das empfangene Element des Bildungslebens zunächst. — und durch diese der Mann — das positive Element des Geistes in der Natur — zum Weltbewusstsein und damit zum Erkennen der eigenen Lebenszwecke — zum SelbstbewuBstsein gefuhrt — Liegt hier nicht poetisch die wahre Geschichte des Menschheitlebens vor uns ? Das Erwachen aus dem Naturtraume durch den Konflikt mit der Objektivität, die Erkenntniss einer Aussenwelt, das Gegenständlichwerden seiner Individualität und seines Selbstzweckes, endlich der Selbstthat des Lebens als freies vernünftiges Wollen im Kampfe mit der Welt um das Dasein. Und eben dieses Selbstbewusstsein trieb das erste symbolische Menschenpaar aus dem Naturtraume des Paradieses in die Arbeit und den Strom des Familienlebens — und der Garten Edens ist und kann nichts anders sein, als das Bild derjenigen Natur, welche die ersten Bedingungen zur organischen Entwickelung der frühesten Menschheit zu erfüllen vermochte.« Wenn daher der fromme Christ singt: „0, Gottes Geist und Christi Geist, Der uns den Weg zum Himmel weist, Der uns die dunkle Erdennacht Durch seine Lichter helle macht; *) Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung der Geschichte der neueren Philosophie, von Dr. E r d m a n n , II. Abth., III. Bd., S. 41. **) Naturbilder aus dem Leben der Menschheit, in Briefen an Alex, v. H u m b o l d t , von H. K l e n k e , S. 42.

435 Da Haach, der durch das Weltall weht, Als Gottes stille Majestät, Da aller lichter reinstes Licht, Erleacht' ans Herz and Angesicht. Komm, leuchte mit dem Gnadenschein Hell in die weite Welt hinein, Komm, mach* ans in der Finsterniss Des lichten Hinrmelwegs gewiss. Das Morgenroth der bessern Welt, Das wie ein Strahl vom Himmel fällt, Als Gottes Macht and Gottes Last Durchblitzt die kranke Menschenbrnst, —•)"

-so kann er dieses sowohl, als auch Alles, was die heilige Schrift ausdrückt, in sein Gemüth aufnehmen, ohne dadurch den Errungenschaften der Wissenschaft zu widersprechen. Dieser Widerspruch ist eine Frucht der weltlichen Anschauungen der Kirche und oft der materiellen und zeitlichen Interessen ihrer Repräsentanten. Die Gesammtheit der Religionen und Kirchen in ihrem umfassendsten Sinne stellt sich somit von den ersten Anfangen der Geschichte bis zum heutigen Tage dar als ein aus Zellen und Zwischenzellensubstanz gebildeter, nach den allgemeinen n o t wendigen Gesetzen der Differenzirung und Integrirung sich entwickelnder, auf Eigenthum (Nahrung), Recht (Formen), Macht (Einheit) und Freiheit (Bewegung) sich gründender realer Organismus. Die Schwankungen zwischen Differenzirung und Integrirung, zwischen Mehrung von Eigenthum, Recht, Macht und Freiheit, welche dieser am meisten vergeistigte, dieser zweckmässigste und freieste aller Organismen bei seiner allmäligen Entwickelung an den Tag legte, waren im Wesentlichen durch dieselben Gesetze begründet, wie es auch noch jetzt mit einem jeden Einzelorganismus in der Natur der Fall ist. Hervorgegangen aus einem chaotischen Urzustände der sich gegenseitig kreuzenden und sich bekämpfenden geistigen und ethischen Reflexe, die zufallig an einzelnen Erscheinungen in der Natur oder im Menschen selbst haften blieben, gleich der regellosen Wechselwirkung der mechanischen Kräfte im Urzustände der Materie, integrirte sich die Idee Gottes allmälig zu einer höheren ideellen Potenzirung und ordnete organisch um sich die ganze *) Ernst Moritz Arndt.

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436 geistige und ethische Entwickelung des Menschen, gleichwie die einzelnen Atome und Moleküle sich auch in der Natur um einzelne einheitliche Kraftheerde sammelten. — Wie die vergleichende Anatomie oder Morphologie die verschiedenen organischen Ordnungen und Species neben einanderstellt, um ihre Analogien zu ergründen und zu erklären, so thut es die vergleichende Religionswissenschaft in Betreff der Religionssysteme, die, insoweit sie aus Individuen, welche die Systeme erkannt haben, und aus den Ausprägungen der religiösen Ideen in der Zwischenzellensubstanz bestanden, doch auch vollständig reale Wesen waren. Die vergleichende Religionswissenschaft hat nun in neuerer Zeit ebenso überraschende Resultate geliefert, wie die vergleichende Morphologie. Es hat sich zwischen den Religionen der alten Welt und denjenigen der Gegenwart eine überraschende Aehnlichkeit erwiesen. Es würde uns hier zu -weit führen, diese Aehnlichkeiten hervorzuheben und wir können nur den Leser besonders auf Max M ü l l er's »Einleitung in die vergleichende Religionswissenschaft« verweisen. — Zwischen den einzelnen Religionssystemen ist auch von jeher ein Kampf vor sich gegangen, der gewöhnlich mit dem Untergange des schwächeren oder desjenigen Systems endete, welches weniger die Fähigkeit der Anpassung an die Bedürfnisse und Strebungen des Volkes besass. Und wie in der organischen Natur der erbittertste Kampf zwischen verwandten Racen und Species vor sich geht, so geschah es auch zwischen verwandten Religionen: zwischen Mohamedanismus und Christenthum und zwischen den verschiedenen Sekten beider Religionen. Für die Entwickelungsgeschichte der Religionen ist auch bereits Vieles geschehen, doch ermangeln bis jetzt die wissenschaftlichen Untersuchungen in dieser Hinsicht, wie die Forschungen in Betreff der Ergründung des religiösen Lebens der Menschheit überhaupt, des realen Bodens, welcher nur durch Anerkennung der religiösen Gemeinschaften (Kirchen) als realen Organismen, gleich den Einzelorganismen der Natur, erlangt werden kann. Ursprünglich war das ganze geistige Leben der Menschheit so wenig differenzirt, dass fast ausschliesslich die religiösen Ideen alle Regungen und Bedürfnisse des menschlichen Geistes und Herzens durchdrangen und anregten. Die Familie, der Stamm, das Volk hatten alle ihre besonderen Sacra, welche allen Akten des Lebens, ja allen Abschnitten des Tages oder Jahres ihren Stempel oder

437. ihre Weihe auflegten. Sprache, Wissenschaft, Kunst, Recht, Staat, Krieg und Frieden, Alles hatte ursprünglich eine religiöse Unterlage, religiöse Beweggründe oder Ziele. »Erst in späterer Zeit«, sagt H. M a i n e , »scheidet sich ßecht von Religion, aber selbst dann bleiben noch viele Spuren, die uns zeigen, dass der erste Altar der Herd war, der erste Priester der Vater, während Frau, Kinder und Gesinde die erste Gemeinde bildeten, die sich am heiligen Feuer, bei der Hestia versammelten, die ursprünglich die Gottheit des Hauses, später * die Gottheit des ganzen Staates war.*) Max M ü l l e r hebt mit Recht hervor, dass ursprünglich Religion und Spraohe auf das Engste verbunden waren, indem die Religion für den Ausdruck ihrer ersten Bedürfnisse ganz und gar auf die Hülfsmittel der Sprache angewiesen war. **) Daher hält auch Max M ü l l e r die Klassification der Sprachen als beste Klassification für die Religionswissenschaft. Nur allmälig differenzirte sich die Sprache, — diese Trägerin und Erzeugerin der menschlichen Vernunft — ebenso wie Kunst, Wissenschaft und das ganze sociale Leben in hinlänglichem Maasse, damit diese verschiedenen Gebiete sich von dem religiösen abgrenzen konnten. Diese Differenzirung bei rückwirkender zeitweiliger Integrirung geht auch noch jetzt vor sich. Eine absolute Scheidewand zwischen Religion, Wissenschaft und Kunst wird nie gezogen werden können, weil sie sich gegenseitig organisch bedingen; Wissenschaft und Kunst werden sich immer nur mehr specialisiren, zugleich aber auch, wenn sie im Fortschritt begriffen sind, durch die Idee Gottes sich immer tiefer durchdringen. So umfassten nicht nur die wedische, die brahmanische und die ägyptische Theologie das ganze wissenschaftliche Gebiet ihrer Bekenner, sondern dasselbe fand auch bei allen Anfängen der geistigen Entwickelung, wie z. B. beim Druidismus statt. »Da nun«, sagt Dr. F r e u n d , »was druidische Wissenschaft hiess, nicht bloss das geistliche Studium umfasste, sondern überhaupt Alles, was man damals unter Wissen verstand, so fand in jener Zeit die Ansicht, dass man nur bei ihnen etwas Tüchtiges lernen könne, ohne weitere Kritik allgemeine Zustimmung, und der An*) Einleitung in die vergleichende Religionswissenschaft, I, S. 136, von Max M a l l e r .

**) Ebendas., S. 137.

438 sprach der Kirche auf die Leitung der Schule — wie man etwa heute sagen würde — gewann darum grosse Erfolge.«*) Wenn nun in unserer Zeit die Schule sich von der Kirche zu befreien sucht, so ist dieses ein natürliches Streben nach Differenzirung, ein Streben, welches in Betreff der staatlichen Einrichtungen durch Absonderung der weltlichen Macht von der geistlichen, in Betreff der Rechtspflege durch Abtheilung des Civil- und Kriminalrechts vom kirchlichen Recht, im Gebiete der Wissenschaft und der Kunst durch selbstständige Entwickelung der verschiedenen Forschungszweige lind Schöpfungen der Kunst,., in den neueren Kulturstaaten bereits verwirklicht worden ist. — Dieses Streben darf nur nicht bis zu einem absoluten Riss zwischen Religion und Wissenschaft, Staat und Kirche führen, denn alsdann wird die organische Wechselwirkung zwischen ihnen vollständig aufgehoben und eine Rück-Integrirung der differenzirten Theile sich als unmöglich erweisen. — Wir haben uns gerade im Gebiete der religiösen Entwickelung länger aufgehalten, um den Beweis zu liefern, dass auch in dieser höchsten geistigen Sphäre die Menschheit sich als realer Organismus nach allgemeinen Gesetzen entwickelt hat. Um so mehr muss also dieses in den Gebieten der Wissenschaft und der Kunst der Fall Bein. Auch diese unterliegen, gleich der religiösen Sphäre, in ihrer Entwickelung Schwankungen nach allen Richtungen hin; auch sie sind in ihrer allmäligen Differenzirung dem Gesetze der Aktion und Reaktion gefolgt; auch sie haben immer nur in realen Ausprägungen, sei es durch direkte, sei es durch indirekte, in der Zwischenzellensubstanz haftende Reflexe ihren Ausdruck gefunden. Es lag fern von uns, eine Philosophie der Geschichte in ihrem ganzen Umfange auch nur zu skizziren. Unsere Absicht war nur zu beweisen, dass die Menschheit als Gesammtorganismus auch in der geschichtlichen Entwickelungimmer nur einen realen Organismus gebildet hat und dass nur ein Boicher als festes Substrat für die Philosophie der Geschichte dienen kann. ***) Ausland, 1874, S. 784.

439

XVII.

Die Socialwissenschaft der Zukunft und das Christenthum. Werfen wir nun einen Rückblick auf den zurückgelegten Weg, so müssen wir gestehen, dass wir diejenigen Gesetze, die dem socialen Leben zu Grunde liegen, nur in ihren allgemeinen Umrissen hervorgehoben haben. Das Gebiet der Socialwissenschaft im weiterem Sinne ist nicht ein minder umfassendes, als das der Naturkunde, und kann nicht von dem Einzelnen nach allen Richtungen hin erschöpfend durchforscht werden. Dazu gehören die vereinten Kräfte mehrerer Generationen. Wir können höchstens nur die Richtungen feststellen, die zur Ergründung der Wahrheit führen, und die allgemeinen Analogien zwischen Natur und Gesellschaft, zwischen Natur- und socialen Gesetzen durchführen. Wir haben diesen Versuch gewagt.1 Einwendungen, Angriffe und Anfechtungen werden uns gewiss nicht erspart bleiben. Der Praktiker wird unsere Auseinandersetzungen zu allgemein, der idealistische Theoretiker zu realistisch finden. Das allumfassende Gesetz der Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander wird das »Durcheinander« in so manchem Kopfe nicht nur nicht entwirren, sondern noch mehr verwickeln. Nicht Alle werden einerseits die tiefe subjektive Bedeutung dieses Gesetzes würdigen, eines Gesetzes, welches die Uebereinstimmung der Zeit- und Raumverhältnisse in unserem Geiste und die Potenzirung derselben zu Anschauungen, Begriffen, Ideen erklärt; nicht Alle werden andererseits auch im Stande sein, das" bunte Gewirre der objektiven Naturerscheinungen vom Standpunkte dieses Gesetzes aus zu zerlegen und wieder zusammenzufügen. Dieses Gesetz wird ihnen bloss als ein lebloser Rahmen, als ein trockenes Schema erscheinen, welches der schönen Farbenpracht der Natur und der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen sowohl in der Natur als auch im socialen Leben nicht entspricht, ja sogar sie negirt. — Nun sind aber überhaupt alle allgemeinen Begriffe, alle Ideen, gerade weil sie allgemein sind, nur farblose

440 Verdichtungén dés bunten Gemisches der einzelnen Erscheinungen. So drücken Zahlen das Nacheinander und geometrische Figuren des Nebeneinander der einzelnen Erscheinungen in Natur und Gesellschaft aus. Das Gesetz der Uehereinstimmung dea Nachund Nebeneinander und der Verdichtung derselben im Uebereinander kann daher auch nur ein allgemeines, also farbloses sein. Zeit und Raum sind einseitige, starre Begriffe ; sie schliessen die Begriffe des Kausalzusammenhanges und des Zweckmässigkeit-Strebens, des Werdens und Vergehens nicht in sich; alle diese Begriffe umfasst aber das Gesetz der dreifachen Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander und führt durch stufenweise Potenzirungen bis zu der höchsten Idee, derer der Mensch fähig ist — zu der Idee Gottes. — Nach dem Ausspruch H e g e l ' s besteht das Denken in einem Auseinandersetzen der Begriffe und G ö t h e hat noch besser das Denken als Trennung des Ungleichartigen und Vereinigung des Gleichartigen bezeichnet. Um ' nun aber das Ungleichartige zu trennen und das Gleichartige zu vereinigen, muss man vor Allem zu der Erkenntniss gelangen, was gleichartig und ungleichartig ist. Die äussere Welt und unser Inneres bieten uns ein solches »Durcheinander«, dass der menschliche Geist anfänglich nur einzelne Lichtpunkte, einzelne hervorragende Instanzen in seinen Empfindungen, Anschauungen, Begriffen auffassen und sie mit der äusseren Welt und unter einander in Verhindung setzen oder ihr entgegenstellen konnte. Auch geschah dieses anfänglich mehr äusserlich, unbewusst, auf Grundlage zufälliger Analogien oder momentaner und oberflächlicher Eindrücke. Nur allmälig, mit dem Erkennen des unmittelbaren Kausalzusammenhanges der äusseren Naturerscheinungen und der inneren psychologischen Funktionen, entstand das genetische Denken, welches nicht in dem zufalligen und willkürlichen Hinüberspringen von einer Naturerscheinung zur andern, von diesem Begriff zu jenem, von einer Anschauung zur anderen nach ihren äusserlichen Analogien, sondern darin bestand, dass die Kette der Erscheinungen und Begriffe Schritt für Schritt in ihrem realen Kausalzusammenhänge verfolgt wurde. — Dieses genetische Denken, das als pium desiderium bis jetzt nur von einigen tieferen Denkern ' angedeutet worden ist, kann vorläufig nur als eine Philosophie der Zukunft bezeichnet werden. Um ein solches Denken zu ermöglichen, muss vor allem das Auseinandersetzen des Durcheinander, welches

441 uns die Natur und unser Inneres bieten, auf realem Wege vorgenommen werden. Diese Auseinandersetzung muss nun nach unserer Meinung, in der Durchführung in allen Gebieten der menschlichen Erkenntniss des allumfassenden Gesetzes der Ueberemstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander bestehen. — Es ist keine Erscheinung in der Natur und in unserem Geiste, •welche sich nicht diesem Gesetze unterordnet. Ausserhalb der Verhältnisse und Beziehungen, welche dieses Gesetz begründet und erklärt, bleibt nur Ein unauflösbarer Rest — das Absolute — nach. Dieses Gesetz umfasst und erklärt alle Verhältnisse und Beziehungen der Erscheinungen sowohl in der Natur, als auch in der menschlichen Gesellschaft, wie nicht minder im geistigen Leben des Einzelnen und der ganzen Menschheit. Dieses Gesetz weist im Grossen und im Kleinen, in Zeit und Raum, nach aussen und nach innen, vom subjektiven und vom objektiven Standpunkte aus, in allen Sphären und nach allen Richtungen hin einer jeden Erscheinung den Platz an, welcher ihr im Kausalzusammenhange der Natur und im genetischen Denken gebührt. Und dieses nicht etwa auf metaphysischer Grundlage, sondern auf realem Boden, auf Grundlage der unabänderlichen, nothwendigen Naturgesetze. In dem allumfassenden, obgleich scheinbar engen Rahmen des Nach-, Nebenund Uebereinander, in den Grenzen dieser uns kalt und todt anstarrenden Formel schlägt der Pulsschlag des Lebens im Weltall und in unserem Innern, vom mechanischen Stoss an bis in die äussersten Tiefen des menschlichen Bewusstseins. — Die verschiedenen Versuche, das Verhältniss des Menschen zur Welt und das Weltall selbst auf metaphysischem Wege zu erklären, haben fehlgeschlagen, weil sie nicht auf Naturgesetze gegründet waren, weil ihnen der reale Boden mangelte, weil sie statt Verhaltnisse und Beziehungen zu erklären, von einem absoluten subjektiven (spiritualistischen) oder objektiven (materialistischen) Standpunkte ausgingen oder denselben als letztes Ziel in's Auge fassten. Daher blieb auch bei allen diesen Systemen immer ein unauflösbarer Rest nach, der aber nicht, wie bei dem Gesetz der Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander, als etwas Absolutes ausserhalb des Systems stehen blieb, sondern in das System selbst verflochten war und sich als innerer Widerspruch kund that. Den Spiritualisten stellte sich auf Schritt und Tritt die Materie in den Weg und dennoch wurde sie von ihnen

442 negirt. Den Materialisten trat, sowohl in der Natur, als auch in ihren eigenen Werken das geistige Princip entgegen und dennoch wollten sie die Existenz der geistigen Welt nicht anerkennen. Auf Grundlage des Gesetzes der Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander übernimmt die Philosophie nicht das Wesen, das Wie der Sachen zu erklären — denn solches übersteigt, überhaupt das Erkenntnissvermögen des Menschen — sondern nur das Verhältniss und den genetischen Zusammenhang der Dinge. Wie ein durch einen mechanischen Stoss in Bewegung gesetzter Körper sich ewig bewegen kann, wenn er durch Reibung oder andere Ursachen seiner bewegenden Kraft nicht verlustig geht; wie die mechanische Kraft in "Warme, Licht, Elektricität etc. sich umsetzt; wie sich Bewegung zu Empfindung, Bewusstsein und Selbstbewusstsein verdichtet, das wird, was das Wesen der Sache anbetrifft, für den Menschen wahrscheinlich immer ein Geheimniss bleiben. Nur das Verhältniss, die Beziehungen der Kräfte zu einander, die diese Erscheinungen hervorbringen, liegt innerhalb seines Erkenntnissvermögens. Und dieses Verhältniss wird gerade nach allen Richtungen hin und in der umfassendsten Weise durch das Gesetz der Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander klar gelegt und zwar nicht nur in der Natur, sondern auch im Gebiete des geistigen und socialen Lebens. Durch dieses Gesetz wird das Durcheinander in allen diesen Gebieten genetisch >auseinandergesetzt < und der menschliche Geist in den Stand gesetzt, das Ungleichartige zu trennen und das Gleichartige zu vereinigen. — Von diesem Standpunkte aus erscheint auch die Philosophie als die praktischste aller Wissenschaften, indem sie richtig denken lehrt — nicht nach den bis jetzt üblichen metaphysischen Schematen der dogmatischen Schulweisheit, sondern auf Grundlage nothwendiger Naturgesetze und zum Zweck der Erklärung des realen Zusammenbanges der Erscheinungen. — Und wenn in irgend einem Gebiete die Entwirrung des noch jetzt in den Geistern herrschenden Durcheinander besonders nothwendig erscheint, so gilt es vom socialen Gebiete, wo noch so viele Vorurtheile, unbewusste Strebungen, unklare Anschauungen, verkehrte, beschränkte und durch Leidenschaften getrübte Ansichten herrschen. Der ganze Fortschritt der geistigen und ethischen Entwickelung der Menschheit hängt jetzt von der richtigen Erkenntniss des socialen Lebens ab. Religion, Wissenschaft,

443 Kunst, die ganze menschliche Kultur, sind Früchte des socialenLehens. Die diesem Leben zu Grunde liegenden wahren Gesetze erkennen heisst also soviel, als > die wahre Religion, die wahre Wissenschaft,die wahre Kunst, die echte Moral, mit einem Worte die wahre Kultur fördern; die Missachtung oder das Verkennen dieser Gesetze muss dagegen Jahrhunderte lang Zerrüttung,. Rückschritt und Verdunkelung in der Kultur nach sich ziehen. Dieses fühlt ja auch zu jetziger Zeit die Menschheit in ihren höheren Sphären; daher ist in unserer Epoche des höheren Aufschwunges der Kultur das Hauptinteresse gerade auf das sociale Gebiet gerichtet, daher werden auch in diesem Gebiete jetzt die spannendsten und brennendsten Fragen gestellt. Und diese Fragen beziehen sich nicht vorzugsweise auf diese oder jene praktische Seite des Lebens, sondern sind allgemeine Kulturfragen. Bereits in der Einleitung haben wir darauf hingewiesen, dass die neuere Philosophie und die Philosophie der Zukunft in dem genetischen Denken begründet werden muss, wogegen das frühere philosophische Denken vorzugsweise in dem Klassificiren, Abgrenzen, Einheilen der Begriffe bestand. Wir hoben hervor, dass auch alle anderen Wissenschaften, namentlich die Naturwissenschaften: Physik, Chemie, Botanik, Zoologie, dieselbe Evolution durchgemacht haben und in neuerer Zeit als eben so viele Darstellungen der Entwickelungsphasen der Naturkräfte gelten. Dieselbe Evolution steht nun auch der Socialwissenscbaft bevor und dieser Fortschritt kann nur dann vor sich gehen, wenn sich diese Wissenschaft der Naturkunde anschliesst und sich auf die Erkenntniss nothwendiger Gesetze gründet, wie es letztere thut. — Diese nothwendigen Gesetze, die der menschlichen Gesellschaft mit der Natur gemein sind, haben wir in diesem zweiten Theile unseres Werkes zu ergründen gesucht. Solches ist uns nur möglich gewesen, indem wir die im ersten Theile unseres Werkes hervorgehobenen realen Analogien zwischen der menschlichen Gesellschaft und den Einzelorganismen der Natur in reale Homologien umgesetzt haben, d. h. indem wir den realen Kausalzusammenhang in der allmäligen Entwickelung der socialen Erscheinungen zu ergründen suchten. Von diesem Standpunkte aus stellten wir die menschliche Gesellschaft, sowohl in ihrer geschichtlichen Entwickelung, als auch in der Gegenwart, als eine sich allmälig aus Naturkräften durch stufenweis sich potenzirende Integrirung und Differenzirung her-

444 vorgegangene Erscheinung, gleich allen übrigen Erscheinungen, des Kosmos, dar. Wenn wir dabei wiederholentlich hervorhoben, dass sogar die höheren geistigen und ethischen Sphären nichts weiter, als Potenzirungen von Naturkräften darstellen, so wollten wir dadurch gerade das genetische Moment bezeichnen. Denn giebt man einmal zu, dass die Entwickelung des Menschengeschlechts durch irgend ein Princip oder durch irgend eine Kraft bedingt wurde, welche nicht schon mit den Naturkräften selbst gegeben war, welche so zu sagen von der Seite plötzlich in den Gang der Entwickelung eingriff und sich noch kund thut, so muss der nothwendige, reale, gesetzmässige Zusammenhang der Erscheinungen in irgend einem Moment unterbrochen worden sein und noch jetzt gestört werden. Ein solcher Moment ist aber nie gewesen und es kann ihn auch nicht gegeben haben, es sei denn, dass man die Lehre von der Offenbarung in ihrer oberflächlichsten Form für unumstösslich wahr anerkennt. Denn eine jede, sowohl physische, als auch geistige Kraft, offenbart sich für den Menschen, sobald sie äusserlich in die Erscheinung tritt. Eine jede Religion ist daher die Folge einer Offenbarung, insofern in ihr neue geistige und ethische Kräfte an den Tag getreten sind, insofern sie neue Gebiete der Erkenntniss erforscht oder entdeckt hat, insofern sie überhaupt den Menschen zu einem höheren geistigen und ethischen Leben angeregt und befördert hat. — In dieser Hinsicht widerspricht die Lehre von der Offenbarung nicht im mindesten der Naturkunde und den Naturgesetzen. Dieser Widerspruch beginnt nur mit dem Augenblicke, in welchem von einer ausserhalb der Naturgesetze stehenden Wirkung des Geoffenbarten die Röde ist. Denn mit dieser Behauptung wird der reale Zusammenhang, die N o t wendigkeit der Naturgesetze überhaupt aufgehoben. Darin besteht gerade die, eine Ergründung von Homologien bezweckende genetische Methode, dass man Schritt für Schritt eine jede Erscheinung, sowohl im Gebiete der Naturkunde, als auch in dem der Socialwissenschaft, in ihrem allmäligen Werden und Entstehen verfolgt und sich nicht auf Zusammenstellungen von einzelnen hervorragenden Instanzen, von zerstreut herausgerissenen Analogien beschränkt. Letztere können zur Ergründung der Homologien, des realen Kausalzusammenhanges der Erscheinungen, nur als Wegweiser dienen. Haben wir aber etwa dadurch, dass wir Alles, sowohl in der Natur, als auch in der menschlichen Gesellschaft, bis in

445 die höchsten Sphären seiner Entwickelang auf Naturkräfte zurückführten, die Principien der Zweckmässigkeit, Geistigkeit und Freiheit negiren oder abschaffen wollen ? — Mit nichten. — Wir haben nur beweisen wollen, dass diese Principien etwas zugleich mit den Naturkräften bereits vom Anfange der Welt an Gegebenes sind und dass sie im Yerhältniss zu der höheren Potenzirung der Naturkräfte immer klarer, bestimmter, überwiegender zum Vorschein treten. Dieses Verhältniss haben wir im ersten Theile unseres Werkes sogar durch eine mathematische Formel, durch eine Proportion auszudrücken versucht. *) Die mechanische Bewegung, den mechanischen Stoss, diese einfachsten Kundgebungen anorganischer Kräfte, haben wir als erstes Glied dieser Proportion und dieses Glied als aus einem unendlich grossen materiellen Zähler mit einem unendlich kleinen ideellen Nenner bestehend bezeichnet. Das letzte Glied- dieser Proportion haben wir als aus einem unendlich kleinen materiellen Zähler mit einem unendlich grossen idealen Nenner bestehend vorausgesetzt, d. h. als ein geistiges Wesen, welches auf einer für uns unfassbar hohen Stufe der Entwickelung steht. All' die unzähligen Mittelglieder dieser unendlichen Proportion könnten bei steter Abnahme der materiellen Zähler und steter Zunahme der ideellen Nenner, den unlösslichen Zusammenhang versinnbildlichen zwischen den verschiedenen Ausprägungen der Naturkräfte und der socialen Kräfte. Jede Erscheinung der Natur und der Gesellschaft müsste unter ein Glied dieser mathematischen Proportion fallen. Diese Formel drückt die Genesis der allmäligen Potenzirung der Naturkräfte bis zur höchsten geistigen Potenz, bis zu Gott aus. Daher ist auch Gott kein Hirngespinnst, ist nicht einfach eine abstrakte Idee, sondern ein reales Wesen, eine Wirklichkeit, eine geistige Macht, die höchste aller Kräfte. Dieses wirkliche höchste Wesen reflektirt, spiegelt sich in uns ab, obgleich unvollkommen und halbbewusst, gleichwie die Sonne sich in jedem Tropfen des Oceans wiederspiegelt. Dieses Abspiegeln, dieses Reflektiren ist aber kein nur oberflächliches, sondern ein Durchdringen unseres Wesens bis in die entferntesteü Poren, und, da wir nur einen geringen Theil der Natur bilden, auch ein Durchdringen des ganzen Weltalls. Und dieses Durchdringen ist wiederum auf eine reale Kraft gegründet. Denn das Streben nach Vervoll*) ThL I, S. 383.

446 kommnung, nach höherer Poteflzirung, nach Zweckmässigkeit, •Geistigkeit und Freiheit ist den Njiturkräften eben so immanent, Tvie die nothwendigen Kausalgesetze. Wie ist aber ein solches Durchdringen möglich? Nun, das geht aus der Analogie mit der Wirkung des Lichtagens deutlich hervor. — Alle tiefer denkenden Naturforscher sind jetzt darin einig, dass die Materie und alle Naturerscheinungen nichts weiter sind, als ein Resultat der mannigfaltigsten Verdichtung des unendlich elastischen, alle Himmelsräume erfüllenden Lichtäthers, gleichwie auch speciell die organischen Wesen auf der Erdoberfläche nichts weiter sind, als Verdichtungen von Sonnenstrahlen. Die neuesten Entdeckungen haben überraschende Wirkungen des Lichtprincips auf unendlich weite Entfernungen an den Tag gelegt. Nur durch künstliche Apparate können uns diese wunderbaren Wirkungen auf so grosse Entfernungen zugänglich gemacht werden. Unser Auge an sich ist ein zu rohes und unvollkommenes Werkzeug, um ohne künstliche Beihülfe diese Wirkungen wahrzunehmen. Bildet äber das Auge den höchsten aller menschlichen Sinne ? Allerdings den höchsten der äusseren Sinne; aber der Mensch besitzt noch höhere, innere Sinne. Sollte diesen gegenüber nicht auch «in Aether, gleich dem, dem Auge entsprechenden Lichtäther, nämlich ein geistiger Aether vorausgesetzt werden können, von dem der Lichtäther nur ein roher, materieller Abglanz ist? Gewiss, und er kann nicht nur, sondern er muss vorausgesetzt werden, um Empfindung, Bewusstsein und Selbsterkenntniss zu erklären, «ben so wie der Lichtäther vorausgesetzt werden muss, um die Lichterscheinungen zu erklären. Denn sonst hätten zwar alle äusseren Sinne reale Analoga nach aussen hin, die inneren aber keine. Die inneren Sinne sind jedoch nur äussere, zufällig nach innen gekehrte Sinne. Ihnen muss doch auch etwas nach aussen hin entsprechen. Sonst würde etwas in uns sein, was ausserhalb uns nicht ist, sonst würde der Parallelismus des Nach-, Nebenund Uebereinander als unvollständig und als plötzlich abgebrochen erkannt werden müssen. Existirt aber ein geistiger Aether, so muss er dem Lichtäther gegenüber als das Primäre anerkannt werden, gleichwie dieser allen übrigen Naturerscheinungen gegenüber als das primäre Element bereits anerkannt worden ist. Der Lichtäther würde alsdann eine als materiell

447 uns erscheinende Verdichtung des geistigen Aethers aafgefasst werden müssen, gleichwie die Materie eine Verdichtung des Lichtäthers darstellt. Und wie die Materie, aus dem Lichtäther als grober Bodensatz entstanden, unbewnsst wiederum zu ihrem höheren Ursprung strebt; wie alles höher Organisirte inmitten der Materie nach dem Lichte lechzend sich zum Lichte emporschwingt, so strebt auch der menschliche Geist, dem geistigen Princip entsprossen, vom geistigen Aether durchdrungen, zu dem Urquell alles Geistigen, zu Gott hinauf. Und gleichwie der Lichtäther unser höchstes äusseres Organ, das Auge, durch beständige Anregung in unendlichen Reihen von Jahren während der paläontologischen Entwickelung der Thierwelt hervorgerufen hat, damit wir die Welt beschauen können, so regt auch das der Welt immanente höhere Wesen durch den geistigen Aether dasjenige Organ in uns an, welches Träger des Gottesbewusstseins ist. Wer dieses Organ in seiner höchsten Potenz besitzen wird, der wird Gott »von Angesicht zu Angesicht schauen.« Aber dieses Organ ist noch im Werden begriffen. Es ist unvollkommen und spiegelt die Idee Gottes nur dunkel und unvollkommen ab. Es ist die Aufgabe der Religion, dasselbe zu entwickeln und zu kräftigen. Und gleichwie der Lichtäther das Primäre der verschiedenen stofflichen Verdichtungen ist, so ist auch er selbst nur ein dunkler Abglanz, ein unseren niederen Sinnen zugänglicher Widerschein des geistigen Aethers, welcher somit als das primärste aller Principien, als die ursprünglichste aller Kräfte anerkannt werden muss — eine unmittelbare Wirkung der schöpferischen Kraft der Gottheit. Und indem wir dieses ausführen, gerathen wir in keiner Hinsicht in Widerspruch mit denjenigen Ausfuhrungen über die allmälige Entwickelung der Naturkräfte, über die stufenweise Potenzirung derselben bis zur menschlichen Intelligenz und bis zur socialen Wechselwirkung in der menschlichen Gesellschaft, welche uns als Grundlage zur realen Auffassung des socialen Organismus gedient haben. In dieser Auffassung liegt aber eben so wenig ein Negiren des geistigen Princips, oder der Existenz einer geistigen Kraft, als in der Ergründung der mechanischen, chemischen und physischen Gesetze ein Negiren der Existenz des Lichtäthers, dieses primären Princips der physischen Naturerscheinungen liegen würde. Wenn wir daher im Verlaufe unserer Auseinandersetzungen wiederholentlich erklärten, die Ausdrücke: Empfindung und Intel-

448 ligenz stellen nichts weiter dar, als potenzirte Naturkräfte, so muss solches nur in dem Sinne verstanden werden, dass das geistige Princip, nach unserer Auffassung, nicht als ein später von aussen dem Menschen zuertheiltes oder hinzugefügtes Princip, sondern als etwas bereits in und mit den Naturkräften Gegebenes, obgleich unendlich von ihnen Verschiedenes, angesehen werden musB, gleichwie auch der Lichtäther als etwas zugleich mit der Materie Gegebenes, obgleich von ihr, unseren Sinnen gegenüber, unendlich Verschiedenes anerkannt werden muss. Und gleichwie der Lichtäther im Stoffwechsel allerorten sich kund thut und jede Vibration der Materie nichts weiter, als eine Modulation der Bewegung des Lichtäthers darstellt, so ist auch der geistige Aether ein allgegenwärtiges, ein das All durchdringendes Princip, ein Princip, in dessen Schooss auch das A l l , gleichwie auch ein jeder von uns, zurückgehen wird. Das ist es auch, was in den verschiedensten Religionen, und besonders in der christlichen, als das Gottdurchdrungensein, als die Gemeinschaft mit Gott, als das Wiederkehren zu Gott bezeichnet wird. Denn gleichwie unser ganzes Denken und Empfinden eine reale Wiederholung im Kleinen und in kurzen Zeitabschnitten dessen ist, was im Weltall in überschwänglichen Zeitr und Raumverhältnissen vor sich geht,*) so reflektirt sich auch im höchsten allwissenden Wesen die kleinste Vibration des Stoffes, jedes Haar, das sich auf unserem Haupte krümmt. Und gleichwie in unserer begrenzten, unklaren, einseitig auffassenden Intelligenz der Kosmos sich unvollkommen abspiegelt, so spiegelt sich in der höchsten Intelligenz das ganze Weltall in seiner allseitigen Mannigfaltigkeit ab. Denn wie ein jeder von uns nur ein unvollkommenes, noch im Keime begriffenes Uebereinander des Nachund Nebeneinander der Welt darstellt, so müssen wir uns auch das höchste Wesen, als ein bis auf eine unendlich hohe Stufe potenzirtes Uebereinander des in Zeit und Raum Existirenden, d. h. als ein Ewiges und Unendliches denken. Von diesem höchsten Uebereinander bilden wir nur ein abgebrochenes, ein vergängliches Neben- und Nacheinander, aber auch zugleich einen Theil des Ganzen, einen Funken des ewigen Lichtes, einen reflektirenden Widerschein der höchsten Intelligenz. Und als Theil eines solchen Ganzen ist uns auch die Unsterblichkeit gesichert. *) Siehe Kapitel I und I I dieses Theiles.

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Denn auch die Kraft eines jeden anorganischen Körpers kann unmöglich spurlos verschwinden, sondern musa sich endgültig in Aether umsetzen. So kann auch eine jede Bewegung unseres Willens, eine jede Vibration unseres Gehirns nicht spurlos verloren gehen, sondern muss irgendwo in irgend welcher Form eine entsprechende Bewegung, ein Correlat derselben hervorbringen. Sehen wir doch jetzt, Dank den Entdeckungen der Spectralänalyse, dass auch die leisesten Veränderungen im Stoffwechsel der entferntesten Weltkörper auf unserer Erde noch zu spüren sind. Wir, sterbliche Menschen, sind also in unserem geistigen Leben unsterblich, gleichwie eine jede Bewegung der Materie nur in ihrer Form veränderlich, ihrem Wesen nach aber unvergänglich ist. Und gleichwie ein jeder anorganische Körper, auf Grund eines nothwendigen Gesetzes, obgleich unbewusst, strebt, sich ewig und bis in's Unendliche zu bewegen, so lechzt auch die Seele des Menschen nach einem ewigen Leben, so strebt auch sie, oft dunkel und unbewusst, aber auf Grund eines nothwendigen Gesetzes, zu der ursprünglichen Quelle alles Seins, zu dem höchsten Ziel jeder Kreatur, zu der höchsten Potenzirung jeg?icher Kraft, zu dem Uebereinander, zu der Vereinigung aller Vollkommenheiten. — Darin liegt nun gerade der Grund und die Nothwendigkeit der Religionen und des religiösen Strebens aller Zeit3n. Gleichwie die Pflanze unbewusst sich nach der Sonne wendet und das Licht der Sonne für die Pflanze nicht ein abstrakter Begriff, sondern etwas sie durchdringendes und zugleich ausserhalb ihr real Existirendes ist, so war auch und ist und wird immer für die Menschheit Gott nicht bloss ein Hirngespinnst, sondern eine reale Macht sein, zu welcher sich der Mensch immer mehr, durch ein reales Bedürfniss getragen, erheben wird. — Die Vorstellungen über höhere Wesen, Engel, ätherische Geschöpfe, ja die Himmelfahrt unseres Heilandes, sind nur Darstellungen dieses Bedürfnisses. Die heutzutage grassirende pessimistische Philosophie negirt nicht nur eine höhere vernünftigere Zweckmässigkeit, sondern überhaupt ein noihwenäiges Streben des Menschen, und mit ihm der ganzen Natur, nach einem höheren Ziel. Dass das eine verkehrte, eine unnatürliche Weltanschauung ist, liegt auf der Hand. Ganz richtig sagt Dr. Heinrich S c h w a r z über Pessimismus: >Aus einer Verkehrtheit des Unbewussten entsteht nach Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft. II.

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450 H a r t m a n n die Welt, und dieser Verkehrtheit wird siee auch zum Opfer. Dem verkehrten Gott entspricht die verkehrtee Welt, u n d . d e r verkehrten Welt die verkehrte Weltansicht; dass kann nicht anders sein.«*) Und an einer anderen Stelle: »Also die Welt und damit Sämmtliches in der Welt istt nach dem Pessimismus schlecht und wird immer schlechter; jeder Fortschritt ist nur scheinbar, in Wahrheit ein stets gröösserer Rückschritt. Doch wie? Wenn die Menschheit immer miseBrabler wird, immer mehr herabkommt, muss dies nicht auch voon dem menschlichen Erkennen, von der menschlichen Wissenschaft ggelten? Je mehr der Mensch demnach erkennt, desto weniger ecrkennt er, je mehr er wissenschaftlich forscht, desto geringer wirrd sein Wissen. Und gerade, wenn er das Ziel erreicht h a t , ist er bei dem Allerschlechtesten und Geringsten angekommen. Die pessimistische Philosophie ist also die unwahrste, sie ist dass Ende der Philosophie. Nur ein Bäckfall in den verfehmten Opptimismus kann es deswegen sein, wenn H a r t m a n n , S. 95, äuussert, die intellektuelle Entwickelung sei unleugbar in mächtigenm und dauernden Fortschreiten begriffen.« »Aehnlich verhält es sich mit der Religion. Auchi diese muss gemäss dem Pessimismus immer schlechter, immer geeringer werden. Die neue Religion daher, welche auf der >»pessimistischen Metaphysik« < oder der »»pessimistisch-pantheistischeen Philosophie erbaut wird««, muss dieser selbst zufolge die allererbärmlichste sein. Sie soll wohl das Ziel der Religion bbilden, kann aber nur das Ende derselben darstellen. So richteet der Pessimismus sich selbst, den Vernichtungsprocess, welcherr nach ihm das einzig Wahre ausmacht, vollzieht er an sich selbsßt.«**) Die christliche Lehre ist keine abstrakte Lehre, sondern gyründet sich auf den Glauben und die Existenz höherer realer K i r ä f t e . Sie nennt uns Kinder Gottes, nicht nur vom abstrakten odeir bildlichen Standpunkte aus, sondern weil wir ivirklich solche, weeil wir ein, wenn auch verdunkelter, Strahl des geistigen göttlichen Wesens sind. Und so war auch Christus nicht bildlich, sondern wiirklich Gottes Sohn, und, da er das vollkommenste aller Menschenkinder *) Heinr. S c h w a r z : Das Ziel der religiösen und wissenschaftlichen Gährung, nachgewiesen an Ed. v. H a r t m a n n ' s Pessimismus. S. 96.

**) Ebendas., S. 32.

451 war, so war er der bevorzugte, der liebste, und, von diesem Standpunkte aus, der einzige Sohn Gottes. Es liegt also eine tiefe Wahrheit im Christenthum, eine Wahrheit, bis zu welcher die Naturkunde noch nicht emporgewachsen ist. Nur mit der Anerkennung der menschlichen Gesellschaft als realen Organismus und der nothwendigen Voraussetzung eines geistigen Aethers treten die christlichen Wahrheiten Bowohl im religiösen, als auch im ethischen Gebiete als Realitäten zum Vorschein. Gleichwie einem jeden unserer äusseren Sinne ein besonderes Medium, specielle Kraft- und Stoffverbindungen in der Aussenwelt entsprechen: dem Tastsinn das Mechanische, Starre, dem Geschmacksinn die chemischen Beziehungen zu unserem Organismus, dem Geruchsinn das Sichverflüchtigen des Stoffes, dem Ohr die Luft, dem Auge der Lichtäther, — so muss nothwendig auch den höheren inneren Sinnen unserer Ideenwelt, unserem Bewusstsein und Selbstbewusstsein ein reales Medium ausserhalb uns entsprechen. Würde ein solches reales Medium nicht existiren, so müsste man voraussetzen, dass nur unsere niederen Sinne ein Produkt der Aussenwelt sind, unsere inneren höheren Sinne dagegen nicht. Denn dass das Ohr ein Produkt der durch den Schall erschütterten Luft und das Auge ein Produkt der Vibrationen des Lichtäthers ist, unterliegt keinem Zweifel mehr. Wie sollte nun aber die Ideenwelt, das Bewusstsein und Selbstbewusstsein, ohne einen durch ein entsprechendes Medium getragenen höheren Reiz entstanden sein? — Unsere niederen Sinne hätten ein jeder ein entsprechendes Correlat, eine Projektion, ein Analogon, ein Ding an sich, in der Aussenwelt, die höheren Sinne dagegen nicht? Die niederen Sinne würden in uns die äussere Welt reflektiren und selbst ein Produkt der Reflexe derselben sein und die höheren würden nichts reflektiren, als nur sich selbst oder höchstens nicht real-existirende Phantasiebilder? Die niederen Differenzirungen und Integrirungen unseres Organismus würden Etwas darstellen, was dem Nach-, Neben- und Uebereinander der Aussenwelt entsprechen würde, und nur in Betreff unserer höheren Nervenorgane würde dieser Parallelismus aufhören? Das reale Medium, welches diesen Organen entspricht, kann man freilich anders, als geistigen Aether benennen. Die Realität desselben wird aber durch diese oder jene Benennung oder Bezeichnung nicht aufgehoben. Wir haben keinen bessern Ausdruck finden können, um zu gleicher Zeit die 29 •

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höhere Potenzirung und die Realität dieses Mediums auszudrücken. In der christlichen Dogmatik würde dieses "Medium dem Princip des heiligen Geistes entsprechen. Wie dieses Medium seinem Wesen nach beschaffen ist, diese Erkenntniss ist uns unzugänglich, ebenso wie es uns das Wesen auch der übrigen, den niederen Sinnen entsprechenden Medien ist. Alle Medien geben uns keine Abbilder, sondern nur Zeichen ihrer Existenz. Und solche Zeichen giebt uns auch der geistige Aether. Daher wäre es naiurtcissenschaftlich völlig unrichtig, würde man darauf erwidern wollen, dass wir mit dem Gaumen etwas Reales schmecken, mit dem Ohr etwas Wirkliches hören, mit dem Auge Etwas wirklich Existirendes sehen. Alle Sinneseindrücke sind rein subjektiv, und dass es sogar Raum und Zeit sind, hat bereits K a n t unumstösslich bewiesen. Für den Blinden existirt kein Lichtäther, wie für den Tauben keine Klänge. Eben so existirt für den Atheisten kein Gott. Und wollte man auch behaupten, dass die Gottesidee nur ein Wahngebilde sei; das BewusBtsein und Selbstbewusstsein des Menschen lassen sich doch nicht wegleugnen, und diesen müsste doch etwas Vernünftiges in der Aussenwelt entsprechen.• Dieses Entsprechende nennt man nun im religiösen Gebiet das höchste Wesen, die höchste Vernunft, Gott. Als Wahngebilde können wir nur die unvollständigen, zerfahrenen, zerrütteten Vorstellungen vom höchsten Wesen gelten lassen. Solche Wahngebilde werden aber auch von den niederen Organen und Sinnen hervorgebracht, ohne dass dadurch die Existenz der Aussenwelt negirt werden könnte. Wir fühlen die Bewegungen dieser Medien, gleichwie wir das Regen des geistigen Aethers in unserer Anschauung, in unserer Ideenwelt spüren. Dieser Aether durchdringt, gleich dem Licht, uns und die ganze Welt; ja die Welt und ein Jeder von uns sind, wie auch der Lichtäther selbst, Produkte des geistigen Aethers. In der Dogmatik aller Religionen wird diese Produktion, als in kürzeren oder längeren Zeiträumen vor sich gehend, als in einzelnen Thätigkeitsäusserungen und Akten, oder als in einem Guss hervorgegangen dargestellt oder als Schöpfung bezeichnet. Die Schöpfung ist uns, unseren Sinnen gegenüber, ein Zeichen und da das Wort in dem geistigen Leben des Menschen von Anfang an vorzugsweise den Charakter eines Zeichens hatte, so heisst es auch ganz richtig in Betreff der materiellen Welt: >Am Anfang war das Wort.« —

453 Und gleichwie der Stoff, indem er nichts weiter darstellt, als eine Verdichtung des Lichtäthers, sich wieder in Aether auflöst und gleichwie eine jede physische Kraft wieder zu ihrem Ursprung, dem Lichtäther, zurückkehrt, indem sie sich in Vibrationen desselben umsetzt und auflöst, ohne dass dabei nach einem allgemeinen unumstösslichen Naturgesetz auch der kleinste Theil von Kraft oder Bewegung verloren gehen kann, eben so kann auch nicht die geringste geistige und ethische Regung des Menschen verloren gehen, sondern muss sich endgültig in den geistigen Aether umsetzen und in Ewigkeit bestehen. Das ist, was die christliche Dogmatik als Unsterblichkeit der Seele, Wiederkehren zu Gott, als Jenseits, als zukünftiges Leben, als ewige Seligkeit bezeichnet Diese Wahrheiten gründen sich auf nothwendige Naturgesetze. Die christliche Dogmatik geht in dieser Hinsicht vollständig real vor, wie es die Naturkunde thut und wie es die Socialwissenschaft in Zukunft wird thun müssen. Wir wiederholen es: die verschiedenen Medien entsprechen der verschiedenen Specialisirung unserer Sinne. Diese Sinne finden aber auch eine Integrirung in unserem Bewusstsein und Gottesbewusstsein. Dieser Integrirung in uns muss auch nothtoendig eine Integrirung ausser uns entsprechen: der Vernunft des Individuums eine höhere Vernunft, der Idee Gottes, ein Gott. Und dieser Gott muss nothwendig ein reales Wesen sein und da wir die Selbstthätiglieit und Selbstbestimmung in ihrer höchsten Potenzirung uns nur als etwas Persönliches vorstellen können, so muss es ein realer und persönlicher Gott sein. Wie dieser persönliche Gott seinem Wesen nach beschaffen ist, darüber können wir ebenso wenig urtheilen, wie über das Wesen der Welt; wie letztere so können wir uns auch Gott nur vorstellen. Dass wir uns denselben anthropomorph vorstellen; ist natürlich, denn wir urtheilen auch über die Welt "und die einzelnen Naturerscheinungen nur nach subjektiven Eindrücken. Alles aus dem Stoff ableiten heisst ja auch subjektiv und anthropomorph urtheilen, nur ist dieses Urtheil auf den niedrigsten unserer subjektiven Sinne, aitf den Tastsinn gegründet. Die Auffassungen, die auf die höheren Sinne gegründet ßind, sind ebenso subjektiv und anthropomorph, aber auch zugleich eben so real. — Da nun die ganze Natur und eine jede ihrer Erscheinungen nicht nur in einem Kausalzusammenhange mit dem Vorhergehenden steht, sondern auch ein Streben nach immer höherer

454

Potenzirung der Kräfte an den Tag legt, und da dieses Streben zur ErkenntniBs immer höherer Medien sich in der organischen' Welt durch Entwickelung immer höherer Sinne kund thut, — so geschieht es auch noch jetzt und wird in der Zukunft noch immer vor sich gehen. Vom Grunde des Uroceans an hat sich der thierische Organismus bis an das Licht hinauf gewunden und durch das Auge den Vibrationen des Lichtäthers eröffnet. So hat auch der Mensch in der Gesellschaft durch allmälige Entwickelung seiner höheren Nervenorgane im Verlaufe der Geschichte sein Selbstbewusstsein und Gottesbewusstsein entwickelt und die Existenz Gottes erkannt. Auf welchem Wege konnte aber eine so hohe Potenzirung des menschlichen Nervensystems bewerkstelligt werden, dass es bis zum Bewusstsein, Selbstbewusstsein und Gottesbewusstsein gelangte? — Wir haben es bereits in dem ersten Theile unseres Werkes bewiesendurch direkte und-indirekte Reflexe, welche im Schoosse der menschlichen Gesellschaft unaufhaltsam vor sich gingen und noch immer mannigfaltiger, intensiver und inniger vor sich gehen, gleich den Reflexen, durch die das Nervensystem eines jeden Thieres unaufhaltsam in Bewegung und Erregung erhalten wird. — Die höher entwickelten Nervenzellen reagiren auf die niederen und ziehen letztere allmälig in die höhere Entwickelungssphäre hinauf. In der menschlichen Gesellschaft geht dasselbe durch hervorragende Persönlichkeiten in den Gebieten der Wissenschaft, der Kunst, der Moral, der Religion vor sich. Diese direkten und indirekten Reflexe sind aber bis in die höchsten Sphären des geistigen und ethischen Lebens des Menschen ihrerseits immer doch nur Reflexe der realen Aussenwelt. Wenn nun in einer hervorragenden Persönlichkeit die Idee Gottes klarer und bewusßter zum Durchbruch gekommen ißt und bei den anderen Menschen Anklang gefunden hat, so ist dieses nicht etwa zufällig oder ohne nothwendige Ursache geschehen, sondern ein solcher Durchbruch stellte eine höher potenzirte Reflexwirkung dessen dar, was ausserhalb des Menschen und der Menschheit wirklich existirt, also einen Reflex der höchsten Vernunft, des höchsten Wesens, eine Fleischwerdung Gottes. Wenn daher die verschiedensten Religionen die Vergötterung der Naturkräfte, die Incarnation der Gottheit in den mannigfaltigsten Formen und endlich die christliche Dogmatik die Fleischwerdung Gottes statuiren, so bezeichnet das die Erkenntniss nicht

455 irgend welcher Trugbilder, sondern von, wenn auch nicht immer richtig aufgefassten, Realitäten. Die Religionen der Naturvölker sind die niedrigsten, die am wenigsten entwickelten, weil sie die Immanenz der Gottheit nur in den niederen Naturkräften voraussetzen. Die christliche Religion ist die höchste und die allein wahre, weil 6ie die Offenbarung Gottes durch das am höchsten entwickelte Geschöpf auf Erden, durch den Menschen selbst, in der Person eines Gottessohnes statuirt. — Von dem Standpunkte, auf welchen wir uns gestellt haben, liegt darin auch kein Widerspruch mit der Naturkunde und den Naturgesetzen. Die Idee Gottes, das Gottesbewusstsein, konnte auf Erden definitiv nur vermittelst eines Menschen und zwar eines vollkommeneren, in geistiger und ethischer Hinsicht alle anderen überragenden Menschen zum Durchbruch kommen. Und der Träger dieser Idee, der Verkünder dieser Wahrheit wird daher noch jetzt als ein Strahl von dem ewigen Licht, als ein hervorragender Reflex von Gottes "Herrlichkeit und Macht gefeiert. Dieses genüge vorläufig, um unsere Anschauung über die Realität der menschlichen Gesellschaft mit den höchsten Interessen und Strebungen des Menschen in Einklang zu bringen — mit der Religion und den Lehren der Moral. — Wir hoffen in einem der nächsten Theile unseres Werkes diese Uebereinstimmung noch weiter durchzuführen.

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3, Zelle i v. a. >utt Beitrage einer l i e i : Beitritte inr. 36, •l v. n. >I Medid 1.: ledlt. I» 17 T o. II auf dem 1.: auf den and u f du. N 18 T. o auf dem 1.: u f du. « II 6i, 1 T. XX. d i e e e a L dleies Vorginge«, N II 62, 13 U. II und 1.: nnd du«, I» 68, 8 v. o. tt bei wenigen L: bei Wenigem. I» o . N Ueberreite L : Ceberresten. «Ii T» 17 befordern L . fördern, 69, a. 11 12 N u m 1.: nur. 7«, 12 • . n. FI II 77, 4 y. o. it indirektem L : In indirekte, »» 81, ununterbrochen 1.. •unterbrochene, 3 o . it «8, 8 u. v in er 1. er in. 141, Ober iie 1.: Ober Ihn. 20 y. o. Uktologiichen L : tektologlichen. 150, 8 y. a. Mandslejr 1.: Haadftlej. 232, 4 y. a. ef ficientes 1.: efOrlenteii. 337, tt 10 y. u. 264, 17 y. o. t in welchem 1.: welchen, 268, 2 y. o. n der Litermtar and 1.: nnd Literatur der. H B y r 1.: Bjr etc. (CultargMChlehte T o n Hellwald), 276, t> 1 y. u. II n farchtb&rere I.: fruchtbarere, 306. 9 y. o. II

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455 irgend welcher Trugbilder, sondern von, wenn auch nicht immer richtig aufgefassten, Realitäten. Die Religionen der Naturvölker sind die niedrigsten, die am wenigsten entwickelten, weil sie die Immanenz der Gottheit nur in den niederen Naturkräften voraussetzen. Die christliche Religion ist die höchste und die allein wahre, weil 6ie die Offenbarung Gottes durch das am höchsten entwickelte Geschöpf auf Erden, durch den Menschen selbst, in der Person eines Gottessohnes statuirt. — Von dem Standpunkte, auf welchen wir uns gestellt haben, liegt darin auch kein Widerspruch mit der Naturkunde und den Naturgesetzen. Die Idee Gottes, das Gottesbewusstsein, konnte auf Erden definitiv nur vermittelst eines Menschen und zwar eines vollkommeneren, in geistiger und ethischer Hinsicht alle anderen überragenden Menschen zum Durchbruch kommen. Und der Träger dieser Idee, der Verkünder dieser Wahrheit wird daher noch jetzt als ein Strahl von dem ewigen Licht, als ein hervorragender Reflex von Gottes "Herrlichkeit und Macht gefeiert. Dieses genüge vorläufig, um unsere Anschauung über die Realität der menschlichen Gesellschaft mit den höchsten Interessen und Strebungen des Menschen in Einklang zu bringen — mit der Religion und den Lehren der Moral. — Wir hoffen in einem der nächsten Theile unseres Werkes diese Uebereinstimmung noch weiter durchzuführen.

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der. verödeter 1.: rerinderter.

Alphabetisches

Sach- iind Namenregister. A.

Abnormitäten 10. Abortus 238. Absolute, das, 87, 89,. 92, 372, 442. Aerolithen 82. Aether 45, 55, 58, 79, 86, 386, 446 u. ff. Agens, leuchtendes, 52. Aktion 311 u. ff, 359, 413. Alezander d. Grosse 423. Alterthum, Cultus des, 156 u. ff., • 340 u. ff Ammoniten 255, 256 u. ff. Ameisen- und Bienenstaat 399. Anazagoras 368. Anazimenes 83. Anatomie 61, 73. Analogie der Gesellschaft: mit dem Gehirn 13; mit den Naturorganismen 14, 34, 40, 61, 70, 71, 120.178,198, 215,254,444. Siehe auch P a r a l l e l i s m u s . .Anhangsgebilde 9. Anthromorphisches Princip 89. Anthropologie 116. Anthropophagie 122, 159. Antimeren 172, 177. Anpassungi 106, 112, 115, 120, 124, 127, 198, 226 u. ff, 251 u. ff, 281 u. ff Anziehung 82. Appianus 284. Aphoristische Gedankenschlüsse 369. Arbeit, Arbeitstheilung 12, 75, 76, 99, 106, 107, 108, 135, 177, 262 u. ff, 354, 387 u. ff, 402. Archimedes 118. Arndt, E. M., 435. Architektur 58, 59, 87. Aristokratie 72, 316 u. ff., 353. Aristoteles 219, 326, 327, 367, 368, 391, 423. Arten 50, 334 »u. ff. Siehe auch S p e c i e s.

Askenasy 258, 259. Astronomie 86, 385. Atavismus 9, 232. Atheismus 46, 452. Athmosphäre 49. Atome 3, 31, 32, 55, 58, 79, 427. Aufregung 54. Auge 78, 90, 446 u. ff. Azara 203. Azyr 221. B. Bacon, XIII, XXVI, XXVIII, XXX, 97, 111. Baer, von, 84, 197, 208, 209, 223, 320. Bagehot 226. Bam 29. Bardili XXV. Barth 293, 304. Bartlett 143. Bastian 165, 166, 187, 294, 295, 303. Bateman 145. Beau 54. Beechey 242. Berkeley 36, 365. Bernard, Claude, 53. Bernstein 179. Bevölkerung 260, 263, 267, 26!9 u. ff. Bewegung 30, 32, 50, 52, 54, 517, 58, 59, 60, 63—65, 67, 69, 90if 143, 182-185 u. ff., 198, 448. Bewusstsein 72, 78, 79. Bibel 41, 141, 154. Bichat 17, 179, 181. Bienen- und AmeisenBtaat 399 u. ff. Bildungsgewèbe. Bildungszelleen 8, 349, 350, 358, 360, siehe auch Kategorien. Bindesubstanz 5. Biologie 14, 60, 385. Bionten 110, 115. Biron, Maine de, 66, 67.

457 Bischof 199. Blut 53. Blutrache 167, 423. Blutsverwandtschaft 170, 173 , 350 bis 355 u. ff., 387, 388 u. ff. Botanik 61, 62. Brandt, von, 287. Broca, Paul, 21, 250, 292. Buch, Leopold, 298, 299, 301. Büchner, Ludwig, 2, 3, 4, 7—9, 82, 94, 119, 231. Buckle 331. Buffon XV, 219, 290. Buddha, Buddhaismus 315, 410. Burdach, K. Fr., 18, 296. Buschmänner 116. Butler 79. Byr, Rob., 275. Byron 201. C'abanis 203, 295. €arey 27& Carneri, B., 427. Carpenter 116. Carns 175, 209, 218, 219, 222. Cäsar, 423. Caspari 299, 300, 425. Charakter 68. Charlevoix 241. Chemie, chemische Verwandtschaft, 51, 52, 53, 56, 63, 64, 356, 385, 433. Christenthum 44, 455; s. auch gion, Kirche. Christus 450. Civilisation 122. Comte 330, 428. Conde 266. Conestabile, Graf, 287. Consumtion 76. .Copernikus XXX, XXXV. Cormen 177. Coulanges, Fuatel de, 389. Cousin 329. Cramer, C., 3. Crawfurd 296. Crozet 204, 286. Cuvier XV. 222, 223.

D.

Darwin, Charles, VIII, 29, 92, 129, 131, 132, 138, 139, 143, 201, 232, 236, 237, 246, 250—252, 255, 272, 281, 283, 299. Davis, J . B., 21. Dauergewebe, Dauerzellen 8, 3*49, 350, 358, 360. Daumer 155.

Decandolle, von, 171, 175. Decimalsystem 65, 117. Dellingshausen 32, 55. Demokratische! Zustände 316 u. ff. Demokrit 129, 367. Denken 14, 15, 28, 29, 30, 3 2 - 3 7 . 40, 52, 54 — 57, 59, 60, 62, 64 bis 66, 80, 365 u. 377 u. iL, 440 u. ff. Denkmäler 386. Descartes 18, 36, 37, 378. Descendenz, Descendenztheorie 62, 73, 86, 104, 236, 356, 358. Deyille, M. H. Sainte Ciaire, 63. Differenzirung 12, 13, 41, 47, 70, 78, 81, 83, 85, 1 0 6 - 1 0 8 , 110, 126, 169 — 173, 177, 215, 224, 274, 339, 358, 387 u. ff., 400, 402, 404. Ding an sich 365, 373, 378. Dioaor 414. Divergenzgesetz 109—112, 123, 124, 176 u. ff, 358. Documente 77. Dogmatismus 41, 452 u. ff. Doubleday 269, 270. Drüsengewebe 5. Dualismus 92. Du Bois 39, 54, 375. Duell 166. DUrville 286. Eberhard 34, 85, 36. Ebräer 121. Ewards 291. Egoismus 355. Ehe, wilde, 388. Ehelosigkeit 351. Eisperiode 386. Elastisches Gewebe 5. Elektricität 52, 56, 60. Elemente 49. Embryologie 6, 7, 9, 73, 74, 84, 86j 104, 113, 170 — 173 u. ff, 199, 200. 238, 335. Empfinden 28, 34, 54, 55, 57, 67, 80, 377 u. ff. Empirismus 373, 385. Energie 75, 408. Ennemoser 17. Erblichkeit 952 Entwickelung 9, 13, 43, 104, 107, 115, 110, 124, 127, 1 7 0 - 1 7 3 u. ff, 197 — 225, 226 u. ff., 257, 313 u. ff, 320 u. ff, 334 u. ff., 356, 358, 359 u. ff., 387, 389 u. ff, 399 u. ff., 402, 404, 4^3, 444.

458 Geiger XXXI. Geist, Geistigkeit, 22, 32, 33, 38,41, 48, 54, 56, 61, 66, 70, 77, 91, 92, 372 u. ff, 374 u. ff., 378 u. ff, 382 u. ff, 445, 446. Geld 76, 136. Gemüthsbewegungen 29, 54. Geoffroy 291, 292. Geographie 86. Geologie 86. Geometrie 30, 34, 55, 86. Geschichte 43, 65, 85, 86, 113, 116, 358, 385, 400, 404. Geschlecht 169. F. Gesellschaft, menschl., Analogie der Fähigkeiten 74. G. mit dem Gehirn 13, mit den Familie 15, 51, 84, 85, 169 u. ff., Naturorganismen 14, 28, 61, 72, 176 u. ff., 310 u. ff, 326 u. ff., 169, 178, 198, 215, 309 u. ff., 351 u. ff., 386 - 359, 399. 386, 387 u. ff, 400 u. ff. Farben 58, 90. Gesetz der Arbeitsteilung, UnterFasergewebe 9. ordnung, Differenzirung, InteFechner 17. grirung, Specialisation und EinFeudalsystem 187—196. heitlichkeit, siehe d. Fichte 89. —, bürgerliches, 77. 86. Fick 2. — des Denkens 14, 15, s. auch Flourens 18, 54, Denken. Formen 90, 105. —, sociales, 40 u. ff, 354. Forster 202. —, mechanisches, 59. Fortpflanzung 12, 386 n. ff. — des socialen Fort- und BückFortlage 289. schrittes 309 — 343. Fortschritt, socialer, 309 — 343, 355, Gestikuliren 57. 359 u. ff., 383, 402. Freiheit 10,. 38, 46, 48, 77, 78, 210, Gewebe 5, 71, 99. 328 u. ff, 354, 372 u. ff, 377 Gewissen, 45, 47, 74, 77, 338. Girou 296. u. ff, 445. Gleichheit in Natur und Gesellschaft Freycinet 201. Freude 57. 7, 28, 49, 311-313 u. ff. Freund, Dr.. 437. Gletscher 386. Friedmann, Dr., 159. Gliddon 291. Frischbier 151. Gobineau 289, 295. Furcht 54. Göthe 38, 84, 98, 170, 281, 314, 360, 423, 440. G. Gott, Gottheit, Gottesbegriff 41, 44 GaU 18. bis 47, 78, 79, 330, 382, 402, Galvanismus 52, 56, 60. 405 — 408 u. ff, 421 u. ff., 425 Ganglium opticum 54. u. ff., 435, 440, 447, 448, 450, Gas 83, 86. 452 u. ff. Gebräuche 118—120, 137—147, 151 Gosse 17. bis 153. Gattungen 61. S. übrigens A r t e n Gratiolet 232. Griechen 121. und Species. Gedankenschlüsse, aprioristische, 369. Grund 57, 63. — des Denkens 56. Gefassgewebe 9. Gefühl 38, 53, 58. 59, 63, 64, 67, Grund, socialer, 56, 60. 71, 72, 74, 86. —, logischer und realer, 34. Gehirn des Menschen 1, 3, 11, 13, Grundeigenthum 341, 353. 16, 17, 18, 19, 21 - 24, 28, 30, Gruppen, sociale, 174, 177 u. ff., 196, 43, 53-55, 70—73, 200, 360. 216, 257. Erdball, 49, 61, 83, 260. Erdmann, Dr., 433, 434. Erkenntnissvermögen, 1, 52, 73, 89. Ermüdung 30. Ethik 369, 370 u. ff. Ethische Gesetze, b. s i t t l i c h e G e setze. Ethnographie 116. Evolution 31, 60, 61, 113, 115, 200, 236, 443 u. ff. Euler 32. Experimente 385.

4 Sd H. Eaeckel 93, 102, 106, 108, 126, 171, 172, 175, 177, 178, 197, 199, 237, 239 , 245, 247 , 254, 255, 320, 321. Halevy 189. Handel 136, 138. Hartmann, Robert, 188, 304. Hartmann, Ed. v., 449, 450. Harvey XXXV. Hecquard 214. Hegel 328, '366—368, 379, 440. Hefiwald XIV, 136, 210, 276,288,331. Helmholtz, XVI—XVHI, 366—368. Hemmungs- und RfickbÜdungsgesetz 226 214. Heraklit XXVIII, 367. Herder 331. Hermann 331, 379. Herodot 153, 160, 285, 415. Hörschel 73. Herz, 45, 53. Hexerei 151—153, 240. Hierarchie 7, 38, 56, 57, 59, 60, 69, 71, 175, 176 u. ff. Eobbes 426. Holzgewebe 9 Homer, 79, 423. Homologien 61, 62, 71, 444, 444. Honegger 363. Humboldt, AI. v., 82, 251, 434. Hume, David, 66, 67, 376. Hunter 221. Huschke 21. Huxley 246. I. Ith und Nicht-Ich 36, 41, 373. Ideale, das, 46, 61, 69, 87, 89, 90 bis 92, 280. Idealisten, Idealismus 21, 22 , 90, 369, 373 u. ff., 376, 404. Ideen 38, 41. Idola tribua 211. Inertie 30. Indianer 241. Indier, 121. Individuum 13, 15, 57, 60, 74, 76, 110, 177, 200, 224, 310, 331 u. ff, 421 u. ff. InÜustrie 75, 76, 134, 135 u. ff, 354. Iris 54. , Instanzen 40 u. ff, 255. Integrirung 12, 13, 46, 49, 71, 75, 78, 8J, 83, 85, 215, 224, 274, 358, 387, 400, 402, 403. Intellekt 54, 64, 86. Intelligenz 17, 365.

Intermittenz der social. Entwickelung 179 u. ff Interzellularsubstanz, 8. Z w i s c h e n zellensubstanz.

J. Jacobi, F. H., 35. Janet, Paul, 66, 67, 75. Jessen 17. Johannisfeuer 117. Jolly, Dr., 409. Judenthum 446.

K. Kälte 90, 373 u. ff. Kampf um's Dasein 43, 49, 50, 76r 126, 127, 226 u. ff, 245 — 280, 357 359. Kant X X m , ' 3 4 , 35, 38, 42, 88, 90, 92, 329, 365, 373, 376, 378. Kapital 13, 16, 41, 69, 75, 76, 98 r 99, 127, 132, 262. Karsten 94. Kastenwesen 15, 187—196, 352 u. ff.Kategorisches Soll 365. Katholicismus 427 u. ff. Kauf 77. Kausalität 55, 56, 60 -62, 69, 71, 87, 89, 425, 8. auch N o t h w e n d i g keit. Kausalzusammenhang 111—114, 137r 149, 173, 180 u. ff, 272 u. ff., 363. Keimesgeschichte 198, 199 u. ff, 207r 243. Keppler XXXV, 82, 220, 423. Kiesewetter 34. Kinder und Wilde 65, 74, 85, 200 u ff, 231, 428. Kindere, Leo van der, 288. Kirche 383, 405, 406 u. ff, 426 u. ff., 430—435 u. ff, s. auch R e l i g i o n . Klang 90. Klenke 434. Knorpelgewebe 5. Kölliker 4, 93, 95, 226. Kometen 82. Königthum, Entwickelung desselben, 395—399. Konservativ, Auslegung dieses W., 344—363. Konsumtion 265, S89. Kopernikus 423. Kopf und Rumpf 16. Körper 54, 59, 71, 90. Korkgewebe 9. . Korporationen 51, 336. Kosmogonie 86. Kosmologie 81.

460 Kosmos 5, 12, 28. Kraft und Stoff s. S t o f £ Kräfte: geistige und sittliche 46, 55, 388, reale-47, mechanische 14, 55, 370, Umsatz d. K. 28, SO, 52, 52, 65, Wechselwirkung der Naturkräfte 28, 32, Wesen der K. 34, Kraft und Stoff a. d. — im Allgemeinen 56, 57, 59, 60, 63, 66, 72, 74, 78, 88, 89. Kredit 77. Kreuzung der ßacen 124, 187 u. ff, 284-309. Krieg 54. Kriegk 296. Kriticismds 373. Krystall 3, 359. Küchenabfälle, sog., 133. Kulturvölker 85. Kultus der Familie, 389. Kunst 47, 58, 69, 73—75, 78, 86, 87, 91 u. ff., 361, 382 u. ff., 400, 402, 418. Kfitzing 94. I. Lachen 57. Lamark 222, 250, 281. Lange 39, 88, 374, 375—378. Laplace 73, 3 75. Laudonière 192. Laute 64, 65, 75. Lecky XIV. Lefèbvre 296. Leibeigenschaft 187. Leibnitz 34, 380. Leidenschaft 17, 18, 29, 54, 57, 67, 80, 356. Lesen C5. Lessing 426. Leuckart 175. Leucippus 367. Licht 52, 56, 69, 79, 90, 386. Liberal 344—363. Liebe 274, 356, 376, 389. Linné XV, 217, 218, 219. Locke 36, 38, 74. Logik 62, 399, 374. Lubbock XIV, 139, 144, 145, 200 bis 202, 205. Luft, Luftströmungen 49, 58, 83, 86. Lyell 207. M. Macchiavelli 225. Magnetismus 52, 56, 60. Maimon, Salomon, 35. Maine, H., 437.

Makrokosmos, Mikrokosmos, 9, 122. Malerei 58, 87. Halfatti 16. Malthus 259 , 261—263 , 266 , 267, 268—273. Mantegazza 287. Maschinen 75. Masson 140. Materialismus, Materialisten 21, 42, 43, 76, 79, 88. 89, 92, 280, 269, 373 u. ff, 376, 404, 425, 442. Materialität 77, 87, 373. Materie 32, 34, 36, 38, 41, 48, 49, 68, 69. 72, 73, 81, 88, 89, 92, 372 u. ff., 374, 378 u. ff, 383 u. ff. 446. Mathematik 30, 32, 34, 48, 86, 380. Maudsley, Dr., 29, 231, 232. Mechanische Kräfte 14. — Gesetze 59, 67, 68. Mechanischer Stoss 31, 51,55,64,356. Meer 49. Mensch 43, 44, 48, 57, 72, 73, 74, 85, 86, 98, 100, 104, 105, 114, 172 u. ff, 207, 226 u. ff, 259 333, 353, 356. Menschheit 43 -45, 60, 74, 85, 104, 105, 113—115, 169, 172—174 u. ff. 199, 207 u. ff, 444, 449 u. 450. Menschenopfer 159 u. ff. Metalle 86. Metapher 68. Metaphysik 34, 41, 66, 68. Metameren 177. Methode, real vergleichende, 14, 40, 62, 71, naturwissenschaftl. 114. Meyer, Jürgen Bona, 20, 21. Meynert, Th., 21. Mikrocephalie 228 u. ff. Migrationsgesetz 281—309. Miß, Stuart, 67. Mineralogie 62. Mohl, Hugo von, 2, 94, 267, 268. Molekül 31. Molusken 75. Mommsen 284. Monarchie 316 u. ff., 352, 355. Moneren 106, 125, 169. Monogenisten und Polygenisten 281 u. ff Montesquieu 219, 225. Moral, s. S i t t e n g e s e t z . Morel 296. Mörenhout 142, 242. Motive 56, 57, 60, 63, 64, 71, 72 u. ff., 356, sociales M. 56, s. auch Reiz. Müller, Dr. J. J., 416.

461 Müller, Max, 436, 437. Musik 58, 59, 87. Muskeln, Muskelbewegung 5, 25, 29, 31, 53, 54, 57, 59, 64—66. Mattermale 255. Mutterzellen s. B i l d u n g s z e l l e n . Mythologie 155, 433.

Ohnmacht 53. Oligarchische Zustände 316 u. S. Opfer, Menschen-, 159 n. ff. Ordalien 117, 166. Organismus, Entstehung undWechsel•wirkung der einzelnen Theile d. O. 2—13, 50, 108. —, socialer, 24 , 25 , 44, 70, 71, 77, 78, 96, 114, 120, 125, 127, 169, 173 u. ff, 176, 216 u. ff, 224, 226, 309, 310 u. ff., 355 u. ff., 358, 361. der Menschheit 41, 47, 48, 109, 110, 115. — der Natur 70, 84, 91, 93, 94, 117, 216, 217, 346—350 u. ff. —, thierischer, 27, 28, 93, 107, 217, 236 u. ff, 385.

N. Nach-, Neben- und Uebereinander b. P & r a l l e l i s m u s . Nägeli 2, 4, 94, 171, 175, 208, 250, 258, 345 — 349. Naguet 367. Nahrung und Wohnung 242 — 244, 261, 262 u. ff., 269. Napoleon I, 423. Napoleon III, 344. Nationalitäten 15,51,84, 85 u. ff., 389. Nationalökonomie 100, siehe auch Volkswirtschaft Paläontologie 49, 120. Natur 49, 51, 56, 61, 72, 98. Papua 116. Naturerkennen, Grenze des, 374 u. ff. Parchappe 21. Naturkräfte 32, 46, 51, 56, 60, 63, 81. Parallelismus zwischen den Gesetzen Naturgesetze 372, 401 u. ff. der Natur, des Geistes und der Naturkunde 60—62, 69, 73, 74, 79, Gesellschah 4 u. ff.; zwischen 369, 382 u. ff., 384, 386 u. ff, dem Nach-, Neben- und Ueber443 444. einander 4, 16, 32, 72, 73, 75, Naturphilosophie 384—386 u. ff, 404. 78, 81, 83, 84-87, 92, 101, 102, Naturwissenschaftliche Methode 114. 109, 110, 114—116, 121, 123, Nebelflecke 82. 124, 128, 137, 148, 149—151, 168, 170 , 177 — 228 u. ff., Neger 116, 200, 205 u. ff., 212, 232, 279, 297, 357, 358, 372, 374, 393, 409. 379, 388 u. ff., 404 , 440 , 441 Nervensystem des Menschen 1, 3, 5, u. ff., 448 u. ff.; zwischen 11, 14, 22, 24, 27, 53, 56, 57, dem Migrationsgesetz der Thiere 64, 69, 70, 73, 77, 86 u. ff., 199, und des Menschen und dem der 350 u. ff, 353, 360, 402, 404. Pflanzen 301, zwischen derEnt—, sociales, 70, 72, 75, 96, 98, 99, wickelungsgeschichte der Natur100, 125, 224, 337, 387, 400, 418, organismen und dem socialen 454. Organismus 322 u. ff., 343. Netzhaut 54. Neumann 22. Patriarchalisches Verhältnis 351, 389 Newton XXXV, 118, 220, 366, 423. u. ff., 393—395. Nicht-Ich 36, 41. Pflanzen-48, 50, 51, 72, 86, 91, 171, Nicolncci 287. 217, 248-251 u. ff, 346 u. ff. Niedergeschlagenheit 54. Pflüger 25. Noire 378. Perpetuum mobile 39. Normannenzeit 167. Perty, M., 2, 3, 13, 16, 24, 27, 33, Notwendigkeit 30 , 32, 34—36, 38, 186, 208, 249, 286, 380, 381 u. ff. 4 1 - 4 3 , 46, 48, 49, 55, 56, 59, Pessimismus 449. 77, 373 u. ff., 377 u. ff., 403. Peter der Grosse 423. Nott, 290, 291, 295. Petronius 426. Phantasie 64. O. Philosophie 41, 54, 62, 66, 72, 87, Oberhautgewebe 9. 92, 112, 364—384, 414, 427 u. ff., Obermüller, W., 285. 442 u. ff. Objekt. 32, 34, 38, 41, 48, 64, 66, Philosophie der Geschichte 384 bis 90, 113, 114, 372 u. ffi 438.

4G2 Psychologie 14, 60, 62, 68, 69, 385. Physik s. C h e m i e . Piraterie 9. S e e r ä u b e r e i . -Planeten 81. Piastiden 106, 120, 177. Plato 324, 325, 367, 423. Poesie 59. Polak 204. Polygenisten o. Monogenisten 281 u. ff. Potenzirung 3,16,23, 32, 41, 48, 52, 59, 60, 62, 63, 69, 71—75, 77, 78, 81, 85, 86, 87, 121, 276 u. ff, 356 u, ff, 382 u. ff., 404. Ponchet 295. Prädikat 81. Primaten 130. Primordialschlauch 94. Prophetie 112. Produktion 75, 76, 265 u. ff., 389. Prostitution 388. Protestantismus 427 n. ff. Protoplasma 43, 169. Pruner 297. Pythagoras 118. Q. Quatrefages 286, 294. R. Bacen 15, 57, 169, 200. Badenhausen 252. Bauch, P. M., 295. Raum 10, 35, 52, 55, 56, 58, 59, 61, 81, 86, 364 u. ff., 379 u. ff., 407 408, 425. Beale, das, 46, 61, 89, 90—92. Rechnen 57, 65, 87. Reaktion 311, 359, 413, 419 u. ff. Reaktionär 344—363. Recht 10, 38, 46, 47, 73. Rechtsgefühl 77, 338, 389. Rechtspflege, Richter 338. Rechtsurkunde 77. Rechtsverhältnisse 165—168. Redtenbacher 31. Reflexwirkung in Natur und Gesellschaft 6, 10, 14, 25, 45, 47, 75, 77, 7B, 96, 107, 124, 127 u. ff., 179 u. ff., 353—355 u. ff., 399, 454; s. auch N e r v e n s y s t e m . Regierungsform 225, 355, 395; siehe auch M o n a r c h i e , R e p u b l i k u. S t a a t s f o r m e n . Reich, Ed., 22, 23, 203, 235, 292, 295. Reinhold XXV. Reiz 17, 26, 52, 53, 55—57, 60, 63, 64, 71, .72, 179 u. ff., 356. Relationen 55, 56.

Religion, Religionssysteme 43, 44, 46, 47, 58, 73, 78, 89, 112, 154 bia 159 o. ff., 330 u. ff, 360. 369, 370 u. ff, 374, 382 u. ff., 400, 402, 403, 405 — 417 u. ff., 426-438, 444, 447, 449,450,454. Remak, Prof., 95. Republik 316 n. ff, 352, 355. Ricardo 272, 273. Römer 121, 389, 415. Rosenstein, Dr., 395. Ross, 202. Rousseau, J. J., 122, 328. Rückenmark 17, 53. Rückbildungsgesetz 226—244. Rückschritt, socialer, 309—343 u. ff, 383. S. Same der Thiere 6, 9. Schaafhausen 159. Schall 59. Schelling 62, 90—92, 329. Schiller 107, 423, 428. Schlagintweit, Rob. v., 249. Schlegel XXIV. Schleiermacher 380, 433. Schleiden 171, 175, 197. Schopenhauer 35, 36, 58, 64, 65, 87, 00, 365, 385, 379, 385, 426. Schöpfung 33, 42, 46, 249, 382, 452. Schramm, H., 55. Schreien 57. Schule und Kirche 438. Schulze, G. E„ 35. Schwann 94. Schwankungen 182 — 185 u. ff., 310 u. ff, 417 u. ff. Schwarz, Dr. H., 449. Schweinfurth 293. Schwingungen 25, 32. Schwingungstheorie 31. Sekretion 125, 299. Seele 17, 20, 21, 23, 24, 67, 68, 449. Seeräuberei 167. Sehganglien 54. Sehnerv 55. Selbstbewusstsein 72. Semper, Prof., 195. Sensualisten 376. Sensibilität 54. Serres 289. Sesostris 423. Sinne, Sinnensystem 16, 33, 37, 54, 74, 76, 90, 446. Sitten 57, 73, 118, 137—147, 151 bis 168 u. ff., 354.

463 Sittliche Gesetze 42, 43, 46, 47, 77, 274, 838, 383 n. ff., 389. Sittenlehre 44. Skepticismus 373. Skulptur 58. Socialer Fort- und Rückschritt 309 bis 343. Sociale Gruppen, vide G r u p p e n . Socialer Organismus, social. Nervensystem s. N. nnd O. SocialWissenschaft 60, 62, 69, 100, 112, 221, 369, 374, 385, 443, 444. Sociale Zellen, s. Z e l l e . — Züchtung, s. Z ü c h t u n g . Solidarität 421 u. ff. Sonnensystem 81, 83. Spannung, Spannkräfte 24, 25, 31, 57, 59, 65 u. ff, 388. Specialisirung, Specialisation, siehe Differenzirung. Species 50, 51, 61, 76, 177, 281 u. ff., 334 u. ff Spencer 129, 131, 182, 183, 185, 226, 311, 312, 313, 370—372. Sphären, sociale, 174, 217 u. ff, 277 u. ff, 330 u. ff, 337, 352 u. ff, 387 u. ff. Spiller 32. Spinoza 378. Spiritualismus 92, 376. Sprache 59,64,132, 203, 235,356, 400. -Staaten, Staatenbildung 51, 84, 210, 219, 224, 337, 383, 389, 430 u. ff. Staatsformen 225, 336, 340 u. ff, s. auch B e g i e r u n g s f o r m e n . Staatliche Typen 316—327 u. ff. Stämme 15, 51, 85, 169, 283—309. Stammesgeschichte 198, 199 u. ff. 207, 243. Stände 15, 51, 188—196, 297, 336. Statistik 86. Sterblichkeit, Sterblichkeitstabellen 266 u. ff. Stolicza, Dr., 141. Stoff und Kraft 41, 88 u. ff, 372, 453. Störung im Nervensystem 14, 15. Strauss, David, 426. Stufenleiter, hierarchische, 48, 52, 63, 70, 71, 176. Subjekt 34, 38, 39, 41, 48, 88, 90, 372 u. ff. Subjekt-Objekt 365. Substanz 50, 51, 52, 88. Sybel 391. Symmetrie 58, 59. •Systeme d. Wissenschaften 87,89,441.

T.

Tanz 51, 58, 87. Tättowiren 160—165. Tauschhandel 13, 36. Tauschwerth 100. Theilung der Arbeit s. A r b e i t s th e i l u n g . Theologie 380, 383, 428 u. ff. Tertuffian 417. Thiere 43, 48, 57, 72 — 76, 86, 91, 170,171 u. ff, 217,300; Gattungen d. T. 50, 51, 217, 222, Organisation d. T. 171, 178. Thiermenschen 85. Thierwelt 104. Todtenfeier 117. Trommelfell 64. Twesten, Carl. 188, 191, 285, 395. Tyndall, John, 129. Tylor XIV, 117, 118, 146, 166, 167, 205, 241, 242. Typus, Typen 51, 210, 224, 225 u. ff, 232, 255, 290 u. ff, 316—327 u. ff.

U. Uebereinander 61, 72, 81, 83 —85, 87, 92,101, 448; s. auch P a r a l lelismus. Ueberlieferungen 386. Unbeständigkeit 311. Ungleichheit, das Frincip d., 7. Universum 13. Unsterblichkeit 449, 453. Ursubstänz der Weltkörper 13. Unterordnung, hierarchische, 7, 12. Unzerstörbarkeit der anorganischen Körper 50. Urgeschichte 'der Menschheit 113, 114. Urkunden 77. Urmensch 113—116, 134. Urzeit des Weltalls 51. Urzustand 84, 133, 328 u. ff.

V. Vererbung 9, 10, 108, 112, 115, 124, 127, 198, 255, 258, 351 a ff, 399. Vereinigung der Geschlechter, siehe Geschlecht Vergangenheit und Zukunft der Menschheit 113, 120. Verdauung 54, 75. Verkauf 77. Vermehrung 260 u. ff. 388. Vernunft 35, 69 u. ff.,' 356. Vertheilung der Nutzgegenstände 76 u. ff, 389. Vibrationen 50, 53, 55, 386, 448.

464 Vinde 296. Vico 225, 327. Vinjrtesimalaystem 65, 118. Vircnow 3, 5. Virgil 423. Vogt, Carl, 229, 230, 232, 246, 282. Volljährigkeit 259. Völkerschaften 51, 57, 85, 169, 283 bis 309. W. Wagner 21, 233, 299. "Wahrnehmung 54. Waitz 116, 1S9, 142, 159, 160, 165, 166, 189, 191 — 195, 200, 204, 207, 212 — 215, 240 — 243, 285 bis 287, 290—292, 294, 296, 298, 302, 303. Wallace, Alfr., 122. Wallis 142. Wärme 52. 56, 57, 59, 60, 90,373 u. ff. Wasser 49 83 Wechselwirkung 33, 34, 49, 50, 55, 63, 70, 76, 78, 87, 91, 127, 128 u. ff., 353, 359, 387 u. ff., 402. Weissmann 258> Weltall, Weltsystem 31, 41, 51, 73, 79, 81, 83, 87, 368, 382, 408, 441, 448. Weltäther 45. Weltgas 55. Weltkörper 13, 33. Weltordnung, sittliche, 42, 275 u. ff Werthgegenstände 75, 119, 120, 127, 135, 338, 387, 419. Werthzeichen 77. Westropp 137, 138, 154. Wilde 57, 58, 65, 84, 85, 116, 119, 122, 137-147, 200 u. ff., 212 u. ff., 262, 351, 428. Wilson 241. Wissenschaft 42, 47, 66, 69, 73, 78, 8 6 - 8 9 , 111, 112 u. ff., 360, 372, 374, 383 u. ff., 385, 400, 402, 403, 418, 427, 430 u. ff. Wohnung u. Nahrung, Einfluss ders. 242—244. Wuttke 152. W. Wunat 25, 29. Wunder 429. Würtenberger, Leopold, 255—257.

Z.

Zähler 117, 445. Zarathustra s. Z o r o a s t e r . Zeit 35, 39, 56, 59, 61, 86, 114, 364 u. ff., 379 u. ff, 407, 408, 425. Zelle: Bedeutung für die Organismen, Entwickelung, Vermehrung, Untergang 2—10, 44, 76, 77, 98, 169, 226 u. ff., 320 u. ff. Sie unterliegt im Nervensystem und im menschlichen Gehirn denselben Gesetzen, wie in den Naturorganismen 3. Kategorien 5,93, 349. Entwickelungsfähigkeit 26 bis 28. Funktion 42, 71, 75, 78, 93, 95, 106, 120, 128, 131, 135, 148, 149, 150, 169, 177, 253 u. ff, 279 bis 280, 415. Kredit der Z. 77. Die Z. als organische Einheit 94, 110, 177. Zellen, sociale, 43, 72, 85, 96, 176, 310 u. ff., 418. Zellengemeinschaften 169—174 u. ff, 176. Zelleneewebe 5,74,93,96,101,125,418. Zellenmdmduen: Entwickelung, Unterordnung unter einander 7; als Bestandteile des Nervensystems 96,173; der organischen Gewebe 98. Zellenkampf 272. Zimmermann 206. Zirkel 67. Zoologie 61, 443. Zoophyten 75. Zoroaster 409 u. ff Züchtung, geschlechtliche 245—280, 282 309. —, natürliche 92, 226 u. ff, 297. —, sociale, 253, 276, 358. Zweckmässigkeit 10, 46, 48, 77, 78, 87, 89, 372, 373 u. ff, 376, 378 u. ff, 403, 425, 445. Zwischenglieder 51, 62, 63, 69. Zwischeninstanz 57, 60. ZwischenzellensubBtanz 5, 75, 78, 93, 96, 98, 99, 100, 101, 118, 125, 128, 131, 135, 137, 148, .150, 168, 224, 274, 337 u. ff, 360, 387, 400, 402, 403, 418 u. ff.

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H E I N R I C H VON T R E I T S C H K E Dritte A u f l a g e , 2 Bde., brosch. M. 12,— g e b d . in Halbfranz M. 15,— Was ein Mann von dem glühenden Patriotismus von der geschichtlichen Sehergabe und von der hinreissenden Darstellungskraft im Angesicht der Ereignisse gesagt hat, behält dauernden Werth, und es erquickt, sich in diese einst einer unmittelbaren lebendigen Gegenwart entquollenen Aeusserungen eines mit einem grossen Herzen begabten historischen Geistes zu versenken. (Die Post 181)7.)