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German Pages [513] Year 2006
Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe M I T T E L A LT E R
FÜRSTENSPIEGEL DES FRÜHEN UND HOHEN MITTELALTERS Herausgegeben von Hans Hubert Anton
AUSGEWÄHLTE QUELLEN
ZUR DEUTSCHEN GESCHICHTE DES MITTELALTERS FREIHERR-VOM-STEIN-GEDÄCHTNISAUSGABE
Begründet von Rudolf Buchner und fortgeführt von Franz-Josef Schmale und Hans-Werner Goetz
Band 45
SPECULA PRINCIPUM INEUNTIS ET PROGREDIENTIS MEDII AEVI Collegit et edidit Hans Hubert Anton
FÜRSTENSPIEGEL DES FRÜHEN UND HOHEN MITTELALTERS Ausgewählt, übersetzt und kommentiert von Hans Hubert Anton
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2006 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Daphne Schadewaldt, Wiesbaden Einbandgestaltung: Neil McBeath, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de
ISBN-13: 978-3-534-14348-1 ISBN-10: 3-534-14348-5 Elektronisch ist folgende Ausgabe erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-70112-4
INHALT Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff und Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumliche Schwerpunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorlagen und Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zu den ausgewählten Texten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Fürsten- und Königsspiegel des karolingischen Frankenreichs Vorläufer, Anfänge, Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . (1) Jonas von Orléans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sedulius Scottus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Hinkmar von Reims . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B Königs- und Regentenspiegel des Reiches/Italiens im Hochmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturelle und räumliche Besonderheiten . . . . . . . . . . (4) Gottfried von Viterbo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Johannes von Viterbo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C Spiegel unter dem Einfluss der Wandlungen im Hochmittelalter: England und Umkreis der französischen Monarchie . . Zusammenhänge und Differenzen. . . . . . . . . . . . . . . (6) Johannes von Salisbury und Helinand von Froidmont . . . (7) Gilbert von Tournai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Vinzenz von Beauvais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3 3 6 9 11 11 11 12 14 19
Einrichtung der Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
23 23 24 26 28 28 30 32 34 35
VIII
Inhalt
A Fürsten- und Königsspiegel des karolingischen Frankenreichs I 1
Ionas episcopus Aurelianensis, [De institutione regia.] Admonitio Jonas, Bischof von Orléans, [Unterweisung für den König.] Mahnwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
II 2
Sedulius Scottus, Liber de rectoribus Christianis. . . . . . . . Sedulius Scottus, Werk über die christlichen Herrscher . . . .
100 101
III
Hincmarus episcopus Remensis, a) De regis persona et regio ministerio ad Carolum Calvum regem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Admonitio ad episcopos et ad regem Karlomannum . . . . Hinkmar, Bischof von Reims, a) Über Person und Amt des Königs an König Karl den Kahlen b) Mahnschrift an die Bischöfe und an König Karlmann . . .
3
47
150 192 151 193
B Königs- und Regentenspiegel des Reiches/Italiens im Hochmittelalter IV 4
Gotifredus Viterbiensis, Speculum regum . . . . . . . . . . . Gottfried von Viterbo, Spiegel der Könige . . . . . . . . . .
208 209
V 5
Iohannes Viterbiensis, Liber de regimine civitatum . . . . . . Johannes von Viterbo, Werk über die Regierung und Lenkung der Stadtstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
230 231
C Spiegel unter dem Einfluss der Wandlungen im Hochmittelalter: England und Umkreis der französischen Monarchie 6
Johannes von Salisbury und Helinand von Froidmont . . . .
286
VII Gilbertus de Tornaco, Eruditio regum et principum . . . . . . 7 Gilbert von Tournai, Belehrung der Könige und Fürsten . . .
288 289
VIII Vincentius Bellovacensis, De morali principis institutione . . . 8 Vinzenz von Beauvais, Moralische Unterweisung des Monarchen
448 449
Personenregister
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
498
Geographisches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
503
VORWORT Das Thema des vorliegenden Bandes beschäftigt mich wissenschaftlich seit mehr als vierzig Jahren. Gern ging ich daher 1998 auf das Angebot von Herrn Prof. Dr. Hans-Werner Goetz, des Mitherausgebers der FSGA, ein, eine einschlägige Publikation im Rahmen der Reihe vorzunehmen. Wir waren uns der mannigfachen Probleme bewusst, die mit der notwendigerweise selektiven Erfassung und mit der breiten nationalen Streuung der Quellen verbunden sind. Weiter unten (sub „Einrichtung der Ausgabe“) und vorher in einem Forschungsbericht (Jahrbuch der historischen Forschung, München 2004) gehe ich spezieller darauf ein. Ich hoffe, dass die Möglichkeiten eines breiten Vergleichs von Voraussetzungen, Genesen und Perspektiven der Spiegel als die den genannten erschwerenden Umständen entgegenstehende positive Seite in dem Buch deutlich werden. Einer Reihe von Bibliotheken habe ich dafür zu danken, dass ich am Ort oder durch Übersendung von Mikrofilmen Einsicht in Handschriften nehmen konnte: Bibliotheca Vaticana Rom, Bibliothèque Nationale Paris, Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, Bodleian Library Oxford, Bibliotheek der Rijksuniversiteit Leiden, Bibliothek des Nikolaus-Hospitals (Bernkastel-)Kues. Der Stadtbibliothek Trier verdanke ich den Zugang zu einem Inkunabeldruck. Für die Beschaffung mitunter sehr entlegener Literatur danke ich besonders der Universitätsbibliothek und der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier. Für gute und weiterführende Zusammenarbeit gilt mein Dank den Lektoren der WBG, Frau Verena Artz und Herrn Daniel Zimmermann. Die immense und unermüdliche Hilfe meiner Frau, Sigrun Anton, war conditio sine qua non für das Entstehen der Publikation. Sie half mit oft entscheidendem Rat in Fragen der Interpretation und der inhaltlichen Gestaltung und trug die Last der Manuskripterstellung, des Korrekturlesens und der Erarbeitung des Registers. Ihr gilt auch an dieser Stelle mein großer Dank. Konz-Könen, im Juli 2006
EINLEITUNG 1. Allgemeines Begriff und Sache Einleitung
„Fürstenspiegel“ ist ein Begriff, der durchweg unscharf verwandt wird, für ein breites Spektrum von Schrifttum: für Traktate politisch-theoretischer, staatsphilosophischer und publizistischer Natur, für Ratgeber-Texte diversen Zuschnitts, für Tableaus und Spiegel der Gesellschaft. Originär verwendet in der Forschung zur Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, ist er übernommen in anderen Bereichen, namentlich in den Altertumswissenschaften.1 Eine Definition nach literarischen Gattungskriterien im engen Sinn ist nicht möglich. Sie lässt sich nur behelfsmäßig gewinnen, indem literarische und sachliche Gesichtspunkte miteinander verknüpft werden, und lautet dann: Ein Fürstenspiegel ist eine in paränetischer Absicht verfasste Ausarbei1
Vgl. generell: Singer, Bruno: „Fürstenspiegel“. In: TRE. Bd. 11 (Berlin, New York 1983), S. 707–711; Anton, Hans Hubert: „Fürstenspiegel“. In: LexMA. Bd. 4 (München, Zürich 1989), Sp. 1040 –1049; Peil, Dietmar: „Fürstenspiegel“. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 1 (Berlin, New York 1997), S. 640 – 642; Anton, Hans Hubert: „Fürstenspiegel“. In: Der Neue Pauly. Bd. 14 (Stuttgart, Weimar 2000), Sp. 76 – 81. In mancher Beziehung problematisch: Philipp, Michael, Theo Stammen: „Fürstenspiegel“. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 3 (Tübingen 1996), Sp. 495 – 507. Umfassendere Darstellungen: Anton, Herrscherethos; Eberhardt, Otto: Via regia. Der Fürstenspiegel Smaragds von St. Mihiel und seine literarische Gattung. München 1977 (Münstersche Mittelalterschriften. Bd. 28); Rouche, Michel: Miroirs des princes ou miroir du clergé? In: Committenti e produzione artistico-letteraria nell’alto medioevo occidentale. Spoleto 1992 (SSCI. Bd. 39, 1), S. 341– 367; Berges; Singer, Bruno: Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus und der Reformation. München 1981 (Humanistische Bibliothek: Reihe 1, Abhandlungen. Bd. 34); Specula principum; Anton, Hans Hubert: (Forschungsbericht) Fürstenspiegel (Königsspiegel) des frühen und hohen Mittelalters. Ein Editionsprojekt an der Universität Trier. In: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Berichtsjahr 2003. München 2004, S. 15 – 32. – Ratgebertexte: Ferster, Judith: Fiction of Advice. The Literature and Politics of Counsel in Late Medieval England. Philadelphia 1996 (Middle Ages Series); Graßnick, Ulrike: Ratgeber des Königs: Fürstenspiegel und Herrscherideal im spätmittelalterlichen England. Köln, Weimar, Wien 2004 (Europäische Kulturstudien. Bd. 15). – Gesellschaftsspiegel: Anton, Gesellschaftsspiegel.
4
Einleitung
tung, gerichtet an einen König, Fürsten oder Regenten jeweils als Person oder an einen (fiktiven) Amtsträger als Repräsentanten einer sozialen Gruppe. Sie muss abgefasst sein als selbständiges Werk oder als abgeschlossener Teil in einem größeren Zusammenhang. Die Paränese kann sich ausdrücken in direkten Ermahnungen zur Gestaltung der herrscherlichen Ethik und Amtsführung, darüber hinaus in der Erörterung von auf den Empfänger bezogenen staats- und gesellschaftstheoretischen Zusammenhängen. Sie kann bezogen sein auf Person und Amt des Herrschers, im weiteren Sinn auf die vorgegebenen und umfassenden politischen und kirchlichen Ordnungen. Der konkrete Ort der Texte ist zwischen Sein und Sollen, mit den genannten theoretischen Werken ist ihnen die Behandlung der politischen Ethik gemeinsam.2 In der Karolingerzeit sind die Werke initiiert und verfasst von geistlichen Autoren, die im Rahmen der karolingischen Reform zur Prägung von Königtum und Reich drängten.3 In formaler Hinsicht ist zwischen eigens für die Herrscher geschriebenen Werken (Theodulf von Orléans, ca. 798; Smaragd von St. Mihiel, 811– 814; Ermoldus Nigellus, 828; später Sedulius Scottus [† nach 871] und Hinkmar von Reims [† 882]) und solchen zu scheiden, die als selbständige Schriften aus allgemeinen Gesellschaftsspiegeln (Synodaltexten) herausgelöst wurden (Jonas von Orléans [† 843] und auch hier Hinkmar). Diese verselbständigten Texte können in der Kontinuität solcher Gesellschaftstraktate und auf die Gesamtheit bezogener Spiegel gesehen werden, wie sie das aus dem irischen Raum stammende (7. Jahrhundert) unter dem Namen Pseudo-Cyprian verbreitete Werk begründete.4 Doch lag die Initiative wohl nicht nur auf der einen Seite: Es handelte sich durchweg um Mahnwerke für junge Könige, Karl der Große und Ludwig der Fromme dürften als Väter von Adressaten zumindest indirekt die Herstellung ermutigt haben. Terminologisch sollte man diese Texte, die in einer gewissen Tradition zu Mahntexten für merowingische Könige stehen, als „Königsspiegel“ fassen. Hiervon sind Mahntraktate für adelige Amtsträger, in denen es um eine Rechtfertigung laikaler Lebensform, doch auch ansatzhaft um eine Legi2
Anton, (Forschungsbericht, wie Anm. 1) S. 15; s. Schulte, Manuel J.: Speculum Regis. Studien zur Fürstenspiegel-Literatur in der griechisch-römischen Antike. Münster u. a. 2001 (Antike Kultur und Geschichte. Bd. 3), s. bes. S. 9 –16; Graßnick (wie Anm. 1) S. 1– 49: vorsichtige Aporie zu einer Begriffsbestimmung, S. 68 –72: Fassung als Texte der pragmatischen Schriftlichkeit. 3 Rouche (wie Anm. 1). 4 Zu konziliaren Fürstenspiegeln/Gesellschaftsspiegeln Anton, Herrscherethos S. 198 – 245; ders., Gesellschaftsspiegel S. 55 – 82; irischer Traktat: Pseudo-Cyprianus; dazu Anton, Pseudo-Cyprian; ders., Zur neueren Wertung Pseudo-Cyprians („De duodecim abusivis saeculi“) und zu seinem Vorkommen in Bibliothekskatalogen des Mittelalters. In: Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter 51 (1989) S. 463 – 474; ders., Königsvorstellungen S. 282 – 287.
Einleitung
5
timierung weltlicher Amtsführung geht, als „Laien-/Adelsspiegel“ (Alkuin, Paulinus von Aquileja, Jonas von Orléans, Dhuoda, Hinkmar von Reims) abzuheben.5 An einschlägigen Stellen der Werke beider Gruppen erscheint ihre Zielsetzung in der Spiegelmetapher versinnbildet. Danach ist ihre Kennzeichnung als „Spiegel“ zu rechtfertigen, auch wenn die Bezeichnung „Speculum regum, principum“ erst ab dem 12. und 13. Jahrhundert nachweisbar ist.6 Deutlich sind auch im veränderten Rahmen des hohen und späten Mittelalters Spiegel für königliche und fürstlich-aristokratische Empfänger zu unterscheiden. An die Stelle des hocharistokratischen Laien des Frühmittelalters war der die Verfassung und die verfassungsgeschichtliche Typologie maßgeblich bestimmende „Fürst“ getreten.7 Nahegelegt ist von daher eine Unterscheidung, wobei als Oberbegriff „Fürstenspiegel“ beibehalten werden kann, in „Königsspiegel“ (Fürstenspiegel im weiten Sinn) und „Fürstenspiegel“ (Spiegel für den Fürsten im engen Sinn). Die im 12. und 13. Jahrhundert erscheinenden Regentenspiegel für italienische Kommuneamtsträger können auch unter den Oberbegriff gefasst werden, ist in ihnen doch mit zunehmender Tendenz die anvisierte Angleichung an die monarchischen und fürstli5
Zu diesen s. Toubert, Pierre: La théorie du mariage chez les moralistes carolingiens. In: Il matrimonio nella società alto-medievale. Spoleto 1977 (SSCI. Bd. 24), S. 233 – 285, hier S. 233 – 256; I, Deug-Su: La „saecularis potestas“ nei primi „specula“ carolingi. In: Culto Cristiano, Politica Imperiale Carolingia. Todi 1979 (Convegni del Centro di studi sulla spiritualità medievale. Università degli studi di Perugia. Bd. 18), S. 363 – 446 (subtile Beobachtungen zum Changieren von spiritueller zu „soziologischer“ Gesellschaftswertung bei Alkuin und Paulinus); Rouche (wie Anm. 1) S. 345 – 348, S. 351– 356; Sedlmeier, Franz: Die laienparänetischen Schriften der Karolingerzeit. Untersuchungen zu ausgewählten Texten des Paulinus von Aquileja, Alkuins, Jonas’ von Orléans, Dhuodas und Hinkmars von Reims. Neuwied 2000 (Deutsche Hochschuledition. Bd. 86), zur etwas problematischen Kennzeichnung S. 17– 24. 6 Anders: Jónsson, Einar Már: La situation du speculum regale dans la littérature occidentale. In: Études Germaniques 42 (1978) S. 391– 408; Belege in einschlägigen karolingischen Texten s. u. Jonas S. 69 und Anm. 63; zur Typik von „Specula“ in der Karolingerzeit: Toubert (wie Anm. 5) S. 246 f.; I (wie Anm. 5). Werktitel Speculum regum bei Gottfried von Viterbo S. 24 sowie S. 209 mit Anm. 1; zu Aegidius Romanus s. u. in dieser Einleitung. 7 Zu dem Phänomen „Fürst“ und „Fürstentum“ s. zusammenfassend: Goetz, Hans-Werner: „Fürst, Fürstentum“. In: LexMA. Bd. 4 (München, Zürich 1989), Sp. 1029 –1035. – Schranke zwischen „König/Kaiser“ und „Fürst“ war vornehmlich die Salbung. Auch dort, wo sich das Fürstentum in ideeller und liturgischer Hinsicht dem monarchischen Herrschaftsträger am meisten annäherte, in Frankreich und in der Normandie, verzichtete es auf die Salbung; s. Hoffmann, Hartmut: Französische Fürstenweihen des Hochmittelalters. In: DA 18 (1962) S. 92 –119, hier S. 98; Schneider, Herbert: Ein unbekannter Ordo ad principem consecrandum aus dem italienischen Normannenreich. In: DA 60 (2004) S. 53 – 95, hier S. 72 f.
6
Einleitung
chen Amtsträger erkennbar. Inhaltlich und terminologisch ist wichtig, dass französische oder auf das französische Königtum bezogene Spiegel des 13. Jahrhunderts als Lehrschriften (eruditio, institutio, informatio) gekennzeichnet sind. Der vorwaltenden pädagogischen Intention entsprechend haben die Autoren noch spezifische Erziehungsspiegel für Prinzen und junge Adelige abgezweigt. In der Scholastik ist mit dem Speculum De regimine principum (Aegidius Romanus) eine Rubrizierung gegeben, die vorrangig den monarchischen Herrscher, doch auch den landesfürstlichen Herrn anvisieren konnte (Miroirs de prince, Fürstenspiegel).
Räumliche Schwerpunkte Der räumliche Schwerpunkt der karolingischen Spiegel liegt im westlichen Frankenreich. Die Wirkungsstätten der genannten Autoren waren dort (in der Francia, in Aquitanien und im späteren Lotharingien), die großen Synoden, von denen die Gesellschaftsspiegel und Königsspiegel bes. des Jonas von Orléans und Hinkmars von Reims ihren Ausgang nahmen (Paris 829, Yütz 844, Quierzy 858, St. Macra/Fismes bei Reims 881; Trosly 909), fanden in diesem Gebiet statt. Im ostfränkischen Reich und auch in dem an dieses anschließenden mittelalterlichen (deutschen) Reich gab es für Jahrhunderte fast keine Königs- und Fürstenspiegel. Die Tradition karolingischer Gesellschaftsspiegel ist in gewisser Entsprechung zunächst in Italien aufgegriffen worden. Zu nennen sind die Praeloquia des Rather von Verona († 974) sowie das in manchem rätselhafte Werk Polipticum des Bischofs Atto von Vercelli († um 960).8 Bei den Herrscherspiegeln sind von Italien her markante Sonderformen und Innovationen entwickelt worden: das zuerst den Titel „Königsspiegel“ führende Werk des Gottfried von Viterbo für den jungen Staufer Heinrich VI. (entstanden 1180 –1183), in dem zum ersten Mal auf breiter Grundlage Geschichte (historia) als Lehrstoff gebracht wird, sodann zur gleichen Zeit und im frühen 13. Jahrhundert die neue Form von Spiegeln für beamtete Regenten / Mandatsträger in Stadtstaaten unter anderem in Florenz (Oculus pastoralis und Liber de regimine civitatum).9 8
Rather von Verona: Praeloquia. Hrsg. v. Peter L. D. Reid. Turnhout 1984 (CC CM 46A). Dazu s. Kempff, Friedrich: Renovations- und Reformbewegungen von 900 bis 1050. In: Handbuch der Kirchengeschichte. Hrsg. v. Hubert Jedin. Bd. 3, 1: Vom kirchlichen Frühmittelalter zur gregorianischen Reform. Freiburg, Basel, Wien 1966, S. 365 – 398, hier S. 383 f.; Kölmel, Wilhelm: Soziale Reflexion im Mittelalter. Essen 1985, S. 76 – 81, hier S. 76. – Atto von Vercelli: Attonis qui fertur polipticum quod appellatur perpendiculum. Hrsg. v. Georg Goetz. Leipzig 1922 (Abh. Sächs. Ak. d. Wiss. Phil.-Hist. Kl. 37, 2); dazu s. Anton, Anfänge S. 116 f. 9 Zu Gottfried von Viterbo, Speculum regum und den beiden Regentenspiegeln
Einleitung
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In großer Breite und Intensität sind die verschiedenen Gattungen in England und besonders in Frankreich fortgeführt und akzentuiert worden. Vom Schema der verkehrten Welt her legte Bischof Adalbero von Laon († 1030) sein in Verse gefasstes Gesellschaftstableau an, eine Schrift „De ordine“ im retardierend konservativen Sinn karolingischer Werte.10 Die (möglicherweise um 1150 für König Heinrich II. von England) in Frankreich verfasste Sammlung Moralium Dogma Philosophorum, das 1159 von Johannes von Salisbury publizierte Werk Policraticus sowie die darauf und auf gemeinsamen Vorlagen fußende Ausarbeitung des französischen Zisterziensers Helinand von Froidmont (um 1200) gehören in den Umkreis gesellschaftsspieglerischer Summen. Sie sind in ihrer Vermittlung säkularer, von der Antike geprägter Modelle in Herrscherethik und Gesellschaftskonzept mit der frühscholastischen Denkströmung namentlich in Frankreich verknüpft.11 Königsspiegel, Fürstenspiegel im weiten Sinn, sind Texte des 13. Jahrhunderts aus Frankreich oder mit Bezug zu Frankreich, das ab dieser Zeit eindeutiges Zentrum für dieses Schrifttum war (Gilbert von Tournai, Vinzenz von Beauvais, Pseudothomas, Liber de informatione principum). Zugeschnitten sind sie auf die spezifische Gegebenheit des Landes, den Rex-princeps der sich immer stärker ausprägenden zentralen Monarchie, König Ludwig IX. (1225 –1270). Indem sie zur Herrscherunterweisung mehr oder weniger intensiv breitere gesellschaftliche Tableaus aus großen vom König initiierten Summen integrieren, sind sie einer speziellen Form der karolingischen Spiegel verwandt, wie sie auch inhaltlich oft defensiv auf deren Positionen gegen den Ansturm der neuen, frühscholastischen Ideen zurückgehen. Die weitere Entwicklung ist kurz anzudeuten. Mit Frankreich in Zusammenhang stehen die Werke, die den Höhepunkt der Gattung markieren, die Fragment gebliebene Schrift des Thomas von Aquin De regno sowie das Werk des Aegidius Romanus De regimine principum für Philipp den Schönen als Thronfolger von Frankreich. Unter dem Einfluss aristotelischer Staatssicht und mit scholastischen Methoden verhelfen sie einem aus anthros. u. sowie Anton, Hans Hubert: Petrarca und die Tradition der Herrscher- und Fürstenspiegel. In: „Das Wichtigste ist der Mensch“. Fschr. Klaus Gerteis. Hrsg. v. Angela Giebmeyer, Helga Schnabel-Schüle. Mainz 2000 (Trierer Historische Forschungen. Bd. 41), S. 229 – 251, hier S. 237. 10 Adalbéron de Laon: Poème au roi Robert. Hrsg. v. Claude Carozzi. Paris 1977 (Les Classiques de l’Histoire de France au moyen âge. Bd. 32). Zur Wertung der Schrift: Oexle, Otto Gerhard: Tria genera hominum. Zur Geschichte eines Deutungsschemas der sozialen Wirklichkeit in Antike und Mittelalter. In: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter (= Fschr. Josef Fleckenstein). Hrsg. v. Lutz Fenske, Werner Rösener, Thomas Zotz. Sigmaringen 1984, S. 483 – 500, hier S. 495 Anm. 100. 11 Zu den Werken und Autoren s. u. S. 28–35.
8
Einleitung
pologischen Denkvoraussetzungen gefolgerten säkularen Modell von Monarch und Gesellschaft zum Durchbruch.12 Aegidius richtete sein Werk vorrangig an den König, bezog aber auch die fürstlichen Herrschaftsträger ein. Diesen vorrangigen Bezug auf den Monarchen verdeutlichen volkssprachige Übersetzungen. Zeitlich anschließende Werke in Spanien, England und Skandinavien sind klar als Speculum regum bezeichnet.13 In Bezug auf die sich neu formierenden partikularen Gewalten im mittelalterlichen Reich kamen Fürstenspiegel im engen Sinn zum Tragen, ab der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert wurden solche Texte für Territorialfürsten in Österreich und Bayern (Engelbert von Admont, Vikar Michael), doch auch in den niederdeutschen Herrschaftsgebilden (Jean d’Anneaux, Johannes Caligator, Levold von Northof, Philipp von Leiden) verfasst. Zu der mit den scholastischen Spiegeln gemeinsamen von der Antike bezogenen säkularen Sicht treten Ansätze zu einer Verwaltungslehre; Zielsetzung ist dabei, Konzentration und Souveränität partikularer Herrschaft zu bekräftigen.14 Österreich war jenes Territorium, in dem im Reich nach jahrhundertelangem Intervall Texte geschrieben wurden, die auf die (habsburgische) Monarchie bezogen waren. Kurz nach 1300 beendete Engelbert von Admont seinen Königs-/Herrscherspiegel De regimine principum, zehn Jahre später ließ er den für die Söhne König Albrechts verfassten Fürsten-/Adelsspiegel Speculum virtutum folgen. Aristotelische Vorstellungen begegnen hier im Verbund mit dem Republikanismus aus römischer Staatsphilosophie und aus den italienischen Regentenspiegeln.15 Die reichsbezogenen Spiegel gerieten immer stärker unter den Einfluss des Humanismus, der Begriff Princeps erhielt von der antiken Konnotation her besonderes Profil für den Monarchen wie den als monarchisch gesehenen fürstlichen Herrscher. Entwickelt und ausgeprägt wurde diese humanistische Form, bei der der theoretische Diskurs fehlt und alles auf die Person, die Vorbildhaftigkeit und Bildung des Herrschers konzentriert ist, in Italien (14./15. Jahrhundert). Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde sie ebenfalls auf die habsburgische Dynastie appliziert.
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S. hierzu u. S. 35 f. Siehe Berges S. 291 ff. Nr. 3, Nr. 12, Nr. 17, Nr. 19 – 20, Nr. 22, Nr. 33, Nr. 34, Nr. 44; Singer, Fürstenspiegel in Deutschland (wie Anm. 1) S. 23 f. 14 Berges S. 106; Singer, Fürstenspiegel in Deutschland (wie Anm. 1) S. 27 f., S. 29. 15 Hierzu s. u. S. 36 f. 13
Einleitung
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Vorlagen und Anknüpfungen Namentlich für den Bereich der Antike ist der Begriff „Fürstenspiegel“ unscharf gefasst worden.16 Legt man differenzierende Maßstäbe zugrunde, so gab es nur wenige antike Fürstenspiegel. Wo solche vorhanden waren, wie bei Themistios und Synesios, stand die Abfassung in griechischer Sprache einer Rezeption im Wege. Eine Ausnahme stellt der byzantinische Königsspiegel des Agapetos für Kaiser Justinian († 565) dar, der, besonders als praktisches Hilfsmittel zur Erlernung der griechischen Sprache, in der Renaissance große Nachwirkung hatte. Nach gattungsmäßigen Kriterien sind aus der lateinischen Literatur Senecas Werk De clementia sowie die spiegelartige Rede Plinius des Jüngeren zu nennen.17 Seneca fand in der Tat große Aufnahme ab dem 12. Jahrhundert, doch wurde dies genregeschichtlich nicht besonders relevant. Auf seine recht dichte mittelbare Wirkung ist gleich einzugehen. Die klassische griechische Theorie über den Staat als natürlichen Organismus war seit dem Hochmittelalter von großer Aktualität und hatte zäsurhafte Bedeutung. Neben und vor der aristotelischen „Politik“ waren es die (säkulare) Staatsorganologie und die damit verbundene Herrscherethik, die auf eine Plutarch zugeschriebene Institutio Traiani zurückgeführt wurden und die bei aller fiktiven Zuordnung und weiteren Ausgestaltung in entscheidenden Grundlagen spätantiker Herkunft sind.18 Säkulare Züge antiker Prägung vermittelten weiter Martin von Bracara (6. Jahrhundert) mit seiner an Seneca angelehnten und diesem auch weithin zugeschriebenen Schrift Formula vitae honestae sowie eine programmatische Erziehungsschrift Institutionum disciplinae, die auch von der iberischen Halbinsel stammen dürfte.19 Beide Werke haben gattungsmäßig gewirkt, auf die „Laienspiegel“, Martins Traktat fand breite Aufnahme in dem italienischen Regentenspiegel des 13. Jahrhunderts.20 Um diese Zeit, ab der Mitte des 13. Jahrhunderts (Johannes von Limoges, Gilbert von Tournai), setzte auch die Aufnahme des auf arabische Grundlagen zurückgehenden Secretum Secretorum ein. Doch 16
Vgl. etwa: Hadot, Pierre: „Fürstenspiegel“. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Bd. 8 (Stuttgart 1972), Sp. 555 – 632; doch s. neuestens Schulte (wie Anm. 2). 17 Hadot (wie Anm. 16) Sp. 594 f., Sp. 604 f.; Schulte (wie Anm. 2) S. 194 – 208, S . 218 – 227. 18 Institutio Traiani; Grundlagen: Anton, Anfänge. 19 Martin von Bracara: Formula vitae honestae. In: Opera omnia. Hrsg. v. Claude W. Barlow. New Haven 1950 (Papers and Monographs of the American Academy in Rome. Bd. 12), S. 236 – 250; Institutionum disciplinae: Hrsg. v. Pierre Riché: L’éducation à l’époque wisigothique – Les „institutionum disciplinae“. In: Anales Toledanos 3 (1971) S. 171–180. 20 Weniger wirksam war hier der Paraeneticus des Ferrandus; s. Anm. 24.
10
Einleitung
ist diese begrenzt und setzt in ihrer inhaltlich säkularen Dimension erst später ein.21 Durchgehend wirkt im Mittelalter die theokratische Grundlegung mit ihrem apriorischen Axiom von Gott als dem Verleiher jeglicher Herrschaft. Diese ist vorgeprägt im Alten Testament, besonders in königsspiegelartigen Partien, in Anthropologie und Herrscherideal der hellenistisch-römischen Zeit und im Neuen Testament.22 Durch patristische Autoren, Ambrosiaster, Augustinus, Gregor den Großen, wurde sie zu einer Art Staatslehre gestaltet.23 Die angeführten Elemente wirken zum Teil direkt nach, noch wesentlicher sind für ihr Nachwirken häufig Vermittler. Hier ist namentlich Isidor von Sevilla zu nennen. Einen Sonderweg, mit freilich nachhaltiger Beeinflussung, markiert der irische Traktat, der sog. Pseudo-Cyprian. Im Kompositionsschema der Contradictio in adiecto stellt er die zwölf Hauptübel der Welt (De duodecim abusivis) vor und veranschaulicht in diesem Kontext in der neunten und der sechsten abusio (rex iniquus, dominus sine virtute) das Ideal des gerechten Königs und des tüchtigen (kirchlichen) Herrn. Leitvorstellungen Isidors von dem sich selbst lenkenden und Gerechtigkeit übenden König sind mit charakteristisch irischen Vorstellungen kosmisch-naturhafter Umfassung dieses Ideals verknüpft.24
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Secretum; zur Wirkung: Williams u. Anm. 83. Altes Testament: Deut 17, 14 – 20; Iob 29, 14 –16. Neues Testament: bes. Rom 13, 1–7; 1 Petr 2, 13 –17. Dazu: Ullmann, Walter: The Bible and Principles of Government in the Middle Ages. In: La Bibbia nell’alto Medioevo. Spoleto 1963 (SSCI. Bd. 10), S. 181– 207; Riché, Pierre: La Bible et la vie politique dans le Haut Moyen Age. In: Le Moyen Age et la Bible. Hrsg. v. Pierre Riché, Guy Lobrichon. Paris 1984 (Bible de tous les temps), S. 384 – 400; instruktiv S. 399 f.: Annexe. Hellenistisch-römisches Herrscherideal: Dvornik, Francis: Early Christian and Byzantine Political Philosophy. Origins and Background. 2 Bde. Washington 1966. 23 Anton, Herrscherethos S. 45 – 48, S. 362 – 366, S. 372 f. 24 S. Anm. 4. – Die paränetische Schrift des (Fulgentius-)Ferrandus aus Karthago († 545/554) für comes Reginus mit markanter Verknüpfung christlicher Amtspflichten mit antikem Staatsideal (Epistola VII: Qualis esse debeat dux religiosus in actibus militaribus, seu de septem regulis innocentiae PG 67, Sp. 928 – 950) hat entgegen Toubert (wie Anm. 5) S. 247 die späteren Laienspiegel nicht beeinflusst, mittelbar anscheinend den Königsspiegel des Smaragd von St. Mihiel. 22
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2. Zu den ausgewählten Texten A Fürsten- und Königsspiegel des karolingischen Frankenreichs Vorläufer, Anfänge, Ausprägungen Geistliche Mahnschreiben der Merowingerzeit und der frühen Karolingerzeit, vornehmlich für fränkische Könige, sind vorweg zu nennen. In akzentuiertem Bezug zur Person des angesprochenen Königs bieten sie eine Königstugendlehre in Rohform. Klareres Profil mit der Orientierung am alttestamentlichen Exemplumgedanken erhalten sie im Schreiben eines anonymen Verfassers von der Mitte des 7. Jahrhunderts, wohl an König Chlodwig II. von Neustrien/Burgund, in einem Brief des irischen Priesters Cathwulf an Karl den Großen (um 775) sowie in Briefzeugnissen Alkuins, besonders an Könige seiner angelsächsischen Heimat. Christliche Motive der Spätantike sind den beiden insularen Verfassern geläufig, bei Cathwulf ist das theokratische Herrscherideal von der klassischen Bibelstelle (Rom 13: Herrscher als minister Dei) mit Bezug auf Ambrosiaster weitergeführt zur Vorstellung von imago Dei und vicarius Dei.25 Den Übergang zu gestalteten und selbständigen Werken markieren Theodulf von Orléans (etwa 798), Smaragd von St. Mihiel (811– 814) und Ermoldus Nigellus (828). Man kann diese unter dem Rubrum „Aquitanische Königsspiegel“ zusammenfassen. Als Adressaten haben sie die jugendlichen Unterkönige Aquitaniens: in den beiden ersten Fällen Ludwig den Frommen, im letzten dessen Sohn König Pippin (I.).26 Über die starke biblische Fundierung und eine allgemein christlich gewendete Tugendlehre hinaus gelingen markante Akzentuierungen auf das Herrscheramt: Hierher gehören die Aufnahme der besonders durch Gregor den Großen vertretenen Lehre von der Gleichheit aller, die Scheidung zwischen Person und Amt und die damit verbundene Entwicklung eines Ministerium-Begriffs, die Apostrophierung des (gesalbten) Herrschers als vicarius Christi, die 25
Vgl. Anton, Königsvorstellungen S. 320 – 324, S. 298 – 301; zum Zusammenhang allgemein: ebd. S. 304 – 320, S. 295 – 298; I, Deug-Su: Cultura e ideologia nella prima età carolingia. Rom 1984 (Istituto Storico italiano per il medioevo – Studi Storici. Bd. 146 –147), S. 40 – 43 zu Cathwulf. Zu Alkuin: Anton, Herrscherethos S. 80 –131 sowie (hier jedoch nicht genügend differenziert) I S. 32 – 34, S. 39 Anm. 41. 26 Theodulf: Versus (Paraenesis) ad (contra) iudices. In: MGH Poetae Latini 1. Hrsg. v. Ernst Dümmler. Berlin 1881 (Ndr.), S. 493 – 517 (carmen XXVIII); Smaragd; Ermoldus Nigellus: Elegie II. In: Poème sur Louis le Pieux et épîtres au roi Pépin. Hrsg. v. Edmond Faral. Paris 1932 (Les Classiques de l’histoire de France au moyen âge. Bd. 14), S. 218 – 233.
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Rezeption Isidors und Pseudo-Cyprians und des antiken Res-publica-Begriffs.27 Synoden vornehmlich des westlichen Frankenreichs, speziell die Synode von Paris 829, wurden Ausgangsorte für neue Spiegel, die in gesonderten Partien sich an die Bischöfe, die Könige und die gesamte Untertanenschaft richteten, in ihrem Ensemble also Gesellschaftsspiegel waren. Aus dieser neuen Art von Spiegeln wurden neue Königsspiegel herausgelöst. Als Autoren sind Jonas von Orléans und Hinkmar von Reims zu nennen.28 Unter dem Einfluss der karolingischen Bildungsrenaissance entstanden um die Mitte des 9. Jahrhunderts Mahnschreiben und Königsspiegel mit neuer quellenmäßiger Ausstattung: Lupus von Ferrières, in gewisser Weise auch Hrabanus Maurus und besonders Sedulius Scottus vertreten diesen Zweig. Die Zusammenführung der verschiedenen Tendenzen und die Steigerung wesentlicher Teile davon zur Klimax brachte Hinkmar von Reims. (1) Jonas von Orléans Wie Theodulf, Smaragd und Ermoldus Nigellus stammte Jonas aus Aquitanien. Als Bischof von Orléans stand er ab 818 im Dienst Kaiser Ludwigs des Frommen. In der Tradition von Alkuin und von Paulinus von Aquileja verfasste er für Graf Matfrid von Orléans einen Laienspiegel, die Schrift De institutione laicali (zwischen 818 und 828). Danach begann seine Tätigkeit als Redaktor/Verfasser staatspolitischer Texte. Er redigierte die Akten der Synoden von Paris (829) und Aachen (836). Aus den von ihm zusammengestellten (Konzils-)Texten erstellte er eine höchst aussagekräftige Sammlung, die uns in einer Handschrift aus Orléans überkommen ist. In einer Teilkollektion ist das Rohmaterial für eine christliche Kriegslehre von dem Kirchenvater Augustinus bezogen.29 27
Urstandslehre: Theodulf (wie Anm. 26) v. 895 ff., v. 947 ff., v. 476; Smaragd Sp. 968B; Differenzierung und ministerium: Smaragd Sp. 958A; Rezeptionen durch Ermoldus Nigellus (wie Anm. 26) v. 109 –112, v. 117–138. 28 S. Anm. 4; s. S. 13, S. 19. 29 Laienspiegel: Jonas, DIL; Synode von Paris: (Jonas) CP; Synode von Aachen: MGH Conc. 2 S. 704 –767; Teilkollektion in Textsammlung: Cap. div. sent. Literatur zu Jonas: Anton, Herrscherethos S. 205 – 231; Savigni, Raffaele: Giona di Orléans. Una ecclesiologia carolingia. Bologna 1989; Dubreucq: Einleitung. Zur Kriegslehre: Scharff, Thomas: Die Kämpfe der Herrscher und der Heiligen. König und historische Erinnerung in der Karolingerzeit. Darmstadt 2002 (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne), S. 20 – 22. – Näherer Prüfung halten die Argumente nicht stand, mit denen Matthias M. Tischler (Einharts Vita Karoli. Studien zu Entstehung, Überlieferung und Tradition. 2 Bde. Hannover 2001 [MGH-Schriften. Bd. 48, 1– 2]) seine These zu stützen sucht, Einhard habe in der Situation von 828 mit seiner Karlsvita einen Herrscherspiegel intendiert.
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Knapp ist zunächst die Konzeption der Synode von Paris zu skizzieren. Sie ging nach dem unmittelbar vorausgehenden Versuch des Wala von Corbie 828 in Aachen die Aufgabe an, im verfassungs- und vorstellungsmäßig verflochtenen Sozialverband die Sphären von Königtum und Episkopat zu scheiden. Die berühmte Körpermetapher, mit der der Apostel Paulus den spirituellen Zusammenhang der Glieder im Leib Christi verdeutlicht hatte (1 Cor 12, 12 – 31), dient dazu, die Einheit des Gesellschaftskörpers transzendental zu fundieren, als Corpus von ekklesial-politischer Qualität. Die Scheidung der Bereiche von Kirche (Episkopat) und Königtum begründete man in epochal neuem Rückgriff auf die Zweigewaltenlehre des Papstes Gelasius († 496). Grundgelegt wurde ein westfränkisch-kirchliches Gesellschaftsmodell, ein politisch-kultisch-ideelles Gefüge. Darin hatten eine sakralisierte, doch kontrollierbare monarchische Institution einerseits, eine auf Autonomie in Recht und Besitz bedachte Kirche andererseits ihren Platz. Dies war der originäre Ort für einen Königsspiegel neuen Typs. Im Gegensatz zu den früheren Spiegeln wird nun breites patristisches Belegmaterial (Augustin, Gregor d. Gr., Isidor von Sevilla, Pseudo-Cyprian, Gelasius) gebracht.30 Jonas verselbständigte den dem König geltenden Teil im Gesellschaftsspiegel von 829, nahm charakteristische Modifizierungen vor und sandte das neue Werk 831 an Ludwigs des Frommen Sohn, König Pippin (I.) von Aquitanien.31 30
Ausführung: Anton, Gesellschaftsspiegel S. 55 – 82. Der Bezugstext: CP S. 649 Z. 5 – S. 667. Handschriften: R, Vat., s. Petri Lat. D 168, 1414 –1418 (Vorlage: 9. Jh. Reichenau), fol. 77r–98r; (nach R) B, Vat. Lat. Barberini 3033, 17. Jh., fol. 29r–53v, 54r–55v (Wiederholung von fol. 29r–v, 32r–v); A, Hs. Orléans, Paris BN 1632, Nouv. acq. lat., 9. Jh., fol. 72r–78v (c. 1– 4; c. 6); Hss. CP (mindestens 13): CP S. 590. Ausgabe des Königsspiegels für Pippin: Alain Dubreucq: Jonas d’Orléans, Le métier de roi (De institutione regia) S. 148 – 300; frühere Ausgaben: Luc d’Achéry: De institutione regia. In: Spicilegium veterum aliquot scriptorum qui in Galliae Bibliothecis, maxime Benedict(in)orum latuerant. Bd. 5. Paris 1661, S. 57–104 (nach Hs. R); Philippe Labbe: Regis christiani institutio. In: Géographie royalle présentée au très chrétien roi de France et de Navarre Louys XIV. Paris 1662 (wohl nach d’Achéry); Louis-François-Joseph de La Barre. In: d’Achéry2 = Spicilegium sive collectio aliquot scriptorum qui in Galliae bibliothecis delituerant. Bd. 1. Paris 1723, S. 324 – 335 (zu Ausgabe d’Achéry zusätzlich Hs. A); danach PL 106, Sp. 279–306; Dedikationsbrief separat: Ernst Dümmler MGH Epp. 5, S. 349–353. Neuausgabe: Jean Reviron: Les idées politico-religieuses d’un évêque du IXe siècle. Jonas d’Orléans et son „De institutione regia“. Paris 1930, S. 119 –194 (nach R in Kollation mit der Ausgabe von 1723; Kritik: Wilmart, L’admonition). Übernahme des Textes und Übersetzung ins Französische: Odile Boussel: Le De institutione regia de Jonas d’Orléans. Un miroir des princes au IXe siècle. Paris 1964 (Thèse de l’École des 31
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In der handschriftlichen Überlieferung ist das Werk ohne Titel. Eingebürgert hat sich die von dem ersten Herausgeber gegebene Bezeichnung „De institutione regia“ (Unterweisung für den König), die wörtlich oder mit geringer Abwandlung von den späteren Editoren übernommen wurde, von dem neuesten Herausgeber aber in der Weise missverstanden wurde, es gehe um die monarchische Institution.32 In einem fast zeitgenössischen Bibliothekskatalog des Klosters Reichenau ist als Titel gegeben Admonitio Ionae episcopi ad Pippinum (Mahnwerk des Bischofs Jonas für Pippin). Mit Blick auf die im Werk anscheinend angezeigte Zweiteilung ist in der jüngsten Handschrift vorangestellt: Admonitio et Opusculum de munere Regio. Dubreucq hat diese Bezeichnung als gewissermaßen handschriftlich abgestützt neben der durch die wissenschaftliche Konvention tradierten übernommen.33 Die in der Hs. B gegebene Spezifizierung wird dem inhaltlichen Zusammenhang nicht gerecht. Jonas wollte nicht nur die adhortative Widmung als admonitio verstanden wissen, sondern das ganze Werk als admonitionis munusculum – opusculum.34 Bei unserer Präsentation ist der Konvention Rechnung getragen und De institutione regia (Unterweisung für den König) beibehalten, als authentischer (Unter-)Titel dazu Admonitio (Mahnwerk) gesetzt. Vorgestellt sind in der Ausgabe charakteristische Teile: Die programmatische Einleitung („Dedicatio“) zum größten Teil, die prinzipiellen Kapitel (1– 8, 17) zu Gesellschaft, Episkopat – Königtum, zur Königsgewalt, mit dem christlichen Herrscherspiegel Augustins. Die auf allgemeinchristliche Verhaltensnormen gehenden Kapitel 9 –16 sind ausgelassen. (2) Sedulius Scottus Wie oben schon gesagt, gehört Sedulius Scottus in jene Phase der intensivierten Bildungsrenaissance, die für die karolingischen Reiche in der Mitte des 9. Jahrhunderts kennzeichnend ist. Wesentliche Förderung verdankt diese vor allem dem westfränkischen König Karl dem Kahlen († 877). Drei
Chartes), ungedruckt; Übersetzung ins Englische: R. W. Dyson: A Ninth-Century Political Tract: The De institutione regia of Jonas of Orléans. New York 1983. 32 S. Anm. 31, Titel bei Dubreucq: Le métier de roi. 33 Zeitgenössischer Titel: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Bd. 1: Die Bistümer Konstanz und Chur. Hrsg. v. Paul Lehmann. München 1918 (Ndr. 1969), S. 265; Hs. B fol. 29r; entsprechende Übernahme: Dubreucq; s. auch dort S. 135 f. Zu dem Titel des Bibliothekskatalogs: Wilmart, L’admonition S. 214 f.; Anton, Herrscherethos S. 216. 34 Dubreucq, Jonas (Admonitio) Z. 50: Zusammenhang mit opusculum. Siehe Dubreucq, Jonas S. 174 Z. 40: (Incipit) Sequitur opusculum; S. 173 Z. 1: Incipiunt capitula sequentis opusculi.
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Mahnschreiben des Abtes Lupus von Ferrières an diesen Monarchen aus der Mitte der vierziger Jahre eröffnen den Reigen. Formal kann man sie in der Tradition der Mahntexte aus der Merowingerzeit und der frühen Karolingerzeit sehen. In Gegensatz zu diesen und zu den bisher behandelten Spiegeln bieten sie eine neue Orientierung an pagan-antiken Werten: Das theokratische Moment der Gottesstellvertreterschaft des Königs ist in Bezug gesetzt zum Nutzen der Untertanen (subiecti), zum Gemeinwohl des Staates (communis utilitas der res publica). Betont wird dabei auf die weltliche Literatur, auf die Ratschläge derer, die Gott nicht kannten, als maßgebliche Ratgeber Bezug genommen: Publilius Syrus, Boethius, Valerius Maximus, die Epitome de Caesaribus. Als zu diesen hinführende Vermittler sind die berühmtesten antiken Grammatiker, doch auch Sallust und Horaz genannt. Den großen Herrscherexempla des Alten Testaments David und Salomo ist Theodosius d. Gr., doch auch der Heide Trajan zugesellt.35 Der unerhörten Kühnheit in der Motivation und Ausführung dieser Schreiben ist auch eine bisher kaum bekannte weltlich-praktische Richtung eigen. Sie ist gleichfalls in einer Zusammenstellung des Hrabanus Maurus für den lotharingischen Teil-König Lothar II. aus dem Jahr 855 zu erkennen. In dem dedizierten Werk De anima sind die Kardinaltugenden akzentuiert. Angefügt ist dem ein Abriss des paganen Gewährsmannes Vegetius über das römische Militärwesen. Die biblisch-naturrechtliche Legitimierung des Krieges nach Augustin in der Sententia-Sammlung von Jonas erhält gleichsam das praxisbezogene Komplement.36 In die behandelte Linie gehört auch Sedulius Scottus, wenn bei ihm auch die säkulare Kühnheit stärkeres Gegengewicht in biblischem und spätantikchristlichem Repertoire hat. Der an der Domschule St. Lambert in Lüttich wirkende Ire hinterließ ein breites Spektrum an Schriften, grammatische, exegetische und dichterische. Aus diesen Werken haben wir Zeugnisse für sein Leben in dem Zeitraum von 840 bis 870. Mit dem Autor tritt der große enzyklopädische Sammler in den Blick. Sein Collectaneum vereinigt irisch-insulares Material (Proverbia Grecorum; eine zu erschließende Hieronymussammlung; starker Einfluss der Irischen Kanonensammlung) mit stärker an35
Servatus Lupus: Epistulae. Hrsg. v. Peter K. Marshall. Leipzig 1984 (SGRBT), Nr. 64 S. 69 –71, Nr. 93 S. 90 f., Nr. 33 S. 44 f. Präskripte bzw. Marginalnotiz: Exortatio ad (dominum) regem; adhortatio sancta. Gottesvikariat, Gemeinwohl, Staat: Nr. 64 S. 71, Nr. 93 S. 91; Nutzen heidnischer Ratgeber: Nr. 64 S. 71, Nr. 33 S. 45; Vermittler: Nr. 93 S. 91, Nr. 64 S. 71; Herrscherexempla: Nr. 93 S. 91. 36 De anima: PL 110, Sp. 1109 –1120; Widmungsschreiben hrsg. v. Ernst Dümmler MGH Epp. 5 S. 514 f. De procinctu Romanae milicie: Hrsg. v. Ernst Dümmler. In: Zeitschrift für deutsches Alterthum 15. N. F. 3 (1872) S. 444 – 451; dazu s. Scharff (wie Anm. 29) S. 30.
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tik gespeisten Kollektionen.37 Im Zentrum unseres Interesses steht das Werk, das unter dem Titel Liber de rectoribus Christianis verbreitet ist.38 Der Autor steht in älterer literarischer Tradition, indem er den 19 Prosakapiteln jeweils (hier nicht gebrachte) metrische Annexe zufügt. Die handschriftliche Überlieferung des Werks setzt im 9. Jahrhundert ein. Diese früheste Überlieferung in einer respektive zwei Handschriften bietet den Text nicht vollständig, die zeitlich am nächsten kommende (10. Jahrhundert) ist noch stärker Extrakt. Vollständiger oder in Bezug auf den Prosatext vollständig und in der Qualität besser sind drei Handschriften aus dem 12. beziehungsweise dem 12./13. Jahrhundert. Vollständig besitzen wir den gesamten Text handschriftlich erst aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert.39 37 Sedulius Scottus, Collectaneum; zu den Teilkollektionen XIII und XXV als Fundgruben für herrschaftsbezogene Aussagen s. Anton, Königsvorstellungen S. 287–291. 38 Neuere Ausgabe: Sedulius Scottus, Liber de rectoribus; neueste Literatur zu Autor und Werk: Anton, Herrschaftsethos S. 261– 281; Staubach, Nikolaus: Rex Christianus. Hofkultur und Herrschaftspropaganda im Reich Karls des Kahlen. Teil 2: Die Grundlegung der religion royale. Köln, Weimar, Wien 1993 (Pictura et Poesis. Bd. 2, II), S. 105 – 221; Davies, Lunet M.: Sedulius Scottus: Liber de rectoribus Christianis, a Carolingian or Hibernian Mirror for Princes? In: Studia Celtica 26/27 (1991/92) S . 34 – 50; Anton, Verfassungspolitik S. 278 – 283; Scharff (wie Anm. 29) S. 24 – 26 (zu Sedulius Scottus und Vegetius). Bezug der Sammlungen (s. Anm. 37) zu dem Werk: Hellmann, Sedulius Scottus S. 121–185, S. 198 – 201; Anton, Pseudo-Cyprian S. 578 – 582. 39 Zur Überlieferung der frühere Stand: Hellmann, Sedulius Scottus S. 10 –18. Es ergibt sich: Älteste handschriftliche Überlieferung: A, Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek C 36, 9. Jh., fol. 18v–68 (nur Prosatext, bis c. 17); F, verlorene Hs. Grundlage der Edition von Freher / Voegelin (s. u.) (Textbestand ähnlich A); G, Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek 488 (Helmst. 454), 10. Jh., fol. 132v–136v (c. 1 und 2 Prosa und metrisch). Qualitativ überlegen: B, Staatsbibliothek zu Berlin PK Theol. Lat. 368 (702), 12. Jh., fol. 77v–96v (Prosatext vollständig; Gedichte fehlen außer der Praefatio und dem Invokationsdistichon). Eng verwandt mit dieser Hs.: Balt, Baltimore Walters Gallery, W 12, Hs. 384, 11. (12.) Jh., fol. 1–116 (Text wie B, bis unmittelbar vor Ende des Prosateils); hierzu s. de Ricci, Seymour, W. J. Wilson: Census of Medieval and Renaissance Manusripts in the United States and Canada. Bd. 1. New York 1935 (Ndr. 1961), S. 820 Nr. 384; zu der Hs. s. Bieler, Ludwig: In: Medium Aevum 39 (1970) S. 166 und Anm. 1. In textverwandtschaftlichem Zusammenhang mit B und Balt, doch dem Archetypus wohl näher: N, Paris BN Lat 6779, 12./13. Jh., fol. 2 (1)–··80 (78) (fehlende Zählung von fol. 1 und fol. 19; vollständiger Prosatext); zu dieser Hs. s. Martini, Giuseppe: Un codice sconosciuto del De rectoribus Christianis di Sedulio Scotto. In: Bolletino dell’Istituto Storico Italiano 50 (1935) S. 49 – 62. Vollständige, doch schlechte, mit A und F gegenüber B, Balt und N in Zusammenhang stehende Überlieferung: P, Vat. Pal. Lat. 591, 15. Jh., fol. 99r–130r; dazu Pa, Paris BN Lat. 10677, Ende 15. Jh., fol. 145r–186v; hiervon verkürzte und auf
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Grundsätzliche Probleme sind mit der Frage der Zuordnung des Werks, des oder der Adressaten sowie seiner Datierung verbunden. Der in der Forschung bereits früh vertretenen Auffassung, der westfränkische König Karl der Kahle sei Adressat, ist schon gleichzeitig die Zuweisung an König Lothar II. entgegengesetzt worden. Einer eingehenden Bekräftigung der ersten Position und der zeitlichen Platzierung in das Jahr 869 ist mit pointierter Argumentation widersprochen und für eine Entstehungszeit zwischen 855 und 858 plädiert worden.40 Die Argumente für die Zuweisung an den lotharischen König zu Beginn seiner Herrschaft (ab 855) scheinen ausschlaggebend. Doch angesichts der Tatsache, dass der generell bei einem einzelnen Empfänger nicht verwundernden Verwendung der Pluralformen der Pronomina in der Hs. B die Apostrophierung reges korrespondiert, stellt sich die Frage, ob nicht der Autor in bewusst unpersönlicher Form die Zuweisung bewusst offen gehalten haben könnte.41 Dagegen steht: Im Widmungsvers bischöflichen Empfänger modifizierte Fassung: Ka, Fonds H 65, Karlsruhe Bad. Landesbibliothek, fol. 26r–61v. (Diese Überlieferung ist integriert in die BischofsspiegelSammlungen des Adam Meyer für den Kölner Erzbischof Hermann IV. von Hessen [Pa] und den Trierer Erzbischof Johann II. von Baden [Ka]. Die Textfassung steht B sehr nahe, doch gibt es daneben einige Gemeinsamkeiten mit P; s. Schlechter, Armin: Bischofsspiegel des Adam Meyer für die Erzbischöfe von Trier und Köln, Johann II. von Baden und Hermann IV. von Hessen. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 144 [N. F. 105] [1996] S. 159 –181, bes. S. 172 –176.) – Zusammenstellung der Hss. bis auf N: Manusript Sources for the History of Irish Civilisation. Hrsg. v. Richard J. Hayes. Bd. 4. Boston 1965, S. 396 f. – Heranzuziehen für die Überlieferung ist K = Collectaneum des Sedulius Scottus: Hs. Kues 52, 12. Jh., fol. 246r–272r; Ausgabe: Sedulius Scottus, Collectaneum. Unklar ist, worum es sich bei dem SeduliusScottus-Text Albi, Bibliothèque Municipale 115 (Cat. gen. 3), 11. Jh., 36 f. handelt, auf den hinweist: Schafer-Williams, E.: Codices Pseudo-Isidoriani. A PalaeographicalHistorical Study. New York 1971 (Monumenta Iuris Canonici Series C: Subsidia 3), Nr. 1 S. 3 f. – Ältere Ausgaben: Freher, Marquard, Gotthard Voegelin: Sedulius, De rectoribus christianis et convenientibus regulis quibus est res publica rite gubernanda. Heidelberg 1619; Mai, Angelo: De Rectoribus. In: Spicilegium Romanum VIII. Rom 1842, S. 1– 69 (nach P); diese Ausgabe ist nachgedruckt: PL 103, Sp. 291– 332. Übersetzung ins Englische: Sedulius Scottus, On Christian Rulers and The Poems. Übersetzung und Einleitung v. Edward Gerard Doyle. Binghampton 1983 (Medieval & Renaissance Texts & Studies. Bd. 17). 40 Die erste Position von H. Pirenne, L. Levillain u. a. ist besonders begründet bei Staubach (wie Anm. 38) S. 168 –197 mit zeitlichem Ansatz zu 869; dagegen pointiert für Zuordnung wie Hellmann u. a. mit dem Zeitansatz der ausgehenden fünfziger Jahre: Anton, Verfassungspolitik S. 277– 282. An eine Änderung zwischen geplanter Dedikation (an Karl den Kahlen) und wirklich vorgenommener (an Lothar II.) denkt Davies (wie Anm. 38) S. 44 – 46. 41 Apostrophierungen: Ausgabe c. 20 Anm. n–n, s–s; für bewusstes Offenhalten:
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steht in P und B das Pluralpronomen (vobis) neben der Anrede rex inclite. Entsprechend ist auch am fraglichen Schluss in P verfahren. Die Pronomina des Pluralis maiestatis führen B und seinen Handschriftenzweig zur Änderung des Adressaten-Numerus.42 Eine ursprüngliche Zuordnung unbestimmter Art ist nicht anzunehmen: Lothar II. ist der Empfänger des Spiegels, dieser ist wieder an einen jugendlichen Empfänger gerichtet. Aus vornehmlich in seinem Collectaneum nachweisbaren Sammlungen können zwei oder richtiger drei Blöcke des Vorlagematerials unterschieden werden: 1. Insulare, besonders irische Sammlungen (Sentenzensammlungen, Tradition Pseudo-Cyprians),43 2. Autoren der heidnischen Antike (Vergil, Horaz, Ovid, Publilius Syrus, Disticha Catonis, Boethius, SHA, Epitome de Caesaribus, Vegetius), 3. christliche Klassiker (Laktanz, Eusebius-Rufinus, Hieronymus, Ambrosius, Augustinus, Orosius, Cassiodor-Epiphanius u. a.). Von der inhaltlichen Ausrichtung her unterscheiden das Werk sein humanistisches Bezugsfeld einerseits, seine Fortführung der Tradition insularer Mahntexte (Cathwulf, Alkuin) andererseits grundlegend von den aquitanischen und den konziliar geprägten Spiegeln. Seine Besonderheit ist durch die Übernahme einer charakteristisch lotharingischen Denkhaltung markiert. Nach dieser ist im Gegensatz zur westfränkisch-kirchlichen Gesellschaftslehre das Verhältnis der Gewalten zueinander nicht rechtlich und in harmonischer gegenseitiger Zuordnung gesehen. Sedulius vermittelt dementsprechend das personale Moment des unmittelbar von Gott als Stellvertreter, als Diener in das königliche Amt (vicarius Dei und minister Dei im ministerium regale) gesetzten Königs, der Herr über die Landeskirche ist. Er rezipiert gleichwohl den objektiveren Staatsbegriff (res publica), David und Konstantin sind die großen Herrschervorbilder.44 Der geläufige Werktitel Liber de rectoribus Christianis (Werk über die Godman, Peter: Poets and Emperors. Frankish Policy and Carolingian Poetry. Oxford 1987, S. 159 f. 42 Widmung: Hellmann, Sedulius Scottus S. 19 v. 13; zu dem Schluss in c. 20 s. Anm. 41. Der B-Zweig ändert in diesem Zusammenhang sogar aus biblischen Vorlagen stammende Pronomina-Singularformen in den Plural: s. Ausgabe c. 20 Anm. u und w. 43 Insulare Bildungstradition (Alkuin, Beda, Pseudo-Cyprian) ist auch fassbar in einem Text, der in einer vatikanischen Handschrift überliefert ist und im dritten Viertel des 9. Jahrhunderts geschrieben wurde, über die wirksame Handhabung der Herrscherpflicht; s. Schieffer, Rudolf: Zwei karolingische Texte über das Königtum. In: DA 46 (1990) S. 1–17, hier 2 S. 12 ff. 44 S. bes. Ausgabe c. 19 S. 135–143; auch c. 18 Hellmann, Sedulius Scottus S. 80 – 83; dazu Anton, Verfassungspolitik S. 282 f., S. 267– 277; generell ders., Herrscherethos S. 267– 271, S. 368 – 376, S. 276 – 280, S. 419 – 444.
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christlichen Herrscher) ist in der Ausgabe beibehalten. Vollständig lautet er wohl Liber de rectoribus Christianis et regulis, quibus est res publica rite gubernanda (Werk über die christlichen Herrscher und die Grundsätze, nach denen ein Staat richtig zu regieren ist).45 Ausgewählt für die Publikation sind die besonders aussagekräftigen Kapitel 1– 6 und 19 – 20; c. 7–13 und 14 –18 sind paraphrasierend präsentiert. (3) Hinkmar von Reims Hinkmar war ab 845 als Bischof von Reims Inhaber des wichtigsten Bistums im westfränkischen Reich. Als maßgeblicher politischer Berater König Karls des Kahlen sowie von dessen Nachfolgern hatte er entscheidenden Einfluss auf die Reichsgeschicke. Dies gibt den Hintergrund für die politisch-adhortative Produktion, in der der Erzbischof Zusammenführung und Klimax dieses Schrifttums bietet. Als Redaktor vielleicht schon einiger wichtiger Synoden der vierziger Jahre, mit Sicherheit der Synode von Quierzy im Jahr 858, hatte er dem westfränkischen kirchlichen Gesellschaftsmodell Ausdruck und Profil gegeben.46 Besonders in dem Schreiben, das die Versammlung von Quierzy an den in das westfränkische Reich eingefallenen König Ludwig den Deutschen sandte, zeichnete er das Ideal des christlichen Königs (rex christianus). Aus diesem Synodaltext löste Hinkmar, unter Rückgriff auf die Texte der fränkischen Synoden von Paris (829) und Coulaines (843), ansatzhafte Königsspiegel heraus: In einem Brief an Karl akzentuierte er die Pflicht königlicher Rechtssicherung, im lange verborgenen Schluss-Fragment dieses Briefes findet sich die erste Rezeption der einschlägigen Abschnitte Pseudo-Cyprians. Eine zwischen 863 und 876 verfasste Schrift enthält Ständespiegel für Bischöfe, für den ordo regalis, sodann für die Magnaten-Amtsträger (duces, comites). Im Gesellschaftsspiegel der Synode von St. Macra/Fismes bei Reims vom Jahr 881 wird die inhaltliche Fortführung geboten.47 Werke, die an beide Abschnitte von Hinkmars Tätigkeit anschließen, sind für die unten gegebene Publikation erheblich. Zunächst handelt es sich um das 873 für König Karl den Kahlen verfasste Werk De regis persona et regio 45
Hss. BBalt; s. auch AF. Die Rubren De (pio) regimine principum in den Hss. NP sind wohl zeitgenössischem Titelusus geschuldet. 46 Dazu s. auch o. S. 13; speziell: Anton, Gesellschaftsspiegel S. 63 –71 47 Quierzy: MGH Conc. 3 Nr. 41 S. 405 – 427; Brief an Karl: Hs. Paris BN Lat. 13764, fol. 73r–77v = Hinkmar, Epistolae: MGH Epp. 8, 1. Hrsg. v. Ernst Perels, Nr. 126 S. 62 – 65; der Schluss: Hs. Paris BN Lat. 13764, fol. 86v–89v = Hinkmar, Fragment S. 190 –192; Schrift mit Ständespiegeln: Schieffer, Rudolf: Eine übersehene Schrift Hinkmars über Priestertum und Königtum. In: DA 37 (1981) S. 519 – 528; Akten von 881: PL 125, Sp. 1069 –1086.
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ministerio (Über Person und Amt des Königs).48 Das Werk umfasst 33 Kapitel und ist klar strukturiert. Zunächst wird gehandelt über die Person und das Amt des Königs generell und die vom Herrscher abgehobene öffentliche Sphäre – res publica (c. 1–15). Damit ist ein markantes Zeichen für die Fassung des Phänomens „Staatlichkeit“ in einer personalistisch-paternalistischfeudal geprägten Epoche gesetzt. Es geht dann weiter um mit der Person und dem Amt des Königs einhergehende Spezialfälle der Herrschaftsführung: um die Legitimation der Todesstrafe (c. 16 – 28), um das Vorgehen gegen Kapitalverbrecher in der Umgebung des Königs (c. 28 – 33). Das in der Sammlung konziliarer Texte von Jonas gegebene Material (Cap. div. sent.) greift Hinkmar breit auf: 18 Kapitel direkt, drei in veränderter Form. Eine genauere Analyse lässt gegenüber dem gängigen Befund weitgehender Rezeption wesentliche Differenzierungen anbringen. Übernommene Grundlage ist ein breiter Textbestand aus Gregor d. Gr., aus Pseudo-Cyprian und besonders aus Augustin mit Material zum christlichen Herrscherideal (Imperator felix), vor allem zur Rechtfertigung der Kriegsführung eines christlichen Herrschers. Als selbständige Erweiterungen Hinkmars sind zu nennen: Behandlung des Problems guter und schlechter Herrschaft, unter anderem mit Vorlagen Augustins und Gregors d. Gr. Von diesem Autor und von Papst Innozenz I. bezieht er Texte, um die Thematik biblisch legitimierter Strafgewalt weiterzuführen. Zur Konturierung der Binnenstruktur christlicher Herrschaft, für das immer wesentlicher werdende Ratgeberwesen, zieht er den ersten christlichen Amtsspiegel, die Pflichtenlehre des Ambrosius, außerdem Gregor d. Gr. heran. In den letztgenannten Themenkreisen nimmt Hinkmars selbständiger Anteil zu (Hinzufügungen und Erweiterungen gegenüber den Vorlagen, neue Partien).49 48 Überlieferung in einer Reimser Hs., die verloren ist und auf der die Ausgabe von Sirmond, Opera Hincmari II. Paris 1645, S. 1– 28 = PL 125, Sp. 833 – 856, beruht; zur Überlieferung s. Stratmann, Martina: Zur Wirkungsgeschichte Hinkmars von Reims. In: Francia 22 (1) (1995) S. 1– 43, hier S. 35 (Nr. 54). 49 Zweck des Werks: Praefatio S. 151–153; Vorlagen: Cap. div. sent. = Wilmart, L’admonition S. 221– 224 – Laehr-Erdmann S. 115, S. 120 –126. – Basis aus Gregor d. Gr. und Pseudo-Cyprian: Gregor c. 3 S. 157–161; Pseudo-Cyprian c. 2 S. 155–157; c. 25 S. 187–189; fast durchgängig Augustin c. 5 und 6 S. 167–171; (Krieg) c. 7–15 s. S. 171 sowie PL 125, Sp. 840C–844B; hierzu s. Scharff (wie Anm. 29) S. 22 f. – Unabhängig: im Ausgang u. a. von Augustin (und unter Heranziehung Gregors d. Gr.): c. 1 S. 153–155; c. 20 (dazu Prosper) S. 179–181; c. 27 S. 189–191; c. 31 s. S. 193 sowie PL 125, Sp. 855C; (zu der Vorlage hinzu: selbständige Einleitung, Erweiterung, neue Strukturierung) c. 17 S. 173–175; c. 18 S. 175–177; c. 23 S. 183–187; aus Innozenz I.: c. 26 und 27 S. 189–191; auch c. 33 s. S. 193 sowie PL 125, Sp. 856B/C; (Binnenstruktur) aus Ambrosius: c. 4 S. 161–167; c. 19 S. 177–179; aus Gregor: c. 20 und 22 S. 179–183; c. 29 s. S. 193 sowie PL 125, Sp. 852B–853A; c. 30 s. S. 193 sowie PL 125, Sp. 854B–C; c. 31 s. S. 193 sowie
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In den weiteren Bereich der Thematik gehören die Schrift De cavendis vitiis et virtutibus exercendis für Karl den Kahlen, ein Spiegel für diesen als vornehmen Laien, zu dessen Paränese ausgiebig Gregor d. Gr. herangezogen ist, und eine im November 877 an Karls Nachfolger Ludwig den Stammler gesandte Schrift, die eine Art Gutachten zum Herrschaftsantritt mit interessantem historischem und zeithistorischem Material sowie einer „Festschreibung“ des Verhältnisses König – Große ist; in den engeren Zusammenhang gehört der mittelbare Königsspiegel an den ostfränkischen König Karl III. (882) über die Auswahl guter Ratgeber für Hinkmars Zöglinge, die unmündigen Erben des westfränkischen Reichs, mit Pseudo-Cyprian als wichtigstem Gewährsmann.50 In den Königsspiegeln für Karl den Kahlen (und Karl III.) liegen markante Kompendien des politischen Augustinismus vor. In dem schon erwähnten Gesellschaftsspiegel der Synode von St. Macra von 881 bietet Hinkmar eine hochbedeutsame Weiterführung des westfränkisch-kirchlichen Gesellschaftsgedankens: Er akzentuiert die gelasianische Gewaltenlehre neu und interpretiert Königssalbung und Amtsgedanken neu. Die Forderung nach kirchlicher Autonomie wird zu der nach Präponderanz gesteigert. Direkte formale und inhaltliche Nachwirkung haben diese Akten in dem Werk De ordine palatii. Dieses ist zweigeteilt: Es bringt zunächst den Gesellschaftsspiegel von 881, im zweiten Teil das Werk Adalhards von Corbie († 821) über die Hofverwaltung zur Zeit Karls des Großen. Die Akten und De ordine palatii wirken auf Hinkmars letztes Werk Admonitio ad episcopos et ad regem Karlomannum (Mahnschrift an die Bischöfe und an König Karlmann).51 Die Bischöfe sind in diesem Fall Übermittler der genannten Akten PL 125, Sp. 855B; Pseudo-Cyprian: c. 25 s. S. 187 sowie PL 125, Sp. 850C–D; c. 27 S. 189–191; weiter selbständig aufgenommen: Johannes Chrysostomus und Hieronymus: c. 29 s. S. 193 sowie PL 125, Sp. 853A–D; Coelestinus: c. 31 s. S. 193 sowie PL 125, Sp. 855A–B; s. zu dem Zusammenhang: Anton, Herrscherethos S. 286 f. 50 De cavendis vitiis et virtutibus exercendis. Hrsg. v. Doris Nachtmann MGH Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters. Bd. 16. München 1998; dazu s. auch Sedlmeier (wie Anm. 5) S. 451– 518; Novi regis instructio ad rectam regni administrationem: PL 125, Sp. 983 – 990; Ad Carolum III: PL 125, Sp. 989 – 994 (kann aus Raumgründen nicht gebracht werden). – Beträchtliche Bruchstücke eines unbekannten Textes in einer Handschrift wohl des 10. Jahrhunderts, s. Schieffer, Zwei karolingische Texte (wie Anm. 43) S. 1–12 (1), bieten Thematisierungen von drei Herrschertugenden (veritas, fides, iustitia), die Bezugsetzung rex, princeps – res publica, eine angedeutete Translatio-regni-Theorie, ein breites Eingehen auf das Thema Rat – Ratgeber, fidelitas – infidelitas. Beim Herrscher könnte die Kontrastierung von Diener Gottes (Rom 13, 4) in seinem Amt (ministerium) mit seiner Prärogative als dominus populi auf Abwehr antiker Vorstellungen hinweisen. 51 Zum Titel s. u. Ausgabe Anm. i–i. – Überlieferung: Die verlorene Handschrift
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von St. Macra sowie der neuen Paränese an König Karlmann, den letzten der überlebenden Söhne Ludwigs des Stammlers. Die Mahnschrift ist ein 17 Kapitel umfassender, auf den König, zum Teil auch auf die fürstlichen Herrschaftsträger fokussierter Spiegel im Rahmen einer die Grundlagen von Staat und Gesellschaft und auch – knapp – das Bischofsamt behandelnden Darstellung.52 Ausgewählt sind ein größerer Teil der Schrift De regis persona und charakteristische Kapitel aus dem Text Ad episcopos.53 Es ist abschließend festzuhalten: Wie Lupus von Ferrières und Sedulius Scottus benutzt Hinkmar antike und spätantike Vorlagen. Dem korrespondiert in seinem weiteren Schrifttum das neue Aufgreifen spätrömischer Gesetze. Zu dem Gesichtspunkt der Herrschaftsnachfolge sind die biblischen Vorlagen durch den Historiker Sueton beziehungsweise die Epitome de Caesaribus komplettiert.54 Doch ist der „humanistische“ Zugriff schwächer als bei den beiden Genannten, auch ist das antike Material vorwiegend lediglich rezipiert. Anders steht es mit der augustinischen Kriegslehre. Inhaltlich begegnen bei Hinkmar alle Themen des Jahrhunderts: Grundlagen des Königtums, Königsethik (Nomentheorie), Herrschertypologie und Gewaltenfrage. Namentlich in diesem Punkt ist durch die Verbindung von Salbung und rechtlicher Normierung die inhaltliche Konzeption der konziliaren Texte akzentuiert und weiterentwickelt. Durch die Verbindung rechtlich-verfassungsmäßiger und liturgisch-sakraler Elemente in Bezug auf das Königtum und das Verhältnis Königtum – Kirche, vor allem in den Krönungsordines, ist Hinkmar Wegbereiter späterer (französischer) Staatspraxis und Staatstheorie geworden.55
gab heraus: Joannes Busaeus: Hincmari Rhemensis archiepiscopi … Epistolae, cum coniecturis notisque brevibus. Speyer, Mainz 1602, (Nr. 16) S. 42 – 57; S. 195 –198; danach Sirmond, Opera Hincmari Opera II. Paris 1645, S. 216 – 225 = PL 125, Sp. 1007– 1018. 52 S. Hinkmar Anm. 107. – Die Schrift De ordine palatii wertet als „Fürsten- bzw. Palastspiegel“ Ottmann, Henning: Geschichte des politischen Denkens. Bd. 2, 2: Das Mittelalter. Stuttgart, Weimar 2004, S. 55. 53 De regis persona: Praefatio; c. 1– 6 (ganz), c. 7–16 (knappe Zusammenfassung), c. 17– 27 (zum großen Teil). Ad episcopos: c. 1– 2, 16, 17 (ganz), c. 3 und 13 (Auszug), c. 7– 9 (jeweils Eingang). 54 Hinkmar, De divortio (wie Hinkmar Anm. 25) S. 275, S. 277, S. 279; Stelle: Responsio 6 S. 248 f. 55 Zu Hinkmars Krönungsordines s. Ordines coronationis Franciae. Texts and Ordines for the Coronation of Frankish and French Kings and Queens in the Middle Ages. Bd. 1. Hrsg. v. Richard A. Jackson. Philadelphia 1995, S. 73 –112; s. Anton, Verfassungspolitik S. 283 – 290.
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B Königs- und Regentenspiegel des Reiches/Italiens im Hochmittelalter Strukturelle und räumliche Besonderheiten In den Blöcken B und C werden Texte geboten, die in Bezug zu europäischen Reichen und Monarchien im Hochmittelalter stehen. Die im Blick auf die Spiegel unterschiedliche Entwicklung im (deutschen/italischen) Reich gegenüber Frankreich und wiederum im Regnum Teutonicum gegenüber Italien im Rahmen des Reiches bedarf einer Erklärung. Wie oben angedeutet, gab es im engeren Raum des mittelalterlichen Reiches im Gegensatz zu Frankreich so gut wie keine Spiegel. Als Grund für diese Differenz ist die vom fränkischen Reich her geprägte Tradition zu nennen. In Frankreich schloss man direkt an die westfränkisch-spätkarolingischen Gegebenheiten an, das zentrale Königtum nahm im Zusammenwirken mit kirchlichen Orden die Gattung der Spiegel, die es aus von ihm selbst angeregten Summen erstellen ließ, in die Regie. Bei unreflektierter theokratischer Königsherrschaft im karolingischen Ostfrankenreich hatte es keine Herrscherspiegel gegeben. Die Defizite im Reflexionsbereich wurden in der patrimonialen und auf Gottesunmittelbarkeit des Königtums gerichteten Verfassungspraxis der Ottonen und Salier nicht behoben. Auf die Königs- und Kaiserherrschaft bezogene Auffassungen fanden im Gegensatz zum Westen ihren Niederschlag nur in der Liturgie, namentlich in den Krönungsordines, sowie in herrschaftsverklärender Ikonographie und Historiographie.56 Ein christozentrisches Königtum fand Verkörperung im gesalbten vicarius Christi – Stellvertreter Christi.57 Die Ausrichtung auf die Könige des Alten Testa-
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Krönungsordines: Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers und der Kaiserin. Hrsg. v. Reinhard Elze MGH Fontes iuris Germanici antiqui in us. schol. Bd. 9. Hannover 1960; Le Pontifical romano-germanique du dixième siècle. 3 Bde. Hrsg. v. Cyrille Vogel, Reinhard Elze. Rom 1963 –1972 (Studi e Testi. Bd. 226, 227, 269). – Neuere Lit.: Nelson, Janet L.: Politics and Ritual in Early Medieval Europe. London, Ronceverte 1986 (History Studies. Bd. 42); Bak, Janos M.: Coronations. Medieval and Early Modern Monarchic Ritual. Berkeley 1990; Zug Tucci, Hannelore: Le incoronazioni imperiali nel Medioevo. In: Per me reges regnant. La regalità sacra nell’Europa medievale. Hrsg. v. Franco Cardini, Maria Saltarello. Bologna 2002, S . 119 –136. Ikonographie: Krause, Burkhardt: „er empfienc diu lant unt ouch die magt“: Die Frau, der Leib, das Land, Herrschaft und body politic im Mittelalter. In: Verleiblichungen. Literatur- und kulturgeschichtliche Studien über Strategien, Formen und Funktionen der Verleiblichung in Texten von der Frühzeit bis zum Cyberspace. Hrsg. v. Burkhardt Krause, Ulrich Scheck. St. Ingbert 1996 (Mannheimer Studien zur Literatur- und Kulturwissenschaft. Bd. 7), S. 31– 88, hier S. 58 – 65. 57 Maccarrone, Michele: Vicarius Christi. Storia del titolo papale. Rom 1952, S . 78 – 83; der herrscherliche Aspekt ist unterbeleuchtet.
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ments legitimierte und profilierte das Bild des Monarchen als des Herrschaft und Mission verbindenden Heidenbekämpfers. Anders als im deutschen Teil des Imperium gibt es von Italien ausgehend und in Italien einschlägige Ausarbeitungen, und zwar solche, die in Bezug auf die Gattung Sondercharakter aufweisen. Der Grund für Vorhandensein und Sonderausprägung ist in dem Fortleben der lehrhaften Historie und in den neuen Formen des Kommuneregententums (Podestà) zu finden. Die Autoren dokumentieren mit ihren Werken die reichisch-italische Eigenprägung gegenüber Frankreich: Gottfried von Viterbo (Speculum regum) sowie Johannes von Viterbo (Liber de regimine civitatum). (4) Gottfried von Viterbo Gottfried (um 1125 –1192/1202), aus Viterbo stammend, in Bamberg ausgebildet, als Kaplan und Notar in der staufischen Hofkapelle und auch in der päpstlichen Kurie fungierend, nutzte „Historia“ in weitem Maß als Stoff der Belehrung für den staufischen Thronfolger und späteren Kaiser Heinrich VI. (1190 –1197), in den Gesta Friderici, einer Geschichte der Jahre 1162 –1180, ausführlich auch in dem Werkzusammenhang Memoria saeculorum / Liber memorialis – Liber universalis / Pantheon – Pantheon.58 In die genannte Kategorie kann auch die in der ersten Hälfte der achtziger Jahre des 12. Jahrhunderts verfasste Schrift Speculum regum eingefügt werden, die als erste explizit die Werkbezeichnung Königs-/Herrscherspiegel führt, die aber unabgeschlossen und nicht übereignet blieb.59 58 Zu diesen Werkformen und ihrer Aufgliederung in die Rezensionen A–E s. S. 208 die Vorbemerkung zur Ausgabe. Ausgaben, z. T. verknappt: Georg Waitz MGH SS 22. Hannover 1872 (Ndr.), S. 94 – 338; Boockmann S. 197– 264; ältere, z. T. vollständige Ausgaben: s. Boockmann S. 270 sowie Weber S. 153 Anm. 2; zu dem Autor: Weber; Dorninger, Maria E.: Gottfried von Viterbo. Ein Autor in der Umgebung der frühen Staufer. Stuttgart 1997 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik. Bd. 345 – Unterreihe Salzburger Beiträge. Bd. 31), bes. S. 30 – 59; Engels, Odilo: Gottfried von Viterbo und seine Sicht des staufischen Kaiserhauses. In: Aus Archiven und Bibliotheken. Fschr. Raymund Kottje. Hrsg. v. Hubert Mordek. Frankfurt/M., Rom, New York, Paris 1992 (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte. Bd. 3), S. 327– 345. 59 Ausgabe: Gottfried von Viterbo, Speculum regum (s. auch Anm. 58). Zu den Hss. s. die Zusammenstellungen bei Gottfried S. 12 f. (Waitz); Schulz; Weber S. 192 f.: Hs.-Klassen 1, 2, 3. In der Ausgabe von Waitz benutzte Hss.: 1a, Edinburgh National Library of Scotland Hs. Adv. 18.410, Italien 13./14. Jh. (nur Eingangsteile); 1b, London British Library Hs. Add. 11670, 29 fol., Italien 15. Jh. (vollständiger Text, zahlreiche Randglossen); 2a, Wien Österr. Nationalbibl. Lat. 3730, fol. 438r–451v, Süddeutschland/Österreich, 15. Jh. zweite Hälfte (vollständiger Text, breiter Kommentar,
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Verschiedene formale und inhaltliche Momente lassen das Werk gegenüber vergleichbaren Texten zunächst einmal als exzeptionell erscheinen. Es fehlt die Moralparänese sowie die Amts- und Gewaltenlehre der karolingischen Spiegel. Zu den späteren Schriften der Gattung bezeichnet das Fehlen antiken herrschaftstheoretischen Vorlagematerials die Distanz. Anders konditioniert als in den Texten der karolingischen Bildungsrenaissance (Lupus, Sedulius Scottus), aber gemeinsam mit ihnen ist das Ideal des gebildeten und literaturkundigen Königs (rex litteratus) gesetzt, doch schon in vorscholastischer Manier konkretisiert in dessen Bemühung um litteratura und philosophia. Im Stil des Genus ist damit eine Instructio (Belehrung) an einen jungen Herrscher gerichtet. Früh- und hochmittelalterliche Geschichtsschreibung dient Gottfried oft als Vermittler. Die Herrscherreihen in den beiden Büchern, in die das Werk gegliedert ist, solche aus mythischer Vorzeit, aus dem griechischen und römischen Altertum sowie aus dem Alten Testament im ersten, die Folge der trojanischen Könige, der römischen Kaiser und fränkischen Könige im zweiten, lässt der Autor in Karl dem Großen konvergieren, von dem die staufische Dynastie hergeleitet wird. Translationstheorie und Kaiseridee sind vorrangig herrschaftslegitimierend verwandt. So ist das Werk als Text mit positivistisch-statuierender Intention gelesen worden, als eine mit gewagten Bildern göttlicher Verklärung geführte ideologische Legitimation der Dynastie.60 Doch ist die Mahnung zur Imitatio impliziert, in angefügter Katalog von Kaisern von Karl d. Gr. bis zu Friedrich II.); 2b, München Bayer. Staatsbibl. Clm 5895, fol. 1– 64, Süddeutschland/Österreich 1475 –76 (Korrektur Weber: 1464) (vollständiger Text; Zahl der Glossen vermehrt; Kommentar und Anhang wie 2a, doch keine direkte Interdependenz); 2c, Wien Österr. Nationalbibl. Lat. 4226, fol. 279r–305v, Süddeutschland/Österreich 1467 (offenbar aus 2a); 2x, Karlsruhe Bad. Landesbibl. 133, fol. 1r–40v, Süddeutschland/Österreich 15. Jh. (vollständiger Text, zahlreiche – fehlerhafte – Kommentarglossen am Rand oder interlinear); 3a, Wien Österr. Nationalbibl. Lat. 3496, fol. 217r–267v, Süddeutschland/ Österreich 15. Jh. (vollständiger Text, zusammenhängend mit Klasse 2, Glossen und Kommentar stark vermehrt); 3b, Seitenstetten Stiftsbibl. 298, fol. 2 – 58, Süddeutschland/Österreich 15. Jh. (Text: enger Zusammenhang mit 3a, stark vermehrter und die bisherigen Texte korrigierender Kommentar). Vier weitere Hss. der Klasse 2 sowie zwei der Klasse (4) bei Weber. – Zu dem Werk als Fürstenspiegel: Berges S. 103 –105; Schmale, Franz-Josef: In: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vom Tode Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnum. Bd. 1. Hrsg. v. Wilhelm Wattenbach, Franz-Josef Schmale. Darmstadt 1976, S. 77– 82; Thomas, Heinz: Matière de Rome – Matière de Bretagne. Zu den politischen Implikationen von Veldekes ,Eneide‘ und Hartmanns ,Erec‘. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie 108 (Sonderheft) (1989) S. 65 –104, hier S. 76 –78; Weber S. 182 –185; Dorninger (wie Anm. 58) S. 60 – 65. 60 Engels (wie Anm. 58).
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die die gattungstypische Forderung nach Pflege der Gerechtigkeit verwoben ist: Mythos und Geschichte als Chiffren eines zur Handlung verpflichtenden Selbstverständnisses. Mit der Einbeziehung der Geschichte als Lehrmaterial steht Gottfried, wie bald nach ihm in Frankreich Aegidius von Paris und Guilelmus Brito mit ihrer Aufbietung der karolingischen und trojanischen Tradition, am Beginn einer Form von Spiegeln, die zunächst einen Sonderzweig repräsentiert, die in der frühen Neuzeit aber den Hauptzweig darstellen sollte.61 Aus Gründen der Raumersparnis können nur der programmatische Prosa-Prolog und charakteristische Kapitel aus dem ersten Buch (I, 1, 2, 3 [Beginn], 8) gebracht werden. (5) Johannes von Viterbo Schlägt bei Gottfried typisch italienisches Kolorit im personal gewendeten Ideal des rex litteratus, das im universalen geschichtsmythologischen Kontext gezeichnet ist, durch, so wird im historischen Umfeld der Stadtkommune eine neue Form der Spiegel begründet: Regentenspiegel für die mit zeitlich befristetem Amtsauftrag agierenden Kommuneregenten (Podestà). Eine noch undeutliche Vorform bietet die Schrift Oculus pastoralis (Hirtenauge) von ca. 1180/90, die noch weitgehend im Bereich der Administration verbleibt.62 Voll ausgeführt ist das Modell in dem Werk Liber de regimine civitatum des Florentiner kaiserlichen Assessors Johannes von Viterbo, das (zumindest im Konzept) wohl 1228 abgeschlossen wurde.63 61 Zu den französischen Texten: Berges S. 296 Nr. 6, S. 296 – 298 Nr. 7. S. in dem Band Les princes et l’histoire du XIVe au XVIIIe siècle. Hrsg. v. Chantal Grell, Werner Paravicini, Jürgen Voss. Bonn 1998 die Beiträge von Uwe Neddermann: Darümb sollen die historien billich fürsten bücher sein und genennet werden. Unversalhistorische Werke als Ratgeber der Fürsten im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, S. 67– 103, und besonders Rainer A. Müller: Historia als Regentenhilfe. Geschichte als Bildungsfach in Fürstenspiegeln des konfessionellen Zeitalters, S. 359 – 371. 62 Oculus pastoralis pascens officia et continens radium dulcibus pomis suis. Hrsg. v. Dora Franceschi. Turin 1966 (Memoria dell’Academia delle Scienze di Torino. Classe di Scienze Morali, Storiche e Filologiche. Ser. 4 Nr. 11); s. auch: Speeches from the Oculus pastoralis. Hrsg. v. Terence O. Turnberg. Toronto 1990 (Toronto Medieval Latin Texts). 63 Ausgabe: Johannes von Viterbo. Hss.: L, Florenz Bibl. Medicea Laurenziana Strozzianus 68, 13. Jh., fol. 1– 50; A, Mailand Bibl. Ambrosiana B 91, 13./14. Jh., fol. 69v–76 (Kapitelauswahl und diese gekürzt). Literatur: Davidsohn, Robert: Forschungen zur älteren Geschichte von Florenz. Berlin 1896, S. 141–143; Hertter S. 43 – 72; Berges S. 70, S. 298 f. Nr. 8; Sorbelli, Albano: I teorici del Regimento comunale. In: Bolletino del Istituto Storico Italiano e Archivio Muratoriano 59 (1944) S. 31–136,
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Der Podestà von Florenz ist Adressat der Schrift, doch stellvertretender Adressat für eine soziale Gruppe: Persönliche Applizierung und objektive Zielrichtung sind wesentlich für eine neue hermeneutisch-methodische Betrachtung. Dies impliziert die großen Neuerungen, die mit einem neuen Empfängertyp (Amtsjurist als kommunaler Mandatsträger) und einem neuen Autorentyp (Rechtsfachmann ohne Hintergrund des klerikalen Milieus) gegeben sind.64 Entgegen der früheren Abwertung des Autors, der gleichsam im Versagen an universalen Konzeptionen das konkrete Bild des geordneten Stadtstaates erschließe, ist neuestens konzeptionelle Innovation gesehen worden: Innovation in bewusstem Republikanismus und im Entwurf einer sich von hausherrschaftlich-patrimonialen Formen lösenden vielschichtig gefassten Kategorie von regimen.65 Genauere Analyse führt zu dem Ergebnis, dass der Autor eine stringent konzipierte Disposition vorlegt: Zehn Kapitel juristisch-etymologischer Begriffsdefinitionen zeigen ihn in der Tradition der frühen Spiegel und Staatstraktate, pointiert sind römisch-rechtliche und säkulare Weiterungen angeschlossen. Das römische Recht – auf Johannes von Salisbury und Helinand von Froidmont ist zu verweisen – ist überhaupt das entscheidende Repertoire. Das folgende Segment, 48 Kapitel zum Amtsbeginn des Podestà, zeigt die Balance zwischen Administrationsschriftgut und dem an den Artes dictaminis ausgerichteten Ideal des kommunalen Rhetors. Diesem Duktus entsprechend ist das Werk in der älteren Literatur (Salvemini, Hertter) vornehmlich als Quelle für die Verfassungs- und Administrationsgeschichte des PodestàInstituts gelesen worden, ausgewertet ist es unter diesem Gesichtspunkt in einer neuen einschlägigen Synthese. Dass dies nur weithin, nicht ausschließlich möglich ist, zeigen schon die eingestreuten Passus zur Prinzipatsideologie und zum biblisch legitimierten Schwertgebrauch im republikanischen Gemeinwesen. Den umfangreichen Teil von 46 Kapiteln zu Lastern und Tugenden prägen ein Anflug von Machiavellismus, ein biblischtheokratisches Repertoire, besonders ein breiter Fundus an antiker paganer Tugendlehre (Seneca, Cicero), vor allem ist hier maßgebend für die ethische Fundierung von Herrschaft das schon in der Tradition „laikaler“ Spiegel grundlegende Werk des Martin von Bracara. 44 Kapitel am Schluss gelbes. S. 82 –101; Artifoni, Enrico: I podestà professionale e la fondazione della politica comunale. In: Quaderni storici 63 (1986) S. 687–719; S. 712 f. mit Anm. 26. 64 Kantorowicz, The King’s Two Bodies (wie Sedulius Anm. 7), S. 122; Senellart S. 25 Anm. 1. 65 Abwertung: Berges S. 102, S. 106 Anm. 5; neue Sicht: (angebahnt von Sorbelli) Senellart S. 25 f.; Ubl, Karl: Engelbert von Admont. Ein Gelehrter im Spannungsfeld von Aristotelismus und christlicher Überlieferung. Wien, München 2000 (MIÖG Erg. Bd. 37), S. 121–127, S. 139, bes. S. 121 f. (Lit.).
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ten der Administration, den Außenbeziehungen, dem Kriegswesen, den Modalitäten beim Amtsende.66 Mit dem vermeintlichen Seneca (Martin von Bracara), Seneca und Cicero sind Quellen ausgewertet, die eminente Bedeutung für die ethische Fundierung der Herrschaft von Laien im partikularen Rahmen erhalten. Über die biblisch-theokratischen Begründungen ist die partikulare Herrschaft mit den universalen Gewalten von Papsttum und Kaisertum verknüpft: Republikanismus ist in das monarchisch-papale Ordnungsgefüge gesetzt. Mit dieser Ausrichtung und mit der Titelfassung De regimine schließt das Werk an die Herrscherspiegel an. In der Publikation werden charakteristische Kapitel gebracht.67
C Spiegel unter dem Einfluss der Wandlungen im Hochmittelalter: England und Umkreis der französischen Monarchie Zusammenhänge und Differenzen Der räumliche und zeitliche Zusammenhang des Reiches ließ bis in das frühe 13. Jahrhundert ausgreifen. In England und Frankreich war indessen ein Umbruch im Denken und die Übernahme neuer Ideen vollzogen. Die für diesen Wandel markanten Autoren (Johannes von Salisbury, Helinand 66 Segment I: c. 1–10: Formen des Gemeinwesens, Zusammenhang partikularer und übergreifender Gewalt im theokratischen Gefüge, Begründung auch der partialen Gewalt aus theokratischen Grundlagen und aus dem römischen Recht; s. bes. Vorrede, c. 3, 4 und 10. Segment II: c. 11– 58: Modalitäten bei Amtsbeginn, u. a. c. 11 Findung und Wahl, c. 46 Bürgerversammlung, c. 55 – 58 Prinzipatsideologie und Schwertgewalt. Erneute Auswertung unter rein institutionstechnischer Perspektive: I Podestà dell’Italia Comunale I: Reclutamento e Circolazione degli ufficiali forestieri (Fine XII Sec. – Metà XIV Sec.). 2 Bde. Hrsg. v. Jean-Claude Maine Vigueur. Rom 2000 (Istituto Storico Italiano per il Medio Evo – Nuovi Studi Storici. Bd. 51 = Collection de l’École Française de Rome. Bd. 268), bes. die Beiträge von Andrea Zorzi S. 471– 473, S. 512 f., S. 585 sowie Sandro Carocci S. 854 – 856, S. 862 – 864, S. 869 f.; zur neuen Rhetorik: Artifoni, I podestà (wie Anm. 63) S. 698 –709; ders., Sull’eloquenza politica nel Duecento italiano. In: Quaderni medievali 36 (1993) S. 57– 78, hier S. 63 –73; zu concionari ebd. S. 67. Segment III: c. 59 –104: Vitia und Virtutes; c. 59 –76 Laster, s. c. 59 S. 267; c. 77– 93 Tugenden allgemein, u. a. c. 77, 80 S. 267–271 Gottesfurcht, Schutz der Wehrlosen; c. 94 –104 Kardinaltugenden nach Martin von Bracara. Segment IV: c. 105 –148: c. 105 –120 Administration, c. 121–126 Außenbeziehungen, c. 131–137 Kriegswesen, c. 140 –148 Modalitäten bei Amtsende; s. bes. die Verklammerungen c. 127–129 S. 273–283. 67 Zum Titel s. Johannes von Viterbo Anm. 3; ausgewählte Kapitel sind in Anm. 66 besonders herausgehoben.
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von Froidmont) sind mit jenen Verfassern von Herrscherspiegeln im Umkreis der französischen Monarchie (Gilbert von Tournai, Vinzenz von Beauvais) zusammengefasst, die auf sie reagieren und die in dieser Reaktion zu ihnen in einem reflexiven Verhältnis stehen. Die letztgenannten Autoren markieren die Entfaltung der Gattung. Sie rezipieren von respektive mit Johannes von Salisbury oder über Helinand das aus den antiken Autoren bezogene Neue vorsichtig und abwehrend und gehen (gegen neue Entwicklungen in Staat und Gesellschaft) betont auf den karolingisch-westfränkischen Königs- und Gesellschaftsgedanken zurück. Das einschlägige Werk des Vinzenz von Beauvais gehört zu den Derivaten aus einer großen Materialsammlung für eine große Summe zu Königtum, Gesellschaft und Staatsverwaltung, die König Ludwig IX. von Frankreich (1225 –1270) von dem Dominikanerorden anlegen ließ, weiterhin der Spiegel De eruditione principum (1260–1264 Pseudothomas-Peraldus) sowie die um 1300 entstandene Schrift Liber de informatione principum. Hierher zu stellen ist auch Gilberts Spiegel von 1259.68 Beiden Verhaltensformen waren entscheidende geistige Entwicklungen vorausgegangen. An den französischen hohen Schulen, besonders in Chartres und Paris, wurden zwischen 1150 und 1260 die an der Antike orientierte kosmologische Sehweise und die Hierarchienlehre des Pseudo-Dionysius (Dionysius Areopagita)69 rezipiert und entwickelt. Die neu einsetzende Seneca-Rezeption schloss an die späte Karolingerzeit an, doch war sie forcierter und führte vom Sapientia-Motiv her und in Gegensatz zu ihm die neue Dimension des Herrschaftsmechanismus aus.
68 Zu Gilbert und Vinzenz s. S. 32–35. Pseudothomas: De eruditione Principum. In: Doctoris angelici divi Thomae Aquinatis Opera Omnia. Bd. 27 (Opusc. 37). Hrsg. v. Stanislaus Eduard Frette. Paris 1875, S. 551– 673; zu dem Werk: Berges S. 185 –195, S. 308 – 314 (Nr. 16); fünf weitere Hss. zu den dort erfassten bei Singer, Fürstenspiegel in Deutschland (wie Anm. 1) S. 149. Liber de informatione principum, erste Fassung: Hs. Leiden Voss. Lat. Q 82; zu der zweiten und dem Werk generell: Berges S. 336 – 340 (Nr. 28). Zu diesen Texten Anton, Gesellschaftsspiegel S. 85, S. 120. – Speziell abgezweigte Erziehungsspiegel der Autoren: Gilbert von Tournai, De modo addiscendi; Vinzenz von Beauvais: De eruditione seu modo instruendorum filiorum nobilium. Hrsg. v. Arpad Steiner. Cambridge/Mass. 1938 (The Mediaeval Academy of America. Publications. Bd. 32); Pseudothomas Buch 5 S. 604 – 660. Dazu noch Bartholomaeus Vincentinus; s. Berges S. 313 f. (Nr. 17) sowie Ludwig IX.: The Teachings of St. Louis. Hrsg. v. David O’Connell. Chapel Hill 1972 (University of North Carolina. Studies in the Romance Languages and Literatures. Bd. 116). 69 Dazu s. Gilbert Anm. 62.
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(6) Johannes von Salisbury und Helinand von Froidmont Eine vorrangige Orientierung an Ciceros Pflichtenlehre, in Verbund mit Seneca, lässt das Moralium Dogma Philosophorum, eine in mehrfacher Hinsicht schwierige Schrift, erkennen. Sie ist fast ganz Kompilation, versetzt mit dichterischen Zitaten besonders aus den Satirikern. Die Verfasserschaft ist ungeklärt, König Heinrich II. von England (1154 –1189) könnte als Adressat in Frage kommen, doch lassen einschlägige Apostrophierungen kaum Bezug zum Regentenamt erkennen.70 Das 1159 veröffentlichte Werk Policraticus des Johannes von Salisbury und die davon sowie von gemeinsamen Vorlagen stark beeinflusste exegetische Ausarbeitung des Zisterziensers Helinand von Froidmont (um 1200) sind ebenfalls nicht Fürstenspiegel. Das Werk des Johannes ist moralkritischer Traktat, eine Art Weltspiegel oder Gesellschaftsspiegel, verwandt ist damit die Zusammenstellung Helinands, in gewisser Weise ein Traktat über die theoretischen Voraussetzungen und die praktischen Erfordernisse der Königsherrschaft, über Staatswesen und Politik.71 Gleichwohl wurden Neuerungen bei Johannes über die oben genannten Wirkungen auf Spiegler im Bezugsfeld des französischen Königtums hinaus entscheidend für eine Umstrukturierung der Spiegel. Der Charakter dieser Innovationen ist zweigestaltig. Johannes bezieht sie vornehmlich von der Antike, er verwendet sie zur Kritik an gesellschaftlichen Missständen seiner Zeit (Hofwesen). Das für die Herrscherethik des Frühmittelalters normgebende Königsgesetz des Buches Deuteronomium (Deut 17, 14 – 20) erhält entgegen seiner Funktion, die Handlungsmaßstäbe in dem von Isidor von Sevilla und Pseudo-Cyprian vorgegebenen naturrechtlichen Kontext zu bestimmen, neue Aussagen im Zusammenhang antiker Pflichtenlehre und der genannten Gesellschaftskritik.72 Fast revolutionäre Wendungen sind mit einer angeblichen Schrift Plutarchs für Kaiser Trajan, der sog. Institutio Traiani, gegeben, die der englische Autor in einer Reihe von Partien nach eigenem Bekunden zitiert oder paraphrasiert. Das Werk wurde als literarische Fiktion des Johannes gesehen, bisweilen ein echter spätantiker Kern angenommen.73 70 Das Moralium Dogma Philosophorum des Guillaume von Conches. Lateinisch, Altfranzösisch und Mittelniederfränkisch. Hrsg. v. John Holmberg. Uppsala 1929. Einschläge Stellen: S. 5 f., S. 73 f., S. 8, S. 19. Zu Unrecht als Fürstenspiegel gewertet bei Ubl (wie Anm. 65) S. 53 f., S. 84 f., S. 90. 71 Johannes von Salisbury, Policraticus; Helinand von Froidmont; Wertung als Fürstenspiegel: Berges S. 131–143, S. 291– 293 (Nr. 1), S. 295 f. (Nr. 5); zum 4. Buch des Johannes als Fürstenspiegel: Kerner, Max(imilian): Johannes von Salisbury und die logische Struktur seines Policraticus. Wiesbaden 1977, S. 132 –149. 72 Johannes v. S., Pol. IV, 4; 5 S. 241– 244. 73 Fiktion: Liebeschütz, Hans: John of Salisbury and Pseudo-Plutarch. In: Journal
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Eine eingehende neuere Untersuchung ergab eine wohl dem 5. Jahrhundert angehörende Vorlage des Textes. Sie stand wohl in stoischer Tradition (Seneca, Lukan, Symmachus) und bot eine breit ausgeführte säkulare Staatsbeschreibung. Christliche Einflüsse waren wohl schon spärlich eingesprengt. Weitere christliche Überformungen kamen im Hochmittelalter hinzu.74 Die Überlieferung lief fast ausschließlich über Johannes, doch in Texten des oströmisch-afrikanischen und des spanisch-westgotischen Bereichs aufscheinende Bestandteile der pseudoplutarchischen Schrift haben offenbar von Johannes unabhängige Reflexe noch bei Erasmus von Rotterdam.75 Die zentralen Stellen aus dem Grundbestand der spätantiken Vorlage vermitteln eine organologische Sicht vom Staat als Rechtskörper mit dem Princeps als Haupt und den sozialen Gruppen/Ständen als Gliedern: ein säkulares politisches Modell gegen die die Tradition beherrschende Sozialmetapher des Apostels Paulus von der Kirche als ekklesial(-politischem) Leib mit Christus als Haupt. Vier Grundmaximen der Herrscherethik (reverentia Dei, cultus sui, disciplina officialium et potestatum, affectus et protectio subditorum) treten hinzu, der Part wird durch Übernahme weiterer Elemente von nicht verifizierbaren Gewährsleuten (Lucius, Pseudo-Plato) ergänzt. Für die Einzelausführung ist auf die unten S. 286 f. gegebene Paraphrasierung zu verweisen, die aus Raumgründen an die Stelle einer Präsentation treten muss. Die in Aufnahme antiker Diktion und antiker Vorstellungen gebrachten weitergehenden Ausführungen des Johannes zum König als öffentlicher Gewalt, zu seinem Amt des Dienstes an der Gerechtigkeit und an dem gemeinen Wohl sowie zu dem angedeuteten Gesellschaftsvertrag lässt den Autor dann noch stärker als entschiedenen Neuerer sehen.76 of the Warburg and Courtauld Institutes 6 (1943) S. 33 – 39; ders.: Medieval Humanism in the Life and Writings of John of Salisbury. London 1950 (Studies of the Warburg Institute. Bd. 17), S. 22 – 33; Martin, Janet: John of Salisbury’s Manuscripts of Frontinus and Gellius. In: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 40 (1977) S. 1– 26; dies.: Uses of Tradition: Gellius, Petronius, and John of Salisbury. In: Viator 10 (1979) S. 57–76; von Moos, Geschichte S. 416 – 418, S. 464 – 467, S. 488 f.; ders.: Fictio auctoris. Eine theoriegeschichtliche Miniatur am Rand der Institutio Traiani. In: Fälschungen im Mittelalter. Hannover 1988 (MGH-Schriften. Bd. 33, 1), S. 739 –780. Schrift im Umkreis glossatorisch-etymologischer Literatur: Struve, Tilman: Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassung im Mittelalter. Stuttgart 1978 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters. Bd. 16), S. 123 –148, bes. S. 127 f.; ders.: Pedes rei publicae. Die dienenden Stände im Verständnis des Mittelalters. In: HZ 236 (1983) S. 1– 48, bes. S. 29; spätantiker Kern: Kerner, Max(imilian): Die Institutio Traiani und Johannes von Salisbury, ein mittelalterlicher Autor und sein Text. In: Institutio Traiani S. 1– 92; Ausgabe: Institutio Traiani. 74 Anton, Anfänge. 75 Anton, Anfänge S. 108 –113. 76 Johannes als Wegbereiter des Neuen: Anton, Anfänge S. 100 –122; von Moos,
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(7) Gilbert von Tournai Gilbert von Morielporte aus Tournai, Magister an der Universität Paris, seit ca. 1235/40 Minorit, war ein berühmter Prediger und Freund König Ludwigs IX.77 Das für diesen Herrscher 1259 verfasste Werk Eruditio regum et principum hat eine objektive Fassung eher nach Art von Helinands Exegeseausschnitt, doch ist es klar an den individuellen Empfänger gerichtet. Die Schrift ist eingefügt in einen Kranz schriftstellerischer Zeugnisse, zu denen die aus der größeren Enzyklopädie Rudimentum doctrinae herausgelöste Erziehungsschrift De modo addiscendi (s. Anm. 68) gehört.78 Der Spiegel ist in Briefform abgefasst, aufgeteilt in drei Briefe mit fünf thematischen BereiPeter: „Öffentlich“ und „privat“ im Mittelalter. Zu einem Problem der historischen Begriffsbildung. Heidelberg 2004 (Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Ak. d. Wiss. Bd. 33), S. 80 – 82; für Koexistenz neuer Staatssicht, die überwiege, mit überkommenem theoretischem Modell: Canning, Joseph: A History of Medieval Political Thought (300 –1450). London, New York 1996, S. 110 –114; Johannes als Repräsentant einer Übergangszeit mit neuem Erfassen der Analogie zwischen Natur und politisch-gesellschaftlicher Sphäre: Morpurgo, Piero: L’armonía della natura e l’ordine dei governi (secoli XII–XIV). Turnhout 2000 (Micrologus’ Library), S. 118, S. 173, S. 40, S. 103, S. 270; schwankend in der Zuordnung (Tradition oder Innovation): Ottmann (wie Anm. 52) S. 104 –117. Die Tragweite der antiken Werte für das Neue gewichtet zu gering: Stürner, Wolfgang: Natur und Gesellschaft im Denken des Hoch- und Spätmittelalters. Naturwissenschaftliche Kraftvorstellungen und die Motivierung politischen Handelns in Texten des 12. bis 14. Jahrhunderts. Stuttgart 1975 (Stuttgarter Beiträge zur Geschichte und Politik. Bd. 7), S. 119 –131 sowie ders.: Peccatum und Potestas. Der Sündenfall und die Entstehung der herrscherlichen Gewalt im mittelalterlichen Staatsdenken. Sigmaringen 1987 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters. Bd. 17), S. 144 –150, bes. S. 148. Das dort (Anm. 40) gebrachte Beispiel (Pol. VIII, 22 S. 396) mit der Gleichung res publica – populus Dei ist gegenüber dem Hauptzug bei Johannes nicht repräsentativ. 77 Zu Gilbert zusammenfassend: Bio-Bibliographica Franciscana Neerlandica ante saeculum XVI, I: Pars Biographica. Auctores editionum qui scripserunt ante saeculum XVI. Hrsg. v. Benjamin de Troeyer, Leonide Mees. Nieuwkoop 1974, S. 15 – 43; New Catholic Encyclopedia. Bd. 6, 22002, Sp. 560 f. (J. Cambell). 78 Gilbert von Tournai, Eruditio. Der Ausgabe von Alphonse de Poorter lagen die Hss. B, P und im Entscheidungsfall O zugrunde, wobei B den Vorzug hatte. Hss.: B, Brügge Hs. 490, 13. Jh. Ende, fol. 63v–89v; P, Paris BN Nouv. acq. lat. 480, 15. Jh., fol. 37v–89r; O, Oxford Jesus College Hs. 18, 15. Jh. Ende, fol. 24 – 67. Weitere Hss.: Callebaut, André. In: Archivum Franciscanum Historicum 12 (1919) S. 298 – 302, hier S. 300 f.; Glorieux, Palémon: Repertoire des maîtres en théologie de Paris au XIIIe siècle. Paris 1933, Nr. 311 S. 57. Als wesentlich kommt hinzu: Hs. R, Burghesianus 241, 14. Jh. Anfang, fol. 274r–340v: schlechte Abschrift eines guten Exemplars der Gruppe P, die B vorzuziehen ist. Dazu s. Maier, Anneliese: Codices Burghesiani Bibliothecae Vaticanae. Città del Vaticano 1952, Nr. 241 S. 388 – 390.
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chen. Der breite Rückgang auf das Reservoir des Johannes von Salisbury zeigt sich signifikant darin, dass die bei diesem (und Helinand) genannten Werte herrschaftlicher und gesellschaftlicher Ordnung die Orientierung geben, nach der Gilbert zum Teil spezifisch gestaltet (s. Gilbert Anm. 4). In der in der Publikation vorgestellten breiten Auswahl kommen zwei Gesichtspunkte besonders zum Ausdruck: Zum einen sind es der restringierende Umgang mit neuen Formeln, der Gilbert der neuen säkularen Sicht des Staates das paulinische Bild des corpus mysticum hinzufügen und Senecas Herrscherideal mit christlichen Wertungen verbinden lässt,79 der Anschluss an die herrschaftstheoretischen Diskurse bei der Verwendung biblischer Kernstellen (Deut 17, 14 – 20; Iob 29, 15 – 25), welche Leitnormen werden zur Erklärung von regula regum und regnandi forma / vivendi forma,80 sowie die Überhöhung überkommener Formeln mit neuer mystischer (Herrschafts)theologie (Pseudo-Dionysius).81 Zum anderen soll das breite Tableau von Kritik an Mechanismen der Feudalgesellschaft mit ihren schlimmen Auswirkungen für die Unterschichten deutlich werden. Die Kritik, die noch nicht prinzipiell im Sinn eines neuen Staatsverständnisses ist, ist charakteristisch für einschlägige Texte der Zeit und in der Verbindung von Gesellschaftsspiegelung und Paränese für den König in karolingischen Texten vorgebildet.82 Neu ist in diesem Zusammenhang besonders die Aufnahme von Material aus dem kurz zuvor von arabischer Grundlage her übersetzten und bearbeiteten Text Secretum Secretorum.83 Der komplexe Zusammenhang der Werke von Gilbert und Johannes von Salisbury (und Helinand) wird in der breiten Kommentierung dokumen79 Gilbert, Eruditio I, 2 c. 2 (de Poorter S. 15 f.); I, 2 c. 9 S. 327–337; II, 1 c. 6 S. 365– 369; III c. 3 S. 433; c. 4 S. 437 sowie II, 2 c. 2 (de Poorter S. 69) – II, 1 c. 2 S. 351–355; II, 2 c. 1 S. 411–415; zu Seneca s. z. B. III c. 3–5 S. 433–441. 80 Gilbert, Eruditio I, 2 c. 1–11 S. 297–345; II, 2 c. 2 – 4 S. 417–419. 81 Gilbert, Eruditio I, 2 c. 5 S. 311; I, 2 c. 8 s. S. 325 (s. de Poorter S. 30 f.); II, 2 c. 5 s. S. 419 (s. de Poorter S. 73 f.); bes. III c. 2 S. 431–433 (s. de Poorter S. 84); c. 6 S. 441– 445; c. 7 (de Poorter S. 90 f.); s. auch II, 1 c. 2 S. 351–353. 82 Gilbert, Eruditio II, 1 (c. 1) Prolog S. 345–347; II, 1 c. 1–17 S. 347–411; s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 99 f. 83 Secretum; wegen des Kommentars noch wichtig auch die Ausgabe von Steele; zu dem Werk s. Pseudo-Aristotle, The Secret of Secrets. Sources and Influences. Hrsg. v. W. F. Ryan, Charles D. Schmitt. London 1982; Williams, Steven: The Secret of the Secrets. The Scholarly Career of a Pseudo-Aristotelian Text in the Latin Middle Ages. Ann Arbor 2003, S. 183 ff., S. 298 f. Zur Relevanz für das neue Wissens- und Staatsverständnis: Fried, Johannes: In den Netzen der Wissensgesellschaft. Das Beispiel des mittelalterlichen Königs- und Fürstenhofes. In: Wissenskultur. Beiträge zu einem forschungsstrategischen Konzept. Hrsg. v. Johannes Fried, Thomas Kailer. Berlin 2004, S. 164, S. 175 –177.
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tiert. In Gegensatz zur Bewertung des Herausgebers de Poorter ist nicht Vinzenz von Beauvais mit seinem weithin aus Helinand gespeisten Speculum doctrinale Leitfaden für Gilbert, sondern der Text und die (in Gemeinsamkeiten und nuancierten Details auch bei Helinand gespiegelte) Vorlage des Johannes von Salisbury. Es ist wohl nicht zu viel gesagt, dass mit den erwähnten Kommentierungen die Frage nach den Grundlagen des Werkes von Johannes von Salisbury (Florilegia) in wesentlich neuem Lichte erscheint. Die Auswahl aus allen fünf Teilen ist, wie gesagt, breit.84 (8) Vinzenz von Beauvais Vinzenz, vermutlich kurz vor 1200 in Beauvais geboren, Absolvent des Studium generale seines Dominikanerordens, ab 1246 im Zisterzienserkloster Royaumont tätig, stellte das umfassendste enzyklopädische Werk des Mittelalters zusammen: Speculum maius (naturale, doctrinale, historiale). In den einschlägigen Partien ist Helinand der hauptsächliche Textlieferant. Auf Veranlassung König Ludwigs IX. begann er 1247/48 die auf vier Bücher berechnete Summe. Fertiggestellt wurde nur das vierte Buch, ein Spezialwerk zur Erziehung der Prinzen (s. Anm. 68), sowie das erste Buch De morali principis institutione, das er kurz vor seinem Tod (1264) an König Ludwig und an dessen Schwiegersohn, König Theobald von Navarra, sandte.85 Der Autor gliedert sein Werk nach den drei Kategorien Potentia, Sapientia, Bonitas. Unter dem ersten Gesichtspunkt bietet er eine historisch-politische Phänomenologie des Königtums. Traditionelle Deutungsmuster (die paulinische Corpusvorstellung hier nach Rom 12, 5) sind mit Neuem (Institutio Traiani) verbunden. Innovation ist auch die Setzung der Trinität als Bezugsgröße für 84 Gilbert, Eruditio I, 1 c. 1 und 2; I, 2 c. 1 (Auswahl), c. 5, c. 6, c. 9 (großer Teil), c. 10, c. 11 (Teil); II, 1 (c.1) Prol.; II, 1 c. 1–12, c. 13 –16 (jeweils Teil), c. 17; II, 2 c. 1, c. 7, c. 2 (Teil), 3 – 6 sowie c. 8 und 10 (Rubra), c. 9 (Teil); III, c. 1 und c. 2 (Teil), c. 3 und 4, c. 5 (Teil), c. 6, c. 7 (Schluss). 85 Vinzenz, De morali principis institutione; Hss. entsprechend der Ausgabe von Robert J. Schneider: B, Basel Öffentl. Bibl. der Universität A. VII, 36, 15. Jh. Mitte, fol. 146v–216v; C, Cambridge Corpus Christi College 325, 14. Jh. (vor 1325) England, fol. 151v–191r; F, Florenz Bibl. Medicea Laurenziana, Asburnam 947 (vormals 878), 14. Jh. Italien, fol. 90v–104v; H, Den Haag Koninklijke Bibliotheek 72153, 15. Jh. Mitte England, fol. 1r–33r; M, Oxford Merton College 110, 15. Jh. England, fol. 359r–381r; P, Paris BN Lat. 13963, 14. Jh. Anfang Paris, fol. 1r–60v; R, Oxford Bodleian Library Rawlison C 398, 1440 –1460 England, fol. 98v–119r; S, Madrid Bibl. Nacional 10254, 14. Jh. südliches Frankreich oder Katalonien, fol. 45r–64v; T, Cambridge Trinity College B. 15.11, 1430 England, fol. 71r–93r; U, Uppsala Universitetsbibliothek MSC – 616, 14. Jh. zweite Hälfte nördliches Deutschland, fol. 4r–25v; Inkunabeldruck, I, Rostock: Fratres Domus Horti Viridis, 1477, 1a–··34a.
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den Herrscher (c. 1–10). Zum Ausdruck kommt ein Spannungsverhältnis zwischen traditioneller Sapientia und neuer herrschaftsmechanischer Scientia sowie zwischen traditioneller Tugend- und Lasterlehre und der neuen, von paganen Autoren bezogenen Wissensfertigkeit (Sapientia c. 11–16, Bonitas c. 17– 28). Das Werk ist in den Hss. geführt als De morali principis institutione (F), als De corpore rei publice (B), als De administratione rei publice (S), als Specula moralis (U). Vorgestellt sind fünf Kapitel (c. 1– 4, c. 10), die übrigen ausführlich paraphrasiert. 3. Ausblick Entscheidende Impulse zur Weiterentwicklung des politischen Denkens gab die Scholastik und trug so zu Hochblüte und neuer Struktur der Spiegel im Übergang vom hohen zum späten Mittelalter bei. Die Übersetzung des Aristoteles in das Lateinische hatte große Nachwirkungen auf die Perspektiven und Deutungen der Spiegel. Zunächst ist eine Gruppe von Texten zu nennen, die besonderen Bezug zu Frankreich hat. Für König Theobald von Navarra, der schon Rezipient des Werkes von Vinzenz war, verfasste Johannes von Limoges (1255 –1260) eine Schrift eigenen Zuschnitts Morale Somnium Pharaonis seu de regia disciplina, das noch besonderer Erhellung bedarf.86 Mit Frankreich steht möglicherweise der Spiegelentwurf Breviloquium de virtutibus principum et philosophorum antiquorum des Johannes von Wales (um 1270) in Verbindung. Das unvollendet gebliebene Werk des Thomas von Aquin (1224/25 –1274) De regno ad regem Cypri (1265 –1267) zeigt nach traditionellem Beginn eine an der aristotelischen Definition des Menschen orientierte Anthropologie (animal sociale et politicum) und von dort den Zugang zur säkular gedeuteten Herrschaft in der Gemeinschaft als regitivum – regimen. Flankiert ist dies von einer im systemumfassenden Naturexemplarismus platzierten Königs- und Staatssphäre zwischen Makrokosmos (Allherrscher Gott) und Mikrokosmos (Ratio herrschend im Innern des Menschen). Der Übergang zur detaillierten Behandlung der königlichen gubernatio im Stil der italienischen Regentenspiegel ist am Schluss noch zu erkennen.87 86
Ausgabe: Fabricius, Johann Albert: Codex Pseudepigraphus Veteris Testamenti. Bd. 1. Hamburg 21722, S. 441– 496; ders.: Bibliotheca Latina Mediae et Infimae Aetatis. Bd. 3. Padua 1754, Florenz 21858 (Ndr. Graz 1962), S. 376 – 380. 87 Thomas von Aquin: De regno ad regem Cypri = Sancti Thomae de Aquino opera omnia. Bd. 42. Hrsg. v. Hyacinthe F. Dondaine (Editio Leonina). Rom 1979. Der in konservative Bahnen zurücklenkende Annex des (möglicherweise) Thomasschülers
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Die Kulmination erlebte die Gattung im Werk des Aegidius Romanus (1243/47–1316) De regimine principum (1277–1279) für den späteren französischen König Philipp den Schönen.88 Das Werk fand größte Verbreitung und wurde in viele Sprachen übersetzt. Es ist fast ausschließlich an Aristoteles (Rhetorik und Ethik) orientiert. Bibel und Patristik spielen fast keine Rolle. Drei Bücher für die sich aus der Naturordnung ergebenden Bereiche illustrieren die säkulare Tendenz: 1. Monastik, regimen sui, eine Tugendlehre für Könige und Fürsten; 2. Ökonomik, regimen familiae (Haus) für Könige und Fürsten; 3. Politik, bezogen auf civitas und namentlich auf regnum. Die naturhafte Defektibilität des Menschen macht ihn zum animal sociale, politicum, civile, communicativum und bringt das Telos der Vollkommenheit. Das königliche Regiment (regimen regale) ist gegenüber Haus und Civitas die vorzuziehende Formation. Alte Formeln verwendet Aegidius in weltlichem Kontext: Der Herrscher ist im organum des Kosmos divinum organum sive minister, im eschatologisch-ethischen System ist er intellectus sine concupiscentia, quasi semideus, lex animata (Geistwesen ohne affektive Bestrebung, gleichsam Halbgott, beseeltes Gesetz). Unter dem Rubrum „Politische Philosophie und konkrete Vernunft in Bezug auf das Reich“ kann man das Werk des Engelbert von Admont († 1331) fassen, den sieben Bücher umfassenden Königs-Herrscherspiegel De regimine principum (um 1300) sowie den um 1310 verfassten FürstenAdelsspiegel Speculum virtutum für die Söhne König Albrechts von Österreich.89 Anders als Aegidius entfaltet Engelbert einen breiten Verfassungsdiskurs mit Unterscheidung von Monarchie, Aristokratie, Oligarchie und Tholomaeus von Lucca (1236 –1326/27) De regimine principum in den Ausgaben von Joseph von Mathis: Divi Thomae Aquinatis doctoris angelici De regimine principum ad regem Cypri. Turin 1924 resp. von Raymond M. Spiazzi: Divi Thomae Aquinatis … Opuscula philosophica. Turin 1954, S. 243 – 348; zur Schrift des Thomas s. Berges S. 195 – 211; Kölmel (wie Anm. 8) S. 144 –155; Senellart S. 158 –179; Struve, Tilman: Die Begründung monarchischer Herrschaft in der politischen Theorie des Mittelalters. In: Zeitschrift für historische Forschung 23 (1996) S. 289 – 323; Finnis, John: Aquinas. Moral, Political, and Legal Theory. Oxford 1998. 88 Ausgabe: Hieronymus Samaritanus. Rom 1607 (Ndr. Aalen 1967); Lit.: Berges S. 211– 228; Senellart S. 180 – 205; Miethke, Jürgen: Die Legitimität der politischen Ordnung im Spätmittelalter. Theorien des frühen 14. Jahrhunderts. In: Historia philosophiae medii aevi. Studien zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters. Fschr. Kurt Flasch. Hrsg. v. Burkhard Mojsisch, Olaf Pluta. 2 Bde. Amsterdam u. a. 1991, S. 643 – 674; mehrere eindringliche Studien von Roberto Lambertini. 89 Ausgaben: Engelbert von Admont: De regimine principum libri seu tract. VII. Hrsg. v. Johannes Georg Theophil Huffnagl. Regensburg 1725; ders.: Speculum virtutum. Hrsg. v. Karl Ubl MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters 1, 2. Hannover 2004.
Einleitung
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Demokratie. Der Autor optiert für eine gemischte Form. Seiner Distinktion in Großregna (gentes) – Fürstentümer – Stadtbereiche (italienische Stadtstaaten) korrespondiert das Spektrum der Begrifflichkeit. Princeps kann danach Rex et princeps (König), Princeps et rex (Landesfürst) und Principes (Regenten der Stadtkommunen) bezeichnen. Wesentlich ist die Ergänzung aristotelischer Vorstellungen um das republikanische Ideal der Regentenspiegel (Seneca, bes. Cicero). Für die weitere Entwicklung im Spätmittelalter kann hier nur knapp festgehalten werden: In Skandinavien, England, Spanien, Frankreich wurden zahlreiche nationale Königsspiegel verfasst. Im Reich begann die große Zeit der territorialen Spiegel. Sie haben gewisse Verbindungen zu den humanistischen Spiegeln, die die Gattung wieder an das Reich banden.
EINRICHTUNG DER AUSGABE Einrichtung der Ausgabe
Geboten werden die ausgewählten Texte jeweils in Auszügen. Dieses Verfahren ist nötig, damit das Genre in repräsentativer Breite und in seinen charakteristischen Entwicklungen erscheinen kann. Bei Auslassungen sind die Zusammenhänge, soweit nötig, durch paraphrasierende Überleitungen vermittelt. Den generellen Vorgaben der Reihe entsprechend ist eine kritische Edition der Texte nicht angestrebt. In mehreren Fällen (Jonas von Orléans, Sedulius Scottus, Hinkmar von Reims, Gilbert von Tournai) sind Kollationierungen mit in den vorliegenden Ausgaben nicht berücksichtigten wesentlichen Überlieferungen vorgenommen. In die Orthographie der Editionen, von denen ausgegangen wird, ist nur behutsam eingegriffen. Die Interpunktion ist oft und entscheidend verändert. Ein besonderes Gewicht kommt den verhältnismäßig breiten und detaillierten Kommentierungen zu. Die Übersetzungen, auch die metrischen (Gottfried von Viterbo u. a.), sind von mir angefertigt. Bibelzitate sind an der Vulgata-Ausgabe von Robert Weber und Roger Gryson (4. Aufl. 1994), in der die Lesarten der (Sixto-) Clementina im Apparat geführt sind, kontrolliert und ebenfalls von mir übersetzt. Das oft freie Zitierverfahren der Autoren macht dies ohnehin nötig. Zudem sind neuere Übersetzungen (etwa die sog. Einheitsübersetzung) oft blass und gehen wie kräftigere Übersetzungen (Luther, Zürcher Bibel) vom hebräischen beziehungsweise griechischen Grundtext aus, nicht von dem von den Autoren verwandten Text, dem Vulgatatext. Von selbst ergibt sich, dass dem Übersetzer vertraute Wendungen und Formulierungen in seine Version einfließen. Nach dem vorgegebenen Verfahren sind antike Quellenwerke des allgemeinen Kanons ohne Nennung der Ausgabe zitiert, spätantike Texte und solche der christlichen Klassiker sind eingeschlossen. Seltener angeführte Werke aus diesem Bereich oder von diesen Autoren und „strittige“ Editionen sind jeweils an der einschlägigen Stelle des Kommentars zitiert, wie auch mit seltener zitierten Stücken der Literatur verfahren ist. Häufiger zitierte Quellenwerke mittelalterlicher Autoren und häufiger zitierte Literatur finden sich im Literaturverzeichnis. Um Raum einzusparen, waren einige Verknappungen in den Literaturangaben nötig. Liegt von einem Autor nur ein Werk vor (Gellius, Valerius Maximus u. ä.), so ist dies in der Zitation nicht genannt. Soweit es möglich erschien, sind Seitenangaben und Zeilenverweise weggelassen. Längere Auslassungen der Autoren aus den von ihnen in den Spiegeln benutzten Vorlagen sind durch //, knappere durch […], Verstrennungen durch / angezeigt.
ABKÜRZUNGEN CC CM CC SL CSEL CUF DA GCS
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HZ = LexMA = MGH =
MIÖG NA PG PL RGA2 SC SGRBT SSCI TRE
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Corpus Christianorum Continuatio Mediaeualis Corpus Christianorum Series Latina Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum Collection des Universités de France Deutsches Archiv für (Geschichte) Erforschung des Mittelalters Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten (drei) Jahrhunderte Historische Zeitschrift Lexikon des Mittelalters Monumenta Germaniae Historica AA = Auctores Antiquissimi Cap. = Capitularia Cap. 1 = Capitularia regum Francorum. Hrsg. v. Alfred Boretius. Hannover 1883 (Ndr.) Cap. 2 = Capitularia regum Francorum. Hrsg. v. Alfred Boretius, Viktor Krause. Hannover 1897 (Ndr.) Conc. = Concilia Conc. 2, 2 = Concilia aevi Karolini [819 – 842]. Hrsg. v. Albert Werminghoff. Hannover, Leipzig 1908 (Ndr.) Conc. 3 = Concilia aevi Karolini 843 – 859. Hrsg. v. Wilfried Hartmann. Hannover 1984 Epp. = Epistolae Epp. 4. Berlin 1895 (Ndr.) Epp. 5. Berlin 1899 (Ndr.) Epp. 8,1. Berlin 1939 (Ndr.) SS = Scriptores Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Migne, Patrologiae cursus completus, series Graeca Migne, Patrologiae cursus completus, series Latina Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Sources Chrétiennes Scriptorum Graecorum et Romanorum Bibliotheca Teubneriana Settimane di Studio del Centro Italiano di studi sull’alto medioevo Theologische Realenzyklopädie
QUELLEN UND LITERATUR A Quellen Editionstexte Concilium Parisiense (Zit.: CP) s. (Jonas von Orléans). Gilbert von Tournai: Eruditio regum et principum. Hrsg. v. Alphonse de Poorter. Louvain 1914 (Les Philosophes Belges. Textes et Études Bd. 9) (Zit.: Gilbert, Eruditio). Gottfried von Viterbo: Speculum regum. Hrsg. v. Georg Waitz MGH SS 22. Hannover 1872 (Ndr.), (S. 11 f.), S. 21– 93. Helinand von Froidmont: Chronicon XI, 38 (De constituendo rege). Hs. Vat. Reg. Lat. 535, p. 282 – 294; PL 212, Sp. 735 –746. Hinkmar von Reims: Ad epicopos regni admonitio altera. Pro Carolomanno rege apud Sparnacum facta. PL 125, Sp. 1007–1018 (Zit.: Hinkmar, Ad episcopos). Hinkmar von Reims: De regis persona et regio ministerio, ad Carolum Calvum regem. PL 125, Sp. 833 – 856 (Zit.: Hinkmar, De reg. pers.). Johannes von Salisbury: Policraticus sive de nugis curialium et vestigiis philosophorum libri VIII. Hrsg. v. Clemens C. I. Webb. 2 Bde. London 1909; Neuausgabe der Bücher I–IV: Ioannis Saresberiensis Policraticus I–IV. Hrsg. v. Katherine S. B. Keats-Rohan. Turnhout 1993 (CC CM 118) (Zit.: Johannes v. S., Pol.). Johannes von Viterbo: Liber de regimine civitatum. Hrsg. v. Caietano Salvemini. Bologna 1901 (Bibliotheca Iuridica Medii Aevi. – Scripta Anecdota Glossatorum vel Glossatorum aetate composita. Bd. 3), S. 215 – 280; Errata: Caietano Salvemini: Il „Liber de regimine civitatum“ di Giovanni da Viterbo. In: Giornale storico della letterarura italiana 41 (1903) S. 284 – 303; S. 289 Anm. 1. (Jonas von Orléans): CP = Concilium Parisiense (Konzil von Paris 829): MGH Conc. 2, 2, Nr. 50 S. 605 – 680. Jonas von Orléans: De institutione regia. Hrsg. v. Alain Dubreucq: Jonas d’Orléans, Le métier de roi (De institutione regia). Introduction, texte critique, traduction, notes et index. Paris 1995 (Sources Chrétiennes. Bd. 407). Sedulius Scottus: Collectaneum. Hrsg. v. Dean Simpson, François Dolbeau: Sedulii Scotti Collectaneum miscellaneum. Turnhout 1988, 1990 (CC CM 67, 67 Suppl.). Sedulius Scottus: Liber de rectoribus christianis. Hrsg. v. Siegmund Hellmann: Sedulius Scottus. München 1906 (Ndr.) (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters. Bd. 1), S. 1– 91 mit S. XI–XV. Vinzenz von Beauvais: De morali principis institutione. Hrsg. v. Robert J. Schneider. Turnhout 1995 (CC CM 137). Vinzenz von Beauvais: Speculum quadruplex sive speculum maius. Hrsg. v. Benediktinerkolleg Douai. Douai 1624 (Ndr. 1965), 1: Speculum naturale (Zit.: Vinzenz, Spec. nat.), Quellen und Literatur
Quellen und Literatur
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2: Speculum doctrinale (Zit.: Vinzenz, Spec. doct.), 4: Speculum historiale (Zit.: Vinzenz, Spec. hist.). Weitere Quellen Ambrosius: De officiis 具ministrorum典 = Saint Ambroise, Les devoirs, 2 Bde. Hrsg. v. Maurice Testard. Paris 1984/1992 (CUF) (Zit.: Ambrosius, De off. min.) (Neuausgabe: ders., Turnhout 2000 [CC SL 15]). Biblia sacra iuxta vulgatam versionem. Hrsg. v. Robert Weber, Roger Gryson. Stuttgart 41994. Capitula von Fismes s. Hinkmar von Reims: Capitula Cap. div. sent. = Capitula diversarum sententiarum pro negociis rei publice consulendis: Hs. Orléans (Jonas A), Paris BN 1632 Nouv. acq. lat., 9. Jh., fol. 78v–89v; Teileditionen: Wilmart (s. bei Lit.) S. 221– 224; Laehr-Erdmann (s. bei Lit.) S. 120 –126. Cassiodor-Epiphanius: Historia ecclesiastica tripartita. Hrsg. v. Walter Jacob, Rudolf Hanslik. Wien 1952 (CSEL 71). Cathwulf = Epistolae Variorum Carolo Magno regnante scriptae: MGH Epp. 4. Hrsg. v. Ernst Dümmler, S. 494 – 567; Ep. 7 S. 502 – 505. Catonis Disticha = Poetae Latini minores. Hrsg. v. Emil Baehrens, Bd. 3. Leipzig 1881, S. 205 – 242. CIC = Corpus Iuris Civilis, I: Institutiones, Digesta. Hrsg. v. Paul Krüger, Theodor Mommsen, (Wolfgang Kunkel). Berlin 1872 (–1954) (Ndr.) [Zit.: Inst., Dig.], II: Codex Iustinianus. Hrsg. v. Paul Krüger, (Wolfgang Kunkel). Berlin 1877 (–1954) (Ndr.) [Zit.: Cod.], III: Novellae. Hrsg. v. Rudolf Schöll, Wilhelm Kroll, (Wolfgang Kunkel). Berlin 1895 (–1954) (Ndr.) [Zit.: Nov.]. CICan: Corpus Iuris Canonici 1; 2. Hrsg. v. Aemilius (Emil) Friedberg. Leipzig 1879; 1881 (Ndr. 1959). Decretales Gregorii IX. s. CICan 2. Decretum Gratiani s. CICan 1. Fredegar: Chronicae. Hrsg. v. Bruno Krusch MGH SS rerum Merowingicarum. 2. Hannover 1888 (Ndr.) S. 1–168; Continuationes S. 168 –193. Gelasius I. s. Publizistische Sammlungen. Gilbert von Tournai: Collectio de scandalis Ecclesiae. Hrsg. v. Autpertus Stricker. In: Archivum Franciscanum Historicum 24 (1931) S. 33 – 62. Gilbert von Tournai: De modo addiscendi. Hrsg. von Enrico Bonifacio: Gilberto di Tournai. De modo addiscendi. Introduzione e testo inedito. Turin 1953 (Pubblicazioni del Pontificio Ateneo Salesiano I. – Testi e studi sul pensiero medioevale 1). Gregor d. Gr.: Moralia in Iob. Libri XI–XXII. Hrsg. v. Marc Adriaen. Turnhout 1979 (CC SL 143A); Libri XXIII–XXXV. Hrsg. v. Marc Adriaen. Turnhout 1985 (CC SL 143B) (Zit.: Gregor d. Gr., Mor.). Gregor d. Gr.: Regula pastoralis (Règle pastorale) Bd. I. Hrsg. v. Floribert Rommel, (Bruno Judic, Charles Morel). Paris 1992 (SC 381) (Zit.: Gregor d. Gr., Reg. past.). Helinand von Froidmont: Chronicon. Hs. Vat. Reg. Lat. 535. Hieronymus: Chronik = Eusebius-Hieronymus Bd. 7: Die Chronik des Hieronymus. Hrsg. v. Rudolf Helm, (Ursula Treu). Berlin 21956 (31984) (GCS 47).
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Quellen und Literatur
Hieronymus: Epistulae 1 (Ep. 1–70); 2 (Ep. 71–122). Hrsg. v. Isidor Hilberg. Wien, Leipzig 1910, 1912 (Ndr. 1961) (CSEL 54, 55) (Zit.: Hieronymus, Ep.). Hinkmar von Reims: Capitula in synodo apud S. Macram promulgata (Akten von St. Macra/Fismes [881]). PL 125, Sp. 1069 –1086. Hinkmar von Reims: De ordine palatii. Hrsg. v. Thomas Gross, Rudolf Schieffer MGH Fontes iuris Germanici antiqui in us. schol. 3. Hannover 21980 (Zit.: Hinkmar, De ord. pal.). Hinkmar von Reims: Fragment. Hrsg. v. Thomas Gross: Das unbekannte Fragment eines Briefes Hinkmars von Reims aus dem Jahre 859. In: DA 32 (1976) S. 187–192; Text S. 190 –192. Institutio Traiani. Hrsg. v. Hans Kloft. In: Hans Kloft, Max(imilian) Kerner: Die Institutio Traiani. Ein pseudo-plutarchischer Text im Mittelalter. Text – Kommentar – Zeitgeschichtlicher Hintergrund. Stuttgart 1992 (Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 14), S. 1– 92 (Zit.: Kloft, frg.); s. auch Johannes von Salisbury. Isidor von Sevilla: Etymologiae. Hrsg. v. Wallace M. Lindsay. Oxford 1911 (Ndr.) (Scriptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis); Buch IX: Hrsg. v. Marc Reydellet: Isidore de Séville, Étymologies Livre IX: Les langues et les groupes sociaux. Paris 1984 (Collection Auteurs Latins du Moyen Âge) (Zit.: Isidor, Et.). Isidor von Sevilla: Sententiae. Hrsg. v. Pierre Cazier. Turnhout 1998 (CC SL 111) (Zit.: Isidor, Sent.). Jonas von Orléans: De institutione laicali. PL 106, Sp. 121– 278 (Zit.: Jonas, DIL); Widmungsbrief auch: Hrsg. v. Ernst Dümmler MGH Epp. 5, S. 346 f. Petrus Comestor: Historia scholastica. PL 198, Sp. 1053 –1844. Proverbia Grecorum. Hrsg. v. Dean Simpson: The ,Proverbia Grecorum‘. In: Traditio 43 (1987) S. 1– 22. Pseudo-Cyprianus: De XII abusivis saeculi. Hrsg. v. Siegmund Hellmann. In: Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur. Bd. 34. Leipzig 1910, S. 32 – 60. Publilius Syrus: Sententiae (Accedunt Caecilii Balbi, Pseudosenecae, Proverbiorum, falso inter Publilianas receptae sententiae et recognitae et numeris adstructae). Hrsg. v. Otto Friedrich. Berlin 1880 (Ndr. 1964); Hrsg. v. Francesco Giancotti. Turin 1968. Publizistische Sammlungen zum Acacianischen Schisma. Hrsg. v. Eduard Schwartz. München 1934 (Abh. Ak. d. Wiss. München, Phil.-Hist. Abt. N. F. 10). Rel. ep. = Episcoporum ad Hludowicum Imperatorem relatio (829): MGH Cap. 2 Nr. 196 S. 26 – 51; s. MGH Leges 2, 2. Hrsg. v. Georg Heinrich Pertz. Hannover 1837 (Ndr.), S. 133 –139. Secretum Secretorum = Pseudo-Aristoteles, Secretum Secretorum. In: Das Briefund Memorialbuch des Albert Behaim. Hrsg. v. Thomas Frenz, Peter Herde. München 2000 (MGH Briefe des späteren Mittelalters 1), Nr. 73 S. 258 – 340, Nr. 110 S. 423 – 427; ältere Ausgabe: Secretum Secretorum cum glossis et notulis. Hrsg. v. Robert Steele: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi. Fasc. V. Oxford 1920 (Zit.: Secretum). SHA = Scriptores Historiae Augustae. Hrsg. v. Ernst Hohl, Christa Samberger, Wolfgang Seyfarth, 2 Bde. Leipzig 21965 (BSGRT) (Bd. 1: I–XVIII; Bd. 2: XIX–XXX). Smaragd von St. Mihiel: Via regia. PL 102, Sp. 931– 970.
Quellen und Literatur
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Valerius Maximus: Facta et dicta memorabilia. Hrsg. von Karl Kempf. Leipzig 1888 (Ndr. 1966) (BSGRT).
B Häufiger zitierte Literatur Anton, Hans Hubert: Anfänge säkularer Begründung von Herrschaft und Staat im Mittelalter. Historiographie, Herkunftssagen, politische Metaphorik (Institutio Traiani). In: Archiv für Kulturgeschichte 86 (2004) S. 75 –122 (Zit.: Anfänge). Anton, Hans Hubert: Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit. Bonn 1968 (Bonner historische Forschungen. Bd. 32) (Zit.: Herrscherethos). Anton, Hans Hubert: Gesellschaftsspiegel und Gesellschaftstheorie in Westfranken/ Frankreich – Spezifik, Kontinuitäten und Wandlungen. In: Specula principum S. 51–120 (Zit.: Gesellschaftsspiegel). Anton, Hans Hubert: Königsvorstelllungen bei Iren und Franken im Vergleich. In: Das frühmittelalterliche Königtum. Ideelle und religiöse Grundlagen. Hrsg. v. Franz-Reiner Erkens. Berlin, New York 2005 (RGA Erg. Bd. 49), S. 270 – 330 (Zit.: Königsvorstellungen). Anton, Hans Hubert: Pseudo-Cyprian. ,De duodecim abusivis saeculi‘ und sein Einfluß auf den Kontinent, insbesondere auf die karolingischen Fürstenspiegel. In: Die Iren und Europa im früheren Mittelalter. Hrsg. v. Heinz Löwe. Bd. 2. Stuttgart 1982, S. 568 – 617 (Zit.: Pseudo-Cyprian). Anton, Hans Hubert: Verfassungspolitik und Liturgie. Studien zu Westfranken und Lotharingien im 9. und 10. Jahrhundert. In: Hans Hubert Anton. Königtum – Kirche – Adel. Institutionen, Ideen, Räume von der Spätantike bis zum hohen Mittelalter. Hrsg. v. Burkhard Apsner, Thomas Bauer. Trier 2002, S. 253 – 292 [zuerst 1994] (Zit.: Verfassungspolitik). Anton, Hans Hubert: Zum politischen Konzept karolingischer Synoden und zur karolingischen Brüdergemeinschaft. In: Hans Hubert Anton, Königtum – Kirche – Adel. Institutionen, Ideen, Räume von der Spätantike bis zum hohen Mittelalter. Hrsg. v. Burkhard Apsner, Thomas Bauer. Trier 2002, S. 179 – 251 [zuerst 1979] (Zit.: Konzept). Berges, Wilhelm: Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters. Leipzig 1938 [Ndr. 1952] (MGH Schriften. Bd. 2). Boockmann, Friederike: Studien zum Pantheon des Gottfried von Viterbo. Teil I. Diss. phil. München 1992. Hertter, Fritz: Die Podestàliteratur Italiens im 12. und 13. Jahrhundert. Hildesheim 1910 (Ndr.) (Beiträge zur Kulturgeshichte des Mittelalters und der Renaissance. Heft 7). Laehr, Gerhard, Carl Erdmann: Ein karolingischer Konzilsbrief und der Fürstenspiegel Hincmars von Reims. In: NA 50 (1935) S. 106 –134 (Zit.: Laehr-Erdmann). Schulz, Ernst: Die Entstehungsgeschichte der Werke Gotfrids von Viterbo. In: NA 46 (1926) S. 86 –131. Salvemini, Il Liber s. Johannes von Viterbo. Senellart, Michel: Les arts de gouverner. Du regimen médiéval au concept de gouvernement. Paris 1995 (Des Travaux).
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Quellen und Literatur
Specula principum. Hrsg. v. Angela de Benedictis. Frankfurt/M. 1999 (Ius commune. Veröffentlichungen des MPI für Europäische Rechtsgeschichte. Sonderheft 117). von Moos, Peter: Geschichte als Topik. Das rhetorische Exemplum von der Antike zur Neuzeit und die historiae im „Policraticus“ Johanns von Salisbury. Hildesheim 21993 (Ordo. Studien zur Literatur und Gesellschaft der frühen Neuzeit. Bd. 2). Weber, Loren J.: The Historical Importance of Godfrey of Viterbo. In: Viator 25 (1994) S. 153 –195. Wilmart, André: L’admonition de Jonas au roi Pépin et le florilège canonique d’Orléans. In: Revue Bénédictine 45 (1933) S. 214 – 233.
A FÜRSTEN- UND KÖNIGSSPIEGEL DES KAROLINGISCHEN FRANKENREICHS
[Unterweisung Jonas, für denBischof König.]von Mahnwerk Orléans
Ed.: Dubreucq. Dortige Siglen RBA. – Kollationiert mit A CP
I
a
Ionas episcopus Aurelianensis [De institutione regia.] Admonitioa
[Dedicatio]b Domino nobilissimo, prosapia, pulchritudine atque sapientia praestantissimo, Pippino regi gloriosissimo, Ionas, minimus famulorum Christi famulus, praesentis futuraeque vitae optans beatitudinem.1 Quod tantum temporis effluxit, ex quo ignarus extiti tantae prudentiae vestrae erga regium honorem, tantae devotionis erga divinum cultum, tantae voluntatis erga divinum timorem et amorem, tantae etiam humilitatis erga sacerdotale ministerium, quam vobis nuper gratia Christi administrante inesse didici, nulli alii nisi meae adscribo hebitudini. Nec immerito, quippe cum vestrae potestati2, in cuius regno2 ortus et altus litterisque admodum imbutus comaque capitis deposita Christi militiae sum mancipatus,3 iure fideliterque debui obsecundare ei quoquomodo, utpote verendo et delitescendo potiusque subterfugiendo, propter blasphemias et obprobria atque mendatia quorumdam pravorum hominum, qui meam extremitatem apud serenitatem vestram astu diabolico, odio et invidia pleno persaepe diffamaverunt, me corpore, non animo subtraxerim,4 non attendens illud, quod Dominus in consolationem eorum, quorum vita malivolorum ore decerpitur, per Isaiam prophetam loquitur dicens: Ne timeatis obprobria hominum neque blasphemias eorum metuatis, quoniam sicut ignis, sic devorabit eos ver-
a–a
Titel des Werks: Admonitio Ionae episcopi ad Pippinum: Reichenauer Bibliothekskatalog (2. Hälfte 9. Jh.) (Lehmann, Paul: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Bd. 1. München 1918, Nr. 54 S. 265); Ionae episcopi Aurelianensis ad Pippinum regem Ludovici Pii Augusti filium admonitio et opusculum de munere regio: B von gleichzeitiger Hand; De institutione regia: d’Achéry (wie Einleitung Anm. 31), Praefatio S. 5. Jonas’ Wertung des Gesamtwerks als Admonitio: Dubreucq, Admonitio Z. 50; dazu s. ebd. Z. 34; Z. 152; Z. 159: s. S. 48, S. 50. b admonitio Ed.
1 Jonas, Bischof von Orléans [Unterweisung für den König.] Mahnwerk [Widmung] An den höchstvornehmen, durch Herkunft, Schönheit und Weisheit in besonderer Weise ausgezeichneten Herrn, den ruhmreichsten König Pippin, Jonas, niederster der Diener Christi, mit dem Wunsch für Glück des Lebens in dieser und der künftigen Welt.1 Dass so viel Zeit verging, in der ich eine solche kundige Klugheit dem königlichen Amt gegenüber, eine solche Hingabe an die Verehrung Gottes, einen solchen Eifer in Furcht und Liebe zu Gott, eine solche Demut dem Amt der Bischöfe gegenüber nicht wahrgenommen habe – was ich kürzlich mit Hilfe der Gnade Christi in Euch ausgebildet bemerkt habe –, das schreibe ich nichts anderem als meinem Stumpfsinn zu. Und das nicht ohne Grund, da ich mich Eurer Königsgewalt2, in deren Reich2 geboren, aufgewachsen und gründlich in den Wissenschaften ausgebildet ich nach Erhalt der Tonsur in den Klerikerstand eingetreten bin,3 da ich also, von Rechts wegen und mit Treue Eurer Herrschaft zur Unterstützung verpflichtet, dieser mich irgendwie physisch, doch nicht im Geiste, sondern aus Furcht und mich verbergend und untertauchend entzogen habe;4 ich tat dies wegen der Schmähungen, Anwürfe und Lügen gewisser niederträchtiger Menschen, die meine Niedrigkeit mit teuflischer, von Hass und Neid getränkter Intrige bei Euch immer wieder diffamiert haben;4 ich vertraute dabei nicht auf das Wort, das der Herr zum Trost jener, deren Leben durch die Zunge Übelwollender zerpflückt wird, durch den Propheten Jesaja sagt: Fürchtet nicht die Anwürfe und Schmähungen der Menschen, denn wie Feuer wird sie der Wurm auffressen und wie das Kleid wird die Motte sie zerfressen. Meine Heilszusage 1 Gegenüberstellung von hohem Empfänger und niederem Zueigner entsprechend der Exordialtopik in Briefen und in der Widmung von Werken. 2 Die Ausdrücke potestas (Königsgewalt, Herrschaft) und regnum (Königreich) sind Komplementärbegriffe für die inhaltliche und die räumliche Komponente einer institutionalisierten Herrschaftsverfasstheit im (Unter)Königreich Aquitanien. 3 Militia Christi wohl für den Klerikerstand, nicht nur die Mönche, im Gegensatz zu den Laien, der militia saecularis. Durch die Tonsur ist Jonas förmlich dem geistlichen Stand übereignet (mancipatus). 4 Jonas bezieht sich auf seine Flucht aus seinem Heimatland, dem Königreich Aquitanien, 817.
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Jonas, Bischof von Orléans
mis, et sicut vestimentum, sic comedet eos tinea. Salus autem mea in sempiternum erit et iustitia mea in generationes generationum5. Non igitur praesumerem vestrae quippiam celsitudini admonitionis6 gratia scribere, nisi fretus extitissem de vestra cernua sublimitate et experimento didicissem ea, quae ad amorem et timorem Dei animarumque salutem pertinent, vos ferventer velle discere et libenter audire; quoniam memores illius sententiae, qua dicitur: Qui obdurat aurem suam, ne audiat legem, oratio eius execrabilis erit7, regium fastum deponitis creatorique vestro famulatum8 exhibetis et ad eius salutifera praecepta 9aurem cordis9 et corporis subponitis. Licet enim illo donante, a quo 10est omne datum optimum et omne donum perfectum10, quid vobis agendum quidve cavendum11 sit, adprime noveritis et ad id exsequendum plurimos famulatores Christi consultores in promptu habeatis, tamen, quia pars illorum fidelissima existoc et illorum collegio me adscisco et deinceps totis nisibus adscisci exopto, non absurdum debet videri nec subsicivum haberi exiguum admonitionis munusculum, quod ex modico pectoris mei thesauro vobis, domino meo, porrigere praesumo. Proinde, mi domine rex serenissime, officii mei memor et salutis vestrae, quam plurimum cupio, fidelis atque indissimulatus debitor existens moneo humiliter celsitudinem vestram, ut sedulo perpendatis, qualiter tempora mundi perpete cursu praeterlabantur et quod eius gaudia omnibus mortalibus luctu finiantur, seu quod honor et amor illius, pompa atque dulcedo omnibus amaritudinem generet; necnon et illud, quod omnis filius Adam vermis sit et putredo et quod, secundum illud, quod voce dominica primo pa-
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ex isto Ed.
[Unterweisung für den König.] Mahnwerk
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wird in Ewigkeit Bestand haben und meine Gerechtigkeit von Generation zu Generation.5 Ich hätte mich aber nicht vermessen, Eurer Erhabenheit irgendetwas zum Zweck der Ermahnung6 zu schreiben, wenn ich nicht Vertrauen gefasst hätte in Eure feine und großartige Gesinnung und wenn ich nicht bemerkt hätte, dass Ihr das, was zu Gottesliebe, Gottesfurcht und zum Heil der Seelen gehört, immer wieder mit Begier erfahren und gern hören wollt; denn eingedenk des Satzes, in dem es heißt: Wer sein Ohr verhärtet, damit er das Gesetz nicht höre, dessen Rede wird verflucht sein,7 verzichtet Ihr auf königlichen Hochmut, erweist Eurem Schöpfer Eure Dienergesinnung8 und leiht dessen heilbringenden Vorschriften das 9Ohr des Herzens9 und des Körpers. Obwohl Ihr durch das Geschenk dessen, von dem 10jedes Geschenk das beste und jedes Geschenk das vollkommene ist10, vornehmlich wisst, was Ihr zu tun und was Ihr zu meiden habt,11 und obwohl Ihr zur Ausführung sehr viele Dienstträger Christi als Berater zur Hand habt, darf doch – da ich ein getreuester Teil derer bin und deren Kreis mich zugeselle und in Zukunft mit aller Kraft wünsche, in ihn aufgenommen zu werden – dieses kleine Geschenk der Ermahnung nicht als sinnlos und nachrangig gewertet werden, das ich aus dem bescheidenen Schatz meines Herzens Euch, meinem Herrn, darzureichen mich unterstehe. Deshalb, mein Herr und erhabenster König, eingedenk meiner Pflicht und Eures Heils, um das ich vor allem besorgt bin, mahne ich in aller untertänigen Ehrfurcht Eure Erhabenheit, inständig zu bedenken, in welch beständigem Lauf die Zeiten der Welt vorbeigleiten und dass ihre Freuden für alle Sterblichen in Trauer enden; weiterhin, dass die Ehre, die sie gibt, und die Liebe, mit der man an ihr hängt, dass ihr Pomp und ihre Süßigkeit allen Bitternis bereiten; schließlich auch die Tatsache, dass jedes Kind Adams Gewürm und Fäulnis ist und dass es gemäß dem göttlichen Wort, das unserem ersten Vorfahren gesagt ist, Staub ist und schnell zu Staub zurückkehren 5
Vgl. Is 51, 7– 8. Zu admonitio – Ermahnung s. die Parallelen (s. Anm. a) und die Auswertung in der Einleitung S. 14. Gemeint ist der einleitende Teil wie auch das Werk selbst. 7 Vgl. Prov 28, 9, hier mit Wortübernahme obdurat aus Deut 15, 7. 8 Famula potestas bei Augustinus, De civ. Dei V, 24. Jonas zeigt Vertrautheit mit Augustins Konzept der Herrschaft im Dienst der göttlichen Majestät zur Ausbreitung des wahren Glaubens. Er bildet Substantiv und Adjektiv famulatus, s. Schlusskap. 17 Anm. 150. 9–9 Regula Benedicti = Benedicti Regula. Hrsg. v. Rudolf Hanslik. Wien 21977 (CSEL 75) Prolog 1 S. 1. 10–10 Iac 1, 17. 11 Quid agendum quidve cavendum umschreibt für Jonas Wesensmerkmale eines Herrscherspiegels, vgl. c. 3 (S. 69) mit Anm. 63. 6
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renti nostro dicitur, pulvis sit et in pulverem cito redigatur12, unde scribit quidam: Brachia non retrahunt fortes nec purpura reges, / Sed quicumque venit pulvere, pulvis erit13. … Hiis ita per accessum exsecutis 14ad te14, rex bone, rex pulcherrime, specialiter sermo14 mediocritatis meae rursus dirigitur14. Obsecro itaque et per Dominum supplico, ut ea, quae paulo supra generaliter dicta sunt,15 vestra excellentia specialiter sibi adsumere dignetur. Humiliter etiam vestrae mansuetudini suggero, ut Dominum Deum tuum16, sicut se diligendum cultoribus suis praecepit, ex toto videlicet corde, ex tota anima et ex tota virtute semper diligas16 17eiusque amori nihil praeponas17. Porro quod 18proximum vestrum sicut vosmetipsos diligere18 debeatis, admonitione mea non indigetis, quia igitur, quantum orthodoxum19 virum piumque19 Caesarem19, dominum nostrum, genitorem vestrum, dilexeritis eique in omnibus fideliter et humiliter subiecti fueritis eiusque dehonorationem20 aegre tuleritis, omnibus nobiliter, immo memorabiliter manifestastis. Internis enim precibus Deum exoro vosque humiliter admoneo, ut semper in eadem dilectione sincerissime Domino vobis opem ferente permaneatis et nullatenus vos, qualibet occasione aut cuiuslibet hortatu, ab eius amore disiungatis neque eum in aliquo contristetis,21 quia testante Scriptura Divina
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wird,12 was ein Dichter aufnimmt in den Versen: Nicht ihre Arme halten die Starken, nicht Purpur den König. / Jeder, der kommt aus dem Staub, Staub wird wieder er sein.13 … Nach dieser allgemeinen Ausführung soll die Rede14 meiner Niedrigkeit in besonderer Weise 14an Dich,14 guter König, wohlgestalteter König, als König jetzt 14gerichtet sein.14 Eindringlich bitte und beschwöre ich daher Eure Erhabenheit, das, was kurz zuvor in allgemeiner Wendung gesagt worden ist,15 speziell auf sich anzuwenden. Untertänig lege ich Eurer Milde ans Herz, dass Du Deinen Herrn und Gott16, wie er selbst seinen Verehrern vorschrieb, ihn zu lieben, aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus ganzer Kraft immer liebst16 und 17der Liebe zu ihm nichts vorziehst17. Dass Ihr 18 Euren Nächsten wie Euch selbst lieben18 sollt, dazu bedürft Ihr nicht meines erinnernden Hinweises. Denn Ihr habt allen in vornehmer, ja erinnerungswürdiger Form manifestiert, wie sehr Ihr den rechtgläubigen19 Herrn, den frommen19 Caesar19, unseren Gebieter, Euren Vater, liebt und ihm in allem treu und gehorsam ergeben gewesen seid und seine Entehrung und Absetzung20 schmerzvoll empfunden habt. Mit aus meinem Inneren kommenden Bitten flehe ich Gott an und mahne Euch ehrerbietig, dass Ihr immer entschiedenst mit Hilfe Gottes in derselben Liebe zu Eurem Vater bleibt und Euch durch keinen Anlass und auf keine Anstiftung hin von dieser Liebe trennt oder ihn in irgendeiner Weise betrübt;21 die Heilige Schrift schreibt nämlich unter anderem, was sie zur Liebe 12
Vgl. Gen 3, 19. Venantius Fortunatus: Venance Fortunat: Poèmes. Bd. 3. Hrsg. v. Marc Reydellet. Paris 2004 (CUF), IX, 2, 47 f. 14–14 Vgl. Regula Benedicti (wie Anm. 9) Prolog 3 S. 1. 15 Bezug auf hier ausgelassenen Text. 16 Deut 6, 5; zur Vermittlerquelle s. Anm. 18; weitere Vermittlerquelle 1 Cor 2, 9 (im hier ausgelassenen Text). 17–17 Vgl. Regula Benedicti (wie Anm. 9) IV, 21 S. 33; zur Vermittlerquelle s. Anm. 18. 18–18 Vgl. Matth 22, 39. Der Zusammenhang ab dem Deuteronomiumzitat nach Smaragd Sp. 935C. 19 Orthodoxus, pius und Caesar kommen Kaiser Ludwig dem Frommen als Epithete und Bezeichnungen zu: Übernahmen aus dem byzantinischen Kaiserprotokoll und Kaiserrecht seit der Wiederbegründung des Kaisertums im Westen durch Karl d. Gr. im Jahr 800. 20 Dehonoratio ist wohl auf die Absetzung Ludwigs des Frommen Anfang 830 bezogen. Das gelobte positive Verhalten Pippins meint wohl die Aussöhnung Pippins und seines Bruders, Ludwigs des Deutschen, mit dem Vater im Sommer des Jahres; s. Dubreucq S. 45 – 49. 21 Angespielt ist wohl auf die Tatsache, dass Pippin im Herbst 831 sich gerade ge13
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inter caetera, quibus de patre diligendo et amando filium instruit, hoc iubet, ut filius incontristet patrem in vita sua22. Quantum denique pater a filio diligi et honorari debeat, Dominus specialiter demonstrat, cum in prima tabula de cultu et dilectione sua mandata dedisset, in secunda primum praeceptum de patre honorando dedit, ita inquiens: Honora patrem tuum et matrem, ut sis longaevus super terram, quam Dominus Deus tuus daturus est tibi23. Multa quidem sunt legalia et evangelica atque apostolica a Domino promulgata praecepta,24 quibus pater a filio diligi et honorari praecepitur, quae, quia vestrae sapientiae nota sunt, idcirco omittuntur hic. Pro certo autem sciendum est, quia quisquis patrem honorat Deum, qui omnium pater est, honorat, et qui eum dehonorat, illi proculdubio iniuriam ingerit, quia omnium pater est et a filiis patrem honorandum sancit. Quid vero dispendii, quid malorum, quid moeroris, quid oppressionis, quidve miseriarum simultates et discordiae, quae praeterito anno, sicut vestra excellentia novit, emerserunt, populo Dei inflixerunt, regnum hoc miserabiliter expertum est, et tripudium diabolo suisque membris magnum factum est.25 Sed quia, ut credo, Dominus servorum suorum precibus pulsatus et patri vestro propter sua pia religiosaque facta vobisque et fratribus vestris, dominis nostris, propter mutuam dilectionem firmandam evidenter propitius factus, ne sanguis populi Christiani vobis commissi, quem diabolus plurimum sitiebat, civiliter et 26plus quam civiliter26 funderetur, bellum, quod astu diabolico intentabatur, avertit, oportet, immo necesse est, ut vos et fratres vestri, eriles nostri, mutua dilectione indissolubiliter consistatis patrique vestro
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zum Vater ausführt, dem Sohn vor: Der Sohn soll seinen Vater im Leben nicht betrüben.22 Wie sehr der Vater vom Sohn geliebt und geehrt werden muss, stellt der Herr in besonderer Weise vor: Nachdem er auf der ersten Tafel die Gebote, die seine Verehrung und die Liebe zu ihm betreffen, gegeben hatte, gab er auf der zweiten als erste Vorschrift, seinen Vater zu ehren, mit den Worten: Ehre Vater und Mutter, dass Du lange in dem Land leben mögest, das der Herr Dein Gott Dir geben wird.23 Es gibt in der Tat viele Anordnungen des Gesetzes, der Evangelien und der Apostel vom Herrn kundgemacht,24 in denen dem Sohn Liebe und Verehrung für den Vater vorgeschrieben wird, die hier weggelassen werden, da sie Eurer Weisheit bekannt sind. Mit Sicherheit kann man wissen, dass wer immer seinen Vater ehrt, Gott ehrt, der der Vater aller ist, und wer seinen Vater verunehrt, fügt dem ohne Zweifel Unehre zu, der der Vater aller ist und der für die Söhne festsetzt, ihren Vater zu ehren. Was an Schaden, was an Übeln, was an Trauer, was an Bedrückung, was an Elend die Feindseligkeiten und Zwietrachten, die im vorigen Jahr, wie Eure Erhabenheit weiß, ausbrachen, dem Volk Gottes zugefügt haben, hat dies Reich in erbarmungswürdiger Weise erfahren, und ein bacchanalisches Freudenfest ist dem Teufel und seinen Gliedern bereitet worden.25 Doch, wie ich glaube, hat Gott, offensichtlich bewegt durch die Gebete seiner Diener und gnädig gestimmt Eurem Vater gegenüber wegen seiner frommen und wohlgefälligen Taten und auch Euch und Euren Brüdern gegenüber, unseren Herren, wegen der Bekräftigung Eurer gegenseitigen Liebe, damit nicht das Blut des Euch anvertrauten christlichen Volkes, nach dem es den Teufel gierigst dürstete, in einem Bürgerkrieg und 26mehr als in einem Bürgerkrieg26 vergossen würde, den Krieg, den anzuzetteln in teuflischer Intrige versucht wurde, abgewendet; daher ist es angebracht, ja es ist dringend nötig, dass Ihr und Eure Brüder, unsere Lehensherren, unaufhörlich in gegenseitiger Liebe bleibt und Eurem Vater gemäß der dem Vater zuweigert hatte, an einer von seinem Vater nach Thionville/Diedenhofen berufenen Reichsversammlung teilzunehmen. 22 Vgl. Ecli 3, 14. 23 Ex 20, 12 und Deut 5, 16. 24 Legalia praecepta meint hier wohl die Gebote in den Büchern des Pentateuch (Deut, Ex). 25 Angespielt ist auf den Aufstand der Söhne gegen Ludwig d. Fr. 830. Wie nach der kirchlichen Sicht die Kirche einen Körper mit Gliedern darstellt, so ist als Gegenbild der Teufel mit seiner Körperschaft vorgestellt; s. CP l. 2 c. 2 S. 610. – Vielleicht Anklang an einen Text, der auch Johannes von Salisbury (Pol. VIII, 17 S. 348 – Kloft, frg. XVI S. 30) vorgelegen haben kann und von ihm als Pendant zum positiv gewerteten Staatskörper vorgestellt ist. 26– 26 Lukan I, 1.
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iuxta paternam reverentiam27 et divinam ordinationem atque praeceptionem unanimiter congruam subiectionem27 impendatis et debitum honorem conservetis et indissimulatum amorem exhibeatis, qualiter illo vobisque iure ei parentibus temporaliter principante28 et populus vobis commissus quiete et pacifice vivere et vos pro officio vobis a Deo commisso strenue fideliterque administrato cum Christo in perpetuum feliciter mereamini regnare. Quatuor itaque extant, domine mi rex, quae dictu brevia, actu vero Christi gratia adiuvante facilia et observantibus valde proficua, quae a vestra sollertia et libenter audiri et inhianter cupio adimpleri. … Restant praeterea plura, quae vestrae celsitudini caritate dictante scribenda forent, ni veritus fuissem et modum epistolarem excedere et vestrae dignationi quoquomodo oneri esse. Quae quia hic praetermittuntur, in sequentibus ex oraculis divinis et sanctorum patrum dictis congesta capitulatim ponuntur.29 Quae si legere aut ab alio vobis Domino adminiculante legi volueritis, quantum profutura fient, satis dici non potest. Sancta et individua Trinitas te, bone rex, interius exteriusque custodiat et
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kommenden Ehrerbietung27 und gemäß göttlicher Anordnung und Vorschrift völlig einmütig die geziemende Unterordnung27 entgegenbringt, ihm die geschuldete Ehre bewahrt und ungeheuchelte Liebe erweist. Dies soll so geschehen, damit, während jener die Oberherrschaft in dieser Zeitlichkeit führt und Ihr ihm von Rechts wegen gehorcht,28 das Euch anvertraute Volk in Ruhe und Frieden leben kann und Ihr für die treue und gewissenhafte Verwaltung des Euch von Gott anvertrauten Amtes mit Christus in Ewigkeit glücklich zu regieren verdient. Vier Punkte, mein Herr König, ergeben sich, die schnell zu sagen, mit Christi Hilfe leicht zu tun und von großem Nutzen für die sie Beachtenden sind; ich wünsche mir, dass sie von Euch mit großer Sorgfalt gern gehört und mit Ungeduld ausgeführt werden. Ausgeführt werden die vier Punkte, die zum größten Teil in der Schrift „De institutione laicali“ vorgestellt sind, also zur Profilierung des Laienethos gehören: 1. Sorge für das eigene Seelenheil und daraus resultierende gute Werke. 2. Tägliches Sündenbekenntnis vor Gott außer an Tagen des formalen Bekenntnisses vor dem Priester. 3. Tägliches Bedenken des eigenen Todes. 4. Tägliches Bedenken des letzten Gerichtes.
Es gibt noch viele andere Dinge, die die christliche Liebesgesinnung mir aufgetragen hätte, Eurer Hoheit zu schreiben, hätte ich nicht gefürchtet, das Maß eines Briefes zu überschreiten und Eurem Rang irgendwie lästig zu werden. Da diese Punkte hier ausgelassen werden, werden sie im Folgenden, zusammengestellt aus Kundmachungen Gottes und aus Sätzen der heiligen Väter, kapitelweise vorgelegt.29 Wenn Ihr sie unter dem Beistand Gottes lesen oder Euch von einem anderen vorlesen lassen wollt, kann nicht annähernd gesagt werden, wie nützlich sie Euch sein werden. Die heilige und ungeteilte Dreieinigkeit behüte Dich, guter König, innerlich und äußerlich, sie schütze und verteidige Dich vor den Nachstellungen
27
Vielleicht Rückgriff (wie schon oben vor Anm. 23) auf die (spätantike) Institutio Traiani: Johannes v. S., Pol. V, 3 S. 284 f. – Kloft, frg. III S. 13 f. Zu einer weiteren Spur zu diesem Text, die in der Karolingerzeit zu fassen ist: Anton, Anfänge S. 120 f. mit Anm. 104. 28 Principari ist mit Bezug auf die zeitlich befristete irdische Herrschaft gesetzt CP l. 2 c. 5 S. 655. Der seltene Begriff ist hier wohl für die Oberherrschaft des kaiserlichen Princeps und Vaters über die Söhne-Könige gesetzt. Die beiden Pole temporaliter / in perpetuum feliciter verdeutlichen die metaphysische Folie der Vorstellungen, der Gehorsam iure zeigt die profan-verfassungsmäßige Rechtsbasis. Zu temporaliter regnare / imperare s. CP l. 2 c. 1 S. 649, c. 5 S. 655. 29 Der Zusammenhang zwischen beiden Teilen des Werkes ist hier klar bezeichnet.
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ab hostium visibilium et invisibilium insidiis muniat atque defendat et post hanc peregrinationem sanctorum regum consortem efficiat.30 I.31 dQuod ecclesia corpus Christi sit,32 et in ea duae sint principaliter eximiae personae,33 et quod pro regibus sacerdotes Deo sint rationem redditurid. Sciendum omnibus fidelibus34 est, quia universalis ecclesia corpus est Christi et eius caput isdem est Christus,34 et in ea duae principaliter extant eximiae personae, esacerdotalis videlicet et regalis, tantoque est praestantiore sacerdotalis, quanto pro ipsis regibus Deo est rationem redditura.35 Unde
d–d
RB (entsprechend Initium, s. Dubreucq S. 172); quod ecclesia catholica corpus … reddituri A. In CP aufgeteilt: Quod universalis sancta Dei ecclesia unum corpus eiusque caput Christus sit CP c. 2 S. 610; Quod eiusdem ecclesiae corpus in duabus principaliter dividatur eximiis personis c. 3 S. 610. e–e Fehlt R.
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der sichtbaren und der unsichtbaren Feinde, und nach dieser irdischen Pilgerschaft lasse sie Dich der Gemeinschaft mit den heiligen Königen teilhaftig werden.30 1.31 Die christliche Gemeinschaft ist Leib Christi,32 in ihr gibt es zwei grundsätzlich herausgehobene Ränge,33 die Bischöfe müssen Gott für die Könige Rechenschaft ablegen. Alle Gläubigen/Untertanen34 müssen wissen, dass die gesamte christliche Gemeinschaft Leib Christi ist, dass Christus selbst ihr Haupt ist34 und dass in ihr zwei grundsätzlich herausgehobene Ränge bestehen, die Ordnungsmacht der Bischöfe und die der Könige, und dass die der Bischöfe umso mehr hervorragt, als sie für die Könige Gott Rechenschaft geben wird.35 Da30 Eine ähnliche Wendung findet sich im Konzilsbrief der Aachener Synode von 836 an König Pippin. Jonas ist Redaktor der Akten und des Briefes: MGH Conc. 2 Nr. 56 S. 704 –724, S. 724 –767, hier S. 767. Die heiligen Könige sind vorbildliche Herrscher aus dem Alten Testament und aus der spätantiken christlichen Kaisergeschichte. 31 Extrakte mit charakteristischen Änderungen aus den Akten des CP; hier c. 2 und 3 S. 610 f. Durch die Änderungen akzentuiert Jonas gegenüber dem noch stark ekklesiologisch strukturierten Ausgangstext den politisch-gesellschaftlichen Charakter der Aussage; s. Anton, Herrscherethos S. 216 – 218. 32 Zu dem Rubrum in den Akten des CP s. Anm. d. Die Übersetzung wird außer durch die erwähnte Akzentuierung des Kapitels gegenüber der Vorlage durch die Parallelüberschrift gedeckt, s. weiter Anm. 34. 33 Übernommen aus CP, s. Anm. d. Personae für die beiden Ränge ist von Augustin mit Blick auf Königtum und Priestertum im Alten Testament verwandt: Augustinus: Liber de diversis quaestionibus LXXXIII. Hrsg. v. Almut Mutzenbecher. Turnhout 1975 (CC SL 44A), quaest. LXI, 2, 48 f. S. 121 f. 34– 34 Im Text des CP, Praefatio c. 2 S. 610 sind die verwandten Pauluszitate (1 Cor 12, 27; Rom 12, 4; Col 2, 19; Eph 4, 15; 5, 23) zunächst als Belege für den mystischen Leib Christi gesetzt. Das nächste Kapitel über die Aufteilung unter Bischöfe und Könige bringt die politisch-gesellschaftliche Wertung; s. Anton, Konzept S. 183 –185; ders., Gesellschaftsspiegel S. 58 f. Nuancierende Ansätze zu dieser Sicht bei I, Saecularis potestas (wie Einleitung Anm. 5) S. 441– 446; s. nun auch bei Struve, Tilman: Staat und Gesellschaft im Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze. Berlin 2004 (Historische Forschungen. Bd. 80), S. 2 sowie von Moos: „Öffentlich“ (wie Einleitung Anm. 76) S. 73 f. Im obigen Text ist der politische Zusammenhang unvermittelter. Daher ist ecclesia mit „christliche Gemeinschaft“ übersetzt, fideles mit „Gläubige/Untertanen“. Zur kirchlichen und zur weltlichen Tradition der Vorstellung vom Organismus s. Anton, Anfänge. 35 Gegenüber den Vorlagen (Gelasius, CP) ist der Akzent zum geistlichen Vorrang verschoben.
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Gelasius Romanae ecclesiae venerabilis pontifex ad Anastasium imperatorem scribens: Duae sunt, inquit, imperatrices augustae, quibus principaliter hic regitur mundus, auctoritas sacra pontificum et regalis potestas. In quibus tanto est gravius pondus sacerdotum, quanto etiam pro ipsis regibus hominum in divino sunt examine rationem reddituri36. Fulgentius quoque in libro de veritate praedestinationis et gratiae ita scribit: Quantum pertinet ad huius temporis vitam, […] in ecclesia nemo pontifice potior et in saeculo Christiano imperatore nemo celsior invenitur37. Quia ergo tantae auctoritatis, immo tanti discriminis est ministerium sacerdotum, ut de ipsis etiam regibus Deo sint rationem reddituri, oportet, immo necesse est, ut de vestra salute semper simus solliciti vosque, ne a voluntate Dei, quod absit, aut a ministerio38, quod vobis commisit, erretis, vigilanter admoneamus. Et si, quod absit, ab eo aliquomodo exorbitaveritis, pontificali studio humiliter admonendo et salubriter procurando oportunum consultum saluti vestrae conferamus, ut non de silentio taciturnitatis nostrae damnemur, sed magis de sollertissima cura et admonitione salutifera remunerari a Christo mereamur. II.39 De potestate et auctoritate sacerdotali. Quod potestas et auctoritas solvendi et ligandi sacerdotibus, id est successoribus apostolorum, a Christo sit adtributa, evangelica patenter declarat
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her schrieb Gelasius, ehrwürdiger Bischof der römischen Kirche, an Kaiser Anastasius: Es gibt zwei kaisergleich erhabene Würden, durch die diese Welt in letztem Grund regiert wird, die heilige Autorität der Bischöfe und die königliche Macht. Das Gewicht und die Verantwortung der Bischöfe ist um so viel schwerer, als sie auch für die Könige der Menschen im Jüngsten Gericht werden Rechenschaft abzulegen haben.36 Fulgentius schreibt in seinem Werk „Wahrheit von Vorherbestimmung und Gnade“: Was dieses Leben betrifft, so ist in der Kirche niemand wichtiger als der Bischof, in der Welt niemand erhabener als der christliche Kaiser.37 Da demnach das Amt der Bischöfe solche Autorität, ja solchen Entscheidungsvorrang hat, dass sie sogar für die Herrscher der Menschen Rechenschaft ablegen werden, ist es angebracht, ja nötig, dass wir stets um Euer Heil besorgt sind und Euch in beständiger Wachsamkeit mahnen, nicht vom Willen Gottes, was fern sein möge, noch von dem Amt38, das er Euch anvertraut hat, abzuirren. Und wenn Ihr, was auch fern sein möge, von ihm auf irgendeine Weise abgewichen sein solltet, wollen wir, mit bischöflichem Eifer demütig mahnend und heilsam eingreifend, die für Eure Rettung nötige Maßregel vorlegen, damit wir nicht wegen unseres Schweigens und Verschweigens verdammt werden, sondern wegen unserer äußersten Sorge und unserer heilsfördernden Ermahnung von Christus belohnt zu werden verdienen. 2.39 Macht und Autorität der Bischöfe. Dass die Gewalt und die Vollmacht zu lösen und zu binden den Bischöfen, das heißt den Nachfolgern der Apostel, von Christus übertragen worden ist, das macht die Lektüre der Evangelien deutlich, was Ihr auch in der 36 Gelasius I.: Ep. 12 (JK 632): Publizistische Sammlungen S. 19 – 24, S. 20. Zur Problematik von auctoritas und potestas bei Gelasius s. Anton, Konzept S. 179 –182. Hatte Gelasius mit der Formulierung Duo quippe sunt, imperator auguste, quibus … regitur eine zusammenführende begriffliche Fassung der beiden Ordnungsgrößen in der Schwebe gelassen, so ist die hier aufgenommene Diktion des CP (c. 3 S. 610), nach der die beiden Gewalten imperatrices augustae – „erhabene Kaiserinnen“ sind, deutlich: Ein theologisch-politischer Dualismus ist forciert. Zur Brisanz der Verwertung von Gelasius: Anton, Konzept S. 183 –185. 37 Fulgentius von Ruspe: De veritate praedestinationis et gratiae Dei. Hrsg. v. Jean Fraipont: S. Fulgentii Opera Bd. 2. Turnhout 1968 (CC SL 91A), S. 458 – 548; II, 39 S. 516. Das Zitat bekräftigt den Dualismus wesentlich. 38 Zur Vorstellung von der Herrschaft als eines von Gott verliehenen Dienst-Amtes s. Anm. 83. 39 Auszüge aus Akten des CP: l. 3 c. 8 S. 673 (vgl. auch Jonas, DIL II, 20 – 21, S p . 209 – 212).
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lectio, quod et vestrae sapientiae non ignorat plenitudo. Unde excellentiam vestram suppliciter convenimus, ut per vos proceres ceterique fideles vestri nomen, potestatem, vigorem fet auctoritatemf atque dignitatem sacerdotalem cognoscant, ne eam ignorantes animarum quoquomodo suarum periculum subeant. Qualis igitur sit potestas et auctoritas sacerdotalis, ex verbis Domini facile animadvertitur, quibus beato Petro, cuius vicem indigni gerimus, ait: Quodcumque ligaveris super terram, erit ligatum et in caelo, et quodcumque solveris super terram, erit solutum et in caelis40. Et alibi gdiscipulis generaliter dicitur: Quaecumque ligaveritis super terram, erunt ligata et in caelis, et quaecumque solveritis super terram, erunt soluta et in caelis41. Et alibig: Accipite Spiritum Sanctum: quorum remiseritis peccata, remittuntur eis, et quorum retinueritis, retenta sunt42. Et multa his similia, quae textus evangelicus uberius evidenter depromit. Illud quoque ad memoriam, immo ad exemplum eis reducendum est, quod in ecclesiastica historia Constantinus imperator episcopis ait: 43„Deus constituit vos sacerdotes et potestatem dedit de nobis quoque iudicandi, et ideo nos a vobis recte iudicamur. Vos autem non potestis ab hominibus iudicari. Propter quod Dei solius inter vos expectate iudicium, ut vestra iurgia, quaecumque sunt, ad illum divinum reserventur examen. Vos etenim nobis a Deo dati estis dii, et conveniens non est, ut homo iudicet deos, sed ille solus, de quo scriptum est: ,Deus stetit in sinagoga deorum, in medio autem deos diiudicat‘44“43. Licet enim sacerdotes moderno tempore in multis sint neglegentes, non
f–f
Fehlt A. Dubreucq S. 181 erklärt dies von Ludwig d. Fr. als Empfänger von A her. A bietet die Normalfassung: s. auch CP Anhang c. 8 S. 673 = Rel. ep. S. 35 f. g–g Fehlt A.
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Fülle Eurer Weisheit ganz sicher wisst. Deshalb wenden wir uns inständig an Euch, dass durch Euch Eure Großen und Eure übrigen Getreuen Namen, Macht, Kraft, Autorität und Würde der Bischöfe voll zu würdigen lernen, damit sie nicht in Unkenntnis dieser Gegebenheiten irgendwie Gefahr für ihr Seelenheil laufen. Wie beschaffen Gewalt und Vollmacht der Bischöfe ist, ist leicht aus den Worten des Herrn zu erkennen, die er dem heiligen Petrus sagte, dessen unwürdige Nachfolger wir sind: Was immer Du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und was immer Du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein.40 An anderer Stelle sagt er seinen Jüngern allgemein: Alles, was Ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was Ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein.41 Wieder an anderer Stelle: Empfangt den Heiligen Geist: Welchen Ihr die Sünden nachlasset, denen sind sie nachgelassen, und denen Ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.42 Es gibt noch viele diesen Worten vergleichbare, die die Evangelien in reicher Zahl und in aller Klarheit darbieten. Jenes Wort aber muss ihnen zur Erinnerung, ja zum Vorbild vor Augen geführt werden, das in der „Kirchengeschichte“ Kaiser Konstantin den Bischöfen sagt: 43„Gott hat Euch als Bischöfe eingesetzt und Euch die Macht gegeben, auch über uns zu richten, mit Recht werden wir daher von Euch gerichtet. Ihr aber könnt nicht von Menschen gerichtet werden, deshalb erwartet unter Euch allein das Urteil Gottes, in der Weise, dass Eure Streitsachen, welche immer es sein mögen, dem göttlichen Urteil vorbehalten werden. Ihr nämlich seid uns von Gott als Götter gegeben worden, und es geht nicht an, dass der Mensch über Götter richte, sondern der allein, von dem geschrieben ist: ,Gott stand in der Versammlung der Götter, in ihrer Mitte richtet er Götter‘44“.43 Obwohl die Bischöfe in der Gegenwart in vielen Dingen saumselig sind,
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Matth 16, 19. Die Bischöfe als Nachfolger und Stellvertreter des Apostels Petrus: Anton, Konzept S. 191 f. (mit Lit.). 41 Matth 18, 18. 42 Io 20, 22 – 23. 43– 43 (Eusebius-)Rufinus: Historia ecclesiastica. Hrsg. v. Eduard Schwartz, Theodor Mommsen, (Friedhelm Winkelmann). Berlin, Leipzig 1903 –1909 (1999) (GCS N. F. 6, 2), X, 2 S. 961; s. bei Jonas, DIL II, 20 Sp. 210C/D; dazu s. Jegen, Mary Evelyn: Jonas of Orléans (c. 780 – 843): His Pastoral Writings and their Social Significance. Ann Arbor, Michigan 1967, S. 179 f. Belege für die häufige Benutzung des angeblichen Konstantinwortes zur Bekräftigung des kirchlichen Autonomieanspruchs im 9. Jh.: Anton, Herrscherethos S. 442. 44 Ps 81, 1.
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sunt tamen vituperandi45 ac despiciendi, sed propter illum, cuius ministerium45 gerunt, audiendi et congruo honore venerandi. Post apostolos enim ad ipsos haec Domini sententia dirigitur: Qui vos audit, me audit, et qui vos spernit, me spernit46. Adtendendum, quod Christi sacerdotum spretio ad iniuriam Christi pertineat; plura sunt quippe legalia et evangelica praecepta, quibus sacerdotibus obtemperari debere praecipitur. Qualis porro vita et actio sacerdotum esse debeat, quales ipsi esse, qualiter ad culmen regiminis venire,47 qualiter vivere, qualiter subiectos dictis et exemplis debeant docere, alibi a sanctis et venerabilibus doctoribus satis expressum est.48 Hic autem de regibus, quorum saluti ministerium sacerdotum solerter prospicere quorumque armis et protectione ecclesia Christi debet tueri, prosequendum est. III.49 Quid sit rex, quid esse quidve debeat cavere. 50 Rex a recte regendoh vocatur50. Si enim pie et iuste et misericorditer regit, 50merito rex appellatur; si his caruerit, nomen regis amittit50. iAntiqui autem omnes reges tyrannos vocabant.51 Sed postea pie et iuste et misericordi-
h i–i
agendo A, CP l. 2 c. 1 S. 649 (auch Rel. ep. S. 46). Fehlt A.
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dürfen sie nicht getadelt45 und gering geachtet werden, sondern um dessentwillen, dessen Amt45 sie führen, müssen sie gehört und mit der ihnen zukommenden Hochschätzung geehrt werden. Nach den Aposteln ist auf sie das folgende Wort des Herrn gemünzt: Wer Euch hört, hört mich, wer Euch verachtet, verachtet mich.46 Es ist zu beachten, dass die Verachtung der Bischöfe Christi auf die Verunehrung Christi hinausläuft; zahlreich sind die Vorschriften im Gesetz und in den Evangelien, wo Gehorsam den Bischöfen gegenüber vorgeschrieben wird. Wie aber Leben und Tun der Bischöfe beschaffen sein sollen, wie sie selbst für ihre Person sein, wie sie zum Gipfel der Lenkung der Seelen gelangen,47 wie sie ihr Leben einrichten, wie sie die ihnen Unterstellten mit Wort und Beispiel belehren sollen, ist an anderer Stelle von heiligen und verehrungswürdigen Lehrern hinreichend ausgeführt worden.48 Hier aber muss über die Könige gesprochen werden, für deren Heil das Amt der Bischöfe wachsam Sorge zu tragen hat, deren Waffen und Schutz aber die Kirche Christi verteidigen müssen. 3.49 Was der König ist, was er sein muss, was er vermeiden muss. 50
Der König hat seinen Namen vom richtigen Regieren50. Wenn er mit Gottesfurcht, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit regiert, wird er 50zu Recht König genannt, wenn er diese Tugenden nicht besitzt, verliert er den Namen König50. Die Alten nannten alle Herrscher Tyrannen.51 Doch später haben 45
Vgl. 2 Cor 6, 3. Luc 10, 16. 47 Vgl. Regula Benedicti (wie Anm. 9) II, 34; 37 S. 27; S. 28. 48 Hinweis auf CP l. 1 S. 611– 649; Rel. ep. S. 133 –136 – S. 29 – 46. Zur Situierung dieser Texte innerhalb eines Gesellschaftsspiegels: Anton, Gesellschaftsspiegel S. 58 – 62. 49 Auszüge aus den Akten des CP l. 2 c. 1 S. 649 – 651 (s. auch Rel. ep. c. 24 S. 136 f. – 2, 1 S. 46 f). 50– 50 Vgl. Isidor, Et. IX, 3, 1; 4 (reges/rex a regendo); vgl. auch I, 29, 3 (reges a [regendo et] recte agendo); Isidor, Sent. III, 48, 7 (Reges a recte agendo); CP (S. 649) (und A): Rex a recte agendo vocatur. Si enim …; … non rex, sed tyrannus est. Zugrunde liegt die Philosophie, nach der Name und Sache übereinstimmen müssen, die patristische Nomen-Lehre, sie ist ausgeführt am Wortfeld rex (König) – regere (lenken, leiten, regieren), recte (richtig) agere, facere (handeln, agieren). Zu dieser Tradition, besonders den Vorgaben bei Augustin und Gregor d. Gr., s. Anton, Herrscherethos S. 384 – 396. Jonas mag Isidors verschiedene Versionen kombinieren und neu formulieren rex a recte regendo. 51–51 Vgl. Isidor, Et. IX, 3, 19; 20 (nach Augustinus, De civ. Dei V, 19). Bei Jonas ist die neue ethische Wertung in dem Kontrastpaar König (rex) – Tyrann (tyrannus) akzentuiert. 46
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ter regentes regis nomen sunt adepti. Impie vero, iniuste crudeliterque principantibus non regis, sed tyrannicum aptatum est nomeni.51 Quia ergo rex a regendok dicitur, primo ei studendum est, ut semetipsum suamque domum Christi adiuvante gratia ab operibus nequam emaculet bonisque operibus exuberare faciat, ut ab ea caeteri subiecti bonum exemplum semper capiantl.52 Ipse etiam salutiferis Christi praeceptis fideliter atque obedienter obsecundet et recte agendo eos, quibus temporaliter imperat, in pace et concordia atque caritate caeterorumque bonorum operum exhibitione, quantum sibi divinitus datur, consistere faciat met dictism atque exemplis ad opus pietatis et iustitiae et misericordiae sollerter excitet, adtendens, quod pro his Deo rationem redditurus sit, quatenus ita agendo sanctorum regum, qui Deo sincere serviendo placuerunt, post hanc peregrinationem consors efficiatur.53 De rege autem, qualis esse vel quid cavere debeat, ita in Deuteronomio legitur54: Cum ingressus fueris terram, quam Dominus Deus tuus dabit tibi et possederis eam habitaverisque in illa et dixeris: „Constituam super me regem, sicut habent omnes per circuitum nationes“, eum constitues, quem Dominus Deus tuus elegerit de numero fratrum tuorum55, et post pauca: Non habebit uxores plurimas, quae inliciant animum eius neque argenti et auri inmensa pondera. Postquam autem sederit in solio regni sui, describat sibi deuteronomium legis huius in volumine accipiens exemplar a sacerdotibus leviticae tribus et habebit secum legetque illud omnibus diebus vitae suae, ut discat time-
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recte agendo A. accipiant A. m–m edictis A. l
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nur mehr die gottesfürchtig, gerecht und barmherzig Regierenden die Bezeichnung König erhalten. Denjenigen, die ohne Gottesfurcht, Gerechtigkeit und mit Grausamkeit die Herrschaft führen, ist nicht der Name König, sondern der des Tyrannen zugeordnet worden.51 Da der König demnach vom Regieren seinen Namen hat, muss er sich zunächst darum bemühen, dass er an sich selbst und an seinem Haus, mit Hilfe der Gnade Christi, alle Makel von schlechten Werken tilgt und für ein überreiches Maß an guten Taten sorgt, damit die übrigen Untertanen sich daran ein gutes Beispiel nehmen können.52 Er selbst soll sich getreu und gehorsam den heilsamen Vorschriften Christi unterwerfen und dafür, soweit ihm dies von Gott zugestanden wird, Sorge tragen, dass diejenigen, denen er mit zeitlichem Herrschaftsauftrag übergeordnet ist, in Frieden, Eintracht, gegenseitiger Liebe und im Vollbringen anderer guter Werke leben; mit Worten und Beispielen soll er die Untertanen beständig zu dem Werk der Frömmigkeit, der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit anspornen, immer dabei im Auge behaltend, dass er für diese Gott einmal Rechenschaft abgeben wird; so soll er handeln, damit er einst nach dieser irdischen Pilgerschaft der Gemeinschaft der heiligen Könige teilhaftig werde, die bei Gott durch ihren aufrichtigen Dienst Gefallen gefunden haben.53 Im Buch Deuteronomium ist zu lesen, wie der König sein und was er meiden muss54: Wenn Du das Land betreten hast, das der Herr Dein Gott Dir schenken wird, wenn Du es in Besitz genommen und in ihm zu wohnen begonnen hast und Du sagst: „Ich möchte einen König über mich setzen, wie ihn alle Völker im Umkreis haben“, dann sollst Du den als König einsetzen, den der Herr Dein Gott Dir aus der Schar Deiner Brüder ausgewählt hat,55 und ein wenig später: Er soll nicht viele Frauen haben, die sein Herz verführen und lüstern machen, und auch nicht ungeheure Mengen Silber und Gold. Wenn er sich auf den Thron des Reiches gesetzt hat, soll er sich eine Abschrift dieses Gesetzes schreiben lassen in einem Band, wofür er ein Exemplar von den Priestern des Stammes Levi erhält; und dieses soll er alle Tage seines Le-
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Die Anwendung der patristischen Nomen-Lehre (s. Anm. 50) auf die Person des Königs und sein Haus belegt die personalistische und paternalistische Sicht der Herrschaft als Grundkomponente: s. Pohl, Walter: Herrschaft. In: RGA2 14 (1999) S. 443 – 457; Winterling, Aloys (Hrsg.): Zwischen „Haus“ und „Staat“. Antike Höfe im Vergleich. München 1997 (HZ-Beiheft 23). 53 S. die Parallele Dedicatio S. 57; Anm. 30. 54 Es folgt das „Königsgesetz“ des Alten Testaments im Buch Deuteronomium. Es stellt Herrschaftsprinzipien in archaischer Monumentalität vor. Zur grundlegenden Bedeutung und Adaption im Mittelalter s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 60, S. 99 – 101. 55 Deut 17, 14 –15.
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re Dominum Deum suum et custodire verba et caerimonias eius, quae lege praecepta sunt. Nec extolletur cor eius in superbiam super fratres suos neque declinet in partem dextram vel sinistram, ut longo tempore regnet ipse et filii eius super Israhel 56. Adtende, quod timor Dei et custodia praeceptorum eius et humilitas, quae non patitur eum extollere super fratres suos, et iustitiae rectitudo57 non solum regem, sed et filios eius longo faciet regnare tempore. Ut ergo princeps extollentiam cavere debeat, Ecclesiastes admonens ait: Principem te constituerunt? Noli extolli, sed esto in illis quasi unus ex ipsis58; in Proverbiis: Rex, qui iudicat in veritate pauperes, thronus eius in aeternum firmabitur59. Item: Misericordia et veritas custodiunt regem, et roboratur clementia thronus eius60. Verum quia sanctorum61, qui cum Domino regnant, documenta61 Sancti Spiritus munere prolata in cordibus auditorum plus valere quam nostrae exiguitatis verba non dubitamus, idcirco pauca de verbis beati Cipriani62 marty-
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bens bei sich tragen und es lesen, damit er lernt, den Herrn seinen Gott zu fürchten, seine Worte zu bewahren und die Zeremonien, die vom Gesetz vorgeschrieben sind. Und sein Herz soll nicht in Hochmut über seine Brüder geschwellt werden, und er soll nicht zur rechten und nicht zur linken Seite hin abweichen, damit er und seine Söhne lange über Israel herrschen.56 Ziehe daraus die Lehre und beachte, dass die Furcht Gottes, die Befolgung seiner Anordnungen, die Demut, die es nicht zulässt, sich über die Brüder zu erheben, und die rechte Betätigung der Gerechtigkeit57 nicht bloß den König selbst, sondern auch seine Söhne und Nachkommen lange regieren lassen. Dass der Herrscher Überheblichkeit meiden soll, wird im Buch Kohelet angemahnt: Man hat Dich zum König gesetzt? Erhebe Dich nicht, sei unter den anderen wie einer von ihnen;58 im Buch der Sprüche: Ein König, der die Armen in Wahrhaftigkeit richtet, dessen Thron wird auf ewig gesichert sein.59 Und ebenfalls: Barmherzigkeit und Wahrhaftigkeit beschützen den König, und durch Milde wird sein Thron gefestigt.60 Da wir aber nicht den geringsten Zweifel hegen, dass die Zeugnisse der Heiligen,61 die im Himmel verklärt mit Gott herrschen, Zeugnisse, die mit der Gnade des Heiligen Geistes gegeben wurden, mehr Wirkung in den Herzen der Adressaten haben als die Worte unserer Dürftigkeit, haben wir einige wenige von den Worten des Märtyrers Christi, des heiligen Cyprian,62 56
Deut 17, 17– 20; zum Motiv des rechten Weges: Num 20, 17; 21, 22; Deut 2, 27; 5, 32 f.; 28, 14; Prov 4, 27; Is 30, 21. 57 Rectitudo: Zentralidee der karolingischen Reform. 58 Ecli 32, 1. Jonas nennt irrtümlich das Buch Ecclesiastes (= Kohelet). 59 Prov 29, 14. 60 Prov 20, 28. 61 Die Zeugnisse der Heiligen (sanctorum documenta) bringt Jonas in (weitestgehend) chronologischer Reihung: (vermeintlicher) Cyprian, Fulgentius von Ruspe, (mehrfach) Isidor von Sevilla, (vermeintlicher) Gregor d. Gr. (= Isidor). 62 Gemeint ist der in Irland im 7. Jh. entstandene Traktat De duodecim abusivis 具saeculi典 (Über die zwölf Stufen der Übelstände 具der Welt典), der bisweilen Augustinus, mit Vorrang dem Kirchenvater Thascius Caecilius Cyprianus von Karthago (3. Jh.) zugeschrieben wurde und in dem in charakteristischer Form die Hauptübel illustriert werden, in der Contradictio in adiecto (Ungerechter König, Volk ohne Gesetz); Ausgabe: Pseudo-Cyprianus. Zu dem Werk und seiner großen Verbreitung in der Karolingerzeit s. Anton, Pseudo-Cyprian; neueste Interpretation: ders., Königsvorstellungen S. 282 – 291, S. 300. Die originale Weitergestaltung (in der 9. abusio; s. Anm. 64) der Königsdefinition Isidors zu rectoris officium ist verknüpft mit einer umfassenden Definition der Haupt- und Alleintugend: Iustitia. Ihre z. T. mythischen Äußerungsformen sind typisch irisch, doch für die Autoren der Karolingerzeit eher sekundär; 9. abusio im Umkreis von Jonas: Cap. div. sent. c. 20 fol. 79r, 86r–87r (flüchtige und fehlerhafte Abschrift einer anderen als der hier gebotenen Textgrundlage; von dort bei Hinkmar übernommen, s. S. 155 f.); (Wilmart S. 224; Laehr-Erd-
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ris Christi huic opusculo parvitatis nostrae quaedam inseruimus, quae vestrae serenitati prae manibus habenda et saepe legenda atque tractanda offerimus, quatenus in eius verbis, quasi in quodam speculo, quid esse, quid agere quidve cavere debeatis,63 iugiter vos contemplemini. Cuius verba sunt haec: 64Nonus, inquiens, abusionis gradus est rex iniquus; etenim regem non iniquum, sed correctorem iniquorum esse oportet; unde in semetipso nominis sui dignitatem custodire debet. Nomen enim regis intellectualiter hoc retinet, ut subiectis omnibus rectoris officium procuret. Sed qualiter alios corrigere poterit, qui proprios mores, ne iniqui sint, non corrigit? 65Quoniam iustitia regis exaltatur solium, et veritate solidantur gubernacula populorum65. Iustitia vero regis est neminem iniuste per potentiam obprimere, 66sine acceptione personarum66 inter virum et proximum suum iudicare66, 67advenis et pupillis et viduis67 defensorem esse, furta cohibere, adulteria punire, iniquos non exaltare, inpudicos et nistriones non nutriren, impios de terra perdere, parricidas et periurantes vivere non sinere, ecclesias defendere, pauperes elemosinis alere, iustos super regni negotia constituere, senes et sapientes et sobrios consiliarios habere, omagorum et 68ariolorum phitonissarumque68 superstitionibus non intendereo, iracundiam differre, patriam fortiter et iuste contra adversarios defendere, per omnia in Deo vivere, prosperitatibus non elevare ani-
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Fehlt A. Fehlt A.
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diesem bescheidenen Werk unserer Kleinheit angefügt, die wir Eurer Erhabenheit anbieten, damit Ihr sie stets zur Hand habt zu häufigem Lesen und Bedenken, damit Ihr Euch ständig in seinen Werken gleichsam wie in einem Spiegel betrachten könnt, was Ihr zu sein, zu tun und zu meiden habt.63 Es folgen seine Worte: 64Die neunte Stufe der Übelstände ist der ungerechte König; der König darf nämlich nicht ungerecht sein, er hat vielmehr strafender Besserer der Ungerechten zu sein; daher muss er also in sich selbst die Würde seines Namens beachten. Denn der Name König schließt begriffsmäßig in sich, dass er allen Untertanen den Dienst der Lenkung und Leitung erweist. Doch wie kann einer andere bessern, der nicht mit Besserung der eigenen Sitten dafür sorgt, dass diese nicht verderbt sind? 65Durch Gerechtigkeit des Königs nämlich wird sein Thron erhöht, und durch Wahrhaftigkeit wird die Regierung der Völker gekräftigt65. Gerechtigkeit des Königs bedeutet aber, niemanden ungerecht durch Macht unterdrücken, 66ohne Ansehen der Person66 zwischen einem Menschen und seinem Nächsten urteilen66, 67Ankömmlingen aus der Fremde sowie Waisen und Witwen67 Verteidiger sein, Räuberei verhindern, Ehebruch bestrafen, Ungerechte nicht erhöhen, Schamlose und Gaukler nicht nähren, Gottlose von der Erde vertilgen, Verräter und Eidbrecher nicht leben lassen, die Kirchen verteidigen, die Armen mit Almosen unterhalten, Gerechte über die Angelegenheiten des Reiches setzen, alte, weise und nüchterne Ratgeber halten, dem aberwitzigen Treiben der Zauberer, 68 Wahrsager und Schlangenbeschwörer68 nicht Beachtung schenken, den Jähzorn aufschieben, das Vaterland tapfer und loyal gegen seine Feinde verteidigen, in allem in Gott leben, in Glück und Erfolg nicht überheblich werden, mann S. 121, S. 124). Zur in diesen fränkischen Texten benutzten handschriftlichen Fassung Pseudo-Cyprians notwendigerweise vorläufig: Gross (s. Hinkmar, Fragment S. 188 Anm. 8) sowie korrigierend Anton, Pseudo-Cyprian S. 616 Anm. 156, S. 610 Anm. 137; spezifizierend nun Hinkmar Anm. 25 und Anm. 124. 63 Das Bild des Spiegels, z. T. auch des Manuale findet sich in einschlägigem Zusammenhang in den Laien-Adelsspiegeln bei Alkuin: De virtutibus et vitiis PL 101, Sp. 613 – 638; Sp. 616C/D, Epilogus: MGH Epp. 4. Hrsg. v. Ernst Dümmler, hier Ep. 305 S. 464 Z. 30 – 465 Z. 1; Jonas, DIL Widmungsbrief MGH Epp. 5, S. 347 Z. 4–6; Frechulf von Lisieux in der fürstenspiegelartigen Widmung seines Werks für die Erziehung von Pippins Stiefbruder Karl: Frechulf: Opera omnia. Hrsg. v. Michael I. Allen. Turnhout 2002 (CC CM 169A), Historiae II, Prol. S. 436 Z. 28 – 32; Dhuoda: Liber Manualis (Manuel pour mon fils). Hrsg. v. Pierre Riché, (Bernard de Vregille, Claude Mondésert). Paris 21991 (Ndr. 1997) (SC 225); Prolog S. 80 f.; I, 7 S. 114 f. 64–64 Pseudo-Cyprianus 9 S. 51– 53. 65–65 Vgl. Ps 88, 17 und Prov 16, 12. 66–66 1 Petr 1, 17. 67–67 Vgl. Deut 24, 20; 26, 12; Ier 7,6. 68–68 Vgl. 4 Reg 23, 24.
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mum, cuncta adversa patienter ferre, fidem catholicam in Deum habere, filios suos non sinere impie agere, certis horis orationibus insistere, ante horas congruas non gustare cibum. 69Vae enim terrae, cuius rex est puer et cuius principes mane comedunt69. Haec regni prosperitatem in praesenti faciunt et regem ad caelestia regna meliora perducunt. Qui vero secundum hanc legem non dispensat, multas nimirum adversitates imperii tolerat. Idcirco enim saepe pax populorum rumpitur, et offendicula etiam de regno suscitantur, terrarum quoque fructus diminuuntur, et servitia populorum praepediuntur. Multi etiam dolores prosperitatem regni inficiunt, carorum et liberorum mortes tristitiam conferunt, hostium incursus provincias undique vastant, bestiae armentorum et pecorum greges dilacerant, tempestates veris et hiemis terrarum fecunditatem et maris ministeria prohibent, et aliquando fulminum ictus segetes et arborum flores et pampinos exurunt. Super omnia vero regis iniustitia non solum praesentis imperii faciem fuscat, sed etiam filios suos et nepotes, ne post se regni hereditatemp teneant, obscurat. 70Propter piaculum enim Salomonis regnum domus Israhel Dominus de manibus filiorum eius dispersit et propter meritumq David regis lucernam de semine eius semper in Hierusalem reliquit.70 Ecce quantum iustitia regis saeculo valet, intuentibus perspicue patet. Pax populorum est, tutamentum patriae, immunitas plebis, munimentum gentis, cura languorum, gaudium hominum, temperies aeris, serenitas maris, terrae fecunditas, solatium pauperumr, hereditas filiorum et sibimetipsi spes futurae beatitudinis. Attamen sciat, quod, sicut in throno hominum primus constitutus est, sic et in poenis, si iustitiam non fecerit, primatums habiturus est. Omnes namque, quoscumque peccatores sub se in praesenti habuit, supra se modot 71 in illa futura poena habebit64. Fulgentius in libro de veritate praedestinationis et gratiae: 72Clementissi-
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equitatem A. terminum A, iustitiam Pseudo-Cyprianus. pauperis A. primatus Hss., korr. A 1 und teilweise Hss. CP. Fehlt A, modo plagali (plagabili, placabili, implacabiles) Pseudo-Cyprianus.
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alle Widrigkeiten geduldig ertragen, den katholischen Glauben an Gott bekennen, die eigenen Söhne nicht gottlos handeln lassen, zu den bestimmten Zeiten dem Gebet obliegen, vor der ziemlichen Zeit nicht speisen. 69Wehe nämlich dem Land, dessen König ein Knabe ist und dessen Regenten am frühen Morgen speisen69. Dies alles ist es, was das Glück in dieser Welt bewirkt und den König zu den himmlischen Reichen, die besser sind, geleitet. Wer aber seine Regierung nicht diesem Gesetz entsprechend einrichtet, hat viele Widrigkeiten in der Herrschaft zu gewärtigen. In solchem Fall zerbricht oft der Friede unter den Völkern, und im Innern des Reiches ergeben sich Hemmnisse, ebenso werden die Früchte der Erde gemindert, und die Dienstleistungen der untergebenen Völker werden eingeschränkt. Darüber hinaus befallen vielerlei Leiden die Gesundheit des Reiches, Todesfälle von Nahestehenden und von Kindern verbreiten Trauer, Invasionen von Feinden verwüsten ganze Provinzen, wilde Tiere reißen die Herden des großen und kleinen Viehs, Stürme im Frühling und Winter hindern die Fruchtbarkeit der Äcker und den Dienst des Meeres, Blitzschläge dörren die Saaten, die Baumfrüchte und die Weinstöcke aus. Doch mehr als dies alles verdunkelt die Ungerechtigkeit des Königs nicht nur das Aussehen des Reichs momentan, sie wirft ihren Schatten auf die Söhne und Enkel des Königs und hindert sie, später das Erbe der Herrschaft anzutreten. 70Wegen der Sünde Salomos zerstreute der Herr die Herrschaft des Hauses Israel, und wegen des Verdienstes des Königs David ließ er die Leuchte aus seinem Samen immer in Jerusalem.70 Doch denen, die es genau betrachten, wird völlig einsichtig, wie viel die Gerechtigkeit des Königs für die Welt bedeutet. Sie ist Friede der Völker, Schutz des Vaterlandes, Sicherung des Volkes, Schutz des Stammes, Heilung der Leiden, Freude der Menschen, Milde der Luft, Heiterkeit des Meeres, Fruchtbarkeit der Erde, Trost der Armen, Erbe für die Nachkommenschaft, für den König selbst die Hoffnung auf die zukünftige Seligkeit. Doch muss er wissen, dass er, wie er als Erster auf den Thron über die Menschen gesetzt ist, so auch die erste Stelle bei den Strafen zu gewärtigen hat, wenn er nicht Gerechtigkeit übt. Alle nämlich, die er im Diesseits als Sünder unter sich hatte, werden im selben Maß71 in jener Strafe der zukünftigen Welt über ihm sein.64 Fulgentius führt im Buch über die Wahrheit der Prädestination und der Gnade aus: 72Ein sehr milder Kaiser ist nicht deshalb ein 73Gefäß der Gnade, 69–69
Ec 10, 16. Zum historischen und exegetischen Kontext Anton, Königsvorstellungen S. 285 Anm. 43. 70–70 Vgl. 3 Reg 11, 31– 36. Hierzu Anton, Königsvorstellungen S. 286 Anm. 44. 71 Die verschiedenen Attribute zu modo (plagali u. ä.) lässt Jonas mit der Pariser Tradition weg. 72–72 Fulgentius (wie Anm. 37) II, 39 S. 517. Wortspiel timor (Furcht) – tumor
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mus, inquit, imperator non ideo est 73vas misericordiae praeparatum in gloriam73, quia apicem terreni principatus accepit. Sed si imperiali culmine recta fide vivat et uvera cordis humilitateu praeditus culmen regiae dignitatis sanctae religioni se subiciat; si magis in timore servire Deo quam in tumore dominari populo delectetur; si in eo lenitas iracundiam mitiget, ornet benignitas potestatem; si se magis diligendum quam metuendum cunctis exhibeat; si subiectis salubriter consulat; si iustitiam sic teneat, ut misericordiam non relinquat; si prae omnibus ita se sanctae matris ecclesiae catholicae meminerit filium, ut eius paci atque tranquillitati per universum mundum prodesse suumv faciat principatum. Magis enim christianum regitur ac propagatur imperium, dum ecclesiastico statui per omnem terram consulitur, quam cum in parte quacumque terrarum pro temporali securitate pugnatur72. Isidorus: 74Qui recte utitur regni potestate, ita se praestare omnibus debet, ut, quanto magis honoris celsitudine claret, tanto semet ipsum mente humiliet praeponens sibi exemplum humilitatis David, qui de suis meritis non tumuit, sed humiliter sese deiciens dicit: „Vilis incedam et vilis apparebo ante Deum, qui elegit me“75.74 Item Isidorus: Qui intra saeculum bene temporaliter imperat, sine fine in perpetuum regnat et de gloria huius saeculi ad aeternam transmeat gloriam. Qui vero prave regnum exercent, post vestem fulgentem et lumina lapillorum nudi et miseri ad inferna torquendi descendunt. Reges a recte agendo vocati sunt, ideoque recte faciendo regis nomen tenetur, peccando amittitur76. Gregorius in Moralibus: Nam et viros sanctos proinde reges vocari in sacris eloquiisw, eo quod recte agant sensusque proprios bene regant et motus resistentes sibi rationabili discretione componant. Recte igitur illi reges vocantur, qui tam semetipsos quam subiectos bene regendo pacificare no-
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vero corde humiliter A. Fehlt RB CP. eloquiis novimus A (ergänzt, auch gegenüber Isidor).
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das zum Ruhm bestimmt ist73, weil er den Gipfel irdischer Herrschaft erreicht hat. Er ist es vielmehr dann, wenn er an der Spitze des Kaisertums im rechten Glauben lebt, mit wahrer Demut des Herzens versehen sich als oberster Träger herrscherlicher Würde der heiligen Religion unterordnet; wenn es ihm mehr gefällt, Gott in Furcht zu dienen als das Volk in aufgeblasenem Stolz zu beherrschen; wenn in ihm Sanftmut den Zorn zähmt, Güte die Macht schmückt; wenn er sich allen mehr zur Liebe als zur Furcht darstellt; wenn er heilsam für die Untertanen Sorge trägt; wenn er die Gerechtigkeit so übt, dass er die Barmherzigkeit dabei nicht außer Acht lässt; wenn er vor allem sich in solcher Weise als Sohn der heiligen Mutter Kirche weiß, dass er seine Herrschaft auf der ganzen Erde ihrem Frieden und Ihrer Ruhe zu Nutzen einsetzt. Die Regierung und Verbreitung eines christlichen Reiches wird nämlich mehr betrieben, wenn für das Wohl der Kirche auf der ganzen Erde Sorge getragen wird, als wenn mit Waffen in irgendeinem Teil der Welt für irdische Sicherheit gekämpft wird.72 Isidor sagt: 74Wer von der Macht der Herrschaft richtigen Gebrauch machen will, muss sich allen als ein solcher erweisen, der, je mehr er an Erhabenheit seiner Stellung herausragt, umso mehr sich in seinem Herzen demütigt, indem er sich als Beispiel der Demut David vor Augen stellt. Dieser gab sich wegen seiner Verdienste nicht überheblich, sondern setzte sich demütig herab und sagte: „Ohne Wert bin ich und ohne Wert werde ich vor Gott erscheinen, der mich erwählt hat“75.74 Isidor sagt auch: Wer in der Welt für befristete Zeit die Herrschaft gut führt, wird am Ende in der Ewigkeit herrschen und vom Ruhm dieser Welt zu dem ewigen Ruhm hinübergehen. Diejenigen aber, die schlecht regieren, werden ohne ihr glitzerndes Gewand und ihre funkelnden Steine nackt und elend zur Hölle hinabsteigen, um dort ihre Qualen zu erleiden. Die Könige haben ihren Namen vom richtigen Handeln, und so wird der Name König nur im rechten Tun bewahrt, im Sündigen geht er verloren.76 Gregor schreibt in seinem Werk Moralia: In den heiligen Schriften sind auch heilige Männer Könige genannt, weil sie richtig handeln, ihre eigenen Gefühlsregungen gut kontrollieren und die ihnen widerstrebenden Leidenschaften mit vernunftgeleiteter Urteilsgabe bändigen. Zu Recht werden jene, die sowohl sich selbst als auch ihre Untertanen durch gutes Lenken besänftigen können, Könige genannt. Es gibt einige, die gerade den Namen kontrol(Überhebung). Der inserierte Herrscherspiegel ist auf die christlichen Kaiser bezogen und berührt sich mit der am Ende des Werks gebrachten Skizze des imperator felix von Augustin. 73–73 Vgl. Rom 9, 23. 74–74 Isidor, Sent. III, 49, 1. 75 Vgl. 2 Reg 6, 21– 22. 76 Isidor, Sent. III, 48, 6 –7. Zur Namensetymologie s. Anm. 50.
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verunt. Quidam ipsum nomen regiminis ad inmanitatem transvertunt crudelitatis, dumque ad culmen potestatis venerunt, in apostasiam confestim labuntur tantoque se tumore cordis extollunt, ut cunctos subditos in sui comparatione dispiciant eosque, quibus praeesse contigit, non agnoscant77. Et paulo post: Dum mundi reges sublimiores se caeteris sentiunt, mortales tamen se esse agnoscant, nec regni gloriam, qua in saeculo sublimantur, aspiciant, sed opus quod secum deportent, intendant78. Item non post multa: 79Reges quando boni sunt, muneris esse Dei; quando vero mali, sceleris esse populi. Secundum meritum enim plebium disponitur vita rectorum testante Iob: „Qui regnare facit hypocritam propter peccata populi“80. Irascente enim Deo talem rectorem populi suscipiunt, qualem pro peccato merentur. Nonnumquam pro malitia plebis etiam reges mutantur, et qui ante videbantur esse boni, accepto regno fiunt iniqui 79. His ita praemissis studendum est regi, ut non solum in se, verum etiam in sibi subiectis regis nomen adimpleat provideatque, ut populus sibi subiectus pietate, pace, caritate, iustitia et misericordia atque concordia et unanimitate caeterisque bonis exuberet operibus, ut haec habentes Dominum secum habere mereantur. Sciatque certissime, quod non solum de se, verum etiam de ipsis Dominus ab eo fructum bonae operationis exacturus est81.
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lierender und lenkender Regierung in Grausamkeit im Übermaß verkehren und, sobald sie zum Gipfel der Macht gekommen sind, schleunigst in Apostasie verfallen und sich mit solcher Überheblichkeit des Herzens aufblähen, dass sie alle Untertanen im Vergleich zu sich missachten und nicht diejenigen anerkennen, denen sie durch Zufallsfügung vorgeordnet sind.77 Und kurz darauf: Auch wenn die weltlichen Herrscher sich über die anderen erhöht gesetzt finden, sollen sie doch anerkennen, sterblich zu sein, und sie sollen nicht auf den Ruhm der Herrschaft, durch den sie in der Welt erhöht sind, sehen, sondern die Aufgaben genau in Augenschein nehmen, die ihnen aufgebürdet sind.78 Und wieder etwas später: 79Wenn Könige gut sind, ist dies ein Geschenk Gottes; wenn sie schlecht sind, geht dies auf die Sünden des Volkes. Nach dem, wie es die Völker verdienen, wird das Verhalten der Regenten gestaltet, wie es Hiob bezeugt: „[Gott], der den Heuchler herrschen lässt wegen der Sünden des Volkes“80. Wenn Gott nämlich zürnt, erhalten die Völker den zum Lenker, den sie für ihre Sünden verdienen. Bisweilen wandeln sich die Herrscher wegen der Schlechtigkeit des Volkes, und die, die vorher gut zu sein schienen, werden nach Erhalt der Herrschaft böse.79 Nach dem Gesagten muss der König danach trachten, dass er nicht nur in sich, sondern auch den Untertanen gegenüber den Verpflichtungen seines Namens nachkommt und dafür Sorge trägt, dass das ihm untergebene Volk in überreichem Maß Frömmigkeit, Frieden, brüderliche Liebe, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Eintracht, Harmonie und alle übrigen guten Werke aufweise, damit sie sich auf diese Weise Gott günstig stimmen. Und er soll mit größter Bestimmtheit wissen, dass nicht nur von ihm, sondern auch von den Untergebenen der Herr die Frucht ihrer guten Taten fordern wird.81
77 Isidor, Sent. III, 48, 7– 8. Obwohl das Zitat ohne Bruch das in der vorigen Anm. belegte weiterführt, nennt die Jonas-Tradition (s. MGH Conc. 2 S. 650) Gregor d. Gr. nun als Autorität. Gregor steht in der Tat für die hier von Isidor benutzte Gedankenfügung: s. Anton, Herrscherethos S. 388. Die Klassifizierung herrscherlichen Fehlverhaltens als Apostasie legt die ethisch-religiöse Wurzel der Konzeption offen. 78 Isidor, Sent. III, 48, 9. 79–79 Isidor, Sent. III, 48, 11. 80 Iob 34, 30. 81 Auf der ethisch-religiösen Grundlage ist von der Sphäre des Hauses abgesehen und erscheinen als Partner König – Untertanen/Volk.
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IV.82 Quid sit proprie ministerium regis. Regale ministerium83 specialiter est populum Dei gubernare et regere cum aequitatex et iustitia et, ut pacem et concordiam habeant, studere. Ipse enim debet primo defensor esse ecclesiarum et servorum Deiy, viduarum, orfanorum caeterorumque pauperum necnon et omnium indigentiumz. Ipsius enim terror et studium huiuscemodi, in quantum possibile est, esse debet primo, ut anulla iniustitia fiata; deinde, si evenerit, ut nullo modo eam subsistere permittat nec spem delitescendi sive audaciam male agendi cuiquam relinquat; sed sciant omnes, quoniam, si ad ipsius notitiam pervenerit quippiam mali, quod admiserint, nequaquam incorrectumb aut inultum remanebit, sed iuxta facti qualitatem erit et modus iustae correptionis. Quapropterc in throno regiminis positus est ad iudicia recta peragenda, ut ipse per se provideat et perquiratd, ne in iudicio aliquis a veritate et aequitate declinet. Scire etiam debet, quod causa, quam iuxta ministerium sibi commissum administrat, non hominum, sed Dei causa existit, cui pro ministerio, quod suscepit, in examinis tremendi die rationem redditurus est. Et ideo oportet, ut ipse, qui iudex est eiudicum, causame pauperum ad se ingredi faciat et diligenter inquirat, ne forte illi, qui ab eo constituti sunt et vicem eius agere debent in populof,84 iniuste aut neglegenter pauperes oppressiones pati permittant. De ministerio autem regis ita Iob loquitur: Cumque sederem quasi rex circumstante exercitu, eram tamen maerentium consolator. // Auris audiens beatificabat me, et oculus videns testimonium reddebat mihi, quod liberassem
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aequalitate RA. Dei. Ipsorum etiam officium est saluti et ministerio sacerdotum solerter prospicere eorumque armis et protectione ecclesia Christi debet tueri A. z indigentium inopia defendi A am Rand. a–a nullam iniustitiam faciat A. z incorreptum A. c quia propter hoc A. d adquirat A. e–e iudicium causamque A. f pupillo A. y
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4.82 Was wesenseigentümlich Amt des Königs ist. Amt des Königs83 ist es in besonderer Weise, das Volk Gottes mit Billigkeit und Gerechtigkeit zu regieren und zu lenken und dafür zu sorgen, dass es Frieden und Eintracht hat. Vornehmlich muss der König der Verteidiger der Kirchen und der Diener Gottes sein, der Witwen, Waisen und der übrigen Bedürftigen, darüber hinaus der Notleidenden insgesamt. Der Schrecken, den er verbreitet, und sein eifriges Bemühen müssen zunächst darauf gerichtet sein, dass keine Ungerechtigkeit geschieht; danach, wenn eine solche vorliegt, dass sie in keiner Weise weiter bestehen bleibt, keinem Frevler die Hoffnung auf Entkommen und die Verwegenheit zu neuer Übeltat belassen wird. Im Gegenteil, alle sollen wissen, dass, sofern irgendetwas von Übeltäterei, das sie begangen haben, zu seiner Kenntnis gelangt ist, es keinesfalls ohne Zurechtweisung und ohne Rächung bleiben wird, und dass das Maß gerechter Ahndung nach der Art des Falles sein wird. Zu dem Ziel ist er zum richtigen Vollzug des Rechts auf den Herrschaftsthron gesetzt, dass er selbst entsprechende Vorsorge trägt und untersuchen lässt, dass niemand im Gerichtswesen von der Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit abweicht. Er muss nämlich wissen, dass die Sache, die er gemäß dem ihm übertragenen Amt verwaltet, nicht von den Menschen, sondern von Gott stammt, dem er für eben das übernommene Amt am Tag des schrecklichen Gerichts Rechenschaft ablegen muss. Daher ergibt sich als notwendig, dass er, welcher der Richter über die Richter ist, die Sache der Armen vor sich selbst kommen lässt und sie gründlich untersucht, damit nicht etwa die, die von ihm (in Ämter) eingesetzt sind und die seine Statthalterschaft im Volk zu führen haben,84 in Ungerechtigkeit oder Nachlässigkeit zulassen, dass die Armen Bedrückung erleiden. Über das Amt des Königs sagt Hiob: Als ich saß inmitten des mich umstehenden Heeres, war ich Tröster der Trauernden. // Das Ohr, das mich hörte, pries mich glückselig, und das Auge, das mich sah, gab mir Zeugnis, dass ich 82
Übernahme aus den Akten des CP: l. 2 c. 2 S. 651 f.; Rel. ep. c. 25 S. 137– 2, 1 S. 47 f. 83 Der Gedanke (s. Anm. 8) von der Macht als Dienst (potestas famula) ist namentlich durch die Tätigkeit des Jonas unter dem (revolutionär neuen) Begriff ministerium (Dienstamt) verbreitet worden. Zu Wurzeln, Ausgestaltung und Reichweite s. Anton, Herrscherethos S. 404 – 419. Dieses von der Person unabhängige, objektivierte Amt hat der Herrscher von Gott, nicht von Menschen. Konkret äußert es sich in alttestamentlich ausgeführten Aufgaben des Rechtsvollzugs, des Schutzes der Wehrlosen und der Kirche. Zum Aspekt mittelalterlicher Staatlichkeit grundlegend: von Moos, „Öffentlich“ (wie Einleitung Anm. 76); Apsner (wie Hinkmar Anm. 36). 84 Gemeint sind vornehmlich die Grafen. Nach seinem Amtsauftrag ist der König vor Gott für sie und für die Kirche verantwortlich.
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pauperem vociferantem et pupillum, cui non esset adiutor. Benedictio perituri super me veniebat, et cor viduae consolatus sum. Iustitia indutus sum, et vestivit me sicut vestimento et diademate giudicio meog. Oculus fui caeco et pes claudo. Pater eram pauperum, et causam, quam nesciebam, diligentissime investigabam. Conterebam molas iniqui et de dentibus illius auferebam praedam85. Salomon: Rex, qui sedet in solio iudicii, dissipat omne malum intuitu suo86. Item: Dissipat impios rex sapiens et curvat super eos fornicem87. Item: Iudex sapiens vindicabit populum suum, et principatus sensati stabilis est88. Item: Rex iustus erigit terram, et vir avarus destruit eam89. In libro Sapientiae: Diligite iustitiam, qui iudicatis terram. Sentite de Domino in bonitate, et in simplicitate cordis quaerite illum90. Item ibi: Audite ergo reges et intelligite; discite iudices finium terrae. Praebete aures, vos, qui continetis multitudines et placetis vobis in turbis nationum, quoniam data est a Domino potestas vobis et virtus ab Altissimo, qui interrogabit opera vestra et cogitationes scrutabitur. Quoniam, cum essetis ministri eius, non recte iudicastis neque custodistis legem iustitiae neque secundum Dei voluntatem ambulastis, horrende et cito apparebit vobis. Quoniam iudicium durissimum in his, qui praesunt, fiet. Exiguo enim conceditur misericordia; potentes enim potenterh patientur. Non enim subtrahet personam cuiusquam Dominus nec reverebitur cuiusquam magnitudinem, quoniam pusillum et magnum ipse fecit, et aequaliter pro omnibus cura est illi, fortioribus autem ifortior instati cruciatio91. Isidorus: Principes saeculi nonnumquam intra ecclesiam potestatis adeptae culmina tenent, ut per eamdem potestatem disciplinam ecclesiasticam muniant. Caeterum intra ecclesiam potestates necessariae non essent, nisi ut, quod
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iudicium meum A. potenter tormenta Vulg. A CP. i–i Fehlt A. h
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den Armen befreit habe, der um Hilfe schrie, und die Waise, der kein Helfer war. Der Segen des Sterbenden kam über mich, und das Herz der Witwe habe ich getröstet. Mit der Gerechtigkeit bekleidete ich mich, und sie bekleidete mich mit meinem Urteil wie mit einem Kleid und einem Diadem. Auge war ich für den Blinden und Fuß für den Lahmen. Vater war ich für die Armen, und die Rechtssache, die ich nicht kannte, untersuchte ich mit größter Sorgfalt. Die Backenzähne des Ungerechten und Ruchlosen zerbrach ich, und aus seinen Zähnen riss ich die Beute heraus.85 Salomo: Ein König, der auf dem Thron des Gerichts sitzt, sondert mit prüfendem Blick jede Schlechtigkeit aus.86 Und ebenso: Ein weiser König worfelt die Ruchlosen und lässt das Rad des Dreschwagens sich über ihnen drehen.87 In ähnlicher Weise: Ein weiser Richter wird sein Volk retten, und die Herrschaft des Verständigen ist fest gegründet.88 Und weiter: Ein gerechter König richtet das Land auf, der habgierige zerstört es.89 Im Buch der Weisheit steht: Liebt die Gerechtigkeit, die Ihr das Land richtet. Denket vom Herrn in Güte, und in der Einfalt des Herzens sucht ihn.90 An späterer Stelle dort: Ihr Könige hört und merkt auf; Ihr Richter der Provinzen der Erde lernt. Leiht Euer Gehör, Ihr, die Ihr die Völkerschaften beherrscht und die Ihr Euch gefallt in den Scharen der Nationen. Vom Herrn nämlich ist Euch die Macht gegeben worden und die Kraft vom Allerhöchsten, der Eure Werke prüfen und Eure Gedanken erforschen wird. Denn wenn Ihr, als seine Diener eingesetzt, nicht gerecht gerichtet und die Richtschnur des Rechtes nicht beachtet habt und nicht gewandelt seid nach dem Willen des Herrn, wird er schrecklich und schnell vor Euch erscheinen. Denn härtestes Gericht wird gegen die sein, die an der Spitze stehen. Dem Niedrigen wird Nachsicht gewährt; die Mächtigen aber werden mächtig gestraft. Der Herr lässt niemandes Person unbeachtet, und er fürchtet sich nicht vor irgendjemandes Größe, denn er selbst hat den Niedrigen und den Hohen gemacht, und er trägt in gleicher Weise für alle Sorge, den Mächtigeren droht aber mächtigere Züchtigung.91 Isidor führt aus: Die irdischen Herrscher haben bisweilen innerhalb der Kirche den Gipfel der Macht, damit sie durch diese Macht und Gewalt die kirchliche Disziplin schützen. Übrigens wären innerhalb der Kirche weltliche Gewalten nicht nötig, wenn nicht zu dem Zweck, dass die weltliche Gewalt 85
Iob 29, 25; 11–17. Zur Verbreitung der Stelle als Maxime der Herrscherethik: Anton, Gesellschaftsspiegel S. 101. 86 Prov 20, 8. Das Bild stammt von dem Dreschvorgang. 87 Prov 20, 26. Wiederum Bild vom Dreschvorgang. 88 Ecli 10, 1. 89 Prov 29, 4. 90 Sap 1, 1. 91 Sap 6, 2 – 9.
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non praevalet sacerdos efficere per doctrinae sermonem, potestas hoc imperet per disciplinae terrorem. Saepe per regnum terrenum caeleste regnum proficit, ut, qui intra ecclesiam positi contra fidem et disciplinam ecclesiae agunt, rigore principum conterantur ipsamque disciplinam, quam ecclesiae utilitas exercere non praevalet, cervicibus superborum potestas principalis imponat k et, ut venerationem mereatur, virtutem potestas impertiatk. Cognoscant principes saeculi Deo debere se reddere rationem propter ecclesiam, quam a Christo tuendam suscipiunt. Nam sive augeatur pax et disciplina ecclesiae per fideles principes sive solvatur, ille ab eis rationem exiget, qui eorum potestati suam ecclesiam credidit92. Sunt et alia utriusque testamenti oracula copiosa, quibus affatim adstruiturl, quod rex ministerium sibi commissum secundum voluntatem Dei exercere et adimplere debet, quae hic ob prolixitatem vitandam praetermittuntur. V.93 De periculo regis, et quod bene agentes remunerare, male vero agentes sua auctoritate comprimere causamque pauperum ad se ingredi debeat facere. Ad peccatum regis pertinet, quando iudicibus ministrisque iniquis ministerium suum implendum committit, neque enim ministerium suum per alios tantum administrare et se ab eo debet alienare. Non ergo dicimus, ut solus iurgia et querimonias populi audiat et investiget et definiat, quoniam nequaquam ad haec solus sufficere potest, sed magis, ut tales sub se timentes Deum et avaritiam odientes constituat, per quos regem regum non offendat.94 Quales autem constituendi sint, liber Deuteronomii manifestat, in quo le-
k–k l
Fehlt A. instruimur A.
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das, was der Bischof mit dem Wort belehrender Predigt nicht bewirken kann, durch den Schrecken der Disziplin erzwinge. Oft zieht das himmlische Reich vom irdischen seinen Nutzen, so dass die, die innerhalb der Kirche gegen den Glauben und die Disziplin der Kirche handeln, durch die Strenge der Herrscher zerrieben werden und dass eben jene Disziplin, die die Kirche in nützlichem Abwägen nicht erzwingen kann, die herrscherliche Macht dem Nacken der Aufbegehrenden auferlegt und mit Gewalt die Befolgung durchsetzt. Mögen also die irdischen Herrscher erkennen, dass sie Gott Rechenschaft geben müssen wegen der Kirche, die sie von Christus zum Schutz übernehmen. Denn sei es nun, dass Friede und Disziplin durch gottergebene Herrscher vermehrt werden, sei es nun, dass sie zerbröckeln, in jedem Fall wird jener von ihnen Rechenschaft fordern, der ihrer Macht seine Kirche anvertraut hat.92 Es gibt noch eine Menge weiterer Aussagen der beiden biblischen Testamente, durch die reichlich belegt wird, dass der König das ihm anvertraute Amt nach dem Willen Gottes ausüben und erfüllen muss. Sie werden hier, um Weitschweifigkeit zu vermeiden, weggelassen. 5.93 Die Gefahr, die dem König droht; seine Pflicht, die Guten zu belohnen, die Übeltäter jedoch mit seiner Autorität zu unterdrücken, die Sache der Armen vor sich gelangen zu lassen. Es gehört zur Sünde des Königs, ungerechten Richtern und Dienern die Führung seines Amtes anzuvertrauen, und er darf sein Amt nicht von anderen ausführen lassen und sich selbst völlig von ihm entfernen. Wir sagen nicht, dass er allein die Rechtsstreitigkeiten und die Beschwerden des Volkes anhören, prüfen und entscheiden sollte, da er allein zu solchem nicht ausreichen kann, sondern vielmehr, dass er solche Gott fürchtende und die Habgier verabscheuende Männer einsetzen sollte, durch die er den König der Könige nicht beleidigt.94 Das Buch Deuteronomium legt klar, welcher Art die sein müssen, die ein92
Isidor, Sent. III, 51, 4 – 6. Das Kapitel entspricht bis auf eine kleine Auslassung den Akten des CP: l. 2 c. 3 S. 653 f. Die Thematik ist, anders und breiter gefasst, ausgeführt bei Jonas, DIL II, 24 Sp. 218 – 221. 94 Das Thema der königlichen Statthalterschaft (s. Anm. 84) ist hier in einem selbständigen Kapitel dargestellt. Ein kleiner Spiegel für solche Statthalter ist kurz vor dem Pariser Konzil ausgeführt in einer Reformrede des Abtes Wala von Corbie auf einem Großentag in Aachen im Winter 828: Paschasius Radbertus: Epitaphium Arsenii. Hrsg. v. Ernst Dümmler. Berlin 1900 (Aus den Abhandlungen der königl. preuß. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom Jahre 1900), S. 62. 93
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gitur: Iudices et magistros constitues in omnibus portis tuis, quas Dominus Deus tuus dederit tibi per singulas tribus tuas, ut iudicent populum iusto iudicio nec in aliquam partem declinent95. Item ibi: Dixique vobis in illo tempore: „Non possum solus sustinere vos, quoniam Dominus Deus noster multiplicavit vos, et estis hodie sicut stellae caeli plurimae. Dominus Deus patrum vestrorum addat ad hunc numerum multa milia et faciat vobis, sicut locutus est. Non valeo solus sustinere vestra negotia et pondus et iurgia. Date e vobis viros sapientes et gnaros et quorum conversatio sit probata in tribubus vestris“96. Iob: Quando procedebam ad portam civitatis et in platea parabam cathedram mihi, videbant me iuvenes et abscondebantur, et senes adsurgentes stabant. Principes cessabant loqui et digitum superponebant ori suo97. Cum quibus etiam rex pondus regiminis sui partiri debeat,98 liber Exodi demonstrat, in quo legitur: Provide autem de omni populo viros potentes et timentes Deum, in quibus sit veritas, et qui oderint avaritiam, et constitue ex eis tribunos et centuriones et quinquagenarios […], qui iudicent populum omni tempore. Quidquid autem maius fuerit, referent ad te, et ipsi minora tantummodo iudicent leviusque tibi sit partito in alios onere. Si hoc feceris, implebis imperium Domini et praecepta eius poteris sustentare, et omnis hic populus revertitur cum pace ad loca sua. Quibus auditis Moyses fecit omnia, quae ille suggesserat, et electis viris strenuis de cuncto Israel constituit eos principes populi, tribunos et centuriones et quinquagenarios et decanos, qui iudicabant plebem omni tempore. Quicquid autem gravius erat, referebant ad eum99. Quod vero rex causam pauperum ad se ingredi facere et diligenter debeat inquirere, dat intelligi illud, quod legimus antiquitus iudices idcirco 100in porta ad iudicandum sedisse100, ut nullus accedendi difficultatem aut quispi-
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zusetzen sind. Dort ist zu lesen: Richter und Schreiber sollst Du in allen Städten einsetzen, die der Herr Dein Gott Dir geben wird über die einzelnen Stämme hin, dass sie das Volk mit gerechtem Urteil richten und nicht nach irgendeiner Seite abweichen.95 Und ebenso heißt es dort: Ich [Mose] habe Euch in jener Zeit gesagt: „Ich allein kann Euch nicht tragen, denn der Herr unser Gott hat Euch vermehrt, und Ihr seid heute zahlreich wie die Sterne des Himmels. Der Herr der Gott Eurer Väter möge zu dieser Zahl noch viele Tausende hinzufügen, und er tue Euch, wie er gesprochen hat. Ich kann nicht allein Eure Angelegenheiten, Eure Last und Eure Rechtsstreitigkeiten tragen. Bezeichnet aus Euch Männer, die weise und kundig sind und deren Führung erprobt ist in Euren Stämmen“.96 Hiob: Als ich hinausging zum Tor der Stadt und mein Pult auf dem öffentlichen Platz aufstellte, verbargen sich die Jungen bei meinem Anblick, erhoben sich die Alten und blieben stehen. Die Vornehmen hörten auf zu sprechen und legten sich den Finger auf den Mund.97 Mit wem der König die Last seiner Regierung teilen soll,98 legt das Buch Exodus dar, in dem zu lesen ist: Wähle aus dem gesamten Volk einflussreiche und gottesfürchtige Männer, die die Wahrheit lieben und die Habgier verabscheuen, und setze aus ihnen militärische Führer der Tausendschaften, der Hundertschaften, der Fünfzigerschaften […], die im Volk ständig die Gerichtsgewalt üben sollen. Was es an Größerem gibt, sollen sie Dir vorlegen, und für Dich soll das Regierungsgeschäft nach Zuteilung der Last an andere leichter werden. Wenn Du das tust, wirst Du Gottes Weisung befolgen und kannst Du seinen Anordnungen gerecht werden, und das ganze Volk wird in Frieden nach Hause zurückkehren. Auf dies hin tat Mose alles, was Gott ihm geraten hatte. Er wählte fähige Männer aus ganz Israel aus, bestellte sie zu Leitern des Volkes, zu Führern von Tausendschaften, Hundertschaften, Fünfzigerschaften und Zehnerschaften, die das Volk beständig richteten. Was gravierender war, legten sie ihm vor.99 Dass aber der König die Sache der Armen vor sein Forum gelangen lassen und gründlich untersuchen lassen soll, wird in dem verdeutlicht, dass wir lesen, von alters her hätten die Richter 100am Tor gesessen, um Gericht zu halten100, damit für keinen der Zutritt zu ihnen schwierig oder nur mit Vorwän95
Deut 16, 18 f. Porta ist der Ort des Gerichts in der Stadt; s. Deut. 21, 19, s. unten Anm. 100. 96 Deut 1, 9 –13. 97 Iob 29, 7– 9. 98 Der Gedanke der Teilhabe der Großen am Amt des Herrschers ist programmatisch ausgeführt bei Ludwig d. Fr.: Admonitio ad omnes regni ordines (823) MGH Cap. 1 Nr. 150 S. 303 – 307, hier c. 3 S. 303. 99 Ex 18, 21– 26. 100–100 Vgl. Deut 21, 19.
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am civium vim aut calumpniam necesse haberet sustinere. Ideo et 101Iherusalem civitas iusti vocata101 est, quamdiu in ea exercebantur iudicia, quia non permittebatur in ea a rectoribus iniquitas permanere. Quod vero rex bonos sublimare et malos debeat comprimere, apostolus Petrus docet dicens: Sub diti estote omni […] creaturae propter Deum, sive regi quasi praecellenti sive ducibus tamquam ab eo missis ad vindictam malefactorum, laudem vero bonorum102. Quae verba ita Beda exponit: Non quod omnes, qui a regibus mittuntur duces, vel male facientes punire vel bonos laudare noverint; sed, quae esse debeat actio boni ducis, simpliciter narrat, hoc est, ut male facientes coherceat et bene agentes remuneret103. Hinc in historia gentili refertur moris fuisse Romanis parcere subiectis et debellare superbos104. Quod, quando pravi iudices populo Dei praeferuntur, ad delictum illius pertineat, a quo constituuntur, dicta Ysidori manifestant, quibus ait: 105Ad delictum pertinet principum, qui pravos iudices contra voluntatem Dei populis fidelibus praeferunt. Nam sicut populi delictum est, quando principes mali sunt, sic principis est peccatum, quando iudices iniqui existunt. Bonus iudex sicut nocere civibus nescit, ita prodesse omnibus novit. Aliis enim praestat censuram iustitiae, malios bonitate 106iudiciim sine personarum acceptione106 suscipit. Non infirmat iustitiam avaritiae flamma nec studet auferre alteri, quod cupiat sibi. Boni iudices iustitiam ad solam obtinendam salutem aeternam suscipiunt nec eam muneribus acceptis distribuunt, ut, dum de iusto iudicio temporalia lucra non appetunt, praemio aeterno ditentur105. His, quae praemissa sunt, declaratur, quod hi, qui post regem populum Dei regere debent, id est duces et comites,107 necesse est, ut tales ad constitu-
m–m
R CP; aliis bonitate iudicia Isidor.
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den möglich wäre. Von daher wurde 101Jerusalem die Stadt des Gerechten genannt101, solange dort Gericht gehalten wurde, denn die zuständigen Befehlshaber und Richter ließen dort keine Ungerechtigkeit weiterbestehen. Dass der König in der Tat die Guten erhöhen und die Schlechten unterdrücken soll, lehrt der Apostel Petrus, indem er sagt: Seid jeder […] Einrichtung untertan um Gottes willen, sei es dem König als oberstem Befehlsträger, sei es den von ihm zur Bestrafung der Übeltäter, zur Belobigung der Guten geschickten Führern.102 Diese Worte legt Beda in folgender Weise aus: Das heißt nicht, dass alle vom König geschickten Führer die Übeltäter bestrafen und die Guten loben würden; vielmehr wird ganz einfach dargelegt, wie die Handlungsweise eines guten Führers sein soll, nämlich die Übles Tuenden zu zügeln und die recht Handelnden zu belohnen.103 In ähnlicher Weise wird auch in der heidnischen Darstellung berichtet, es sei Verhaltensnorm der Römer gewesen, die Unterworfenen zu schonen und die Überheblichen niederzuhalten104. Wenn schlechte Richter an die Spitze des Volkes Gottes gestellt werden, geht das auf das Schuldkonto dessen, von dem sie eingesetzt sind. Diese Tatsache belegt Isidor: 105Es gehört zum Vergehen der Herrscher, wenn sie schlechte Richter gegen den Willen Gottes gläubigen Völkern voranstellen. Wie es zum Vergehen des Volkes gehört, wenn die Regenten schlecht sind, so gehört es zur Sünde des Regenten, wenn es ungerechte Richter gibt. Wie ein guter Richter den Bürgern zu schaden nicht fähig ist, so weiß er allen zu nützen. Dem einen misst er die Strafe der Gesetze zu, die anderen umfängt er mit der Güte seines 106Urteils ohne Ansehen der Person106. Er tut der Gerechtigkeit nicht Abbruch mit der Flamme der Habgier, noch versucht er, einem anderen irgendetwas für sich wegzunehmen. Gute Richter betreiben das Gerichtswesen nur zur Erlangung des ewigen Heils, teilen das Recht nicht für Geschenke zu. Dies, damit sie, während sie mit gerechten Urteilen zeitliche Vorteile nicht erstreben, reich ausgestattet werden mit ewigem Lohn.105 Alles, was eben vorausgeschickt ist, macht deutlich, dass als diejenigen, die nach dem König das Volk Gottes lenken sollen, d. h. als „Obergrafen“ und Grafen,107 solche Männer vorgesehen werden müssen, mit deren Einset101–101
Vgl. Is 1, 26 und Zach 8, 3. 1 Petr 2, 13 –14. 103 Beda Venerabilis: Expositio in I Epist. Petri PL 93, Sp. 41– 68, hier c. 2, 52 Sp. 52D. 104 Vergil, Aen. VI, 853; wohl vermittelt durch Augustinus, De civ. Dei I, 6. Historia für Dichtung schon Fredegar III, 2. 105–105 Isidor, Sent. III, 52, 1– 3. 106–106 Vgl. 1 Petr. 1, 17. 107 Vgl. die Anm. 84 und 94. Duces, oft Inhaber von Grenzmarken, und comites, Grafen, hatten sowohl administrative als auch judikative Kompetenzen. 102
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endum provideantur, qui sine periculo eius, a quo constituuntur, constitui possint, scientes se ad hoc positos esse, ut plebem Christi sibi natura aequalem recognoscant108 eamque clementer salvent et iuste regant, non ut dominentur et affligant, neque ut populum Dei suum aestiment aut ad suam gloriam sibi illum subiciant, quod non pertinet ad iustitiam, sed potius ad tyrannidem et iniquam potestatem.109 Valde enim exigit necessitas, ut, quia ipse procul dubio rex aequissimo iudici de commisso sibi ministerio rationem redditurus est, etiam singuli, qui sub eo constituti sunt ministri, diligentissime ab eo inquirantur, ne ipse pro eis iudicium incurrat divinum. Ipsis etiam ministris denuntiandum est, quod, quicquid iudicaverint, in eos redundabit, iuxta illud, quod in libro Paralipomenon legitur: Habitavit ergo Iosaphat in Ierusalem rursusque egressus est ad populum de Bersabeae usque ad montem Effraim et revocavit eos ad Dominum Deum patrum suorum constituitque iudices terrae in cunctis civitatibus Iuda munitis per singula loca. Et praecipiens iudicibus: „Videte“, ait, „quid facitis; non enim hominis exercetis iudicium, sed Domini et, quodcumque iudicaveritis, in vos redundabit. Sit timor Domini vobiscum, et cum diligentia cuncta facite. Non enim est apud Dominum Deum nostrum iniquitas, nec personarum acceptio, nec cupido munerum“110. Haec et hiis similia, quae praelibata sunt, rex eiusque ministri non desidiose, sed diligenter debent perpendere et studium de ministerio sibi commisso tale adhibere, ut non pro eo aeternaliter dampnari, sed potius a Domino mereantur feliciter remunerari.
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zung keine Gefahr für den Beauftrager verbunden ist. Sie müssen wissen, dass sie unter festen Bedingungen eingesetzt sind: nämlich, das Volk Christi als von Natur mit sich gleich anzuerkennen,108 es in Milde zum Heil zu führen und gerecht zu regieren, auf der anderen Seite, das Volk Gottes nicht als eigenen Besitz zu betrachten und es sich zur Mehrung eigenen Ruhmes zu unterjochen, was nicht zur Gerechtigkeit gehören würde, vielmehr zur Tyrannei und ungerechten Herrschaft.109 Eine innere Notwendigkeit erfordert nämlich in höchstem Maß, dass, wenn der Monarch ohne jeden Zweifel dem gerechtesten Richter über den ihm anvertrauten Dienst Rechenschaft ablegen muss, auch die einzelnen von ihm als Diener Eingesetzten von ihm striktest kontrolliert werden, damit er nicht für sie in das göttliche Gericht hineinlaufe. Gerade diesen Dienern muss vor Augen gestellt werden, dass, was immer sie urteilen mögen, auf sie selbst zurückfallen wird, gemäß dem, was im Buch Chronik zu lesen ist: Nachdem Josaphat in Jerusalem Wohnung genommen hatte, ging er hinaus zum Volk von Bersabea bis zum Berg Ephraim und rief sie zu Gott dem Herrn ihrer Väter zurück, und er setzte Richter im Land ein an den befestigten Orten in Juda, von Ort zu Ort. Und er sagte den Richtern: „Seht zu, was Ihr tut; Ihr führt nicht Urteile eines Menschen aus, sondern des Herrn, und wie immer Ihr urteilt, es wird auf Euch zurückfallen. Die Furcht des Herrn sei bei Euch, und macht alles mit Bedacht. Es gibt nämlich bei dem Herrn unserem Gott keine Bevorzugung einer einzelnen Person, keine Bestechlichkeit“.110 Dies und Ähnliches, was hier ausgeführt wurde, sollen der König und seine Diener nicht nachlässig, sondern nachdrücklich zur Kenntnis nehmen und einen solchen Eifer in Bezug auf das übertragene Amt und den Dienst entfalten, dass sie nicht seinetwegen verdienen, auf ewig verdammt, sondern vielmehr vom Herrn mit der Glückseligkeit belohnt zu werden.
108 Die in der Karolingerzeit rezipierte patristische Vorstellung von der ursprünglichen Gleichheit aller Menschen (s. etwa programmatisch Ludwig d. Fr.: Prooemium generale ad capitularia tam ecclesiastica quam mundana [818/19] MGH Cap. 1 Nr. 137 S. 273 – 275; S. 274) bei Jonas schon DIL II, 22 Sp. 213 – 215; s. auch Jegen (wie Anm. 43) S. 200. 109 Die Konsequenzen der patristischen Nomentheorie und der neuen Tyrannuslehre, die c. 2 für den König entwickelt sind (s. Anm. 50 und 51), werden hier für die herrscherliche Administration dargestellt. Die administrativen Kader werden in die Herrscherethik einbezogen. 110 2 Par 19, 4 –7.
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VI.111 Quod aequitas iudicii stabilimentum regni et iniustitia sit eius eversio. Quod per iustitiam stet regnum, Salomon in Proverbiis adstruit ita inquiens: Iustitia elevat gentem, et miseros facit populos peccatum112. Item: Misericordia et veritas custodiunt regem, et roboratur iustitia thronus eius113. Item: Facere misericordiam et iudicium magis placent Deo quam victimae114. Et infra: Rapina impiorum detrahet eos, qui noluerunt facere iudicium115. Item ibi: Qui sequitur iustitiam et misericordiam, inveniet vitam net iustitiamn et gloriam116. Quod vero per iniustitiam cadat, Isaias demonstrat: Tu enim, inquit, terram disperdidisti, tu populum occidisti. Non vocabitur in aeternum semen pessimorum. Praeparate filios eius occisioni iniquitate patrum suorumo, non consurgent, nec hereditabunt terramp neque implebunt faciem orbis civitatum117. In Amos: Ecce oculi Domini super regnum peccans. „Et conteram illud a facie terrae, […]“, dicit Dominus118. Danihel loquitur ad Balthasar: „O rex, Deus altissimus regnum et magnificentiam et gloriam et honorem dedit Nabuchodonosor patri tuo, et propter magnificentiam, quam dederat ei, universi populi, tribus et linguae tremebant et metuebant eum; quos volebat, interficiebat, et quos volebat, percuciebat; quos volebat, exaltabat, et quos volebat, humiliabat. Quando autem elevatum est cor eius et spiritus illius obfirmatus est in superbiam, depositus est de solio regni sui, et gloria eius ablata est, et a filiis hominum eiectus est, sed et cor eius cum bestiis positum est“119. In libro Sapientiae: Sedes ducum superborum detraxit Deus et sedere fecit mites pro eis120. Item: Regnum a gente in gentem transfertur propter iniustitias q et iniuriasq et contumelias et diversos dolos121. Quibus verbis liquido claret, quod pietas, iustitia et misericordia stabiliant
n–n
aeternam A. eorum A CP nach Vulg. Hauptüberlieferung. p Fehlt A. q–q Fehlt A. o
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6.111 Die Gerechtigkeit des Urteils bedeutet Beständigkeit für das Reich, die Ungerechtigkeit seine Zerrüttung. Dass ein Königreich durch Gerechtigkeit Bestand hat, zeigt Salomo im Buch der Sprüche: Gerechtigkeit erhöht ein Volk, Sünde bringt den Völkern Elend.112 Ebenso: Barmherzigkeit und Wahrhaftigkeit beschützen den König, und durch Gerechtigkeit wird sein Thron gefestigt.113 Ebenso: Nachsicht zu üben und gerechtes Urteil zu sprechen gefällt Gott mehr als Opfer.114 Später dann: Der Raub der Gottlosen reißt die mit sich, die das Recht nicht üben wollten.115 Und ebenso: Wer der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit folgt, der wird das Leben, die Gerechtigkeit und den Ruhm finden.116 Dass es im anderen Fall durch Ungerechtigkeit einstürzt, zeigt Jesaja auf: „Du“, sagt er, „hast Dein Land zugrunde gerichtet, Dein Volk getötet. In Ewigkeit wird der Same der Ruchlosen nicht genannt werden. Bereitet die Söhne aus ihm für das Massaker vor um der Ruchlosigkeit der Väter willen, sie werden sich nicht erheben, das Land nicht erben und nicht das Antlitz der Erde mit Städten bedecken“.117 Bei Amos steht: Siehe die Augen des Herrn auf einem sündigen Reich. „Ich werde es vom Angesicht der Erde verschwinden lassen, […]“, spricht der Herr.118 Daniel spricht zu Balthasar: „O König, der höchste Gott gab Deinem Vater Nebukadnezar Reich, Pracht, Reichtum und Ehre, und wegen der Pracht, die er ihm gegeben hatte, zitterten die Völker, Stämme und Sprachen vor ihm; er tötete die, die er wollte, er durchbohrte die, die er wollte; er erhöhte die, die er wollte, und demütigte die, die er wollte. Als aber sein Herz erhoben wurde zu Übermut und sein Geist störrisch, wurde er vom Königsthron gestoßen, sein Ruhm wurde ihm genommen, er wurde aus der Mitte der Menschen gejagt, aber sein Herz wurde mit den Tieren abgelegt“.119 Im Buch der Weisheit: Den überheblichen Führern entzog der Herr ihre Sitze, und er ließ milde an ihrer Stelle sitzen.120 Ebenso: Die Herrschaft wird von einem Volk auf das andere übertragen wegen der Ungerechtigkeiten, des Unrechts, der Gewalttaten und jeder Art von Verschlagenheit.121 Mit diesen Zitaten wird hinlänglich klar, dass Frömmigkeit, Gerechtigkeit 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121
Wiedergabe von CP l. 2 c. 4 S. 654 f. Prov 14, 34. Vgl. Prov 20, 28; 16, 12. Prov 21, 3. Prov 21, 7. Prov 21, 21. Is 14, 20 – 21. Am 9, 8. Dan 5, 18 – 21. Ecli 10, 17. Irrtümlich ist das Buch der Weisheit genannt. Ecli 10, 8.
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regnum et lesiones viduarum et pupillorum calumniaeque miserorum violentaque iudicia et perversio iustitiae evidenter illud evertant. Unde et multorum regnorum conlapsio, quia pietatis, iustitiae et misericordiae non habuerunt stabilimentum, his, quae praemissa sunt, patenter fidem adtribuitr. VII.122 Quod regnum non ab hominibus, sed a Deo, in cuius manu omnia regna consistunt, detur.123 Nemo regum a progenitoribus regnum sibi administrari, sed a Deo veraciter atque humiliter credere debet dari, qui dicit: Meum est consilium et aequitas, mea est prudentia, mea est fortitudo. Per me reges regnant et legum conditores iusta decernunt. Per me principes imperant et potentes iustitiam decernunt124. Quod autem non ab hominibus, sed a Deo regnum terrenum tribuatur, Daniel propheta testatur dicens: In sententia vigilum decretum est et sermo sanctorum et petitio, donec cognoscant viventes, quod dominetur Excelsus in regno hominum et cuicumque voluerit dabit illud et humillimum hominem constituet super illud125. Item idem loquens de Nabuchodonosor ad Baldasar: Donec cognosceret, inquit, quod potestatem haberet altissimus in regno hominum et quemcumque voluerit, suscitabit super illud126. Et per Ieremiam: Haec dicit Dominus exercituum Deus Israel: „Haec dicetis ad dominos vestros: ,Ego feci terram et hominem et iumenta, quae sunt super faciem terrae, in fortitudine meas magna et in brachio meo extento; et dedi eam ei, qui placuit in oculis meis‘“127. Hi vero, qui a progenitoribus sibi succedere
r s
adtribuunt A. Vulg. CP; fehlt Ed. RB.
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und Barmherzigkeit einem Reich Festigkeit geben, dass die Verletzungen der Witwen und Waisen, ungerechte Anklagen gegen Wehrlose, grausame Urteile und die Verdrehung der Gerechtigkeit es ganz offensichtlich zerrütten. Von daher rührt der Zusammenbruch zahlreicher Königreiche, dass sie nicht die Sicherung durch Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit hatten; dies verleiht dem, was ausgeführt wurde, evidente Glaubwürdigkeit. 7.122 Die Königsherrschaft und das Reich werden nicht von Menschen, sondern von Gott gegeben, in dessen Hand alle Reiche bestehen.123 Kein König darf glauben, Königsherrschaft und Reich würden ihm von seinen Vorfahren übertragen, vielmehr muss er wahrhaftig und ehrfürchtig glauben, dass sie ihm von Gott verliehen werden, der sagt: Mein ist die Vorsehung und die Gerechtigkeit, mein ist die Klugheit und die Stärke. Durch mich regieren die Könige und setzen die Gesetzgeber Recht. Durch mich herrschen die Fürsten und messen die Mächtigen Gerechtigkeit zu.124 Dass die irdische Herrschaft nicht von Menschen, sondern von Gott verliehen wird, bezeugt der Prophet Daniel, indem er sagt: Im Satz der Wächter ist es beschlossen und Spruch und Forderung der Heiligen, auf dass die Lebenden erkennen, dass der Allerhöchste im Reich der Menschen herrscht und er es geben wird, wem immer er will, und den demütigsten Menschen darübersetzen wird.125 In dieser Weise spricht er auch über Nebukadnezar zu Balthasar: Auf dass er erkennen sollte, dass der Allerhöchste Gewalt hat über die Herrschaft bei den Menschen und dass er mit ihr betraut, wen immer er will.126 Und bei Jeremia steht: So spricht der Herr der Heere, der Gott Israels: „Das sollt Ihr Euren Herren sagen: ,Ich habe die Erde gemacht und den Menschen und die Tiere, die auf der Erde sind, in meiner großen Stärke und mit meinem ausgestreckten Arm; und ich habe sie dem gegeben, der vor meinen Augen Gefallen gefunden hat‘“.127 Die aber, die glauben, Königsherrschaft und 122
Wiedergabe des CP l. 2 c. 5 S. 655. Regnum erscheint in seiner institutionellen Bedeutung „Herrschaft“, daneben als territoriale Größe „Reich“. Dies erhellt besonders aus den Bezugsverben disponere und gubernare. Mit einer Reihe von alttestamentlichen Zitaten wird die theokratische Grundlage der Herrschaft belegt. Die Wendung geht gegen das dynastische Erbrecht („Geblütsrecht“). Insofern handelt es sich auch hier um eine Objektivierung und Transpersonalisierung von Herrschaft gegenüber ihrer personalen Seite (dazu s. Anm. 52). 124 Prov 8, 14 –16. Zur Relevanz des Zitats s. Anton, Herrscherethos S. 357. 125 Dan 4, 14. Angespielt ist auf den Traum des Babylonierkönigs Nebukadnezar. Die Wächter sind Engel, die Gottes Weisung überbringen. 126 Dan 5, 21. 127 Ier 27, 4 – 5. 123
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regnum terrenum et non potius a Deo dari putant, illis aptantur, quos Dominus per prophetam improbat dicens: Ipsi regnaverunt et non ex me; principes extiterunt et non cognovi128. Ignorare quippe Dei procul dubio reprobare est. Quapropter, quisquis ceteris mortalibus temporaliter imperat, non ab hominibus, sed a Deo sibi regnum commissum credat. Multi namque munere divino, multi etiam Dei permissu regnant. Qui pie et iuste et misericorditer regnant, sine dubio per Deum regnant. Qui vero secus, non eius munere, sed permissu tantum regnant. De talibus Dominus per prophetam: Dabo tibi, inquit, regem in furore meo129. Et Iob: Qui regnare facit ypocritam propter peccata populi130. Ut enim Ysidorus exponit: Irascente Deo talem rectorem populi suscipiunt, qualem pro peccato merentur131. Constat ergo, quia non astu, non voto neque brachio fortitudinis humanae, sed virtute, immo occulto iudicio dispensationis divinae regnum confertur terrenum. Et idcirco cuicumque ab eo committitur, ita illud secundum eius voluntatem disponere et gubernare procuret, quatenus cum eo, a quo illud suscepit, feliciter in perpetuum regnare valeat, quoniam nihil prodest cuipiam terreno regno principari, si, quod absit, contigerit eum aeterno extorrem fieri. VIII.132 Quod potestati regali, quae non nisi a Deo ordinata est, humiliter atque fideliter cuncti parere debeant subiecti.133 Constat regalem potestatem omnibus sibi subiectis secundum aequitatis ordinem consultum ferre134 debere, et idcirco oportet, ut omnes subiecti fi-
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Reich kämen ihnen von den Vorfahren auf dem Wege der Erbfolge zu und würden ihnen nicht vielmehr von Gott verliehen, werden zu jenen gestellt, die der Herr durch den Propheten verwirft. Er sagt nämlich: Diese haben regiert, doch nicht aus mir; Fürsten standen auf, doch ich kannte sie nicht.128 Nicht kennen bedeutet bei Gott ohne Zweifel verwerfen. Deshalb soll, wer zeitlich befristet über die anderen Sterblichen Herrschaft ausübt, überzeugt sein, dass ihm das Königtum nicht von Menschen, sondern von Gott übertragen ist. In der Tat regieren viele durch die Gunst Gottes, viele auch nur mit seiner Zulassung. Diejenigen, die fromm, gerecht und mit Barmherzigkeit regieren, regieren ohne Zweifel durch Gott. Die aber, die anders regieren, tun es nicht auf seine Veranlassung, mit seiner Gunst, sondern bloß mit seiner Zulassung. Über die Letzteren sagt Gott durch den Propheten: Ich werde Dir einen König in meinem Zorn geben.129 Und weiter Hiob: Der den Heuchler herrschen lässt wegen der Sünden des Volkes.130 Es ist in der Tat so, wie Isidor es auslegt: Wenn Gott zürnt, erhalten die Völker den Regenten, den sie für ihre Sünde verdienen.131 Fest steht also, dass die irdische Herrschaft nicht aufgrund von verschlagenen Manövern, von forciertem Erstreben oder mit menschlicher Gewalt errungen, sondern durch die Macht, ja durch das geheime Urteil göttlicher Vorsehung verliehen wird. Deshalb muss jeder, dem immer sie auf solche Weise anvertraut wird, die Herrschaft so nach göttlichem Willen verwalten und das Reich so regieren, dass er mit dem, von dem er beides empfangen hat, glückselig in Ewigkeit regieren kann. Für niemanden ist es von Nutzen, an der Spitze eines irdischen Reichs zu stehen, wenn er darüber, was fern sein möge, des ewigen verlustig gehen sollte. 8.132 Der königlichen Gewalt, die nicht anders als von Gott gesetzt ist, müssen alle Untertanen ergeben und loyal gehorchen.133 Es steht fest, dass die königliche Gewalt allen ihren Untertanen nach Maßgabe der Billigkeit Rat und Hilfe gewähren134 muss. Daher ist gefordert, 128
Os 8, 4; dieses und die folgenden beiden Zitate wohl vermittelt durch Isidor, Sent. III, 48, 10 f. 129 Os 13, 11. 130 Iob 34, 30. 131 Isidor, Sent. III, 48, 11. 132 Wiedergabe von CP l. 2 c. 8 S. 659 f. 133 Indem das Königtum, die königliche Gewalt, Adressat des Gehorsams ist, wird ein objektivierendes Moment in die Beziehung Herrscher – Untertanen gebracht. 134 Der Pflicht der Königsgewalt zu Rat und Hilfe (consultum) korrespondiert das mit demselben Wort (consulere) bezeichnete Verhalten des Volkes, s. den folgenden Zusammenhang S. 95 mit Anm. 136; S. 97 mit Anm. 148.
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deliter et utiliter atque obedienter eidem pareant potestati, quoniam qui potestati a Deo ordinatae resistit, Dei utique ordinationi, iuxta apostoli documentum, resistit135. Sicut enim subiecti a rege sibi volunt pie et iuste opitulari, ita specialiter ei primum ad salutem animae suae procurandam, deinde generaliter ad honestatem et utilitatem regni secundum Dei voluntatem disponendam atque administrandam indissimulanter atque inretractabiliter solatium oportunum136 debent exhibere. Quod cum faciunt, et divinum praeceptum137 adimplere et fidem regi debitam evidenter probantur conservare. Huiuscemodi ergo obsequium a subiectis regiae potestati impendi debere et legalia praecepta138 aperte testantur et Dominus in Evangelio admonet dicens: Reddite, quae sunt Caesaris, Caesari, et quae sunt Dei, Deo139. Petrus quoque ait: Subiecti estote omni humanae creaturae propter Deum, sive regi quasi praecellenti140, et non post multa: Deum timete, regem honorificate141. Paulus etiam apostolus in id ipsum concordans ait: Omnis anima potestatibus sublimioribus subdita sit: Non est enim potestas nisi a Deo; quae autem sunt, a Deo ordinatat sunt. Itaque qui resistit potestati, Dei ordinationi resistit142, et caetera, quae de huiuscemodi potestate apostolicus sermo latius exsequitur.143 Idem etiam scribit ad Titum: Admone illos principibus et potestatibus subditos esse144. Item ad Thimoteum, quanti pendat causam, immo salu-
t
ordinatae Vulg. (s. Anm. 142).
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dass alle Untertanen loyal, nutzbringend und gelehrig dieser Gewalt gehorchen. Denn wer der von Gott verordneten Gewalt widersteht, widersteht, nach dem Zeugnis des Apostels, der Anordnung Gottes135. In dem Maß nämlich, in dem die Untertanen wünschen, dass ihnen von dem König fromm und gerecht Beistand zuteil wird, müssen sie ihm ungeheuchelt und unwiderruflich geeignete Unterstützung136 zukommen lassen; dies zunächst speziell, um für ihr Seelenheil zu wirken, dann generell, um Ehre und Interesse des Reichs nach Gottes Willen anzustreben und zu betreiben. Indem sie das tun, sind sie ersichtlicherweise dabei, die Anordnung Gottes137 zu erfüllen und ihre Treupflicht dem König gegenüber zu bewahren. Dass solcher Art Treue und Gehorsam von den Untertanen der königlichen Gewalt entgegenzubringen ist, bezeugen die Vorschriften des Gesetzes138 klar; ebenso mahnt der Herr im Evangelium dazu, wenn er sagt: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.139 Auch Petrus sagt: Seid jeder menschlichen Einrichtung untertan um Gottes willen, sei es dem König als oberstem Befehlsträger.140 Etwas später dann: Fürchtet Gott, ehret den König.141 In voller Übereinstimmung damit sagt der Apostel Paulus: Jedes Geschöpf sei den übergeordneten Gewalten untertan: Es gibt nämlich keine Gewalt außer von Gott; wo es Gewalten gibt, sind sie von Gott. Deshalb widersetzt sich der, der sich der Gewalt widersetzt, der Anordnung Gottes,142 und das Übrige, was der Apostel in seiner Darlegung über die in Rede stehende Gewalt ausführt.143 Der nämliche schreibt an Titus: Ermahne sie (die Mitglieder der Gemeinde), den Herrschern und Gewalten untertan zu sein.144 Im 135
Vgl. Rom 13, 1– 2. Zu dem Zitat s. Anm. 142. Solatium oportunum (geeignete Unterstützung) gehört in den Zusammenhang consulere, opem ferre, s. u. S. 97. 137 S. Anm. 135, 142. 138 Mit den Gesetzestexten der ersten Bücher des Alten Testaments und mit neutestamentlichen Zitaten wird die Treupflicht (obsequium) als dem weltlichen Rechtsbereich zugeordnet belegt. Zur Entwicklung der folgenden biblischen Zitate (s. Anm. 139 –145) in der Sicht der Fürstenspiegler von spiritueller zu sozialer Wertung s. I, Saecularis potestas (wie Einleitung Anm. 5) S. 435 – 439. 139 Matth 22, 21. 140 1 Petr 2, 13; verwandt oben c. 5 Anm. 102. 141 1 Petr 2, 17. 142 Rom 13, 1– 2. Vulg. hat entsprechend der griechischen Vorlage ordinatae. Bei der Übersetzung ist von dieser Lesart ausgegangen und angenommen, dass die mit CP beginnende Texttradition mit der Änderung zu ordinata nicht einen neuen Akzent („was es gibt, ist von Gott gesetzt“) intendierte. – Zur großen ideologischen und politischen Bedeutung s. Anton, Herrscherethos S. 359. 143 Vgl. Rom 13, 2 –7. 144 Tit 3, 1. 136
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tem regis, demonstrat ita scribendo: Obsecro, inquit, primum omnium fieri obsecrationes, orationes, postulationes, gratiarum actiones pro omnibus hominibus, pro regibus et omnibus, qui in sublimitate sunt, ut quietam et tranquillam vitam agamus in omni pietate et castitate. Hoc enim bonum est et acceptum coram salvatore nostro Deo145 et caetera. Si enim Ieremias propheta Dei pro vita ydolatrae regis Nabuchodonosor orare admonet,146 quanto magis pro salute Christianorum regum ab omnibus ordinibus147 Deo est humiliter supplicandum. Qualiter igitur regiae potestati parendum qualiterque eius saluti consulendum148 est, breviter ex auctoritatibus divinis dictum sit. Quapropter necesse est, ut unusquisque fidelis tantae potestati ad salutem propriam et ad honorem regni secundum Dei voluntatem, 148utpote membrum capiti, opem congruam ferat plusque in illo generalem profectum et utilitatem atque honorem regni quam lucra148 quaerat mundi, quatenus hiis saluberrimis opitulationibus sibi vicissim suffragantes aeterno regno pariter mereantur perfrui felices. [– – –] XVII.149 Qui imperatorum vel regum veraciter felices dici possint et debeant. Hoc opusculum, optime rex, ob amorem salutis vestrae digessi humiliter deprecans, ut illud, sicut iam in praecedentibus dictum est, libenter legere et audire dignemini, quatenus libentius atque frequentius deinceps serenitati vestrae ea, quae ad salutem animae vestrae et honorem regni pertinere cognovero, alacri animo scribam.
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Schreiben an Timotheus zeigt er, wie hoch er diese Sache, oder richtiger das Heil des Königs einschätzt. Dort schreibt er nämlich: So ermahne ich zuallererst, Bitten, Gebete, Fürbitten, Danksagungen darzubringen für alle Menschen, für Könige und alle, die in obrigkeitlicher Stellung sind, damit wir ein ruhiges und unbehelligtes Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrsamkeit. Dies ist gut und angenehm bei Gott unserem Heiland145 usw. Wenn Jeremia, der Prophet Gottes, zu beten mahnt für das Leben des Götzenbilder verehrenden Königs Nebukadnezar,146 um wie viel mehr ist für das Heil der christlichen Könige von allen Ständen147 bei Gott Fürbitte einzulegen. Kurz soll durch das Ausgeführte mit den von Gott legitimierten Autoritäten gesagt sein, wie der königlichen Gewalt zu gehorchen ist, wie auf ihr Heil bedacht148 zu sein. Daraus ergibt sich notwendig, dass ein jeder Gläubige/Untertan dieser Gewalt für das eigene Heil und für das Interesse des Reichs gemäß Gottes Willen, 148so wie das Glied dem Haupt, die zukommende Unterstützung gibt; dabei soll er mehr allgemeines Wohl sowie Nutzen und Ehre des Reichs als Vorteile148 der Welt suchen, damit [Glieder und Haupt] sich in solchen heilsamen Aktionen gegenseitig unterstützen und würdig werden, glückselig gemeinsam das ewige Reich zu genießen. [– – –] 17.149 Welche Kaiser und Könige wahrhaftig glückbringend genannt werden können. Dieses kleine Buch, bester König, habe ich aus Liebe für Euer Heil zusammengestellt; ich bitte demütig, dass Ihr es, wie schon im früheren Zusammenhang gesagt ist, gern zu lesen und aus ihm zu hören geruht, damit ich in Zukunft bereitwilliger und freudiger Eurer Erhabenheit schreibe, was ich für Euer Seelenheil und das Interesse des Reichs als zuträglich erachte.
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1 Tim 2, 1– 3. Vgl. Ier 29, 7. 147 Es handelt sich um die Stände der Mönche, Priester und Laien, bzw. Lehrer, Enthaltsame, Verheiratete; vgl. Jonas, DIL II, 1, Sp. 169D. 148–148 Im Gegensatz zur biblisch grundgelegten Körpermetapher für die Gemeinschaft in c. 1 liegt hier eine weltliche Körpermetapher, nach der der König Haupt des Staatskörpers ist, zugrunde. Parallelen in Inhalt und Formulierungen in den Akten des 8. westgotischen Konzils von Toledo lassen die spätantike Vorlage erkennen, von der Reflexe oben (s. Anm. 25, 27) in den Blick traten; s. Anton, Anfänge S. 109. 149 Keine Vorlage in CP, im Gegensatz zu den früheren Kapiteln. Im Umkreis von Jonas: Cap. div. sent. c. 1 fol. 78v, 79v; Wilmart S. 221 f. (hier als c. 2); Laehr-Erdmann S. 120 f. 146
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Quod tamen opusculum non meis, sed beati Augustini doctoris eximii verbis finiendum ratum dignumque duxi, ut in eis perspicue cognoscatis, qui imperatores quive reges felices dici possint et debeant. Scribit autem in libro quinto de civitate Dei inter caetera ita: Neque enim nos Christianos quosdam imperatores ideo felices dicimus, quia vel diutius imperarunt vel imperantes filios morte placida reliquerunt vel hostes rei publicae domuerunt vel inimicos cives adversus se insurgentes et cavere et opprimere potuerunt. Haec et alia vitae huius erumnosae vel munera vel solatia quidam etiam cultores daemonum accipere meruerunt, qui non pertinent ad regnum Dei, quo pertinent isti; et hoc ipsius misericordia factum est, ne ab illo ista, qui in eum crederent, vel ut summa bona desiderarent. Sed felices eos dicimus, si iuste imperant, si inter linguas sublimiter honorantium […] non extollantur et se homines esse meminerint; si suam potestatem ad Dei cultum maxime dilatandum maiestati eius famulatam faciunt uet Deum timentesu diligant, colant; si plus amant illud regnum, ubi non timent habere consortes; si tardius vindicant, facile ignoscant; si eamdem vindictam pro necessitate vregendi et utendi re publicav, non pro saturandis inimicitiarum odiis exerunt; si eamdem veniam non ad impunitatem iniquitatis, sed ad spem correptionis indulgent; si, quod aspere coguntur plerumque decernere, misericordiae lenitate et beneficiorum largitate compensant; si luxuria tanto eis est castigatior, quanto posset esse liberior; si malunt cupiditatibus pravis quam quibuslibet gentibus imperare; et si haec omnia faciunt non propter ardorem inanis gloriae, sed propter caritatem felicitatis aeternae; si pro suis peccatis humilitatis et miserationisw sacrificium Deo suo vero imolare non negligunt. Tales Christianos imperatores dicimus esse felices interim spe, postea re ipsa futuros, cum id, quod expectamus, advenerit150. Deo gratias. Explicit iste liber.
u–u v–v w
si Deum timent Aug., Cap. div. sent., Hinkmar. regendae tuendaeque rei publicae Aug., Cap. div. sent., Hinkmar. miserationis et orationis Aug., Cap. div. sent., Hinkmar.
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Ich glaube, dass ich dieses kleine Werk nicht mit meinen Worten, sondern mit denen des heiligen Augustinus, des herausragenden Kirchenlehrers, beschließen sollte, dass Ihr in ihnen klar erkennen solltet, welche Kaiser und welche Könige wahrhaftig glück- und segenbringend genannt werden können. Er schreibt nämlich im fünften Buch seines Gottesstaates unter anderem: Wir nennen nicht deshalb einige christliche Kaiser glücklich, weil sie länger regiert haben oder weil sie nach einem friedlichen und natürlichen Tod den Söhnen die Herrschaft hinterlassen haben, weil sie die Feinde des Staates gezähmt haben, weil sie vor feindlich gegen sie aufstehenden Bürgern sich in Acht zu nehmen oder sie zu unterdrücken in der Lage waren. Solche und andere Vorteile und Tröstungen in diesem kummervollen Leben haben auch einige Verehrer der Götzen erhalten können, die nicht zum Reich Gottes gehören, zu dem die christlichen Herrscher gehören; die Barmherzigkeit Gottes hat dies so gefügt, damit die, die an ihn glauben, diese Gaben nicht als höchste Güter erstrebten. Glücklich nennen wir im Gegensatz dazu diese, wenn sie gerecht regieren, wenn sie unter den Stimmen der sie mit Ehren Überhäufenden […] nicht überheblich werden und dessen eingedenk bleiben, dass sie Menschen sind; wenn sie ihre Macht zum Dienst für die Majestät Gottes zur weitesten Verbreitung von dessen Kult machen und diesen fürchten, lieben, verehren; wenn sie mehr jenes Reich lieben, wo sie nicht fürchten müssen, Rivalen zu haben; wenn sie zögerlich sind zu rächen, geneigt zu verzeihen; wenn sie einer solchen Rache aus staatspolitischer Notwendigkeit, nicht um persönlicher Rachegelüste willen stattgeben; wenn sie Verzeihung gewähren, nicht um die Schlechtigkeit ungestraft zu lassen, sondern um Besserung zu erhoffen; wenn sie die Maßnahmen der Härte, zu der sie häufig gezwungen sind, durch Milde in Erbarmen und Großzügigkeit in Wohltaten ausgleichen; wenn sie die Genusssucht umso stärker zügeln, je freier sie ihr frönen könnten; wenn sie lieber über ihre schlechten Begierden als über irgendwelche Völker Herrschaft ausüben; wenn sie dies alles tun nicht aus eitler Ruhmgier, sondern aus Liebe zum ewigen Glück; wenn sie nicht unterlassen, für ihre Sünden Gott das Opfer ihrer Demut und ihres Erbarmens darzubringen. Solche christlichen Kaiser nennen wir glücklich, und sagen, daß sie es im gegenwärtigen Leben in der Hoffnung sind, danach aber es in der Realität sein werden, wenn das, was wir erhoffen, eingetreten sein wird.150 Gott sei gedankt. Ende des Werks.
150
Augustinus, De civ. Dei V, 24. – Zur famula potestas Augustins, die Jonas zu famulata potestas weiterbildet, s. Anm. 8.
Ed.: Hellmann, Sedulius Scottus. Dortige Siglen BAFP. – Kollationiert mit NBaltGK
II Sedulius Scottus a Liber de rectoribus Christianisa b
Sedulius Scottus
Incipiunt capitula eiusdem libri.b 1
I. De eo, quod pium rectorem accepta potestate regali primum dignos Deo et sanctis ecclesiis honores dicare oportet. II. Qualiter rex orthodoxus primumc semet ipsum regere debet. III. Qua arte et industria momentaneum regnum stabiliri potest. IIII. De regia potestate non tam opibus et fiducia fortitudinis quam sapientia cultuque pietatis perornanda. V. Quanta sacri moderaminis sollicitudo erga uxorem et liberos propriosque domesticos ab eodem est exhibenda. VI. Quales consiliarios et amicos bonum principem habere decet. VII. Quae res malos principes faciat. VIII. De avaris et impiis regibus, et quanta per eosdem populum mala vel ipsos ultio divina consequitur. IX. De rege pacifico atque clementi, vel quibus danda sunt beneficia. X. Quot columnis regnum iusti regis sustentatur. XI. De eo, quod bonus princeps ecclesiasticis causis benivola intentaque sollicitudine favere debeat, et de synodalibus conventibus. XII. De eo, quod saluberrimis antistitum admonitionibus et correptionibus pio rectori obtemperare sit gloriosum. XIII. De zelo boni rectoris rationabili ac pietatid permixto. XIV. De duce Christiano, non in sua nec in suorum fortitudine, sed in Domino confidate.
a–a
Zum Titel des Werks s. Anm. 4. Zu den Hss. Einleitung S. 16 f. mit Anm. 39. Fehlt NF, incipiunt capitula B. Fehlt AFP. pietate Ed. confidendo B.
b–b c d e
2 Sedulius Scottus Werk über die christlichen Herrscher
Werk über die christlichen Herrscher
Beginn der Kapitel des Werks.1 1. Von der Notwendigkeit für einen frommen Herrscher, als Erstes nach Übernahme der Herrschaft Gott und den heiligen Kirchen die zukommenden Ehren zu weihen. 2. Dass ein rechtgläubiger König als Erstes sich selbst lenken muss. 3. Durch welche Kunst und welche Bemühung zeitliche Herrschaft und irdisches Reich befestigt werden können. 4. Dass die königliche Gewalt nicht so sehr durch Machtmittel und Vertrauen auf Stärke als durch Weisheit und Pflege der Frömmigkeit zu veredeln ist. 5. Welche Sorgfalt heiliger Lenkung von ihm gegenüber seiner Frau, seinen Kindern und den eigenen Hausgenossen zu üben ist. 6. Welche Ratgeber und Freunde zu haben sich für einen guten Herrscher ziemt. 7. Was Herrscher verdirbt und schlecht werden lässt. 8. Über habgierige und gottlose Herrscher, welch große Übel durch sie ein Volk treffen und wie sie selbst die Rache Gottes ereilt. 9. Über den friedfertigen und milden König; wem Wohltaten zu erweisen sind. 10. Durch wie viele Säulen die Herrschaft des gerechten Königs unterfasst und getragen wird. 11. Darüber, dass ein guter Herrscher die Anliegen der Kirche mit fördernder und tätiger Sorge unterstützen muss, und über die synodalen Zusammenkünfte der Bischöfe. 12. Darüber, dass es für einen frommen Herrscher ruhmvoll sein soll, heilsamen Mahnungen und Zurechtweisungen der Bischöfe zu gehorchen. 13. Über den von Vernunft geleiteten und mit Frömmigkeit verbundenen Eifer eines guten Herrschers. 14. Darüber, dass ein christlicher Heerführer nicht auf seine Stärke und die der Seinen vertrauen soll, sondern auf den Herrn.
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Dieser Kapitelaufzählung gehen in einigen Hss. eine metrische Praefatio und ein Invokationsdistichon voraus.
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XV. De eo, quod imminentibus fhostilium 2bellorumf fragoribus2 divinum sit implorandum auxilium. XVI. De adversis, si forte contigerint. XVII. De non superbiendo post oblatam3 etiam ab hostibus pacem seu 3 prostratos hostes.3 XVIII. Gratiarumg actiones ac benivola vota post pacem seu victoriam Deo reddendah. XIX. De privilegiis sanctae matris ecclesiae a pio rectore conservandis ac dignis ecclesiarum praepositis atque ministris. XX. Quanta ignominia superbos qualisque vel quanta gloria hic et in futuro principes orthodoxos comitatur. i
Incipit liber de rectoribus Christianis et regulis, quibus est res publica rite gubernanda.i 4 I. Postquam 5regale sceptrum regnique gubernacula rector Christianus susceperit5, 6primum quidem gratiarum actiones6 atque condignos omnipotenti Deok sanctaeque ecclesiae honores oportet ut rependat. Res etenim publica tunc suo initio pulcherrime consecratur,7 cum regia sollicitudo et sa-
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Ed., hostium bellorum NBAP, hostium et bellorum F. quod gratiarum B. h reddenda sint B. i–i B Balt, de pio regimine principum N, liber Sedulii de regimine principum P, liber Sedulii de rectoribus christianis et convenientibus regulis quibus est res publica rite gubernanda AF. k Fehlt AFPG. g
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15. Darüber, dass bei drohendem Kriegsgetöse2 der Feinde göttliche Hilfe anzuflehen ist. 16. Über Unglück in der Herrschaft, wenn es zufällig eintritt. 17. Darüber, dass nicht in Überheblichkeit zu verfallen ist, wenn die Feinde3 Frieden angeboten3 haben oder sie niedergestreckt3 sind. 18. Darüber, dass Gott nach Erlangen des Friedens oder des Sieges Gebete und Gaben des Dankes darzubringen sind. 19. Über die Vorrechte, die ein frommer Herrscher der Mutter Kirche zu bewahren hat, und über würdige Vorsteher und Diener der Kirchen. 20. Welche Schmach die überheblichen Herrscher heimsucht, welcher und ein wie großartiger Ruhm in dieser und der zukünftigen Welt die rechtgläubigen Herrscher begleitet. Beginn des Werkes über die christlichen Herrscher und die Grundsätze, nach denen ein Staat richtig zu regieren ist.4 1. Sobald 5der christliche Herrscher das königliche Szepter erhalten und die Zügel der Regierung ergriffen hat5, muss er 6als Erstes dem allmächtigen Gott und der heiligen Kirche Dank abstatten6 und ihnen die ihnen zukommenden Ehren erweisen. Das Staatswesen wird nämlich dann zu Beginn der Regierung in schönster Weise mit heiliger Weihe erhoben,7 wenn der König 2
Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XXII, 44 nach Orosius V, 23, 1. Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XXII, 62 nach Orosius II, 5, 7. 4 Der Werktitel in BBalt ist wohl der originale; der eingeführte verknappte ist als Rubrum beibehalten. NP geben ein Rubrum im Stil späterer Spiegel: „Über die (fromme) Regierung der Könige“. – Mit regulae ist sowohl die Seite ethischen Sollens (Normen) als auch die der technisch-administrativen Durchführung in den Blick gerückt 5– 5 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum LXXII, 9 nach Beda: Historia ecclesiastica gentis Anglorum = Venerabilis Baedae Opera Historica. Hrsg. v. Charles Plummer. Oxford 1896 (Ndr.) (Scriptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis); II, 5: Oswald rex Christianissimus …; cum … Eadbald regni gubernacula suscepisset. Der geschilderte Regierungsbeginn ohne kirchliche Salbung passt gut zu Lothar II., s. Anton, Verfassungspolitik S. 267– 272. 6– 6 Vgl. Rom 1, 8; vgl. auch Cathwulf an Karl d. Gr. S. 502 f. Z. 42 f. 7 Consecrare (weihen, heiligen) kann die technische Bedeutung von „salben“ annehmen. Doch die hier aufgenommene und dann weitergeführte Parallelisierung von äußerer Symbolik und innerer Haltung lässt den Gedanken an eine konkrete Salbung des Herrschers ausschließen (s. Anm. 5). Es kommt hinzu, dass Sedulius Scottus den Begriff consecrare in antik-paganer und übertragener Konnotation in seinem Collectaneum LXXVIII, 21 verwertet und zwar aus SHA VI: Avidius 11, 6. Bedeutsam ist die Wendung, dass die innere Haltung des Herrschers eine weihende Erhebung des Gemeinwesens darstellt. Es klingt hier schon etwas von der spätmittelalterlichen Vor3
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cra devotio sancto superni regis timore8 simul 8et amore8 accenditur cumque de gloriosa ecclesiae utilitate provido consilio procuratur, ut, quem regalis purpura ceteraque regni insignia9 exterius condecorant, eundem laudabilia vota erga Deum et sanctam eius ecclesiam interius perornent, quia nimirum ad temporalis regni fastigium tunc insigniter10 ascenditur, cum de omnipotentis regis gloria et honore pio studio pertractatur. Piusl itaque princeps summi dominatoris omnium voluntati et sanctis praeceptis oboedire magnopere studeat, cuius superna voluntate atque ordinatione se ad culmen regiminis ascendisse non dubitat testante apostolo, qui ait: Non est potestas nisi a Deo; quae autem ma Deo sunt, ordinata suntm.11 Quantum ergo se bonus rector a Deo ordinatum esse cognoscit, tantum pia sollicitudine invigiletn, quatinus omnia coram Deo et hominibus secundum trutinam rectitudinis ordinabiliter12 disponat atque perpenset. Quid enim sunt Christiani populi rectores, nisi 13ministri Omnipotentis13? Porro idoneus et fidelis quisque est minister, si sincera devotione fecerit, quae ei iusserit suus dominus atque magister. Hinc piissimi et gloriosi principes plus se ministros ac servos Excelsi quam dominos aut reges hominum nuncupari et esse exultant. Unde beatus
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quis N. Ed. AP, sunt a deo ordinata (ordinatae FG) sunt BBaltFG, a deo sunt ordinata sunt a deo K. n invigilat AFP. m–m
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in heiligem Eifer und Bemühen von heiliger 8Furcht und heiliger Liebe8 zum höchsten König entflammt wird und wenn er in vorsorgender Planung für den ruhmvollen Nutzen der Kirche die Herrschaft einrichtet, so dass den, den königlicher Purpur und die übrigen Insignien der Herrschaft9 nach außen schmücken, dass ebendiesen lobwürdige Gelübde gegenüber Gott und seiner heiligen Kirche nach innen zieren. Dann nämlich steigt man zum Gipfel irdischer Herrschaft am sichtbarsten geziert10 empor, wenn man sich in frommem Eifer für Ruhm und Ehre des allmächtigen Königs einsetzt. Ein frommer Herrscher hat ganz besonders danach zu streben, dem Willen und den heiligen Vorschriften des höchsten Allherrschers zu gehorchen, auf dessen Willen und Anordnung zum Gipfel der Herrschaft aufgestiegen zu sein er ohne jeden Zweifel weiß. Der Apostel bezeugt es, indem er sagt: Es gibt keine Gewalt außer von Gott; was aber von Gott ist, ist angeordnet.11 In welchem Maß sich der gute Herrscher von Gott eingesetzt erkennt, in dem entsprechenden wird er in frommer Wachsamkeit Sorge tragen, alles vor Gott und den Menschen nach der Waage des Richtigen der höheren Ordnung entsprechend12 durchzuführen und genau abzuwägen. Was sind die Leiter des christlichen Volkes anderes als 13Diener des Allmächtigen13? Ein geeigneter und treuer Diener ist aber jemand insoweit, als er im ernsten Einsatz tut, was ihm sein Herr und Meister aufgetragen hat. Von daher kommt es, dass die frömmsten und ruhmreichen Herrscher mehr ihr Gefallen daran finden, Diener und Knechte des Allerhöchsten genannt zu werden und zu sein als Herren und Könige der Menschen. So nennt sich der heilige König stellung der Heiligkeit des Staates an; hierzu s. Kantorowicz, The King’s Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology. Princeton/New Jersey 1957, 21966; deutsche Übersetzung „Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters“. Übersetzt von Walter Thumer, Brigitte Hellmann. München 1990. Zum möglichen antiken Hintergrund s. Anm. 35. 8– 8 Vgl. Cathwulf S. 503 Z. 3. 9 Als Herrschaftsinsignien ergeben sich das Szepter (s. bei Anm. 5), königlicher Purpur, dazu das herrscherliche Diadem, das nach dem versifizierten Anhang (Hellmann, Sedulius Scottus S. 24 v. 15 f.) neben königlicher Zierde (decus) steht und konkretes Äquivalent zu Gottesliebe und Gottesfurcht ist. 10 Insigniter (sichtbar zierend) bezeichnet im Wortspiel (insignia) den Parallelismus (s. Anm. 7) eindrucksvoll. 11 Vgl. Rom 13, 1; dort die von (BBalt)F gebrachte Form (s. Anm. m); zur Problematik s. Jonas Anm. 142. 12 Das Bild der trutina rectitudinis (Waage der Richtigkeit) wird in seiner prinzipiellen Bedeutung (s. Jonas Anm. 57) erfassbar, wenn ordinabiliter im Sinn von höherer Ordnung gesehen wird. 13–13 Vgl. Rom 13, 4 – 6. Zu dem Herrscher als minister Dei s. Anton, Herrscherethos S. 369 – 372.
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David rex et propheta eximius saepe servum Domini se nominat, nec non et inclitus filius eiusdem Salemon Omnipotentem deprecans inter cetera sic ait: „Respice ad orationem servi tui et ad preces eius, Domine Deus meus; audi hymnum et orationem, quam servus tuus orat coram te hodie, ut sint oculi tui aperti super domum hanc nocte ac die, super domum, de qua dixisti: ,Erit nomen meum ibi‘“14. Unde et celeberrimae memoriae magnus Constantinus imperator credito atque perfecto salutaris crucis et catholicae fidei mysterio,15 cum 16laetanti eius imperio etiam religio valde florebat16, 17non sibimet arrogans Omnipotenti gratias referebat, quia ministrum oportunum eum habere dignatus fuerat Deus sui consilii. Ecce imperator eminentissimus plus gratulabatur se Dei fuisse ministrum quam terrenum habuisse imperium. Hinc ipse, quia minister supernae voluntatis fuerat, a Britannico mari usque ad loca orientis regnum dilatavit17 pacificum, et quoniam Omnipotenti semet ipsum subdiderat, 18cuncta hostilia bella, quae sub eodem sunt gesta, potentialiter atque felicitero superavit18. 19Construebat et amplis opibus Christi ditabat ecclesias19. Hinc ei superna gratia triumphales concessit habere victorias, quia procul dubio sacri rectores, quanto plus se regi regum humiliter subiciunt, tanto magis ad gloriosae dignitatis eminentiam sublimiter ascendunt. Quis autem non miretur, quantos honores praefatus Salemon Domino rependerit, postquam regnip sceptrum Deo auctore susceperit, quam sapientissima devotione templum Domini construxerit atque mirifice ornaverit, quantas denique pacificas hostias Deo obtulerit? Hinc fructum suae devotionis atque orationis percepit, sicut apparens ei Dominus locutus est dicens: „Audivi orationem tuam et deprecationem tuam, quam deprecatus es coram me, sanctificavi domum hanc, quam aedificasti, ut ponerem nomen meum ibi in sempiternum; et erunt oculi mei et cor meum ibi cunctis diebus. Tu quoque si ambulaveris coram me, sicut ambulavit pater tuus in simplicitate cordis et
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fideliter APG. Fehlt NBBalt.
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und herausgehobene Prophet David oft Knecht Gottes; auch sein berühmter Sohn Salomo sagt, indem er den Allmächtigen inständig bittet, unter anderem: „Achte auf das Gebet und die Bitten Deines Knechtes, mein Herr und Gott; höre den Hymnus und das Gebet, das Dein Knecht heute vor Dir betet, dass Deine Augen offen sind über dieses Haus des Nachts und des Tages, das Haus, von dem Du gesagt hast: ,Mein Name wird dort sein‘“.14 So brachte auch der große Kaiser Konstantin, nachdem er das Geheimnis des heilbringenden Kreuzes und der katholischen Lehre im Glauben angenommen und ihm in der Tat entsprochen hatte,15 als 16beim Wohlergehen seines Reiches auch die christliche Religion in Blüte stand16, 17indem er dies nicht für sich in Anspruch nahm, dem Allmächtigen seinen Dank dafür dar, dass dieser ihn für würdig befunden hatte, ihn als Diener seines Heilsplanes zu haben. In der Tat, der einzigartig überragende Kaiser rühmte sich mehr, Diener Gottes gewesen zu sein, als ein irdisches Reich gehabt zu haben. So hat er denn, da er Diener des höchsten Willens war, seine Friedensherrschaft vom britannischen Meer bis zu den Gebieten des Ostens ausgedehnt17, und da er sich selbst dem Allmächtigen untergeordnet hatte, 18hat er alle feindlichen Angriffe, die zu seiner Zeit geführt wurden, machtvoll und glücklich überwunden18. 19Er ließ Christus Kirchen bauen und sie mit reichen Gaben ausstatten19. So gewährte ihm die Gnade des Himmels triumphale Siege, denn ohne Zweifel steigen die heiligmäßigen Herrscher umso mehr zur Erhabenheit ruhmvoller Würde empor, je mehr sie sich in Demut dem König der Könige unterordnen. Wer möchte sich denn nicht wundern, welch große Ehren der erwählte Salomo dem Herrn zurückerstattete, nachdem er auf Geheiß Gottes das Szepter des Reichs erhalten hatte, mit welch einzigartig weiser Hingabe er Gottes Tempel erbaute und wundersam schmückte, wie viele unblutige Opfer er schließlich Gott darbrachte? Dafür empfing er die Frucht seiner Gesinnung und seines Opfers, wie es ihm Gott kundtat bei seinem Erscheinen: „Ich habe Dein Gebet und Deine Bitte erhört, die Du zu mir gebracht hast; ich habe dieses Haus, das Du gebaut hast, geheiligt, dass ich meinen Namen auf ewig darauf legte; und meine Augen und mein Herz werden alle Tage dort sein. Wenn auch Du vor mir wandelst, wie es Dein Vater tat in der Einfalt und Geradheit des Herzens, und wenn Du alle meine Vorschrif14
3 Reg 8, 28 – 29. Vgl. Cassiodor-Epiphanius I, 4, 3; 7– 9; I, 5, 1; 3 –7; II, 18, 11–13; Fredegar II, 42. 16–16 Cassiodor-Epiphanius I, 9, 8. 17–17 Vgl. Cassiodor-Epiphanius I, 9, 2; III, 7, 10. 18–18 Vgl. Cassiodor-Epiphanius I, 9, 9; s. bes. Sedulius Scottus c. 15 (Hellmann, Sedulius Scottus S. 67). Zur mittelalterlichen Tradition (Fredegar, Clemens Peregrinus) Anton, Königsvorstellungen S. 297 mit Anm. 71. 19–19 Vgl. Cassiodor-Epiphanius II, 18, 13. 15
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in aequitate, et feceris omnia, quae praecepi tibi, et legitima mea et iudicia mea servaveris, ponam thronum regni tui super Israhel in sempiternum, sicut locutus sum David patri tuo dicens: ,Non auferetur de genereq tuo vir de solior Israhel‘“20. Itaque si ille rex Salemon pro sacra devotione proque construenda domo terrestri Domini tantams remunerationis gloriam habere promeruit, quam inaestimabilem habebit gloriae palmam, si quis Deo amabilis rector sanctam perornaverit ecclesiam, quae est Dei vivi spirituale tabernaculum? tSed haec, quae breviter stilo prosali diximus, aliqua versuum dulcedine concludamust.21 … II. Qui apicem regiae dignitatisu Domino praestante ascenderit, oportet, ut se ipsum primum regat, quem divina dispositio alios regere ordinavit.22 23 Rex enim a regendo vocatur23. Tunc autem hoc nomine se veraciter appellari intelligitv, siw semet rationabiliter gubernare non ignorat.22 Rex itaque orthodoxus summopere studeat, ut, qui subditis bona concupiscit imperare aliorumque errata disponit corrigere, ipse mala non admittat, quae districte in aliis corrigit, et bona, quae imperat, ante omnes implere contendat. Sex autem modis bonus rector sese laudabiliter regit: primo quidem, 24dum illicitas cogitationes animi severitate reprimit24; secundo, dum salubria consilia tam ad suam quam ad populi utilitatem pertinentia pertractat; tertio, cum otiosa et inutilia seu noxia inanium verborum folia profluere devitatx; quarto, cum gloriosorum principum prudentiam simul et verba nec non divinae scripturae 25eloquia 26super mel et favum26 mentis faucibus25 sapificaty; quinto,
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regno B. genere F. s tantum BAP. t–t Fehlt NBBaltF. u potestatis G. v intelligat AP. w qui AFPG. x devitet AP, devertat G. y sapificet AFP. r
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ten durchführst und alle meine Gesetze und Urteile bewahrst, werde ich den Thron Deiner Herrschaft über Israel auf ewig setzen, wie ich es Deinem Vater David gesagt habe: ,Nicht weggenommen wird ein Mann aus Deinem Geschlecht vom Thron Israels‘“.20 Wenn aber jener König Salomo für seinen heiligen Eifer und für den Bau eines irdischen Hauses Gottes solche ruhmvolle Belohnung zu erhalten verdiente, welch unschätzbare Palme des Ruhmes wird es geben, wenn ein gottgefälliger Herrscher die heilige Kirche schmückt, die das geistliche Tabernakel des lebendigen Gottes ist? Doch was hier kurz im Prosastil gesagt ist, soll mit der Süßigkeit einiger Verse abgeschlossen werden.21 … 2. Wer mit Gottes Hilfe die höchste Spitze der königlichen Würde erklommen hat, der muss zunächst sich selbst lenken, er, den die göttliche Vorsehung dazu bestellt hat, andere zu lenken.22 23Der König hat nämlich vom Leiten und Lenken seinen Namen23. Dann kann er sich mit jenem Namen zu Recht bezeichnet wissen, wenn er selbst sich nach den Grundsätzen der Vernunft zu leiten die Fähigkeit hat.22 Der rechtgläubige König hat also vor allem dafür Sorge zu tragen, dass er, der bestrebt ist, den Untertanen Gutes zu befehlen, und es betreibt, die Irrtümer anderer zu bessern, selbst nicht schlechte Dinge zulässt, die er bei anderen streng korrigiert; und er muss größte Mühe aufwenden, das Gute, das er anordnet, vor allen anderen zu erfüllen. Es gibt sechs Arten, auf die sich ein guter Herrscher vorbildlich lenken kann. Erstens, 24indem er unerlaubte Gedanken mit strenger geistiger Zucht unterdrückt24; zweitens, indem er Pläne, die sich sowohl auf seinen als auch auf den Nutzen seines Volkes beziehen, betreibt; drittens, wenn er es vermeidet, müßige, nutzlose und schädliche Wortblasen sich ausdehnen zu lassen; viertens, wenn er die Klugheit und die Worte ruhmvoller Herrscher, besonders das 25Gotteswort der Heiligen Schrift 26mehr als Bienenhonig26 in 20
3 Reg 9, 3 – 5. Vgl. Boethius: De consolatione philosophiae. Hrsg. v. Claudio Moreschini. München, Leipzig 2000 (BSGRT); 4, 6, 57. 22 Zum Vorstellungsgehalt der ethisch-etymologischen Interpretation des Begriffs rex und zu der Tradition s. zu Jonas Anm. 50, 51; dazu noch die wohl aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. stammenden Catonis Disticha S. 237 Z. 6. Für Sedulius Scottus ist die Aufnahme dieser Tradition bei insularen Autoren (Pseudo-Cyprianus 9 S. 51; Cathwulf S. 503 Z. 35 f.; Alkuin, Epistolae [wie Jonas Anm. 63] Ep. 18 S. 51 Z. 31 f.; 300 S. 458 Z. 20 f.) wohl nicht unerheblich. 23– 23 Zum Zitat s. Anm. 22. 24– 24 Vgl. Gregor d. Gr., Reg. past. II, 2 S. 178. 25– 25 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum VIII, 5, 7; XIII, 1, 1: Ps 118, 103. 26– 26 Ps 18, 11; Ecli 24, 27. 21
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dum perniciosae actionis omne dedecus perpetrare expavescitz; sexto vero, cum, si qua sunt laudabilia, si qua sunt gloriosae dispositionis opera magnifica, insigniter ostendita; ut, qui interius coram Domino devota fulgescit voluntate, exterius coram populo sermone clarescat et opere.27 Quem decet 28 trinam observare regulam, terrorem scilicet et ordinationem atque amorem; nisi enim ametur pariter et metuatur, ordinatio illius constare minime poterit. Ergo per beneficia et affabilitatem procuret, ut diligatur, et per iustas vindictas non propriae iniuriae, sed legisb Dei studeat, ut metuatur28. Hunc esse oportet 29in suis oculis humilem29, sicut scriptum est: Rectorem te posuerunt, noli extolli, sed esto in illis quasi unus ex ipsis30; 31nec solum iuste hominibus, sed sui corporis et animae passionibus debetc dominari31, quatinus rector iure queat nuncupari, sicut quidam sapiens ait: Rex erit, qui recte faciet; qui non faciet, non erit32. Sit ergo consilio prudentissimus, in sermone nunc, ut dposcit ratiod, terribilis, saepius vero gratia dulcedinis affabilis, victor libidinis, victor superbiae atque vesanae ferocitatis, 33amicus bonorum, inimicus tyrannorum, hostis criminum, hostis viciorum, // in bello cautissimus, in pace constantissimus33, fidelibus promissionibus probatissimus, divina humanis praeponens, 34subiectos deterrens a malo, invitans ad bona, re-
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expavescat AFP, erubescit N. ostendat AFPN. b legi APG, lege K. c Fehlt Ed. PG, noverit F. d–d possit P. a
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seinem Geist25 mit Genuss aufnimmt; fünftens, wenn er vor jeder Schmach übler Tat zurückschreckt; sechstens, wenn er lobwürdige, großartige Werke ruhmvoller Anordnung weithin sichtbar herausstellt; zusammengefasst, dass er nach innen vor dem Herrn mit demütigem Wollen glänzt, nach außen vor dem Volk in Rede und Werk sich ruhmvoll darbietet.27 Er muss eine 28dreifache Grundregel beachten, Schrecken, Gestaltungskraft und Liebe; wenn er nämlich nicht zugleich geliebt und gefürchtet wird, kann seine herrscherliche Gestaltung keinen Bestand haben. Er muss also durch Wohltaten und Leutseligkeit dafür sorgen, dass er geliebt wird, durch gerechte Strafen, nicht zur Rache für selbst erlittenes Unrecht, sondern für die Verletzung des Gesetzes Gottes, dass er gefürchtet wird28. Er muss 29in seinen Augen niedrig sein29, wie geschrieben ist: Sie haben Dich als Herrscher eingesetzt, erhebe Dich nicht, sondern sei unter den anderen wie einer von ihnen;30 31er muss weiter nicht nur gerecht über Menschen, sondern über die Affekte seines Körpers und Gemütes herrschen31, damit er zu Recht Lenker genannt werden kann, wie dies ja auch bei einem Weisen gesagt ist: König ist, wer recht handelt; wer nicht so handelt, ist es nicht.32 Er sei deshalb im Planen äußerst klug, in der Rede bisweilen, je nach Erfordernis und Staatsräson, schreckenerregend, häufiger im Gunsterteilen freigebig, Sieger über seine Begierde, Sieger über Überheblichkeit und rasende Wildheit, 33Freund der Guten, Feind der Tyrannen, Feind der Verbrechen, Feind der Laster, // im Krieg äußerst besonnen, im Frieden äußerst beständig33, äußerst bewährt in der Treue zu Versprechungen, Göttliches dem Irdischen vorziehend, 34die Untertanen 27 Die Korrelation inneres Verhalten – äußere Präsentation ist wieder ausgeführt; s. Anm. 7. 28– 28 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XIII, 37, 3 entsprechend Pseudo-Cyprianus 6 S. 43 f. 29– 29 Vgl. 2 Reg 6, 22. 30 Sedulius Scottus, Collectaneum XIII, 37, 40: Ecli 32, 1. 31– 31 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XXVI, 1 nach Cassiodor-Epiphanius I, 1, 11. 32 Sedulius Scottus, Collectaneum LXXX, 22, 11 – Porphyrio: Commentarii in Q. Horatium Flaccum. Hrsg. v. Alfred Holder. Innsbruck 1894 (Ndr. 1967); zu Horaz, Epist. I, 1, 59 f. S. 319. Zur spätantiken und frühmittelalterlichen Tradition s. Anton, Herrscherethos S. 388 f. Das im Deutschen nicht nachvollziehbare Wortspiel rector – regere (Lenker, Leiter – lenken), rex (König) – recte facere (recht handeln) lässt einen Normwert der karolingischen Reform, den der rectitudo (Richtigkeit), konkret werden. 33– 33 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum LXXVIII, 66 nach SHA XXII: Valeriani duo 5, 6 und Collectaneum LXXVIII, 70 nach SHA XXIV: Tyranni Triginta 3, 1. 34– 34 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum LXXVIII, 11 nach SHA IV: Marcus Antonius Philosophus 12, 2.
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munerans copia, indulgentia liberans, ex malis bonos, ex bonis faciens optimos34. Sit 35sanctus et utilis rei publicae, clementia commendabilis, omni bonitate conspicuus, pietate, fortitudine, castitate, iustitia praeclarus,35 vir optimus et apice principali dignissimus, Dei timorem semper prae oculis habens et secundum Omnipotentis decreta iusta perpensanse iudicia, 36qui dat salutem regibus36 et 37omnia, quaecumque vult, facit in caelo et in terra et in omni37 creatura, quia ipse est 38dominus omnium38, cui 39omne genu flectiturf caelestium, terrestrium et infernorum39, in cuius manu est 40omnis potestas in caelo et in terra40, qui est 41rex regum et spes gloriae iuste et pie dominantium41. III. Regnum huius saeculi momentaneum 42volubilis rotae42 vertigini sapientes esse consimile iudicaverunt.42 Nam sicut omnis rotae vertigo, quae superiora habet, modo deicit et, quae deiecta sunt, modo superius extollit, ita
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pensans N. flectit AF.
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vom Bösen abschreckend, zum Guten einladend, mit Fülle belohnend, mit Gnadengewährungen befreiend, aus den Schlechten Gute, aus den Guten die Besten machend34. 35In heiligem Eifer sei er dem Staat geweiht und um dessen Nutzen bemüht, durch seine Milde sei er als Vorbild empfehlenswert, durch seine Güte sei er weithin ausgezeichnet, durch Frömmigkeit, Tapferkeit, Keuschheit, Gerechtigkeit sei er berühmt,35 ein alles überragender Mann und für den Gipfel der Herrschaft in höchstem Maße würdig, die Furcht des Herrn habe er immer vor Augen, nach den Maßgaben des Allmächtigen habe er stets gerechte Urteile im Sinn; nach den Setzungen jenes Allmächtigen, 36der den Königen Heil gibt36 und 37alles, was er will im Himmel, auf der Erde und in jedem37 Geschöpf tut, der 38der Herr aller38 ist, dem 39 sich jedes Knie beugt, derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind39, in dessen Hand 40alle Gewalt im Himmel und auf Erden40 ist, der 41König der Könige und Hoffnung auf Ruhm aller gerecht und fromm Herrschenden ist41. 3. Weise haben gefunden, die zeitlich flüchtige Herrschaft dieser Welt sei dem Schwung des 42beweglichen Rades42 sehr ähnlich.42 Denn wie jede Drehung eines Rades das Obere bald abwirft und bald auf die Höhe emporhebt, was ganz unten ist, so hat der Ruhm der irdischen Herrschaft plötzlich Em35– 35
Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum LXXVIII, 28 – 30; vgl. SHA XVII: Alexander Severus 4, 5 (s. ebd. 27, 5); XX: Gordianus 5, 3. In der Abfolge des Collectaneum steht zunächst wörtlich die wichtige sakralisierende Aussage, die also paganantiken Hintergrund hat (dazu s. auch Anm. 7), es folgt ein Exzerpt aus der Vita des Alexander Severus, das im Königsspiegel nicht aufgenommen ist, schließlich der variierte Auszug aus der Gordianus-Vita Vir nobilis, magnanimus, disertus, iustus, continens, bonus, der hier mit den Begriffen bonitas, fortitudo, castitas, iustitia frei verwertet ist. Nicht identifiziert ist das in Collectaneum LXXVIII, 32 folgende Vir omni bonitate conspicuus et sanctis moribus commendabilis, omni virtutum genere praepollens, das im Text in Ausschnitten begegnet. 36– 36 Ps 143, 10. 37– 37 Vgl. Ps 134, 6. 38– 38 Gal 4, 1. 39– 39 Phil 2, 10. 40– 40 Matth 28, 18. 41– 41 Vgl. 1 Tim 6, 15. 42 Der Autor greift hier vielleicht auf sein, nicht identifiziertes, Exzerpt aus Collectaneum XIII, 11, 4 In volubili rota humane vite senaria varietas inesse cognoscitur zurück. Die Sammlung enthält beträchtliches Material, das Parallelen zu Texten der Irischen Kanonensammlung aufweist; die Zahlenspezifizierung spricht für ihre Herkunft aus dem irischen Raum. Von dort könnte auch der Vergleich von Herrschaft und Reich mit einem Rad stammen, aus Spruchweisheiten der Tecosca-Texte; s. Anton, Pseudo-Cyprian S. 572 f., S. 592 – 595; ders. Königsvorstellungen S. 287– 291.
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subito erectiones, subito elisiones terrestris gloria regni sustinet; unde nec veros, sed imaginarios et citius fugitivos honores habet. Illud enim verum regnum est, quod in sempiternum perduratg, hoc autemh, quia transitorium est et caducum, non veritatem, sed quandam mediocriter similitudinem veri et permanentis semper regni ostendit.43 Sicut enim arcus 44caeli varios pingens ornatus arcuato curvamine44 celeriter refugit, ita nimirum saecularis gloriae dignitas: quamvis ad praesens ornata, tamen est citius fugitiva. Qua itaque arte et quali industria quantaque sollicitudine haec instabilitasi ad aliquam stabilitatis effigiem refrenatur? Fortek vero aut armorum violenta fortitudine aut pacifica tranquillitatis concordia terrestre regnum stabilitatur? Sed rursus in ipsis armis 45bellorumque fragoribus45 grandis instabilitas inesse cernitur. Quid enim incertius est magisque instabile 46bellicis eventibus46, ubi nullus est certus laboriosi certaminis exitus, nulla certa victoria et saepe ab inferioribus sublimiores superantur, nonnunquam vero 47in alterutros vergentia mala47 eveniunt coaequalia et, qui se praesumebant habituros esse victoriam, utrique in fine non habent nisi calamitosam miseriam? Quanta quoque mala sub 48ficto nomine pacis proveniantl 48, quis explicare potest, cum etiam illa pax, quae stabilis ac firma inter bonos esse credebatur, interdum per prava malorum consilia in exitiosas discordiarum tempestates transferaturm, unde et inormisn instabilitas in pace transitoria videtur!
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durat N. enim A. i instabilita B. k sorte B. l proveniunt AP. m transfertur AFP. n enormis Ed. Sedulius Scottus, Carmina (wie Anm. 48) 41, 30 S. 73. h
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porschnellen, plötzlich wieder Abfallen zu gewärtigen; daher birgt er keine wahren, sondern nur eingebildete und allzu schnell fliehende Ehren. Wahrhaft ist eine Herrschaft, die in Ewigkeit dauert, diese [irdische] aber, da sie vorübergehend und hinfällig ist, zeigt keine Wahrheit, sondern unvollständig eine gewisse Ähnlichkeit mit der wahren und immer bleibenden Herrschaft.43 Wie nämlich ein Bogen am 44Himmel, der verschiedenste Farben malend vortäuscht, wenn seine Rundung am vollkommensten abgeschlossen ist44, schnell wieder entschwindet, so verhält es sich mit Wert und Würde irdischen Ruhmes: obschon für eine kurze Gegenwart prächtig geschmückt, so doch allzu flüchtig enteilend. Mit welcher Kunst, mit welcher Bemühung und mit welcher planenden Umsicht kann diese Unbeständigkeit eingegrenzt werden zu einem Abbild von Stetigkeit? Kann etwa irdische Herrschaft durch tapfere Gewalt im Waffengebrauch oder durch friedensfördernde Eintracht der Ruhe gefestigt werden? Doch ist deutlich zu erkennen, dass mit Waffengebrauch im Kriegsgetöse45 große Unsicherheit verbunden ist. Wobei gibt es größere Ungewissheit46 und größere Unfestigkeit als 46bei kriegerischen Vorgängen46, wo es keinen sicheren Ausgang für kräftezehrenden Kampf, keinen sicheren Sieg gibt, wo oft die Überlegenen von den Schwächeren überwunden werden, wo manchmal 47gleiches Unglück sich zu beiden Seiten wendet47, so dass sie beide, die jeweils für sich den Sieg zu haben erwarteten, am Ende außer einem verheerenden Elend nichts haben? Wie viele Übel aber 48 aus dem vorgegebenen Wort des Friedens entstehen48, wer kann das erklären, da doch sogar jener Friede, der unter Guten fest und sicher zu herrschen schien, bisweilen durch verderbte Ratschläge von Schlechten in unheilvolle Schrecklichkeit von Zwietrachten verwandelt wird, womit eine ungeheure Unfestigkeit im vorübergehenden, kurzzeitigen Frieden aufscheint! 43 Die grundsätzlichen Ausführungen bis zu der konkreten Frage nach Möglichkeiten zur Sicherung (s. u. stabilitatis effigies – Abbild von Stetigkeit) greifen das Thema der augustinischen Geschichtsphilosophie auf, der Differenz zwischen irdischer und jenseitiger Herrschaft. Sedulius Scottus führt sein Prinzip analogischen Strukturvergleichs dahin, dass irdische Herrschaft nur Ähnlichkeit (similitudo) mit dem Gottesreich hat, die Ehren irdischer Herrschaft sind nur imaginarii (eingebildete). Zu Letzterem ist vielleicht die Kontrastierung von vergangener echter Herrschaft des römischen Reichs und gegenwärtiger vorgegebener (imaginariae) bei Jordanes zu vergleichen: Jordanes: Romana. Hrsg. v. Theodor Mommsen MGH AA 5, 1. Berlin 1882 (Ndr.) S. 1– 52, hier S. 2. 44– 44 Vgl. Ovid, Met. XI, 590. 45 S. Anm. 2. 46– 46 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XXII, 16 aus Orosius I, 14, 2. 47– 47 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XXII, 3 aus Orosius I, 1, 12. 48– 48 Sedulius Scottus: Carmina. Hrsg. v. Jean Meyers. Turnhout 1991 (CC CM 117); 41, 83, wohl nach (nicht verifizierter) Vorlage.
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Quid ergo aliud restat, nisi ut cor regis ac tota spei fiducia non in armorum hominumque fortitudine neque in pacis transitoriae fallacia, sed in Omnipotentis clementia figatur, qui regnum, quod donavito, sive in adversis, sive in prosperis stabilire novit? Cor itaque principis et fidelis in ministerii regimine49 devotio ipsum non deserat, a quo tantum beneficium50 et gloriosum ministerium51 donatum fuit, ne forte ille summus rector indignatus ab eo abstrahat beneficium, quod dederat, si infidelem esse senserit, quem tamquam fidelem ministrum ordinavit. Nam si rex terrenus a quolibet sibi infideli homine52 datam auferre valet potestatem aliique tribuit, quem fideliorem esse comperit, quanto magis supernus universorum dominator, quem nullius perfidiae nubila fallere possunt, potens est a reprobis sua abstrahere beneficia aliisque praestare, quos idoneos suae voluntatis ministros noverit esse? 53 Unde et impius ille Saul rex Israhel privatus fuit regno et vita, quoniam neque fidelis minister extitit coram Domino; at vero David 54virum electum secundum cor suum54 Omnipotens invenit, quem ob hoc in apicem regiae potestatis sublimavit, quia illum fidelem fore ministrum praesciendo55 elegit53. Itaque prudens rector cor56 suum in Excelsi 56gratia stabilire56 studeat, si transitorium regnum, quod est ei commissum, aliquam stabilitatis habere similitudinem desiderat; et quoniam57 iustus 57et misericors est Dominus57, cui cordis affectu debet inhaerere, opera misericordiae multipliciter exhibeat, ut
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dotavit A.
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Was bleibt also anderes, als dass der König in seinem Herzen in fester Zuversicht sein Vertrauen nicht auf Stärke von Waffen und Menschen, auch nicht auf die Falschheit vorüberhuschenden Friedens setzt, sondern auf die Milde des Allmächtigen, der die Herrschaft, die er gegeben hat, sei es im Glück, sei es im Unglück, festigen kann? Das Herz des Herrschers und seine treue Hingabe bei der Lenkung seines Amtes49 dürfen sich nie von demjenigen wenden, von dem ein solch großes Lehen50 und das ruhmvolle Amt51 geschenkt wurde, damit nicht der höchste Herrscher verärgert ihm das Lehen entzieht, das er ihm gegeben hatte, wenn er den als wider seine Treuverpflichtung handelnd finden sollte, den er als treuen Diener eingesetzt hat. Denn wenn schon der irdische Herrscher von irgendeinem der Treupflicht nicht nachkommenden Gefolgsmann52 die übertragene Macht wegnehmen kann und sie einem anderen überträgt, den er als getreuer erfunden hat, um wie viel mehr ist der oberste Allherrscher, den keine die Treulosigkeit verschleiernden Wolken täuschen können, mächtig, seine Lehen den Verworfenen zu entziehen und sie anderen zu gewähren, die er als geeignete Diener seines Wollens erkannt hat? 53Daher wurde jener frevlerische König Israels, Saul, der Herrschaft und des Lebens beraubt, da er nicht als getreuer Diener vor dem Herrn stand; doch David befand der Allmächtige als 54Mann, den er nach seinem Herzen gewählt hatte54, und deshalb erhöhte er ihn zum Gipfel königlicher Macht, weil er bei seiner Wahl desselben im voraus55 wusste, dass er ein treuer Diener sein werde53. Deshalb muss sich der klug bedachte Staatslenker bemühen, sein 56Herz in der Gnade56 des Allerhöchsten zu befestigen56, wenn er danach strebt, dass das zeitlich vorübergehende Reich, das ihm anvertraut ist, irgendeinen Abglanz von Stabilität haben soll; und 57 da der Herr57 gerecht 57und barmherzig ist57, dem er aus tiefstem Herzen anhängen soll, soll er vielfach Werke des Erbarmens üben, auf dass er viel 49 Man beachte die Polarität ministerii regimen (die vorwiegend administrativtechnische Seite des Amtes) und gloriosum ministerium (die ideelle und symbolische Sinnfülle). 50 Die Begriffe beneficium, fidelis, infidelis homo entstammen der Sphäre des sich verfestigenden Feudal- oder Lehenswesens: Lehen, Leihgabe; treuer Lehensträger; die Treupflicht negierender Gefolgs-, Lehensmann. 51 S. Anm. 49. 52 S. Anm. 50. 53– 53 Vgl. für die biblischenVorgänge 2 Reg 3 – 5, 3. 54– 54 Verbindung von Act 13, 22 und 3 Reg 11, 34. 55 Die Vorstellung der Vorauswahl des Herrschers ist unabhängig von den Auseinandersetzungen in der Prädestinationsfrage, s. etwa Cathwulf S. 502 Z. 15 – 20; Smaragd Sp. 933B. 56– 56 Hebr 13, 9. 57– 57 Ecli 2, 13.
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multam mercedis gloriam metat. Iustitiam diligat simul atque custodiat, iniustap vero atque maligna opera in subiectis repudiet ac laudabili zelo, quiq est 58secundum scientiam58, corrigat. Qui dum sit in divinis praeceptis stabilis, illius regnum magis magisque in hoc saeculo stabilitur et ad aeterna stabilitatis gaudia superno iuvamine perducitur. IV. Omnis autem regia potestas, quae ad utilitatem rei publicae59 divinitus est constituta, non tam caducis opibus ac terrestri fortitudine quam sapientia cultuque divino est exornanda. Quoniam procul dubio tunc populus providi arte consilii gubernabitur, adversarii Domino propitiante profligabuntur, 60 provinciae regnumque conservabitur60, si regia sublimitas religione et sapientia perornetur. Namque 61hominis naturam Deus hanc esse voluit, ut duarum rerum ipse homo cupidus et appetens esset, religionis et sapientiae61. Est autem religiosa sapientia saluberrimum decus, 62devotarum lumen animarum, caeleste donum et gaudium sine fine mansurum62. Qui ergo vult gloriose regere ac sapienter populum gubernare et vehemens in consiliis esse, 63a Domino postulet sapientiam, qui dat omnibus affluenter et non improperat63, ipsamque sapientiam studioso labore simul et amore perquirat, quatinus ei congruat illud, quod scriptum est: Beatusr, qui invenit sapientiam et
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iniusticiam B. Ed., quae Hss. beatus est AFP.
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Lohn und Ruhm ernte. Er soll die Gerechtigkeit lieben und zugleich bewahren, unrechte und bösartige Taten bei den Untertanen soll er zurückweisen und mit jenem lobenswerten Eifer, der 58nach der Vernunft bemessen58 ist, bessernd abstellen. Sofern jemand mit Festigkeit an den Vorschriften Gottes festhält, wird sein Reich und seine Herrschaft in dieser Welt befestigt werden und wird er mit Hilfe von oben zu den ewigen Freuden jenseitiger Festigkeit geführt. 4. Jede königliche Gewalt, die zum Nutzen des Staatswesens59 von Gott eingerichtet ist, muss sich veredeln, nicht so sehr durch zum Vergehen bestimmte Machtmittel und irdische Tapferkeit wie durch Weisheit und Gottesverehrung. Ohne Zweifel wird dann nämlich das Volk mit der Kunst vorausschauenden Planens regiert, werden die Feinde mit Gottes Gunst und Hilfe in die Flucht geschlagen, 60Provinzen und Königreich bewahrt60, wenn die königliche Erhabenheit durch Religion und Weisheit ausnehmend geziert ist. Gott hat 61die Natur des Menschen so haben wollen, dass der Mensch auf zwei Dinge in natürlichem Streben bedacht sei, auf Religion und Weisheit61. Die mit der Religion durchtränkte Weisheit ist im höchsten Maße heilbringende Zierde, 62das Licht gottergebener Seelen, Geschenk vom Himmel, unvergängliche Freude62. Wer also das Volk ruhmvoll lenken und weise regieren und tatkräftig in seinen Planungen sein will, 63der erbitte vom Herrn Weisheit, der allen reichlich gibt und nicht Vorhaltungen macht63, und er durchforsche die Weisheit in eifriger Hingabe und Liebe, damit auf ihn zutreffe, was geschrieben ist: Glücklich, wer die Weisheit findet und über-
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Rom 10, 2. Im weithin unter insularem Einfluss personal gehaltenen Königs- und Herrschaftsbild ist neben den Termini gubernare, ministerium, minister der direkte Bezug der königlichen Gewalt auf den Nutzen des Staates markant für objektivierende Sehweisen. Zu solchen Sehweisen in den Teilsammlungen XIII und XXV des Collectaneum s. Anton, Königsvorstellungen S. 287– 291. 60– 60 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XX, 12: Quis dubitet autem bellicam rebus omnibus esse potiorem, per quam libertas retinetur, et dignitas propagatur; provinciae conservantur et imperium? aus Vegetius: Epitome Rei Militaris. Hrsg. v. Alf Önnerfors. Stuttgart 1995 (BSGRT); III, 10. Bezeichnenderweise lässt der Autor provinciae aus der Vorlage stehen, während er korrekt regnum setzt. Dies passt gut zu dem aus den (Kirchen-)Provinzen Trier und Köln erwachsenen regnum Lotharii. 61– 61 Laktanz: Divinae institutiones. Hrsg. v. Samuel Brandt. Wien u. a.1890 (Ndr. 1965) (CSEL 19, 1); III, 11, 2. 62– 62 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XIX, 2 aus Cassiodor: Institutiones divinarum et saecularium litterarum. Hrsg. von Roger A. B. Mynors. Oxford 1937, Praefatio 10 S. 9. 63– 63 Iac 1, 5. 59
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qui affluit prudentia. sMelior est acquisitio eius negotiatione argenti et auro purissimo, fructus eius preciosior est cunctis opibus, et omnia, quae desiderantur, huic non valent comparari. Longitudo dierum in dextera eius, et in sinistra illius divitiae et glorias 64 ceteraque, quae in laudibust sapientiae describuntur. Ille itaque rector vere beatus est celebrandus, qui splendore illuminatur sapientiae, quae est fons consiliorum, fons sacrae religionis, corona principum, origo virtutum, in cuius comparatione omnes pretiosarum claritates gemmarum vilescunt. Haec cautissima est in consiliis, mirabilis in eloquiis, magnifica in operibus, fortis in adversis, temperans in prosperis, oculosa65 in iudiciis. Haec suos amatores caelesti gratia venustat et tamquam sidereum firmamentum eosdem clarificat, sicut scriptum est: Iusti fulgebunt quasi stellae, et intelligentes quasi firmamentum66; haec Salemonem 67prae cunctis terrarum regibus67 sublimavit, quia 68illam dilexitu ab adolescentia sua et amator factus est decoris eius68. Unde, sicut in Regnorum libris legitur, ipsi Salemoni apparuit Dominus per somnium nocte dicens: „Postula, quod vis, ut dem tibi“69. A quo, cum 70Salemon, cum esset puer, cor docile postularet, ut iudicare posset populum Domini et discernere inter bonum et malum70, tale responsum a Domino percepit: Quia postulasti verbum hocv et non petisti tibi dies multos nec divitias aut animas inimicorum tuorum, sed postulasti tibi sapientiam ad discernendum iudicium, ecce feci tibi secundum sermones tuos et dedi tibi cor sapiens et intelligens in tantum, ut nullus ante te similis tibi fuerit nec post te surrecturus sit. Sed et haec, quae non postulasti, dedi tibi, divitias scilicet et gloriam, ut nemo fuerit similis tui in regibus cunctis retro diebus. Si autem ambulaveris in viis meis et custodieris praecepta mea et mandata mea, sicut ambulavit David pater tuus, longos faciam dies tuos71. O quam ineffabile est divinae largimentum gratiae! Quae si recto cor-
s–s t u v
Fehlt Ed. AFP. laudabilibus AF. amavit P (Vulg.). Fehlt AFP.
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fließt an Klugheit. Besser ist ihr Erwerb als Handel mit Silber und reinstes Gold, ihre Frucht ist kostbarer als alle Schätze; und alles, was man erstrebt, kann nicht mit ihr verglichen werden. In ihrer Rechten hält sie die Länge der Tage, in ihrer Linken Reichtum und Ruhm64 und das Weitere, was zum Lob der Weisheit beschrieben ist. Jener Herrscher ist wahrhaft glücklich zu preisen, der vom Glanz der Weisheit umleuchtet ist, der Weisheit, die Quelle der guten Pläne ist, Quelle der heiligen Religion, Krone der Herrscher, Ursprung der Tugenden, im Vergleich zu der alle Helligkeiten kostbarer Edelsteine wertlos werden. Sie ist sehr vorsichtig beim Planen, wunderbar in der Rede, prächtig in den Werken, tapfer im Unglück, maßvoll im Glück, sehend und umsichtig65 in den Urteilen. Sie schmückt ihre Liebhaber mit göttlicher Gnade und verklärt sie gleich dem gestirnten Firmament, wie denn auch geschrieben ist: Die Gerechten werden glänzen wie die Sterne und die Einsichtigen gleich wie das Firmament.66 Diese zeichnete Salomo 67vor allen Königen der Erde67 aus, denn 68sie liebte er von seiner Jugend an und er wurde zum Liebhaber ihres Glanzes68. Deshalb erschien, wie in den Büchern über die Königreiche geschrieben ist, der Herr ebendiesem Salomo nachts im Traum und sagte: „Fordere, was Du willst, damit ich es Dir gebe“69. Als 70Salomo, da er ein Knabe war, ein gelehriges Herz erbat, damit er das Volk Gottes richten könne und unterscheiden zwischen Gut und Böse70, erhielt er vom Herrn folgende Antwort: Da Du dieses Wort erbeten hast und nicht viele Tage und nicht Reichtümer und die Seelen Deiner Feinde, sondern Weisheit für Dich zu unterscheidendem Urteil, siehe, daher habe ich Dir nach Deinen Worten getan und habe Dir ein weises und einsichtiges Herz gegeben, so dass keiner vor Dir Dir ähnlich war, noch später ein solcher auftreten wird. Aber auch das, worum Du nicht gebeten hast, habe ich Dir gegeben, Reichtum und Ruhm, so dass keiner von den Königen alle Tage vorher Dir ähnlich war. Wenn Du aber auf meinen Wegen wandeln wirst, wie Dein Vater David wandelte, werde ich Dir langes Leben geben.71 Oh, wie unaussprechlich ist das Geschenk der göttlichen Gnade! Wenn sie wahren Her64
Prov 3, 13 –16; zum Umfang der Zitation in den Hss. s. Anm. s. Siehe Aldhelm: De metris et enigmatibus ac pedum regulis. Hrsg. v. Rudolf Ehwald: Aldhelmi Opera MGH AA 15. Berlin 1919 (Ndr.), S. 59 – 204, hier 135 S. 188. Das seltene Wort oculosus ist vielleicht Hinweis, dass der gesamte Textzusammenhang ab Ille itaque aus insularer Vorlage stammt. 66 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum VIII, 3, 6 zusammengefügt aus Sap 3, 7, Dan 12, 3 und Matth 13, 43. 67– 67 Vgl. Ps 88, 28. 68– 68 Vgl. Sap 8, 2. 69 3 Reg 3, 5. 70–70 Vgl. 3 Reg 3, 7; 9. 71 3 Reg 3, 11–14. 65
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de et pia intentione poscitur, plus donat quamw rogatur. Ecce rex Salemon non aurum, non argentum, non alias opes terrenas, sed sapientiae gazas poposcit a Domino; at qui simplum recte postulaverat, duplum accepit, nam non solum ditatus est sapientia, sed et sublimatus est inclita regni gloria. Unde regibus terrae egregium datur exemplum, quatinus spiritualia dona plus quam carnalia72 pio desiderio ab Omnipotenti exposcant, si diu et feliciter in hoc saeculo regnare desiderant. 73Decet igitur amabilem Deo principem discendi habere voluntatem desideriumque caelestium; sic enim vere et cor74 habet 74in manu Dei74 et regnum cum pace multis annorum curriculis favente Domino gubernabit73. V. Rex pius et sapiens tribus modis regendi ministerium gerit.75 Nam primo se ipsum, quomodo in superioribus ostendimus, secundo uxorem propriam et liberos suosque domesticos, tertio populum sibi commissum rationabili et glorioso moderamine regere debet.76 Bonum itaque principem non solum sibimet dominari oportet, dum a malis declinet et, quae bona sunt, eligat et firmiter teneat, sed etiam alios sibi coniunctiores, uxorem videlicet, liberos atque domesticos provida sollicitudine ac familiari caritate gubernet. Hoc autem faciens duplicem thesaurizat sibi gloriae palmam, ut, dum in se
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quam quod Ed. AFP.
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zens und frommen Sinnes im Bitten angegangen wird, schenkt sie mehr, als erbeten wird. Siehe, König Salomo bat nicht um Gold, um Silber, um andere irdische Schätze, sondern die Kleinodien der Weisheit erbat er vom Herrn; da er aber das Einfache geraden Sinnes erbeten hatte, empfing er das Doppelte, denn er wurde nicht nur mit Weisheit bereichert, er wurde erhöht mit weit dringendem Ruhm der Herrschaft. Damit wird den Königen der Erde ein hervorragendes Beispiel gegeben, dass sie geistliche Gaben mehr als irdisch-fleischliche72 in frommem Eifer von dem Allmächtigen erbitten sollen, wenn sie lange und glücklich in dieser Welt regieren wollen. 73Der gottgefällige Herrscher muss also den Willen zum Lernen haben und das Streben nach dem Himmlischen; dann hat er wahrhaft 74sein Herz in Gottes Hand74 und wird sein Reich mit Frieden viele Jahresläufe lang mit Gottes Gnade regieren.73 5. Ein frommer und weiser König führt das Amt der Lenkung und Regierung in dreifacher Hinsicht aus.75 Zum ersten muss er sich selbst, wie es oben gezeigt worden ist, als zweites seine eigene Frau, seine Kinder und sein Hausgesinde, schließlich das ihm anvertraute Volk in vernunftgeleiteter und ruhmvoller Steuerung lenken.76 Ein guter Regent muss nicht nur über sich selbst Herrschaft üben, indem er Böses meidet, Gutes vorzieht und daran festhält, sondern auch die anderen ihm näher Verbundenen muss er in umsichtiger Sorge und familiärer Zuneigung regieren, seine Frau, die Kinder und das Hausgesinde. Wenn er dies tut, erwirbt er die Palme des Ruhmes als Schatz, wobei er, indem er selbst für seine Person gut und heilig ist, die ande-
72 Der Terminus carnalia vielleicht bewusst mit Blick auf Lothars II. Eheangelegenheit; dazu s. Anton, Verfassungspolitik S. 281 f. 73–73 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XXVI, 59 aus Cassiodor-Epiphanius VII, 3, 5. Kennzeichnend für die Bildungsrenaissance: discendi voluntas. 74–74 Prov 21, 1. 75 Hatte der Autor in Kapitel 3 (s. o. bei Anm. 49 – 54) das herrscherliche Amt (ministerium) aus der Vorstellung des Herrschers als Diener Gottes (minister Dei) abgeleitet, so erscheint das Amt hier nicht mehr als Besitz, sondern als Auftrag zur Aktion, die die im Namen König implizierten Aufgaben zu bewältigen hat. Name und Amt fallen zusammen, das ministerium regis ist nun ministerium regendi, s. Anton, Herrscherethos S. 416 f. 76 Wie bei Jonas von Orléans angedeutet (s. dort Anm. 52) erscheint hier die bei Boethius und Cassiodor dargelegte Dreiteilung der politischen Philosophie (Ethik, Ökonomik, Politik), die später bei Aegidius Romanus mit großer Nachwirkung aufgegriffen wurde (s. Senellart S. 181 mit Anm. 2), in spezifisch personenbezogener Brechung. Der zweite Pol in der dreifachen Lenkung, Haus oder Familie, ist bei Sedulius Scottus konkretisiert in Frau, Kindern und Hausgesinde des Herrschers, offenbar mit Blick auf Lothars II. Eheproblematik; dazu s. Anm. 72 und bes. Anm. 84, 87.
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bonus et sanctus sit, alios sibi coniunctos bonos faciat et sanctos iuxta psalmistam, qui ait: Cum sancto sanctus eris, et cum viro innocente innocens eris77 et reliqua. 78Non enim sufficit propriam habere honestatem, nisi pudicae et castae coniugis nec non etiam filiorum et comitum ac ministrorum pudore decoretur dicente David: Ambulans in via immaculata, hic mihi ministrabat79 78. 80Nam sicut lilium agri aliorum holerum ac violarum multiplici pulchritudine venustatur80, et sicut luna stellarum splendore xcircum astantiumx gratius emicat, ita nimirum rex iustus et sapiens aliorum societate bonorum perornatur. Is ergo perspicaciter procuret, ut non solum nobilem, pulchram ac divitem, sed et castam, prudentem quoque atque in sanctis virtutibus morigeram habeat coniugem. Nam quantum coniunx iure est coniunctior, tantum aut felle malitiae fit noxia aut morum dulcedine mellea.81 yUt enimy 82mulier inepta domus est ruina, divitiarum defectio, iniquorum saturatio, omnium malorum et vitiorum commoratio82, quae 83diversis superstitionibus vultum exterius ornans83 interiorem animae suae pulchritudinem nescit decorare, 83quem diligit hodie, odit in crastino83, et sicut quidam ait: Naufragium rerum est mulier malefida marito84 – ita e contrario 85casta et prudens mulier utilibus rebus disciplinabiliter intendens humili facie hilari-
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circumstantium Ed. AFP. etenim Ed.
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ren ihm Verbundenen gut und heilig macht, nach dem Psalmisten, der sagt: Mit dem Heiligen wirst Du heilig sein, und mit dem unschuldigen Mann wirst Du unschuldig sein77 usw. 78Es genügt nämlich nicht, für sich selbst Vorbildlichkeit zu besitzen, wenn sie nicht von der Ehrenhaftigkeit einer züchtigen und schamhaften Frau und auch der Kinder, der Hofbeamten und der Diener geschmückt wird, nach dem Wort Davids: Auf dem unversehrten Weg wandelnd, diente dieser mir79.78 Denn, 80wie die Lilie des Feldes durch die vielfache Schönheit der übrigen Pflanzen und Veilchen geziert wird80, und wie der Mond durch den Glanz der ihn rund umgebenden Sterne anmutiger und lieblicher strahlt, so wird der gerechte und weise König durch Gemeinschaft mit anderen Guten veredelt. Er hat mit größter Umsicht Vorsorge zu treffen, nicht nur eine vornehme, schöne und reiche, sondern auch eine keusche, kluge und ihm in heiligen Tugenden willfährige Frau zu haben. Denn wie sehr die Frau ihm von Rechts wegen verbunden ist, so sehr kann sie durch das Gift der Schlechtigkeit ihm verderblich werden oder anderenfalls durch die Wonne ihrer Tugenden lieblich.81 Wie es gilt: 82Eine schlecht geartete Frau bedeutet Ruin des Hauses, Verschleuderung des Reichtums, Sättigung der Taugenichtse, Verweilort aller Schlechtigkeiten und Laster82; während 83sie nach außen ihr Gesicht mit irrer Abgötterei schmückt83, vermag sie die innere Schönheit ihrer Seele nicht zu verzieren; 83wen sie heute liebt, hasst sie morgen83; und wie es einer sagt: Ruin für das Vermögen ist dem Mann eine unzuverlässige Frau84, – so gilt im gegenteiligen Fall: 85Eine keusche und kluge Frau, die mit Zucht und Bedacht die nützlichen Dinge betreibt, lenkt mit bescheidener Miene und heiterer Rede ruhig die Kinder
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Ps 17, 26 (f.). Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XIII, 6, 26 – 27 aus Hieronymus: Dialogus adversus Pelagianos. Hrsg. v. Claudio Moreschini. Turnhout 1990 (CC SL 80); I, 23 S. 30. 79 Ps 100, 6. 80– 80 S. Widmung von Proverbia Grecorum I S. 10 = III, 3 S. 16 = Sedulius Scottus, Collectaneum I Prol.: Sicut enim herbarum holera et lilia agri viam defendunt, wo zweimal Bibelwendungen begegnen: herbarum holera (Ps 36, 2) und lilia agri (Matth 6, 28). 81 Der literarischen Technik des Sedulius Scottus entspricht es ebenso wie seinem moralisch-politischen Anliegen, wenn er Begriffe vorwiegend der erotisch-sexuellen Sphäre (morigerus, melleus) hier in die dem Anliegen korrespondierende Sphäre hineinnimmt. 82– 82 Proverbia Grecorum I, 37 S. 12 = Sedulius Scottus, Collectaneum I, 37. 83– 83 Vgl. Proverbia Grecorum I, 62 S. 14 = Sedulius Scottus, Collectaneum I, 62; Schlussteil wörtlich. 84 Catonis Disticha S. 237 Z. 7. 78–78
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que sermone pacifice liberos et familiam regit85, proque viri salute, si necesse fuerit, suam animam opponit morti 85ac divitias, quae sunt mariti sui, cum bona fama custodit. Qui est amicus eius heri, idem et amicus hodie85. 86Fit ergo ipsa divitiarum deductio et domus confirmatio, viri iocunditas, familiae pulchritudo omniumque virtutum connexio86. Talem autem decet non solum viro suo casta copula esse connexam et subditam, sedz pietatis et sanctae conversationis semper ostendere formam ac prudentium consiliorum esse repertricem. Sicut enim persuasione malae coniugis damnosa nascuntur pericula, ita prudentis uxoris consilio multa proveniunt utilia, quae sunt Omnipotenti beneplacita, unde et apostolus ait, quoniam vir infidelis salvatura per mulierem fidelem.87 Nec solum infideles, sed etiam sancti et orthodoxi principes mirabilem saepe in uxoribus perpendunt et auscultant prudentiam, non sexum fragilem considerantes, sed fructus bonorum consiliorum carpentes. Unde et de gloriosi imperatoris Theodosii venerabili coniuge nomine Placilla refertur, quod ipse princeps, dum in se bonus et iustus et sapiens erat, habebat et aliam utilitatis occasionem, per quam de bonis operibus triumpharet. Coniux enim eius divinas leges eum saepius admonebat se ipsam tamen perfecte prius erudiens. Non enim regni fastigiis elevata est, sed potius divino amore succensa. Beneficii namque magnitudo maius ei desiderium benefactoris adhibebat; repente namque venit ad purpuram. Claudorum atque debilium maximam habebat curam, non servis, non aliis ministris utens, sed per semet ipsam agens et ad eorum habitacula veniens et unicuique, quod opus haberet, praebens. Sic etiam per ecclesiarum xenodochia discurrens suis manibus ministrabat infirmis, ollas eorum tergens, ius gustans, offerens coclearia, panem frangens cibosque ministrans, calicem deluens et alia cuncta faciens, quae servis et ministris mos est sollemniter operari. His autem, qui eam de rebus talibus nitebantur prohibere, dicebat: „Aurum distribuere opus imperii est; ego autem pro
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sed etiam B. salvabitur AFP.
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und die Familie85 und setzt für das Wohl des Mannes, sollte es notwendig sein, ihr Leben aufs Spiel und 85hält den Besitz, der ihrem Mann gehört, ehrenhaft zusammen. Wer ihr Freund gestern war, ist auch heute ihr Freund85. Sie wird zur 86Mehrung des Besitzes, zum Schutz des Hauses, zum Ergötzen ihres Mannes, zur Zierde der ganzen Familie, zur Verknüpfung aller Tugenden86. Eine solche Frau muss nicht nur mit ihrem Mann im keuschen Ehebund verknüpft und ihm untertan sein, sondern auch stets Frömmigkeit und frommen Wandel in ihrem Leben dartun und stets den Rat von Klugen aufnehmen. Wie nämlich durch Überredung einer schlechten Frau verhängnisvolle Gefahren entstehen, so kommt durch den Rat einer klugen Frau viel Nützliches, das Gott wohlgefällig ist, zustande, gemäß dem Apostel: Ein ungläubiger Mann wird durch eine gläubige Frau87 gerettet. Nicht nur ungläubige, sondern auch heilige und rechtgläubige Herrscher orientieren sich an der bewunderungswürdigen Klugheit von Frauen, sehen dabei nicht auf die Zerbrechlichkeit ihres Geschlechts, sondern ernten die Früchte ihrer guten Ratschläge. So wird von der verehrungswürdigen Gattin des ruhmvollen Kaisers Theodosius mit Namen Placilla (!) berichtet, dass der Kaiser, für sich selbst gut, gerecht und weise, einen weiteren Grund für den Nutzen hatte, durch den er mit guten Werken triumphierte. Seine Frau, die sich selbst vorher schon zur Vollkommenheit bildete, mahnte ihn öfter an die göttlichen Gesetze. Durch die Erhabenheit des Herrschertums wurde sie nicht überheblich, sondern vielmehr durch Liebe zu Gott entflammt. Die Größe der ihr zuteil gewordenen Wohltat steigerte ihre Sehnsucht nach dem Geber umso mehr; unvermutet kam sie nämlich zum Kaiserpurpur. Mit größter Hingabe kümmerte sie sich um Lahme und Schwache, dabei nahm sie nicht den Dienst von Sklaven, nicht von anderen Dienern in Anspruch, sondern in eigener Person kam sie zu deren Wohnungen und reichte einem jeden, was er nötig hatte. So eilte sie durch die kirchlichen Hospitäler, diente mit eigenen Händen den Kranken, wischte ihre Kochtöpfe ab, schmeckte ihre Suppe vor, reichte ihnen Löffel, brach ihnen das Brot, trug die Speisen auf, spülte die Becher ab und machte alles Übrige, was Knechte und Diener gewöhnlich verrichten. Denjenigen, die sie von solchen Dingen abhalten wollten, sagte sie: „Gold auszuteilen ist Sache des Reichs; ich aber biete diese Wer85– 85
Vgl. Proverbia Grecorum I, 62 S. 14 = Sedulius Scottus, Collectaneum I, 62. Bezeichnenderweise setzt der Autor casta et prudens statt bona der Vorlage und fügt liberos hinzu. Da Lothars II. Ehe mit Theutberga kinderlos blieb, aus der Nebenehe mit Waldrada Kinder vorhanden waren, der Dichter sich aus der legalen Ehe (s. v. 15 f., Hellmann, Sedulius Scottus S. 37, im Anschluss an das Kapitel) Kinder erhofft (s. v. 17– 24), dürfte das Werk zwischen 855 und 857 verfasst sein. 86– 86 Proverbia Grecorum I, 37 S. 12 = Sedulius Scottus, Collectaneum I, 37. 87 1 Cor 7, 14.
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ipso imperio hoc opus offero bona mihi omnia conferenti“. Nam viro suo saepe dicebat: „Oportet te semper, marite, cogitare, quid dudum fuisti, quid modo sis. Haec si semper cogitaveris, ingratus benefactori non eris, sed imperium, quod suscepisti, legaliter gubernabis et harum rerum placabis auctorem“. His ergo sermonibus velut optimam quandam utilitatem virtutisque habundantiam coniugi suo offerebat88. 89 bCuius terrenae prosapiae nobilitatem alma transcendebat nobilitas morum. Illius autem sacratissimae mentis in Christo devotionem ac religiosum studium et caritatis erga omnes affectum atque fidelissimam curam erga viri sui, domini imperatoris Theodosii, salutem quis digna eloquentiae tuba explicare potest? Quantum laborabat in ieiuniis, in vigiliis, in orationibus, quantis opibus sanctas Dei aecclesias ditabat, quam piam sollicitudinem et indefessae largitatis munificentiam pauperibus exhibebat! O templum Deo sacratum, virtutum aromatibus refertum, floribus et rosa pudicitiae cum timore Dei simul et amore decoratum! Humiliavit se in hoc seculo, ut esset exaltata in futuro, terrenas distribuit opes, ut aeternas lucraretur divitias, hic flevit, ut illic semper gaudeat. Hic ieiunans et sitiens se ipsam affligebat; hinc ad fontem vitae eternae pervenit, et nunc regem in decore suo clarificatum, quem semper desiderabat, beatis oculis speculatur et illis fruitur bonis, quae 90nec oculus vidit, nec auris audivit, nec in cor hominis ascendit, quae praeparavit Dominus diligentibus seb 90 89. VI. In humanis rebus nulla91 quidem ars91, ut dicunt, difficilior est quam91 inter 92turbulentissimas tempestatum huius saeculi procellas92 91bene imperare91 et provide rem publicam gubernare. Sed haec ars tunc ad finem perfec-
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Fehlt AFP.
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ke für das Reich selbst an, das mir alle Güter darbietet.“ Ihrem Mann sagte sie oft: „Du musst immer bedenken, was Du einst warst, was Du bald wirst. Wenn Du das immer bedenkst, wirst Du dem göttlichen Wohltäter nicht undankbar sein, sondern das Reich, das Du empfangen hast, nach den Gesetzen regieren und den Urheber dieser Dinge wohlgesonnen stimmen.“ Mit solchen Reden bot sie ihrem Gatten in gewisser Weise besten Nutzen und ein Übermaß an Tugend.88 89Den Adel ihrer irdischen Herkunft überstieg weit ihr hoher Seelenadel. Wer ist in der Lage, mit würdiger, erhabener und eloquenter Rede ihre tief fromme Ergebenheit gegenüber Christus, ihren religiösen Eifer, ihre allen gegenüber bezeugte Nächstenliebe und ihre treueste Sorge um das Seelenheil ihres Mannes, des Kaisers Theodosius, darzustellen? Welchen Mühen unterzog sie sich im Fasten, im Wachen, im Beten, mit welch reichen Schätzen beschenkte sie die heiligen Kirchen Gottes, welch fromme Sorge und nie erlahmende Freigebigkeit ließ sie den Armen angedeihen! Oh, Gott geweihter Tempel, mit Balsam der Wunder gefüllt, durch mit Gottesfurcht und Gottesliebe durchsetzte Rosenblüten der Keuschheit verziert! Sie demütigte sich in dieser Welt, auf dass sie in der zukünftigen erhöht wäre, sie teilte irdische Schätze aus, auf dass sie ewige Reichtümer gewänne, hier weinte sie, auf dass sie dort auf immer sich freue. Hier kasteite sie sich mit Fasten durch Hunger und Durst, dort gelangte sie zur Quelle des ewigen Lebens, jetzt sieht sie mit glücklichen Augen den in seinem Glanz verherrlichten König, nach dem sie sich immer sehnte, und genießt die Güter, die 90 kein Auge gesehen hat, von denen kein Ohr gehört hat, von denen nichts in des Menschen Herz gedrungen ist, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben90.89 6. In den menschlichen Dingen ist keine Kunst91, wie man sagt, schwieriger, als91 in den 92aufgewühltesten Stürmen und Unwettern dieser Welt92 91 gut zu herrschen91 und mit Umsicht den Staat zu regieren. Diese Kunst aber kommt dann zu ihrer höchsten Vollendung, wenn das Gemeinwesen 88
Cassiodor-Epiphanius IX, 31. Bei den genannten Personen handelt es sich um Kaiser Theodosius I. (379 – 395) und Flaccilla, mit der er 376 die Ehe geschlossen hatte, und die 386 starb. 89– 89 Der an das Cassiodor-Epiphanius-Zitat anschließende Text ist nicht mit Hellmann in den Apparat zu verbannen und mit Bieler (wie Einleitung Anm. 39) S. 166 Anm. 1 als Interpolation zu werten. Im Blick auf das Kernthema, die Ehe des Königs, ist er organisch angeschlossen. 90 1 Cor 2, 9, verschränkt mit Iac 1, 12; 2, 5. 91– 91 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum LXXVIII, 80 nach SHA XXVI: Aurelianus 43, 2. 92– 92 Vgl. Collectaneum LXXIII, 20 in Aufnahme von Isidor: In Exodum PL 83, Sp. 287– 322; 56, Sp. 317C.
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tionis pervenit, cum ipsa res publica prudentes et optimos consiliarios habet. Trina autem regula in consiliis est observanda. Prima quidem, ut divina consiliac praeponantur humanis, cum 93oboedire magis oporteat Deo quam hominibus93. Si quis ergo navim rei publicae tamquam bonus gubernator regere feliciter disponit et exoptat, optima Domini consilia, quae in sacris eloquiis sunt propalata, non negligenter custodiat. Secunda vero consiliorum est regula, quatinus providus rector non tam in suo quam in suorum prudentissimorum innitatur consilio. Unde illa 94Antoniid imperatoris praecipua semper94 in consiliis 94fuit sententia: „Aequius est, ut ego tot talium amicorum consilium sequar, quam ut tot tales amici meam unius voluntatem sequantur“94, Salemone95 quoque hoc ipsum attestante, qui ait: 95Dissipantur cogitationes, ubi non est consilium; ubi vero plurimi sunt consiliarii, confirmantur96, et erit salus, ubi multa consilia97 sunt95. Nam 98prudens prudentes in consilium vocat et sine eorum consilio nihil facit, stultus vero in semet ipso cogitat et, quod sine consilio aliorum cito vult, facit.98 Porro tertia norma in consiliis est obtinenda, ne bonus rector dolosos et perniciosos habeat consiliarios. Quis enim debet in consiliis malignantium confidere? 99Nam sicut vallis per campos et laquei in plateis et pedicae, ubi non putantur, pedes aliorum retinent, ita impiorum consilia99 felle nequitiae permixta 99iustis et sanctis in itineribus male impediunt99. Sicut enim boni consiliarii sursum rem publicam erigunt, sic mali deorsum ruinosa calamitate praecipitant. Tales ergo repudiandi sunt consiliarii atque omnimodis detestandi, quia 100numquam circa principem terrenum devoti erunt, qui Dei praecepta100 male conversando contemnunt100. Cui enim possunt esse boni, qui sibi sunt mali? Sed sicut omnipotentis Dei saluberrima divulgandae sunt consilia atque praecepta, ita nonnumquam prudentium rectorum ab hostibus sunt occul-
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Fehlt P. Antonini AF. devulgando Ed. AFP.
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selbst kluge und hervorragende Ratgeber hat. Bei dem Ratgeben ist eine dreifache Regel zu beachten. Die erste ist, dass göttliche Ratschläge und Pläne den menschlichen vorgezogen werden müssen, da 93man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen93. Wenn also jemand sich vornimmt und wünscht, das Schiff des Staates wie ein guter Steuermann glücklich zu lenken, darf er nicht nachlässig mit den besten Ratschlägen, denen Gottes, verfahren, die in den heiligen Schriften offenkundig gemacht sind. Die zweite Regel bei Ratschlägen ist, dass der umsichtig bedachte Herrscher sich nicht so sehr auf seinen eigenen Rat als auf den seiner Klügsten stützen soll. Daher war bei Ratschlägen und beim Ratgeben 94vorrangig immer der Satz des Kaisers Antoni[n]us: „Es ist gerechter und billiger, dass ich dem Rat so vieler und solcher Freunde folge, als dass so viele und solche Freunde meinem Willen als dem eines Einzigen willfahren.“94 Salomo95 bezeugt dies auch, indem er sagt: 95Zunichte gemacht werden die Gedanken, wo nicht der rechte Plan ist, wo aber sehr viele Ratgeber sind, werden sie bekräftigt,96 sowie Heil wird sein, wo viele Pläne97 sind.95 Denn 98ein Kluger ruft Kluge in seinen Rat, der Törichte denkt bei sich selbst, und was er ohne Rat anderer schnell durchführen will, setzt er in die Tat um.98 Als dritte Maxime beim Ratgeben ist zu beachten, dass ein guter Herrscher nicht hinterhältige und staatsgefährliche Ratgeber hat. Wer kann etwa den Ratschlägen von Boshaften trauen? 99Denn wie eine Senke in Feldern und Fallstricke auf den Straßen und Schlingen an unvermuteten Stellen die Füße anderer festhalten, so hindern die Ratschläge von Gottlosen99, die mit dem Gift der Niedertracht durchsetzt sind, 99auf gerechten und heiligen Wegen in übler Weise99. Wie nämlich gute Ratgeber den Staat hoch aufrichten, so stürzen ihn schlechte in verderbenbringendem Sturz nach unten. Solche Berater sind auf jede Weise zurückzuweisen und abzulehnen, weil diejenigen 100niemals dem irdischen Herrscher völlig loyal ergeben sein werden, die100 in ihrem schlechten Wandel 100Gottes Anordnungen verachten100. Wem können die gut sein, die sich schlecht sind? Doch wie die höchst heilsamen Ratschläge des allmächtigen Gottes und seine Verordnungen unbedingt öffentlich darzutun sind, so sind andererseits bisweilen die Pläne kluger Herrscher vor den Feinden zu verheimlichen. Im 93– 93
Act 5, 29. Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum LXXVIII, 13 nach SHA IV: Marcus Antoninus 22, 4. 95– 95 Sedulius Scottus, Collectaneum XIII, 29, 10 f. 96 Prov 15, 22. 97 Prov 11, 14. 98– 98 Proverbia Grecorum I, 26 S. 12 = Sedulius Scottus, Collectaneum I, 26. 99– 99 Proverbia Grecorum I, 53 S. 14 = Sedulius Scottus, Collectaneum I, 53. 100–100 Sedulius Scottus, Collectaneum XXVI, 4 nach Cassiodor-Epiphanius I, 7, 3. 94– 94
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tanda consilia. Siquidem in re publica 101nulla sunt meliora consilia quam illa, quae ignoraverit adversarius101. Etenim 102securum iter agitur, quod agendum hostes minime suspicantur102. 103Duo vero maxime contraria sunt consilio, festinatio et ira103; nam ira obcaecat animum, ne utile videat consilium, et quomodo 104longa consilia fpoenitentiam non habent104, sic econtra 104festinata consiliaf plerumque labuntur104. Tunc autem praecipue consilium ad prosperitatis eventum perducitur, cum regia fiducia in Omnipotentis auxilio figitur. Unde vero post Deum bona prodeunt consilia nisi a fidelibus et optimis amicis, qui promerentur superna illustrari gratia, ut non errent in consilio, quorum provida deliberatione divina inspirante clementia saepe salubris consilii 105botrus carpitur105? Absit vero, ut crudeles tyrannos tamquam infestos dracones bonus habeat princeps amicos, quod pantheris exemplo animalis astruitur: siquidem panther genus quadrupedis106 est et, ut physici perhibent, omnium animalium amicus, excepto dracone106. Illorum itaque amicitiam habeat, quos probos esse cognoscit. Qui sunt autem boni amici nisi illi, qui sunt 107sancti ac venerabiles, non malitiosi, non furaces, non factiosi, non callidi, non ad malum consentientes, non bonorum inimici, non libidinosi neque crudeles, non circumventores sui principis, gsed sancti, continentes, religiosi, amatores principis suig, et qui de illo nec ipsi rident nec risui esse volunt, qui neque mentiuntur nec fingunt et numquam decipiunt107, sed veraces, sobrii, prudentes atque in omnibus suo principi fideles? Talibus itaque personis salva efficitur res publica piique regnatoris fama crescit et gloria.
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Fehlt P. Fehlt NBBalt.
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Staat 101gibt es keine besseren Planungen als die, die der Feind nicht kennt101. 102 Der Marsch wird sicher unternommen, von dessen Planung die Feinde nicht die geringste Ahnung haben102. 103Zwei Dinge stehen dem [vernünftigen] Rat entgegen, Übereilung und Jähzorn103; denn Zorn macht den Geist blind, so dass er nützliche Planung nicht sieht, und 104wie lang erwogene Pläne keine Reue nach sich ziehen, so fallen übereilte Pläne meistens in sich zusammen104. Dann wird besonders die Planung zum guten Ausgang geführt, wenn der König sein Vertrauen fest auf die Hilfe des Allmächtigen setzt. Woher kommen nach Gott aber noch gute Pläne, wenn nicht von den treuen und den besten Freunden, die sich Erleuchtung durch die göttliche Gnade verdienen, so dass sie sich beim Raten nicht irren, auf deren weitsichtiges Abwägen unter göttlicher Erleuchtung hin oft die Traube105 heilsamen Rates 105 gepflückt wird105? Fern sei, dass ein guter Herrscher in grausamen Tyrannen gleichsam feindliche Drachen zu Freunden hat, was am lebenden Beispiel des Panthers veranschaulicht wird: Der Panther ist eine Gattung der Vierfüßler106, wie die Zoologen sagen, Freund aller Lebewesen, mit Ausnahme des Drachens106. Der Herrscher unterhalte also Freundschaft mit denen, die er als gut und rechtschaffen erkannt hat. Wer sind aber gute Freunde, wenn nicht die, die 107heilig und verehrungswürdig sind, nicht bösartig, nicht diebisch, nicht herrschsüchtig, nicht verschlagen, nicht Bösem zustimmend, nicht Feinde der Guten, nicht wollüstig und grausam, nicht Umgarner ihres Herrschers, sondern heilig, enthaltsam, fromm, Verehrer ihres Herrschers, die über diesen weder selbst lachen noch ihn zum Gespött haben wollen, die nicht lügen und nichts vormachen, nie täuschen107, sondern die wahrhaftig, nüchtern, klug und in allem ihrem Herrscher getreu sind? Bei solchen Leuten wird der Staat mit Glück gesegnet und wächst Ansehen und Ruhm des frommen Staatslenkers. 101–101 Sedulius Scottus, Collectaneum XX, 17 = Vegetius (wie Anm. 60) III, 26. Signifikant ist, wie der Autor im Anschluss an den Militärschriftsteller hier und im Folgenden Staatsräson im Kontext christlich-naturrechtlicher Wertungen vorstellt. 102–102 Sedulius Scottus, Collectaneum XX, 10 = Vegetius (wie Anm. 60) III, 6. 103–103 Sedulius Scottus, Collectaneum LXXX, 6, 18 = Caecilius Balbus: Sententiae: Publilius Syrus S. 81– 95 und S. 243 – 260; S. 253 f. zu Sent. 113 S. 84. 104–104 Sedulius Scottus, Collectaneum LXXX, 6, 8; nicht weiter zu verifizierende Glossa Consentanea. 105–105 Vgl. Sedulius Scottus, Collectaneum XXIV, 48 nach Augustinus: Tractatus in Iohannis evangelium CXXIV. Hrsg. v. Radbod Willems. Turnhout 1954 (CC SL 36); XLVI, 6, Z. 15; Z. 19 f. 106 Sedulius Scottus, Collectaneum LXXIII, 7; vgl. Isidor, Et. XII, 2, 8; vielleicht gemeinsame Vorlage. 107–107 Vgl. Sedulius Scottus, Collectaneum LXXVIII, 54 nach SHA XVIII: Alexander Severus 66, 1– 2.
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In den folgenden Kapiteln 7–13 (Hellmann, Sedulius Scottus S. 41– 62) werden Themen entfaltet, die in den ersten, hier vorgestellten Kapiteln angeklungen und teilweise ausgeführt sind. In den Kapiteln 7 und 8 geht es um schlechte Herrscher. In Kapitel 7 (S. 41 f.) verrät der Autor für seine Zeit exzeptionelles Gespür für die Psychologie der Macht. Sein Exzerpt aus der Aurelian-Vita der Scriptores Historiae Augustae bringt er, um die Person des Regenten, die Macht(fülle) und schließlich die Umgebung als Ursachen für die Entstehung des Phänomens zu benennen. Im nächsten Abschnitt (S. 43 – 46) setzt er Augustins Grundkategorie der iustitia vorweg, ohne die die Reiche zu Räuberhöhlen werden, das insular-mythische Bild des Löwen nimmt er für den ungerechten König (rex impius) aus den Proverbia Grecorum. Breites alttestamentliches Material veranschaulicht die Verwerfung ungerechter Herrschaft, die die Norm der via regia (Num 2, 22) verfehlt. In großer Zahl werden Beispiele schlechter Herrscher vom orientalischen Großkönig über christenverfolgende römische Kaiser bis hin zu dem ausführlich behandelten Arianer Theoderich d. Gr. in abschreckender Intention präsentiert. In den folgenden vier Kapiteln (S. 46 – 50) ist im Gegensatz zu solch negativer Ausführung das Bild des friedfertigen, gerechten und frommen Königs gezeigt. Die ersten beiden beruhen weitgehend oder ganz auf insularem Material: Das für dieses typische Zahlenmoment ist aus den Proverbia Grecorum übernommen. Zu den sieben Besonderheiten der Schöpfung gehört der friedfertige König im Ruhm seiner Herrschaft (rex pacificus in gloria regni sui), acht Säulen seiner Gerechtigkeit illustrieren die Herrschertugenden (c. 9 S. 46, c. 10 S. 49). Im ersten Fall ist irische Herrschaftsmetaphorik mit einer Reihe von alttestamentlichen und spätantiken Zeugnissen über vorbildhaft friedensstiftende Regenten zusammengeführt (c. 9 S. 46 – 49) und der Idealherrscher in dem Vorstellungen wesentlich späterer Jahrhunderte vorwegnehmenden Vergleich als Abbild der göttlichen Trinität (trinitatis
XIX. Nam quisquis est prudens et sanctus Christiani populi dominator, beneficiorum Domini semper fith memor ideoque beneficii largitorem honoribus magnificat, a quo honoratum iet magnificatumi se esse cognoscit, piaque affectione de privilegiis et causis sanctae matris ecclesiae, quae est sponsa Dei vivi, conservandis et augendis nec non de honore ac reverentia sacerdotali laudabilem sollicitudinem habet. Tunc enim se fidelem Dei esse cultorem ostendit, dum Christiana devotione, quicquid ad honorem et gloriam Christi sanctaeque eius ecclesiae pertinet, ordinabiliter disponere fideli fervore studet seque omnibus adversitatibus, si necesse fuerit, ob defensionem populi Dei tamquam scutum obicit, qui se suumque regnum divina protectione deh i–i
sit B. Fehlt AFP.
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imago) (S. 49) gerühmt. In den beiden anschließenden Abschnitten (c. 11, c. 12 S . 50 – 58) thematisiert Sedulius Scottus ein Kernanliegen: das Verhältnis des Herrschers zur Kirche. Konkret ist es in der regelmäßigen Veranstaltung von Synoden zu realisieren. Aus der Kirchengeschichte von Cassiodor-Epiphanius werden für den Sachverhalt die spätantiken Herrscher, allen voran Konstantin d. Gr., als Normfiguren präsentiert (S. 50 – 53). Auf das persönliche Schicksal des Adressaten ist dann wohl abgehoben, wenn Bußgesinnung des Königs, für die David und Theodosius d. Gr. die Vorbilder sind, gegenüber Bischöfen als den Seelenhirten gefordert wird (S. 54 – 58). Der Zusammenhang wird abgeschlossen mit einem Kapitel, in dem im aretologischen Schema Hauptlaster (Grausamkeit, Zorn) und Tugenden (gerechter Eifer) einander gegenübergestellt sind (c. 13 S. 58 – 61). Mit dem letzten Gedanken ist das Thema für die folgenden fünf Kapitel des Buches (c. 14 –18 Hellmann, Sedulius Scottus S. 62 – 84) angeschlagen: das Verhalten des christlichen Herrschers zum Krieg und im Krieg. Mit Rekurs auf das Volk Israel, das das christliche Volk präfiguriert (c. 15 S. 71), und auf die spätantike Kaisergeschichte wird eine christliche Kriegsethik entwickelt. Als Axiom gilt der von Augustin metaphysisch gegründete Frieden (De civ. Dei XIX, 13: c. 17 S. 77), der Krieg ist davon abweichende Nothandlung. Mit speziellerer Thematik wird der Komplex konkretisiert: mit der notwendigen Versöhnungsbereitschaft des christlichen Kriegerkönigs (c. 17 S. 77– 80) und mit seiner Dankespflicht Gott gegenüber (c. 18 S. 81– 84) im Fall des Sieges. Die Gruppe dieser fünf Kapitel wird zusammengeschlossen durch das 16. Kapitel (S. 72 –77), in dem von dem speziellen Aspekt her (S. 75) Unglück in der Herrschaft behandelt wird. Von den Proverbia Grecorum her ist eine völlig insular durchsetzte Geschichtstheologie nach Art der augustinischen Lehre von den sich ablösenden Phasen in Auf- und Niedergang von Herrschaft vorweggestellt und in der metrischen Zusammenfassung ausführlich behandelt (S. 73, S. 75 f.).
19. Wer immer ein kluger und heiliger Beherrscher des christlichen Volkes ist, der ist stets der Wohltaten des Herrn eingedenk und er verherrlicht so den Schenker dieser Wohltat mit Ehren, von dem er sich mit Ehren ausgezeichnet und erhoben weiß, und er wendet in frommem Einsatz lobwürdige Sorge auf die Bewahrung und Mehrung der Privilegien und der rechtlichen Belange der heiligen Mutter Kirche, die die Braut des lebendigen Gottes ist, und auf die Ehrung und Hochachtung des bischöflichen Standes. Dann erweist er sich nämlich als gläubiger und treuer Verehrer Gottes, wenn er sich in tiefer christlicher Gesinnung daran gibt, das, was zur Ehre und zum Ruhm der heiligen Kirche gehört, der Ordnung entsprechend zu veranlassen, und wenn er sich, falls nötig, als Schild allen Widrigkeiten zur Verteidigung des Volkes Gottes entgegenstellt, der er doch wünscht, dass er selbst und sein Reich durch göttlichen Schutz verteidigt wird. Und der lässt nicht
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fendi exoptat. Nec cessatk augere honoribus Dei ecclesiam, qui vult suum augeri et amplificari imperium, ac de pace et securitate pia sollertia pertractat ecclesiastica, qui transitoriam et aeternam pacem ac securitatem desiderat obtinere. Sit ergo fortis imitator ipsorum principum, qui ante ipsum iuste et pie in voluntate Dei regnaverunt et Christianum populum bene rexerunt Christique ecclesias oportuno solatio foverunt Dei timorem et caelestis remunerationis spem semper ante oculos habentes et omnia, quae agebant sive disponebant, secundum voluntatem eius perficere festinantes, non pravorum iniquitatibus consentientes, sed prava in directa summo studio secundum trutinam iustitiae transferentes.108 Sciebant enim, quia, qui emendare potest et negligit, participem se procul dubio delicti constituit, quomodo in libro Regum narratur 109de Heli sacerdote, qui filiis suis in cultu divino delinquentibus et populo oblationes suas Deo offerenti vim facientibus, insuper et cum mulieribus, quae observabant ad ostium tabernaculi, dormientibus, negligenter pepercit et non eos auctoritate paterna acriter corripuit. Quanta vindicta super eos venit et super omnem populum! Quoniam traditi sunt ipsi filii Heli simul cum arca Domini et universus populus in manus Philistiim, et caesus est Israhel plaga magna nimis, ita ut triginta milia peditum ibi cecidissent, et arca Dei capta est, duo quoque filii Heli mortui sunt, Ophni et Phinees; ipseque Heli, cum audisset arcam Dei captam et filios suos mortuos, cecidit de sella retrorsum et fractis cervicibus mortuus est.109 Sicque sacerdotium ab eius domo ablatum ad aliam domum translatum est, nec quisquam de stirpe Heli ultra in templo Domini ministravit. Hoc itaque exemplo et aliis similibus, quae in scripturis sacris referuntur, consideratis sacratissimi principes atque rectores non recipiebant personas adulatorum mel dulcedinis verborum pravae persuasionis veneno intermiscentium nec consentiebant fraudibus iniquorum nequiter blandientium, quoniam, si illis consentiatur in talibus nequitiis, non solum ipsi peccantes, sed et eis consentientes pariter interibunt. At boni et prudentes reges, quoniam ipsi recte vivunt, pio zelo praevaricantes disciplinabiliter redarguunt et corrigunt. Unde sibi duplicem remunerationis a Domino palmam adquirunt, dum mala in subiectis redarguere et eosdem lad bonal verbo et exemplis provocare student.
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cesset NBBalt. Fehlt B.
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nach darin, die Kirche mit Ehren reich auszustatten, der wünscht, dass sein Herrschaftsgebiet vergrößert und erweitert wird, und der handelt in frommer Anstrengung für Frieden und Sicherheit der Kirche, der Frieden und Sicherheit in dieser Welt und im Jenseits zu erlangen bestrebt ist. Darum sei er ein eifriger Nachahmer jener Herrscher, die vor ihm fromm und gerecht nach dem Willen Gottes regiert, das christliche Volk gut gelenkt und die Kirchen Christi mit den nötigen Mitteln gefördert haben, wobei sie stets die Furcht Gottes und die Hoffnung auf Belohnung im Himmel vor Augen hatten und mit Nachdruck sich bemühten, alles, was sie taten und unternahmen, nach seinem Willen durchzuführen, und wobei sie nicht den Schlechtigkeiten der Verdorbenen zustimmten, sondern mit höchstem Eifer nach der Waage der Gerechtigkeit Krummes zu Geradem machten.108 Sie waren sich nämlich bewusst, dass, wer bessern kann und es unterlässt, sich zum Mitbeteiligten an Vergehen macht, wie solches im Buch der Könige 109von dem Priester Eli erzählt wird, der seine Söhne, die im Kult Gottes schuldhaft versagten und dem Gott Opfer darbringenden Volk Gewalt antaten, dazu auch noch mit den am Eingang der Stiftshütte Dienst tuenden Frauen schliefen, pflichtvergessen schonte und sie nicht mit väterlicher Autorität scharf zurechtwies. Welche Rache kam über sie und das ganze Volk! Ausgeliefert wurden die Söhne Elis mit der Bundeslade sowie das ganze Volk in die Hände der Philister, geschlagen wurde Israel mit großer Heimsuchung, so dass dreißigtausend Fußkämpfer dort fielen, die Bundeslade wurde erbeutet, die beiden Söhne Elis starben, Hophni und Pinehas; und als Eli hörte, dass die Bundeslade geraubt und seine Söhne tot seien, stürzte er rückwärts von seinem Sessel und brach sich das Genick.109 So wurde das Priestertum von seinem Hause genommen und auf ein anderes übertragen, und niemand aus dem Geschlecht Elis versah mehr Dienst im Tempel des Herrn. Heiligste Kaiser und Könige zogen dieses Beispiel und ähnliche, die in den heiligen Schriften berichtet werden, in Betracht und beachteten nicht die Schmeichler, die die Honigsüße der Worte mit dem Gift verderblicher Überredung mischten, auch stimmten sie nicht den Täuschungen der ihnen nichtswürdig Schmeichelnden zu, denn, wenn solchen in derartigen Schurkereien zugestimmt wird, finden nicht nur die Täter, sondern auch die, die ihnen zustimmen, den Untergang. Doch die guten und klugen Regenten weisen, da sie selbst richtig leben, in frommem Eifer Pflichtverletzer der Ordnung entsprechend in die Schranken und bessern sie. Damit erwerben sie sich bei dem Herrn den doppelten Siegespreis des Lohnes, da sie versuchen, einerseits Schlechtes bei den Untertanen zurückzuweisen, andererseits sie durch Wort und Beispiel zu Gutem anzufeuern. 108
S. Anm. 22; zu trutina iustitiae s. Anm. 12. Der ganze Zusammenhang 1 Reg 2, 12 – 4, 18, bes. 2, 22; 4, 10 f.; 17 f.
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Oportet enim Deo amabilem regnatorem, quem divina ordinatio tamquam vicarium suum110 in regimine ecclesiae suae esse voluit et potestatem ei super utrumque ordinem praelatorum et subditorum tribuit, ut singulis personis ea, quae iusta sunt, decernat, et sub sua dispensatione prior ordo bene docendo et operando praesit et sequens ordo devote oboediendo fideliter subditus fiat. Et ideo in bono rectore debet laudabilis intentio esse et bono studio illud praevidere, quatinus praepositi ecclesiarum Dei suum locum legitime teneant eisque ad hoc adminiculum regia clementia tribuat, ut officium suum secundum mandata Dei et sacrorum canonum instituta pleniter agere valeant; nec eis saeculares potestates impedimento fiant, sed potius ad fidem Dei servandam et cultum iustitiae perficiendum faveant. Ideoque, ut in superioribus praediximus, per singulos annos synodales fieri conventus necesse est, ubi ecclesiastica iura et negotia iuste et legitime discutiantur. m Quales autem ipsi praepositi ecclesiarum Dei esse debeant, ipsa veritas in sancto evangelio declarat dicens 111prudentem et fidelem dispensatorem esse debere, quem constituit dominus super familiam suam, ut det illis cibum in tempore, cui etiam repromittit, quod, cum venerit et invenerit sic eum facientem, super omnia bona constituat eum. E contrario autem praedicit malo servo, qui dicit in corde suo: „Moram facit dominus meus venire“ et coeperit percutere conservos suos, manducat autem et bibit cum ebriosis, quod veniat dominus servi illius in die, qua non sperat, et hora, qua ignorat, et dividat eum partemque eius ponat cum hipocritis, ubi erit fletus et stridor dentium.111
m–m
Fehlt AFP.
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Es ist also erforderlich, dass der gottgefällige Herrscher, den Gott in seiner Anordnung gleichsam als seinen Stellvertreter110 in der Lenkung der Kirche und der politischen Gemeinschaft haben wollte und dem er Macht über die beiden Stände, den der Übergeordneten und den der Untertanen, gab, die gottgewollte Ordnung bewirkt: dass er den einzelnen Personen zumisst, was ihnen gerechterweise zukommt, und dass unter seiner Leitung der übergeordnete Stand durch gute Lehre und gute Tat vorstehe, der untergeordnete in frommem Gehorsam loyal untertänig sei. Folglich muss bei dem guten Herrscher der betonte Wille darauf gerichtet sein, dass die Leiter der Kirchen Gottes ihre Stellung rechtmäßig einnehmen, und dazu soll ihnen der Herrscher in seiner Milde seine Unterstützung geben, dass sie ihre Pflicht und ihr Amt voll ausüben können gemäß den Verordnungen Gottes und den Bestimmungen der heiligen Satzungen des Kirchenrechts; und weltliche Gewalten sollen ihnen keine Hindernisse bereiten, sie vielmehr darin unterstützen, den Glauben an Gott zu sichern und den Vollzug der Gerechtigkeit vorzunehmen. Daher ist es, wie wir oben ausgeführt haben, notwendig, dass in jedem Jahr synodale Bischofszusammenkünfte stattfinden, wo die kirchlichen Rechte und Aufgaben vorschriftsmäßig und ordnungsgemäß erörtert und behandelt werden. Wie die Vorsteher der Kirchen Gottes sein sollen, macht die göttliche Wahrheit selbst im Evangelium deutlich, indem sie darlegt, 111ein kluger und getreuer Verwalter müsse der sein, den der Herr über seine Familie setzt, damit er ihnen zur rechten Zeit Speise gebe, und dem sie aber auch verheißt, dass er ihn über alle Güter setzen werde, wenn er ihn bei seinem Kommen so handelnd finde. Auf der anderen Seite sagt er aber dem schlechten Knecht, dem, der in seinem Herzen spricht: „Mein Herr wird mit dem Kommen zögern“, und der daraufhin beginnt, seine Mitknechte zu schinden und zu misshandeln, dagegen aber mit den Prassern und Säufern isst und trinkt, diesem sagt er also, dass der Herr des Knechtes am Tage, den er nicht erwartet, und in der Stunde, die er nicht kennt, kommt und dass er ihn zerreißt und einen Teil von ihm zu den Heuchlern setzt, wo Heulen und Zähneknirschen sein wird.111 Dieser Herr also ist unser Erlöser und Retter Jesus Christus, 110
Die Vorstellung vom Herrscher als Herrn der Landeskirche als vice bzw. vicarius Dei (Stellvertreter Gottes) steht in angelsächsisch-englischer Tradition (s. nach Cathwulf S. 503 später etwa Hugo von Fleury und den sog. Normannischen Anonymus). In dem behandelten Modell für das geistlich-weltliche Verhältnis, dem Ineinssetzen von Herrschaft und Dienst, greift Sedulius Scottus in lotharingischer Manier auf Vorstellungen aus dem ersten Drittel seines Jahrhunderts (besonders Wala von Corbie) zurück: „Staat“, Untertanenverband und Gläubigengemeinschaft berühren sich eng; s. Anton, Verfassungspolitik S. 282 f. 111–111 Vgl. Matth 24, 45 – 51; auch Luc 12, 42 – 45 (dispensator).
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Iste ergo dominus redemptor et salvator noster est Iesus Christus, cuius familia sancta est ecclesia catholica, servi patrisfamilias et dispensatores sunt Domini praesules et praepositi ecclesiarum singularum et monasteriorum, quibus praeceptum est, ut conservis suis cibum, quem a Domino acceperunt, erogent et, iuxta alium evangelistam, tritici mensuram112. Per mensuram ergo tritici exprimitur modus verbi; pro qualitate igitur audientium formari debet sermo doctorum, ut et sua singulis congruant et tamen a communis aedificationis arte nunquam recedat. Ei autem, qui per pecuniam vel mundanam ambitionem obtinere vult ecclesiasticam dignitatem, nec eum doctrinae prudentia neque elegantia bonorum operum ad hoc idoneum probat, qua ratione regiminis locum appetat, cum manifeste apostolus dicat: Si quis autem domui suae praeesse nescit, quomodo aecclesiae Dei diligentiam habebit?m 113 Idcirco diligentissime bono et pio rectori providendum est, ut sanctificatio nominis Domini, quae in locis Deo consecratis manet, sine ulla reprehensione, in quantum possibile fuerit, servetur et tales rectores atque dispensatores in eis constituantur, qui sine 114inexplebili avaritia114 atque luxuria res bene tractent divinas et Dei servis atque famulabus sufficientem 115victum ac vestitum115 tribuant viduisque et orphanis atque pauperibus iuxta canones provisionem condignam primum impendant; et sic servitutem congruam regi orthodoxo de rebus, quae supersunt, exhibeant, ut primo ordine fiat, quod ad divinum, et in sequenti, quod ad humanum pertinet obsequium.116 Nam si provida
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seine Familie ist die heilige katholische Kirche, die Knechte des Familienvaters und die Verwalter sind die Bischöfe des Herrn und Leiter der einzelnen Kirchen und Klöster, denen auferlegt ist, dass sie die vom Herrn erhaltene Speise an die Mitknechte ausgeben und, nach einem anderen Evangelisten, das Maß an Getreide112. Mit dem Maß an Getreide wird das Maß des Wortes verdeutlicht; nach der Art der zu Unterweisenden muss die Predigt der Lehrenden gestaltet werden, damit sowohl den Einzelnen das für sie Richtige zugemessen wird, die Predigt es aber doch nie an der Kunst der Unterweisung und Erbauung der Allgemeinheit fehlen lässt. Wer aber durch Geld und weltliches Machtstreben eine kirchliche Würde erlangen will, den empfiehlt weder Klugheit der Lehre noch Vorzüglichkeit guter Werke als dazu geeignet, auf solche Art das Leitungsamt zu erstreben, sagt doch der Apostel unmissverständlich: Wenn jemand seinem Haus nicht vorstehen kann, wie soll der die Sorge um die Kirche Gottes wahrnehmen können?113 Ein guter und frommer Herrscher muss also Sorge tragen, dass die Heiligung des Namens Gottes, die mit den Gott geweihten Orten verbunden ist, soweit möglich, ohne jeden Tadel gewahrt bleibe, weiter dafür, dass solche Leiter und Verwalter an ihnen eingesetzt werden, die ohne 114unersättliche Habgier114 und Prunksucht die Güter Gottes, das Kirchengut, gut verwalten, den Dienern und Dienerinnen Gottes ausreichende 115Nahrung und Kleidung115 gewährleisten, gemäß den Kanones den Witwen, Waisen und Armen die zukommende Sorge zuwenden und dies als ersten Aufgabenbereich wahrnehmen; vom Vermögen, das noch übrig bleibt, sollen sie ihre Dienstpflicht dem rechtgläubigen König gegenüber so bestreiten, dass vom ersten Stand geleistet wird, was zum göttlichen Dienst, von dem untergeordneten, was zum weltlichen Dienst gehört.116 Wenn nämlich mit besonderer Planung Sorge zu
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Luc 12, 42. 1 Tim 3, 5. 114–114 Die Wertung bei Sedulius Scottus, Collectaneum LXXVIII, 64 = SHA XXI: Maximus et Balbinus 17, 2. 115–115 Vgl. Sedulius Scottus, Collectaneum XXV, 19, 7 mit Zuschreibung an Hieronymus, ebenso in Collectio Canonum Hibernensis A (Hrsg. v. Hermann Wasserschleben: Die irische Kanonensammlung. Leipzig 21885) XXXVII, 21 S. 136; B (Hs. Oxford Bodleianus Hatton 42 fol. 1r–130r) XXXIX, 23 (recte 22) fol. 76r. Zur möglicherweise aus der zitierten Teilkollektion im Collectaneum zu rekonstruierenden Sammlung unter dem Namen des Hieronymus s. Anton, Königsvorstellungen S. 289. 116 Sedulius Scottus führt hier und im Folgenden sein Modell (s. Anm. 110) aus. Die Perspektive ist von den Bischöfen her genommen. Sie leisten dem Herrscher geistlichen und weltlichen Dienst. Der Herrscher teilt den Ertrag dieses Dienstes beiden Ständen zu. 113
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sollertia erga carnales milites cura est exhibenda, quatinus eis cuncta necessaria erogentur stipendia, et qui plus in bellicis tumultibus laborant et ad profectum rei publicae devotiores et fortiores atque utiliores fiunt, plus mercedis et honoris accipiunt, quanto magis providendum est de spiritualibus Christi militibus, quorum sanctis laboribus et orationibus ipsa res publica servatur incolumis et illaesa, hostes quoque visibiles et invisibiles superantur, copia rerum temporalium cum prosperitatis eventu cumulatur, 117sancti angeli117 in adiutorium populo invitantur, serenitas pacis redditur, imperium amplificatur, postremo regia dignitas et honorificentia diu atque feliciter praestante Domino extenditur ac filii filiorum in apice regni nobilitantur. XX. Has autem paucas de multis118 divinas et humanas historias percurrens vestrae, ndomine rexn,119 excellentiae commonitorias obtuli litteras118 vestro amore ad hoc opusculum instigatus sciens me debitorem esse vestrae celsitudinis obsequio120 utile fore perpendens, si, quae sparsim in divinis et humanis eloquiis de quibusdam bonis et malis regibus sive principibus leguntur, in unum breviter 121collectao deflorarem121 opusculum, unde possit vestrum delectari ingenium et nostrae devotionis erga vestrae claritudinem intelligentiae manifestari benivolum queat obsequium. Sic et 121apes ex diversis floribus liquida mella121 in utilitatem dominorum transitura colligunt,
n–n o
domini reges B. collecta nur N.
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tragen ist um die irdischen Soldaten, die sich vorrangig in kriegerischen Auseinandersetzungen einsetzen, dass ihnen alle nötigen Soldzahlungen geleistet werden, und dafür, dass die, die um den Nutzen des Staates besorgt sind, sich engagiert einsetzen und besonders nützlich sind, mehr Lohn und Ehre erhalten, um wie viel mehr ist Sorge zu tragen um die geistlichen Soldaten Christi, durch deren Mühen und Gebete der nämliche Staat unversehrt und unverletzt erhalten bleibt, die sichtbaren und die unsichtbaren Feinde überwunden werden, die Fülle irdischen Besitzes mit Mahnung zum Nutzen angesammelt wird, 117die heiligen Engel117 zum Schutz für das Volk eingeladen werden, die Heiterkeit des Friedens wiedergegeben wird, das Herrschaftsgebiet ausgedehnt wird und schließlich die königliche Würde und Ehrenstellung mit Gottes Hilfe auf lange und glückbringend ausgedehnt wird und die Söhne der Söhne auf dem Gipfel von Herrschaft und Reich berühmt und geadelt werden. 20. Diese wenigen Ermahnungstexte118 habe ich, Herr König,119 Eurer Erhabenheit aus einer Vielzahl dargeboten, wozu ich Werke zur kirchlichen und weltlichen Geschichte durchforschte, aus Liebe zu Euch zu diesem Werkchen bewegt und stets eingedenk, Euch durch Untertanengefolgschaft120 verpflichtet zu sein; ich sah es als nützlich an, wenn ich in den geistlichen und den weltlichen Texten über manche guten und schlechten Könige und Fürsten verstreut zu Lesendes knapp zusammengefasst in ein kleines Werk 121pflückend sammelte121, so dass dadurch Euer Geist ergötzt, unsere treu ergebene Gefolgschaft als Untertan Euch als Menschen besonderer Begabung gegenüber aber klar manifestiert werden könne. So 121sammeln auch
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Zu der Vorstellung als irischem Motiv s. etwa Clemens Peregrinus: Epistolae Variorum (wie Cathwulf) Ep. 1 S. 496 f.; S. 497 Z. 9 f.; s. Anton, Königsvorstellungen S. 298. 118 Zur Topik, dass nur wenige Fälle ausgewählt seien, s. Hellmann, Sedulius Scottus S. 88 Anm. 19. Sedulius Scottus sieht sein Werk zusammengesetzt aus Ermahnungstexten, -briefen (commonitoriae litterae). Diese waren besonders im insular-angelsächsischen Bereich (Bonifatius, Alkuin) als Vorformen der Mahnspiegel im Umlauf; s. Anton, Herrscherethos S. 80 –131. 119 Hs. B (s. Anm. n) gelangt vom Plural der Pronomina zu dem Plural reges. Es ist nicht an eine ursprüngliche Abfassung für mehrere Herrscher zu denken, s. Einleitung S. 17 f. 120 Der Autor ist Untertan des Königs (s. Anton, Verfassungspolitik S. 278 f.). Er gibt dem im Folgenden die Wendung ins Geistliche. 121–121 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XIII, 2, 38: Apes de diversis floribus solent mella componere et favorum cellulas coaptare: sic et doctores; Hieronymus zugeschrieben; Dolbeau S. 21 nennt Hieronymus, In Titum I, 12 PL 26, Sp. 555 – 600, hier Sp. 573A; s. auch Collectaneum XIII, 17, 11: Monachus, spiritualia mella condere
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quibus gratissimos 121favos artificiosa dispositione componunt121. Hos itaque apices velut enchiridion122 vestri sagacitas ingenii saepius transcurrendo perlegat, quatinus facilius animadvertere possit, quanta mala malis et quanta bona bonis rectoribus superna et divina iustitia rependit. 123Ut enim reprobis praesentes offensiones, calamitates, captivitates, filiorum orbitates, amicorum strages, frugum sterilitates, pestilentias intolerabiles, breves et infelices dies, diuturnas aegrotationes, mortes pessimas et insuper aeterna supplicia retribuit, ita e contrario iustis et sanctis rectoribus multa in praesenti solatia, divitiarum abundantiam, triumphorum gloriam, pacis tranquillitatem, praeclaram sobolis indolem, multos et felices annos ac perpetuum in futuro regnum donat.123 Nam sicut impiis, sive prospera sive adversa, cuncta in exitiosos fines accidunt, sic electis Dei omnes adversitatis seu felicitatis eventus in bonum concurrunt testante apostolo, qui ait: Omnia autem concurrunt in bonum his, qui secundum propositum vocati sunt sancti124, in adversis quidem pro tempore exercitati, sed in prosperis abundanter a Domino consolati, fastu superborum despecti, sed caelesti iuvamine repentep victoriosi. Quorum meritis et sanctarum precum intercessionibus hostes superati, principes capti, urbes munitissimae fractae sunt tamquam 125tela araneae125, maria fuerunt pervia, fortia quaeque facta sunt infirma et, quae infirma existimabantur, mox extiterunt fortia, aer quoque saepe ventis, nubibus et grandine contra rebelles decertavit, ultoribus aether ignibus atque tonitruis super hostes intonuit, aequora violentissimas exercuerunt tempestates, angelica deservierunt ministeria, sol, luna ceteraque sidera cursum stabilire stupuerunt, terra vivos deglutivit ac mortuos ab inferis revocatosq eadem evomuit. Om-
p q
Fehlt AFP. Fehlt AFP.
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die Bienen von verschiedenen Blüten flüssigen Honig121, um ihn für ihre Besitzer zu verwandeln, indem sie für diese in kunstfertiger Einrichtung 121Waben zusammenzufügen121. Diese Ausarbeitung möget Ihr mit Eurem Scharfsinn wie ein Handbuch122 lesen, indem Ihr es Euch immer wieder vornehmt, damit Ihr unschwer erfassen könnt, welche Übel den schlechten und welche Güter den guten Herrschern die göttliche Gerechtigkeit vergilt. 123Wie sie den verworfenen Regenten sichtbar in dieser Welt Widrigkeiten, Unglück, Gefangennahmen, Söhnelosigkeit, Niederlagen der Freunde, Unfruchtbarkeit der Felder, unerträgliche Seuchen, kurze und unglücksschwere Tage, langwährende Krankheiten, schlechteste Todesarten und über dies alles ewige Marterqual beschert, so schenkt sie auf der anderen Seite den gerechten und heiligen Staatslenkern in dieser Welt vielfache Genugtuung, Überfluss an Reichtum, Ruhm des Kriegstriumphes, ungestörte Ruhe des Friedens, prächtig geartete Nachkommenschaft, viele glückliche Jahre und in der Zukunft das ewige Reich im Himmel.123 Denn wie den Gottlosen alles, sei es günstig oder widrig, zum verhängnisvollen Ende gereicht, so entwickeln sich für die Erwählten Gottes alle Ereignisse von Unglück und Glück zum Guten, nach dem Zeugnis des Apostels, der sagt: Alles gereicht denen zum Guten, die nach der Vorbestimmung als Heilige berufen sind;124 im Unglück sind sie zwar für eine Zeit hart geprüft, doch im Übermaß vom Herrn getröstet, durch Überhebung der Stolzen niedrig geachtet, doch mit Hilfe des Himmels plötzlich siegreich. Durch ihre Verdienste und ihre Vorstellungen im Gebet bei Gott wurden Feinde überwunden, Fürsten gefangen gesetzt, äußerst befestigte Mauern gebrochen wie Spinngewebe125, Meere wurden wegsam, Starkes wurde zu Schwachem gemacht, was schwach schien, wurde umgehend stark, der Himmel auch kämpfte oft mit Winden, Wolken und Hagel gegen Widersacher, der Äther brach rächend mit Feuern und Blitzen über Feinde her, die Fluten peitschten die wildesten Stürme, Hilfsdienste der Engel waren zu Unterstützung bereit, Sonne, Mond und die übrigen Sterne hielten an, den Lauf fortzusetzen, die Erde verschlang Lebende, und Tote
cupiens, velut apes prudentissima, debet unamquamque virtutem … deflorare = Johannes Cassianus: Institutiones. Hrsg. v. Michael Petschenig. Wien 1888 (CSEL 17) (Ndr. 1970) S. 1– 231; V, 4, 2. 122 Sedulius Scottus ergänzt hier die Charakterisierung seines Werks: Die Mahntexte bilden als Gesamt ein Handbuch (enchiridion, liber manualis). Zu dieser Charakterisierung s. Cathwulf S. 503 Z. 12 f. 123–123 Allgemein bestehen hier Parallelen zu Pseudo-Cyprian, doch dürfte es sich um eine insulare Vorlage handeln, aus der beide schöpften; s. Anton, Pseudo-Cyprian S. 611. 124 Vgl. Rom 8, 28. 125 Vgl. Iob 8, 14.
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nes enim creaturae eis erant subiectae, quoniam ipsi creatori corde, verbo et opere subditi permanserunt. Quippe quorum erat sanctum studium Deum timere simul et amare, 126sacra perscrutari eloquia126 noscentes 127gloriam regum esse investigare sermonem127 et Dei scire sapientiam, sicut scriptum est: Posside sapientiam, posside prudentiam // rprincipium sapientiaer; // arripe illam, et exaltabit te, glorificaberis ab ea, cum eam fueris amplexatus; dabit capiti tuo augmenta gratiarum, et corona inclita proteget te128. Has igitur artes Omnipotenti beneplacitas studiose didicerunt, iuste 129iudicare, humiles ac benivolos esse erga bonos, superbos vero et invectos in malos, pauperes alere, ecclesias Dei adiuvare nec spem in transitorio et caduco regno ponere, sed in caelesti et permanentis semper regni beatitudine votum ac desiderium collocare129. Quorum exempla et insignia gesta atque felicem transitoriae vitae cursum, insuper et aeternae retributionis gloriam vos semper amare, cogitare atque imitari, sdomine rexs,130 summopere decet. Sic enim Dominus Omnipotens erit custost et defensor vester contra omnes adversarios vestros, quos magnifica potentia sua 131conteret sub pedibus vestris131 vel bellico seu pacis iure subiciet, et corona gratiae suae vos in omnibus adornabit dies vestros cum felicitate et gloria in hoc saeculo extendens atque in sanctorum consortio regum, qui Deo placuerunt, in perpetua felicitate constituens. Et erunt 132 filii tuiu sicut novellatiov olivarum in circuitu mensae tuaew 132, 133sedebunt post vos in solio regni133 vestri dans eis Dominus longaevam in hoc mundo aetatem simul ac felicitatem, si 134in viis Domini ambulaverint atque mandata
r–r
Fehlt B. domini reges B. t Textende in Balt. u vestri B. v novella(e) Vulg. BP, novellatio K. w vestrae B. s–s
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spie sie aus der Unterwelt wieder aus. Alle Geschöpfe waren ihnen nämlich untertan, da sie selbst dem Schöpfer in Gesinnung, Wort und Tat immer gehorsam untertan blieben. Ja, ihr heiliger Eifer war es, Gott zugleich zu fürchten und zu lieben, 126die Weissagungen zu durchforschen126, in dem Wissen, dass es 127der Ruhm der Könige sei, den Spruch Gottes zu erforschen127 und seine Weisheit in Erfahrung zu bringen, dem Schriftwort gemäß: Besitze die Weisheit, besitze die Klugheit // als Anfang der Weisheit; // erfasse sie heftig, und sie wird Dich erhöhen, Du wirst von ihr verherrlicht werden, wenn Du sie umfasst hast, sie wird Deinem Haupt Mehrung der Gnaden geben, und mit erhabener Krone wird sie Dich schützen.128 Diese guten Herrscher haben diese dem Allmächtigen wohlgefälligen Künste eifrig gelernt, gerecht zu 129richten, demütig und wohlwollend zu den Guten zu sein, groß erhaben und hochfahrend gegen die Schlechten, die Armen zu ernähren, die Kirchen Gottes zu unterstützen129, die Hoffnung nicht auf ein vergängliches und hinfälliges Reich zu setzen, vielmehr Sinnen und Begehr auf die bleibende Glückseligkeit des himmlischen Reiches auszurichten. Im höchsten Maß ziemt es Euch, mein Herr und König,130 deren Beispiele, herausleuchtende Taten, den glücklichen Gang ihres diesseitigen Lebens und auch den Ruhm ihres ewigen Lohnes immer zu lieben, zu bedenken, nachzuahmen. So wird der Herr der Allmächtige Euer Schützer und Verteidiger sein gegen alle Eure Feinde, die seine wundersame Macht 131unter Euren Füßen zertreten wird131, und wird sie Euch nach Kriegsrecht oder Friedenssatzung unterwerfen, und die Krone seiner Huld wird Euch in allem schmücken, indem er Eure Tage mit Glück und Ruhm in dieser Welt ausdehnen und Euch in die ewige glückliche Gemeinschaft mit den heiligen Königen setzen wird, die Gott gefallen haben. Und 132es werden sein Deine Söhne wie neugepflanzte Ölbäume im Umkreis Deines Tisches132, 133sie werden nach Euch auf dem Thron Eures Reiches sitzen133, da der Herr ihnen langes Leben und Glück in dieser Welt geben wird, wenn 134sie auf den Wegen des 126–126 Vgl. Sedulius Scottus, Collectaneum XIII, 26, 2 paginas sanctas perscrutari nach Pseudo-Augustinus: Sermo 350 PL 39, Sp. 1533 –1535; Sp. 1534. 127–127 Prov 25, 2. 128 Prov 4, 5; 7; 8 f. 129–129 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum XIII, 37, 1; vgl. Collectio Canonum Hibernensis (wie Anm. 115) A XXV, 15a S. 81; B XXVII, 22 (recte 19) fol. 45r; jeweils unter Hieronymus geführt. 130 S. Anm. 119. 131–131 Iudith 14, 5. 132–132 Siehe Sedulius Scottus, Collectaneum LXXX, 26, 93: Ps 127, 3, der hier weiter ausgeschrieben ist. 133–133 Vgl. 4 Reg 10, 30; Ps 131, 12; 3 Reg 1, 13. 134–134 Vgl. Deut 11, 22.
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ipsius custodierint134, insuper vero regnum caelorum praestante gratia salvatoris et domini nostri Iesu Christi, cui est perpes gloria et potestas cum Patre et Spiritu Sancto in saecula saeculorum. Amen. x Explicit Sedulius Scottus de rectoribus Christianis.x
x–x
explicit liber qui dicitur Via Regia B, explicit Sedulius de regimine principum 1472 P.
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Herrn wandeln und seine Gebote achten134, darüber hinaus das Himmelreich mit der Gnade unseres Erlösers und Herrn Jesus Christus, dem fortwährend in alle Ewigkeit Ruhm und Macht ist mit dem Vater und dem Heiligen Geist. Ende des Buches über die christlichen Herrscher.
Ed.: PL 125, Sp. 833 – 856 (= Sirmond S. 1– 28)
III Hincmarus episcopus Remensis a) De regis persona et regio ministerio ad Carolum Calvum regem Praefatio1
Hinkmar, Bischof von Reims
Domino glorioso fideliter devotus et devote fidelis. Obaudientes praeceptum Domini per prophetam iubentis: Interroga sacerdotes legem2 meam super quibusdam capitulis3 me consulere vobis placuit. De quibus quoniam per se Veritas dicit: Qui a semetipso loquitur, gloriam propriam quaerit4, dignum duxi non nudo meo sermone vobis respondere, sed quid in Scripturis sacris et per catholicos doctores inde loquatur Spiritus sanctus, 5quosdam odiferos flosculos ut revera de agro pleno, Scripturarum scilicet campo, cui benedixit Dominus, breviter in unum vobis colligere.5 Et sciens pollicitum: Quod supererogaveris, ego cum rediero, reddam tibi6, de his, quae regio ministerio vobis a Deo commisso7 competere vidi, quasi scintillas micantes lumini scientiae vestrae superadieci. Quia vero, ut comicus dicit: Obsequium amicos, veritas odium parit8 et non assentatio, vi-
3 Hinkmar, Bischof von Reims a) Über Person und Amt des Königs an König Karl den Kahlen Vorrede1
Über Person und Amt des Königs an König Karl den Kahlen
An meinen ruhmvollen Herrn in Treue ergeben und in Ergebenheit treu. In Beachtung der Weisung des Herrn, die er durch den Propheten gebietet: Erfrage von den Priestern mein Gesetz,2 hat es Euch gefallen, mich über einzelne Kapitel3 zu Rate zu ziehen. Da die Wahrheit selbst sagt: Wer aus sich spricht, sucht den eigenen Ruhm4, habe ich es in dieser Sache als richtig angesehen, Euch nicht mit meiner schwachen und nackten Rede zu antworten, sondern für Euch zusammenzustellen, was der Heilige Geist in den heiligen Schriften und was er danach durch die rechtgläubigen Kirchenlehrer sagt, gleichsam also 5einige Wohlgeruch verbreitende Blüten von einem wahrhaft vollen Acker, den der Herr gesegnet hat, vom Acker der Heiligen Schrift nämlich, für Euch verknappt in einem Abriss zusammenzufassen.5 Und da ich weiß, dass versprochen ist: Was Du an Kosten aufgewandt hast, werde ich Dir, wenn ich wiederkehre, zurückgeben,6 habe ich in der Sache, die Eurem Euch von Gott verliehenen Amt7 zukommt, dem Licht Eures Wissens einige glänzende Funken hinzugefügt. Der Komödiendichter sagt: Gefällige Folgsamkeit schafft Freunde, die Wahrheit erzeugt Hass,8 und es darf nicht Liebedienerei oder gar Schmeichelrede dem König oder Herrn 1 Mit dem Annex der Akten des CP (s. Anm. 8) gemeinsame Anklänge an ein Dichterzitat können an eine gemeinsame Vorlage denken lassen. 2 Agg 2, 12. Dieses Bibelwort schon früher in charakteristischem Zusammenhang, s. CP Praefatio S. 608; l. 1 c. 12 S. 619. 3 Mit capitula sind Sachmaterien gemeint, doch auch die konkrete Zusammenfassung durch Jonas von Orléans in den Cap. div. sent. der Hs. von Orléans (Hs. A fol. 78v–89v; Wilmart S. 221– 224; Laehr-Erdmann S. 108 –126); dazu s. Einleitung S. 12, S. 20. 4 Io 7, 18. 5– 5 Zur geläufigen metaphorischen Topik in der Dedikation, u. a. bei Sedulius Scottus und Jonas, s. Hellmann, Sedulius Scottus S. 19 v. 12 f. (mit Belegen). 6 Luc 10, 35. 7 Hinkmar als Vollender der Konzeption von Amt – Ministerium: Anton, Herrscherethos S. 310 – 316, 471 f. 8 Terenz, Andria I, 1, 68. Unidentifiziert im Annex der Akten des CP c. 10 S. 674 Z. 20 f.
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delicet adulatio, principi ac domino terrae9 placere debet, minime autem sacerdotem sectari eam oportet, si quiddam mordacius dictum in sententiis10 a me collectis de regis persona et regio ministerio inveneritis, non contra vos, quaeso, sed pro vobis eas me collegisse putetis, quoniam aut talem in benignitate ac bonitate, sicut ipsae describunt sententiae, vos esse et sic agere scio aut talem esse et sic agere cupio. Huius autem libelli sententiae triformi sunt collectione distinctae. Primo quidem de persona regis et regio ministerio in generali reipublicae11 causa. Deinde quae debeat esse discretio in misericordia et de ultione specialium personarum, quae si exitialiter agentes aliter non potuerint corrigi, temporali morte praecipiuntur multari, quod a quibusdam dicitur contradici. Tum quia rex propter ministerium regium etiam nec quibuscunque propinquitatis necessitudinibus contra Deum sanctamque ecclesiam atque contra rempublicam agentibus criminaliter affectu carnali parcere debeat. I.12 Quod bonos reges Deus facit, malos permittit. Quoniam, ut scriptum est: Domini est regnum13, et cui voluerit dabit illud14 et sicut beatus Augustinus in libro de bonoa perseverantiae dicit: Nihil fit, nisi quod aut Deus facit aut fieri iuste permittit15, cum boni reges regnant, sicut Dei gratia boni sunt, ita et Deo agente regnant, sicut ipse dicit: Per me reges regnant16; et cum 17mali reges regnant, sicut mali sunt suo vitio, ita et
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Hinkmar resp. der von Sirmond (S. 5) verwandte Codex hat statt De dono (Über das Geschenk) De bono (Über das Gut).
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des Landes9 gefallen, am allerwenigsten aber darf ein Bischof sich dieser befleißigen; wenn Ihr also in den von mir zur Person des Königs und zum königlichen Amt gesammelten Sentenzen10 irgendetwas zu scharf und schneidend findet, dann sollt Ihr voll überzeugt sein, dass ich diese nicht gegen Euch, sondern für Euch gesammelt habe; denn entweder weiß ich, dass Ihr in der Vortrefflichkeit und Güte seid und entsprechend handelt, wie es die Sentenzen beschreiben, oder ich wünsche, dass Ihr dem im Sein und Handeln entsprecht. Die Sentenzen dieses Büchleins sind in drei inhaltliche Abschnitte aufgeteilt. Im ersten geht es um die Person des Königs und um das königliche Amt im allgemeinen Bezug zum Staatswesen.11 Zweitens geht es um die Unterscheidung im Verzeihen, weiter um das strafende Vorgehen gegen besondere Personen, die für ihr verbrecherisches Handeln nicht anders gebessert werden können, als dass für sie die Todesstrafe vorgeschrieben wird, wogegen von einigen, wie zu hören, Widerspruch laut wird. Schließlich ist das Thema, dass der König im Blick auf sein königliches Amt auch nicht solche Menschen, die in persönlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm stehen und verbrecherisch gegen Gott, die heilige Kirche und den Staat handeln, aus verwandtschaftlicher Zuneigung schonen darf. 1.12 Dass Gott die guten Herrscher veranlasst, die schlechten zulässt. Da, wie geschrieben steht, die Königsherrschaft des Herrn ist,13 und er sie gibt, wem er will,14 und da, wie der heilige Augustinus in dem Buch über das Gut der Beharrlichkeit sagt, nichts geschieht, was Gott nicht entweder veranlasst oder in seiner Gerechtigkeit zu geschehen zulässt,15 verhält es sich mit den guten und den schlechten Herrschern folgendermaßen: Wenn gute Könige regieren, dann regieren sie, wie sie auf Gottes Gnade hin gut sind, auf direkte Veranlassung Gottes, wie er selbst gesagt hat: Durch mich regieren die Könige,16 wenn aber 17schlechte Könige regieren, dann werden sie, wie 9 Die Apostrophierung des Königs als princeps ac dominus terrae drückt die monarchische und lehnsherrliche Position aus. 10 Zu den Sententiae s. Anm. 3. 11 Der allgemeinere Staatsgedanke (res publica) schließt die persönliche und die amtliche Sphäre des Herrschers in sich. 12 Unabhängig von Cap. div. sent. Ausgeführt ist das grundlegende Thema guter und schlechter Herrschaft. 13 Ps 21, 29. 14 Dan 4, 14. 15 Augustinus: De dono perseverantiae liber ad Prosperum et Hilarium secundus PL 45, Sp. 993 –1034, hier Sp. 1000. Zum Titel des Werks bei Hinkmar s. Anm. a. 16 Prov 8, 15. 17–17 Zugrunde liegen allgemein Augustin, De civ. Dei IV, 33; Gregor d. Gr.,
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regnare permittuntur divino iudicio, interdum occulto, sed nunquam iniusto,17 sicut scriptum est: Qui facit regnare hypocritam propter peccata populi18. Facit dictum est: ex iustitiae retributione permittit, eo locutionis genere, quo dicitur: Induravit Dominus cor Pharaonis19. Induravit dictum est: per gratiam non molivit, sed ex iustitiae retributione indurari permisit. De quibus, qui non faciente, sed Deo permittente regnant, Dominus per prophetam queritur dicens: Ipsi regnaverunt, et non ex me; principes exstiterunt, et non cognovi20. Ex se, inquit Gregorius, et non ex arbitrio summi rectoris regnant, qui nullis fulti virtutibus, nequaquam divinitus vocati, sed sua cupidine accensi culmen regiminis rapiunt potíus quam assequuntur: quos tamen internus iudex et provehit et non cognoscit, quia quos permittendo tolerat, profecto per iudicium reprobationis ignorat21. De quibus Domino per psalmistam dicitur: Deiecisti eos, dum allevarentur22. Dum allevatur enim deicitur, qui 23 honoribusb proficit et moribus deficit23. Iustus namque et misericors Dominus mortalium acta disponens alia concedit propitius, alia permittit iratus, atque ea, quae permittit, sic tolerat, ut haec in sui consilii usum vertat. II.24 Quod populi felicitas sit rex bonus, infelicitas rex malus. De nomine regis, et quae sit felicitas populis sibi subiectis, si gratia Dei bonus rex super eos regnaverit, et quae sit infelicitas populis sibi subiectis, si
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gonoribus PL, honoribus Sirmond.
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sie durch eigenes Verschulden schlecht sind, zum Regieren zugelassen nach göttlichem Urteil, das bisweilen verborgen, doch nie ungerecht ist,17 gemäß dem Schriftwort: Der den Heuchler herrschen lässt wegen der Sünden des Volkes.18 Gesagt ist lässt: in Wirklichkeit lässt er zu in Zumessung seiner Gerechtigkeit, analog jener Rede: Der Herr verhärtete das Herz des Pharao.19 Verhärtete ist gesagt, d. h. er erweichte es nicht mit seiner Gnade, in Zumessung der Gerechtigkeit ließ er zu, dass es sich verhärtete. Über die, die nicht auf Gottes Veranlassung, sondern auf seine Zulassung hin regieren, klagt der Herr durch den Propheten: Diese haben regiert, doch nicht aus mir; Fürsten standen auf, und ich kannte sie nicht.20 Aus sich, sagt Gregor [der Große], und nicht nach dem Urteil des höchsten Lenkers regieren diejenigen, die auf keine Tugenden sich stützend, auf keine Weise durch Gott gerufen, vielmehr von eigener Herrschsucht entflammt, den Gipfel mehr räuberisch an sich reißen als ihn zu erlangen: Diese lässt der geheime Richter hochkommen, doch kennt er sie nicht, denn die er im Zulassen erträgt, kennt er nicht im Urteilsspruch ihrer Verwerfung.21 Über diese wird dem Herrn durch den Psalmisten gesagt: Du hast sie niedergestreckt, als sie dabei waren, sich zu erheben.22 Im sich Erheben wird niedergestreckt, wer 23an äußeren Ehren gewinnt, an innerer Haltung verliert23. Der gerechte und barmherzige Gott lässt in seinem Verfügen über die Taten der Menschen das eine gnädig zu, das andere erträgt er im Zorn, und was er erlaubt, lässt er in der Weise zu, dass er dies zum Gebrauch für seine Vorsehung wendet. 2.24 Dass ein guter König Glück für das Volk bedeutet, ein schlechter Unglück. Über den Namen „König“ und darüber, welches Glück es für die untergebenen Völker bedeutet, wenn durch Gottes Gnade ein guter König über sie
Mor. XXV, 16, 34; 35 S. 1259 –1261; Isidor, Sent. III, 48, 11 (z. T. mit wörtlichen Anklängen). 18 Iob 34, 30. 19 Ex 9, 12. 20 Os 8, 4. 21 Gregor d. Gr., Reg. past. I, 1 S. 130. 22 Ps 72, 18. 23– 23 S. Anm. b. Im Deutschen ist das Wortspiel honores (Ehren) – mores (innere Haltung des Menschen) sowie proficere (Erfolg haben) – deficere (abnehmen, zurückfallen) des sprichwortähnlichen Diktums nicht wiederzugeben. 24 Bis auf die Einleitung nach Cap. div. sent. c. XX fol. 79r (De nomine regis, et que sit virtus eius. Sancti Cipriani), fol. 86r–87r (Die flüchtige und z. T. fehlerhafte Textpräsentation ist bei Hinkmar mehrfach mit derjenigen der Tradition des CP – Jonas, s.
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malus suo vitio rex super eos regnaverit, sanctus Cyprianus in libro de gradibus abusionum ostendit: Nomen, inquiens, regis intellectualiter hoc retinet, ut subiectis omnibus rectoris officium procuret. …25 III.26 Magnae potentiae argumentum est recta administratio. Quod ex bona administratione regiminis magna esse cognoscitur potentia temporalis: Magna est, inquit beatus Gregorius in libro Moralium, potentia temporalis, quae habet apud Deum meritum suum de bona administratione regiminis27. 28Bona est ordine suo potentia, sed cauta regentis indiget vita. Igitur bene hanc exercet, qui et retinere illam noverit et impugnare. Bene hanc exercet, qui scit per illam super culpas erigi et scit cum illa caeteris aequalitate
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herrscht, und welches Unglück es für die untergebenen Völker bedeutet, wenn ein durch eigenes Verschulden schlechter König über sie herrscht, macht der heilige Märtyrer Cyprian in seinem Buch über die Stufen der Übelstände folgende Ausführungen: Der Name König schließt begriffsmäßig in sich, dass er allen Untertanen den Dienst der Lenkung und Leitung erweist. …25 3.26 Gegenstand und Beweisgrund für große Macht ist ihre richtige Handhabung und Ausübung. Dass aus der guten Führung des Herrschaftsregiments ein Beweisgrund für die Größe weltlicher Macht folgt, belegt der heilige Gregor, der in seinem Werk Moralia ausführt: Groß ist die irdische Macht, die vor Gott bei guter Führung der Regierung ihr Verdienst hat.27 28Gut ist die Macht in ihrer Ordnung, doch sie bedingt ein bedachtes und vorsichtiges Leben des Regenten. Daher übt derjenige sie gut aus, der versteht, sie ebenso festzuhalten wie gegen sie anzukämpfen, um sie zu zähmen. Gut übt der sie aus, der weiß, dass er durch sie über die Schuld der anderen erhoben wird, der aber genau weiß, dass er trotz ihres Besitzes von der Naturanlage her mit den anderen
Jonas Anm. 62, modifiziert.); Wilmart S. 224; Laehr-Erdmann S. 121, 124. Grundlage: Pseudo-Cyprianus 9 S. 49 – 51. 25 Der folgende, hier nicht ausgeschriebene Text ist wiedergegeben bei Jonas von Orléans (s. dort mit Anm. 64 –71). Hinkmar stellt in der Einleitung die Verbindung zu der im ersten Kapitel behandelten Grundthematik her. Hinkmar hat über seine Vorlage hinaus selbständig Pseudo-Cyprian für sein Werk herangezogen: In c. 25 Sp. 850C/D zitiert er einen kurzen Ausschnitt aus der 9. abusio, dann Ausschnitte aus der 11. (plebs sine disciplina = Pseudo-Cyprianus S. 57, 58), um die Aufgabe des Herrschers als Corrector zu unterstreichen; abusio 12 (populus sine lege) bringt er c. 27 S. 189 f.: Der König hat das Gesetz gegen alle durchzusetzen. – Hinkmar zitiert die 9. abusio Pseudo-Cyprians ganz bzw. fast ganz: Fragment S. 190 f.; De divortio Lotharii regis et Theutbergae reginae. Hrsg. v. Letha Böhringer MGH Conc. 4 Supplementum 1. Hannover 1992, Anhang Responsio 7 S. 259 f.; Ad Carolum III. PL 125, Sp. 989C– 994A, hier Sp. 991D–992B; Ad episcopos Sp. 1011A–1012A (s. u. Anm. 123); Auszüge in De ord. pal. Z. 113 –119; s. Anton, Pseudo-Cyprian S. 612 mit Anm. 145, ebd. S. 612 – 614 zu dem Gesamtzusammenhang Hinkmar und Pseudo-Cyprian. 26 Das Kapitel entspricht ganz Cap. div. sent. c. XXIV fol. 79r, 88v–89v; Wilmart S. 224; Laehr-Erdmann S. 121, 126. Als eines der tiefgründigsten Räsonnements zum Thema „Macht“ bildet es dort den Abschluss. Hinkmar ordnet es sinnvoll seinen Grundlegungen zu. 27 Gregor d. Gr., Mor. XXVI, 26, 44 S. 1299. 28– 28 Gregor d. Gr., Mor. XXVI, 26, 45 S. 1300.
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componi. Humana etenim mens plerumque extollitur, etiam cum nulla potestate fulcitur, quanto magis in altum se erigit, cum se ei etiam potestas adiungit? Et tamen corrigendis aliorum vitiis apta exsecutione praeparatur. Unde et per Paulum dicitur: „Minister enim Dei est, vindex in iram ei, qui male agit“29. Cum ergo potentiae temporalis ministerium suscipitur, summa cura vigilandum est, ut sciat quisque et sumere ex illa, quod adiuvat, et expugnare, quod tentat.28 30Teneamus ergo exterius, quod pro aliorum utilitate suscepimus, teneamus interius, quod de nostra aestimatione sentimus. Sed tamen decenter quibusdam erumpentibus signis tales nos apud nos esse ipsi etiam, qui nobis commissi sunt, non ignorent: ut et de auctoritate nostra, quod formident, videant et de humilitate, quod imitentur, agnoscant. Servata autem auctoritate regiminis ad cor nostrum sine cessatione redeamus et consideremus assidue, quod sumus aequaliter cum caeteris conditi, non quod temporaliter caeteris praelati. Potestas enim quanto exterius eminet, tanto premi interius debet, ne cogitationem vincat, ne in delectatione sui animum rapiat, ne iam sub se mens eam regere non possit, cui se libidine dominandi supponit. Bene David regni potentiam regere noverat, qui elationem eiusdem potentiae semetipsum premendo vincebat, dicens: „Domine, non est exaltatum cor meum“31. Quique in eius humilitatis augmento subiunxit:“neque elati sunt oculi mei“31 atque addidit: „neque ambulavi in magnis“31. Et adhuc semetipsum subtilissima inquisitione discutiens ait: „neque in mirabilibus super me“31. Omnesque etiam cogitationes suas a fundo cordis exhauriens subiungit dicens: „Si non humiliter sentiebam, sed exaltavi animam meam“32. Ecce humilitatis hostiam ab intimo cordis oblatam crebro replicat et iterum atque iterum confitendo offerre non cessat eamque multipliciter loquens iudicis sui oculis ostentat. Quid est hoc, et quomodo istud sacrificium Deo placere cognoverat, quod in conspectu eius tanta iteratione vocis immolabat, nisi quod vicina esse superbia potentibus solet et pene semper rebus affluentibus elatio
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gleichgestellt ist. Der menschliche Sinn wird sehr oft zu Selbstüberhebung geführt, auch wenn er sich nicht auf eine Macht irgendwelcher Art stützen kann, um wie viel mehr strebt er zum Übermaß, wenn Macht sich ihm zugesellt? In geeigneter Ausführung wird sie im Bessern der Fehler und Laster anderer betätigt. Von daher sagt der Apostel Paulus: „Diener Gottes ist [der Herrscher], Rächer von Zorn gegen den, der schlecht handelt“29. Wenn also die Amtswaltung zeitlicher Macht übernommen wird, muss mit höchster Sorgfalt darüber gewacht werden, dass jeder Inhaber derselben aus ihr zu nehmen weiß, was vorteilhaft ist, und das in ihr zurückzudrängen, was Versuchung bereitet.28 30Zeigen wir [von der Macht] also nach außen, was wir zum Nutzen anderer übernommen haben, behalten wir davon in unserem Inneren, was wir über unsere Selbsteinschätzung empfinden. Doch durch einige unauffällig gegebene Zeichen soll es denjenigen, die uns anvertraut sind, klar werden, dass wir in unserem Inneren von solcher Haltung sind: dass sie an unserer erhabenen Stellung erkennen, wovor sie Furcht zu empfinden, an unserer Demut, was sie von uns nachzuahmen haben. Bei voller Wahrung der erhabenen Autorität unseres Leitungsamtes wollen wir ohne Verzug zu unserem Inneren, zum Herzen, gehen und unablässig betrachten, dass wir mit den anderen gleich geschaffen sind, nicht, dass wir zeitweise über sie erhoben sind. In welchem Maß Macht nach außen ragt, in diesem muss sie im Inneren unterdrückt werden, damit sie nicht das Denken besiegt, damit sie nicht den Geist zu Selbstgenuss hinreißt, so dass der Geist sie nicht mehr lenken kann, der er sich aus Herrschgelüst unterwirft. Gut die Macht zu lenken verstand David, der die Überhebung dieser Macht besiegte, indem er sich selbst niedrig setzte: „Herr, mein Herz ist nicht über Maßen erhoben“.31 Und der zur Steigerung der Demut zufügte: „und nicht sind anmaßend erhoben meine Augen“31, und der weiter hinzusetzte: „und ich wandelte nicht großspurig“31. Und der dann, sich selbst in feinster Erforschung prüfend, sagte: „und auch nicht in Wundergebilden über mir“31. Alle Gedanken vom tiefsten Grund seines Herzens schöpfend, sagte er schließlich: „Wenn ich nicht demütig fühlte, habe ich meinen Geist zu sehr erhoben“.32 Siehe, die Opfergabe seiner Zerknirschung, die er aus innerstem Herzen anbot, wiederholt er häufig und hört nicht auf, sie durch Bekennen wieder und wieder anzubieten, und durch häufiges Wiederholen zeigt er sie den Augen seines Richters. Was bedeutet dies, und wie wusste er, dass jenes Opfer Gott gefalle, das er in seinem Angesicht mit solcher Wiederholung der Rede darbrachte, wenn nicht, weil Arroganz den Mächtigen nahe ist und fast immer bei Überfluss an 29
Rom 13, 4. Gregor d. Gr., Mor. XXVI, 26, 46 – 48 S. 1302 f. Ps 130, 1. Ps 130, 2.
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sociatur, quia et saepe 33humoris abundantia duritiam dat tumoris33? Mirum vero est, cum in cordibus sublimium regnat humilitas morum. Unde pensandum est, quia potentes quique, cum humiliter sapiunt, culmen extraneae quasi longe positae virtutis attingunt et recte hac virtute Dominum quantocius placant, quia illud ei sacrificium potentes offerunt, quod potentes vix invenire possunt. Subtilissima namque ars vivendi est: culmen tenere, gloriam reprimere; esse quidem in potentia, sed potentem se esse nescire; ad largienda bona potentem se agnoscere, sed ad repetenda noxia omne, quod potenter valet, ignorare. Recte itaque de talibus dicitur: „Deus potentes non abicit, cum et ipse sit potens“34. Deum quippe imitari desiderat, qui fastigium potentiae alienis intentus utilitatibus et non suis laudibus elatus administrat, qui praelatus caeteris 35prodesse appetit, non praeesse35. Tumoris namque elatio, non ordo potestatis in crimine est. Potentiam Deus tribuit, elationem vero potentiae malitia nostrae mentis invenit. Tollamus ergo, quod de nostro contulimus, et bona sunt, quae Deo largiente possidemus.30 IV.36 Quales sibi adhibere debeat rex consiliarios. Quales sibi adhibere debeat rex consiliarios, Ambrosius in libris officiorum 37Talis, inquit, debet esse, qui consilium alteri dat, ut seipsum formam aliis 38praebeat ad exemplum bonorum operum, in doctrina, in integritate, in
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Machtmitteln Überhebung sich hinzugesellt, weil [bekanntlich] 33Übermaß an Wein die Härte des aufbrausenden Stolzes gibt33? Wunderbar ist es, wenn in den Herzen der Hochgestellten Demut der Sitten herrscht. Daher ist zu bedenken, dass die Mächtigen und die demütig Denkenden, die den Gipfel einer gleichsam weit außerhalb gelegenen Tugend erreichen, möglichst oft den Herrn mit dieser Tugend versöhnen, weil sie ihm als Mächtige das Opfer darbringen, das Mächtige kaum finden können. Eine höchst feinsinnige Kunst zu leben ist: den Gipfel innezuhaben, dabei den Ruhm zu unterdrücken; in der Macht zu sein, doch nicht zu empfinden, mächtig zu sein; sich in der machtvollen Lage zu fühlen, Gutes zu schenken, doch zum Vergelten von Schaden alles, was dazu kräftig taugt, zu ignorieren. Mit Recht heißt es von solchen: „Gott verwirft die Mächtigen nicht, da er selbst mächtig ist“.34 Gott nachzuahmen ist bestrebt, wer den Gipfel der Macht ausübt, eingespannt für den Nutzen anderer, nicht durch Eigenlob erhoben, wer, über die anderen gestellt, 35nützen will, nicht Macht üben35. Die Übersteigerung in Überheblichkeit, nicht die Macht in der (Natur)Ordnung gehört zum Verbrechen. Die Macht gab Gott, die Überhebung der Macht erfand die Bosheit unseres Sinnes. Lasst uns also ausräumen, was wir von uns her hinzugefügt haben, Gutes ist dann das, was wir durch Gottes Gabe besitzen.30 4.36 Welche Ratgeber ein König heranziehen soll. Welche Ratgeber ein König heranziehen soll, legt Ambrosius in seinem Werk über die Pflichten dar: 37So muss der sein, der einem anderen Rat gibt, dass er in sich anderen ein Musterbild 38darbietet zum Beispiel guter Werke, 33– 33
Das Wortspiel humoris – tumoris (Feuchtigkeit = Wein – Überhebung, Stolz) ist nicht wiederzugeben. 34 Iob 36, 5. 35– 35 Das kontrastierende Wortspiel prodesse – praeesse geht auf Augustinus und die Regula Benedicti zurück; Gregor wendet es mehrfach an; s. Anton, Herrscherethos S. 365. 36 Unabhängig von Cap. div. sent. aus dem ersten christlichen Amtsspiegel, dem Werk des Ambrosius, De officiis 具ministrorum典. Ambrosius orientiert sich seinerseits an Ciceros Werk De officiis, das er ins Christliche „übersetzt“. Die Bezüge von Ambrosius zu Cicero werden in der Edition nicht vermerkt. Die breite Rezeption des christlichen Amtsspiegels durch Hinkmar ist signifikant und aufschlussreich. Die Thematik des Königsberaters erhält bei ihm eine neue Dimension; s. hierzu grundlegend: Apsner, Burkhard: Vertrag und Konsens im früheren Mittellter. Studien zur Gesellschaftsprogrammatik und Staatlichkeit im westfränkischen Reich. Trier 2006 (Trierer Historische Forschungen. Bd. 58). 37– 37 Ambrosius, De off. min. II, 17, 86 S. 48; 88 S. 49. 38– 38 Vgl. Tit 2, 7– 8.
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gravitate38, ut sit eius sermo salubris atque irreprehensibilis38, consilium utile, vita honesta, sapientia decora. // Talis igitur debet esse consiliarius, qui nihil nebulosum habeat, nihil fallax, nihil fabulosum, nihil simulatum, quod vitam eius ac mores refellat, nihil improbum ac malivolum, quod avertat consulentes. Alia sunt enim quae fugiuntur, alia quae contemnuntur. Fugimus ea, quae possunt nocere, quae malitiose possunt in noxam serpere; ut, si is, qui consulitur, dubia sit fide et pecunia avidus, ut possit pretio mutari, si iniuriosus, hic fugitur ac declinatur. Qui vero voluptarius, intemperans, etsi alienus a fraude, tamen avarus et cupidior lucri turpis, hic contemnitur. Quod enim specimen industriae, quem fructum laboris edere potest, quam recipere animo curam ac sollicitudinem, qui se torpori dederit atque ignaviae?37 39Advertimus igitur, quod in acquirendis consiliis plurimum adiungat vitae probitas, virtutum praerogativa, benevolentiae usus, frugalitatisc gratia. Quis enim in caeno fontem requirat? Quis de turbida aqua potum petat? Itaque ubi luxuria est, ubi intemperantia, ubi vitiorum confusio, quis inde sibi aliquid hauriendum existimet? Quis non despiciat morum colluvionem? Quis utilem causae alienae iudicet, quem inutilem suae vitae videt? Quis iterum improbum, malivolum, contumeliosum non fugiat et ad nocendum paratum? Quis non eum omni studio declinet? – Quis vero quamvis instructum ad consilii opem, difficilem tamen accessu ambiat, in quo sit illud, tanquam si quis aquae fontem praecludat? Quid enim prodest habere sapientiam, si consilium neges? Si consulendi intercludas copiam, clausisti fontem, ut nec aliis profluat nec tibi prosit. – Pulchre autem et de illo convenit, qui habens prudentiam commaculat eam vitiorum sordibus, eo quod aquae exitum contaminet: 40Degeneres animos vita arguit40. Quomodo enim eum potes iudicare consilio su-
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facilitatis Ambrosius (vielleicht „Verbesserung“ Hinkmars).
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in seiner Lehre, in seiner Keuschheit, in seinem ganzen Ernst als Persönlichkeit38, dass seine Rede heilsam und untadelig38 sei, sein Rat nützlich, sein Leben ehrenhaft, seine Weisheit zierend. // So muss ein Ratgeber sein, dass er nichts Schwammiges, nichts Täuschendes, nichts Schwatzhaftes, nichts Verstelltes hat, das sein Leben und seinen Charakter ins Zwielicht bringt, nichts Schamloses und Übelwollendes, das die Ratsuchenden verscheucht. Das eine sind die Dinge, die man flieht, ein anderes die, die man verachtet. Wir fliehen die, die schaden können, die durch Bösartigkeit schleichend in Schaden umschlagen können; wie man, wenn der, den man um Rat angeht, von zweifelhafter Zuverlässigkeit ist und gierig auf Geld, so dass er durch Bestechung umgedreht werden kann, wenn er Unrecht verübt, einen solchen flieht und meidet. Was den angeht, der dem Lebensgenuss ergeben ist, der Zügellosigkeit, auch wenn er fern von Betrug, doch schändlich in Habgier und Sucht nach Gewinn ist: einen solchen verachtet man. Welches Beispiel seiner Anstrengung, welche Frucht seiner Arbeit kann der hervorbringen, welche innere Anstrengung und Betätigung kann der leisten, der sich Nichtstun und Faulheit ergeben hat?37 39Wir erkennen, dass für die Tätigkeit als Ratgeber am meisten empfiehlt Ehrenhaftigkeit des Lebens, Vorzüglichkeit an Tugenden, durchgehend betätigte Gewogenheit, die Gabe geordneter wirtschaftlicher Verwaltung. Wer würde im Schmutz eine Quelle suchen? Wer würde aus trübem Wasser trinken wollen? Daher, wo Prunk und Protz, wo Ungezügeltheit, wo Häufung von Lastern ist, wer würde glauben, dort etwas schöpfen zu können? Wer würde nicht Verderbtheit der Sitten verachten? Wer würde jemanden als nützlich für die Sache anderer ansehen, den er sinnlos sein eigenes Leben vertun sieht? Wer wiederum würde einen charakterlich Schlechten, einen Missgünstigen, einen Schmähsüchtigen nicht fliehen, jemanden, der zu schaden bereit ist? Wer würde einen solchen nicht mit größtem Vorbedacht meiden? – Wer würde jemanden um Rat angehen, wenn der auch noch so sehr dazu in der Lage wäre, der sich schwer zugänglich zeigt, mit dem es sich so verhält, als wenn jemand eine Quelle Wasser absperrte? Was nützt es, wenn man Weisheit besitzt, doch den Rat verweigert? Wenn Du die Möglichkeit zum Rat abschneidest, hast Du die Quelle verschlossen, so dass sie weder für andere sprudeln noch Dir nützen kann. – Wahrhaft schön trifft dies auch auf den zu, der Klugheit besitzt, doch sie mit dem Schmutz der Laster beschmiert, in der Weise, dass er den Ausfluss des Wassers verunreinigt: 40Das Leben stellt unwürdige Charaktere bloß40. Wie könntest Du jemanden durch seinen Rat Dir gegenüber als höher einschät39– 39 Ambrosius, De off. min. II, 12, 60 – 63 S. 36 f. Der größere Teil des Ambrosiusausschnitts ist auch verwertet Hinkmar, Ad episcopos c. 9 Sp. 1013B–D, s. bei und mit Anm. 125. 40– 40 Vgl. Vergil, Aen. IV, 13: degeneres animos timor arguit.
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periorem, quem videas inferiorem moribus? Supra me debet esse, cui me committere paro. An vero idoneum eum putabo, qui mihi det consilium, quod non det sibi, et mihi eum vacare credam, qui sibi non vacet? Cuius animum voluptates occupent, libido devincat, avaritia subiuget, cupiditas perturbet, quatiat metus? Quomodo hic consilii locus, ubi nullus quietis? – Admirandus mihi et suscipiendus consiliarius, quem propitius Dominus patribus dedit, offensus abstulit39. 41Prudentissimo cuique causam committimus nostram et ab eo consilium promptius quam a caeteris poscimus. Praestat tamen fidele iusti consilium et sapientissimi ingenio frequenter praeponderat: 42Utiliora enim vulnera amici quam aliorum oscula42. Deinde quia iusti iudicium est, sapientis autem argumentum, in illo censura disceptationis, in hoc calliditas inventionis. – Quod si utrumque connectas, erit magna consiliorum salubritas, quae ab universis spectatur admiratione sapientiae et amore iustitiae: ut omnes quaerant audire sapientiam eius viri, in quo utriusque virtutis copula sit.41 43 Ideo prudentia et iustitia in unoquoque desideratur, et ea exspectatur a pluribus; ut in quo ea sint, illi deferatur fides, quod possit utile consilium ac fidele desideranti dare. Quis enim ei se committat, quem non putet plus sapere, quam ipse sapiat, qui quaerit consilium? Necesse est igitur, ut praestantior sit, a quo consilium petatur, quam ille est, qui petit. Quid enim consulas hominem, quem non arbitreris posse melius aliquid reperire, quam ipse intelligis? – Quod si eum inveneris, qui vivacitate ingenii, mentis vigore atque auctoritate praestet, et accedat eo, ut exemplo et usu paratior sit, praesentia solvat pericula, prospiciat futura, denuntiet imminentia, argumentum expediat, remedium ferat in tempore, paratus sit non solum ad consulendum, sed etiam ad subveniendum: huic ita fides habetur, ut dicat, qui consilium petit: 44„Etsi mala mihi evenerint per illum, sustineo“44. – Huiusmodi igitur viro salutem nostram et existimationem committimus, qui sit, ut supra diximus, iustus et prudens. Facit enim iustitia, ut nullus sit fraudis metus; facit etiam prudentia,
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zen, von dem Du feststellst, dass er durch seine Sitten unter Dir steht? Über mir muss aber sein, wem mich anzuvertrauen ich mich bereit finde. Oder werde ich den als geeignet zum Ratgeber betrachten, der mir einen Rat geben möchte, den er nicht sich geben wollte, und sollte ich glauben, der hätte für mich Zeit, der sie nicht für sich hätte? Jemanden, dessen Sinn die Begierden besetzt halten, den die Wollust in Fesseln schlägt, die Habgier knechtet, die Leidenschaft verwirrt, die Furcht schüttelt? Wie sollte dort ein Platz für Rat sein, wo keiner für gelassene Ruhe ist? – Bewundernswert und Argwohn erregend zugleich scheint mir jener Ratgeber, den der Herr gnädig gestimmt den Vätern gab, erzürnt und beleidigt entzog.39 41Unsere Sache vertrauen wir dem klügsten Menschen an und erbitten von ihm eher Rat als von den anderen. In der Tat besitzt der treue Rat des Gerechten den Vorrang und hat oft mehr Gewicht als der Scharfsinn des Weisesten: 42Nützlicher sind die vom Freund zugefügten Wunden als die Küsse der anderen42. Da der Gerechte Urteilsfähigkeit hat, der Weise das Räsonnement, kommt dem Ersteren kritische Einrede, dem anderen Versiertheit im Erfinden zu. – Wenn man das eine mit dem anderen verbindet, sind sehr heilsame Ratschläge das Ergebnis, die von allen beachtet werden aus Bewunderung der Weisheit und aus Liebe zur Gerechtigkeit: Folglich wollen alle die Weisheit des Mannes hören, in dem beide Tugenden im Verbund sind.41 43In jedem werden also Klugheit und Gerechtigkeit verlangt, und dies wird von den meisten erwartet; daher wird dem, der beide besitzt, das Vertrauen entgegengebracht, dass er dem, der es wünscht, nützlichen und getreuen Rat geben kann. Sollte sich jemand dem anvertrauen, von dem er nicht annimmt, er sei weiser als er, der Ratsuchende? Folglich muss der um Rat Gebetene den Ratsuchenden übertreffen. Wie sollte man einen Menschen um Rat angehen, von dem man nicht überzeugt wäre, er könne besser etwas finden als die eigene Intelligenz? – Wenn Du aber einen fändest, der durch Lebhaftigkeit des Temperaments, durch Kraft des Geistes und durch Autorität hervorsticht, und hinzukäme, dass Beispiel und Erfahrung ihn ausweisen, dass er gegenwärtige Probleme und Gefahren löst, kommende vorhersieht, drohende benennt, den Sachverhalt auseinanderlegt, Heilmittel reicht zur passenden Zeit, bereit ist nicht nur zum Ratgeben, sondern auch zum helfenden Zugreifen: einem solchen wird Vertrauen gewährt, so dass der Ratsuchende sagt: 44„Und wenn mir Übel durch einen solchen erwachsen, ich trage sie“.44 – Einem solchen Mann übertragen wir unser Wohl und unser Ansehen, der, wie gesagt, gerecht und klug ist. Die Gerechtigkeit macht, dass keine Furcht vor Betrug besteht, die Klugheit macht, 41– 41 42– 42 43– 43 44– 44
Ambrosius, De off. min. II, 10, 50 – 51 S. 32 f. Vgl. Prov 27, 6. Ambrosius, De off. min. II, 8, 41– 43 S. 28 f. Ecli 22, 31.
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ut nulla erroris suspicio sit. Promptius tamen nos iusto viro quam prudenti committimus43. 45Pulchrum est igitur bene velle et eo largiri consilio, ut prosis, non ut noceas. Nam si luxurioso ad luxuriae effusionem, adultero ad mercedem adulterii largiendum putes, non est beneficentia ista, ubi nulla est benevolentia. dOfficere enim istud est, non prodesse alteri, si largiaris ei, qui conspiret adversus patriam, qui congregare cupiat tuo sumptu perditos, qui impugnent ecclesiam. Non est haec probabilis liberalitas, si adiuves eum, qui adversus viduam et pupillos gravi decernit iurgio aut vi aliqua possessiones eorum eripere conatur. – Non probatur largitas, si quod alteri largitur, alteri quis extorqueat, si iniuste quaerat et iuste dispensandum putet, nisi forte ut ille 46Zachaeus reddas prius ei quadruplum, quem fraudaveris,46 et gentilitatis vitia fidei studio et credentis operatione compensesd. Fundamentum igitur habeat liberalitas tua. – Hoc primum quaeritur, ut cum fide conferas, fraudem non facias oblatis45. Similiter et in consiliis agere debet consiliarius, quia est et in consilio maxima liberalitas. V.47 Nihil felicius, quam si regnent regnandi scientiam habentes. Nihil felicius esse rebus humanis quam regnare miserante Deo scientiam habentes ex libro Augustini de civitate Dei: 48Qui vera pietate praediti bene vivunt, si habeant scientiam regendi populos, nihil felicius rebus humanis,
d–d
Satzbeziehung entgegen Sirmond mit dem Ambrosius-Herausgeber Testard.
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dass kein Verdacht auf Irrtum herrscht. Schneller und eher vertrauen wir uns jedoch einem gerechten als einem klugen Mann an.43 45Schön ist es, wohlzuwollen und in der Absicht zu schenken, dass man nützt, nicht schadet. Wenn Du einen Prunksüchtigen zum Schwelgen in seiner Prunksucht, einen Ehebrecher als Lohn für seinen Ehebruch glaubst beschenken zu sollen, dann ist keine Wohltat da, wo kein Wohlwollen ist. Es heißt, einem anderen zum Nachteil zu sein, nicht ihm zu nützen, wenn Du den beschenkst, der gegen das Vaterland eine Verschwörung anzettelt, der mit Deinen Mitteln verruchte Existenzen zusammenrottet, die die Kirche angreifen. Es ist keine preiswürdige Freigebigkeit, wenn Du den unterstützt, der gegen eine Witwe und gegen Waisen im harten Prozess ficht oder mit Gewalt ihre Habe zu rauben versucht. – Man kann eine Freigebigkeit nicht billigen, wenn jemand, was er einem schenkt, einem anderen entwendet, wenn er es ungerecht erhaschen und dann gerecht verwalten zu dürfen glaubt, außer Du gibst zuerst wie 46jener Zachaeus dem, den Du beraubt hast, das Vierfache46 und machst die Fehler Deines gottfernen Frevels mit Eifer des Glaubens und dessen Betätigung wett. Deine Freigebigkeit muss ein sicheres Fundament haben. – Das wird zunächst verlangt, dass Du in guter Gesinnung gibst, mit Deinen Gaben keinen Betrug begehst.45 Ähnlich muss der Ratgeber sich bei seinem Ratgeben verhalten, da auch dort größte Freigebigkeit angebracht ist. 5.47 Dass es nichts Glückbringenderes gibt, als wenn solche regieren, die Kenntnis und Eignung zum Regieren haben. Dass es nichts Glückbringenderes in den menschlichen Dingen gibt, als wenn auf Gottes Erbarmen hin solche herrschen, die Kenntnis und Eignung zum Regieren haben, ist aus dem Werk des Augustinus über den Gottesstaat zu entnehmen: 48Wenn die, die in wahrer Gottesfurcht untadelig und vorbildhaft leben, die Fähigkeit zum Regieren haben, gibt es nichts Glückbringenderes in den menschlichen Dingen, als wenn sie auf Gottes Erbarmen
45– 45
Ambrosius, De off. min. I, 30, 144 –146 S. 164 f. Vgl. Luc 19, 1–10. 47 Nach Cap. div. sent. c. I fol. 78v, 79r; Wilmart S. 221 f. (hier als c. 2); Laehr-Erdmann S. 120 f. 48– 48 Dieser in Cap. div. sent. und bei Hinkmar als augustinisch gebrachte Satz steht nicht bei dem Kirchenvater. Für den moralischen Parameter bei Augustinus und bei Jonas ist als Summe der Begriff pietas gesetzt, darüber hinausgehend dieser mit dem Begriff der Eignung verknüpft, schließlich die Perspektive vom Herrscher weg auf die Untertanen gerichtet. Nach Darlegung der allgemeinen Grundlagen und der Infrastruktur der Herrschaft platziert Hinkmar den folgenden Text (s. Anm. 49) als Abschluss des Teiles „Herrschaft – Königtum – Herrschaftsapparat – Untertanen“. 46– 46
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quam si Deo miserante habeant potestatem.48 Nos Christianos reges ideo felices dicimus, si iuste regnant, si inter linguas sublimiter honorantium et obsequia nimis humiliter salutantium non extolluntur, sed se homines esse meminerunt; si suam potestatem ad Dei cultum maxime dilatandum maiestati eius famulam faciunt; si Deum timent, diligunt, colunt; si plus amant illud regnum, ubi non timent habere consortes; si tardius vindicant, facile ignoscunt; si eamdem vindictam pro necessitate regendae tuendaeque reipublicae, non pro saturandis inimicitiarum odiis exerunt; si eamdem veniam non ad impunitatem iniquitatis, sed ad spem correctionis indulgent; si, quod aspere coguntur plerumque decernere, misericordiae lenitate et beneficiorum largitate compensant; si luxuria tanto eis est castigatior, quanto posset esse liberior; si malunt cupiditatibus pravis quam quibuslibet gentibus imperare; et si haec omnia faciunt non propter ardorem inanis gloriae, sed propter caritatem felicitatis aeternae; si pro suis peccatis humilitatis et miserationis et orationis sacrificium Deo suo vero immolare non negligunt. Tales Christianos reges dicimus esse felices interim spe, postea re ipsa potituros, cum id, quod exspectamus, advenerit.49 VI.50 Quod utile sit bonos reges diu et longe lateque regnare. Quod utile sit his, qui regnant et quibus regnant, si boni sint, diu longe lateque regnare, idem in eodem libro beatus Augustinus demonstrat dicens: 51 Si verus Deus colatur eique sacris, veracibus et bonis moribus serviatur, utile est, ut boni longe lateque diu regnent; neque hoc tam ipsis quam illis utile est, quibus regnant. Nam quantum ad ipsos pertinet, pietas et probitas eorum,
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und Fügung hin die Macht dazu haben.48 Wir nennen christliche Könige dann glücklich, wenn sie gerecht die Königsherrschaft führen, wenn sie unter den Stimmen der sie mit Ehren Überhäufenden und unter den Ergebenheitsdiensten der allzu demütig Verehrung Bezeugenden nicht überheblich werden, sondern dessen eingedenk bleiben, dass sie Menschen sind; wenn sie ihre Macht zum Dienst für die Majestät Gottes zur weitesten Verbreitung von dessen Kult machen; wenn sie Gott fürchten, lieben, verehren; wenn sie mehr jenes Reich lieben, wo sie nicht fürchten müssen, Rivalen zu haben; wenn sie zögerlich sind zu rächen, geneigt zu verzeihen; wenn sie einer solchen Rache aus staatspolitischer Notwendigkeit, nicht um persönlicher Rachegelüste willen stattgeben; wenn sie Verzeihung gewähren, nicht um die Schlechtigkeit ungestraft zu lassen, sondern um Besserung zu erhoffen; wenn sie die Maßnahmen der Härte, zu der sie häufig gezwungen sind, durch Milde im Erbarmen und Großzügigkeit in Wohltaten ausgleichen; wenn sie die Genusssucht umso stärker zügeln, je freier sie ihr frönen könnten; wenn sie lieber über ihre schlechten Begierden als über irgendwelche Völker Herrschaft ausüben; wenn sie dies alles tun, nicht aus eitler Ruhmgier, sondern aus Liebe zum ewigen Glück; wenn sie nicht unterlassen, für ihre Sünden Gott das Opfer ihrer Demut und ihres Erbarmens und ihres Gebetes darzubringen. Solche christlichen Könige nennen wir glücklich, und sagen, dass sie es im gegenwärtigen Leben in der Hoffnung sind, danach aber in der Realität es erlangen werden, wenn das, was wir erhoffen, eingetreten sein wird.49 6.50 Dass es nützlich ist, wenn gute Könige lange und über ein weites Herrschaftsgebiet regieren. Dass es nützlich ist für die, die herrschen, und für die, über die sie herrschen, wenn Erstere, wenn sie gut sind, lange und weithin herrschen, führt der derselbe heilige Augustinus in demselben Buch aus: 51Wenn der wahre Gott verehrt wird und ihm mit heiligmäßigen, wahrhaftigen und guten Sitten gedient wird, ist es von Nutzen, dass solche guten Herrscher lange und über ausgedehntes Gebiet herrschen; und dies ist nicht so sehr für sie nützlich wie für die, über die sie herrschen. Denn was sie selbst angeht, so genügt ih49
Augustinus, De civ. Dei V, 24. In Cap. div. sent. und bei Hinkmar findet sich nach Jonas, De institutione regia c. 17 S. 97 f. die zweite/dritte Rezeption der berühmten augustinischen Imperator-felix-Skizze. – Hinkmar, der Gegner der Kaiseraspirationen seines Spiegeladressaten Karl des Kahlen war, hat konsequent auf die Kaisersphäre zielende Termini durch das Königtum kennzeichnende ersetzt. 50 Übernahme aus Cap. div. sent. c. II fol. 78v, 79v–80r; Wilmart S. 220; Laehr-Erdmann S. 120, 122. 51– 51 Augustinus, De civ. Dei IV, 3; 4.
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quae magna Dei dona sunt, sufficit eis ad veram felicitatem, qua et ista vita bene agatur et postea percipiatur aeterna. In hac ergo terra regnum bonorum non tam illis praestatur quam rebus humanis; malorum vero regnum magis regnantibus nocet, qui suos animos vastant scelerum maiore licentia; his autem, qui eis serviendo subduntur, non nocet nisi iniquitas propria. Nam iustis, quidquid malorum ab iniquis dominis irrogatur, non est poena criminis, sed virtutis examen. Proinde bonus etiam si serviat, liber est, malus autem, etiamsi regnet, servus est, nec unius hominis, sed, quod est gravius, tot dominorum quot vitiorum. De quibus vitiis cum ageret Scriptura divina, „A quo enim quis“, inquit, „devictus est, huic servus addictus est“52. Remota itaque iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia?51
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nen ihre Frömmigkeit und Rechtschaffenheit, die große Gaben Gottes sind, zu jenem wahren Glück, mit dem dieses Leben gut gestaltet und später das ewige Leben erlangt wird. Auf dieser Welt aber wird die Herrschaft der Guten diesen nicht so sehr für sich selbst als für den Zustand der Welt verliehen; die Herrschaft der Schlechten hingegen schadet den Herrschenden mehr, die wegen größerer Möglichkeit zu Verbrechen ihre Seelen zugrunde richten; denen aber, die ihnen zu Dienst und Gehorsam unterworfen sind, schadet nur ihre eigene Schlechtigkeit. Denn wenn Gerechten von ungerechten Herren etwas Übles zugefügt wird, ist es nicht Strafe für eigene Vergehen, sondern Prüfung der Tugend. So ist denn der Gute, auch wenn er rechtlich Sklave ist, ein Freier, der Schlechte aber, auch wenn er herrscht, ein Sklave, und zwar nicht eines einzelnen Menschen, sondern, was schwerer wiegt, so vieler Herren, wie er Laster hat. Über die Laster führt die Heilige Schrift aus: „Von wem jemand überwältigt ist, dem ist er als Sklave zugesprochen“.52 Wenn man die Gerechtigkeit wegnimmt, was sind dann die Reiche anderes als große Räuberbanden?51 Die in den Kapiteln 5 und 6 gebrachte ausgiebige Rezipierung Augustins führt Hinkmar konsequent und noch folgerichtiger als die Vorlage Cap. div. sent. weiter. In den Kapiteln 7–15 (Sp. 840C–844B) behandelt er das Kriegsthema und bietet eine frühe christliche Kriegsethik.53 Hinkmar gruppiert die Abschnitte gegenüber der Vorlage, in der sie sich bis auf das letzte Kapitel der Gruppe finden (s. die Aufstellungen: Wilmart S. 220 – 224; Laehr-Erdmann S. 120 –125) zum Teil um, fasst eines unabhängig, wenn auch wohl zu Unrecht, als augustinisch, gibt dem ungefügter zusammengestellten Material die sinnvollere und kategoriale Strukturierung im Gang vom Grundsätzlichen zum Detail. Nach den dem ersten Themenkreis (Person und Amt des Königs, Staat allgemein) gewidmeten Kapiteln (1– 6, 7–15) kommt Hinkmar zur Legitimation der Todesstrafe. Umfassender geht es um die herrscherliche Gesetzgebung. Mit einer von ihm gestalteten Überleitung führt er einen aus Cap. div. sent. entnommenen Augustinustext ein.54
52
Vgl. 2 Petr 2, 19: a quo enim quis superatus est, huius et servus est. S. auch die Wertung durch Scharff, Thomas: Die Kämpfe der Herrscher und der Heiligen. Krieg und historische Erinnerung in der Karolingerzeit. Darmstadt 2002 (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne), S. 22. 54 C. 16: Sp. 844B–D. Siehe Cap. div. sent. c. XI: Wilmart S. 223; Laehr-Erdmann S. 122; Augustinus: Epistulae Bd. 4. Hrsg. v. Alfred Goldbacher. Wien, Leipzig 1911 (Ndr. 1961) (CSEL 57); Ep. 185, S. 1– 44; 19 S. 17 f. 53
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XVII.55 Quod ad iustitiae observationem etiam compellendum sit. Quod ad iustitiae observationem etiam compellendum sit, Augustinus ad Vincentium demonstrat dicens: 56Putas, inquit, neminem debere cogi ad iustitiam, cum legas 57patremfamilias dixisse servis: „Quoscumque inveneritis, cogite intrare“57, cum legas etiam 58ipsum primo Saulum, postea Paulum, ad cognoscendam et tenendam veritatem magna violentia Christi cogentis esse compulsum?58 // Et putas nullam vim adhibendam esse homini, ut ab errroris pernicie liberetur, cum ipsum Dominum, quo nemo nos utilius diligit, certissimis exemplis hoc facere videas et Christum audias dicentem: „Nemo venit ad me, nisi quem Pater attraxerit“59? Quod fit in cordibus omnium, qui se ad Deum divinae iracundiae timore convertunt56. Quidquid vero facit vera et legitima mater ecclesia, etiamsi asperum amarumque sentiatur, non malum pro malo reddit, sed bonum disciplinae expellendo malum iniquitatis apponit60. Vides igitur non esse considerandum, quod quisque cogitur, sed quale sit illud, quo cogitur, utrum bonum an malum. Non quo quisque bonus esse possit invitus, sed timendo, quod non vult pati, vel relinquit impedientem animositatem vel ignoratam compellitur agnoscere veritatem, ut timens vel respuat falsum, de quo contendebat, vel quaerat verum, quod nesciebat, et volens iam teneat, quod nolebat61. 62Non enim bonum homini est hominem vincere, sed bonum est homini, ut eum veritas vincat volentem, quia malum est homini, ut eum veritas vincat invitum. Nam ipsa vincat necesse est, sive negantem, sive confitentem.62 De hac salubri coactione et beatus Gregorius
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17.55 Dass zur Beachtung der Gerechtigkeit auch Zwang anzuwenden ist. Dass zur Beachtung der Gerechtigkeit auch Zwang anzuwenden ist, zeigt Augustinus in seinem Brief an Vincentius: 56Glaubst Du etwa, niemand dürfe zur Gerechtigkeit gezwungen werden, obwohl Du liest, dass 57der Hausvater den Knechten gesagt hat: „Zwingt die, die immer ihr finden werdet, einzutreten“57, obwohl Du liest, dass zum Erkennen und Festhalten der Wahrheit 58selbst der frühere Saulus, spätere Paulus durch die große Gewalt des zwingenden Christus gebracht worden ist?58 // Und glaubst Du, dem Menschen dürfe nicht Gewalt getan werden, um ihn von der Verderbnis des Irrtums zu befreien, obwohl Du an sichersten Beispielen siehst, dass der Herr selbst, der uns mehr als jemand zu unserem Nutzen liebt, dies tut, und obwohl Du Christus sagen hörst: „Niemand kommt zu mir, außer wen der Vater an sich gezogen hat“59? Gleiches geschieht in den Herzen aller, die sich zu Gott aus Furcht vor dem göttlichen Zorn bekehren.56 Und was immer die einzig wahre Mutter Kirche tut, auch wenn es als hart und bitter empfunden wird, sie vergilt nicht Böses mit Bösem, sie stellt vielmehr das Gut der Zucht bereit, wenn sie das Böse der Schlechtigkeit austreibt.60 Du siehst also, dass nicht zu erwägen ist, dass jemand gezwungen wird, sondern wie das ist, wozu er gezwungen wird, ob gut oder schlecht. Nicht als ob jemand gegen seinen Willen gut sein könnte, vielmehr lässt er in der Furcht zu erdulden, was er nicht will, die ihn hindernde Feindseligkeit fahren oder wird gezwungen, die ihm unbekannte Wahrheit anzunehmen, so dass er das Falsche, das er vertrat, in Furcht zurückweist oder das Wahre sucht, das er nicht kannte, und billigend das ergreift, das er nicht wollte.61 62Es ist nicht gut für den Menschen, dass ein Mensch ihn besiegt, gut ist es vielmehr für den Menschen, dass die Wahrheit ihn als Überzeugten besiegt, denn es ist ein Übel, wenn die Wahrheit ihn gegen seinen Willen besiegt. Denn die Wahrheit muss notwendig siegen, sei es über den, der sie bestreitet und sich ihr widersetzt, sei es über den, der sie willig bekennt.62 Über diesen heilsamen Zwang spricht auch der heilige Gregor in der 36. Homilie auf seine Art, sehr milde
55 Einleitung und überwiegender Teil nach Cap. div. sent. c. XIII fol. 79r, 84; Wilmart S. 223; Laehr-Erdmann S. 121, 123. Der Gregor-Abschluss ist von Hinkmar. 56– 56 Augustinus: Epistulae Bd. 1. Hrsg. v. Alfred Goldbacher. Wien, Leipzig 1895 (CSEL 34) (Ndr. 1970); Ep. 93 S. 445 – 496; 5 S. 449 Z. 16 – 20, Z. 24 – S. 450 Z. 3. 57– 57 Vgl. Luc 14, 21– 23; Matth 22, 9. 58– 58 Vgl. Act 9, 3 –18. 59 Vgl. Io 6, 44. 60 Augustinus, Ep. 93 (wie Anm. 56) 5 S. 450 Z. 19 – 22. 61 Augustinus, Ep. 93 (wie Anm. 56) 16 S. 461 Z. 3 – 9 62– 62 Wohl auch nach Augustin, doch nicht ermittelt.
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in homilia trigesima sexta more suo dulcissime et abundantissime dicit.63 Quae quia notissima et usu lectionis trita sunt, et ne prolixior foret sententia, hic praetermittere censui. XVIII.64 Quod Christo serviat, qui improbos corripit amore iustitiae. Quia etiam disciplinam exercendo in improbos et perversos, non odii sui rancore vel vindictae suae livore, sed amore iustitiae et divinae vindictae Christo serviat, idem beatus Augustinus demonstrat dicens: 65Quando veritas praedicatur errantibus, cordatis utilis admonitio est, insensatis inutilis afflictio. 66Non est autem potestas nisi a Deo. […] Qui autem resistit potestati, Dei ordinationi resistit. […] Principes enim non sunt timori bono operi, sed malo. Vis autem non timere potestatem? Bonum fac, et habebis laudem ex illa66. Sive enim potestas veritati favens aliquem corrigat, laudem habet ex illa, qui fuerit emendatus; sive inimica veritati in aliquem saeviat, laudem habet ex illa, qui victor fuerit coronatus65. 67In disciplina nostra non tam quaeritur, utrum pius animus irascatur, sed quare irascatur; nec utrum sit tristis, sed unde sit tristis; nec utrum timeat, sed quid timeat. Irasci enim peccanti, ut corrigatur, contristari pro afflicto, ut liberetur, timere periclitanti, ne pereat, nescio, utrum quisquam sana consideratione reprehendat. Nam et misericordiam Stoicorum est solere culpare, sed quanto honestius ille Stoicus misericordia perturbaretur hominis liberandi quam timore naufragii. Longe melius et
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und sehr ausgiebig.63 Da solches sehr bekannt und durch übliche Lektüre breitgetreten ist, und damit die Aussage nicht zu weitläufig gerate, habe ich entschieden, es hier wegzulassen. 18.64 Dass Christus dient, wer Gottlose aus Liebe zur Gerechtigkeit züchtigt. Dass der, der gegen Gottlose und Schlechte Zucht und Zwangsgewalt übt, nicht aus hasserfülltem Zorn und neidbestimmter Vergeltungssucht, sondern aus Liebe zur Gerechtigkeit und zur Durchsetzung der Rache Gottes Christus dient, führt der nämliche heilige Augustinus vor, indem er sagt: 65Wenn die Wahrheit Irrenden verkündet wird, ist das für Einsichtsbereite eine nützliche Mahnung, für nicht zur Einsicht Bereite eine unnütze Bestürmung. 66Es gibt aber keine Gewalt außer von Gott. […] Wer aber der Gewalt widersteht, widersteht der Anordnung Gottes. […] Die Herrscher sind nicht da zur Furcht für gutes Tun, sondern für schlechtes. Willst Du also die Gewalt nicht fürchten? Tue Gutes und Du wirst Lohn aus ihr haben.66 Sei es, dass eine Gewalt, die die Wahrheit unterstützt, jemanden zur Ordnung zieht, dann hat er Lob aus ihr als einer, der gebessert wurde; sei es, dass eine Gewalt, die Feindin der Wahrheit ist, gegen jemanden wütet, dann hat er Lob aus ihr als einer, der die Siegeskrone des Bekennertums empfangen hat.65 67Bei unseren Strafzuchtmaßnahmen ist es nicht so sehr die Frage, ob ein frommer Sinn zürnen kann, sondern, warum er etwa zürnt; und nicht so sehr, ob er traurig sein darf, sondern woher er etwa traurig ist; und nicht so sehr, ob er sich fürchten darf, sondern wovor etwa. Denn einem Sündigenden zu zürnen mit dem Ziel, dass er gebessert werde, für einen Verzweifelten betrübt zu sein, damit er befreit werde, zu fürchten für einen Strauchelnden, dass er nicht falle, – ich weiß nicht, ob jemand, der gesunden Sinnes ist, solches tadeln könnte. Denn sogar Mitleid zu tadeln, als Schuld aufzuweisen und vorzuhalten, ist die Haltung der Stoiker, doch um wie viel ehrenvoller wäre der Fall jenes Stoikers, der mehr von dem Mitleid bewegt würde, einen Menschen zu befreien, als von der Furcht vor einem Schiffbruch. Viel besser und menschli63
Gregor d. Gr.: Homiliae in Evangelia. Hrsg. v. Raymond Étaix. Turnhout 1999 (CC SL 141); 36 S. 331– 346, bes. c. 8 – 9 S. 339 – 341. 64 Zusammengefügt aus Cap. div. sent. c. XIV (bis coronatus) fol. 79r, 84v und c. XVII fol. 85r–v (Wilmart S. 223; Laehr-Erdmann S. 123) unter freier Ersetzung des ersten Rubrums, Einfügung einer Einleitung und Weglassung des zweiten Rubrums (s. Laehr-Erdmann S. 121). 65– 65 Augustinus, Ep. 93 (wie Anm. 56) 20 S. 464 Z. 23 – S. 465 Z. 7. 66– 66 Rom 13, 1– 3. 67– 67 Augustinus, De civ. Dei IX, 5; s. auch Anm. 64.
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humanius et piorum sensibus accomodatius Cicero in Caesaris laude locutus est, ubi ait: „De virtutibus tuis nec admirabilior nec gratior misericordia est“68. Quid est autem misericordia nisi alienae miseriae quaedam in nostro corde compassio, qua utique, si possumus subvenire, compellimur? Servit autem motus iste rationi, quando ita praebetur misericordia, ut iustitia conservetur, sive cum indigenti tribuitur, sive cum ignoscitur paenitenti.67 XIX.69 De discretione in habenda misericordia. Item de discretione in habenda misericordia Ambrosius in expositione psalmi centesimi decimi octavi: 70Est iusta misericordia et est etiam iniusta misericordia. Denique in lege scriptum est de quodam: „Non misereberis illius“71; et in libris Regnorum legis, 72quia Saul propterea contraxit offensam, quia miseratus est Agag hostium regem, quem prohibuerat sententia divina servari.72 Ut si quis latronis filiis deprecantibus motus et lacrymis coniugis eius inflexus absolvendum putet, cui adhuc latrocinandi aspiret affectus, nonne innocentes tradet exitio, qui liberat multorum exitia cogitantem? Certe si gladium reprimit, vincla dissolvit, cur laxat exsilio? Cur latrocinandi qua potest clementiore via non eripit facultatem, qui voluntatem extorquere non potuit? Deinde inter duos, hoc est accusatorem et reum, pari periculo de capite decernentes, alterum si non probasset, alterum si non esset ab accusatore convictus, non id, quod iustitiae est, iudex sequatur, sed dum miseretur rei, damnet probantem, aut dum accusatori favet, qui probare non possit, addicat innoxium? Non potest igitur haec dici iusta misericordia. In ipsa ecclesia, ubi maxime misereri decet, teneri quammaxime debet forma iustitiae, ne quis a
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cher und dem Sinn der Frommen angemessener führt Cicero zum Lob Cäsars aus: „Von Deinen Tugenden gibt es keine bewundernswertere, keine angenehmere als das Mitleid“.68 Was ist aber das Mitleid anderes als ein gewisses Mitleiden in unserem Herzen mit fremdem Elend, durch das wir, wenn es uns irgendwie möglich ist, zur Hilfe angetrieben werden? Jene Bewegtheit dient der Vernunft, wenn das Mitleid so gewährt wird, dass die Gerechtigkeit gewahrt wird, sei es, dass sie einem Bedürftigen zuerteilt, sei es, dass sie einem Bereuenden als Verzeihung gewährt wird.67 19.69 Über die notwendige Unterscheidung im Mitleid. In vergleichbarer Weise handelt Ambrosius über die notwendige Unterscheidung beim Mitleid in seiner Auslegung des 118. Psalms: 70Es gibt ein gerechtes Mitleid, es gibt auch ein ungerechtes Mitleid. Schließlich ist im Gesetz über jemanden geschrieben: „Du sollst mit ihm kein Mitleid haben“;71 und in den Büchern über die Königreiche kann man lesen, 72dass Saul deshalb Gottes Zorn auf sich zog, weil er mit Agag, dem König der Feinde, Mitleid hatte, den der Spruch des Herrn am Leben zu halten verboten hatte.72 Ebenso ist es, wenn jemand auf Bitten der Söhne eines Räubers oder auf die Tränen von dessen Frau hin glaubt, jemanden freisprechen zu dürfen, in dem noch die Raubgier lodert – gibt der nicht Unschuldige dem Untergang preis, der einen auf den Untergang vieler Sinnenden freilässt? Sicher, wenn er das Schwert zurückzieht, die Fesseln löst, warum verschont er ihn vor der Verbannung? Warum nimmt er ihm nicht die Möglichkeit zu Räuberei auf möglichst mildem Weg, wenn er den Willen zur Übeltat nicht austreiben konnte? Gesetzt den Fall, zwei kämpfen in gleicher Gefahr im Rechtsstreit um ihren Kopf, Ankläger und Angeklagter, und der eine hat keine Beweise erbracht, der andere ist vom Ankläger nicht überführt worden, folgt dann der Richter nicht leicht dem, was nicht der Gerechtigkeit entspricht, und verurteilt bei Mitleid mit dem Angeklagten den, der Beweise hätte, oder gibt, wenn er dem Ankläger zuneigt, der keine Beweise vorbringen kann, den Unschuldigen der Strafe preis? Dies kann nicht gerechtes Mitleid genannt werden. Selbst in der Kirche, wo am meisten Mitleid zu üben angebracht ist, muss möglichst die Form 68
Cicero: Oratio pro Q. Ligario = Cicéron: Discours Bd. 13. Hrsg. v. Marcel Lub. Paris 1968 (CUF) S. 51– 83; 12, 37 im Bezug auf C. Iulius Caesar. 69 Unabhängig von Cap. div. sent. 70–70 Ambrosius: Expositio Psalmi CXVIII = Sancti Ambrosii opera, pars V. Hrsg. v. Michael Petschenig. Wien, Leipzig 1913 (Ndr. 1962) (CSEL 62); c. 25 – 27 (Anfang) S. 165 f. 71 Deut 19, 13. 72–72 Vgl. 1 Reg 15.
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consortio communionis abstentus brevi lacrymula atque ad tempus parata vel etiam uberioribus fletibus communionem, quam plurimis debet postulare temporibus, facilitati sacerdotis extorqueat. Nonne cum uni indulget indigno, plurimos facit ad prolapsionis contagium provocari? Facilitas enim veniae incentivum tribuit delinquendi. Hoc eo dictum est, ut sciamus secundum verbum Dei, secundum rationem dispensandam esse misericordiam debitoribus. Medicus ipse, si serpentis interius inveniat vulneris cicatricem, cum debeat resecare ulceris vitium, ne latius serpat, tamen a secandi urendique proposito lacrymis inflexus aegroti medicamentis tegat, quod ferro aperiendum fuit, nonne ista inutilis misericordia est, si propter brevem incisionis vel exustionis dolorem corpus omne tabescat, vitae usus intereat? Recte igitur et sacerdos vulnus, ne latius serpat, a toto corpore ecclesiae quasi bonus medicus debet abscidere et prodere virus criminis, quod lateat, non fovere, ne, dum unum excludendum non putat, plures dignos faciat, quos excludat ab ecclesia. Iure ergo apostolus divino nos hortatur exemplo dicens: „Vide ergo bonitatem et severitatem Dei: in eos quidem, qui ceciderunt, severitatem; in te autem bonitatem, si permanseris in bonitate“73 70. XX.74 Cui licite ignoscere liceat principi vel iudici. Cui ergo licite ignoscere liceat principi vel iudici sub iusto et misercordi iudice, qui convertenti et paenitenti ignoscit, beatus Gregorius in homilia Evangelii demonstrat: 75Ecce, inquiens, qui superbus fuit, si conversus ad Christum humilis factus est, semetipsum reliquit. Si luxuriosus quisque ad continentiam vitam mutavit, abnegavit utique, quod fuit. Si avarus quisque ambire iam desiit et largiri didicit propria, qui prius aliena rapiebat, procul dubio semetipsum reliquit. Ipse quidem est per naturam, sed non est ipse per
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der Gerechtigkeit gewahrt werden, damit nicht etwa einer, der aus der Gemeinschaft ausgeschlossen ist, durch ein schnelles und zur passenden Zeit sich einstellendes Tränchen oder durch reichliches Tränenvergießen die Zulassung zur Gemeinschaft von einem nachgiebigen Bischof erpresst, um die er lange Zeit immer wieder bittend nachkommen müsste. Reizt der [Bischof] nicht, indem er einem einzelnen Unwürdigen verzeiht, sehr viele zum Straucheln? Nachgiebigkeit in der Vergebung ist Anreiz zu Vergehen. Dies ist dazu gesagt, dass wir wissen, dass den Sündern nach dem Wort Gottes und nach vernunftgemäßem Abwägen Verzeihung zu erteilen ist. Nehmen wir den Fall des Arztes: Er findet die Narbe einer im Innern schleichenden Wunde, und obwohl er schneiden müsste, damit der Schaden nicht weiter schleicht, lässt er wegen der Tränen des Kranken vom Vorsatz des Schneidens und Brennens ab und deckt mit Arzneimitteln zu, was er mit Eisen öffnen müsste – ist dies nicht schädliches Mitleid, wenn wegen des kurzen Schmerzes beim Schneiden und Brennen der ganze Körper infiziert wird und die Möglichkeit zu leben verloren geht? Mit Recht muss also der Bischof die Wunde, damit sie nicht weiter schwelt, wie ein guter Arzt aus dem ganzen Körper der Kirche herausschneiden, das Virus des inneren Verbrechens offenlegen, nicht begünstigen, damit er nicht durch Schonung eines Auszuschließenden viele dazu bringt, dass sie den Ausschluss aus der Kirche verdienen. Zu Recht ermahnt uns der Apostel mit göttlichem Beispiel: „Sieh die Güte und Strenge Gottes an: gegen die, die gefallen sind, seine Strenge; gegen Dich seine Güte, wenn Du in der Güte geblieben bist“73.70 20.74 Wem ein Herrscher oder Richter erlaubterweise verzeihen darf. Wem der Herrscher oder Richter erlaubterweise unter dem gerechten und barmherzigen Richter, der dem sich Bekehrenden und Bereuenden vergibt, zu verzeihen berechtigt ist, sagt der heilige Gregor in seiner Evangelienhomilie: 75Siehe, wenn jemand, der überheblich war, nach Bekehrung zu Christus demütig geworden ist, hat er sich selbst verlassen. Wenn jemand, der genuss- und prunksüchtig war, sein Leben zur Enthaltsamkeit hin änderte, hat er dem abgeschworen, was er war. Wenn ein Habsüchtiger Besitz hinterherzujagen aufgegeben hat, wenn jemand Eigenes zu verschenken gelernt hat, der früher Fremdes raubte, dann hat er ohne jeden Zweifel sich selbst verlassen. Sein Selbst besteht zwar von Natur aus, sein Selbst besteht aber nicht aus bleibender Schlechtigkeit. Dazu heißt es in der Schrift: „Wende die Gottlosen 73
Rom 11, 22. Unabhängig von Cap. div. sent. 75–75 Gregor d. Gr., Homiliae in Evangelia (wie Anm. 63) 32 S. 277– 286, hier c. 2 S. 279. 74
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malitiam. Hinc enim scriptum: „Verte impios, et non erunt“76. Conversi namque impii non erunt, non quia non erunt omnino in essentia, sed scilicet non erunt omnino in impietatis culpa. Tunc ergo nosmetipsos relinquimus, tunc nosmetipsos abnegamus, cum vitamus, quod per vetustatem fuimus, et ad hoc nitimur, quod per novitatem vocamur. Pensemus, quomodo se Paulus abnegaverat, qui dicebat: „Vivo autem, iam non ego“77. Exstinctus quippe fuerat saevus ille persecutor, et vivere coeperat praedicator pius. Si enim ipse esset, pius profecto non esset. Sed qui se vivere denegat, dicat, unde est, quod sancta verba per doctrinam veritatis clamate. Protinus subdit: „Vivit vero in me Christus“77. Ac si aperte dicat: „Ego quidem a meipso exstinctus, quia carnaliter […] non sum, quia in Christo spiritaliter vivo“. Dicat ergo Veritas, dicat: „Si quis vult post me venire, abneget semetipsum“78. Quia nisi quis a semetipso deficiat, ad eum, qui super ipsum est, non appropinquat; nec valet apprehendere, quod ultra ipsum est, si nescierit mactare, quod est75. Sed forte quis dicat: „Quomodo sciam, si se quis, cui pepercero, correxit et in correctione permanserit?“ Redeat haec inquiens ad sententiam Domini, 79ut si evangelice et secundo ac tertio correptus non se correxerit, qui ab illo sicut ethnicus et publicanus haberi praecipitur,79 legis severitatem a principe necesse est sustinere cogatur, ne, qui sibi consulere noluit, in pace vivere volentibus nocere possit. At si quis huic capitulo obicere voluerit, 79quod Dominus peccanti in nobis non solum septies, sed et septuagies septies dimitti praeceperit,79 sciat hoc de nostris, non de divinis praeceptum esse iniuriis. Quia, ut Prosper de verbis beati Augustini in libro Sententiarum dicit: Peccata, sive parva sive magna, impunita esse non possunt, quia aut homine paenitente aut Deo iudicante plectuntur. Cessat autem vindicta divina, si conversio praecurrat humana. Amat enim Deus confitentibus parcere et eos, qui semetipsos iudicant, non iudicare80.
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Gregor; clamant (Hinkmar-)Sirmond.
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um, und sie werden es nicht sein“.76 Bekehrte Gottlose werden nicht sein, heißt nicht, dass sie überhaupt nicht mehr existieren werden, sondern dass sie nicht mehr in der Schuld ihrer Gottlosigkeit sein werden. Dann verlassen wir uns selbst, dann verleugnen wir uns selbst, wenn wir ablegen, was wir durch das Alte waren, und wir uns zu dem hinwenden, zu dem wir durch das Neue gerufen werden. Wir wollen zu ermessen suchen, wie sehr Paulus sich verleugnet hatte, der sagte: „Ich lebe zwar, doch nicht ich“.77 Ausgelöscht war nämlich jener wüste Verfolger, zu leben begonnen hatte der fromme Verkündiger. Wenn er derselbe wäre, wäre er wahrhaftig nicht fromm. Doch wer von sich sagt, dass er nicht lebe, sage uns, woher es kommt, dass er die heiligen Worte durch die Lehre der Wahrheit ausruft. Er fährt denn auch fort: „In mir lebt nämlich Christus“.77 Als ob er klar heraus sagte: „Ich bin von mir selbst weg ausgelöscht, weil ich dem Fleische nach […] nicht mehr lebe, weil ich vielmehr dem Geiste nach in Christus lebe“. So sage denn, ja so sage die Wahrheit: „Wenn jemand mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst“.78 Denn wer nicht von sich selbst abrückt, kann sich nicht dem annähern, der über ihm ist; und nicht begreifen kann, was über ihm ist, wer nicht vernichten kann, was er ist.75 Doch mag vielleicht jemand sagen: „Woher kann ich wissen, ob jemand, den ich geschont habe, sich gebessert hat und in der Besserung bleibt?“ Wenn er dies sagt, halte er sich an das Wort des Herrn, demzufolge der, 79der nach Maßgabe des Evangeliums zwei- oder dreifach zurechtgewiesen sich nicht gebessert hat und dann wie ein Heide und öffentlicher Sünder betrachtet werden soll,79 vom Herrscher unter Zwang die Strenge des Gesetzes zu erfahren hat, damit nicht, wer nicht um sein eigenes Heil besorgt sein wollte, anderen, die in Frieden leben wollen, schaden kann. Doch sollte jemand dieser Regel entgegenhalten, 79dass der Herr zwar vorschreibt, dass wir dem gegen uns Sündigenden nicht nur siebenmal, sondern siebenmal siebzigmal verzeihen sollen,79 dann soll er wissen, dass dies für Unrecht gegen uns, nicht für Vergehen gegen die Ordnung Gottes gesagt ist. So führt Prosper in seinem Buch Sentenzen zu den Worten des heiligen Augustinus aus: Sünden, ob klein oder groß, können nicht ungestraft bleiben, sie werden durch die Reue des Menschen oder durch den Richtspruch Gottes beglichen. Die göttliche Ahndung ist außer Kraft gesetzt, wenn ihr die Bekehrung des Menschen zuvorkommt. Gott liebt es, die sich schuldig Bekennenden zu schonen und die, die sich selbst verurteilen, nicht zu richten.80 76
Prov 12, 7. Gal 2, 20. 78 Matth 16, 24. 79–79 Vgl. Matth 18, 15 – 22. – Höchst bedeutsam ist die Wendung in Hinkmars politischer Theologie: Das biblische Gebot zum Verzeihen geht auf die persönliche Sphäre, die „staatliche“ ist als Gottes Naturordnung in gewisser Weise „autonom“. 80 Prosper Tiro von Aquitanien: Liber sententiarum ex Augustini operibus deliba77
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XXII.81 Cavendum principibus, ne sceleratorum amicitiis coniungantur. Sed et cavendum est principibus, ne etiam huiusmodi sceleratorum amicitiis coniungantur vel huiusmodi in familiaritatem suscipiant. 82Malorum, inquit beatus Gregorius, cum incaute amicitiis coniungimur, culpis ligamur. Unde Iosaphat, qui tot de anteacta vita praeconiis attollitur, de Achab regis amicitiis pene periturus increpatur. Cui a Domino per prophetam dicitur: „Impio praebes auxilium et his, qui oderunt Dominum, amicitia iungeris et idcirco iram quidem Domini merebaris; sed bona opera inventa sunt in te, eo quod abstuleris lucos de terra Iuda“83. Ab illo enim, qui summe rectus est, eo ipso iam discrepat, quo perversorum amicitiis vita nostra concordat.82 84Hinc David, dum totum se ad foedera pacis internae constringeret, testatur, quod cum malis concordiam non teneretf, dicens: „Nonne qui te oderunt, Deus, oderam illos, et super inimicos tuos tabescebam? Perfecto odio oderam illos, inimici facti sunt mihi“85. Inimicos etiam Dei perfecto odio odisse est, ad quod facti sunt diligere et quod faciunt increpare, mores pravorum premere, vitae prodesse.84 XXIII.86 Quod sancti viri ad incutiendum metum reos morte iure puniverint. Quia enim sancti viri non solum talium amicitias vitaverunt, sed ad incutiendum viventibus metum etiam iure reos morte punierunt, sicut beatus
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Gregor; timeret (Hinkmar-)Sirmond.
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Nach einem gegenüber der Vorlage freien Text (c. 21 Sp. 847D–848C) aus 3 Reg 20, 30 – 42, der Warnung an den Herrscher, sich nicht durch Bestechung und Schmeichelei von Verbrechern täuschen zu lassen, folgt:
22.81 Dass die Herrscher darauf achten müssen, nicht von Verbrechern in ihre Freundschaft gezogen zu werden. Die Herrscher müssen Vorsorge treffen, nicht in Freundschaften von Verbrechern der geschilderten Art gezogen zu werden oder solche in ihre nähere Umgebung des Vertrautenkreises aufzunehmen: 82Wenn wir, sagt der heilige Gregor, unvorsichtig uns in Freundschaften mit Schlechten verbinden, werden wir mit in Schuld verwickelt. So wird Josaphat, der so viele Lobeserhebungen für sein vorheriges Leben findet, wegen der Freundschaft mit König Ahab fast des Untergangs würdig gescholten. Ihm wird von dem Herrn durch den Propheten gesagt: „Dem Gottlosen leihst Du Hilfe, und Du knüpfst Freundschaften mit denen, die den Herrn hassen, und daher verdientest Du den Zorn des Herrn; doch es wurden gute Werke in Dir gefunden, insofern Du die Götzenbilder aus dem Lande Juda entfernt hast“.83 Von dem, der in höchstem Maße Richtmaß des Geraden ist, weicht in dem Grad unser Leben ab, in dem es in Freundschaften mit den Verkehrten verbunden ist.82 84Von daher bezeugt David, dass er, der sich ganz auf innere Friedensbeziehungen ausrichtete, keine Gemeinschaft mit Schlechten hielt: „Hasse ich nicht die, Gott, die Dich hassen, und richtete ich mich nicht an Deinen Feinden zugrunde? Mit vollkommenem Hass hasste ich sie, sie wurden mir zu persönlichen Feinden“.85 Die Feinde Gottes mit vollkommenem Hass zu hassen, heißt, sie in dem zu lieben, wozu sie geschaffen sind, doch sie in dem zu tadeln, was sie tun, die Sitten der Schlechten zu unterdrücken, ihrem Leben zu nützen.84 23.86 Dass heilige Männer, um zur Abschreckung Furcht zu erzeugen, Schuldige mit dem Tod bestraft haben. Heilige Männer haben nicht nur Freundschaften mit Verwerflichen vermieden, diese vielmehr sogar zu Recht mit dem Tod bestraft, um für die Mittarum. Hrsg. v. M. Gastaldo. Turnhout 1972 (CC SL 68A) S. 213 – 365; Sent. 211 S. 306. 81 Unabhängig von Cap. div. sent. 82– 82 Gregor, Reg. past. III, 22 S. 410. 83 2 Par 19, 2 – 3. 84– 84 Gregor, Reg. past. III, 22 S. 408. 85 Ps 138, 21– 22. 86 Vorlage: Cap. div. sent. c. X fol. 79r, 82r–83r (Fehler und Lücken in Hinkmartext
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Augustinus in libro de Sermone Domini in monte demonstrat dicens: 87 Magni et sancti viri, qui iam optime scirent mortem istam, quae animam dissolvit a corpore, non esse formidandam, secundum eorum tamen animum, qui illam timerent, nonnulla peccata morte punierunt, quo et viventibus utilis metus incuteretur et illis, qui morte puniebantur, non ipsa mors noceret, sed peccatum, quod augeri posset, si viverent. Non temere illi iudicabant, quibus tale iudicium donaverat Deus. 88Inde est quod Elias multos morte affecit et propria manu et igne divinitus impetrato88, cum et alii multi et divini magni viri eodem spiritu tranquillandis rebus humanis non temere fecerint. 89De quo Elia cum exemplum dedissent discipuli Domino commemorantes, quod ab eo factum sit, ut etiam ipsis daret potestatem petendi de coelo ignem ad consumendos eos, qui sibi hospitium non praeberent, reprehendit in eis Dominus non exemplum prophetae sancti, sed ignorantiam vindicandi, quae adhuc erat in rudibus, animadvertens eos non amore correptionem, sed odio desiderare vindictam.89 90Itaque posteaquam eos docuit, quid esset diligere proximum tanquam seipsum,90 91infuso etiam Spiritu sancto, quem decem diebus completis post ascensionem suam desuper, ut promiserat,91 misit, non defuerunt tales vindictae, quamvis multo rarius quam in Veteri Testamento. Ibi enim ex maiore parte servientes timore premebantur, hic autem maxima dilectione liberi nutriebantur. 92Nam et verbis apostoli Petri Ananias et uxor eius, sicut in Actibus apostolorum legimus, exanimes ceciderunt nec resuscitati sunt, sed sepulti.92 Et si huic libro haeretici, qui adversantur et Veteri Testamento, nolunt credere, 93Paulum apostolum, quem nobiscum legunt, intuean-
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welt abschreckende Furcht zu erzeugen, wie der heilige Augustinus in seinem Buch über die Bergpredigt des Herrn ausführt: 87Männer, die so groß und heilig waren, dass sie wussten, der Tod, der die Seele vom Körper trennt, sei nicht zu fürchten, haben trotzdem gemäß der Haltung derer, die ihn fürchten sollten, einige Verbrechen und Sünden mit dem Tod bestraft; damit sollte den Lebenden nützliche Furcht eingeflößt werden, denjenigen aber, die mit dem Tod bestraft wurden, nicht dieser Tod schaden, was die Sünde getan hätte, wenn ihre Schuld bei weiterem Leben noch hätte gesteigert werden können. Nicht unbesonnen urteilten in diesem Fall die, denen Gott solche Vollmacht zum Urteil gegeben hatte. 88In der Weise hat Elija viele mit dem Tod bestraft, sowohl mit eigener Hand als auch mit Feuer, das er vom Himmel bekam;88 so haben auch viele andere gottgesandte Männer in derselben Haltung nicht ohne Grund gehandelt, um die menschlichen Dinge in geordnete Ruhe zu bringen. 89Als die Jünger dem Herrn dieses Beispiel des Elija angeführt hatten und mit dem Hinweis auf sein Tun baten, er möge ihnen die Macht geben, solches Feuer vom Himmel zu erbitten, um die zu vertilgen, die ihnen keine Aufnahme gäben, da tadelte an ihnen der Herr nicht das Beispiel des heiligen Propheten, sondern ihre Unfähigkeit im strafenden Ahnden, das noch nicht ausgebildet war; er hielt ihnen vor, sie wünschten nicht eine Zurechtweisung aus Liebe, sondern Rache aus Hass.89 90Als er sie aber gelehrt hatte, was es heiße, seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben,90 91 und ihnen den Heiligen Geist eingegossen hatte, den er ihnen gemäß seiner Zusage zehn Tage nach der Himmelfahrt sandte,91 da fehlte es nicht an solchen Strafmaßnahmen, obschon es sie viel seltener gab als im Alten Testament. Dort nämlich wurden zum größeren Teil mit Furcht untergebene Unfreie niedergehalten, hier wurden mit größter Liebe Freie gestärkt. 92Denn nach den Worten des Apostels Petrus fielen, wie wir in der Apostelgeschichte lesen, Ananias und seine Frau entseelt zur Erde, wurden nicht wieder erweckt, sondern begraben.92 Wenn diesem Buch die Häretiker, die auch das Alte Testament ablehnen, nicht glauben wollen, dann sollen sie sich den 93 Apostel Paulus ansehen, den sie mit uns lesen, der von einem Übeltäter sagt:
beseitigt); Wilmart S. 223; Laehr-Erdmann S. 122, die Hinführung (ebd. S. 120 = fol. 79r) ist von Hinkmar akzentuierend modifiziert. 87– 87 Augustinus: De sermone Domini in monte. Hrsg. v. Almut Mutzenbecher. Turnhout 1967 (CC SL 35); 20, 64 – 66 S. 73 –75. 88– 88 Vgl. 3 Reg 18, 40 und 4 Reg 1, 10. 89– 89 Vgl. Luc 9, 54 – 55. 90– 90 Vgl. Matth 19, 19. 91– 91 Vgl. Act 2, 1– 4. 92– 92 Vgl. Act 5, 1–10. 93– 93 Vgl. 1 Cor 5, 1– 5; 1 Cor 5, 5.
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tur dicentem de quodam peccatore: Quem „tradidi Satanae in interitum carnis, ut anima salva sit“93. Et si nolunt hic mortem intelligere (fortasse enim incertum est), quamlibet vindictam per Satanam factam ab Apostolo fateantur. Quod non eum odio, sed amore fecisse manifestat illud adiectum „ut anima salva sit“93. Aut in illis libris, quibus ipsi magnam tribuunt auctoritatem, adnimadvertant, quod dicimus, ubi 94scriptum est apostolum Thomam imprecatum cuidam, a quo palma percussus esset, atrocissimae mortis supplicium, animam eius tamen commendavit, ut in futuro ei saeculo parceretur. Cuius a leone occisi a caetero corpore discerptam manum canis intulit mensis, in quibus convivabatur apostolus.94 Cui scripturae licet nobis non credere, non est enim in catholico canone. Illi tamen eam et legunt et tanquam incorruptissimam verissimamque honorant, qui adversus corporales vindictas, quae sunt in Veteri Testamento, nescio qua caecitate acerrime saeviunt, quo animo et qua distributione temporum factae sunt, omnino nescientes. Tenebitur ergo in hoc iniuriarum genere, quod per vindictam luitur, iste a Christianis modus, ut accepta iniuria non surgat in odium, sed infirmitatis misericordia paratus sit animus plura perpeti nec correptionem negligat, qua vel consilio vel auctoritate vel potestate uti potest87.
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„Den habe ich Satan zum Untergang seines Fleisches überantwortet, damit seine Seele gerettet wird“.93 Und wenn sie dies nicht als Todesstrafe auffassen wollen (vielleicht ist es nicht eindeutig), sollen sie aber einräumen, dass von dem Apostel irgendeine Strafe durch Satan vorgenommen worden ist. Dass er dies nicht aus Hass, sondern aus Liebe tat, macht jene Zufügung deutlich „damit seine Seele gerettet wird“93. Oder sie können in den Büchern, denen sie viel Autorität beimessen, belegt finden, was wir sagen; dort ist 94ausgeführt, der Apostel Thomas habe für einen, der ihn mit flacher Hand geschlagen habe, zwar die schlimmste Todesstrafe erbeten, doch für seine Seele gebetet, dass sie in der zukünftigen Welt geschont werde. Ein Hund trug die vom übrigen Körper getrennte Hand des von einem Löwen Zerrissenen an die Tische, an denen der Apostel speiste.94 Wir haben solcher Schrift nicht zu glauben, sie findet sich nicht im katholischen Kanon. Jene aber lesen sie und verehren sie wie die unversehrteste Wahrheit, sie, die wütend gegen körperliche Strafen, die es im Alten Testament gibt, aus weiß Gott welcher Verblendung Sturm laufen, wobei sie nicht zur Kenntnis nehmen, mit welcher Absicht und wie situationsangepasst sie vorgenommen wurden. Von den Christen wird bei jener Form von Vergehen, die mit Bestrafungen geahndet werden, folgende Maßgabe beachtet: dass der Geist des Christen nach erlittenem Unrecht sich nicht in Hass steigert, sondern aus Mitleid mit der Schwäche des Fehlenden bereit ist, noch mehr zu erdulden, er aber auch nicht Strafe auslässt, die er mit Vernunft, Autorität und Vollmacht üben kann.87 Das folgende Kapitel Hinkmars (c. 24 Sp. 850B/C) ist in seinem überwiegenden Teil – einem Auszug aus Augustin – aus Cap. div. sent. übernommen (Wilmart S. 223; Laehr-Erdmann S. 122). Es bildet eine Art Zwischenresümee zu den beiden von Hinkmar behandelten Themenkreisen: Augustin rechtfertigt Gewalt in der Notwehr, doch nur, wenn sie von öffentlich legitimierter Gewalt (Soldaten, rechtliche Exekutive) und zwar im Interesse größerer Gemeinschaften geführt wird. Hinkmar modifiziert wieder in signifikanter Form die Einleitung (Laehr-Erdmann S. 120), indem er den Akzent auf die Zulässigkeit der Gewalt legt. Kriterium ist das Handeln nach Gesetzen (leges), nicht nach eigener, bösegeleiteter Willkür (malitia). In Kapitel 25 (Sp. 850C/D) ist der allgemeinen politischen Sentenz eine Applizierung auf das Königtum entnommen. Der in Kapitel 2 ausgeschriebene Text von Pseudo-Cyprian zur Gerechtigkeit als Herrschertugend, den die Vorlage Cap. div. sent. bot (s. o. S. 155 f.), wird als einschlägiger Extrakt vorgestellt: Der König hat als Besserer (corrector) Schlechtes strafend abzustellen. Zur Beschreibung der aus den Fugen geratenen Ordnung zieht Hinkmar über die Vorlage hinaus ein weiteres
94– 94
Vgl. sog. Thomasakten: Acta Philippi et acta Thomae, accedunt acta Barnabae. Hrsg. v. Max Bonnet. Leipzig 1903 (Ndr. mit Erg. 1959) (Acta Apostolorum apocrypha. Bd. 2, 2) S. 99 – 291; c. 6 und 8 S. 108 f., 111 f.
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XXVI.95 Quod propter vindictam noxiorum gladius principi a Deo permissus est. Et hinc sanctus Innocentius ad Exsuperium Tolosanum episcopum in Decretis suis 96Quaesitum est, inquit, super his, qui post baptismum administraverunt et aut tormenta sola exercuerunt aut etiam capitalem protulere sententiam. De his nihil legimus a maioribus definitum. Meminerant enim 97a Deo potestates has fuisse concessas97 et 98propter vindictam noxiorum98 99gladium fuisse permissum et Dei ministrum esse datum in huiusmodi vindicem.99 Quomodo igitur reprehenderent factum, quod auctore Domino viderent esse concessum? De his ergo ita, ut hactenus servatum est, sic habemus, ne aut disciplinam evertere aut contra auctoritatem Domini venire videamur. Ipsis autem in ratione reddenda gesta sua omnia servabuntur96. XXVII.100 Quod leges a principe iusto sunt in quolibet vindicandae. Item idem sanctus Innocentius in Decretis suis ad eumdem Illud, inquit, sciscitari voluisti, an preces dictantibus liberum concedatur, utique post bap-
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Kapitel aus dem irischen Traktat heran (11. abusio Plebs sine disciplina: PseudoCyprianus S. 57, S. 58). Es illustriert das Beweisziel, bietet freilich die rein ekklesiologische Dimension der Sache. In den beiden folgenden Kapiteln kommt Hinkmar zur Ausführung seiner Thematik im originären Bereich.
26.95 Dass dem Herrscher zu rächendem Vorgehen gegen Schuldige das Schwert erlaubt ist. Zu dieser Sache schreibt der heilige Innozenz an Bischof Exsuperius von Toulouse in seinen Dekreten: 96Nachgefragt wurde von Euch zu denjenigen, die nach Empfang der Taufe im Justiz- und Verwaltungsdienst tätig waren und dabei entweder lediglich Folterungen vornahmen oder sogar die Todesstrafe verhängten. Zu diesem Sachverhalt finden wir nichts von unseren Vorgängern festgelegt. Sie waren sich nämlich dessen bewusst, dass diese 97Gewalten von Gott zugestanden worden sind,97 dass 98zu rächendem Vorgehen gegen die Übeltäter98 99das Schwert erlaubt und dass der [Herrscher als] Diener Gottes gesetzt worden ist zum Rächer gegen solche Übeltäter.99 Wie sollten sie eine Tatsache tadeln, von der sie sahen, dass sie von Gott als Urheber zugestanden worden ist? In der Sache dieser Amtsträger halten wir es so, wie es bisher gehalten worden ist, um nicht die öffentliche Disziplin und Ordnung umzustoßen oder gegen die Autorität des Herrn vorzugehen. Den Betroffenen selbst werden beim Ablegen der Rechenschaft alle ihre Handlungen vergolten.96 27.100 Dass von einem gerechten Herrscher die Gesetze gegen jedermann anzuwenden sind. Der erwähnte heilige Innozenz schreibt in seinen Dekreten an denselben: Auch möchtest Du zu dem Sachverhalt Auskunft erhalten, ob es solchen, die 95
Unabhängig von Cap. div. sent. Der Brief von Papst Innozenz I. auf Anfrage des Bischofs Exsuperius von Toulouse (Tolosa) (s. Anm. 96) reflektiert die Situation des gerade christianisierten römischen Reiches. Der für sie kennzeichnende tastende Versuch der Amtslegitimierung wird in veränderter Lage von Hinkmar mit vergleichbarer Intention, da die christliche koerzitive Amtsethik noch weitgehend fehlte, unternommen. 96– 96 Innozenz I., Epistolae et Decreta PL 20, Sp. 463 – 612; Ep. 6 Sp. 495 – 502; c. 3, 7– 8 Sp. 499A/B. 97– 97 Vgl. Rom 13, 1. 98– 98 Vgl. 1 Petr 2, 14. 99– 99 Vgl. Rom 13, 4. 100 Unabhängig von Cap. div. sent. Hinkmar bringt Kompilationen aus Innozenz I.
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tismi regenerationem a principibus poscere mortem alicuius vel sanguinem de reatu. Quam rem principes nunquam sine conditione concedunt, sed ad iudices commissa ipsa vel crimina semper remittunt, ut causa cognita gvindicentur, quaecunque quaesitori fuerint delegatag: Aut absolutio aut damnatio pro negotii qualitate profertur, et dum legum in impios exercetur auctoritas, erit dictator immunis101. Et hinc sanctus Cyprianus 102Duodecimus, inquit, abusionis gradus est populus sine lege, qui dum edictah et legum scita contemnit, per diversas errorum vias eundo perditionis laqueum incurrit. // Utique multae perditionis viae tunc inceduntur, cum una 103regalis via,103 lex Dei videlicet, quae 103neque ad dexteram neque ad sinistram declinat,103 per neglegentiam deseritur. // Igitur populus sine lege populus sine Christo est. Non fiamus ergo sine Christo in hoc tempore transitorio, ne sine nobis Christus esse incipiat in futuro102. Et Christus Dei virtus et Dei sapientia dicit: „Per me reges regnant, et conditores legum iusta decernunt.“104 Et sanctus Augustinus in libro de vera Religione leges principum servandas ostendit In istis, inquiens, temporalibus legibus, quanquam de his homines iudicent, cum eas instituunt, tamen, cum fuerint institutae atque firmatae, non licebit iudici de ipsis iudicare, sed secundum ipsas105. Igitur aut a populo promulgatae iustae leges servandae aut a principe iuste ac rationabiliter sunt in quolibet vindicandae.106
g–g h
vindicentur. Quae cum quaesitori fuerint delegata Innozenz-Ed. Dei dicta bzw. dicta Pseudo-Cyprianus.
Über Person und Amt des Königs an König Karl den Kahlen
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im Verfahren ihre Strafwünsche äußern, freigestellt sein soll, sofern es sich um in der Taufe Wiedergeborene, also Christen, handelt, jemandes Tod zu verlangen oder sein Vermögen zur Sühne. Diese Sache gewähren die Herrscher nie ohne rechtliche Vorbedingungen, sondern sie verweisen die Fälle selbst oder die Beschuldigungen an die Richter, damit nach Untersuchung des Falles geahndet wird, was jeweils dem Untersuchungsrichter überwiesen worden ist: Entweder wird auf Freispruch oder auf Verurteilung, je nach Lagerung des Falles, erkannt; wenn dabei die Autorität der Gesetze gegen Freveltäter angewandt wird, ist der das Strafmaß Fordernde schuldlos.101 Hierzu führt der heilige Cyprian aus: 102Die zwölfte Stufe der Übelstände ist ein Volk ohne Gesetz; während es Edikte und Gesetzesordnungen verachtet, zieht es durch verschiedene Irrwege gehend die Schlinge des Verderbens um sich. // Viele Wege des Verderbens werden dann begangen, wenn der einzige 103 königliche Weg,103 das Gesetz Gottes, der 103nicht zur rechten und nicht zur linken Seite abzweigt,103 durch Nachlässigkeit verlassen wird. // Ein Volk ohne Gesetz ist also ein Volk ohne Christus. // Werden wir also nicht ohne Christus in dieser vergänglichen Zeit, damit Christus nicht in der zukünftigen ohne uns zu sein beginnt.102 Und Christus, die Kraft und die Weisheit Gottes, sagt: „Durch mich regieren die Könige und setzen die Gesetzgeber Recht“.104 Und der heilige Augustinus führt im Buch über die wahre Religion über die Beachtung der Herrschergesetze aus: Was die weltlichen Gesetze betrifft, so befinden zwar Menschen über sie, wenn sie sie einsetzen, doch wenn sie einmal eingesetzt und in Kraft gesetzt sind, darf kein Richter über sie urteilen, sondern nur nach ihnen.105 So sind also die Gesetze einerseits vom Volk als promulgierte gerechte Gesetze zu beachten, andererseits sind sie vom Herrscher gerecht und vernünftig gegen jedermann anzuwenden.106 (s. voriges Kapitel), aus Pseudo-Cyprian, der verrechtlicht ist (s. Anm. h), aus dem Alten Testament und aus Augustinus. 101 Innozenz I., Ep. 6 (wie Anm. 96) c. 5, 11, Sp. 500A/B. 102–102 Pseudo-Cyprianus 12 S. 58 Z. 15 – S. 59 Z. 1, Z. 6–9, Z. 18; S. 60 Z. 10 f. 103–103 Vgl. Num 20, 17; 21, 22; Deut 2, 27; 5, 32 f.; 17, 20; 28, 14; Prov 4, 27; Is 30, 21. 104 Prov 8, 15. 105 Augustinus: De vera religione. Hrsg. v. William M. Green. Wien 1961 (CSEL 77, 2), c. 31, 162 S. 42. Von Hinkmar schon zitiert: Quaterniones von 868: PL 125, Sp. 1035 –1070, hier Sp. 1055C; Opusculum LV capitulorum. Hrsg. v. Rudolf Schieffer: Die Streitschriften Hinkmars von Reims und Hinkmars von Laon 869 – 871 MGH Conc. 4 Supplementum 2. Hannover 2003, S. 99 – 361, hier 10 S. 175, 35 S. 287; später in De ord. pal. Z. 147–150. 106 Populus meint hier die Untertanenschaft. Schwerlich ist der Konsens des Adels bei der Gesetzgebung gemeint, wie er im Edikt von Pîtres (25. Juni 864) formuliert ist: lex consensu populi et constitutione regis fit (MGH Cap. 2 Nr. 273 S. 311– 328; c. 6 S. 313). Zu beachten ist auch, dass der Gehorsam des Volkes vorsichtig konditioniert
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Ed.: PL 125, Sp. 1007–1018 (= Sirmond S. 216 – 225 nach Busaeus S. 42 – 57, S. 195 – 198)
b) iAdmonitio ad episcopos et ad regem Karlomannumi 107 108 k
Hincmarus episcopus ac plebis Dei famulusk.108
I. Doctrina est Christiana secundum sanctarum Scripturarum tramitem praedicationemque maioruml, qua Deo ac Domino nostro Iesu Christo conditore et redemptore nostro, 109qui simul solus rex et sacerdos fieri po-
l
i–i Inscriptio nach der von Busaeus benutzten, verlorenen Hs.: Admonitio Hincmari Archiepiscopi ad Episcopos, et ad regem Karlomannum, quae fecit in Sparnaco. – Ad episcopos Franciae Busaeus S. 42 (ad Episcopos et Regem Carolomannum S. 195) – Ad episcopos regni, admonitio altera pro Carolomanno Rege apud Sparnacum facta Sirmond PL. k–k Sirmond; fehlt Hs. l–l Busaeus, Sirmond, PL; praedictionemque malorum Hs.
Mahnschrift an die Bischöfe und an König Karlmann
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Im abschließenden Teil (c. 29 – 33 Sp. 852A–856D) schärft Hinkmar dem König schonungsloses Vorgehen gegen aus seiner Verwandtschaft stammende Widersacher von Gott, Kirche und Staat als Auftrag seines Amtes (ministerium) (c. 29 – 31) ein. Friede der gesamten Kirche und Integrität des öffentlichen Sektors (pax ecclesiae universalis et soliditas generalis) sind der Verwandtenliebe vorgeordnet (c. 30 Sp. 854D). Vergleichbare Folgerungen gelten für das Verhalten gegen Übeltäter aus der nahen persönlichen Umgebung (c. 32 – 33). Hinkmar benutzt in diesem Teil keine Vorlagen aus Cap. div. sent. Bevorzugte Autoren sind Gregor d. Gr. und Innozenz I. Mahnschrift an die Bischöfe und an König Karlmann
b) Mahnschrift an die Bischöfe und an König Karlmann107 108
Hinkmar, Bischof und Diener des Volkes Gottes.108
1. Es ist christliche Lehre gemäß der Überlieferung der heiligen Schriften und der Verkündigung unserer Vorgänger, durch die unser Gott und Herr Jesus Christus, 109der allein König und Priester zugleich werden konnte,109
ist: Die Gesetze müssen gerecht (iustae) sein. Hinkmar profiliert den eigenen Charakter weltlicher Gesetzlichkeit, lässt er doch in dem abschließenden Kapitel zu Teil II (c. 28 Sp. 851D–852A) folgen, in geistlicher Praxis gebe es Situationen, in denen Gesetzesbrechern Rekonziliation zu gewähren sei. 107 Die Schrift wurde am Hof Epernay verfasst, der der Kirche von Reims gehörte. Am 8. November 882 hatte sich Hinkmar auf der Flucht vor den Normannen dorthin begeben; s. Schrörs, Heinrich: Hinkmar, Erzbischof von Reims. Sein Leben und seine Schriften. Freiburg i. Br. 1884; S. 561 (Regest 572) mit Anm. 190 S. 588. – Den Kontext für die Schrift bilden die Akten der Synode von Fismes (tagend ab 2. April 881) sowie die ebenfalls 882 verfasste Schrift De ordine palatii: Gesellschaftsspiegel mit charakteristisch spezifizierenden Spiegeln für die leitenden Stände des Sozialverbandes. Inhaltliche Neuerungen sind die wesentlich umformulierte gelasianische Gewaltenlehre, ihre Verbindung mit dem neu interpretierten Amtsgedanken und der neu akzentuierten Salbung (s. Einleitung S. 13, S. 19). Der jeweilige Zusammenhang der ausgewählten Kapitel mit den erwähnten Texten wird an passendem Ort aufgewiesen. Hinkmar verfasst hier einen auf den König und z. T. auch auf fürstliche Herrschaftsträger fokussierten Spiegel im Rahmen einer die Grundlagen von Staat und Gesellschaft und auch – knapp – das Bischofsamt behandelnden Darstellung. Die Paränese erfolgt mittelbar, die Bischöfe übermitteln die Akten an König Karlmann von Westfranken (s. c. 17 S. 205). 108–108 Es handelt sich um die Form der Intitulatio, die Hinkmar von 875 bis zu seinem Lebensende 882 gebrauchte und die Sirmond ergänzte, s. Anm. k. 109–109 Hinkmar bietet eine radikal zugespitzte Komprimierung aus Papst Gelasius I.: Tractatus IV (JK 701): Publizistische Sammlungen S. 7–19; S. 14. Er hat diese Fassung schon: Akten der Synode von Quierzy (858) MGH Conc. 3, Nr. 41 S. 403 – 427; c. 15 S. 425 (s. schon vorher die Synode von Yütz MGH Conc. 3, Nr. 6 S. 27– 35;
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tuit,109 110in cuius nomine omne genu flectitur coelestium, terrestrium et infernorum110, disponente, 111sicut beatus Gelasius papa ad Anastasium imperatorem dicit et in gestis, quae nuper apud martyrium sanctae Macrae in synodo gesta sunt, partim continetur, duo sunt, quibus principaliter112 una cum specialiter cuiuscunque curae subiectis mundus hic regitur, auctoritas sacra pontificum et regalis potestas112. 113In quibus personis, sicut ordine sunt divisa vocabula, ita sunt et divisa in unoquoque ordine ac professione ordinationum officia.113 111 114Quamvis enim membra veri regis atque pontificis secundum participationem naturae magnifice utrumque in sacra generositate sumpsisse dicantur, ut simul 115regale genus et sacerdotale115 subsistant, memor tamen Christus fragilitatis humanae, quod suorum saluti congrueret, dispensatione magnifica temperans, sic actionibus propriis dignitatibusque
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in dessen Namen jedes Knie sich beugt, derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind,110 die autoritative Verfügung gab; diese findet sich ausgedrückt in dem, 111was der heilige Papst Gelasius an Kaiser Anastasius schreibt und was teilweise in die Akten der Synode, die wir neulich bei dem Märtyrergrab der heiligen Macra abhielten, aufgenommen wurde: Zwei sind es, durch die im letzten Grund112, wobei der Sorge der beiden jeweils speziell untergebene Menschen und speziell zukommende Angelegenheiten zugeteilt sind, diese Welt regiert wird, die heilige Autorität der Bischöfe und die königliche Macht112. 113Unter diesen Ordnungsmächten sind, wie ihre Bezeichnungen dem Range nach unterschieden sind, jeweils nach Zuordnung und Zuständigkeit die Amtspflichten aufgeteilt.113 111 114Obwohl nämlich entsprechend der Teilhabe an menschlicher und göttlicher Natur der wahre König und Priester als Glieder seines Körpers in heiligem Großmut weise beides bekanntermaßen vereinigte, so dass 115königliches und priesterliches Geschlecht115 ursprünglicher Anlage nach zusammen bestehen, schied Christus, eingedenk menschlicher Fehlbarkeit und Schwachheit und in großartiger Anordnung verfügend, was dem Heil der Seinen zuträglich sei, die c. 2 S. 31); De divortio (wie Anm. 25) Anhang Responsio 7 S. 259; Capitula (Synodalakten) von Fismes: c. 1 Sp. 1071B; Schreiben an König Ludwig III.: Schmitz, Gerhard: Die Synode von Fismes 881 und der Streit um das Bistum Beauvais. In: DA 35 (1979) S. 463 – 486; S. 481 Z. 22 f.; De ord. pal. Z. 62. 110–110 Phil 2, 10. 111–111 Weitgehend wörtlich De ord. pal. Z. 91– 97. Schon hier beginnt eine freie Zusammenfassung von Gelasius, Tractatus IV (wie Anm. 109) S. 14; gebracht De ord. pal. Z. 96 f. 112 Gelasius I. an Kaiser Anastasius I.: Ep. 12 (JK 632): Publizistische Sammlungen S. 19 – 24, bes. S. 20; s. auch Jonas mit Anm. 36. Zu diesem „Grundgesetz des Gewaltendualismus“ s. Anton, Herrscherethos S. 237; häufige Zitation bei Hinkmar: s. Devisse, Jean: Hincmar archevêque de Reims 845 – 882, Bd. 1. Genf 1975, S. 519 Anm. 265; Bd. 2, ebd. 1976, S. 677 Anm. 24. Vorausgehender Hinweis auf die Gesta (Capitula/Akten) der Synode von St. Macra/Fismes c. 1 Sp. 1071B–D, wo das Gelasius-Zitat der neuen Komprimierung (s. Anm. 109) voraufgeht. 113–113 Schon hier beginnt eine freie Zusammenfassung von Gelasius, Tractatus IV (wie Anm. 109) S. 14. 114–114 Gelasius, Tractatus IV (wie Anm. 109) S. 14; die Bemerkung zum Oberpriestertum der heidnischen Kaiser ist an anderer Stelle in den Duktus gefügt. Der Auszug in den Synodalakten von 881 (Sp. 1071B/C) ist selektiver und knapper. – Zur Interpretation (in Auseinandersetzung mit Walter Ullmann) Anton, Konzept S. 179 –182. Es hat den Anschein, als ob Gelasius die bei dem Bibelexegeten Apponius begegnende Zusammenfügung der weltlichen und der biblischen Organologie (s. Anton, Anfänge S. 99 –101) charakteristisch modifiziere: Die beiden Gewalten wären von Christi Leib abgeleitete Glieder. 115–115 Vgl. 1 Petr 2, 9.
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distinctis officia potestatis utriusque discrevit suos volens medicinali humilitate salvari, non humana superbia rursus (ut ante adventum eius in carnem pagani imperatores, qui iidem et maximi pontifices dicebantur) intercipi, ut et Christiani reges pro aeterna vita pontificibus indigerent et pontifices pro temporalium cursu rerum imperialibus dispositionibus uterentur, quatenus spiritalis actio a carnalibus distaret incursibus et ideo 116militans Deo minime se negotiis saecularibus implicaret116; ac vicissim non ille rebus divinis praesidere videretur, qui esset negotiis saecularibus implicatus, ut et modestia utriusque ordinis curaretur, ne extolleretur utroque suffultus, et competens qualitatibus actionum specialiter professio aptaretur114. II.117 Sed tanto gravius pondus est sacerdotum, quanto etiam pro ipsis regibus hominum in divino reddituri sunt examine rationem118, et tanto est dignitas pontificum maior quam regum, quia reges in culmen regium sacrantur a pontificibus, pontifices autem a regibus consecrari non possunt. Et tanto in humanis rebus regum cura est propensior quam sacerdotum, quanto pro honore et defensione et quiete sanctae ecclesiae ac rectorum et ministrorum ipsius et leges promulgando ac militando a rege regum est eis curae onus impositum. III. 119Diligenter igitur quisque debet in ordine et professione sua, quo nomine censetur, attendere et maiorem in modum providere, ne a nomine discordet officio.119 Quia, sicut 120legimus in sacra historia, Ozias rex praesu-
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Zuständigkeiten der beiden Mächte und wies ihnen eigene Tätigkeitsbereiche und jeweils eigene Würden zu; Christus wollte nämlich, dass die Seinen in heilsamer Demut gerettet, nicht mit menschlicher Überheblichkeit (wie vor der Ankunft Christi im Fleisch die heidnischen Kaiser, die auch oberste Priester genannt wurden) geschlagen würden, so dass die christlichen Herrscher für das ewige Leben die Bischöfe nötig haben, diese wiederum für den Gang der irdischen Dinge die kaiserlichen Anordnungen nutzen sollten; es sollte das Ziel erreicht werden, dass der geistliche Handlungsbereich vom fleischlichen (irdischen) Eingreifen frei sei und so der, 116der Gott Dienst leistet, sich in keiner Weise in weltliche Geschäfte verwickle116, auf der anderen Seite nicht der den geistlichen Angelegenheiten übergeordnet sei, der in weltliche Angelegenheiten einbezogen ist; heilsam sollte so, damit nicht einer sich in der Zuständigkeit für beide überhebe, die Bescheidung jedes der beiden Stände bewerkstelligt und die in spezifischer Weise auf die Eigentümlichkeit der gesonderten Aufgabe zugeschnittene Befassung ausgebildet werden.114 2.117 Aber um so viel schwerer ist Gewicht und Verantwortung der Bischöfe, als sie für die Könige der Menschen im Jüngsten Gericht werden Rechenschaft abzulegen haben,118 und um so viel höher ist die Würde der Bischöfe als die der Könige, als die Könige von den Bischöfen zur herrscherlichen Hoheit gesalbt werden, die Bischöfe jedoch von den Königen nicht gesalbt werden können. Und um so viel gewichtiger ist die Sorgewaltung der Könige in den menschlichen Angelegenheiten als die der Bischöfe, als ihnen (den weltlichen Herrschern) für Ehre, Schutz und Ruhe der Kirche, ihrer Leiter und Diener die Last der Sorge im Erlassen von Gesetzen und im Kriegführen vom König der Könige auferlegt worden ist. 3. 119Sorgfältig und bedacht muss also jeder in seinem Stand und in seiner Berufung darauf achten, was sein Name besagt und als Konsequenzen hat, und vor allem Vorsorge treffen, dass er in der Amtswahrnehmung von solchen Konsequenzen nicht abweicht.119 Denn 120wir lesen in der Heiligen 116–116
2 Tim 2, 4. Der gesamte Passus in den Capitula von Fismes: c. 1 Sp. 1071C; Hinkmar ordnet die Argumentationsglieder demgegenüber um. Zur hierokratischen Richtung, wobei Hinkmar einem in Paris 829 und in Aachen 836 verwandten Fulgentiuszitat eine ganz neue Dimension gibt, Anton, Konzept S. 246 f.; ders., Gesellschaftsspiegel S. 74. 118 Gelasius, Ep. 12: Publizistische Sammlungen S. 20. Entscheidend ist Hinkmars Weiterführung, s. Anm. 117. 119–119 Im Wesentlichen identisch mit: De ord. pal. Z. 98 –100. 120–120 Vgl. 2 Par 26, bes. 16 – 21; wörtlich aus den Akten von Fismes (Capitula c. 1 Sp. 1071D). Zur Rezipierung über Johannes Chrysostomus: Anton, Konzept S. 246 f. Ein in den Akten (wie De ord. pal. Z. 84 – 89) an die Gelasius-Erweiterung angefügter Satz fehlt hier. 117
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mens incensum ponere, quod non regii, sed sacerdotalis erat ministerii, lepra est a Deo percussus et de templo a sacerdotibus eiectus et in domo sua est usque ad mortem reclusus.120 121Et sanctus Cyprianus in decimo gradu abusionum, 122per quem saeculi rota, si in illo fuerit, decipitur et ad tartari tenebras nullo impediente iustitiae suffragio per iustum Dei iudicium rotatur,122 de negligente episcopo dicit: …121
VII. Qualis denique rex debeat esse, beatus Cyprianus in nono abusionis gradu demonstrat docens: Etenim regem non iniquum, sed corrrectorem iniquorum esse oportet; inde et in semetipso nominis sui dignitatem custodire debet. Nomen enim regis intellectualiter hoc retinet, ut subiectis omnibus rectoris officium procuret. …123 VIII. Et sextus abusionis gradus est124, qui non solum regi, sed et omnibus, qui dominorum censentur nomine, convenit, dominus sine virtute. …124
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Schrift, dass König Usija sich anmaßte, den Leuchter anzuzünden im Tempel, was nicht dem königlichen, sondern dem priesterlichen Amt zukam; er wurde von Gott mit der Lepra bestraft, von den Priestern aus dem Tempel verjagt und bis zu seinem Tod in seinem Haus eingeschlossen.120 121Und der heilige Cyprian sagt in der zehnten Stufe der Übelstände, 122durch die das Rad der Welt, wenn es sich darin befindet, von der Bahn abgeführt wird und nach Gottes gerechtem Urteil, wenn keine Werke der Gerechtigkeit das aufhalten, sich zur finsteren Hölle dreht,122 über den pflichtvergessenen Bischof: …121 Die Normen zur Führung des Bischofsamtes sind dann an der 10. abusio Pseudo-Cyprians (Pseudo-Cyprianus S. 53 f.) dargestellt. Kapitel 4 (Sp. 1009C–1010B) hat die Würde des Bischofsordo zum Gegenstand. Im Gegensatz zu der Schrift De ordine palatii (Z. 60 – 89), wo ein bischöflicher Amtsspiegel neben einem Königsspiegel in einen Gesellschaftsspiegel integriert ist, stehen die beiden Kapitel hier in eher funktionalem Verhältnis zur Thematik: Paränese des Königs. – Kapitel 5 (Sp. 1010B–C) behandelt die verfassungsgeschichtlich relevante Frage der Mitwirkung des Herrschers an der Einsetzung der Bischöfe. – In Kapitel 6 (Sp. 1010C–1011A) werden Maßgaben für die Amtsführung der Bischöfe gegenüber ihren untergeordneten Amtsträgern und den Gläubigen gegeben, zurückgelenkt ist zu den Kriterien für die Bischofseinsetzung. Diese Innenseite des bischöflichen Amtes ist mit Blick auf die Pflicht des Herrschers vorgestellt.
7. Wie beschaffen der König sein muss, zeigt der heilige Cyprian in der neunten Stufe der Übelstände auf: Der König darf nämlich nicht ungerecht sein, er hat vielmehr strafender Besserer der Ungerechten zu sein; daher muss er also in sich selbst die Würde seines Namens beachten. Denn der Name König schließt begriffsmäßig in sich, dass er allen Untertanen den Dienst der Lenkung und Leitung erweist. …123 8. Und die sechste Stufe der Übelstände124, die nicht nur für den König, sondern für alle, die den Namen Herren tragen, Gültigkeit hat, ist der Herr ohne Tugend und Tüchtigkeit. …124 121–121
Auszug aus 10. abusio: Pseudo-Cyprianus S. 53 f. Das Bild vom „Rad“ für das Schicksal schon in der Einführung zur irisch-insularen Vorlage: Pseudo-Cyprianus S. 32; allgemein bei Sedulius Scottus, Collectaneum XIII, 11, 4; auf die Herrschaftssphäre übertragen: Liber de rectoribus Christianis c. 3 (s. Sedulius Scottus mit Anm. 42). 123 Gebracht ist wörtlich die 9. abusio: Pseudo-Cyprianus S. 51– 53 (Textpräsentation teils in Übereinstimmung mit CP und Jonas, häufig davon abweichend wie De reg. pers. c. 2); zu weiterer Zitation, u. a. in De reg. pers., s. Anm. 25. 124 Ganze 6. abusio: Pseudo-Cyprianus S. 43 – 45 (Voll zitiert Vinzenz von Beauvais, De morali principis institutione c. 10 S. 493 f. Die 6. abusio bezieht sich den iri122–122
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IX. Quales sibi adhibere rex debeat consiliarios, sed et illi, qui in principatu positi domini appellantur, Ambrosius in libro Officiorum ostendit. …125
XIII. Sicut supra est positum,126 127quod nulli sacerdoti suos liceat canones ignorare nec quidquam facere, quod patrum possit regulis obviare128: ita in legibus sacris decretum est, ut leges nescire nulli liceat aut, quae sunt statuta, contemnere129. Cum enim dicitur nulli liceat leges nescire vel, quae sunt statuta, contemnere129, nulla persona in quocunque ordine excipitur, quae hac
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9. Welche Ratgeber ein König heranziehen soll, aber auch welche jene wählen sollen, die in fürstlicher Herrschaft Herren genannt werden, zeigt Ambrosius in seinem Werk über die Pflichten auf. …125 Die folgenden Kapitel hat Hinkmar aus der Schrift De reg. pers. herübergenommen: c. 10 (Sp. 1013D–1014B) enthält die Warnung davor, sich von Geschenken und Insinuierungen Schlechter betören zu lassen. Das Material der Vorlage (De reg. pers. c. 21 Sp. 847D–848C) ist markant auf Grafen und Richter, auf jeden in principatu quocumque positus (Sp. 1014A) hin erweitert. Kapitel 11 (Sp. 1014B–D) entspricht mit seiner Warnung vor Freundschaften mit Verbrechern De reg. pers. c. 22 (S. 183); c. 12 (Sp. 1014D–1015A) enthält das Verbot, verbrecherische Verwandte zu schonen, und gibt De reg. pers. c. 29 (Sp. 852A–D) wieder.
13. Wie oben von uns hingesetzt126 worden ist, 127dass es keinem Priester erlaubt sein soll, seine Kanones nicht zu kennen, und etwas zu tun, was den Geboten der Väter zuwiderlaufen könnte,128 so ist in den kaiserlichen Gesetzen festgelegt, dass niemand die Gesetze nicht kennen und das Vorgeschriebene missachten darf.129 Wenn nämlich gesagt wird: Niemand darf die Gesetze nicht kennen und das Vorgeschriebene missachten,129 dann wird keine Person, in welchem (weltlichen) Stand auch immer, ausgenommen, die durch schen Verhältnissen entsprechend vorrangig auf den hohen geistlichen Herrn (Abt), sie wird im 9. Jahrhundert, besonders bei Hinkmar, auf die Herrschaft von Königen und Fürsten bezogen, s. Anton, Pseudo-Cyprian S. 573 f., S. 612 – 615; volle Zitation bei Hinkmar, Fragment S. 191; teilweise Ad Carolum III (wie Anm. 25) c. 5 Sp. 992B; De ord. pal. Z. 182 – 200; s. auch Anm. 25. 125 Aus den eklektisch zusammengefügten Auszügen aus dem Werk des Ambrosius, De off. min., die Hinkmar im 4. Kapitel von De reg. pers. gebracht hat (s. die Nachweise o. Anm. 36 – 46), gibt er hier eine verknappte Zusammenstellung. Wesentlich ist der gegenüber dem früheren Werk neue Einbezug der fürstlichen Herrschaftsträger. 126 C. 4 Sp. 1010A. 127–127 Entspricht De ord. pal. Z. 138 –143; zu weiteren Zitaten s. De ord. pal. Anm. 66. 128 Papst Coelestin I.: Epistolae PL 50, Sp. 417– 558; Ep. 5 (JK 371) Sp. 436A–437B; 1 Sp. 436A. 129 Kaisergesetze (leges sacrae): Codex Theodosianus = Theodosiani libri XVI. Hrsg. v. Theodor Mommsen, Paul M. Meyer. Bd. I, 2. Berlin 1904 (Ndr.) S. 27: Breviarium Alaricianum in Interpretation zu Cod. Theod. I, 1, 2. Jeweils in Verbindung mit dem Papstzitat (s. Anm. 128) von Hinkmar schon zitiert im Jahre 876/877: De presbyteris criminosis. Hrsg. v. Gerhard Schmitz: Ein Memorandum Erzbischof Hinkmars von Reims über straffällige Kleriker MGH Stud. u. Texte 34. Hannover 2004, [XXV] S. 96 Z. 6; Brief an Papst Johannes VIII.: Ep. 32 PL 126, Sp. 230 – 244, hier Sp. 242B. Zum Gesichtspunkt der Rechtsbindung des Königs s. Anton, Verfassungspolitik S. 264 f.
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sententia non constringatur.127 130Oportet enim, ut, qui iudex est iudicum, pauperes ad se ingredi permittat et diligenter inquirat, ne forte illi, qui ab eo constituti sunt et vicem eius agere debent in populo, iniuste aut negligenter pauperes pati oppressiones permittant,130 terrorque eius iniquos comprimat et benevolos atque indigentes sua auctoritate sublevet. Periculum quippe est cuilibet officium suum per alios in tantum peragere, ut se ab eo diutius subtrahat. 131Legimus antiquitus iudices in porta ad iudicandum sedisse, ut nullus accedendi difficultatem haberet.131 Unde beatus Hieronymus in Zachariam prophetam: Veritatem, inquit, et iudicium pacis iudicate in portis vestris. In iudicio prima sit veritas atque iustitia, deinde sequatur misericordia. …132 XIV. 133Qui autem post regem populum regere debent, id est duces et comites, …133 De oppressione pauperum providendum est, quia in eorum afflictione Deus offenditur, … Providendum est, ne affligantur in aedificiis superfluis, in exactione hostili, si Deus pacem pro sua misericordia tribuerit, ne contra capitulum domni imperatoris Caroli, ut nemo ad mallum vel ad placitum cogeretur venire nisi scabini et qui causam suam quaerit et quim quaeratur.134
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cui (Hs.) Edd.
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diesen Satz nicht gebunden wäre.127 130Es ergibt sich von daher die Pflicht, dass der, der Richter über die Richter ist, den Armen Zutritt zu sich gibt und sorgfältig darauf achtet, dass die, die von ihm eingesetzt sind und seine Stellvertretung im Volk wahrzunehmen haben, nicht in Ungerechtigkeit oder in Nachlässigkeit zulassen, dass die Armen Bedrückung erleiden;130 weiter ist es seine Pflicht, dass er mit seiner Abschreckung die Schlechten zügelnd in Zaum hält, die Gutgewillten und Bedürftigen hingegen mit seiner Herrschaftsautorität erhöht und belohnt. Für jeden Monarchen besteht nämlich die Gefahr, seine Pflicht durch andere in einem solchen Maß wahrnehmen zu lassen, dass er sich aus ihr allzu lange herauszieht. 131Wir lesen nämlich, dass die Richter von alters her zum Richten am Stadttor gesessen hätten, damit niemand Schwierigkeit beim Zugang hätte.131 Hierzu sagt der heilige Hieronymus bei der Auslegung des Propheten Sacharja: Sprecht in Euren Toren Wahrheit und Urteil des Friedens. Beim Urteil sollen Wahrheit und Gerechtigkeit an erster Stelle stehen, danach folge die Barmherzigkeit. …132 14. 133Was die betrifft, die nach dem König das Volk lenken sollen, die „Obergrafen“ und Grafen …133 Gegen Bedrückung der Armen ist Vorsorge zu treffen, da in ihrer Schädigung Gott beleidigt wird. … Es ist darauf zu achten, dass sie nicht behelligt werden durch überflüssige und aufwendige Bauten, durch unnötigen Kriegsdienst, wenn Gott in seinem Erbarmen Frieden gewährt hat, dass gegen die gesetzliche Verfügung des Kaisers Karl niemand gezwungen werde, zum Heer- und Gerichtsbann zu kommen, außer den Schöffen und demjenigen, der sein Recht sucht, und demjenigen, der verhört wird.134 c. 15 (Sp. 1016A–C) enthält konkrete Bestimmungen für die Gerichtstätigkeit der Grafen, Vizegrafen und Zehntgrafen.
130–130 Wörtliche Übernahme aus der Tradition des Konzils von Paris 829: CP (c. 56) l. 2 c. 2 S. 652 Z. 7–10 = Rel. ep. c. 25 S. 137 Z. 61– 65 – 2, 1 S. 47 Z. 28 – 30 = Jonas von Orléans, De institutione regia c. 4 S. 77 = Konzil von Aachen 836 MGH Conc. 2, 2 (c. 43) c. 3 S. 716 Z. 8 –11. 131–131 CP (c. 57) l. 2 c. 3 S. 653 Z. 30 – 32 = Jonas von Orléans, De institutione regia c. 5 S. 83 f. 132 Hieronymus: Commentaria in Zachariam profetam: S. Hieronymi presbyteri opera I, 6. Hrsg. v. Marc Adriaen. Turnhout 1970 (CC SL 76A) S. 747– 900; II, 8, 16; 17 S. 818 f. Z. 467– 482. 133–133 Auszug aus CP (c. 57) l. 2 c. 3 S. 654 Z. 8 –17 = Jonas von Orléans, De institutione regia c. 5 S. 85 f.: Pflicht der duces und comites, für die der König Gott Rechenschaft schuldet, dem Volk gegenüber. 134 Vgl. Kapitular Karls d. Gr. von 809: MGH Cap. 1 Nr. 61 S. 148 c. 5.
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Hinkmar, Bischof von Reims
XVI. De legibus a quibusdam imperatoribus male constitutis, a quibusdam vero bene constitutis, sanctus Augustinus ad Bonifacium dicit: Imperatores, quando pro falsitate contra veritatem constituunt malas leges, probantur bene credentes et coronantur perseverantes. Quando autem pro veritate contra falsitatem constituunt bonas leges, terrentur saevientes et corriguntur intelligentes135. Et ad Marcellinum de moribus bonis principum et de republica augenda dicit: Ex parva, inquiens, republica et inopi magnam opulentamque fecerunt, qui accepta iniuria ignoscere quam persequi malebant? Quomodo Caesari utique administratori reipublicae mores eius extollens Cicero dicebat, quod nihil oblivisci soleret nisi iniurias? Dicebat enim hoc tam magnus laudator aut tam magnus adulator: sed, si laudator, talem Caesarem noverat; si autem adulator, talem esse debere ostendebat principem civitatis, qualem illum fallaciter praedicabat136. 137Apud veteres namque tale proverbium erat: Rex eris, si recte facias; si non facias, rex non eris138.137 XVII. 139Regiae virtutes praecipue duae sunt, iustitia videlicet et pietas. Verumtamen in regibus plus laudatur pietas, nam iustitia per se sine pietate severa est.139 De rapinis compescendis et pace restituenda et sacris Scripturis, ecclesiasticarum legum definitionibus ac legum sacrarum constitutionibus sufficienter ex synodali conventu apud martyrium beatae Macrae nuper habito collecta fratri huius regis nostri nuper defuncto per episcopos misimus, quae hic replicare non necessarium, imo superfluum duximus.140
Mahnschrift an die Bischöfe und an König Karlmann
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16. Über von manchen Kaisern schlecht gegebene, von manchen gut gegebene Gesetze schreibt der heilige Augustinus an Bonifatius: Wenn Kaiser für die Falschheit gegen die Wahrheit schlechte Gesetze geben, werden die Rechtgläubigen geprüft und die Standhaften mit dem Martyrium gekrönt. Wenn sie aber für die Wahrheit gegen die Falschheit gute Gesetze geben, werden die Rasenden in Schrecken gesetzt, die Einsichtigen gebessert.135 In seinem Brief an Marcellinus schreibt er über die guten Sitten von Kaisern und über die Mehrung des Staatswesens: Haben nicht die aus einem kleinen und schwachen Staat einen großen und reichen gemacht, die nach Erleiden von Unrecht lieber verzeihen als Rache nehmen wollten? Wie konnte Cicero Cäsar, als er seinen Charakter lobend darstellte, als dem Verwalter des Staates sagen, dass er nichts zu vergessen pflegte außer erlittenem Unrecht? Dies sagte nämlich ein so großer Lobredner, oder ein so großer Schmeichelredner; wenn als Lobender, dann kannte er Cäsar wie geschildert; wenn als Schmeichelredner, dann zeigt er, dass der Leiter des Staates so beschaffen sein müsste, wie er ihn fälschlich zu sein pries.136 137Bei den Alten gab es nämlich das Sprichwort: König bist Du, wenn Du richtig handelst; wenn Du nicht so handelst, bist Du nicht König138.137 17. 139Königstugenden gibt es vornehmlich zwei: Gerechtigkeit und Frömmigkeit. Bei den Königen wird davon die Frömmigkeit mehr geschätzt; denn die Gerechtigkeit für sich ohne Frömmigkeit ist zu streng.139 Über die Eindämmung der Räubereien, über die Wiederherstellung des Friedens gemäß der Heiligen Schrift, den Satzungen des kirchlichen Rechts und den Verfügungen der Kaisergesetze haben wir bei unserer Synode bei der Märtyrerstätte der hl. Macra genügend zusammengestellt und dem kürzlich verstorbenen Bruder dieses Königs durch die Bischöfe geschickt. Ich halte es ist nicht für nötig, ja für überflüssig, es hier noch einmal zu entfalten.140
135
Augustinus an comes Bonifatius (Afrika): Ep. 185 (wie Anm. 54) 8 S. 7 Z. 11–14. Augustinus an Marcellinus = Augustinus: Epistulae Bd. 3. Hrsg. v. Alfred Goldbacher. Wien, Leipzig 1904 (Ndr. 1970) (CSEL 44); Ep. 138 S. 126 –148; 9 S. 134 Z. 6 – 13; angespielt ist auf Cicero, Pro Ligario (wie Anm. 68) 12, 35. 137–137 Isidor, Et. IX, 3, 4. 138 Horaz, Epist. I, 1, 59 f. Zum Kontext dieses Sprichwortes s. Anton, Herrscherethos S. 388 f.; s. auch o. bei Jonas von Orléans mit Anm. 50, 51. 139–139 Isidor, Et. IX, 3, 5. Hinkmar setzt die Isidorsequenz (s. Anm. 137) hier fort. S. auch bei Jonas Anm. 50, 51. 140 Gemeint sind die Capitula/Akten der Synode von Fismes (2. April 881). Über die Bischöfe waren die Akten an Karlmanns Bruder Ludwig III. gesandt worden. – Der Charakter eines für Ludwig wie auch nun für Karlmann mittelbar gestalteten Paränese-Spiegels wird hier unterstrichen. 136
B KÖNIGS- UND REGENTENSPIEGEL DES REICHES/ITALIENS IM HOCHMITTELALTER
Ed.: Waitz S. 21– 93. Dortige Siglen 1,2,3°
IV Gotifredus Viterbiensis Speculum regum1
Gottfried von Viterbo
Incipit speculum regum compositum aa magistro Gotifredob Viterbiensia, imperialis aule capellano,2 ad dominum Henricum VItum c regem Romanorum det Theutonicorumd, filium domini Frederici imperatoris,3 de genealogia omnium regum et imperatorum Troianorum eet Romanorume et Theutonicorum a tempore diluvii usque fin hodiernum diemf 4 secundum cronicam Venerabilis Bede presbyteri et Eusebii et Ambrosiig,5 et de omnibus gestish
° Die allen Handschriftenklassen gemeinsamen und auf Gottfried zurückgehenden Glossen werden in der passenden Anmerkung gebracht (Nachweise: Schulz S. 90 f.). Nicht gebracht werden die zusätzlichen Glossen und Kommentare der Klassen 2 und 3. Zur inhaltlichen Kommentierung werden die Werkstufen von Gottfrieds Universalwerk herangezogen: Memoria seculorum / Liber memorialis (M: Waitz Rezension A), Memoria seculorum – Liber universalis – Pantheon (P-B: Waitz Rezension B), Pantheon (P-C: Waitz Rezension C), Pantheon (P-D: Waitz Rezension D), Pantheon (P-E: Waitz Rezension E, Boockmann S. 197– 264). a–a per magistrum Gotfridum (Gottfridum 2*; Godefridum 2b) Viterbiensem 2 3, sacre pagine professorem et dominum iuris consultum Zusatz 3a. b Gotofredo 1a, Gottifredo 1b. c Fehlt 1. d–d Fehlt 3a, Theotonicorum 1. e–e Fehlt 1a. f–f ad eundem 2 3. g et Orosii Zusatz 3b. h patris sui Zusatz 1.
4 Gottfried von Viterbo Spiegel der Könige1
Spiegel der Könige
Beginn des Spiegels der Könige, der verfasst ist von Meister Gottfried aus Viterbo, Kapellan des kaiserlichen Hofes,2 an den Herrn Heinrich VI., König der Römer und Deutschen, den Sohn des Herrn Kaisers Friedrich,3 über den Stammbaum aller Könige und Kaiser der Trojaner, Römer und Deutschen von der Zeit der Sintflut bis zum heutigen Tag4 nach der Chronik des ehrwürdigen Priesters Beda, des Eusebius und des Ambrosius5 sowie über 1 Die Spiegelmetapher für eine Schrift der Herrscherparänese begegnet seit dem 9. Jahrhundert, s. o. bei Jonas von Orléans Anm. 63. Die erste explizite Werkbezeichnung damit bietet Gottfried; s. Einleitung S. 5 mit Anm. 6. 2 Zur Rolle Gottfrieds als Kaplan und Notar am staufischen Hof s. Einleitung S. 24 mit Anm. 58. In der Forschung differieren die Auffassungen, ob Gottfried eine enge, in seinen Werken konkretisierte Nähe zu dem Hof, besonders zu Heinrich VI., hatte (Schmale, Baaken, Hausmann, Engels) oder ob größere Distanz vorlag und seine Werke im Stadium von Arbeitsexemplaren blieben. 3 Gewidmet ist das Werk dem Sohn des Stauferkaisers Friedrich I. Barbarossa (1152–1190), Heinrich VI. Dieser war Oktober/Dezember 1165 geboren; als ihm das Werk um 1183 dediziert resp. zugedacht wurde, war er im jungen Mannesalter. Den (spätestens) im 12. Jahrhundert üblich gewordenen Titel „rex Romanorum“ (König der Römer) für den Anwärter auf das Kaisertum verbindet Gottfried mit dem Begriff „König der Deutschen“ (rex Theutonicorum), der durch die antikaiserliche päpstliche Polemik im 11. Jahrhundert zur Klassifizierung des „nationalen“ deutschen (Partikular-)Königtums eingeführt und päpstlicherseits im Wormser Konkordat 1122 staatsrechtlich geworden war; s. Ehlers, Joachim: Die Entstehung des Deutschen Reiches. München 1994 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte. Bd. 31), S. 47 f. 4 Gottfrieds Spiegel soll die Vorstellung der Translatio imperii in charakteristischer und eigener Form bieten: als genealogischen Zusammenhang Trojaner – Römer – Deutsche; als Zusammenhang der kaiserlichen Linie, der imperialis prosapia (s. bes. S. 221, S. 225 f.); dazu s. Engels, Odilo: Gottfried von Viterbo und seine Sicht des staufischen Kaiserhauses. In: Aus Archiven und Bibliotheken. Fschr. für Raymund Kottje. Hrsg. v. Hubert Mordek. Frankfurt/Main u. a. 1992 (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte. Bd. 3), S. 327– 345, hier S. 339 f. 5 Die Universalchroniken boten eine Orientierung in der Abfolge der Reiche bis zum römischen Reich. Gottfried will einen Chronik-Hintergrund suggerieren. Doch die – in der Tat berühmte – Chronik des Beda Venerabilis († 735) benutzt er faktisch nicht, bei Eusebius könnte an dessen Fortsetzer Hieronymus († um 420) gedacht sein, der das Gerüst für das erste Buch gibt, evtl. auch an Frutolf. Ambrosius hat kein
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Gottfried von Viterbo
Frederici secundum capitula, que scripta sunt.6 Hec autem epistola ad eum missa iante omniai est prelibanda. k Scientia literarumk,7 o Henrice omnium regum felicissime, qua tuam eminentiam video eruditam, scribenti michi de imperiali prosapia multam prebet audaciaml, et cum ad res arduas pauca michi sit disserendim facultas, ad edenda, que proposui, regia me litteratura7 confortat; quia, cum illitteratis et rudibus philosophica argumenta proponimus, dum oblata non intelligunt, incassum laborassen videmuro. Gaudeo me regem habere philosophantem, cuius maiestatem non oporteat in causis rei publice scientiam8 pab aliisp mendicare q neque tamquam nesciumr aut imperitum consisteres, tubi altissimat seculi negotia competit actitareuq. Imperator enim vexpers philosophie, cumv omnibus hominibus solus preesse credatur, ipse, si fuerit philosophie nescius,9 errare potius quam regnare videtur; quia, dum in causis necessariis sapientia indiget, tunc cogitur docentibus quodammodo subiacere. Quapropter illud ante omnia eminentia tua consideret, quia, licet sollicitudinibus rei publice
i–i
Fehlt 2 3. Fehlt 1. l audientiam 1b. m discernendi 1b. n laborare 2 3. o videremur 2. p–p Fehlt 1b. q–q Fehlt 3b. r vesanum 1a. s existere 2* 2a 2c 3, fehlt 2b. t–t nichil quem altissimi 2. u actitati 2. v–v ex philosophia 2 3. k–k
Spiegel der Könige
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alle Taten Friedrichs nach den einzelnen Abschnitten ihrer schriftlichen Erfassung.6 Dieser Brief, der an ihn (Heinrich) gerichtet ist, ist allem voranzustellen. Die Kenntnis der Wissenschaften,7 oh Heinrich, glücklichster aller Könige, in denen ich Deine Erhabenheit ausgebildet sehe, gibt mir, der ich mich über die kaiserliche Abstammung zu schreiben anschicke, Mut; und obwohl ich nur wenig Fähigkeit habe, schwierige Dinge zu erörtern, bestärkt mich die königliche Literaturvertrautheit7 darin, das herauszubringen, was ich als Aufgabe gewählt und vorgestellt habe; denn in dem Fall, dass wir Ungebildeten und Rohen philosophische Beweisgründe vorlegen, strengen wir uns, da sie das Dargebotene nicht verstehen, ersichtlicherweise vergeblich an. Ich freue mich, einen König zu haben, der Philosophie betreibt, dessen Majestät nicht darauf angewiesen ist, in Angelegenheiten des Staates Wissenschaft8 von anderen zu erbetteln, und nicht gleichsam unkundig und unwissend dazustehen, wo es darum geht, die höchsten Angelegenheiten der Welt zu betreiben. Ein Kaiser nämlich, der der Philosophie unkundig ist, irrt, obwohl er nach allgemeinem Urteil allein allen Menschen vorsteht, mehr, als dass er herrscht, wenn er eben Philosophie nicht kennt;9 denn, da er in notwendigen Dingen Weisheit und Wissen entbehrt, ist er gezwungenermaßen solchen untergeordnet, die ihn lehren. Deshalb möge Deine Erhabenheit sich vor allem jenes vor Augen führen, dass, obwohl Du von den praktischen Sorgen um den Staat und von Kriegsnotwendigkeiten häufig in Beschlag genommen chronikalisches Werk verfasst. Die Hs. 3b dürfte mit dem Zusatz „Orosius“ (s. Anm. g) (5. Jh.) die richtige Fährte haben; er dürfte dem gelehrte Reputation heischenden Autor vorgeschwebt haben. 6 Angespielt ist auf das von Gottfried geplante und schließlich als Entwurf überlieferte Werk Gesta Friderici; s. Schulz S. 107–110. 7 Scientia literarum und regia litteratura sind Siglen eines neuen Herrscherideals, des philosophisch und literarisch gebildeten Königs. Offenbar wirft die Scholastik erste Reflexe, Gottfried führt das in der karolingischen Renaissance (s. Einleitung S. 12, S. 14–19: Lupus von Ferrières, Sedulius Scottus) angedeutete Ideal charakteristisch weiter aus, doch kennt er noch nicht die Problematik der neuen Bemessung von scientia (Wissen) im Verhältnis zu sapientia (Weisheit), die Autoren wie Gilbert von Tournai und Vinzenz von Beauvais im fortgeschrittenen französischen Stadium der Antike-Rezeption ängstigt. 8 Scientia (rei publice) meint noch nicht neues mechanisches Herrschaftswissen (s. Anm. 7), sondern die Relevanz der zweckenthobenen Philosophie für die Staatslenkung. 9 Die Bedeutung von Philosophie und Bildung für die Herrschaftsführung der Regentenperson ist demonstriert: Ihr Fehlen führt zur Abhängigkeit des elementarer Instruktion Bedürftigen und macht die Herrscherstellung zu einer scheinbaren. Zur Harmonie zwischen sapientia und scientia s. Anm. 7.
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Gottfried von Viterbo
vel necessitatibus bellicis sepius occuperis, tuncw regendis imperii causis evidenter prospicisx, cum librorum salutifera documenta requiris. Nam presentis vite homines presentia tantum cognoscunt, librorum vero continentia ab ineuntibus seculis omnia legentibus representat et yte dey futuris ac preteritis faciet illa cognoscere, que omnes viventes homines nequeunt edocere.10 Eapropter in hoc opere, quod Speculum regum appellatur, decet tuam eminentiam assidue speculari, in quo finem et principium imperii et gesta regum omnium potes imaginari.11 Sane cum Romanorum et Theutonicorum regum et imperatorum ingenuitas ab una Troianorum regum stirpe procedat eademque Troiana progenies a primo rege Atheniensiumz trahat originem,12 ad maiorem reia evidentiam a diebus filiorum Noe post diluvium libellus iste orditurb et inde expressis omnium gestis atque nominibus per seriem generationis de patribus in filios ad reges Athenienses descendit et ab Atheniensibus usque ad reges Troianos,13 scilicet Anchisem et Priamum, cognationis linea derivatur. In Priamo autem et Anchise prosapia regum in duo dividitur. Ex Anchise enim Eneas et Ascanius omnesque reges et imperatores Ytalici oriuntur usque ad Karolum regem Magnum; a Priamo autem iuniore, nepote magni Priami ex sorore, universa Theutonicorum nobilitas usque ad eundem Karolum cpatenter emanatc.13 In ipso Karolo utriusque propaginis genus
w
tamen Ed. 3. prospicias Ed. 1. y–y de rebus 2 3. z Atheniense 2 3. a rerum 2 3. b oritur 2 3. c–c patet emanata 2 3. x
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bist, Du dann die augenscheinlichste Sorge um die Lenkung der Angelegenheiten des Reiches walten lässt, wenn Du Dich den heilsamen Beweisstücken der Bücher zuwendest. Denn die Menschen der Gegenwart kennen nur Vorgänge der Gegenwart, der Inhalt der Bücher aber stellt dem Lesenden alles vor Augen von den frühesten Jahrhunderten an und wird Dich über Zukünftiges und Vergangenes alles erkennen lassen, was alle jetzt Lebenden aus ihrer Erfahrung nicht lehren können.10 Daher musst Du beständig in diesem Werk, das Spiegel der Könige heißen soll, spähend Umschau halten, in dem Du Dir Ziel und Beginn des Reiches und die Taten aller Könige vergegenwärtigen kannst.11 Da der Stammbaum aller römischen und deutschen Könige und Kaiser einzig vom Stamm der trojanischen Könige ausgeht und ebendiese trojanische Herrscherlinie vom ersten König der Athener ihren Ausgang hat,12 setzt dieses Buch zur größeren Verdeutlichung mit den Tagen der Söhne Noahs nach der Sintflut ein, es schreitet nach Darstellung aller Vorgänge und Namen im Gang der Generationen von den Vätern auf die Söhne zu den athenischen Königen fort, von den Athenern dann wird die Linie blutsmäßiger Verwandtschaft zu den trojanischen Königen,13 zu Anchises und Priamus, gezogen. In Priamus und Anchises nun teilt sich der Stammbaum der Könige in zwei Linien. Von Anchises stammen Aeneas und Ascanius und danach alle Könige und Kaiser Italiens ab bis zu Karl dem Großen; von dem jüngeren Priamus aber, einem Neffen des großen Priamus über dessen Schwester, leitet sich ganz offenkundig der gesamte Adel der Deutschen bis zu demselben Karl hin ab.13 In Karl nämlich laufen beide Abstammungs10 Ein wesentlicher und originärer Gedanke: „Historie“ ist in der zeitlichen und inhaltlichen Dimension über jede individuelle Erfahrung hinausgehendes Instruktionsmaterial für die Herrschaftsführung. 11 Die (s. Anm. 10) neue Dimension historisch verorteten Wissens ist veranschaulicht. Sie umfasst die longue durée der Regierungsereignisse und Herrschertaten, doch auch die geschichtstheologische und geschichtsphilosophische Frage nach Woher und Wohin des Reiches. 12 Eigengut Gottfrieds ist seine Variante der Trojanersage gegenüber deren fränkischer und französischer Ausführung; zu dieser s. Anton, Hans Hubert: Franken. In: Origo gentis: RGA2 22 (2003) S. 189 –195; ders., Trojanersagen: RGA2 31 (2006) S. 265–272. – Besonders eigenartig ist Jupiter als König Athens und Vorläufer der trojanischen Könige (s. u. Str. 8). 13 Die trojanischen Heroen Priamus und Anchises werden als Gründerväter genannt. Anchises und sein Sohn Aeneas, der Gründer des römischen Volkes, stehen am trojanischen Anfang der Herrscher Italiens, in deren Reihe Karl der Große 774 nach Besiegung und Ausschaltung des Langobardenreiches eintrat. Ein (völlig „fiktiver“) gleichnamiger Priamusneffe steht am Anfang des deutschen Adels. Gemeint ist der fränkische Adel, dem Karl als Erbe des arnulfingisch-pippinidischen Adelshauses zugehörte.
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Gottfried von Viterbo
concurrit. Mater enim eius Berta, cum esset filia filie imperatoris Eraclii, de genere imperatorum Romanorum et Grecorum fuit, Pipinus autem pater eius, rex Theutonicorum, a genere Troiano descendit.14 Fuit itaque Karolus Magnus patre Theutonicus et matre Romanus. Et notandum, quod secundum cronicam beatid Bede presbyteri et Eusebii eet Ambrosiie aput Ebreos et aput Grecos et aput Ytalicos et aput alias nationes interdum annos et tempora usque ulimpiades uniuscuiusque regum et imperatorum liber distinguit, apostolicorum etiam Romanorum nomina et tempora et annos sub unoquoque imperatore declarat. Item turbationes ecclesie Romane a Longobardis illatas satis commemorat; et quomodo dux Francorum Karlo Martellus et rex Pipinus atque Karolus Magnus Romam et ecclesiam liberaverunt, sufficienter explanat; qualiter Karolus imperium suis viribus acquisierit, plene describit.15 fAlia quoque plurima de gloria et actis imperii liber exponitf. Item quomodo papa Silvester terram possedit a Constantino, item quomodo papa possedit terram, que nunc dicitur patrimonium, a Constantino et omnia sceptra regalia seu imperialia.16 Que omnia de pluribus istoriis aggregatag et diuturnis laboribus de multis voluminibus exflorata sapientia tui numinish, si placet, in puerorum scolis facias lectitari;17 cum sit honestius istorias iet na-
d
venerabilis 2 3. Fehlt 2 3. f–f Fehlt 3b. g congregata 2 3. h muneris 2b 2c 2*. i–i Fehlt 2 3. e–e
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linien zusammen. Denn seine Mutter Bertha war, da sie eine Tochter der Tochter des [oströmischen] Kaisers Heraklius war, aus dem Geschlecht der römischen und griechischen Kaiser, Pippin aber, sein Vater, der König der Deutschen, stammte vom trojanischen Stamm ab.14 Karl der Große war daher vom Vater her Deutscher, von der Mutter her Römer. Festzuhalten ist weiter, dass nach der Chronik des heiligen Priesters Beda, des Eusebius und des Ambrosius unser Buch sowohl bei den Hebräern als auch bei den Griechen als auch bei den Italikern und anderen Völkern die Jahre und Zeiten eines jeden der Könige und Kaiser bis zu den Olympiaden hin einteilt, dazu die Namen und Amtszeiten und Jahre der römischen Päpste jeweils unter dem regierenden Kaiser anordnet. So ruft es gebührend die Bedrängnisse, die die römische Kirche von den Langobarden erlitt, ins Gedächtnis; auch wie der Fürst der Franken Karl Martell, König Pippin und Karl der Große Rom und seine Kirche befreiten, legt es hinreichend offen; wie Karl aus seinen Kräften das Kaisertum erwarb, beschreibt es in voller Ausführlichkeit.15 Sehr viel mehr über Ruhm und Taten des Reichs breitet das Buch aus. So, dass Papst Silvester Land zu Besitz hatte von Kaiser Konstantin, ebenso, dass der Papst das Land, das jetzt Patrimonium heißt, von Konstantin zu Besitz hatte und auch alle königlichen und kaiserlichen Szepter.16 Dies alles, aus vielen Geschichtsdarstellungen zusammengetragen und mit täglichen Mühen aus vielen Bänden als Blüten gesammelt, möge Deine erhabene Weisheit, wenn es gefällt, in den Schulen der Knaben vorlesen lassen;17 denn es ist eh14 Karls Mutter Bertha soll Enkelin des (ost)römischen Kaisers Herakleios († 641) sein, sein Vater Pippin († 768) führte das fränkisch-“deutsche“ Princepstum 751 zur Königsherrschaft. Danach kommen in Karl, dem geschichtsphilosophisch für den Italiener und den Deutschen ausgewiesenen Heros ktistes, die italienische und die deutsche Trojalinie zusammen. 15 Gottfried verdeutlicht seinen Chronik-Unterbau: Synchronismen zwischen Herrschergeschichte der einzelnen Reiche und Papstgeschichte. Besonderer Akzent ist auf den Übergang vom langobardischen zum fränkischen Italien gelegt. Die Rolle von Karl Martell († 741), von dessen Sohn Pippin dem Jüngeren († 768) sowie von dessen Sohn Karl dem Großen ist akzentuiert. Im ersten der genannten Fälle ist dies gegen die historischen Tatsachen, entspricht aber der von Karl dem Großen gegebenen Lesart: Divisio regnorum von 806 = MGH Cap. 1, Nr. 45 S. 126 –130; c. 15 S. 129. 16 Gemeint ist mit der im Werk ausgeführten Ankündigung das im 8. Jahrhundert entstandene sog. Constitutum Constantini. Hrsg. v. Horst Fuhrmann MGH Fontes iuris Germanici antiqui 10. Hannover 1968. Nach der berühmten Fälschung hätte Konstantin d. Gr. dem Papst weite Herrschaftsrechte (Rom, Italien, Westen) übertragen. Der Passus sceptra imperialia findet sich ebd. Z. 225. Gottfried fügt den hochmittelalterlichen Terminus regalia hinzu. 17 Kulturgeschichtlich wichtig ist, dass Gottfried sein Werk als Schullektüre (für junge Adelige und Prinzen) empfiehlt. Indirekt ist der jugendliche Regent selbst gemeint.
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turasi regum et imperatorum, quibus mundus instruitur et ornatur, animo pueri legentis imprimere quam fabulas Choridonis vel pecudes Melibei memorie commendare.18 In hoc autem volumine aureum illud eloquentie flumen aut verborum leporem vel dictaminis elegantiam lectoris providentia non requirat, kcum a me viro imperito sermones falerati seu Tuliana eloquentia non procedantk; set simpliciter materiam rusticano stilo prolatam sine arrogantia reprehensionis attendat. lQuod si hoc etiam ad manus sapientum pervenire contigeritl, peto, metra mee imperitie non irrideri, set, tamquam a puero balbutiente processerint, benigne tolerari. Namm hec pueris magis quam adultis exhibenda putavin. 19
Liber I. 1. oIncipit de generatione processa a filiis Noe, scilicet Sem, Iaphet et Cham, ut infrao. Editus exp arca canitur Noe patriarca; Vita prius parca, male qque precesseratq arcamr, Nil habet hystorie, nec memoranda patet. Egrediente patre veniunt tres ordine fratres: Iosephus et Moyses referunt hec omnia late, A quibus optate dogmata prima patent.20
k–k
Fehlt 3b. Fehlt 3b. m Nam et ego 1. n Zusatz 2b: Iam iamque aggredior materiam – Und schon beginne ich die Behandlung des Themas. o–o Fehlt 1 2* 3b, A principio Noe post diluvium. De Sem Cham et Iaphet 2a. p Fehlt 2 3. q–q quem presserat 2 3. r arca Ed. Hss. l–l
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renvoller, die historischen Darstellungen und die Taten der Könige und Kaiser, wodurch die Welt belehrt und verziert wird, dem Geist eines lesenden Schülers einzuprägen als die Fabeln des Choridon oder die sagenhaften Viehherden des Melibaeus dem Gedächtnis anzuvertrauen.18 In diesem Werk freilich möge der kritische Leser nicht den goldenen Fluss der Eloquenz oder die Anmut der Worte oder die Eleganz des Stiles erwarten, denn von mir, einem kenntnislosen Menschen, kommen nicht schön klingende Reden oder die Beredsamkeit eines Cicero; er erwarte vielmehr einen einfach in ungebildetem Stil vorgelegten Stoff ohne Anmaßung der Kritik. Sollte dies Buch aber in die Hände Gebildeter gelangen, bitte ich darum, dass meine ungelenken Verse nicht verlacht, sondern gleichsam als Erzeugnisse eines stammelnden Knaben gütig geduldet werden. Denn ich hielt dafür, dass sie mehr Knaben als Erwachsenen vorgelegt werden sollten.19 Das folgende Werk ist in daktylischen Tristicha gedichtet: Auf zwei Hexameter folgt ein Pentameter. Häufig ist Endreim gesetzt. – Nach Angabe der Rubren (Königtum im Alten Testament, bei Athenern, Trojanern, Römern, Franken, Deutschen) sowie einem Papstkatalog bis zu Nikolaus I. († 867) setzt Buch I ein.
Buch I 1. Beginn mit der Geschlechterfolge, die ihren Ausgang nahm von den Söhnen Noahs, von Sem, Japhet und Ham. Noahs Gang aus der Arche ist erster Stoff des Gesanges; Kärglich war das Leben, das übel der Arche vorausging, Nichts von Geschichte war da, nichts der Erinnerung wert. Nach dem Ausgang des Vaters kommen drei Brüder in Folge: Mose und Josephus berichten dies alles erschöpfend, Uns willkommen und klar lehrt deren erster Bericht.20 18
Verballhornung des Namens des Epikers Choirilos aus Iasos in Karien, eines berüchtigt schlechten Dichters der Zeit Alexanders d. Gr. Mit Melibaeus mag das viehreiche Meliboia in Thessalien gemeint sein. 19 Am Schluss steht der Bescheidenheitstopos des Dichters. Dabei nimmt er das Motiv des Adressatenkreises (s. Anm. 17) wieder auf. 20 Zugrunde liegt, was mit Mose als Quelle gemeint ist: Gen 8, 13 – 9, 17. Als Vermittler wirken der namentlich genannte Flavius Josephus: Antiquitates Iudaicae. Hrsg. v. Franz Blatt: The Latin Josephus I: Introduction and Text. The Antiquitates: Books I–V. Kopenhagen 1958 (Acta Jutlandica 30, 1 – Humanistik Serie 44); I, 3, 5 – 8 sowie Petrus Comestor (mit seiner zwischen 1169 und 1173 entstandenen Bibelszenensammlung und Kommentierung Historia scholastica): Gen. 35 – 36 (Gen 8 – 9) Sp. 1085C–1087D. Mit hystoria (Geschichte) und memoranda ist gemeint, dass es noch nicht „Geschichte“ im Sinn politischer Ereignisverflechtung (res gestae) und
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Cham, Sem et Iaphet primos genuere parentes, A quibus et vario posuit Deus ordine gentes: Ut vultus hominum, sic variavit opus.21 Quos peperit natura pares, quos patris honestas Esse pios docuit, depravats iniqua potestas, Ut cadat in vicium queque propago suum.22 Parvula paucorum fuit illis turba virorum. Non erat imperium neque rex neque nomen eorum; t Immo ferunt aratrum, vomere rura coluntt. 23 Culpa gravis populi meruit sub lege teneri, Unde Deus voluit homines sub rege tueri, Ultor ut ipse Dei puniat acta rei. Sic regi dat regna Deus, sic iurgia rerum, Quod valet humanou lucrari sanguine celum, Munera grata Deo datv pereunte reo.24 Prima tui generisw fuit hec, Henrice, corona, Cui celebris post Roma dedit sua climata prona.25 Si cupis, exponam; suscipe mente bona.
s
dampnat 1. Fehlt 2 3. u humanum 2 3. v dat rex 2 3. w gregis 2 3. t–t
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Ham und Sem und auch Japhet zeugten die ersten der Ahnen, Von denen Gott, in der Ordnung verschieden, die Völker dann setzte: Wie der Menschen Gesicht, so auch schied er ihr Tun.21 Die die Natur gleich schuf, die das Vorbild des Vaters lehrte, Fromm zu sein, die verdirbt in böser Weise die Herrschgier, Dass ein jeglicher Stamm eigenem Laster verfällt.22 Klein und ungefügt war die Menge der wenigen Männer. Nicht gab es Herrschaft, nicht König, nicht gab es Namen für beide; Sondern sie ziehen den Pflug, Pflugschar beackert das Land.23 Schwere Schuld des Volkes brachte Gesetze als Strafe, Daher wollte die Menschen Gott unter dem Schutze des Königs, Dass er an Gottes Statt räche des Täters Schuld. So gibt dem König er Macht, das Richtamt für die Entscheidung, Dass er mit Blut des Menschen die Ordnung des Himmels errichtet, Gottes Werk auch erfüllt, üblen Frevler bestraft.24 Dieses war, Heinrich, die erste Krone Deines Geschlechtes, Ihm gab später das ruhmvolle Rom geneigt seine Zonen.25 Deinen Wunsch führ’ ich aus, gütigen Sinns nimm es auf. auch noch keine Geschichtsschreibung (res gestae scriptae) gab. – Zur biblischen Geschlechterfolge in P (P–E VII–XIX) s. Boockmann S. 183 –185. 21 Vgl. Gen 9, 18 f. Zur Ableitung der gentes (Völker) und Sprachen von den Söhnen Noahs s. Borst, Arno: Der Turmbau zu Babel. Geschichte der Meinungen über Ursprung und Vielfalt der Sprachen und Völker. II, 1; 2: Ausbau. Stuttgart 1958, 1959. 22 Zur in der Patristik ins Christliche gewendeten Urstandslehre, nach der die Menschen ursprünglich gleich waren und die Erbschuld, vor allem die Herrschgier, Ungleichheit brachte, s. Anton, Herrscherethos S. 362 – 369; für das hohe und späte Mittelalter Buc, Philippe: L’ambiguïté du livre. Prince, pouvoir et peuple dans les commentaires de la Bible au moyen âge. Paris 1994 (Théologie Historique. Bd. 95); Töpfer, Bernhard: Urzustand und Sündenfall in der mittelalterlichen Gesellschaftsund Staatstheorie. Stuttgart 1999 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters. Bd. 45), s. etwa S. 308 f. (zu den späteren Fassungen). 23 Geschildert wird ein vorgesellschaftlicher, noch nicht politischer Zustand mit primitiver agrarischer Lebensbewältigung (vgl. Gen 9, 20). Solche vorgesellschaftlichen Tableaus haben etwa die Synode von Trosly (an der Loire) 909 und Gerhard von Cambrai im 11. Jahrhundert geboten; s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 77 f., S. 83 f. 24 Der vorher (s. Anm. 22) angedeutete Gedanke, dass Herrschaftsordnung aus der Erbsünde resultiere, ist ausgeführt: Zur Regulierung der entstandenen Anarchie wirkt der König im Auftrag Gottes als Diener und Stellvertreter Gottes. Zu dieser hier klar erkennbaren biblischen und patristischen Tradition s. Anton, Herrscherethos S. 369 – 377 sowie allgemein die Anm. 22 genannte Literatur. 25 Heinrichs VI. Herrschaftsstellung beruht auf der naturrechtlichen Setzung der ersten Herrschaften, aller Gewalt, durch Gott. Die Klimax gab die kaiserlich verfasste Reichsprägung Roms.
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2. xDe principio regum, unde ortus fuit Henricusx. Principium regum, quo descendisse videris, Et genus imperii Troianaque tempora queris: Hec si metra geris, certiorandusy eris. Imperiale genus quod et unde sit, ecce feremus; Que species regumz fuerit primeva, canemus. Urget, ut instemus, Romulus atque Remus.26 Gentis Hebreorum loca, temporaa, regna tacemus,27 Vertimur ad bGrecos, gentilia gestab canemus, Unde sit imperii linea, norma, genus.28 3. cDe Nembrotc. Musa virum promed Nembrot de germine Noe, Cuius erat quondam regnum prius in Babilone, Et genus appone, tempuse et acta monef. Iosephus hunc iuvenem pingit gferitate minacemg Et nimis audacem, validum, sevum, sine pace. Nunc sua pompa iacet, quam recitare placet.29 …
x–x
sequitur nunc de principio regum, unde ortus fuit Henricus 2b, fehlt 2* 2a 3. coronandus 2 3. z P-E VII; regnum Ed., Hss. a prelia 2 3. b–b gentilia ac gesta eorum 2 3. c–c Fehlt 2* 2a 3, de Nebrot filio Sem 1, sequitur infra de Nembrot 2b. d ire 2 3. e ipse 2 3. f more 2 3. g–g P; atque ferocem 2, atque velocem 3. y
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2. Vom Beginn der Könige, von denen Heinrich abstammt. Suche den Anfang der Könige, von deren Wurzeln Du ausgehst, Und auch die Form Deines Reichs, dies such’ in trojanischen Zeiten: Wenn Du die Verse bedenkst, wird Gewissheit Dir sein. Was und woher Dein Kaisergeschlecht sei, wir werden es bringen; Welche Art der Könige zuerst, wir werden es singen. Romulus wie Remus drängt uns, dieses zu tun.26 Schweigen bleibt dem Land, den Zeiten und Reichen der Juden,27 Wenden wir uns zu den Griechen, zu singen die Taten der Heiden, Hier liegt die Abkunft des Reichs, Richtschnur und Herrschaftsgeschlecht.28 3. Nimrod. Muse, als Ersten gib Nimrod aus Noahs Geschlecht zu besingen, Babylon einstmals und anfangs war der Bereich seiner Herrschaft, Füg sein Geschlecht dem hinzu, Taten nenn auch und die Zeit. Jüngling von drohender Wildheit, so malt sein Bild uns Josephus, Allzu kühn und stark und wild, ohne jeglichen Frieden. Jetzt liegt danieder sein Prunk, den es zu singen beliebt.29 … Nach sukzessiver Darstellung biblischer Szenen und mythologisch-paganer Stoffe (Fortführung zu Nimrod in Strophe 3; Strophe 4: dessen Söhne; Assyrer und Babylonier, Ninus und Semiramis; Abraham; Strophe 5: Götterkönige Coelius und sein Sohn Saturn; Isaak; Strophe 6: Saturn und sein Sohn Jupiter; Notiz zur alttestamentlichen Josefsgeschichte) wird in den Strophen 7 und 8 Jupiter euhemeristisch als König der Athener behandelt. In der ersten der beiden grenzt Gottfried
26 Gottfried verknüpft mit der christlich-naturrechtlichen Sehweise die pagane Tradition Trojas und die pagan-kaiserliche Roms, für das die Gründer Romulus und Remus gesetzt sind. 27 Eine von Gottfried selbst stammende (s. auch Schulz S. 91) Glosse lautet: Nota, quod Hebreorum genealogiam non posui in hoc libro – Beachte, dass ich die Stammfolge der Hebräer in diesem Buch nicht gebracht habe. 28 Der Gedanke von Rom als Ursprung der Reichsidee (s. Anm. 26) wird ergänzt um die griechischen Anfänge; diese Zweiheit ist bei Gottfried konstitutiv. 29 Zu Hams Enkel Nimrod als Prototyp gewaltsamer Herrschaft (s. Gen 10, 8 –10) nach den Schilderungen von Flavius Josephus (wie Anm. 20) I, 4, 2 und Petrus Comestor, Gen. 37 Sp. 1087D–1088D s. Buc (wie Anm. 22) S. 237, auch S. 141, S. 113; Töpfer (wie Anm. 22) passim. Nach Petrus Comestor sieht Gottfried Nimrod als Nachkommen Sems (P-E VII, 31; 39; 38); s. Boockmann S. 185 f.
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8. hDei Iove primo rege Atheniensikh.30 A Iove nostrorum venit generatio regum, A Iove principium recipit descriptio legum, A Iove philosophi dogmata prima legunt. Rex erat ex rege quondam patre natus Athenis, Indeque quadrivii triviique scientia30 venit, Legis et artis ibi rex ydioma dedit. Iste priusl docuit regnorum castra moveri, m Et prius instituit equites ad bella docerim. Marten sibi similis ammodo nullus erato. Urbs et Athenensis sub nomine facta Minerve31 Dicitur, ut per eam robur sapientiap servet: Hoc decus ingenii Iuppiter ipse dedit. Uxor prima Iovis Niobes32 regnavit Athenis.
h–h
Fehlt 2a. sequitur nunc infra de 2b. k Fehlt 2. l prior 2 3. m–m Fehlt 2 3. n in arte 2 3. o Fehlt 2 3. p sapientie 2 3. i
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Mythologisch-Erdichtetes in der Figur des Gottes von seiner für ihn verbürgten historischen Wirksamkeit ab. Grundsätzlich heißt es Str. 7 v. 149 f.: Semine Troiano descendis et a Ioviano: Fabula non agitur, cronica vera cano. Von Trojas Samen kommst Du, und auch von Jupiter stammst Du: Dichtung bringe ich nicht, wahre Geschichte vielmehr.
8. Über Jupiter, den ersten athenischen König.30 Jupiter ist uns Beginn der Stammesfolge der Herrscher, Jupiter gibt den Gesetzen als erster schriftliche Fassung, Erste Philosophie stammt von Jupiter auch. König vom König entstammend war in Athen er geboren, Woher auch Quadrivium, Trivium, System allen Wissens,30 Gesetz und Künste zugleich hat er als König benannt. Heerlager führte ein zuerst er in seinen Reichen, Reiter zu bilden zum Krieg lehrte er dort auch als Erster. Ebenbürtig war nun keiner im Kriege ihm mehr. Auch steht Athen als Stadt unter dem Namen Minervas.31 Weisheit soll durch sie, so heißt es, die Kraft stets bewahren: Diese Zierde des Geists Jupiter fügt selbst noch hinzu. Niobe, erste Gemahlin,32 beherrschte auch die Athener. 30 Die euhemeristische Konstruktion, der altrömische Gott Jupiter, Sohn des römisch-griechischen Gottes/Königs Saturn, sei zunächst König in Athen gewesen, fand Gottfried in der von ihm benutzten Historia miscella des Landolfus Sagax, in dessen Übernahme und Ergänzung der Origo gentis Romanae und des Breviarium von Eutrop in der Ausführung durch Paulus Diaconus (Ausgabe: Hans Droysen MGH AA 2. Berlin 1878 [Ndr.] S. 225 – 376 und S. 1–182; S. 227 [S. 6]; Landolfi Sagacis Historia Romana. Hrsg. v. Amedeo Crivellucci. 2 Bde. Rom 1912/13 [Fonti per la storia d’Italia. Bd. 49, 50]; I, 1 S. 3 f.) angelegt. Seine Konstruktion steht im Dienst einer engen Verklammerung zwischen Griechenland-Athen und Rom. Recht und Philosophie werden als Erzeugnisse von Jupiters Griechenland vorgestellt. Für letztere werden die in der griechischen Antike entwickelten Lehrsysteme des Triviums (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und des Quadriviums (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) benannt, die Martianus Capella (Anfang 5. Jh.) in ein System gebracht hatte. 31 Minerva war in der Trias Jupiter, Juno, Minerva, die ihrem Wesen nach ursprünglich griechisch und über Etrurien nach Rom übernommen war, die Stadtgöttin Athens (Athene) resp. Roms. Für die Stelle mag Vorlage sein: Hieronymus, Chronik S. 12; a. 155 S. 41 f. 32 Niobe, Tochter des Phorneus, war als erste Sterbliche Geliebte des Zeus; s. Hyginus: Fabulae. Hrsg. v. Peter K. Marshall. Stuttgart, Leipzig 1993 (BSGRT), fabula 145, 1 S. 126; 155,1 S. 133. Sie fand der Autor als Frau Jupiters bei Hieronymus, Chronik a. 1791 S. 30b, a. 1806 S. 29b (vgl. Petrus Comestor, Gen. 70 Sp. 1112C), bei
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Ex qua primeva legum descriptio venit; Hec tibi tunc regum germina prima dedit. Altera sponsa Iovis pulcherrima femina Iuno33 Tunc genuit Danaum, quo germine nascitur uno Grecia; nam Danai semine Grecus erit.33 Usus erat reges divos quandoque vocari;34 Vulgus eos tunc esse deos omnino putavit, Simplicitas populi nomina vana trahit. In terris qui tunc potuit premaior haberi, Hunc populi voluere deum summe revereri: Sic Iovis in terra gloria maior erat. Rebus et ingeniis, que Iuppiter ante patravit, Scribere non voluiq, set promere, quos generavit, Per quos hanc sobolem Iuppiter usquer trahit. A Iove nostrorum genus accipimus dominorum, Troiaque progeniem nobis transmisit eorum. Nunc tenet Heinricus cum patres iure solum. Magnus Alexander Troianaque regia proles35
q r s
voluit 1, valui Ed. 2 3. usque ipse 2 3. paterno 2 3.
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Schriftliche Fügung gab sie als Erste für die Gesetze; Diese gebar auch zuerst Sprosse des Königsgeschlechts. Jupiters zweite Gemahlin, die schöne erhabene Juno,33 Danaus schenkte sie ihm, aus dessen alleinigem Samen Griechenland Wachstum erhielt; Grieche heißt man nach ihm.33 Brauch war es damals weithin, die Herrscher auch Götter zu nennen;34 Herrscher wurden vom einfachen Volk für Götter gehalten, Namen eitel und leer zieht die Einfalt herbei. Wer indessen auf Erden den größeren Vorrang erlangte, Diesen wollte als Gott das Volk am höchsten verehren: So war auf Erden der Ruhm Jupiters machtvoll und groß. Was durch Taten und Geist er vorher getan und bewirkt hat, Wollt’ ich nicht schreiben, doch zeigen, welche Kinder er zeugte, Kinder, durch welche bis jetzt er seine Linie zieht. Jupiter gibt den Ausgang für das Geschlecht unserer Herren, Troja vermittelte uns die Folge ihres Geschlechtes. Heinrich hält nun mit Recht gleich mit dem Vater das Land. Trojas Königsgeschlecht und Alexander der Große,35
dem die weiteren Ausführungen (Athenbezug, Recht und Philosophie) jedoch nicht resp. nicht genauso zu finden sind. 33 Juno, Hauptfrau Jupiters. Dieser ist hier in der bei C. Iulius Solinus (Collectanea rerum memorabilium. Hrsg. v. Theodor Mommsen. Berlin 1895 [Ndr. 1958]; 56, 3 S. 205 f.) im 3. Jahrhundert n. Chr. aufscheinenden Tradition mit König Belus, dem Erbauer von Babylon und Begründer des assyrischen Reiches, identifiziert. Vater des Danaus, mit dem die Griechen (= Danaer) in Verbindung gesetzt werden, ist Belus bei Hyginus (wie Anm. 32) fabula 124 S. 107; 168, 1 S. 140; 273 S. 192. Danaus als König der Griechen (Argiver): Hieronymus, Chronik a. 1475 S. 45b. 34 In diesem und den folgenden Versen wird christlicher Euhemerismus klassisch formuliert; s. auch Anm. 30. 35 Eine von dem Autor stammende (s. Schulz S. 90 f.) Glosse lautet: Nota, quod tempore Iovis nondum erat regnum Caldeorum, Persarum, nec Medorum, Ligeorum, nec Hebreorum, nec Egiptiorum, nec Ateniensium, nec Argorum, nec Ummaiorum, nec Lacedemoniorum, nec Corinthiorum, nec Tessalonorum, nec Macedoniorum, nec Latinorum, qui postea Romani sunt appellati. A tempore igitur Nini et Semiramidis usque ad tempus Atheniensium sunt anni 505, similiter anni usque ad …. Moyses enim et Cecros rex, qui primus Iovi successit, coetanei fuerunt. Ille Cecros primus erexit aram, primus Iovi bovem immolavit – Merke, dass es zur Zeit Jupiters noch nicht gab das Reich der Chaldäer, Perser, nicht der Meder, Lygier (= Lyder; s. Schulz S. 91 Anm. 1), nicht der Hebräer, nicht der Ägypter, nicht der Athener, nicht der Griechen, nicht der Ummaier (= Sykionier; s. Schulz S. 91 Anm. 1), nicht der Spartaner, nicht der Korinther, nicht der Thessalier, nicht der Makedonen, nicht der Latiner, die später Römer genannt worden sind. Von der Zeit des Ninus und der Semiramis bis zur Zeit
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Romani reges Iovianot semine florent; Tu flos de flore regna Iovinau cole. Cum Iove summo deo superi tibi regna dederunt, Altiorv esw patribus, qui secula prisca tulerunt. Te regem regum scripta Sibilla36 ferunt. Nam Troianorum tu regna tenebis avorumx, Filius illorum deus es de prole deorum, Romulus et Priamus dant tibi iura thori.37 Regna paterna reges, summus per secula deges, Tu nisi iusta neges, Iovianasy suscipe leges, Romuleos reges38 quasz coluisse leges. Denique Romana alex ante fuit Iovianab Iuraque mundana sunt a Iove condita clarac; Menia Romanaa Iuppiter ipse parat. Que Romam venit, lex scripta vigebatd Athenis; Artis et ingenii Iovis hii sunt dogmate pleni. Que pater hiis tribuit, colere nata39 venit.
t
Ed., Ioviniano Hss. Ioviniana 2b 3b. v alterior 1. w ex 2 3. x annorum 2 3. y Romanas 1, Iovinianas 2 3. z quos 2 3. a–a Fehlt 2*. b Ioviniana 1 3b. c Ed. P, cara 1 2 3. d venit 2 3. u
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Auch die römischen Könige blühen aus Jupiters Samen; Blüte aus solchem Gewächs, ehre Du Jupiters Reich. Reiche gaben die Oberen Dir mit dem höchsten der Götter, Größer bist Du als die Väter, die frühe Jahrhunderte trugen. König der Könige nennt Dich sibyllinische Schrift.36 Denn regieren wirst Du die Reiche der Ahnen aus Troja, Sohn dieser Götter bist Du, ein Gott aus dem Göttergeschlechte, Romulus, auch Priamus geben Dir Rechte des Stamms.37 Väterlich Reich wirst Du lenken, als Höchster Jahrhunderte leben, Wenn nicht Rechtes Du abschlägst, nimm an des Jupiter Satzung, Könige Roms,38 liest Du, pflegten und ehrten sie stets. Römisches Recht war zuvor des Königs Jupiter Satzung, Alle Rechte der Welt sind von Jupiter ruhmvoll gegründet; Jupiter baute auch selbst feste Mauern für Rom. Rom erhielt sein Gesetz geschrieben nach attischer Geltung; Jupiters Kunst und Talent hat beide mit Lehre versehen. Vaters Erbteil an sie wird von der Tochter39 gepflegt. der Athener sind es 505 Jahre, ähnlich die Jahre bis zu …. Mose nämlich und König Cecrops, der als Erster Jupiter nachfolgte, waren Zeitgenossen. Dieser Cecrops errichtete als Erster einen Altar, als Erster opferte er Jupiter einen Ochsen. – Der Autor setzt die Notiz neben die Erwähnung des Makedonen-Großherrschers Alexander d. Gr. (336 – 323 v. Chr.), der trojanischen Könige (Priamus, Antenor) und der römischen Herrscher ab Aeneas. 36 Unter dem Namen „Sibylle“ erscheinen in Rom mehrere – von Varro auf zehn festgelegt – Zukunftsweissagerinnen. Ihr hohes Ansehen schlug sich in den für den römischen Staatskult wichtigen sibyllinischen Büchern nieder. Entgegen der für das Mittelalter maßgebenden christlichen Deutung spielt die heidnische Variante hier die entscheidende Rolle, die der Autor bei Landolfus Sagax (wie Anm. 30) 30 S. 235 Z. 4; 38 S. 239 Z. 20 (Crivellucci II, 11 S. 32; 24 S. 43) finden konnte. 37 Romulus, der sagenhafte Gründer der Stadt Rom (753 v. Chr.), stammt aus dem Geschlecht des Ascanius, des Sohnes von Aeneas, der zum troischen Sagenkreis gehört und der auf Geheiß seiner Mutter Aphrodite die brennende Stadt Troja verließ. Über seine Nachkommen Romulus und Remus galt er als Ahnherr des römischen Volkes, dessen Ursprung mit ihm an Troja geknüpft war. Priamus war König von Troja, Hauptbeteiligter am trojanischen Krieg. Die beiden stehen also für die beiden Linien (s. S. 213 f.), die auf Heinrich VI. zulaufen sollen. Dies ist mit den iura thori, den von ihren Ehelagern ausgehenden Rechten, gemeint. Der Dichter scheut sich nicht, trotz Wendung gegen den heidnischen Götterkult (s. v. 19 – 21, bei Anm. 34) Heinrich als Götterspross zu feiern. 38 Romulei reges (Römische Könige) steht sowohl für die auf Aeneas und Romulus (s. Anm. 37) zurückgeführten altrömischen Könige als auch für die römischen Kaiser des ab Karl d. Gr. von Gottfried als deutsch betrachteten mittelalterlichen Reiches. 39 Athen und Rom verfügen über Kunst und Ingenium Jupiters. Als seine nata
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Sub Iovis etate Pharao tenet Israhelitas, Lex datur ascita, Moysi sunt iura petita. Manna dedit vitas: Exodus pandit ita.40 Tunc erat Ytalicus sapiens rex,nomine Picus,41 Regnat in Achaia Danaus.42 Dat Grecia ficus, Caulis aput Siculos fertur habere situs. Iuppiter ipse suas Danais firmabat Athenas; Nascitur illee Cecrops,43 cuius referemus habenas; Tunc prior in Creta crevit oliva ferax.
e
illi 2.
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Damals hält Pharao die Israeliten gefangen, Gesetze erhält das Volk, von Mose als Rechte erbeten. Leben durch Manna bewahrt: Exodus legt es uns dar.40 Damals regiert in Italien Picus, ein König mit Weisheit.41 Danaus42 lenkt das Land der Griechen. Dort wächst auch die Feige, Heimat gibt dem Wein Land, das siculisch bewohnt. Jupiter selbst war es, der den Griechen Athen hat befestigt; Dort wird Cecrops43 geboren, dessen Regierung wir bringen; Erstmals auf Kreta wächst dann fruchtbar der Ölbaum heran. Es folgen die Strophen 9 – 38: Parallele Darstellungen zu den trojanischen, den latinischen und den römischen Königen bis auf Tarquinius Superbus sowie zu biblischen Personen und Vorgängen. Als Vorlagen dienen durchweg die Chronik des Hieronymus und die Historia miscella des Landolfus Sagax. Ziemlich in der Mitte (Strophe 17) steht eine emphatische Rühmung des Adressaten, Heinrichs VI., der zu Karl dem Großen, der in besonderer Weise die trojanische Linie (Linea Troiana) zu den Staufern führt, in Bezug gesetzt ist. Zu Buch II s. Einleitung S. 25.
(Tochter) soll das mittelalterliche Reich das große Erbe übernehmen. Der Autor verknüpft die Abfolge der Regna mit dem Genealogiezusammenhang. 40 In einer seiner Synchron-Parallelisierungen bringt der Autor Begebenheiten des Alten Testaments: das ägyptische Exil des Volkes Israel, die Setzung des Dekalogs, die wunderbare Ernährung beim Zug durch die Wüste: s. Gen 39 – 50; Ex 1–12; 19, 8 – 40, 36; bes. 20, 1–17; 16, 11– 35. 41 Picus als Sohn des Saturn in Latium: Landolfus Sagax (wie Anm. 30) S. 227 (s. ebd. S. 6) (Crivellucci I, 1 S. 4); zu Picus s. I, 6 v. 117; System der ersten Könige Italiens Boockmann S. 187–191. 42 Zu Danaus s. Anm. 33. 43 Kekrops, ältester König von Attika und Gründer der Burg von Athen, mit dem das Wachsen des Ölbaums in Verbindung gebracht ist. Die folgende Strophe des Werkes belegt, dass Gottfried als Quellen vorlagen: Hieronymus, Chronik a. 1551 S. 41b; a. 1546 S. 41b (danach Isidor: Chronica maiora. Hrsg. v. Theodor Mommsen MGH AA 11. Berlin 1894 [Ndr.] S. 424 – 481; 49 f. S. 434; Chronica [1; 2]. Hrsg. v. Jose Carlos Martin. Turnhout 2003 [CC SL 112]; 49 f. S. 36 – 39).
Ed.: Salvemini S. 215 – 280. Dortige Siglen LA°
a
V Iohannes Viterbiensis Liber de regimine civitatuma b
Johannes von Viterbo
In Dei nomine amen.1 Incipit liber de regimine civitatum.2
Inter multos labores, dum potestati Florentie assiderem,3 nocturnas vigilias et rara otia, que quorumdam dierum assumpsi michi, non ex toto preterii otiosa; sed ad enucleandam doctrinam et practicam de regimine civitatum et ipsarum rectoribus per diversa librorum volumina diffusam,4 hoc opusculum diligentia, qua potui, nuper5 descripsi, utc per hoc doctius in regimine se gerere prudens et sapiens cognoscatd et inde merito commendetur; rudes vero et indoctos in eodem opusculo fideliter edoceri non pigeat, ut postmo-
° A bietet nur die mit ° gekennzeichneten Kapitel, und zwar in gekürzter Form. a–a Liber de regimine, civitatum a Vegetio conpositus, qui librum de re militari conposuit L, fehlt A. b–b Fehlt A. c Ed., ut cognoscatur L. d Ed., cognoscatur L.
5 Johannes von Viterbo Werk über die Regierung und Lenkung der Stadtstaaten
Werk über die Regierung und Lenkung der Stadtstaaten
Im Namen Gottes amen.1 Beginn des Werkes über die Regierung und Lenkung der Stadtstaaten.2 Als ich dem Podestà von Florenz als Assessor zu Diensten war,3 habe ich unter den zahlreichen Geschäften des Amts die Ruhepausen des Nachts und die seltenen Mußestunden nicht völlig ungenutzt und in Nichtstun vergehen lassen; vielmehr habe ich, um die in zahlreichen Bänden zerstreut behandelte Theorie und Praxis in Bezug auf die Leitung der Stadtstaaten4 und auf die Lenker derselben auf ihren Kern zu bringen und akzentuiert darzustellen, vor einiger Zeit5 mit der mir möglichen Sorgfalt dieses kleine Werk zusammengefügt, damit durch dieses ein kluger und weiser (Lenker) lerne, sich in der Lenkung noch versierter zu führen, und damit er von daher sich verdientermaßen empfehle; auch soll es nicht unwillkommen sein, wenn noch Un-
1 Dem Werk ist wie Urkunden die Invokatio, die Anrufung Gottes, vorangestellt. Dies ist wohl auch auf das Schriftgut zurückzuführen, mit dem der Verfasser (s. Anm. 3) berufsmäßig befasst war. 2 Mit dem Titel Liber de regimine civitatum steht das Werk an der Spitze einer Reihe von Spiegeln, doch im Gegensatz zu der generellen Abfassung für principes/reges mit charakteristischer Zuordnung; hierzu wie zu der neuen vielschichtigen Kategorie von regimen in ihrer Abhebung von patrimonialer Hausherrschaft s. Einleitung S. 27. 3 Der Verfasser war Jurist, Assessor des Podestà von Florenz. Zu vermuten ist, dass er eine ähnliche Funktion in anderen oberitalienischen Städten, bes. in Narni, innegehabt hatte: Hertter S. 50 f. Der spätantike Militärschriftsteller Vegetius (s. Anm. a) ist in L wohl durch Verwechslung genannt: Die Abfolge der Stücke in A (s. Salvemini, Il Liber S. 285 Anm. 1) lässt vermuten, dass die Vorlage das Werk des Vegetius und den Liber nacheinander enthielt. Die freilich zumindest ebenso sekundäre Zuschreibung in A (s. Anm. g) an einen Johannes von Viterbo dürfte zutreffend sein. 4 Vorlagen bieten praktische Abrisse (Statuten, Notariatstexte, Eide) und theoretische Abhandlungen, wie sie etwa in den frühen Podestàspiegeln des Oculus pastoralis (s. Hertter S. 4 – 40; sowie Einleitung S. 26) und bei Boncompagno von ca. 1215 (s. Hertter S. 40 – 43) vorliegen. 5 Nuper kann hier wohl nur bedeuten, dass Johannes vor geraumer Zeit in Florenz als Gehilfe des Podestà tätig war. Für die Zuweisung an die Zeit um 1228 s. überzeugend Hertter S. 51– 53; danach Berges S. 298: „fertiggestellt wenigstens im Konzept 1228“.
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Johannes von Viterbo
dum ipsius commodis peritia eruditi ad regendum alios secure accedentes de suo bono regimine consequantur commodum, gloriam et honorem. Titulum autem presentis opusculi vestro nomine dedicavi6 rogans et postulans, ut, siquid dignum in eo compererit, divine gratie totum ascribat. Illud enim ad utilitatem humane nature Domino inspirante descripsi, ut perceptione eiusdem notitie deprimatur rector elatuse et humilis sublimetur ac civitatum populi regantur in 7virga iustitie et iudicentur recte legum iustitia et iuris equitate7. Licet 8sapientie altitudo8 verborum non 9desideret brevitatem9 et ardua negotia series orationis non sinat breviter explicare, cum res, que agitur, rationibus et exemplis exigat roborari, sub brevitate tamen et verborum compendio de regimine civitatum et earum potestatibus, consulibus, presidibus et rectoribus, vel quocumque alio nomine censeantur, ac iudicibus earumdem, et de eorum vita et esse ac moribus divina gratia inspirante ex diversis legum tractatibus et aliorum prudentum librorum modernis expositionibus10 compendiosam doctrinam tractare disposui petens veniam a lectoribus et maxime a iuris peritis, ut nec arrogantie hoc ascribere minime debeant nec propter hoc michi in aliquo invidere. Bene est, prius quam ad verborum interpretationem perveniam, pauca de significatione ipsius regiminis et civitatum referre; 11omnis enim que a ratio-
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Ed., electus L.
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erfahrene und Ungebildete durch das kleine Werk verlässlich ausgebildet werden, so dass sie später durch seine praktischen Vorteile als Experten herangebildet sicher die Lenkung anderer angehen und aus ihrer guten Regierung Gewinn, Ruhm und Ehre erlangen können. Als Bezeichnung für das vorliegende Werk habe ich zur Dedikation Euren Rechtstitel gewählt,6 ich verbinde damit die Bitte und den Wunsch, dass Er, wenn Er etwas Würdiges in ihm finden sollte, dies ganz der göttlichen Gnade zuschreiben möge. Ich habe es zum Nutzen im Blick auf die menschliche Natur von Gott inspiriert zusammengestellt, auf dass bei Aufnahme seines Gehalts ein sich überhebender Lenker niedergedrückt, ein demütiger und sich bescheidender emporgehoben werde und die Bürger der Stadtstaaten mit der 7Rute der Gerechtigkeit gelenkt und gerecht nach der Gerechtigkeit der Gesetze und der Billigkeit des Rechts gerichtet werden7. Obwohl die von der Materie geforderte 8Tiefe der Weisheit8 alles andere als 9Knappheit erfordert9 und der Duktus für die Darstellung schwieriger Aufgaben nicht knapp sein kann, da die Sache, die zu behandeln ist, der Bekräftigung durch theoretische Schlüsse und praktische Beispiele bedarf, habe ich doch in verkürzender Darstellung eine Lehre über die Lenkung der Stadtgemeinwesen und ihrer Podestà, Konsuln, Präsides und Leiter, oder wie sie anders genannt sein mögen, und über ihre Richter, näherhin über ihr Leben, ihr Sein, ihren Charakter – mit göttlicher Inspiration – aus verschiedenen Rechtstraktaten und aus neueren Auslegungen anderer kluger Bücher10 in Extraktform darzustellen unternommen. Dabei muss ich meine Leser und besonders die Rechtskundigen um Nachsicht bitten, das Unternehmen nicht der Überhebung zuzuschreiben und mir von daher irgendwie missgünstig und abschätzig zu begegnen. Es ist angezeigt, dass ich, bevor ich zur Aus- und Darlegung der Rechtsund Verwaltungsbegriffe komme, kurz einiges über die Bedeutung der regierenden Lenkung und der Stadtstaaten voranstelle; 11jede Lehre nämlich, die von der Vernunft in Bezug auf irgendeine Sache entwickelt wird, muss von 6
Bezug genommen ist wohl auf die Titelwahl De regimine civitatum und auf die vorher erwähnte Rechtsbildung des Kommuneregenten. 7–7 Verbindung biblischer Elemente (virga iustitiae, vgl. Hebr 1, 8 – 9 mit Bezug auf Ps 44, 7– 8 sowie die Verwendungen in den Kaiserordines: Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers und der Kaiserin. Hrsg. v. Reinhard Elze MGH Fontes iuris Germ. antiqui in us. schol. 9. Hannover 1960; S. 230 [Register]) mit solchen des römischen Rechts. 8– 8 Rom 11, 33. 9– 9 Anklang an CIC Cod. II, 38, 1. 10 Rechtsliteratur und Kommentare zum römischen Recht. Die Aussage zu den Vorlagen (s. Anm. 4) ist ergänzt. 11–11 Cicero, De off. I (2) 7.
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ne suscipitur de aliqua re institutio, debet a diffinitione proficisci, ut intelligatur fid, quod sit, de quo disputaturf b.11 g Facturus12 itaque presidumg, potestatum, consulum ac rectorum et regiminis civitatum 12interpretationem, necessario prius a12 regimine civitatum, que a predictis reguntur, et de civitatibus, et quare et ad quid civitates in hoc seculo invente fuerunt, incipiendum putavi, 12non quia velim verbosos commentarios facere, sed quod in omnibus rebus animadverto id perfectum esse, quod ex omnibus suis partibus constaret; et certe cuiusque rei potentissima pars est principium12: 13 Dimidium facti, qui cepit, habet: sapere aude.13 Videndum ergo est, quid sit regimen et unde dicatur; deinde, quid sit civitas et quare et ad quid inventa fuit, et quid sit potestas, preses, consul et rector, et unde dicatur; et postmodum de aliis tractabimus diligenter.
°III. hDe adinventione civitatumh. Civitates autem ad hoc invente fuerunt sive constitute: iNon dico de civitate sancta Ierusalem celesti, que dicitur civitas magna, civitas Dei nostri, cuius interpretationem relinquo theologicis et divinis, quoniam non est meum ponere os in celum,14 sed dico de civitatibus huius seculi, que constitute fuerunti, ut quisque sua teneret et non esset sollicita sue rei cuiusque custodia; unde Tullius: In primis autem videndum erit ei, qui rem publicam administrat, ut suum quisque teneat, neque de bonis privatorum publice diminutio fiat. // Capitalis oratiok est ad equationeml bonorum pertinens: qua peste que potest esse maior? Hanc ob causam enim maxime, ut sua tenerent,
f–f
quid sit id de quo disputetur Cic.; disputatur Cic. bei Augustinus. Liber de regimine civitatum editus a Iohanne Viterbiensi. Facturus presidum A. h–h ad quid civitates fuerunt invente A. i–i Fehlt A. k Cic., omnino LA. l L Cic., equationem omnium A. g–g
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der Definition den Ausgang nehmen, damit vorweg erkannt wird, was das sei, worüber disputiert wird.11 12 Indem ich mich nun anschicke, Begriffserklärungen12 für Vorsteher, Podestà, Konsuln und Lenker der Städte wie auch für die Regierung des städtischen Gemeinwesens überhaupt 12zu geben12, halte ich es 12zunächst für nötig12, mit dem Phänomen der Regierung der Stadtstaaten, die von den genannten Amtsträgern gelenkt werden, und mit dem der Stadtstaaten selbst, woher und zu welchem Zweck sie in dieser Welt erfunden worden sind, zu beginnen, 12nicht, weil ich wortreiche Kommentare machen will, sondern weil ich beobachte, dass das in allen Dingen vollkommen ist, was aus allen seinen Teilen besteht, und ohne Zweifel ist das Wichtigste einer jeden Sache der Anfang12: 13 Hälfte des Tuns hat der, der begann: die Vernunft sollst Du wagen.13 Es ist also zunächst zu sehen, was regierende Lenkung ist und woher ihr Begriff; danach, was Stadtgemeinwesen ist und woher und wozu erfunden, was Podestà ist, was Vorstand, Konsul, Lenker, woher ihre Benennungen; danach wollen wir sorgfältig über anderes handeln. °1.–°2. Begriffsdefinitionen von regimen und civitas.
°3. Über die Erfindung und Einführung der Staaten und Stadtstaaten. Staaten wurden zu einem bestimmten Zweck erfunden oder gebildet: Ich spreche nicht von der heiligen Stadt, dem himmlischen Jerusalem, das großer Stadtstaat, Stadt unseres Gottes genannt wird, deren Interpretation ich den Theologen und göttlich Inspirierten überlasse, denn es ist nicht meine Sache, meinen Mund frech in den Himmel zu erheben,14 sondern von den Staaten dieser Welt, die gebildet worden sind, damit jeder das Seine sicher besitzen könne und nicht jeder vereinzelt darum Sorge tragen müsse; dazu sagt Cicero: Als Erstes muss der, der den Staat lenkt, Sorge tragen, dass jeder das Seine sicher besitzen kann und nicht vom Staat her das Vermögen der Einzelnen eine Minderung erfahre. // Eine verderbliche und gefährliche Rede ist die, die auf Gleichmachung der Güter hinausgeht: Welches Unheil könnte größer als dieses 12–12
CIC Dig. I, 2, 1. Horaz, Epist. I, 2, 40. 14 Der Verfasser hebt sich (s. den Rekurs auf den Topos nach Ps. 72, 9 ponere os in celum) ab von der typologisch-geschichtstheologischen Deutung, die Jerusalem als Sinnbild der der Civitas terrena entgegengesetzten himmlischen und heiligen Stadt sah (s. Ratzinger, Joseph: Herkunft und Sinn der Civitas-Lehre Augustins. In: Geschichtsdenken und Geschichtsbild im Mittelalter. Hrsg. v. Walther Lammers. Darmstadt 1961 [WdF. Bd. 21] S. 55 –75 [zuerst 1954]; S. 61– 67); es geht ihm um die konkreten Staaten und Stadtstaaten. 13–13
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res publice civitatesque constitute sunt. Nam etsi duce natura congregabantur homines, tamen etiam spe custodie rerum suarum urbium presidia querebant.15 Idem Tullius: Id enim est proprium mcivitatum atque urbiumm, ut sit libera et non sollicita sue rei cuiusque custodia16. Plato autem, summe prudentie et auctoritatis apud Grecos, instituit, quemadmodum civitas bene ac beate habitari posset. Urbs17 vero dicitur 17ab urbo17, id est aratro urbare17 autem 17est aratro diffinire. // Oppidum17 vero 17ab ope dicitur17. Nec mireris de nova nostra diffinitione civitatis collecta sive extracta ex tribus sillabis;18 nam et Roma composita est ex duabus sillabis extractis de nominibus duorum regum, qui urbem Romanam fundaverunt, scilicet Romulus et Numma: prima enim silaba nominis Romuli est Ro, ultima vero silaba nominis Numa est ma. Inde appellatur Roma; quod nomen, si convertatur, erit amor propter nimium amorem, quem illi duo reges habuerunt circa illam et in illa urbe: ille quidem, Romulus, civitatem edificans; iste autem, Numa, eam legibus ordinans et exornans; quod probatur et colligitur aperte veteri iure et novo. Et vere Romulus primam silabam Rome optinuit, quia prior fuit tempore, et 19 qui prior est tempore, potior est iure19. °IV. De interpretatione potestatisn.20 Potestas etiam dicitur a potentia et potestate sibi tradita oseu datao, qua preditus est vel preest aliis. Inde dicitur potestas quasi potens stans vel in potestate constans sive potens statuens; pquia a potestate sibi datur. Dixit
m–m
civitatis atque urbis Cic. A. potestatum L. o–o Fehlt A. p–p Fehlt A. n
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sein? Aus diesem Grund wurden Staaten und Bürgerschaften in erster Linie gegründet, dass die Einzelnen das Ihre sicher besitzen könnten. Denn wenn auch die Menschen sich auf Anleitung der Natur zusammengesellten, haben sie doch auch mit der Hoffnung auf Sicherung ihres Eigentums den Schutz der Städte erstrebt.15 Weiter führt Cicero aus: Dies ist Eigentümlichkeit der Staaten und der Städte, dass jedes einzelnen Sorge um sein Eigentum frei möglich und nicht gestört ist.16 Plato aber, ein Mann höchster Klugheit und höchsten Ansehens bei den Griechen, lehrte, wie ein Staat gut und glücklich bewohnt werden könne. Urbs (Stadt)17 hat den Namen 17von urbum (Pflugkrümmung)17, d. h. von Pflug; 17umpflügen heißt Stadtgebiet mit dem Pflug eingrenzen. // Oppidum (Landstadt) trägt den Namen von ops (gegenseitige Hilfe).17 Und Dich wird unsere neue Begriffsbestimmung von Stadt nicht in Verwunderung setzen, die abgeleitet und herausgezogen ist aus drei Silben;18 denn auch Roma (Rom) ist zusammengesetzt aus zwei Silben, die herausgezogen sind aus den Namen der beiden Könige, die Rom gegründet haben, Romulus nämlich und Numa: Die erste Silbe des Namens Romulus ist Ro, die letzte Silbe des Namens Numa ist ma. Von daher die Benennung Roma; wenn dieser Name umgedreht wird, bedeutet er amor (Liebe) wegen der sehr großen Liebe, die die beiden Könige zu ihr und bei ihrer Einrichtung hatten: jener, Romulus, indem er die Stadt baute; dieser, Numa, indem er sie mit Gesetzen ordnete und schmückte; dies wird offen bestätigt und belegt durch das alte und das neue Recht. Romulus erhielt die erste Silbe von Roma, weil er zeitlich der Frühere war, denn, 19wer zeitlich früher ist, hat Vorrang im Recht.19 °4. Zur Definition und zum Verständnis von potestas (Macht, Podestà).20 Podestà (Amtsgewalt) hat den Namen von der Verfügungsgewalt und Herrschaftsermächtigung, die ihm übertragen und gegeben ist, über die er verfügt und kraft derer er anderen vorsteht. Amtsgewalt – Podestà (Potestas) lautet der Begriff, gleichsam mächtig stehend (potens stans) oder beständig in
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Cicero, De off. II (21) 73. – Zu pertinens die Glosse id est ubi equales sunt et unius status – das bedeutet, wo alle gleich und eines Ranges sind. 16 Cicero, De off. II (22) 78. 17–17 CIC Dig. L, 16, 239 (6; 7). 18 Bezug genommen ist auf die abstruse Erklärung in c. °II: civitas: … citra vim habitas, Ort des gewaltfreien Wohnens. 19–19 CIC Cod. VIII, 17, 3; s. auch Accursius, Glossa ordinaria Bd. I. Venedig 1487 (Ndr. 1968: Corpus Glossatorum iuris civilis. Bd. 7) zu CIC Dig. XX, 4, 11. 20 Es geht in diesem Kapitel um den Zusammenhang von übergreifender und partialer Gewalt, um die Herleitung der letzteren aus dem theokratischen Gefüge und aus dem römischen Recht.
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Christus Pilato: Potestatem in me non haberes quicquam, nisi datum esset tibi desuper21. Quod autem a potentia dicitur potestas, habetur ut ibi: Potens in terra erit semen eius, generatio rectorum22 etc. 23 qUnde colligitur ex hoc et ex eo, quod dicitur in libro Sapientie: Omnis potestas a Domino Deo est24, quod hoc nomen potestas a Deo primum inventum fuisset; et probat hoc apostolus, cum dicit: Qui potestati resistit, ordinationi Dei resistit25; et in ff. de officio proconsulis, l. nec quicquam, § observare26; Cod. de officio Prefecti Urbi, l. I et II;27 C. si quacumque preditus potestate28; ff. de officio presidis, l. IIq 29.23 Quod a potestate, qua preditus est vel preest aliis, dicitur; ut C. si quacumque preditus potestate30. Hoc autem nomen potestas in iure reperitur, et hoc rcum sequentibusr nominibus nomen est seu nomina sunt dignitatisp.31
°XI. Qualis rector querendus sit civitati set eligendus in potestatems. Cognitis itaque nominibus eorum, per quos civitates reguntur et gubernantur, videndum est, quis et qualis ad hoc regimen sit eligendus, 32ut apud
q–q r–r s–s
L am unteren Rand. Ed., consequentibus L. Fehlt A.
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der Macht (in potestate constans), oder mächtig statuierend, da sie von der (letzten) Macht gegeben wird. Christus sagte nämlich zu Pilatus: Gegen mich hättest Du keine Macht, wenn sie Dir nicht von oben gegeben wäre.21 Dass von der Verfügungsgewalt (potentia) Amtsgewalt – Podestà abgeleitet ist, ist auch wie folgt ausgesagt: Mächtig (potens) auf der Erde wird sein Samen sein, die Herrschaftsabfolge von Regenten22 usw. 23Weiter wird hieraus sowie daraus, dass es im Buch der Weisheit heißt: Alle Gewalt stammt von Gott dem Herrn,24 festgehalten, dass dieses Wort potestas (Amtsgewalt – Podestà) zuerst von Gott gefunden worden ist; das bekräftigt der Apostel, indem er sagt: Wer der Gewalt widersteht, widersteht der Anordnung Gottes;25 sodann sehe man in den Digesten zu Über das Amt des Prokonsuls, Zeilenbeginn nec quicquam, Paragraphenende observare,26 im Codex zu Über das Amt des Stadtpräfekten, Zeile I und II;27 im Codex Wenn jemand mit Amtsgewalt ausgestattet ist;28 in den Digesten Über das Amt des Präses, Zeile II29.23 Dass er von der Amtsgewalt, mit der er ausgestattet ist oder mit der er andere überragt, seine Bezeichnung führt, erhellt aus dem Abschnitt des Codex Wenn jemand mit Amtsgewalt ausgestattet ist30. Dieser Begriff Podestà (Amtsgewalt) findet sich im römischen Recht, und er ist mit den folgenden Bezeichnungen Begriff der Würde beziehungsweise diese alle sind Würdebegriffe.31 °5.–°9.: Würdebegriffe.31 10.: Definition von ius (Recht) und iustitia (Gerechtigkeit).
°11. Welch ein Leiter für den Stadtstaat zu suchen und in die Amtsgewalt zu wählen ist. Nachdem die Amts- und Würdebezeichnungen derer, durch die städtische Gemeinwesen gelenkt und regiert werden, vorgestellt und zur Kenntnis gebracht sind, ist nun darauf zu sehen, wer und wie beschaffen der sein muss, der in dieses Leitungsamt zu wählen ist, 32damit bei ihm alle Wünsche 21
Vgl. Io 19, 11. Ps 111, 2. 23– 23 Offenbar Materialsammlung des Autors oder im Anschluss an ihn; s. Anm. q. 24 Vgl. Sap 6, 4. 25 Rom 13, 2. 26 CIC Dig. I, 16, 9. 27 CIC Cod. I, 28, 3. 28 CIC Cod. V, 7. 29 CIC Dig. I, 18. 30 CIC Cod. V, 7. 31 Gemeint sind die im Folgenden behandelten Amtsbezeichnungen consul, rector, preses, magistratus, iudex. 32– 32 CIC Dig. I, 16, 9 (4). 22
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eum omnia desideria audiantur32 et ius suum cuilibet reddatur et regatur civitas in iustitia et equitate. Querendus est igitur vir bene morigeratus: 33nichil autem est amabilius […] quam morum similitudo bonorum33. Non ratione magnitudinis loci, unde sit, vel ratione parentele seu magnitudinis domus sue; sed ratione morum bonorum et nobilitate animi et ratione discretionis et magnanimitatis querendus est preses civitatis: 34ornanda est enim dignitas domo, non ex domo34 dignitas 34querenda, nec domo dominus, sed domus domino honestanda est34. Item sapiens et iustitie amator, non callidus: 35scientia enim, que remota est a iustitia, calliditas potius quam sapientiat est appellanda35. 36Totius autem iniustitie nulla capitalior quam eorum, qui, cum maxime fallunt, id agunt, ut viri boni esse videantur, // nam et gratificant cuipiam, quod obsit, cui prodesse velle videantur36. 37Nichil autem honestum esse potest, quod iustitia vacet; // nullum enim tempus est, quod iustitia vacare debeat37. Sit boni ingenii et veritatis amator et subtilis intelligentie: qui 38enim maxime prospicitu, quid in re quaque verissimum sit, quique acutissime et cellerrime potest et videre et explicare rationem, is prudentissimus et sapientissimus rite haberi solet; // labi autem, errarev, decipi et malum et turpe dicimus38. Sit fortis et magnanimus, non vanaglorie deditus vel pomposus seu adulatorum amator. 39 wAnimo itaque rector eligebatur, ideoque summa felicitas
t
scientia L. perspicit Cic. v errrare, nescire Cic. w–w Fehlt A. u
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angehört werden32 und einem jeden sein Recht gegeben und der Stadtstaat in Gerechtigkeit und Billigkeit regiert werde. Zu suchen ist also ein Mann mit gutem Charakter und guten Sitten: 33 Nichts ist nämlich liebenswerter […], als den Guten an Charakter ähnlich zu sein.33 Nicht mit Blick auf die Größe des Ortes seiner Herkunft oder mit Blick auf seine Verwandtschaft oder auf die Größe seines Hauses, sondern mit Blick auf die guten Sitten, die Vornehmheit seiner Gesinnung, seine Unterscheidungsgabe und Hochherzigkeit ist der Vorsteher des Gemeinwesens zu bestimmen: 34Auszuschmücken ist nämlich die Würde mit dem Haus, nicht von der Grundlage des Hauses her34 die Würde 34zu erstreben, und nicht ist der Herr durch das Haus, sondern das Haus durch den Herrn ehrenvoll auszustatten.34 Ebenso muss er weise und Liebhaber der Gerechtigkeit sein, kein Mensch von Verschlagenheit und Raffinesse: 35Wissensfertigkeit nämlich, die von der Gerechtigkeit entfernt ist, ist eher Verschlagenheit als Weisheit zu nennen.35 36 Von allen Formen der Ungerechtigkeit ist keine verderblicher als die derjenigen, die, indem sie in größtem Maß täuschen, darauf hinwirken, als gute Männer zu erscheinen, // denn sie erweisen sich jemandem gegenüber willfährig in einer Sache, die (dem) schadet, für den sie den Anschein erwecken wollen, als nützten sie ihm.36 37Nichts aber kann ehrenhaft sein, das der Gerechtigkeit entbehrt; // es gibt keine Situation, die der Gerechtigkeit entbehren kann.37 Er besitze Scharfsinn, sei Liebhaber der Wahrheit und von feinsinniger Intelligenz: Wer 38nämlich am meisten vorhersieht, was in einer jeweiligen Sache der Wahrheit am nächsten ist, und wer äußerst scharfsinnig und reaktionsschnell den Beweggrund erkennen und erklären kann, den betrachtet man zu Recht als den Klügsten und Weisesten; // ins Schwanken zu geraten, zu irren, hinter das Licht geführt zu werden, nennen wir ein Übel und eine Schande.38 Er soll tapfer und hochgemut sein, nicht eitler Ruhmrede ergeben oder prunksüchtig oder Freund der Schmeichler. 39Nach Geist und Gesittung 33– 33 Cicero, De off. I (17) 56. Das dem Zitat voraufgehende morigeratus gebraucht der Verfasser im Gegensatz zu der antiken (pejorativen) Konnotation (willfährig) zu positiver Kennzeichnung. 34– 34 Cicero, De off. I (39) 139. Das Wortspiel dominus (Herr) – domus (Haus) kann im Deutschen nicht wiedergegeben werden. 35– 35 Cicero, De off. I (19) 63. 36– 36 Cicero, De off. I (13) 41; 42. 37– 37 Cicero, De off. I (19) 62; 64. 38– 38 Cicero, De off. I (5) 16; I (6) 18. 39– 39 Seneca, Epist. 90, 4.
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erat gentium, in quibus non poterat potentior esse, nisi melior. Tantum39 est 39 quantum vult39 potens, 39qui se, nisi quod debet, non putat essew 39. 40Vera autem et sapientisx animi magnitudo honestum illud, quod maxime natura sequitur, in factis positum, non in gloria iudicat principemque se esse mavult quam videri; etenim qui ex errore imperite multitudinis pendet, hic in magnis viris non est habendus; facillime autem ad res iniustas impellitur40. Non sit pecunie cupidus vel voluntati sue deditus: 41Non est autem consentaneum, qui metu non frangitur, (eum) frangi cupiditate, nec qui invictum se a labore prestiterit, vinci a voluntatey. // Cavenda est etiam glorie cupiditas, ut supra dixi: eripit enim liberalitatemz, pro qua magnanimis viris omnis debet esse contentio; nec vero imperiaa expetenda ac potius aut non accipienda aut deponenda nonnumquam. Vacandum est autem omni animi perturbatione, cum cupiditate et metu tum etiam egritudine et voluptateb animi et iracundia, ut tranquillitas cet serenitasc adsit, que affert tum constantiam tum etiam dignitatem41. 42Nec adulatoribusd patefaciamus aures nec adulari nos sinamus, in quo falli facile est: // falli autem, errare, labie, decipi tam decetf, quam glirare etg mente esse captum42. Sit eloquentissimus et bonus orator: 43hMagna [et varia] res [est] eloquentia nec adhuc alicui sic indulsit, ut tota contingeret; satis felix est, qui in aliquam partem eius receptus esth 43. Decet enim civitatis presides bene et ornate loqui: 44Oratio enim benigna multitudinis animos ad benevolentiam allicit44; 45magna est enim ammiratio copiose sapienterque dicentis, quem qui audiunt et intelligere et sapere plus quam ceteros arbitrantur. Si vero inest in
x
sapiens Cic. voluntati LA, voluptate Cic. z libertatem Cic. a Cic., imperitia LA. b voluntate L. c–c et severitas L, animi et securitas Cic. d assentatoribus Cic. e Fehlt L. f dedecet Cic. g–g Fehlt A, delirare et Cic. h–h Fehlt A. y
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wurde (bei den Menschen) der Leiter bestimmt, und so gab es das größte Glück bei den Völkern, bei denen niemand mächtiger sein konnte als der Bessere. So sehr hat der Macht, soviel er will, der von sich glaubt, nur das zu sein, was er sein soll.39 40Die wahre Größe und die eines weisen Geistes findet jenes Ehrenvolle, dem sie von Natur aus vorrangig folgt, in Taten gegründet, nicht im Ruhm, und möchte eher Führungsperson sein, denn als solche erscheinen; wer vom Irrtum der unkundigen Masse abhängt, ist nicht unter die großen Männer zu zählen; allzu leicht wird er nämlich zu ungerechten Sachen verleitet.40 Er soll nicht geldgierig sein oder seiner Willkür ergeben: 41Es passt nämlich nicht zusammen, dass der, der von Furcht nicht erschüttert wird, von Gier erschüttert wird, und dass der, der sich als unbesiegt von Mühsal und Last erwiesen hat, von Willkür besiegt wird. // Zu meiden ist also die Ruhmgier, wie oben gesagt: Sie raubt die freie Haltung, nach der das ganze Streben großgemuter Männer gehen muss; Staatsämter sind nicht mit Gewalt zu erstreben oder vielmehr nicht anzunehmen oder bisweilen niederzulegen. Es muss Freiheit herrschen von jeder Verwirrung des Gemüts, von Gier, von Furcht, von Bekümmerung und Willkür des Geistes, von Jähzorn, damit Ruhe und Heiterkeit vorherrschen, die Beständigkeit und Würde geben.41 42 Und wir wollen Schmeichlern unsere Ohren nicht öffnen und uns nicht schmeichelnd betören lassen, wobei man leicht getäuscht werden kann: // Sich aber täuschen zu lassen, zu irren, ins Schwanken zu geraten, hinter das Licht geführt zu werden, geht so wenig an, wie wahnsinnig zu sein und seinen Verstand verloren zu haben.42 Der Vorsteher des Gemeinwesens sei im höchsten Maß redebegabt und ein guter Redner: 43Eine große [und vielgestaltige] Sache [ist] die Beredsamkeit, und sie war noch keinem so gewogen, dass sie ihm ganz zugefallen wäre; in hohem Maß glücklich ist, wer in irgendeinen Teil von ihr aufgenommen ist.43 Es ist in der Tat eine Notwendigkeit für die Leiter eines Stadtstaates, gut und kunstvoll sprechen zu können: 44Eine leutselige und gewogene Rede nämlich bewegt die Menge zu Wohlwollen;44 45denn groß ist die Bewunderung für jemanden, der aus vollem Fundus und weise redet; die einen solchen hören, sind überzeugt, er erkenne und wisse mehr als die Übrigen. 40– 40
Cicero, De off. I (19) 65. Cicero, De off. I (20) 68 (Die Form voluntate, abweichend von Cicero, wird gestützt durch Brunetto Latini, Tresoro III, II, 8 volentez); 69. 42– 42 Cicero, De off. I (26; 27) 91; 94; vgl. bei Anm. 38. 43– 43 L. Annaeus Seneca maior: Oratorum et rhetorum sententiae, divisiones, colores. Hrsg. v. Lennart Håkanson. Leipzig 1989 (BSGRT); Controversiae III, 11 S. 133. 44– 44 Vgl. Cicero, De off. II (14) 48. 45– 45 Cicero, De off. II (14) 48. 41– 41
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oratione mixta modestie gravitas, nil ammirabilius fieri potest, eoque magis, si ea sit in adolescente45. Non iracundus sed modestus: 46Fulgur est, ubi cum potestate habitat iracundia46. Sit moderatus, ita tamen, ut absit avaritie suspitio. Non prodigus: 47Sunt autem47 quidam 47cupidi splendoris et glorie, qui eripiunt aliis, quod aliis largiantur47. Sed cavendum est, 48ne benignitas maior sit quam facultas48: nam 48 qui benigniores esse volunt, quam res patitur, primum in eo peccant, quod iniuriosi sunt in proximos. Quas enim copias hiis et suppeditari equius est et relinqui, eas tranferunt ad alienos. Inest autem in tali liberalitatei cupiditas plerumque rapiendi et auferendi per iniuriam, ut ad largiendum suppetant copie. Videre etiam licet plerosque non tam natura liberales quam quadam gloria ductos, ut benefici videantur, kfacere multa, que proficisci ab ostentatione magis quam a voluntatel videanturk: Talis autem simulatio vanitati est coniunctior quam aut liberalitati aut honestati48. Sit ut supra eloquentissimus, non tamen loquax. Magna solent homines peccata patrare loquaces; Et nimius fluxus viscera morte premit. 49 Verba nocent aptis, si non moderentur abenis49. Turbat et armonicam dissona corda liram. Set nec hoc vivam tacitus contempno loquelam; 50 Non est pro lolio reicienda seges50. m Oh utinam semper vitio sim liber utroque; 51 Os quoque nec mutum nec decet esse loquax51.m Lingua modesta preest regnis dominisque superbis, Omnia temperies exsuperaren solet.
i
libertate LA. Fehlt L. l voluptate A. m–m Ed., Versfolge vertauscht LA. n et superare L. k–k
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Wenn dann in einer mit gemischten Bestandteilen versetzten Rede Bescheidung und Würde enthalten sind, kann es nichts Bewundernswerteres geben, dies umso mehr, wenn es die Rede eines jungen Mannes ist.45 Er soll nicht jähzornig sein, sondern beherrscht: 46Blitzeschleudern herrscht dort, wo Jähzorn mit Macht beheimatet ist.46 Er soll maßvoll sein, doch so, dass Verdacht auf Habgier fern liegt. Nicht verschwenderisch: 47Es sind aber manche gierig auf Glanz und Ruhm, die etwas dem einen gewaltsam entreißen, um es dem anderen zu schenken.47 Doch ist Vorsorge zu treffen, 48dass die Gebefreudigkeit nicht größer als die Möglichkeit ist: denn die, die freigebiger sein wollen, als es ihr Vermögen erlaubt, sündigen zunächst darin, dass sie ungerecht gegen ihre Nächsten sind. Vermögen, das sie gerechterweise ihnen zur Unterstützung zu überlassen hätten, wenden sie anderen zu. In solcher Freigebigkeit steckt meistens die Sucht zu Raub und ungerechter Aneignung, damit die Mittel für Schenkungen reichen. Man findet auch sehr viele, die, nicht so sehr von Natur freigebig als vielmehr von einem Streben nach Ruhm geleitet, um als wohltätig zu erscheinen, vieles tun, das offenbar mehr zum Zweck der Darstellung als aus ihrem Willen hervorgeht. Eine solche Verstellung kommt der Eitelkeit näher als der Freigebigkeit oder Ehrenhaftigkeit.48 Er soll, wie oben gesagt ist, höchst beredt sein, doch nicht geschwätzig.mm Sünden gebiert oft groß des Menschen unnützes Schwätzen; Blutes Fluss ungebremst schnell bereitet den Tod. 49 Schaden bringen in Fülle die nicht gezügelten Worte,49 Lautenklang ungefügt Störung und Disharmonie. Schweigend will ich nicht leben wegen des hohlen Geschwätzes; 50 Nicht entwertet die Saat Schwindelhafers Gewächs.50 Dass ich doch immer im Leben die beiden Laster entbehre; 51 Stumm nicht sei der Mund, frei jedoch auch von Geschwätz.51 Zucht der Zunge ist besser als stolze Reiche und Herren, Mäßigung allem voran alles voll überragt.
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Publilius Syrus F 19 S. 42; Giancotti F 19 S. 49 (jeweils fulmen statt fulgur). Cicero, De off. I (14) 43. 48– 48 Cicero, De off. I (14) 44. 49– 49 Bernhard (von Chartres?) († 1124/30): De improbatione vitiorum 1 – Jeremias von Montagnone: Compendium moralium notabilium. Venedig 1508; III, 5, 2. 50– 50 Bernhard (von Chartres?) – Jeremias von Montagnone (wie Anm. 49) III, 2, 5. 51– 51 Bernhard (von Chartres?) – Jeremias von Montagnone (wie Anm. 49) III, 5, 2. 47– 47
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Sit etiam personatuso; multum enim facit persona et statura conveniens in preside, dum alie insint virtutes. Verumtamen sunt quedam civitates, quarum cives non considerant supradictas virtutes, sed potius genus sive nobilitatemp illius, quem in potestatem eligunt, et civitatis magnitudinem seu potentiam, unde sit civis, qui eligitur in rectorem; credentes forsitan totam illam civitatem habere amicitiorem propter electum; qui vehementer errant. Nam cumq civitates omnes hodie sintr divise, 52qui partem in eis capiunt, partem relinquunt et sic quandoque pernitiosam seditionem incurrrunt52 et aliquando inimicitiam loco amicitie, quam sperabant, assecuntur; cum cessantibus virtutibus in preside cesset bonus effectus regiminis et rector propter malam administrationem vilipendatur et habeatur omnimodo in despectu, qui prius fuerat tam ex persona sua quam ex loco, unde erat, plurimum concupitus. Arbor enim colitur et amatur fructifera, set habetur sterilis in despectu. 52a
Fallitur augurio spes bona sepe suo.52a Hericius vulpi sepe cupitus obest, Sepe sagittantem falsa sagitta ferit. Item potius eligatur locuples, si alias bonus sit, quam pauper propter suspitionem furandi. Dico de paupere, quoniam presumitur, quod citius posset corrumpi; non tamen nego, quin possit eligi etiam, qui non est ita in facultatibus positus, si alias sit diligens, providus, discretus et morigeratus atque probatus. Item non habens aliam potestariam alterius civitatis, 53ne, dum [in] utrumque festinet, neutrum bene peragat53; quia dum 53uni presidatui affuerit, altero abstrahi necesse est53; 53neque enim facile credendum est duabus et tam necessariis rebus facile unum sufficere53, ut in assessore dicitur; quoniam 54dif-
o p q r
preparatus L. voluntatem L. Fehlt A. sunt A.
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Der Leiter des Gemeinwesens zeige auch Übereinstimmung von Rolle und Person; viel macht nämlich bei ihm aus, wenn Person und Statur harmonieren, wenn nur im Inneren die anderen Tugenden sind. Doch gibt es gewisse Stadtgemeinwesen, deren Bürger nicht auf die oben aufgeführten Tugenden achten, sondern mehr auf Geschlecht und adlige Herkunft dessen, den sie in die Macht des Podestà wählen, oder auf die Größe und Macht der Bürgerschaft, aus der der zu Wählende kommt; sie glauben dabei vielleicht, dass eben jene ganze Bürgerschaft ihnen freundlicher gesonnen ist wegen des Gewählten, doch darin irren sie gewaltig. Denn da heute alle Stadtstaaten gespalten sind, 52verlassen diejenigen, die Partei für eine Seite nehmen, die andere und geraten in verderblichen Aufruhr,52 und bisweilen ernten sie Feindschaft anstatt der Freundschaft, die sie zu erlangen hofften; dann nämlich, wenn bei Nachlassen der guten Eigenschaften beim Leiter der gute Effekt des Regiments nachlässt und in der Folge der Leiter wegen seiner schlechten Amtsführung gering geachtet wird und der in Verachtung gerät, der früher wegen seiner Person und wegen seines Herkunftsortes höchst begehrt war. Ein fruchtbringender Baum wird nämlich gehegt und geliebt, ohne Frucht fällt er der Verachtung anheim. 52a
Gute Hoffnung gar oft eigenes Omen selbst täuscht.52a Fuchs nimmt Schaden oft, wenn er den Igel begehrt, Oft den Pfeilschützen selbst falscher Pfeilschuss durchbohrt. Ebenso wähle man eher einen Bemittelten, wenn er in anderer Hinsicht gut ist, als einen Armen, damit der Verdacht der Bereicherung ausgeschlossen wird. Ich nenne den Armen, weil gewöhnlich angenommen wird, er sei schneller bestechlich; doch will ich nicht leugnen, dass auch einer gewählt werden kann, der nicht so bei Vermögen ist, wenn er auf der anderen Seite klug, vorausschauend, verschwiegen, von guten Sitten und bewährt ist. Man achte bei der Wahl auch darauf, dass der Gewählte nicht das PodestàAmt in einer anderen Stadt ausübt, 53damit er nicht, wenn er von dem einen [zu] dem anderen eilt, keines von beiden gut führt; notwendigerweise würde er, wenn er dem einen Leitungsamt vorstünde, dem anderen entzogen; und man kann nicht leicht glauben, dass ein Einziger für zwei Dinge, und für zwei so notwendige Dinge, ausreiche,53 wie dies in Bezug auf den Beisitzer in Rechtsverfahren gesagt wird; zudem gilt: 54Schwierig ist, dass ein Mensch die 52– 52
Vgl. Cicero, De off. I (25) 85. Ovid, Heroides XVII, 234 (236). 53– 53 CIC Cod. I, 51, 14. Für iudicium ist als Terminus technicus der Stadtkommuneverfassung presidatus gesetzt. 54– 54 CIC Dig. II, 14, 9. 52a– 52a
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ficile est, ut unus homo duorum vicem substineat54. Quid plura? Eodem tempore non sunt honores in duabus civitatitibus ab eodem gerendi. Item minor XXV annis non est idoneus: ita tamen ut 55XXV annus inceptus in honoribus hiis pro impleto habeatur.55 Verumtamen 56de honoribus sive muneribus gerendis cum queritur, in primis consideranda est persona eius, cui defertur honor sive muneris administratio; item origo natalium; facultates quoque an sufficere iniuncto muneri possint; item lex, secundum quam muneribus quisque fungi debeat56. Item sit purus et equus, equitatem et iustitiam servans. De aliis autem virtutibus, que presidi conveniunt et a quibus vitiis debeat esse abstinens, non est amplius hic necesse prosequi, quoniam satis plenarie de hiis infra tradetur doctrina.57 Nec mireris, si personas convenientes [et inconvenientes], utiles et inutiles supra specificavi; nam cum potestas sive rector vel preses civitatis sit caput, conveniens fuit de hiis primitus dicere, ut civitates et habitantes in eis sciant reprobare malum et eligere bonum. 58s
Vir bonus et sapiens dignis ait esse paratum, Non tamen ignorat, quid distant ora lupinis58. Vir bonus et prudens usus reprehendit inertes; Ut tibi precaveas, noscere prava iuvants.
Et est precipue cuilibet curandum de capite suo: infirmatur enim civitas propter malos rectores quemadmodum homines; nam terra infirmatur et est infirma, cum fructus solitos et debitos more solito non producit. Infirmantur enim aque, cum pisces more solito non producunt. Et vere curandum est civibus et civitatibus de bono capite, quoniam per totum annum securi morantur pacifici et tranquilli tet omnibus una mens est iuxta illud Senece: Rege
s–s t–t
Fehlt A. Fehlt A.
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Funktion von zweien erfüllt.54 Was ist noch mehr nötig? Zur selben Zeit sind nicht Ämter und Würden in zwei Städten von ein und demselben zu führen. Jemand, der unter 25 Lebensjahren ist, ist ungeeignet: Dies gilt in der Weise, dass 55das begonnene 25. Lebensjahr für die betreffenden Würden als vollendetes Jahr gilt.55 Im allgemeinen ist, 56wenn es um die Führung von Würden und Ämtern geht, zuerst die Person dessen in Betracht zu nehmen, dem die Würde oder die Verwaltung des Amtes übertragen wird; ebenso Herkunft der Familie; das Vermögen, ob es für die Führung des übertragenen Amtes reicht; das Recht, nach dem jemand die Ämter versehen soll.56 Er soll rechtschaffen und integer sein, Billigkeit und Gerechtigkeit wahren. Es ist nicht nötig, hier ausführlicher zu handeln über die Tugenden, die für einen Stadtverwalter notwendig sind, und über die Laster, deren er sich enthalten muss, da in hinreichend ausführlicher Form unten dazu eine theoretische Darlegung ausgebreitet werden wird.57 Es sollte keine Verwunderung hervorrufen, wenn ich oben die passenden [und unpassenden], die tauglichen und untauglichen Personen bezeichnet habe, denn da der Podestà oder Lenker oder Vorsteher der Stadtgemeinde ihr Haupt ist, war es angebracht, vorweg über die Personen zu sprechen, damit die Städte und ihre Bewohner wissen, einen schlechten Kandidaten zu verwerfen und einen guten zu wählen. 58
Würdiger zeigt sich bereitet zum Dienste ein Guter und Weiser; Der jene Grenze wohl kennt, die Echtes von Falschem scheidet.58 Gut und klug ist der Mann, der übles Handeln wohl tadelt; Übels Kenntnis doch hilft, fördert Hut und Bedacht. Vor allem muss ein jeder Sorge tragen um sein Haupt: Wegen schlechter Leiter wird die Stadt von Krankheiten beschlichen, wie dies bei den Menschen der Fall ist; denn auch die Erde wird von Krankheit infiziert und ist geschwächt, wenn sie die gewohnten und in gewohnter Weise geschuldeten Früchte nicht hervorbringt. Die Gewässer sind von Krankheit befallen, wenn sie nicht in gewohnter Art Fische hervorbringen. So müssen die Bürger und Bürgerschaften sich um ein gutes Haupt sorgen, damit sie durch dessen ganzes Amtsjahr Sicherheit, Frieden und Ruhe haben und unter allen die Eintracht eines Sinnes herrscht, gemäß jenem Wort Senecas: Wenn der König unangefochten ist, sind alle eines Sinnes; / ist er abgesetzt, herrscht 55– 55
Vgl. CIC Dig. L, 4, 8. CIC Dig. L, 4, 14. 57 Hinweis auf c. 59 –104. 58– 58 Horaz, Epist. I, 7, 22 f., dort aera, nicht ora. 56– 56
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incolumi mens omnibus una est; / ammisso rupere fidemt 59; itemu si caput est languidum, omnia membra languescunt,60 et fures fodiunt et furantur, et oriuntur seditiones, guerre* et scandala, et maleficia remanent impunita. v De notariis hic non appono ideo, quia plene de hiis et eorum offitio infra scribam.61 Set quia electis rectoribus epistole destinantur, que ad eorum spectant officium, licet non multum expediat, saltim pro materia hic inserere procurabo. Pretermissa siquidem origine et creatione presidum, cum ex consuetudine cuiusque loci hodie eligantur sive a consiliariis civitatis vel ab hiis, quos consiliarii elegerunt per breves vel alio modo, sive a populo in contione congregato vel aliter faciendo secundum diversas consuetudines diversorum locorum, quid sit faciendum rectori vel potestati seu communi ipsius civitatis vel loci facta electione, inseramus vel explicemus hoc modo.v 62
XLVI. Parlamentum nove potestatis. „Ex quo placuit altissimo Deo nostro segnore*“, seu „63Domino, a quo omnis sapientia progreditur et potestas,63 qui, prout vult, honores largitur et
* Hier und im Folgenden italienisches Wort, italienische Wortform. u sed A. v–v Fehlt A.
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Treubruch;59 wenn aber das Haupt schlaff ist, erschlaffen alle Glieder,60 Diebe brechen ein und rauben, es kommt zu Aufständen, Kriegswirren und Spaltungen, Übeltaten bleiben unbestraft. Über die Notare setze ich hier nichts hin, weil ich über sie und ihr Amt unten ausführlicher schreiben werde.61 Doch da nach der Wahl der Stadtregenten förmliche Briefe mit Bezug auf ihr Amt zu versenden sind, werde ich, obwohl es nicht zu viel Nutzen abwirft, Einschlägiges in Anbetracht der Wichtigkeit der Materie einfügen. Übergangen sind Ausführungen zur Herkunft und zur Wahl der Stadtregenten; die Modalitäten der Wahl variieren heute nach den Usancen des jeweiligen Ortes, entweder erfolgt sie durch die Ratsherren der Stadt oder durch von diesen in schriftlicher Form oder auf andere Art gewählte Vertreter, oder die Wahl erfolgt durch das Volk, das dazu in einer Volksversammlung zusammengefasst ist oder anderswie handelt, je nach den verschiedenen Gewohnheiten der verschiedenen Orte; was nach vollzogener Wahl Leiter oder Podestà oder Gemeinde der Stadt zu tun haben, wollen wir hier einfügen und folgendermaßen entfalten.62 Entsprechend der Ankündigung am Schluss von c. 11 werden nun die Modalitäten beim Amtsantritt des Podestà dargestellt. Sie betreffen zunächst die Korrespondenzformalitäten (c. 12 – 25) bieten die einschlägigen Schreiben und Formulare (u. a. c. 21: an den Leiter des Senats der Stadt, c. 22: an den Papst, c. 23: an den Kaiser), dann die in den Zusammenhang gehörenden Bestellungen von Notar, Miles, Senexalcus (c. 26 – 28), die fälligen Legationen (c. 29 – 35). Einen breiten Komplex stellen die Handlungen des Podestà beim Amtsantritt im engeren Sinn dar (c. 36 – 58); u. a. sein Verhalten gegenüber dem Vorgänger, dem Bischof, den Milites; die Eide des Podestà und der Instanzen; Contiones und Parlamenta, wofür verschiedene Muster vorgestellt werden. Herauszuheben ist die Wahl der Consiliarii (c. 50) und die der Executores und Officiales (c. 51).
46. Bürgerversammlung des neuen Podestà. (Muster der Rede) „Da es dem höchsten Herrn, unserem Gott, gefallen hat“ oder „63dem Herrn, von dem jede Weisheit und Macht ausgeht,63 der nach seinem Wollen 59
Vergil, Georg. IV, 212 f., zitiert bei Seneca, De clementia I, 4, 1. Aufgenommen ist die organologische Staatsmetapher. Der Grundgedanke etwa bei Seneca, De clementia II, 2, 1. Zu dem Aspekt: Anton, Anfänge S. 94 –122. 61 Hinweis auf c. 26. 62 Zum konkreten Kolorit des Werks: Salvemini, Il Liber S. 292; zur Berücksichtigung der Verschiedenheiten über das konkrete Bezugsbeispiel Florenz hinaus: Hertter S. 54 – 57. 63– 63 Vgl. Sap 6, 4. 60
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distribuit dignitates, et placuit sapienti consilio huius civitatis et communi nos in vestram debere eligi potestatem, immo potius, si vere dicere volumus, in vestrum famulum et 64ministrum; ipsius Dei resistere non possumus voluntati nec eius ordinationi debemus ullatenus contraire.64 Sed confisi potius de 65Spiritus sancti gratia, que sperantes in se nullo tempore dereliquit,65 et vestra legalitate, sapientia ac probitate confisi potestariam et regimen vestrum prompti ingressi sumus volentes pro vobis omnem subire laborem; et etiam, si oportu[er]it, pro vobis et corpus et animam ponere et mortem recipere nullatenus recusabimus. Sane cum non precibus inducti nec aliqua vi coacti, non nostris meritis sed 66divina inspiratione inspirati66 nos in vestrum rectorem duxeritis eligendum, credimus firmiter et speramus, quod nostris honoribus intendetis et precepta nostra iustitiam continentia et ad laudem et honorem et bonum regimen huius civitatis pertinentia, que vobis duxerimus facienda, exaudire curabitis humiliter et devote. Amatores itaque nostri honoris et nobis obedientes atque nostra imitantes vestigia nostre dilectioni associamus et eos nostri et communis honoris volumus fieri participes. Nostri autem regiminis contemptores nostraque precepta spernentes in nostrum hodium et contemptum a nostro consortio separamus et spernimus ipsos ut proprios inimicos et nostra et communis gratia ex tunc noverint se privatos. Penam tamen specialem nunc eisdem non imponimus, cum 67nondum venerit hora nostra67; sed credimus, quod 68pena unius erit metus multorum68, cuius severitate talia vel similia verebuntur alii attemptare. Ne autem de cetero quis iuste valeat excusari, vobis predicta ad presens duximus predicanda
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Ehren schenkt und Würden verteilt, hat es im weisen Ratschluss gefallen, dass wir durch die Ratsversammlung und die Gemeinde dieser Stadt in das Amt Eures Podestà gewählt wurden, oder vielmehr richtiger gesagt, zu Eurem 64Dienstmann und Helfer; Gottes eigenem Willen können wir uns nicht widersetzen, und seiner Anordnung dürfen wir uns in keiner Weise entgegenstellen.64 Doch im Vertrauen auf 65die Gnade des Heiligen Geistes, die die auf sie Vertrauenden zu keiner Zeit im Stich gelassen hat,65 im Vertrauen auch auf Eure Rechtlichkeit, Weisheit und Integrität haben wir bereitwillig Euer Podestà-Amt und Eure Regierung angetreten, bereit, für Euch jede Mühe zu übernehmen; auch werden wir uns, falls nötig, nicht weigern, für Euch Leib und Seele zu geben und den Tod zu erleiden. Da Ihr nicht von Bitten bewegt und auch nicht durch irgendeine Gewalt gezwungen, nicht um unserer Verdienste willen, sondern 66von göttlicher Eingebung inspiriert,66 glaubt, uns zu Eurem Regenten wählen zu sollen, glauben und hoffen wir fest, dass Ihr auf unsere Ehrenstellung bedacht sein und Sorge tragen werdet, unsere Euch zur Ausführung aufgetragenen Vorschriften, die voller Gerechtigkeit sind und auf Lob, Ehre und gutes Regiment dieser Stadt zielen, demütig und loyal zu hören. Die unsere Ehre lieben, uns gehorchen und unseren Spuren folgen, schließen wir in unsere Liebe ein und wollen, dass sie unserer und der gemeinsamen Ehre teilhaftig werden. Verächter aber unseres Regiments, die zu unserem Hass und unserer Verachtung unsere Anordnungen gering achten, schließen wir aus unserer Gemeinschaft aus und verachten sie wie unsere persönlichen Feinde; sie sollen wissen, dass sie unserer Gunst und der der Gemeinde verlustig gehen werden. Eine spezielle Strafe setzen wir hier noch nicht für sie fest, da 67unsere Stunde noch nicht gekommen ist67; wir tragen die feste Überzeugung, dass 68die Bestrafung eines einzigen zur Furcht für viele68 dienen muss, durch deren abschreckende Strenge andere fürchten werden, solches oder ähnliches zu versuchen. Damit aber niemand sich mit gerechtem Grund für entschuldigt halten darf, halten wir es für nötig, Euch das Vorgenannte als Vorschriften zu geben, wobei wir
64– 64
Die theokratische Amtsermächtigung nach Rom 13, 2 stellt den republikanisch-kommunalen Stadtregenten auf die Stufe monarchischer Gewalt wie auch das explizit aufgenommene Dienstethos (famulus, minister), in dem das Bild des Herrschers als Diener Gottes (Sap 6, 5; Rom 13, 4; 6) säkularisiert und auf die Kommune bezogen ist. Solche Bilder stehen in Analogie zu Wendungen bei Johannes von Salisbury und Helinand von Froidmont: Jeweils ist Einwirkung des römischen Rechts gegeben; s. Anton, Anfänge S. 121. 65– 65 Biblisch-patristisch: noch zu ermitteln; s. auch u. c. 57. 66– 66 Evtl. Anklang an Canon missae: divina institutione formati. 67– 67 Io 2, 4. 68– 68 CIC Cod. IX, 27, 1.
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monentes vos et ortantes, sicut umquam melius possumus, quatenus nostre monitionis memores existentes ab illicitis et prohibitis vos abstinentes, sicut viri providi et discreti, nostram potestariam et nostrum honorem custodire et salvare in omnibus et per omnia studeatis; scituri pro certo, quod, si contrarium fuerit ab aliquo attemptatum, nostram iniuriam studebimus totaliter vindicare, quod nobis in obbrobrium non poterit imputari nec propter hoc de nostro iuramento nos Deum ultorem habere aliquatenus oportebit. Ad hoc, quia Deum precipue pre oculis habere debemus, cum 63ab ipso potestatem habeamus63 et per 69ipsum movemur et sumus69, ecclesias, hospitalia et alia loca religiosa et venerabilia, stratas, mercatores, peregrinos, pupillos, viduas, orphanos et alias miserabiles personas ad honorem Dei et potestatis“, si est ibi potestas vetus, „et communis vestri sub nostra protectione suscipimus inhibentes, ne aliqua iniuria inferatur eisdem. Res publicas sub nostra custodia et defensione tenebimus et, quod inde iuxerimus*, firmiter precipimus observari. Transeuntibus autem per vestram civitatem et venientibus ad eamdem, et maxime frumentum, vinum, oleum et alia commestibilia ducentibus, in eundo et veniendo, stando et redeundo securitatem in rebus et personis duximus plenarie tribuendam exceptis prohibitis et exbanditis, falsariis et latronibus, cum quibus nullum participium habere volumus et tractatum nisi ad penam et extirpationem; salvo tamen in omnibus et per omnia honore et regimine scilicet domini I(mperatoris), cum in mente et proposito geramus eumdem in omnibus et per omnia honorare. Ipse autem altissimus Dominus, qui 70prava novit dirigere in directa et asperas in vias planas,70 nostros gressus taliter dignetur dirigere, quod sibi sit gratum pariter et acceptum, et nobis sit laus et honor, et huius civitatis pax et concordia, exaltatio et bonus status, et vestris amicis gaudium et maximum incrementum.“ Vel sic: „Ipse autem 71Dominus omnipotens et misericors71, a quo 72omne donum optimum et omne donum descendit perfectum,72 per suam santissimam* misericordiam nobis prestare et concedere dignetur id, quod sit sibi honor“ et cet. Vel sic: „Ipse autem rex, creator omnium, sua misericordia et pietate digne-
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Euch immer wieder ermahnen, so gut wir es nur können, dass Ihr eingedenk unserer Mahnung Euch von Unerlaubtem und Verbotenem fern haltet als wohlbedachte und kluge Männer und unsere Podestàwürde und unsere Ehre zu wahren und zu achten Euch in allem bemüht; dabei sollt Ihr als sicher wissen, dass, wenn etwas Gegenteiliges von irgendjemand versucht werden sollte, wir bedacht sein werden, das Unrecht gegen uns striktest zu rächen, was uns nicht zum Vorwurf gemacht werden kann und wessentwegen wir nicht in Bezug auf unseren Eid Gott als Ahnder gegen uns haben müssen. Weil wir Gott stets vor Augen haben müssen, da wir 63von ihm unsere Macht haben63 und wir durch 69ihn uns bewegen und sind69, nehmen wir zu diesem Zweck die Kirchen, Hospitäler und andere religiöse und verehrungswürdige Orte, Straßen, Kaufleute, Fremde, Mündel, Witwen, Waisen und andere hilfsbedürftige Personen zur Ehre Gottes, des Podestà-Amtes“ – wenn der alte Podestà anwesend ist – „und Eurer Gemeinde unter unseren Schutz und schärfen ein, dass ihnen kein Unrecht zugefügt werde. Öffentliches Eigentum werden wir unter unserem Schutz und unserer Verteidigung bewahren, und was wir in dieser Beziehung anordnen werden, schreiben wir vor, stets zu beachten. Wir hielten und halten dafür, dass denen, die durch Eure Stadt durchreisen, und denen, die sie aufsuchen, vornehmlich denen, die Getreide, Wein, Öl und andere Waren des Verzehrs mit sich führen, beim Gehen, Kommen, Verweilen und Zurückkehren volle Sicherheit in Bezug auf Sachen und Personen gewährt wird, ausgenommen es handelt sich um Geächtete und Gebannte, um Fälscher und Räuber, mit denen wir keinen Umgang und Verkehr haben wollen außer den zu ihrer vollen Ausrottung; vorbehaltlich in allem und für alle der Ehre und der Regierung des Herrn K(aisers), da wir immer im Geist und im Vorsatz haben, ihn in allem und für alles zu ehren. Der höchste Herr selbst aber, der 70Krummes gerade und unebene Wege eben70 machen kann, möge geruhen, unsere Schritte so zu lenken, dass es ihm wohlgefällig und willkommen sei, dass uns Lob und Ehre daraus werde, dieser Stadt Friede, Eintracht, Erhöhung und Wohlergehen, Euren Freunden Freude und größter Zugewinn.“ Oder er soll als Schlussformel wählen: „71Der allmächtige und barmherzige Gott,71 von dem 72jede gute Gabe und jedes vornehmste Geschenk kommt,72 schenke und gewähre uns durch sein heiligstes Erbarmen, was ihm zur Ehre gereicht“ usw. Oder er wähle: „Der höchste König selbst, der Schöpfer von allem, geruhe, uns in seinem Erbarmen und in seiner Güte zu gewähren“ oder „er soll uns gewähren, auf rech69– 69
Act 17, 28. Vgl. Luc 3, 5. Der Verweis von Johannes dem Täufer auf den Messias lenkt am Schluss der Ansprache auf den gedanklichen Ausgangspunkt zurück. 71–71 Liturgiesprache. 72–72 Vgl. Iac 1, 17. 70–70
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tur nobis concedere“, seu „concedet recto tramite ambulare“, vel „recto itinere incedere, ita quod sit sibi gratum, et nobis sit honor, laus et gloria, [et] huius civitatis granneça*, pax, concordia, exaltatio et bonus status, et incrementum amicorum huius communis; et ite in bonam horam, quam Deus vobis det“. Verumtamen si tempus vel de tempore veteris potestatis superest, conveniens esset, [quod] nova potestas omnino se abstineret a preceptis et prohibitionibus, que ad veterem potestatem pertinent, cum non liceat 73falcem mittere in segetem alienam,73 nisi regimen veteris potestatis ita esset turbatum, quod administrare non potest. Nova uti potest predicto colloquio usque ad illam clausulam: „Ad hoc, quia Deum precipue“ et cet., et postea referre gratias potestati et communi de honore sibi collato hoc modo: „De honore vero magnifico nobis et nostro adventui collato gratias innumeras referimus potestati et sue compangie*, militibus et peditibus, et toti communantie*. Ipse autem altissimus Dominus“ et cet. [– – –] LV. Quando potestas nova intrat palatium. Adveniente autem tempore sive die sui regiminis intrandi et cum effectu prosequendi dominus sive potestas novus audita missa in nomine Domini palatium communis ascendat et solium glorie teneat. Banna sibi scribi faciat, [que] sint sine contradictione constituti. Banna nova mittere et imponere potestas faciat; que banna sint bene composita et sint convenientia et expedientia sibi et civitati, cui preest, eaque legi faciat in prima contione sive arengo sive consilio: 74gaudent enim novitate moderni74. Que contio sive arenga fiat in prima die sollempni sui regiminis, sive sit dies dominica sive aliud festum sollempne. In quo arengo primitus surgens proponat sive contionetur, et postea legantur banna sua nova. Sin autem banna nova secundum formam statuti imponere non potest, faciat ibi legi statutum, saltim illa capitula, in quibus pene continentur, ut delinquentes nullam valeant excusationem habere vel ignorantiam allegare. Et postmodum hiis lectis surgat et finem arengo
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tem Weg zu wandeln“ oder „auf rechtem Weg zu gehen, so, wie es ihm wohlgefällig ist, uns aber werde Ehre, Lob und Ruhm, dieser Stadt Größe, Friede, Eintracht, Erhöhung und Wohlergehen, den Freunden dieser Gemeinde Zugewinn; gehet in eine gute Zeit, die Gott Euch geben möge“. Wenn aber die Amtszeit des alten Podestà noch läuft oder von dieser noch etwas ansteht, wäre es ziemlich und passend, dass der neue Podestà sich ganz von Vorschriften und Verboten fern hielte, die sich auf den alten Podestà beziehen, da es nicht angeht, 73die Sichel in fremder Saat zu führen;73 außer dem Fall, dass die Regierung des alten Podestà so chaotisch wäre, dass er sie nicht mehr führen könnte. Der neue kann die vorgenannte Rede bringen bis zu dem Satz: „Dazu, dass Gott besonders“ usw., anschließend dann dem Podestà und der Gemeinde den Dank für die erwiesene Ehre folgendermaßen abstatten: „Für die uns und unserer Ankunft erwiesene großartige Ehre sagen wir dem Podestà und seinem Amtsgefolge unermesslichen Dank, den Reitern, den Fußsoldaten und der ganzen Kommune. Der allerhöchste Gott aber“ usw. [– – –] 55. Beim Betreten des Palastes durch den neuen Podestà. Zu dem Zeitpunkt, zu dem seine Regierung anzutreten und dies wirkungsvoll ins Werk zu setzen ist, soll der neue Herr oder Podestà nach Hören der Messe im Namen des Herrn zum Stadtpalast hochsteigen und den Thron des Ruhmes einnehmen. Für sich lasse er neue Satzungen schreiben, die nicht in Widerspruch zu der Stadtverfassung stehen. Der Podestà lasse diese neuen Satzungen verteilen und allgemein verbindlich machen, diese Satzungen sollen gut gefügt sein, für ihn und die Stadt, der er vorsteht, passend und zuträglich, er lasse sie verlesen in der ersten Volksversammlung, öffentlichen Versammlung oder Ratsversammlung; 74es freuen sich am Neuen die Jetzigen.74 Diese Volksversammlung oder öffentliche Versammlung soll am ersten festlichen Tag seines Regiments stattfinden, an einem Sonntag oder an einem anderen Feiertag. Bei dieser öffentlichen Versammlung soll er sich erheben, sein Programm vorstellen beziehungsweise zur Versammlung sprechen, danach sollen seine neuen Satzungen verlesen werden. Wenn er aber neue Satzungen gemäß der Form der Verfassung nicht auferlegen kann, soll er das Verfassungsstatut verlesen lassen, wenigstens jene Kapitel, in denen die Strafen enthalten sind, damit Delinquenten keine Entschuldigung vorbringen und keine Nichtkenntnis geltend machen können. Nach der Ver-
73–73 74–74
Vgl. Deut 23, 25; charakteristisch variierend gegenüber Vulg. Glosse: Priscianus, nicht identifiziert.
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imponat nec patiatur aliquem civium surgere ad loquendum in ipso parlamento, maxime si civitas sit divisa. Quare, si unus loqueretur ibi, alius ex alia parte similiter vellet loqui ibidem, et oporteret potestatem ipsum loqui [facere]; alioquin equabilitas non servaretur ibi, quod esset inconveniens et odiosum, cum ipsa equabilitas in civitatibus precipue sit servanda. Verumtamen quedam sunt civitates, in quibus non consuevit fieri arengum ita in principio, sed solummodo talia in consilio generali consueverunt proponi et legi, sicut in egregia Florenti[n]a civitate. Sed in illis locis et civitatibus, in quibus consuevit contionari seu arengum in plateis celebrari, sic potest se breviter expedire potestas, si vult. Non tamen dico, quod sic necesse habeat proponere seu contionari, cum multe sint vie exordiendi. Sane conveniens satis esse posset prima contio supra notata, specificando ibi penas, detracto tamen nomine veteris potestatis vel non habita ibi eius mentione. Si vero illi non placuerit, sic breviter se potest expedire potestas. In primis sedato rumore populi petat audiri, quod sic fieri consuevit:
LVI. Parlamentum nove potestatis.
LVII. Contio nove potestatis.75 „Ab illo Domino credimus processisse, 76a quo est omnis gratia et potestas et a quo honores procedunt et veniunt dignitates,76 quod nos debemus esse
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lesung stehe er auf und beende die Versammlung, er lasse nicht zu, dass sich irgendein Bürger erhebe, um in dieser Bürgerversammlung das Wort zu nehmen, besonders dann nicht, wenn die Bürgerschaft gespalten sein sollte. Wenn dann einer sprechen würde, würde ein anderer von der anderen Seite in gleicher Weise dort sprechen wollen, und der Podestà müsste auch diesen sprechen [lassen]; anderenfalls würde die Unparteilichkeit und Rechtsgleichheit nicht gewahrt, was unangemessen und Hass erzeugend wäre, da vor allem Rechtsgleichheit in den Stadtstaaten zu wahren ist. Es gibt aber einige Stadtstaaten, in denen nach Gewohnheit eine solche öffentliche Versammlung nicht zu Beginn stattfindet, solche Themen vielmehr im allgemeinen Rat vorgestellt und verlesen werden, wie etwa in dem vorzüglichen Stadtstaat Florenz. Aber an jenen Orten und in jenen Stadtgemeinden, in denen man in öffentlicher Versammlung zu tagen und dies an öffentlichen Plätzen feierlich zu begehen pflegt, kann der Podestà sich schnell der Aufgabe entledigen, wenn er will. Ich sage freilich nicht, dass er es unbedingt nötig hat, sein Regierungsprogramm zu entfalten und in öffentlicher Versammlung zu sprechen, da es viele Möglichkeiten des Amtsbeginns gibt. Ausreichend könnte schon sein eine erste Versammlung, wie sie oben verzeichnet ist, wobei die Strafen spezifiziert werden müssten, der Name des alten Podestà aber weggelassen werden könnte respektive seiner nicht Erwähnung getan würde. Wenn aber das dem neuen Podestà nicht zusagt, kann er das Ganze in folgender Weise kurz abwickeln. Zunächst bringe er das Gemurmel des Volkes zur Ruhe und bitte um Gehör, was in folgender Weise zu geschehen pflegt: 56. Öffentliche Versammlung des neuen Podestà. (Muster einer kurzen Ansprache in italienischer Sprache an die führenden sozialen Gruppen und die Bürgerschaft mit der Bitte um den Segen Gottes, seiner hl. Mutter und des Stadtheiligen für das Wirken zum Wohle Gottes, des Podestà und der Stadtgemeinde).
57. Volksversammlung des neuen Podestà.75 „Wir glauben, 76dass es von jenem Herrn ausgeht, von dem jede Gnade und Macht ist, von dem die Ehren ausgehen und die Würden kommen,76 75
Der Text stellt eine höchst signifikante Synthese von christlich-theokratischen Elementen mit solchen aus der Prinzipatsideologie dar, er bietet eine Art Gesellschaftsvertrag. – Zur neuen Rhetorik: Artifoni, I podestà (s. Einleitung Anm. 63) S . 698 –709, bes. S. 699 f.; Artifoni, Sull’eloquenza (s. Einleitung Anm. 66) S. 63 –73; zu concionari ebd. S. 67. 76–76 S. Anm. 63.
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vester rector et potestas, immo, ut ita loquamur, 77serviens et minister,77 ad vestrum regimen exequendum pariter et portandum. Quare intendimus firmiter et speramus, quod ipse nobis iter rectum et gloriosum monstrabit et nobiscum erit in nostris negotiis honorifice et utiliter peragendis et ad vos conducendos et regendos viriliter et potenter in iustitia et equitate. Et licet ad tantum honus portandum non simus sufficientes sive digni, tamen 78de Spiritus sancti gratia confisi, qui sperantes in se nullo tempore dereliquit,78 et vestra probitate et legalitate inducti, que per diversas mundi partes plurimum commendatur, ad vestrum honorabile recimentum* portandum secure accessimus omnem laborem pro vobis subire et etiam, si oportuerit, corpus, vires et aninam pro vobis ponere nullatenus dubitantes. Sane cum non precibus inducti seu aliqua vi cohacti vestro regimini et potestati nos duxeritis supponendos, credimus et speramus, quod nobis non recusabitis obedire et nostris et communis honoribus vobis cavebitis contraire, maxime cum credamus nostra precepta et mandata in se continere iustitiam et vestri communis dante [Deo] decus, laudem et maximum incrementum. Volumus itaque nostra vestigia imitantes et nostris monitionibus et mandatis parentes de honoribus vestri communis fieri participes et a nobis, sicut decet, in omnibus et per omnia honorari. Inobedientes autem nobis et nostra precepta contempnentes a nostro consortio penitus volumus fieri alienos utique nostram gratiam penitus elongantes. Nec propter hoc tales insultent, quod eis ad presens penam non imponimus specialem. Credimus, [enim, quod] 79severitas pene unius erit metus multorum, [qui verebuntur talia] vel similia perpetrare79“; vel sic: „Deterret eos a proposito delinquendi, cum acrius debeat puniri, qui eum offendit, quem voluntarie habuerit seu cui se voluntarie supposuerit, quam ille, qui sub dominio alicuius consistit invitus. Ne igitur ex ignorantia possit aliquis excusari, banna nostra seu constitutiones vestras publice legi volentes monemus vos et ortamur, sicut possumus, quatenus illicita et prohibita devitantes nostrum honorem et regimen sequi velitis et contra nostram
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dass wir Euer Regent und Podestà sein dürfen, oder um so zu sprechen, 77 Euer Knecht und Diener,77 um das Regiment über Euch in gleicher Weise auszuführen und zu tragen. Deshalb zielen wir fest darauf hin und hoffen, dass er selbst uns den rechten und ruhmvollen Weg zeigen wird, dass er mit uns sein wird, damit wir unsere Aufgaben ehrenhaft und nutzbringend ausführen und Euch männlich und kraftvoll führen und lenken in Gerechtigkeit und Billigkeit. Und obzwar wir nicht geeignet und würdig sind, eine solche Last zu tragen, sind wir doch 78im Vertrauen auf die Gnade des heiligen Geistes, der die auf ihn Hoffenden zu keiner Zeit im Stich gelassen hat,78 und auf Eure Redlichkeit und Gesetzlichkeit, die in den verschiedensten Teilen der Welt als empfehlenswert gilt, mit dem Gefühl der Sicherheit an die Aufgabe gegangen, Eure Regierung in ehrenvoller Form zu tragen, wobei wir keinen Zweifel lassen, dass wir jede Mühe für Euch auf uns nehmen, und, falls nötig, Leib, Kräfte und Seele für Euch geben werden. Und da Ihr, weder durch Bitten bewegt noch durch irgendeine Gewalt gezwungen, glaubtet, dass wir Euer Regiment und Eure Macht auf uns nehmen sollten, glauben und hoffen wir, dass Ihr Euch nicht weigern werdet, uns zu gehorchen, und dass Ihr Vorsorge treffen werdet, unseren Ehren und denen der Stadt nicht zuwiderzuhandeln, ganz besonders da wir glauben, dass unsere Gesetze und Anordnungen in sich Gerechtigkeit enthalten und, mit Gottes Gabe, Zierde, Lob und größte Steigerung für Eure Gemeinde. Wir wollen, dass die, die unseren Spuren folgen und unseren Mahnungen und Anordnungen gehorchen, der Ehren Eures Gemeinwesens teilhaftig werden und von uns, wie es sich ziemt, in allem und durch alles geehrt werden. Solche, die uns als Ungehorsame begegnen und unsere Anordnungen verachten, wollen wir strikt aus unserer Umgebung entfernt halten, indem wir ihnen unsere Gunst vollständig vorenthalten. Und sie sollen nicht dadurch in Übermut verfallen, dass wir ihnen im Augenblick keine spezielle Strafe auferlegen. Wir glauben nämlich, dass 79die Strenge der Bestrafung für einen zur Furcht für viele werden wird, [die fürchten werden, solches] oder ähnliches zu vollführen79“; oder folgendermaßen: „Vom Vorhaben der Übeltat möge sie (der Gedanke) abhalten, dass härter bestraft werden muss, wer den beleidigt, den er freiwillig als Herrn hat oder dem er sich aus freien Stücken unterstellt hat, als jener, der gegen seinen Willen unter der Gewalt von irgendjemandem steht. Damit sich niemand auf Nichtkenntnis berufen kann, wollen wir, dass unsere Satzungen und Eure Verfassungssätze öffentlich vorgelesen werden, und mahnen und beschwören wir Euch, soweit wir es vermögen, dass Ihr, Verbotenes und Untersagtes meidend, unserem Ehrenrang und Regiment folgen wollt, 77–77 78–78 79–79
S. Anm. 64. S. c. 46, dazu Anm. 65. S. c. 46, dazu Anm. 68.
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potestariam venire nullo modo in aliquo attemptetis scituri pro certo nos in contemptores nostri mandati et deli[n]quentes taliter processuros, nostram et communis iniuriam ulciscentes, quod iuramento nostro Deum habere ultorem minime oportebit et a vobis nullatenus nostre poterit conscientie improperari. Cupientes igitur vestram civitatem retinere pacificam et tranquillam et omnes et singulos in sua iustitia confovere et parvos iusta* magnos in suo statu et iure libere commorari, latrones, falsarios et prohibitos omnimodo diffidentes, ecclesias, hospitalia et alia loca venerabilia, horphanos, pupillos, viduas et alias miserabiles personas et impotentes, quos de iure iuvare tenemur, stradas, peregrinos, mercatores sub nostra protectione suscipimus moraturos, prohibentes, ne eisdem aliqua iniuria inferatur. Iura vero, possessiones et loca publica huius civitatis sub nostro dominio retinebimus, et, quod inde duxerimus faciendum, ex nunc precipimus firmiter observari. Venientibus autem vel venire volentibus ad hanc civitatem tutum iter paramus et moram securam exceptis falsariis, latronibus, exbanditis, prohibitis et nostris publicis inimicis. Ipse autem misericors Dominus, qui novit civitatem custodire et exaltarew, per suam sanctissimam pietatem et misericordiam nos custodiat et gressus nostros per viam rectam dirigens nos taliter operari permittat, quod sibi sit gratum et nobis decus, laus et honor et omnibus nostris amicis maximum incrementum.“ Et sic sedens precipiat legi banna sua seu constitutiones civitatis; et hiis lectis non permittens aliquem surgere ad contionandum surgat ipse et incedat hoc modo et, si vult, roget iterum Deum dicens: LVIII. Contio potestatis. „Ad ipsum Deum nostru* …“. „Intellexistis dicta et banna nostra“ seu „constitutiones vestras publice proponi et legi coram vobis; et nos ea confirmantes mandamus custodiri firmiter et teneri et, sicut primo dixi[m]us, non poterit aliquis ex ignorantia de cetero excusari nec poterit nobis obici, quod ea non predixerimus et fecerimus publicari. Caveant itaque sibi omnes et singuli a malefactis et prohibitis se abstineant, ne nos ad iram provocent et ne animum nostrum concitent versus ipsos. Disposuimus enim iniuriam acrius ulcisci in eos, qui nostri sunt
w
exultare L.
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gegen unser Podestà-Amt in keiner Weise Euch zu wenden versucht, im sicheren Wissen, dass wir gegen die Verächter unserer Anordnung und gegen Übeltäter so vorgehen und das Unrecht gegen uns und gegen die Gemeinde so rächen werden, dass Gott nicht als Rächer gegen uns wegen Eidesverletzung einzuschreiten haben wird und es von Euch in keiner Weise unserem Gewissen angelastet werden kann. Wir sind dabei von dem Willen beseelt, Euren Stadtstaat befriedet und in Ruhe gesichert zu erhalten, die Kleinen und die Großen in ihrem Status und Recht zu belassen, Räuber, Fälscher und Geächtete in jeder Weise mit Misstrauen zu überwachen; Kirchen, Hospitäler und andere ehrwürdige Orte, Waisen, Mündel und andere hilfsbedürftige Personen und Wehrlose, die wir von Rechts wegen unterstützen müssen, Straßen, Fremde und Kaufleute nehmen wir unter unseren bleibenden Schutz und verbieten, dass ihnen irgendein Schaden oder Unrecht zugefügt werde. Die Gerechtsame aber, die Besitzungen, die öffentlichen Orte dieser Stadt nehmen wir unter unsere Herrschaft und ordnen an, dass von jetzt an bewahrt wird, was wir für richtig halten. Denjenigen aber, die zu unserer Stadt kommen oder kommen wollen, gewähren wir sicheren Weg und Aufenthalt, ausgenommen Fälschern, Räubern, Raubgesellen, Geächteten und unseren öffentlichen Feinden. Der barmherzige Herr aber, der unsere Stadt zu bewahren und zu erhöhen wusste, beschütze uns durch seine heiligste Gnade und sein heiligstes Erbarmen, er erlaube uns, indem er unsere Schritte auf dem rechten Weg lenkt, so zu handeln, dass es ihm wohlgefällig, uns zur Zierde, zu Lob und Ehre, allen unseren Freunden zum größten Nutzen sei.“ Darauf nehme er Platz, ordne die Verlesung seiner Satzungen oder der Statuten der Stadt an; nach dieser Verlesung lasse er keinen anderen sich erheben, um eine Versammlungsrede zu halten, er selbst stehe aber auf und wähle folgendes Vorgehen, so es ihm gefällt, bitte er wiederum Gott mit den Worten:
58. Versammlung des Podestà. „Zu unserem Gott …“ (als Fortsetzung folgt zunächst ein Text in italienischer Sprache).
„Ihr habt unsere Worte und Satzungen zur Kenntnis genommen“ oder „Ihr habt gehört, dass die Statuten Eurer Stadt öffentlich vorgestellt und vor Euch verlesen wurden; indem wir sie bestätigen, verfügen wir, dass sie fest beachtet und gehalten werden, und wie schon eingangs gesagt ist, darf sich keiner mit Nichtwissen entschuldigen und uns entgegenhalten, dass wir das nicht vorher gesagt hätten oder nicht hätten bekanntmachen lassen. Alle in der Gesamtheit und alle Einzelnen sollen sich vor Übeltaten hüten, sich von Verbotenem fernhalten, damit sie uns nicht zum Zorn reizen und uns gegen sich aufbringen. Wir haben uns nämlich vorgenommen, Unrecht härter bei
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et nostra tenentur servare mandata, quam illos, qui extranei sunt et penitus alieni; nec sperare veniam contra nostrum honorem a nobis debent, qui committunt in legem nostram, quam iuravimus firmiter observare. Et licet Iesum Christum teneamur semper in nostris actibus invocare, ut prosperos et felices ad vota consequamur successus, 80cum permissione sua dominemur et simus, potestatem nobis gladii rationabiliter attributam ab eodem tenentes in malefactoribus80 tamen eidem disposuimus contraire, si contradictio potest dici, non reddendo81 eisdem secundum novum testamentum bonum pro malo81, sed malum pro malo81; et stultis secundum eorum stultitiam respondentes veteris testamenti et legum civilium severitatem disposuimus imitari credentes eidem Domino Iesu Christo inde merito complacere, cum secundum apostolicam doctrinam positi simus ad vindictam malefactorum, laudem vero bonorum82. Hoc autem et vos scire volumus, quia ad vos venimus, ut decus, laudem et bonum nomen magis lucremur quam lucrum aliquod temporale. Ipse autem omnipotens Dominus sua misericordia et pietate honores, dignitates et grandeças* vobis et nobis nostro tempore et semper accrescens gressus nostros in viam rectam taliter dignetur dirigere, quod sibi sit laus et honor, et vobis et nobis sit decus et gloria et grandis bona fortuna, et vestris amicis gaudium et maximum incrementum.“ Et sic hoc fine posito dicat: „Et ite in bona ora, ke* dio* ne* dia*“. Hiis ita peractis revertatur ad palatium et convocatis iudicibus suis et aliis officialibus curie et hiis ammonitis, ut infra dicetur, precipiat curias retineri et ius omnibus et singulis reddi.
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denen zu ahnden, die uns unterstehen und unsere Anordnungen zu achten gehalten sind, als bei denen, die Auswärtige oder gar völlig Fremde sind; und diejenigen dürfen gegen unsere Ehre keine Verzeihung von uns erwarten, die gegen unser Gesetz verstoßen, das wir zu bewahren geschworen haben. Und obwohl wir gehalten sind, in unseren Taten stets Jesus Christus anzurufen, dass wir auf unsere Gebete hin Glück und Erfolg erlangen, 80da wir nur auf seine Zulassung hin herrschen und sind, da wir die uns zu legitimem Zweck übertragene Schwertgewalt nur von ihm innehaben, haben wir beschlossen, bei der Behandlung der Übeltäter80 ihm zuwiderzuhandeln – wenn dies eine Zuwiderhandlung genannt werden kann –, indem wir nicht nach der Weisung des Neuen Testaments ihnen Schlechtes mit Gutem81, sondern Schlechtes mit Schlechtem entgelten81 wollen; indem wir den Toren nach ihrer Torheit antworten, setzen wir fest, die Strenge des Alten Testaments und der römischen Gesetze nachzuahmen, wobei wir glauben, dass wir damit das Gefallen unseres Herrn Jesus Christus verdientermaßen finden, da wir ja nach der Lehre des Apostels gesetzt sind zur Bestrafung der Übeltäter, zur Belobigung der Guten.82 Wir wollen aber, dass Ihr alle wisst, dass wir zu Euch gekommen sind, mehr, um uns Zierde, Lob und guten Namen zu erwerben als irgendeinen zeitlichen Vorteil. Er selbst aber, der allmächtige Herr, indem er in seiner Barmherzigkeit und Güte Ehren, Würden, Größe Euch und uns zu unserer Zeit und immer zukommen und wachsen lässt, geruhe, unsere Schritte in der Weise auf dem rechten Weg zu lenken, dass ihm Lob und Ehre werde, Euch und uns Zierde, Ruhm, großes Glück, Euren Freunden Freude und große Nutzenmehrung.“ Und dann nach Setzung dieses Endes sage er: „Geht in eine gute Zeit, die Gott uns geben möge.“ Danach kehre er zum Palast zurück, er rufe die Richter und die anderen Beamten des Rathauses zusammen, ermahne sie, wie es unten beschrieben wird, er ordne Ratssitzungen und Rechtsetzung für alle insgesamt und für alle Einzelnen an. Es folgt in c. 59 –104 ein neuer thematischer Block „Laster und Tugenden“, zunächst sind die Vitia (Laster) behandelt (c. 59 –76). Repräsentativ für die Synthese biblischer und römischrechtlicher Begründung je nach Thematik ist gleich das erste Kapitel. 80– 80
Das interessante Räsonnement zur Legitimierung der herrscherlichen Schwertgewalt bringt zunächst theokratische Grundaussagen zusammen: Prov 8, 15; Rom 13, 4; 1 Petr 2, 14. 81 1 Petr 3, 9; Rom 12, 17; 1 Thess 5, 15. 82 In dem aufschlussreichen Diskurs wird mit Blick auf die Vergeltungsnorm des Alten Testaments (Deut 7, 2; 26, 6; 1 Es 9, 12) und die rigorose Kaisergesetzgebung das neutestamentliche Liebesgebot (s. Anm. 81) relativiert und die Synthese in 1 Petr 2, 14 gefunden.
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°LIX. Incipit de vitiis evitandis. De hiis, que conveniant potestatibus aliisque administratoribus et civitatum rectoribus.
… Et ad similitudinem Imperatoris preses provincie sive potestas debet esse et se existimare 83legibus alligatum, etiamsi non esset. Nam licet Imperator non sit legibus astrictus,83 84digna tamen vox est se velle profiteri esse legibus alligatum;84 nihil enim sic proprium est imperii quam legibus vivere. …
°LXXVII. De timore Dei a potestati habendo. Timeat itaque Deum potestas seu civitatis rector: Per85 ipsum enim 85reges regnant et potentesx scribunt iustitiam;85 eumque suppliciter assidue roget, ut per suam sanctissimam misericordiam et pietatem ei prestare dignetur civitatem, cui preest, custodire, quietam et tranquillam et pacificam gubernare. Scriptum est enim: Nisi Dominus custodierit civitatem, in vanum laborant, qui custodiunt eam.86 Proficit absque Deo nullus in orbe labor. Sit Deus ergo mei custos rectorque laboris; Omne gubernet opus propositumque meum. Sanctamque ecclesiam venerans rectam fidem catholicam habeat: 87Nichil est enim, quod lumine clariore prefulgeat quam recta fides in principe87. ySit
x
potestates A. Fehlt A.
y–y
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°59. Beginn der Kapitel über die zu meidenden Laster. Über das, was sich für die Podestà und die übrigen Verwalter und Lenker der Stadtstaaten ziemt. Nach genereller Motivierung im Anschluss an den Apostel Paulus und an Cato folgt die höchst aussagekräftige Parallelisierung mit dem Kaiser:
… In Entsprechung und Angleichung an den Kaiser soll der Vorsteher einer Provinz oder der Podestà sich 83an die Gesetze gebunden wissen, auch wenn er es nicht wäre. Denn obwohl der Kaiser nicht an die Gesetze gebunden ist,83 ist es 84eine höchst würdige Rede zu bekennen, an die Gesetze gebunden zu sein;84 nichts ist dem Kaisertum so eigen, wie den Gesetzen zu leben. … Es schließen sich die Kapitel zu den Virtutes (Tugenden) an (c. 77–104). Gesetzt sind zunächst die allgemeinen Tugenden, die Gottesfurcht mit ihren konkreten Konsequenzen (Kirchenschutz, Schutz der Wehrlosen) (c. 77– 80), die Pflicht zur Sicherung der territorialen Herrschaftseinheit, namentlich die Strafhandhabung (c. 81– 85), entwickelt sind danach die praktischen Tugendformen der Amtsführung (c. 86 – 93).
°77. Die Gottesfurcht, die der Podestà haben muss. Der Podestà oder der Regent des Stadtstaates fürchte also Gott: Durch85 ihn nämlich 85regieren die Könige und schreiben die Mächtigen Recht;85 beständig gehe er ihn in Bitten flehend an, dass er durch sein heiligstes Erbarmen und seine Gnade gewähren möge, die Stadt, der er vorsteht, schützend zu bewahren und sie in Ruhe, Ungestörtheit und Frieden zu regieren. Es steht nämlich geschrieben: Wenn der Herr die Stadt nicht bewacht, mühen sich vergebens, die sie bewachen.86 Alles Mühen umsonst, so es geschieht ohne Gott. Gott sei darum für mich der Schutz und Lenker des Schaffens; Lenke er all mein Werk, all mein Beginnen zugleich! Er soll die heilige Kirche ehren, den rechten katholischen Glauben haben: Es gibt nämlich nichts, was mit hellerem Licht strahlen könnte als der rechte Glaube im Herrschenden.87 Er sei gottesfürchtig und fromm: 87Nichts
87
83– 83
Vgl. CIC Dig. I, 3, 31; s. auch CIC Cod. I, 14, 4. Astrictus in verwandtem Kontext bei Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 234; vielleicht nach gemeinsamer Vorlage. 84– 84 Vgl. CIC Cod. I, 14, 4. 85– 85 CIC Cod. I, 1, 8 (1) mit verformtem Zitat von Prov 8, 15; 16. 86 Vgl. Ps 126, 1. 87– 87 CIC Cod. I, 1, 8 (2).
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etiam religiosus: 87Nichil est87 enim, 87quod ita nequeat occasui subiacere quam vera religio87. Hoc autem semper credat potestas seu civitatis rector, quod 88cor regis in manu Dei est, et ubi vult inclina[bi]t illudy 88. Confidat ergo in Domino et faciat iudicium et iustitiam in omni tempore. Item sit adiutor et defensor eius nec timeat aliquod contrarium ziustus et rectus existens. 89Scriptum est enim: Cum rex iustus sederit super sedem, non adversabitur sibi quicquam malignum89. Sic ergo Deum timeat et bona faciat, fidem rectam teneat, iustitiam conservet [et] manuteneat et sapientiam imitetur: propter infidelitatem enim homo privatur lumine recti, et sensus reprobus amplexatur et occupat eum apostolo attestante: Excecavit Deus huius seculi mentes infidelium90. Et iterum: Et tradidit eos in reprobum sensum91, etc. Vitium enim corrumpit naturam apostolo attestante, qui ait: Quia // evanuerunt in cogitationibus suis, oscuratum est insipiens cor eorum; // propter quod tradidit illos Deus in desideria cordis eorum [in] immunditiam, ut contumeliis afficiant corpora sua. // Et sic(ut) non probaverunt Deum habere in notitiam, tradidit illos Deus in reprobum sensum, ut faciant ea, que non conveniunt92. Et licet iniqui, superbi et infideles et qui pretio optinent dignitates, aliquando solium glorie optineant, talis tamen gloria vana est et non est a Deo: Quamvis enim 93omnis potestas a Domino Deo sit,93 ipsi tamen tales superbi et iniqui non regnant ex Deo; scriptum est enim per prophetam: Ipsi regnaverunt, et non ex me: principes extiterunt et non cognoverunt me seu non cognovi94 eos. Vos ergo, potestates et presides, 95nolite fieri pueri sensibus95 ipso apostolo admonente: 95Sed malitia parvuli estote, ut mentibus perfecti sitis.95 96 Omni custodia serva cor tuum, quia ex ipso vita procedit96. Paulus: O Timothee, deposituma custodi.97 z [– – –]
z–z a
si dominum habuerit adiutorem A. Vulg., te positum L.
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existiert87 nämlich, 87das so wenig dem Untergang anheim fallen kann wie die wahre Religion.87 Immer sei sich der Podestà oder der Lenker des Stadtstaates dessen gewiss, dass 88das Herz des Königs in der Hand Gottes ist und dass dieser es dorthin bewegt, wohin er will.88 Er setze also sein Vertrauen auf den Herrn und walte zu jeder Zeit Recht und Gerechtigkeit. Ebenso sei er sein Helfer und Verteidiger, er fürchte keine Widrigkeit, wenn er gerecht und gerade ist. 89Es steht nämlich geschrieben: Wenn der gerechte König auf seinem Thron sitzt, wird ihm nichts Übles widerstreiten.89 So fürchte er also Gott und tue Gutes, halte den wahren Glauben, bewahre die Gerechtigkeit und halte sie mit der Hand fest, er ahme die Weisheit nach: Wegen Unglaubens nämlich wird der Mensch des Lichtes für das Richtige beraubt, schlechter, verworfener Sinn umgarnt ihn und ergreift ihn, nach dem Zeugnis des Apostels: Der Gott dieser Welt verblendete die Sinne der Ungläubigen.90 Und ebenso: Er überlieferte sie verkehrtem und perversem Sinn91 usw. Lasterhaftigkeit nämlich verdirbt ihre Natur nach dem (weiteren) Zeugnis des Apostels: Weil // sie sich in ihren Gedanken verirrten, wurde ihr törichtes Herz verblendet; // Gott überantwortete sie daher den Gelüsten ihres Sinnes zur Unreinheit, so dass sie ihre Leiber mit Schande behaften. // Und wie sie bewiesen, nicht Kenntnis Gottes zu haben, überlieferte sie Gott ihrem verdorbenen Sinn, so dass sie tun, was nicht frommt.92 Und obwohl bisweilen Ungerechte, Überhebliche, Ungläubige und solche, die Würden mit Geld erkaufen, den Thron des Ruhmes innehaben, ist ein solcher Ruhm eitel und er ist nicht von Gott: Obwohl nämlich 93jede Gewalt von Gott dem Herrn stammt93, herrschen solche überheblichen und ungerechten Regenten nicht aus Gott; es steht nämlich durch den Propheten geschrieben: Diese haben regiert, doch nicht aus mir: Fürsten standen auf, und sie erkannten mich nicht oder ich kannte sie nicht.94 Ihr also, Podestà und Kommuneregenten, 95 werdet nicht Knaben an Geist,95 wie der Apostel auch wieder mahnt: 95Seid an Bosheit sehr klein, damit Ihr an Geist vollkommen seid.95 96Mit aller Besorgnis bewahre Dein Herz, aus ihm nämlich geht Leben hervor.96 Paulus: O Timotheus, bewahre das Dir Anvertraute.97 [– – –] 88– 88
Prov. 21, 1, zitiert nach CIC Cod. I, 1, 8 (3). CIC Cod. I, 1, 8 (5) mit freier Umformung von Prov. 20, 8. 90 2 Cor 4, 4. 91 Rom 1, 28. 92 Rom 1, 21; 24; 28. 93– 93 Vgl. Sap 6, 4; Rom 13, 1. 94 Os 8, 4. 95– 95 Vgl. 1 Cor 14, 20 (teils wörtlich). 96– 96 Prov 4, 23. 97 1 Tim 6, 20. 89– 89
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°LXXX. bQuod pretor tueatur pupillos et viduasb. Pupillo et vidue secundum propheticum verbum cpreses seuc potestas adiutor sit; dsed licet scriptum sit: Pupillo et vidue tu eris adiutor98 d, non tamen eintelligi debete in iudiciis seu sententiis, fsi ius eisdem deficiatf; cum equus debeat esse preses sive iudex utrique parti 99nec precibus calamitosorum illacrimari oporteat99 vel inflecti. Nam iustitia100 debet esse in medio, 100 que ius suum cuique tribuit100, get potentissime diligenda est et servanda iusta* illud: 101Diligite iustitiam, qui iudicatis terram; et nolite iudicare secundum faciem, sed rectum sive iustum iudicium iudicate.101 Intelligenda sunt ergo illa verba: Pupillis et viduis adiutor eris,102 scilicet ab oppressionibus et calumpniis potentiorum. Cum enim 103potentioribus pares esse non possumus103, data est nobis tuitio presidum et potestatum, ut a potentiorum iniuriis et calumpniis liberemur. Sic enim iure cavetur: Ne potentiores viri humiliores iniuriis afficiant neve defensores eorum calamitosis criminibus insectentur innocentes, ad religionem presidis provincie pertinet104. Sic igitur pupillus et vidua et alie miserabiles persone in suo iure tuendi sunt, ut divitibus et potentibus, seu divitum et potentiorum iustitia non auferatur seu conculcetur; quoniam maximorum siquidem et mediocrum ac parvulorum est nobis cura105, dicit Imperator; ac iure cautum estg: hEt in primis illud iudex debet observareh, ne aliter iudicet, quam quod legibus aut moribus aut constitutionibus proditum est106.
b–b
de tuitione pupillorum et viduarum A. Fehlt A. d–d Fehlt A. e–e intelligas A. f–f Fehlt A. g–g Fehlt A. h–h caveat tamen iudex A. c–c
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°80. Dass der Vorgesetzte Waisen und Witwen zu schützen hat. Der Waise und der Witwe sei, dem Prophetenwort entsprechend, der Vorgesetzte oder Podestà ein Helfer; doch obwohl geschrieben steht Der Waise und der Witwe sollst Du ein Helfer sein,98 darf das bei Urteilen und Rechtssätzen, wenn sie der rechtlichen Grundlage entbehren, nicht gelten; da er ein gerechter Leiter des Verfahrens oder Richter für beide Seiten sein muss, 99 darf er sich nicht durch Bitten und Tränen der notleidenden Partei erweichen lassen99 oder sich umbiegen lassen. Die Gerechtigkeit100 hat zentraler Richtwert zu sein, 100die jedem sein Recht zuerteilt,100 und sie ist sehr stark zu lieben und zu bewahren, gemäß dem Wort: 101Liebt die Gerechtigkeit, die Ihr das Land richtet; richtet nicht nach dem Ansehen der Person, sondern gebt ein gerades und gerechtes Urteil.101 Zu verstehen sind also die Worte Der Waise und der Witwe sollst Du ein Helfer sein102 in dem Sinn: gegen Bedrückungen und Intrigen der Mächtigen. Da wir nämlich 103den Mächtigen nicht gleich sein können103, ist uns der Schutz der Vorsteher und Podestà gegeben, dass wir vor den Ungerechtigkeiten und Intrigen der Mächtigen frei und sicher seien. So nämlich wird durch das Recht Vorsorge getragen: Dass die Mächtigeren den Niederen nicht Unrecht zufügen und dass deren Verteidiger nicht mit erschwindelten Beschuldigungen Unschuldige verfolgen, gehört zur religiösen Pflicht des Provinzstatthalters.104 Waisen, Witwen und andere mittellose Personen sind also in ihrem Recht so zu schützen, dass den Reichen und Mächtigen nicht ihre Gerechtsame genommen, nicht der Rechtsstand der Reichen und Mächtigen zertreten werde; denn wir haben die gleiche Sorge für die Höchsten, die Mittleren und die Niedersten,105 sagt der Kaiser; und vom Recht ist Sorge getragen: Vor allem hat der Richter zu beachten, nicht anders zu urteilen, als es durch Gesetze, Gewohnheiten oder Rechtssatzungen festgelegt ist.106 In c. 94 –104 werden die Kardinaltugenden behandelt. Auf das fast durchweg mit Zitaten aus den Novellae des CIC gearbeitete Einleitungskapitel folgen Exzerpte aus der Formula vitae honestae des – nach seiner maßgebenden Vorlage – als Seneca geführten Martin von Bracara: ein markantes
98
Vgl. Iob 29, 12; 13; s. auch Ier 22, 3. CIC Dig. I, 18, 19. 100–100 Vgl. CIC Inst. I, 1, 1; CIC Dig. I, 1, 10. 101–101 Sap 1, 1 mit charakteristischer Erweiterung. 102 S. Anm. 98. 103–103 CIC Dig. IV, 7, 3. 104 CIC Dig. I, 18, 6 (2). 105 CIC Nov. XV epil. 106 CIC Inst. IV, 17. 99– 99
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CXXVII. De duabus potestatibus, scilicet domino Papa et Imperatore, et de duobus iuribus, scilicet divino et humano.107 Non est mirandum, si humanum genus duobus iuribus et duabus potestatibus regitur et gubernatur, scilicet divino et civili et communi iure, et maxime genus Christianorum; quoniam hoc constat ex spiritu et carnali corpore. Expediebat enim facta carnis compescere virtute legum et spiritus gubernari doctrina et virtute divina; spiritus enim et caro sibi ad 108invicem adversantur108 attestante apostolo: Spiritus enim concupiscit adversus carnem et caro adversus spiritum108, ut sic utroque iure homines compescantur a malo et sectentur bona. 109
Oderunt peccare boni virtutis amore109; Oderunt peccare mali 109formidine pene109.
In bonis autem et malis Deus potestatem sibi reservavit dicens: Michi vindictam, et ego retribuam110, dicit Dominus. Retribuit enim Deus et vindicat non solum tunc, cum Christus dicturus est: Venite benedicti patris mei111 etc., et cum dicet: 112Ite maledicti112 etc., et cum faciet eos iudices, ut supra dictum est, sed etiam per ministros suos se vindicat in hac vita, id est per am-
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Zeichen für den säkularen Anteil, der breit neben der biblisch-theokratischen Argumentation unseres Autors steht. Ein breiter Block (c. 105 –148) gilt der konkreten Administration der Stadt mit instruktiven Einblicken in kommunales Leben und dessen herrschaftliche und genossenschaftliche Regelung (zunächst c. 105 –120). Hervorzuheben sind die Kapitel, die den Außenbeziehungen (c. 121–126), dem Kriegswesen (c. 131–137) sowie den Modalitäten beim Amtsende (c. 140 –148) gelten. Präsentiert werden hier jene drei Kapitel, die der theoretischen Verklammerung der praktischen Momente dienen.
127. Über die beiden Gewalten, den Herrn Papst und den Herrn Kaiser, und über die beiden Rechte, das göttliche und das weltliche.107 Es kann keine Verwunderung hervorrufen, wenn man feststellt, dass das Menschengeschlecht durch zweierlei Rechte und zwei Gewalten gelenkt und regiert wird, das göttliche nämlich sowie das bürgerliche und allgemeine Recht, in Sonderheit gilt das für die Christenheit; denn sie besteht aus Geist und leiblichem Körper. So war es (durch höhere Ordnung) angezeigt, dass die Gegebenheiten des Fleisches in Schranken gehalten würden durch die Kraft der Gesetze, die Seelen jedoch durch göttliche Lehre und Wirkmacht gelenkt würden; Geist und Fleisch nämlich 108widerstreiten einander108, nach dem Zeugnis des Apostels: Der Geist aber gelüstet wider das Fleisch und das Fleisch wider den Geist;108 auf diese Weise sollten die Menschen durch zweierlei Recht vom Bösen ferngehalten und zur Befolgung des Guten angehalten werden. 109
Liebe zur Tugend hält an die Guten zum Hass auf das Schlechttun; Furcht vor Strafe109 allein nur zügelt den Frevel der Schlechten.
Für das Gute wie für das Böse hat Gott sich letzte Gewalt vorbehalten, indem er sagt: Mein ist die Rache, und ich werde heimzahlen,110 so das Wort des Herrn. Gott zahlt heim und übt Rache nicht nur dann, wenn Christus einst sagt: Kommt, Ihr Gesegneten meines Vaters111 usw., und wenn er sagt: 112Geht weg, Ihr Verdammten112 usw., und wenn er sie beide, sich und Christus, zu Richtern macht, wie das eben ausgeführt ist; vielmehr übt er auch Vergeltung 107
Entwickelt wird eine originelle Konzeption, die Trennung und Zuordnung der Gewalten und Rechtsbereiche formuliert (zur Nähe Dantes s. Salvemini, Il Liber S. 292), doch die Autonomie der weltlichen Sphäre schon stark heraushebt. 108–108 Vgl. Gal 5, 17. 109–109 Horaz, Epist. I, 16, 52 f. 110 Hebr 10, 30. 111 Matth 25, 34. 112–112 Vgl. Matth 25, 41.
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bas potestates, scilicet spiritualem et temporalem, per quas utrumque ius regitur et redditur humano generi. Sed et ipse Deus in hac vita ponit et deponit, pauperem facit et ditat, humiliat et sublimat, percutit et sanat, occidit et vivere facit, et 113non est, qui de manibus eius possit eruere,113 et etiam cum principibus solium glorie tenere facit. Si ergo obiciatur, quo ergo iure potestas et rector civitatis censebit civitatem, cui preest: divino non, quoniam omnia sunt principis et servare iuravit ius, scilicet commune; comuni iure, id est civili, non, quia 114Domini est terra et plenitudo eius114. Quo ergo iure? Respondeo: In divinis et spiritualibus divino iure, quoniam sacre nostre leges non dedignantur sacros canones sive regulas immitari. Sed hoc videtur stare non posse, quoniam spiritualia non pertinent ad potestates seculares. Quid ergo erit? Respondeo: Quedam etiam pertinent ad diffinitionem iudicis secularis, scilicet in reconveniendo presbiterum, qui conquestus est iudici seculari de aliquo laico; item in quibusdam aliis, scilicet in usuris et matrimoniis et in hiis, que in quattuor conciliis statuta fuerunt a sanctis patribus, in quibus servantur iura canonica, et leges nostre non dedignantur ea immitari. In aliis vero causis secularibus iura servantur civilia et hiis iuribus censebit civitatem eius rector et iudex. Utraque tamen potestas, scilicet spiritualis et temporalis, a Domino Deo est, quod in sequentibus apertius demonstrabo. CXXVIII. Quod omnis potestas sit a Deo. 115
Maxima in omnibus hominibus sunt donai Dei a superna collata clementia, id est sacerdotium et imperium, illud quidem divinis ministransk, hoc autem humanis presidens ac diligentiam exibens; ex uno eodemque principio utraque procedentia humanam exornant vitam115. Nec multo differunt
i k
dicta L. misteriis L.
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durch seine Diener schon in diesem Leben, d. h. durch die beiden Gewalten, die geistliche und die weltliche also, durch die beiderlei Recht verwaltet und dem Menschengeschlecht gegeben wird. Aber auch Gott selbst handelt in diesem Leben, er erhebt und er setzt ab, er macht arm und er macht reich, er demütigt und er erhöht, er verwundet und er heilt, er tötet und er macht lebendig, und 113es gibt niemanden, der jemanden seinen Händen entwinden könnte,113 er ist es auch, der (Menschen) mit den Fürsten den Thron des Ruhmes einnehmen lässt. Wenn also eingewendet werden sollte, nach welchem Recht der Podestà oder Regent des Stadtstaates Lenk- und Strafgewalt über die Stadt habe, der er vorsteht, (so gilt): nicht nach göttlichem Recht, da alles dem weltlichen Regenten zukommt, der ja geschworen hat, das Recht zu bewahren, also das allgemeine Recht; doch auch nicht nach gemeinem, also zivilem Recht, denn: 114Des Herrn ist die Erde und sein die Fülle der Macht.114 Nach welchem Recht also? Ich gebe zur Antwort: In göttlichen und geistlichen Angelegenheiten nach göttlichem Recht, denn unsere Kaisergesetze verschmähen nicht, die heiligen Kanones und kirchlichen Rechtssetzungen zu übernehmen. Doch es hat den Anschein, dass dies nicht aufrechtzuerhalten wäre, da Geistliches weltlichen Gewalten nicht zukommt. Was also? Meine Antwort ist: Einige Bereiche fallen auch in die rechtliche Entscheidungsvollmacht des weltlichen Richters, etwa die Vorladung eines Priesters, der bei seiner Instanz von einem Laien verklagt ist; ebenso in gewissen anderen Sachverhalten, bei Wucherei, beim Ehewesen, bei den Materien, die von den heiligen Konzilsvätern auf den vier (allgemeinen) Konzilien festgelegt wurden, in denen die kanonischen Normen beachtet werden und in denen unsere Gesetze sich diesen anschließen. In allen übrigen weltlichen Rechtsangelegenheiten haben die bürgerlichen Rechte in Anwendung zu kommen, und nach ihnen hat der Regent oder Richter die Stadt zu regieren. Jede der beiden Gewalten, die geistliche wie die weltliche, stammt von Gott dem Herrn, was im Folgenden klarer dargelegt sein soll. 128. Dass jegliche Gewalt von Gott ist. 115
Für alle Menschen gibt es größte Gaben, die von Gott in seiner höchsten Barmherzigkeit zusammen verliehen sind, das Priestertum und das Kaisertum nämlich, jenes, indem es den göttlichen Dingen dient, dieses, indem es den menschlichen vorsteht und sie mit Fürsorge versieht; indem sie beide aus einer und derselben Grundlage hervorgehen, schmücken das menschliche Leben aus.115 Und im Wesenskern unterscheiden sich nicht beträchtlich 113–113 114–114 115–115
Vgl. Is 43, 13. Ps 23, 1. CIC Nov. VI Praef.
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ab alterutro sacerdotium et imperium; per hoc autem datur intelligi duos gladios, scilicet spiritualem et temporalem, fuisse sufficientes humano generi iuxta verbum Domini. Nam cum in cena Domini duo gladii fuissent appositi, unus ex discipulis ait Christo dicenti „Qui non habet gladium, vendat tunicam et emat gladium“116: „Ecce duo gladii sunt hic“117. Et ipse Dominus respondens dixit: „Satis est“117. Unde colligitur ex hoc, quod duo gladii in mensa Domini fuissent appositi, quod, cum sint ad invicem diversi propter diversa officia, diversos meruerunt habere ministros; ut alter esset, qui dignos verbil percuteret gladio, alter, qui meritos ferri puniret instrumento.118 Imperium enim Deus de celo constituit; imperium autem semper est.119 Imperatores vero proferendi leges a Deo licentiam acceperunt; Deus subiecit leges Imperatori et legem animatam eum misit hominibus.119 Deus sanciendi potestatem Imperatoribus donavit. Deus principatum ingentibus dedit Imperatoribus. Deus Romanorum Imperio Imperatores proposuit. Imperialem autem fortunam rebus humanis Deus preposuit. Quid plura? Imperatoribus vero propter loci dignitatem rerum summa commissa est.119 Sanctissimum autem [senioris] Rome Papam primum esse omnium sacerdotum120 imperialis constitutio sancivit. Patet igitur supradictis rationibus et constitutionibus utramque potestatem et utrumque gladium a Deo esse. Probatur etiam per vetus testamentum in libro Sapientie sic: Omnis potestas a Domino Deo est121. Probatur etiam per apostolum dicentem: „Servi, subditi // estote
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verbis L.
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von dem jeweils anderen Priestertum und Kaisertum; darin wird ersichtlich und verdeutlicht, dass die beiden Schwerter, das geistliche und das weltliche, für das Menschengeschlecht hinreichend waren, nach dem Wort des Herrn. Denn als beim Abendmahl zwei Schwerter herbeigeholt wurden, sagte einer der Jünger zu Christus, der seinerseits sagte: „Wer kein Schwert hat, verkaufe sein Gewand und kaufe sich ein Schwert“,116 (als Antwort): „Sieh, hier sind zwei Schwerter“.117 Worauf der Herr erwiderte: „Das ist genug“.117 Daraus, dass zwei Schwerter an den Tisch des Herrn geschafft wurden, ist zu entnehmen, dass, da sie wegen unterschiedlicher Aufgaben voneinander verschieden sind, sie unterschiedliche Träger haben sollten; dass einer da sei, der die, die es verdienen, mit dem Schwert des Wortes durchbohre, der andere, dass er die Strafwürdigen mit dem Instrument aus Eisen bestrafe.118 Das Kaisertum und das Reich setzte Gott vom Himmel her ein, das Reich nämlich ist ewig.119 Die Kaiser haben daher ihre Gewalt, Gesetze zu geben, von Gott erhalten; Gott stellte die Gesetze unter den Kaiser und schickte diesen als lebendes Gesetz den Menschen.119 Gott schenkte den Kaisern die herrscherliche Zwangsgewalt. Gott gab das Führeramt mächtigen Kaisern. Gott stellte Kaiser an die Spitze des Reiches der Römer. Das Geschick des Reiches stellte Gott vor alle menschlichen Dinge. Was noch mehr? Den Kaisern ist wegen der Würde ihrer Stellung die Allgewalt gegeben.119 Dass der heiligste Papst des [alten] Rom der erste aller Priester sei,120 legte eine kaiserliche Konstitution fest. Aus den vorgenannten Vernunftgründen und Rechtssatzungen folgt logisch, dass beide Gewalten und beide Schwerter von Gott sind. Bezeugt wird dies im Alten Testament durch das Buch der Weisheit: Jede Gewalt ist von Gott dem Herrn.121 Bezeugt wird dies auch durch den Apostel, der sagt: 116
Luc 22, 36. Luc 22, 38. 118 Glosse: Nota quod Papa habet plenitudinem potestatis etiam in temporalibus, ut Extra. qui filii sint, c. per venerabilem, § insuper; et Extr. de appellationibus, c. si duobus – Beachte, dass der Papst die Vollgewalt auch in weltlichen Dingen hat. Es folgen Verweise auf Decretales Gregorii IX: X 4. 17. 13; X 2. 28. 7. Die ab dem 11. Jahrhundert von der biblischen Aussage her formulierte Zweischwertertheorie begegnet hier (wie auch bei zeitgenössischen Kanonisten, Huggucio, Johannes Teutonicus) ohne den vom Glossator gegebenen hierokratischen Akzent; zur Zweischwerterlehre s. Mikat, Paul: LThK 10 (2002) Sp. 1519 f. 119 Betont prokaiserliche Formulierungen, darin das ideologische Kernstück von der Ewigkeit des Kaisertums und vom Kaiser als lex animata (lebendes Gesetz). Zur Steigerung des Kaisertums (maximus, optimus, sanctissimus) u. a. Zitation der Lex regia mit autokratischer und unumschränkter Gewalt des Kaisers s. c. 139 (Salvemini S. 276b f.). 120 CIC Nov. CXXXI, 2. 121 Vgl. Sap 6, 4. S. auch Rom 13, 1; 4, diese Stelle vom Glossator ausgeschrieben. 117
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omni […] creature propter Deum, non solum regi tamquam precellenti, sed etiam ducibus tamquam ab eo missis ad vindictam malorum, laudem vero bonorum“122. Et iterum: „Servi, subditi estote […] dominis, non solum bonis et modestis, sed etiam discolis“123. Qui autem resistit potestati, testante apostolo ordinationi Dei resistit124. Patet igitur manifeste, quod potestas ordinatur a Deo et ordinatores sive electores potestatis a Deo sunt, quoniam ordinatio,125 ut dictum est ab apostolo, a Deo est125. Ab ipso enim Christo dictum est: Quod est Cesaris, reddatur Cesari, et quod est Dei, reddatur Deo126. Licet autem abusio potestatis non sit a Deo, ipsa tamen potestas a Deo est. Unde scriptum est in iure civili et canonico: Priviligium meretur amittere, qui concessa sibi abutitur potestate127. Item ab ipso Domino nostro Ihesu Christo dictum fuit Pilato dicenti: „Potestatem habeo crucifigendi et dimittendi te“;128 cui ipse Dominus ait: „Potestatem in me non haberes ullam, nisi datum esset tibi desuper“129. Per hanc enim auctoritatem dicitur mpotestas bona et potestas malam esse a Deo tam Christianis quam paganis et Iudeis.130 Sed quod in mala potestate dicitur, non debet ita indistincte intelligi; quoniam omnis potestas bona est, cum a Deo sit, qui est ipsa bonitas summa; sedn exercitium potestatis potest esse malum, quod non est a Deo iuxta illud propheticum: Ipsi regnaverunt, sed non ex me; principes extiterunt, sed non co-
m–m n
potestatem bonam et potestatem malam L. vel L.
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„Ihr Sklaven // seid jeder […] Einrichtung untertan wegen Gott, nicht nur dem König als dem obersten Befehlsträger, sondern auch den von ihm zur Bestrafung der Übeltäter und zur Belobigung der Guten geschickten Führern“.122 Und bald danach: „Ihr Sklaven, ordnet Euch Euren Herren unter, nicht nur den guten und maßhaltenden, sondern auch den nichtswürdigen“.123 Wer sich aber der Gewalt widersetzt, widersetzt sich nach dem Zeug nis des Apostels der Anordnung Gottes.124 Ganz offen beweiskräftig liegt also dar, dass Gewalt von Gott verordnet wird und dass die kirchlichen und weltlichen Verleiher der Gewalt in Weihe und Wahl von Gott sind, da ja die einsetzende Ordnung, wie vom Apostel gesagt, von Gott ist125. Von Christus selbst ist schließlich gesagt: Was dem Kaiser gehört, soll dem Kaiser gegeben werden, was Gott gehört, soll Gott gegeben werden.126 Obwohl also Missbrauch der Macht nicht von Gott ist, stammt die Macht selbst doch von Gott. Darum ist im zivilen wie im kirchlichen Recht geschrieben: Sein Vorrecht verliert verdientermaßen, wer die ihm übertragene Macht und Gewalt missbraucht.127 Von unserem Herrn Jesus Christus selbst wird ebenso dem Pilatus, der sagt: „Ich habe die Gewalt, Dich ans Kreuz schlagen zu lassen oder Dich freizugeben“,128 vom Herrn also wird diesem gesagt: „Du hättest keine Gewalt über mich, wenn sie Dir nicht von oben gegeben wäre“.129 Durch diese höchste Autorität wird also gesagt, dass die gute wie die schlechte Gewalt von Gott sei bei Christen, Heiden und Juden.130 Doch was über die schlechte Gewalt ausgeführt ist, darf nicht ohne Differenzierung verstanden werden; denn jede Gewalt ist gut, da sie von Gott ist, der das höchste Gute ist, doch die Ausübung der Macht kann schlecht sein, was dann nicht von Gott ist, gemäß jenem Prophetenwort: Diese haben regiert, doch nicht aus mir, Fürsten standen auf, doch ich kann-
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Vgl. 1 Petr 2, 18; 13 f. 1 Petr 2, 18. 124 Rom 13, 2. 125 Vgl. Rom 13, 1. – Bezeichnende Einbeziehung der geistlichen und weltlichen „Wähler“ des Kaisers in die theokratische Ordnung. 126 Vgl. Matth 22, 21; Marc 12, 17; Luc 20, 25. 127 Decretales Gregorii IX: X 5. 33. 11 (Innozenz III. in älterer Rechtstradition). 128 Io 19, 10. 129 Vgl. Io 19, 11. 130 Der Glossator fügt an: De potestae autem tenebrarum, de qua Christus dixit in passione et de qua Apostolus ait in Epistola ad Colonicenses (Ed. verb. Colosenses) (I, 13), dicant theologi, quoniam non est meum ultra de hoc prosequi. – Über die Macht der Finsternis, über die Christus in seiner Passion spricht und der Apostel im Brief an die Colonizenser (Kolosser), mögen die Theologen handeln, denn es ist nicht meine Sache, solches weiter zu verfolgen. 123
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gnovi131 eos. Dicitur ergo bona, cum bene et iuste utitur, videtur autem mala, cum abutitur; sed et tunc potestas non est mala, sed abusio mala est. Sicut in corpore Christi dicitur ab apostolo: Qui indigne corpus Domini sumit, iudicium sibi manducat et bibit132. Corpus tamen Domini bonum est, sed indigna assumptio et acceptio mala dicitur, quod iudicium prestat indigne accipienti. Sic etiam potest dici in hiis, qui per simoniam accipiunt potestatem aliquam, unde acceptio dicitur mala, potestas tamen bona est, sed simoniaci abutuntur ea. Sicut etiam manifeste probatur in sacerdotali officio, quod bonum est, sed abusio est mala; quod est propter mali sacerdotis pollutionem. Unde etsi pollutus est sacerdos, sibi pollutus est; officium autem pollui non potest, quia a Deo est.133 Supradicte autem due principales potestates, scilicet Papa et Imperator, tenentur se ad invicem diligere et iuvare et in omnibus honorare et revereri, cum sint, ut dictum est, ab uno eodemque principio et factore, id est Domino Deo; et contenti esse debent quilibet terminis suis: ille scilicet in divinis et spiritualibus et hiis, in quibus utramque habet iurisdictionem; iste in temporalibus; nec alter 134in alterius messem falcem suam mittere134 debet sine permissu alterius, ut utramque viam digne et iuste incedentes humanum genus et eius iura ornentur et gubernentur iudicio, iustitia et equitate. CXXIX. De cognitione a potestatibus et aliis rectoribus habenda de se ipsis. Cognoscant igitur et manifeste sciant ex predictis potestates civitatum et aliorum locorum rectores se a Deo esse, et nulla inde excitatio de cetero mo-
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te sie nicht.131 Macht heißt also gut, wenn sie gut und gerecht gebraucht wird, sie erscheint schlecht, wenn sie missbraucht wird, aber auch in diesem Fall ist die Gewalt gut, schlecht ist der Missbrauch. Ähnlich ist es bei dem Leib Christi, in Bezug auf den der Apostel sagt: Wer unwürdig den Leib des Herrn empfängt, der isst und trinkt sich das Gericht.132 Der Leib des Herrn ist nämlich gut, doch der unwürdige Empfang heißt schlecht, weil er dem unwürdig Empfangenden das Gericht bereitet. Dies kann auch angewandt werden auf die, die irgendwelche Amtsmacht durch Simonie erwerben, der Empfang ist hier schlecht, die Amtsstellung gut, doch die Simonisten missbrauchen sie. Manifest zeigt sich dies im Bischofsamt, das als solches gut ist, wegen des Missbrauchs aber schlecht; dies liegt in der (simonistischen) Befleckung des schlechten Bischofs. Wenn ein Bischof also in solcher Weise befleckt ist, ist er es für seine Person; das Amt kann nicht befleckt werden, da es von Gott ist.133 Die oben genannten beiden grundlegenden Ordnungsmächte, Papst und Kaiser, werden gehalten, sich gegenseitig zu lieben, zu unterstützen, in allem zu ehren und zu respektieren, da sie, wie gesagt, von ein und demselben Grund und Schöpfer, nämlich von Gott dem Herrn, stammen; beide müssen mit den Grenzen ihrer Bereiche zufrieden sein: jener mit seiner Zuständigkeit im Göttlichen und Geistlichen und in jenen Sektoren, in denen er die zweifache Jurisdiktion hat, dieser mit seiner Zuständigkeit im Weltlichen; und der eine darf 134seine Sichel nicht in die Saat des anderen führen134 ohne dessen Erlaubnis, so dass, während sie beide ihren Weg würdig und gerecht gehen, das menschliche Geschlecht und seine Rechte geschmückt werden und gelenkt durch Recht, Gerechtigkeit und Billigkeit. 129. Über die den Podestà und anderen Kommuneregenten nötige Selbsterkenntnis. Aus dem vorher Gesagten mögen die Podestà der Städte und die Leiter anderer Körperschaften entnehmen und fest wissen, dass sie (in ihren Ämtern) von Gott sind, im Übrigen soll in ihren Herzen darum keine Besorgnis 131
Os 8, 4. Vgl. 1 Cor 11, 29. 133 Es findet sich ein signifikanter Reflex der Streitigkeiten des 11. und frühen 12. Jahrhunderts um die Investitur der Bischöfe. Der neuen kirchlichen Reformsicht begannen die traditionellen Praktiken beim Erwerb des Bischofsamtes (Abgaben, Taxen usw.) als Simonievergehen (Kauf geistlicher Würden) zu erscheinen. Die Differenzierung zwischen Amtsträger und Amt entspricht der pragmatischen Linie des Petrus Damiani, die gegen die rigorose Papst Leos IX. und Humberts durchgesetzt worden war. 134–134 Vgl. Deut 23, 25. 132
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veatur in cordibus eorum, et gladium habere ab ipso Domino Deo. 135Nec sine causa datus est eis gladius135 temporalis, quia 136ad vindictam malefactorum, ad laudem vero bonorum136. Ergo precipue Deum et 137equitatem habeant ante oculos137 suos, ut supra dictum est. Scituri138 pro certo, 138quod non magis alios iudicant, quam ipsi iudicabuntur138. 139Qua enim mensura messi fuerint, eadem remetietur eis.139
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entstehen, sie sollen erkennen, dass sie das Schwert von Gott dem Herrn selbst haben. 135Nicht ohne Grund ist ihnen das zeitliche Schwert gegeben,135 136 zur rächenden Bestrafung der Übeltäter, zur Belobigung der Guten136. Vor allem also sollen sie Gott und 137die Gerechtigkeit vor Augen haben,137 wie oben dargelegt ist: 138im sicheren Wissen, dass sie nicht mehr über andere richten als sie selbst gerichtet werden.138 139Mit dem Maß nämlich, mit dem sie gemessen haben, werden sie einst gemessen werden.139
135–135
Vgl. Rom 13, 4; s. Anm. 136. 1 Petr 2, 14. Äußerst wichtig ist, dass die theologisch-ontologischen Grundsetzungen von Papst, Kaiser, geistlichen und weltlichen Fürsten nun auf die kommunalen Herrschaftsträger ausgedehnt werden. Ihre Hereinnahme in das theokratische Ordnungsgefüge verdeutlicht der Kopist/Glossator, indem er Rom 13, 4 (s. Anm. 135) voll ausschreibt. 137–137 Vgl. CIC Dig. XIII, 4, 4. 138–138 CIC Cod. III, 1, 14 (2). 139–139 Vgl. Marc 4, 24; Luc 6, 38; s. auch Matth 7, 2. 136–136
C SPIEGEL UNTER DEM EINFLUSS DER WANDLUNGEN IM HOCHMITTELALTER: ENGLAND UND UMKREIS DER FRANZÖSISCHEN MONARCHIE
6 Johannes von Salisbury und Helinand von Froidmont Im Regentenspiegel des Johannes von Viterbo zu konstatierende Elemente säkularer Staats- und Herrschaftsdeutung – eine breite Rezipierung des römischen Rechts, die weite Fundierung der Herrschaftsethik mit paganen Autoren und auch in Ansätzen eine säkulare Organismusdeutung des Staates, besonders seines Hauptes – waren im wesentlichen unbeeinflusst von jenen, die in den zeitlich vorausliegenden großen Wandlungen in England und im Umkreis der französischen Monarchie programmatisch entwickelt worden waren. Johannes von Salisbury (1115/20 –1180) ist mit seinem 1159 publizierten Werk Policraticus zu nennen, sodann der französische Zisterzienser Helinand von Froidmont (um 1170 – nach 1229) mit seiner wohl um 1200 im Auftrag König Philipps II. August geschaffenen Ausarbeitung De constituendo rege, einer Exegese des Buches Deuteronomium im Rahmen seiner Chronik. In beiden Fällen handelt es sich nicht um Königs- oder Fürstenspiegel im eigentlichen Sinn. Gleichwohl verdienten einige Texte vorgestellt zu werden. Aus Raumgründen muss hier ein kurzer Verweis genügen. Bahnbrechend war die Aufnahme der säkularen Körpermetapher aus der Plutarch zugeschriebenen Schrift Institutio Traiani: Der Staat ist danach rechtlicher und politischer Organismus mit dem Princeps als Haupt und den Funktionsträgern bis zu dem Volk (Bauern) als Gliedern (Kloft, frg. I S. 8 f.; II S. 10 f.; XI S. 26 [partiell]; XIII S. 28: Johannes v. S., Pol. V, Prol. und V, 1 S. 280 – 282; V, 2 S. 282 – 284; VI, 20 S. 58 f.; VI, 25 S. 73 f.; Helinand, Chron. XI, 38 p. 283b, p. 284b, p. 287a, p. 286a [PL 212, Sp. 740A], p. 292b). Große Nachwirkung hatten vier Grundmaximen der Herrschaftsethik (reverentia Dei, cultus sui, disciplina officialium et potestatum, affectus et protectio subditorum – Verehrung Gottes, Vervollkommnung der eigenen Person, Disziplin der niederen und höheren Amtsträger, Zuneigung zu den Untertanen [bes. niederen Schichten] und deren Schutz) (Kloft, frg. III S. 13 f.; Johannes v. S., Pol. V, 3 S. 284 f.; Helinand, Chron. XI, 38 p. 285b, p. 286a [PL 212, Sp. 739D, 740D]). Anzuführen sind noch die Komplettierungen des organologischen Modells mit einer am Herrscher als Arzt und Tutor ausgerichteten paganen Herrschaftsethik nach einem gewissen Lucius und Pseudo-Plato (Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 258/ 259; V, 7 S. 308; Helinand, Chron. XI, 38 p. 283b und 284a). Die weitführenden Perzipierungen sind ergänzt um eigene Kombinationen scheinbar widersprüchlicher Natur, die jedoch im höheren System aufgehoben sind: Der Princeps ist Abbild göttlicher Majestät und öffentliche Gewalt (potestas publica), er ist nach römischer Rechtstradition über dem Gesetz (legis nexibus absolutus), doch in Korrespondenz damit Diener des gemeinen Wohls und Knecht der Gerechtigkeit (publicae utilitatis minister et aequitatis servus) (Johannes v. S., Pol. IV, 1 S. 232; IV, 2 S. 234; dazu IV, 1 S. 233; s. Helinand, Chron. XI, 38 p. 284b, Johannes von Salisbury und Helinand von Froidmont
Johannes von Salisbury und Helinand von Froidmont
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p. 288b–289a, p. 291a, p. 293b, p. 294a), eine Art subsidiärer Gesellschaftsvertrag verbindet ihn mit den Unterschichten (Kloft, frg. XI S. 26 = Johannes v. S., Pol. VI, 20 S. 59).
Ed.: de Poorter. Dortige Siglen BPO. – Kollationiert mit R
VII Gilbertus de Tornaco a Eruditio regum et principuma 1
Gilbert von Tournai
Iste libellus, qui dicitur eruditio regum et principum,2 fundatur super quatuor, quae sunt necessaria principibus:2 3reverentia Dei, diligentia sui, disciplina debita potestatum et officialium, affectus et protectio subditorum3, et continet tres epistolas.
a–a
B, regule regum Gilberti R, fehlt P.
7 Gilbert von Tournai Belehrung der Könige und Fürsten1
Belehrung der Könige und Fürsten
Dieses kleine Werk, das „Belehrung der Könige und Fürsten“2 heißt, basiert auf vier Grundlagen, die für Herrscher2 notwendig und unerlässlich sind: 3Verehrung Gottes, Sorge um Vervollkommnung der eigenen Person, die nötige Disziplin der höheren und niederen Amtsträger, Zuneigung zu den Untertanen und deren Schutz,3 und enthält drei Briefe. 1 Der Titel Eruditio regum et principum (Belehrung der Könige und Fürsten) führt die Tradition fort, in der die Herrscherspiegel ursprünglich Lehrcharakter hatten, gerichtet in der Regel an jugendliche Herrscher (Jonas von Orléans, Sedulius Scottus, späte Spiegel Hinkmars von Reims, Gottfried von Viterbo). Diese Funktion übernahmen nun die gesonderten Erziehungsspiegel; s. Einleitung S. 6, S. 29 Anm. 68. Das Werk wird auch aufgefasst als Regula(e) regum – „Richtnorm(en) der Könige“; s. R fol. 294r; vgl. auch Hs. Paris BN lat. 15451, fol. 228v. Der Leitbegriff wird konkret gefüllt mit der Vorstellung und Auslegung des alttestamentlichen Königsgesetzes (Deut 17, 14 – 20): s. I, 2 c. 1 S. 297 f.; I, 2 c. 2 (de Poorter S. 13). Der dipositionelle Ansatz wird von Gilbert noch einmal in seiner Reformschrift für das Konzil von Lyon 1274 verdeutlicht, wo ebenfalls Deut 17, 14 – 20 als Regula regum für König und übrige Fürsten genannt ist: Gilbert, Collectio S. 58 (c. 20). Einen eigenen Fürstenspiegel integriert sieht dort Le Goff, Jacques: Saint Louis. Paris 1996 (Bibliothèque des Histoires), S. 410 f. 2 Während der Autor principes als Oberbegriff (Herrscher) setzt, differenziert er im Titel zwischen reges et principes (Könige und Fürsten), den Trägern der monarchischen Vollgewalt und den Inhabern partikularer, in der Regel territorialer Herrschaft. 3–3 Der Autor schließt sich weitgehend an die Institutio Traiani (Johannes v. S., Pol. V, 3 S. 284 – Kloft, frg. III S. 13) an. Cultus sui (Vervollkommnung der eigenen Person) ist durch diligentia sui (Sorge um Vervollkommnung der eigenen Person) ersetzt, bei den Staatsbeamten sind anders als in der Institutio die höheren vor die niederen gesetzt. (Man vgl. die Skizzierung in Gilbert, Collectio S. 58: Dei reverentia, sui diligens custodia, disciplina debita potestatum et officialium, affectus et protectio subditorum.) Zu Unrecht verweist der Gilbert-Herausgeber de Poorter (Einleitung S. X) auf das Speculum doctrinale des Vinzenz von Beauvais VII, 15 – 33 als Grundlage, das seinerseits Auszug aus Helinand von Froidmont, Chron. XI, 38 ist; die einschlägige Stelle dort: p. 285b, p. 286a (PL 212, Sp. 739D, 740D). Gegen eine Verwendung Helinands als Vermittlerquelle und für direkten Rückgang Gilberts auf Johannes von Salisbury: Elsmann, Thomas: Untersuchungen zur Rezeption der Institutio Traiani. Ein Beitrag zur Nachwirkung antiker und pseudoantiker Topoi im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Stuttgart, Leipzig 1994 (Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 33), S. 44.
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In prima agitur de reverentia Dei et diligentia sui. In secunda de disciplina debita potestatum et officialium. In tertia de affectu et protectione subditorumb.4 … I. cPrima epistola, in qua agitur de reverentia Dei et diligentia suic. I, I c. 1 dPrologus primae epistolaed. Clementissimo domino suo Ludovico, Dei gratia illustrissimo regi Francorum,5 frater Gilbertuse de Tornaco, de regno momentaneo migrare feliciter ad aeternum. Gratias ago gratiarum omnium gratuito largitori, quod gratanter auditis ea, quae sunt necessaria vel aedificant ad salutem. Mentem euim assiduis curarum decisionibus occupatam interdum abstrahitis, ut eam sacrae meditationis aut lectionis aut collationis aliquantisper adipe saginetis. Sufficiat diei militia6 vel malitia6 sua, ut, dum dies diei eructat lites, secernat dominus rex
b
Fehlt R. Fehlt Hss. d–d Fehlt RP, so auch die weiteren Kapitelrubren. – Am Schluss dieser Hss. steht: Obsecro autem eos, qui has tres lecturi sunt epistolas sive librum istum, ut superliminares (superliniares R) titulos in principio libri apponant, ut ea, quae continentur in eo et in consequentibus (convenientibus P) scribuntur (scribunt R) capitulis, evidentius videant et agnoscant. – Ich fordere die auf, die diese drei Briefe oder dieses Buch lesen, dass sie die Kapitelüberschriften an den Anfang des Werks setzen, damit man klar sehen und erkennen kann, was darin enthalten und in den folgenden Kapiteln geschrieben ist. e Guibertus B. c–c
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Im ersten wird die Verehrung Gottes und die Sorge um die Vervollkommnung der eigenen Person behandelt. Im zweiten die nötige Disziplin der höheren und niederen Amtsträger. Im dritten die Zuneigung zu den Untertanen und deren Schutz.4 … I. Erster Brief, in dem die Verehrung Gottes und die Vervollkommnung der eigenen Person behandelt wird. I, 1 c. 1 Vorrede zum ersten Brief. Seinem allergnädigsten Herrn Ludwig, durch Gottes Gnade hochberühmten König der Franken,5 Bruder Gilbert aus Tournai, mit dem Segenswunsch auf glückliche Wanderschaft vom Königreich im Diesseits zum ewigen Reich. Dank sage ich dem freigebigen Schenker aller Gnade, dass Ihr gnädig das aufnehmt, was notwendig ist und was zum ewigen Heil auferbaut. Euren Geist zieht Ihr bisweilen von den Sorgen und Entscheidungen in Staatsgeschäften, mit denen er unablässig beschäftigt ist, ab, damit Ihr ihm die Nahrung heiliger Meditation, heiligen Lesens oder des Gebetes zuführt. Die Sorge des Tages um die Staatsverwaltung6 und deren Tücke6 soll genug sein,
Elsmann S. 51 f. weist darauf hin, dass Gilbert nach einem Zitat in seinem Werk De modo addiscendi (I, 1 S. 60) die Institutio Traiani als selbständige Schrift unabhängig von Johannes von Salisbury führt: Plutarchum de instructione Traiani, …, Iohannem Policraticum. 4 Die eigene Gestaltung des Autors zeigt sich in der Aufteilung der thematischen Bereiche auf die drei Briefe. Der erste ist zweigeteilt. Im ersten Teil ist die Gottesverehrung behandelt (I, 1, c. 1– 4), im zweiten die Thematik der Vervollkommnung des eigenen Ich des Monarchen mit dem abschnittsweise ausgelegten alttestamentlichen Königsgesetz als „Richtnorm des Königs“ (I, 2, c. 1–12). Der zweite Brief ist nach der Materie der notwendigen Disziplin der höheren und niederen Staatsbeamten und Herrschaftsträger unterteilt. Im ersten Abschnitt ist das Thema nach einem grundsätzlichen Prolog auf die erwähnte Schicht und die gesamte Untertanenschaft appliziert, wobei ein Tableau der Geißelung von Missständen der höfischen Gesellschaft entfaltet ist (II, 1 [c. 1] Prolog; c. 1–17), parallel dazu stehen im zweiten Teil zehn Kapitel über den herrscherlichen Vollzug der Gerechtigkeit (II, 2, c. 1–10). Im dritten Brief ist in sieben Kapiteln das Thema „Zuneigung zu den Untertanen und deren Schutz“ behandelt (III, c. 1–7). 5 Adressat ist König Ludwig IX. (1225 –1270) von Frankreich. Die Franzosen des 13. Jh. betonen ihre ethnische Identität mit den Franken; s. Vinzenz Anm. 5. 6 Das lateinische Wortspiel militia (Militär, Bürokratie, Verwaltung) – malitia (Bosheit, Tücke, Intrige) ist im Deutschen nicht adäquat wiederzugeben.
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temporis partem aliquotam, in qua cotidie mentem inveniat feriatam. Sic remigantes in mari gaudenter in portu se colligunt, ne trahantur semper ab aquis, volatilia nidos repetunt, latibula ferae. Sancti vero conscientiarum archana rimantes, dum revertuntur ad propria, velut in cubilibus conquiescunt, sicut scriptum est: Exultabunt sancti in gloria, laetabuntur in cubilibus suis7. Audiat igitur, obsecrof, Vestra Serenitas, quod in vestrae salutis sollicitudinem pauperis servi vestri, sed et filii servorum vestrorum a progenitoribus, affectuosa et utinam fructuosa devotio parturivit. Nam etsi vires non suppetant ad effectum8, si voluntatem scribentis pensaverit et affectum8, meum forsan excusabit faciliter inperfectum8. Fungens9 igitur 9vice cotis9 obtusae, 9quae ferrum exacuit,9 quod sine fictione didicig, sine adulatione Vestrae communico Maiestati. I, I c. 2 Secundum capitulum, in quo agitur de reverentia Dei. Regibus igitur atque principibus10 IIIIor mihi videntur necessaria ad salutem: 11Dei reverentia, sui diligentia, disciplina debita potestatum et officialium, affectus et protectio subditorum11. Reverentia Deo spiritualiter et corporaliter exhibetur. Scilicet spiritualiter, cum affectu mentis fideliter colitur et effectu operis efficaciter honoratur. Corporaliter vero, cum locis sanctis et eis, quae piis dedicata sunt usibus, cum personis ecclesiasticis et eorum privilegiis emunitas custoditur.12 Ad hoc
f g
Fehlt B. Fehlt R.
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dass, wenn der Tag die Kämpfe des Tages ausstößt, der Herr einen gewissen Teil seiner Zeit abtrennt, um dabei täglich seinen Geist unbeschwert und frei zu finden. So begeben sich die Ruderleute auf dem Meer unbeschwert in den Hafen zurück, um nicht stets vom Wasser getrieben zu werden, so suchen die Vögel ihre Nester auf, die wilden Tiere ihre Schlupfwinkel. Die heiligmäßigen Männer ruhen wie in Ruhegemächern, wenn sie, die Geheimnisse ihres Gewissens erforschend, zu ihrem eigenen Selbst zurückkehren, gemäß dem Schriftwort: Die Heiligen werden im Ruhme jauchzen, sie werden sich freuen in ihren Gemächern.7 Eure Erhabenheit geruhe also bitte zu hören, was in Sorge um Euer Heil die sich hingebende und umso fruchtbarere Ergebenheit Eures armen Dieners, auch des Sohnes Eurer Diener von den Vorfahren her, hervorgebracht hat in geistigem Gebären. Denn wenn auch die Kräfte nicht reichen zu großem Erzeugnis8, wird die Ergebenheit, wenn sie Willen und Zuneigung8 des Schreibenden abwägt, vielleicht unschwer mein unvollkommenes Werk8 entschuldigen. So will ich gleichsam9 als abgestumpfter Wetzstein9, der das 9Eisen schärft, dienen,9 und was ich ohne Verstellung aufgenommen habe, will ich ohne Schmeichelei Eurer Majestät mitteilen. I, 1 c. 2 Zweites Kapitel, in dem die Gottesverehrung behandelt wird. Für Könige und Fürsten10 scheinen mir vier Grundlagen zu ihrem Heil notwendig: 11Verehrung Gottes, Sorge um Vervollkommnung der eigenen Person, die nötige Disziplin der höheren und niederen Amtsträger, Zuneigung zu den Untertanen und deren Schutz.11 Verehrung wird Gott geistlich und körperlich dargebracht. Geistlich nämlich, wenn er mit Hingabe des Geistes gläubig verehrt und mit der entsprechenden Tat wirksam geehrt wird. Körperlich aber, wenn heiligen Orten und Gegenständen, die zu frommen Zwecken geweiht sind, mit den kirchlichen Personen und ihren Privilegien der besondere Schutz der Immunität bewahrt wird.12 Zu diesem Zweck sind in breiter Form außer den Zeugnis7
Ps 149, 5. Wortspiel mit Binnenreim im Lateinischen. 9–9 Vgl. Horaz, De arte poetica 304 f. 10 Zu reges et principes s. Anm. 2. 11–11 Zum Aufscheinen der Vorlage bei Johannes von Salisbury und Helinand s. Anm. 3. 12 Die Stelle inhaltlich und z. T. auch in der Formulierung analog zu Helinand, Chron. p. 286b; 286bf. (PL 212, Sp. 740D); schwächer ist der Anklang an Johannes v. S., Pol. V, 3 S. 286; V, 4 S. 289. Gilbert nennt in Collectio S. 58 als Inhalt der Gottesverehrung Schutz heiliger Orte, Sachen, Personen, Immunität. – Die klassische Form 8
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ipsum praeter Scripturae sacrae testimonia patent latius regum et principum instituta, quae fidem catholicam venerantur et approbant et locorum venerabilium cum personis privilegia universa confirmant. Sic reges13 olim, sic vestri progenitores specialiter, iuxta vaticinium Ysaiae sanctam 13ecclesiam nutrierunt et regiis uberibus lactaverunt.13 Quod autem 14de manu ecclesiae princeps gladium accipit,14 eumdem 14ecclesiae ministrum14 ostendit, quae, 14 cum gladium sanguinis omnino non habeat, eo tamen utitur per manum principis, cui contulit corporalem potestatem spiritualium sibi in pontificibus auctoritate servata.14 …
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sen der Heiligen Schrift die Anordnungen von Königen und Fürsten vorhanden, die dem katholischen Glauben Verehrung bezeugen und ihn stützen und die Privilegien für verehrungswürdige Orte und Institutionen in ihrer Gesamtheit befestigen und bekräftigen. So haben die Könige13 einst, so haben in besonderer Weise Eure Vorfahren nach der Weissagung des Propheten Jesaja 13die heilige Kirche genährt und ihr Milch aus königlicher Brust gespendet.13 Dass aber 14der Herrscher aus der Hand der Kirche das Schwert empfängt,14 zeigt, dass er 14Diener der Kirche14 ist, die, 14da sie das Schwert zum Ausführen der Blutgerichtsbarkeit nicht in irgendeiner Weise besitzt, dieses durch die Hand des Herrschers gebraucht, dem sie die Gewalt über die Körper übertrug, die Autorität über die geistlichen Belange aber für sich in Gestalt der Bischöfe reservierte.14 Die beiden folgenden Kapitel (I, 1 c. 3, c. 4) dienen mit Hilfe der Heiligen Schrift und der heidnischen Historiographie der Demonstration, dass mangelnde Gottesverehrung Herrschern den Verlust ihrer Reiche brachte. Das erste zeigt weithin Analogie zu Johannes v. S., Pol. IV, 3 S. 236 – 238 und bietet eine anscheinend Gilbert eigene breite Reihe alttestamentlicher Königsexempla. Zentrale Bedeutung hat eine Ausführung, in der ein längerer Diskurs bei Johannes (Pol. IV, 3 S. 237 f.; ein knapper Ausschnitt auch bei Helinand p. 286a) verknappt und auf die Pflicht herrscherlicher Gottesverehrung akzentuiert ist: Ceterum etsi maior sit, qui benedicit, eo, qui benedicitur, si tamen princeps susceptum ministerium reverenter gesserit, tanta sibi est exhibenda reverentia, quantum caput ipsum omnibus membris corporis antecellit. Tunc autem reverenter geritur, cum suae conditionis non immemor universitatis subditorum se personam gerere recordatur et vitam suam Deo et subditis propter Deum meminit se debere et eam illis ordinata distribuit caritate. – Und obschon übrigens der Weihende größer ist als der, der geweiht wird, ist dem Herrscher, wenn er sein übernommenes Amt gottesfürchtig führt, eine Verehrung in dem Maße darzubringen, als das Haupt die anderen Glieder des Körpers überragt. Dann aber wird es gottesfürchtig geführt, wenn der Herrscher, seine natürliche Grundsituation nicht vergessend, sich stets vergegenwärtigt, dass
der spätantiken Immunität hatte bestimmte Vorrechte im Steuerwesen für einzelne Personen zum Inhalt. Ab dem früheren Mittelalter ist sie Rechtsinstitut für (besonders kirchliche) Institutionen, für Klöster und Bischofskirchen. Ab dem hohen Mittelalter ist mit ihr das an sich gesonderte Institut des Kaiserschutzes verbunden. 13–13 Von Is 11, 8 her ist eine Formulierung gebildet, die in den Akten der fränkischen Synode von Yütz (Oktober 844) aufscheint (wie Hinkmar Anm. 109; hier S. 33 Z. 27). Zu ihr weist die obige Stelle klarere Parallelen als zum Grundtext des Propheten auf. 14–14 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 3 S. 236. Zum gladius potestatis (Schwert der Blutgewalt) beim weltlichen Herrscher s. Gilbert II, 2 c. 8 (de Poorter S. 77) (vgl. II, 1 c. 2 S. 355); die klassische Zweischwerterlehre (Luc 22, 38) des hohen und späten Mittelalters bei Gilbert II, 2 c. 7 S. 419 f.
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I, II Secunda pars primae epistolae, ubi agitur de diligentia sui. I, II c. 1 Capitulum primum, in quo proponitur regula regum15 cum expositione huius partis: Rex non multiplicabit sibi equos16. In quo agitur de venatione et aucupio et alea et pugna dardana. Tempus est, ut post reverentiam Dei de personali diligentia breviter disseratur et in medium regum regula proferatur et in rege multitudo principum informetur.17 Et 18ne se principes solutos legibus opinentur, audiant,18 quid in Deuteronomio conscribatur: Cum ingressus fueris terram, quam Dominus Deus tuus dabit tibi, // et dixeris: „Constituam super me regem, sicut habent omnes per circuitum nationes“, eum constitues, quem Dominus Deus tuus elegerit de numero fratrum tuorum. // Cumque fuerit constitutus, non multiplicabit sibi equos nec reducet populum in Egyptum equitatus numero sublevatus. // Non habebit uxores plurimas, // neque argenti et auri immensa pon-
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er die Person der Gesamtheit der Untertanen darstellt, und wenn er sich daran erinnert, dass er sein Leben Gott und den Untertanen Gottes wegen schuldet und wenn er es für sie in bewusster Liebe einsetzt. – I, 1 c. 4 knüpft thematisch an Giraldus Cambrensis (wie Vinzenz Anm. 19) I, 17 S. 71 f. sowie Johannes v. S., Pol. VIII, 19 S. 365 – 369 an, wobei die starken Gemeinsamkeiten mit Johannes anscheinend auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen.
I, 2 Zweiter Teil des ersten Briefs, in dem die Vervollkommnung der eigenen Person behandelt wird. I, 2 c. 1 Erstes Kapitel, in dem die Richtnorm der Könige15 vorgestellt wird mit Auslegung des folgenden Teils: Der König soll die Zahl seiner Pferde nicht vermehren.16 Speziell geht es dabei um Jagd und Vogelfang, um Würfelspiel und um Trojanischen-Krieg-Spielen. Es ist an der Zeit, dass nach Behandlung der Gottesverehrung kurz über die Vervollkommnung der eigenen Person (des Herrschers) gehandelt wird, dabei soll die Richtnorm für die Könige in den Mittelpunkt gerückt werden, und in der Figur des Königs soll die Gesamtheit der Herrschenden moralisch unterwiesen werden.17 Und 18damit die Herrscher nicht glauben, sie seien von den Gesetzen gelöst, sollen sie hören,18 was im Buch Deuteronomium festgeschrieben ist: Wenn Du das Land betreten hast, das Dir der Herr Dein Gott geben wird, // und Du gesagt hast: „Ich möchte über mich einen König setzen, wie ihn alle Völker im Umkreis haben“, dann sollst Du den als König einsetzen, den der Herr Dein Gott Dir aus der Schar Deiner Brüder ausgewählt hat. // Wenn er eingesetzt ist, soll er die Zahl seiner Pferde nicht vermehren, und er soll das Volk nicht wieder nach Ägypten zurückführen, von Stolz geschwellt über die Zahl seiner Reiterei. // Er soll nicht viele Frauen haben, // auch nicht ungeheure Mengen Silber und Gold. Wenn er sich aber auf den Thron seines Reiches gesetzt hat, soll er sich eine Abschrift dieses 15
Zu regula regum – Richtnorm der Könige s. Anm. 1. Der Begriff ist eigene Prägung und Zentralwert Gilberts; s. auch I, 2 c. 2 (de Poorter S. 13). Er steigert die Vorstellung vivendi formula des Johannes v. S. (Pol. IV, 4 S. 241), dessen Text allgemein (s. Anm. 19) das Grundgerüst bietet. Gilbert setzte schon für die erwähnte Wendung vivendi forma (I, 2 c. 1 de Poorter S. 10). 16 Deut 17, 16; zum Zusammenhang s. Anm. 19. 17 Die Wendung von der persönlichen Paränese zu der an die Gesamtheit der Herrscher begegnet häufiger. Johannes von Viterbo schlug noch entschiedener die Brücke von dem anvisierten Podestà von Florenz zu dem Stand der Kommuneregenten; s. Johannes v. V. S. 231 f. 18–18 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 4 S. 241, dessen allgemeine Aussage hier mit Verlegung in die Selbstdeutung der Herrscher intensiviert ist.
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dera. Postquam autem sederit in solio regni sui, describet sibi deuteronomium legis huius in volumine accipiens exemplar a sacerdotibus Leviticae tribus et habebit secum legetque illud omnibus diebus vitae suae, ut discat timere Dominum Deum suum. // Nec elevetur cor eius in superbiam super fratres suos neque declinet in partem dextram vel sinistram, ut longo tempore regnet ipse et filius eius super Israel19. … I, II c. 2 Secundum capitulum, de expositione huius partis: Nec reducet populum in Egiptum20, et litteraliter et spiritualiter, ubi agitur de captione regis Franciae.21 I, II c. 3 Capitulum tertium, de expositione huius: Non habebit uxores plurimas22. I, II c. 4 Quartum capitulum, de expositione huius: Non habebit rex argenti et auri immensa pondera23.
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Gesetzes schreiben lassen in einem Band, wofür er ein Exemplar von den Priestern des Stammes Levi erhält; und dieses soll er alle Tage seines Leben bei sich tragen und es lesen, damit er lernt, den Herrn seinen Gott zu fürchten. // Und er soll sein Herz nicht in Hochmut über seine Brüder erheben, er soll nicht zur rechten und nicht zur linken Seite hin abweichen, damit er und sein Sohn lange Zeit über Israel herrschen.19 … I, 2 c. 2 Zweites Kapitel, zur Auslegung des Teilstücks: Und er soll das Volk nicht nach Ägypten zurückführen,20 dem Buchstaben und dem geistlichen Sinn nach, in dem auch gehandelt wird über die Gefangennahme des Königs von Frankreich.21 I, 2 c. 3 Drittes Kapitel, zur Auslegung des Verses: Er soll nicht viele Frauen haben.22 I, 2 c. 4 Viertes Kapitel, zur Auslegung des Verses: Er soll nicht ungeheure Mengen Silber und Gold haben.23
19 Deut 17, 14 – 20 – Die gesamte Zitation analog zu Johannes v. S., Pol. IV, 4 S. 241, der Deut 17, 14 – 20 ganz ausschreibt wie der ihm wohl folgende Helinand, Chron. XI, 38 p. 282a–284b (= Vinzenz, Spec. doct. VII, 16 –19 Sp. 568 – 570). – Im weiteren, nicht präsentierten Gang entspricht Gilbert zunächst Johannes v. S., Pol. IV, 4 S. 242 f. (mit Umstellungen und Verknappungen). Die Wendung des Gedankens zu Kriegführung, Jagd, Vogelfang und Trojakrieg-Spielen in umfangreicher Ausführung ist Gilberts eigene Leistung. 20 Deut 17, 16. 21 Gilbert geht in der spirituellen Deutung vom Text bei Johannes v. S., Pol. IV, 4 S. 243 (s. Helinand, Chron. XI, 38 p. 282a [= Vinzenz, Spec. doct. VII, 16 Sp. 568], mit dem er einen gegenüber Johannes verknappten Auszug aus Claudian gemeinsam hat) aus. Lag Gilbert ein verknüpfender Auszug vor? In Gilbert, Collectio S. 58 ist Selbstachtung und -lenkung Beispiel für die Untertanen gemäß Claudian. – Die umfangreichere Exegese nach dem Wortsinn gestaltet Gilbert selbst und bringt die Expedition König Ludwigs IX. in das Heilige Land. 22 Deut 17, 17 – Johannes v. S., Pol. IV, 5 S. 244 – 247 – Helinand, Chron. XI, 38 p. 282b (= Vinzenz, Spec. doct. a. a. O.) – Gilbert stellt seine Ausführung analog zu den beiden Texten zusammen und gestaltet frei weiter. 23 Deut 17, 17 – Johannes v. S., Pol. IV, 5 S. 244 (nach diesem auch Helinand, Chron. XI, 38 p. 282b–··283a). Konkrete Wendung und Ausgestaltung mit eigenem historischem Vergleichsmaterial durch Gilbert. Der Auszug etwas anders gefügt: Gilbert, Collectio S. 58.
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I, II c. 5 Quintum capitulum, de expositione huius: Postquam sederit in solio regni sui, describet sibi deuteronomium24, etc. Sequitur in regula regis: Postquam sederit in solio regni sui, describet sibi deuteronomium legis huius in volumine24. In hiis verbis astruitur, quia 25rex, qui sedet in solio iudicii, si malum intuitu suo satagit dissipare,25 ei scire sacras litteras esse necesse.26 Hiis regnum regitur, ab hiis leges legitimae derivantur. Nam si respublica regenda est, si praelia committenda sunt, si castra metanda, si machinae erigendae, si renovandi aggeres, si propugnacula facienda, si quies libertatis, si cultus iustitiae, si reverentia legum, si finitimarum gentium amicitiae sunt servandae, libri haec omnia erudiunt ad perfectum. Quis enim Vegetium Renatum27 non habeat, si castra vel civitates tueri vel obsidere disponat? Plantat Palladius,28 aedificat Vitruviush,29 mensurat Euclides,30 dividit Socrates,31 explicat Plato,32 implicat Aristoteles,33 blanditur Eschines,34 Demosthenes35 irascitur, Cato36 isuadet, Appius37 dissuadet,
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Ed., Verrunius R, Vectranius B.
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I, 2 c. 5 Fünftes Kapitel, zur Auslegung des Teilstücks: Wenn er sich auf den Thron seines Reiches gesetzt hat, soll er sich eine Abschrift dieses Gesetzes schreiben lassen24 usw. Es folgt in der Richtnorm des Königs: Wenn er sich auf den Thron seines Reiches gesetzt hat, soll er sich eine Abschrift dieses Gesetzes schreiben lassen in einem Band.24 Mit diesen Worten wird hinzugefügt, dass es für den 25 König, der auf dem Thron der Gerechtigkeit sitzt, wenn er das Ruchlose mit seinem Blick vernichten kann,25 nötig ist, die heiligen Wissenschaften zu kennen.26 Durch diese wird das Reich gelenkt, von diesen werden die rechtmäßigen Gesetze abgeleitet. Denn wenn der Staat zu regieren ist, wenn Kämpfe aufzunehmen, wenn Feldlager abzustecken, Kriegsmaschinen aufzustellen, wenn Dämme zu erneuern, Bollwerke anzulegen sind, wenn für die Freiheit befriedete Ruhe herzustellen ist, die Pflege der Gerechtigkeit, die respektvolle Beachtung der Gesetze, wenn mit den benachbarten Völkern Freundschaften zu bewahren sind, dann führen die folgenden Bücher dies alles zur Überhöhung und Vollendung. Wer nähme nicht Vegetius Renatus27 zur Hand, wenn er sich anschicken will, Lager und Städte zu verteidigen oder zu bestürmen? Palladius28 gibt Rat für die Landwirtschaft, Vitruv29 für das Bauen, Euklid30 für geometrisches Maßnehmen, Sokrates31 zerteilt logisch, Plato32 entfaltet analytisch, Aristoteles33 fügt in Synthese zusammen, mit schmeichelnder Rhetorik lockt Aeschines,34 24 Deut 17, 18 – Wesentliche Grundlage des Folgenden: s. bei Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 247– 254 (s. Helinand, Chron. XI, 38 p. 283a–b, mit teils anders gesetzten Ausschnitten). Gilberts eigene Ausführung wird deutlich. Im Folgenden der erste Abschnitt nicht nach den sonst erkennbaren oder zu vermutenden Vorlagen. 25–25 Vgl. Prov 20, 8. 26 Anklang Helinand, Chron. XI, 38 p. 283a. 27 Flavius Vegetius Renatus, um 400 n. Chr., gefragter Autor eines Werks über das Militärwesen (Epitoma de re militari). 28 Rutilius Taurus Aemilianus Palladius, 4. Jh. n. Chr., Landwirtschaftsschriftsteller (Opus agriculturae). 29 M. Vitruvius (Pollio?), Ende 1. Jh. v. Chr., berühmter Architekt und Verfasser des Augustus gewidmeten Werkes De architectura. 30 Euklides, um 300 v. Chr., Mathematiker zu Alexandria. 31 Sokrates, 469–399 v. Chr., der berühmte Philosoph in Athen; angespielt ist auf die sokratische Methode philosophischen Fragens. 32 Plato, 427–347 v. Chr., berühmter Schüler des Sokrates, Begründer der Schule der Akademie (akademische Skepsis). 33 Aristoteles, 384–322 v. Chr., aus Stagira, Schüler des Plato, Begründer der peripatetischen Schule. 34 Aeschines, geb. 389 v. Chr., berühmter Redner in Athen und Gegner des Demosthenes.
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Tulliusi38 persuadet. Ex quibus formatur modus loquendi pariter et in eis aliquando dantur exempla vivendi. Sed quia nec licet nec decet reges in talibus occupari,39 ideo producamus reges, et tales, quibus debeant conformari. 40Procedant igitur de castris Israel David, Ezechias et Iosias40, qui se in sacris litteris exercentes et legem Domini servaverunt et servandam posteris reliquerunt. Procedant de Evangelio principes Christiani 41Constantinus, Theodosius, Iustinianus et Leo, quorum exempla41 et facta 41principem possunt instruerek Christianum41, immo quorum verba41 et dicta sunt maxima 41incitamenta virtutum41. Quasi enim de informi mundum alterum formaverunt, dum 42sacratissimis et enucleatis
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Fehlt R. instituere R.
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Demosthenes35 schreckt ab mit Donnerrede, Cato36 rät in der Rede zu, Appius37 liefert das Beispiel abratender Rede, Tullius38 das der zuratenden. Mit den letzteren Beispielen wird in gleicher Weise Duktus und Form der Rede dargelegt, in den ersteren werden bisweilen Anweisungen für das Leben erteilt. Doch da es nicht erlaubt und ziemlich ist, dass Könige sich mit solchem abgeben,39 wollen wir Könige aufmarschieren lassen, und zwar solche, denen sie sich angleichen sollten. 40Aus dem Feldlager Israels sollen also hervorkommen David, Hiskija und Josias,40 die sich in heiligen Wissenschaften übten, das Gesetz des Herrn bewahrten und ihrer Nachwelt zur Bewahrung weitergaben. Hervorkommen sollen die dem Evangelium gemäß christlichen Herrscher 41Konstantin, Theodosius, Justinian und Leo, deren Beispiele41 und Taten 41den christlichen Herrscher belehren können41, ja deren Worte41 und Taten größte 41Anreize zu den Tugenden41 sind. Sie haben aus dem Ungeformten gleichsam eine andere Welt geformt, indem 42sie durch heiligste und reinste Gesetze den Erdkreis selbst gleichsam als einen Tempel der Gerechtigkeit geheiligt haben.42 Wir wollen hinzufügen den 35
Demosthenes, 384–322 v. Chr., berühmtester athenischer Redner, Verteidiger der griechischen Freiheit gegen König Philipp von Makedonien. 36 M. Porcius Cato, 235 –147 v. Chr., Autor und Redner mit strengem sittlichem Urteil, berühmt auch durch den Rat zur Zerstörung Karthagos. 37 Appius Claudius (Crassus) Caecus, berühmt wegen der Rede, mit der er 281 v. Chr. im Senat den Abschluss eines Friedens mit König Pyrrhus von Epirus verhinderte. 38 M. Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.), berühmtester Redner der römischen Republik. Anspielung auf seine Rede vom Jahr 66 v. Chr. zur Übertragung des Oberbefehls im Mithradatischen Krieg an Pompejus. 39 Der Autor entschuldigt sich für die Neuheit seines Gedankens, ohne ihn ernsthaft zurückzunehmen. 40–40 Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 249. – Vgl. Gilbert, De modo addiscendi I, 3 S. 65: Procedant ergo reges Veteris Testamenti: David, Ezechias et Iosias qui consilio prudentiae iudicaverunt populos in aequitate … 41–41 Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 249; Idealherrscher: Konstantin I. (306 – 337), der Begründer des christlichen römischen Kaisertums, Theodosius I. (379 – 395), der das Christentum zur Staatsreligion im römischen Reich machte, aus Byzanz Justinian I. (527– 565) und Leo VI., der Weise, (886 – 912). – Vgl. Gilbert, De modo addiscendi I, 3 S. 65: Procedant et quarto reges evangelici de Novi regula Testamenti: Constantinus, Theodosius, Iustinianus et Leo et alii principes christianissimi (in weiterer Übereinstimmung als hier im Text). 42–42 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 250 mit Rekurs auf CIC Cod. I, 17, 1 (5). Gilbert hat aus dem Rechtstext einen Reflex unabhängig von Johannes (consecrare statt sacrare). Ob der gedanklich höchst ansprechende vorausgehende Teil des Satzes wie die Querbeziehungen auf eine Johannes und Gilbert gemeinsame Vorlage zurück-
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Gilbert von Tournai
legibus ipsum orbem quasi quoddam iustitiae templum consecrarunt.42 Addamus et pium et semper augustum christianissimum et invictissimum principem Karolum Magnum,43 cuius 44memoria in benedictione44 est, vestrum praedecessorem. Nonne 45in lege Domini meditatus45 accepit, unde instructus postmodum suis legibus orbem rexit, non tam fortitudine armorum aut successibus praeliorum quam peritia et militia litterarum? Et nunc reges intelligite46, clamat Dominus per principem et prophetam,47 erudimini, qui iudicatis terram46. Nam terram quomodo iudicat, qui legem Domini, a qua lex omnis derivatur, ignorat? 48Omnium enim legum censura est48 irrita et 48inanis, si non gerat ymaginem sacrae legis, et inutilis est constitutio omnis principis, si non est ecclesiasticae disciplinae conformis.48 Sed quid ad vitae beatitudinem acquirendam sapientia49 sublimius, ad exercitium iocundius, contra vitia fortius, in omni dignitate laudabilius, cuius excellentiae, si credimus Salomoni, nihil potest desiderabile comparari49? Procul dubio principes litteratos legimus fere semper in amministrationibus rerum fuisse providos, subti-
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frommen, immer erhabenen christlichen und unbesiegtesten Kaiser Karl den Großen,43 dessen 44Andenken geheiligt ist,44 Euren Vorgänger. Empfing er nicht 45im Erwägen und Bedenken des Gesetzes des Herrn45 solches, von dem instruiert er später mit seinen Gesetzen den Erdkreis lenkte, nicht so sehr durch Stärke an Waffen oder Erfolg in Kriegen als durch Kenntnis und kämpferischen Einsatz der Wissenschaften? Nun merkt auf, Könige,46 ruft der Herr durch den König und Propheten,47 formt und bildet Euch, die Ihr die Erde richtet.46 Wie kann aber der die Erde richten, der das Gesetz des Herrn, von dem jedes Gesetz abgeleitet wird, nicht kennt? 48Die Satzung aller Gesetze48 nämlich ist ungültig und 48leer, wenn sie nicht das Bild des heiligen Gesetzes trägt, und unnütz ist jede Festsetzung eines Herrschers, wenn sie nicht kirchlicher Disziplin konform ist.48 Was aber ist zur Erlangung des Glücks für das Leben erhabener als die Weisheit49, was schenkt beim Führen des Lebens mehr Freude, was wirkt mächtiger gegen die Laster, was ist in jeder Würde und Ehrenstellung lobenswürdiger, deren Vorzüglichkeit, wenn wir Salomo glauben, nichts Erstrebenswertes verglichen werden49 kann? Und wir lesen, dass gebildete Herrscher fast immer in der Verwaltung der Staatsgüter umsichtig waren, bei Gerichtsurteilen durchblickend, beim Er-
geht? Zu Vorlagekompilationen des Johannes s. von Moos, Geschichte S. 364 Anm. 724 mit S. 378 f. Anm. 748. Möglicherweise analog in Gilberts pädagogischem Werk De modo addiscendi I, 1 S. 60; IV, 6 S. 152 f.; 15 S. 193 –199; vgl.: de Poorter, Alphonse: Un traité de pédagogie médiévale. Le „De modo addiscendi“ de Guibert de Tournai, O. F. M. In: Revue néo-scolastique de philosophie 24 (1922) S. 195 – 228, hier S. 200; Gieben, Servus: Four Chapters on Philosophical Errors from the Rudimentum Doctrinae of Gilbert of Tournai, O. Min. (dies 1284). In: Vivarium 1 (1963) S. 141–164, hier S. 145 f.; s. auch Bonifacio in der Einleitung zu Gilbert, De modo addiscendi S. 53 über den Zusammenhang der Erziehungspiegel des Gilbert und des Vinzenz von Beauvais. 43 Gilbert verwendet Epitheta, die Karl dem Großen offiziell (Titulatur, Akklamationen) zukamen. 44–44 Dieselbe Verwendung von Ecli 46, 14 bei Johannes von Salisbury im Bezugskapitel (IV, 6 S. 249) an früherer Stelle und auf die alttestamentlichen Könige appliziert. 45–45 Dieselbe Verformung von Ps 1, 2 bei Johannes früher in demselben Kapitel, in anderem Kontext. 46 Ps 2, 10. 47 David. 48–48 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 248 (s. Helinand, Chron. XI, 38 p. 283a). Helinand (s. omnis constitutio im Gegensatz zu Johannes, wo omnis fehlt) könnte Gilbert auch vorgelegen haben, oder eher ein gemeinsames Vorlageflorileg; dazu s. Anm. 42. 49 Vgl. Prov 8, 11; s. auch Sap 7, 7–14, bes. 9 f. Das Proverbienlob der Weisheit ist in ausführlicheren Auszügen gebracht bei Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 253.
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les in iudiciis, in praeceptis cautos, in consiliis circumspectos. Utinam igitur filii regum et principum litteris, sicut expedit, inbuantur, ut habeant principatus haeredes tam dignitatum quam sapientiae successores!50 Producamus et alios testes, ut astipulentur nobis exempla gentilium, et congeramus omnia in thesaurum. Ptholomeus, ut Graecis traderet legem Dei, cum ingenti tam diligentia quam reverentia transferri fecit a LXXa interpretibus de Haebreo in Graecum libros Veteris Testamenti.51 Philippus vero rex Macedonum, si verum est, quod dicit Agellius in libro Noctium Atticarum, et eminens fuit in bellis et eminentior in scripturis, nisi quia scripturae dicendae non sunt, quae nomen Ihesu sonare nesciunt et pietatem fideil non ostendunt.52 Hic autem Philippus Alexandro recenter nato volens filium erudiri litterarum scientia scripsit Aristoteli sub hac forma: Philippus Aristoteli salutem dicit. Filium mihi genitum scito; quo equidem diis habeo gratiam, non proinde, quia natus est, quam pro eo, quod eum nasci contigit temporibus vitae tuae. Spero enim fore, quod educatus eruditusque a te dignus existat et nobis et rerum istarum susceptione.53 Profecit sub Aristotele discipulus Alexander et, magnus appellatus et dictus, magnificatus est vehementer. Sed in hoc debet Alexandri factum principibus displicere, quod Calistenem, Aris-
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Fehlt R.
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lassen der Anordnungen vorsichtig bedacht, beim Plänemachen weitschauend. Dass doch die Söhne der Könige und Fürsten in die Wissenschaften, wie es nötig ist, eingeweiht werden, damit die Reiche und Fürstentümer sowohl Erben in den Amtswürden als auch Nachfolger in der Weisheit erhalten!50 Wir wollen auch noch andere Zeugen aufbieten, damit sie Beispiele der Heiden für uns beibringen, wir wollen alle in einer Schatzkammer zusammentragen. Ptolemäus ließ, um den Griechen das Gesetz Gottes zu bringen, mit ebenso großer Sorgfalt wie Ehrfurcht die Bücher des Alten Testaments von 70 Übersetzern aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzen.51 Und Philipp, der König der Makedonen, wenn wahr ist, was Gellius in seinem Werk „Attische Nächte“ ausführt, war herausragend in der Kriegführung, doch noch herausragender in den „Schriften“, wobei davon abzusehen ist, dass „Schriften“ nicht Werke zu nennen sind, in denen der Name Jesu nicht aufklingt und die die Frömmigkeit des Glaubens nicht aufzeigen.52 Dieser nämliche Philipp schrieb, als gerade sein Sohn Alexander geboren worden war und er den Wunsch hatte, dass dieser in der Kenntnis der Wissenschaften geformt und gebildet werden sollte, an Aristoteles in folgender Weise: Philipp grüßt Aristoteles. Du sollst wissen, dass mir ein Sohn geboren wurde; dafür sage ich den Göttern Dank, nicht in dem gleichen Maß dafür, dass er geboren ist, wie dafür, dass es sich für ihn ergab, zu Zeiten Deines Lebens geboren zu werden. Ich hoffe nämlich für die Zukunft, dass er erzogen und herangebildet von Dir sich unser und der Übernahme der ihm zukommenden Aufgaben würdig erweisen wird.53 Unter Aristoteles gedieh der Schüler Alexander und, der Große genannt und geheißen, wurde er mächtig verherrlicht. Doch in einer Sache muss die Handlungsweise Alexanders den Herrschern abschreckendes Missfallen bereiten, in der, dass er den Kallisthenes, 50 Zu erinnern ist an das Werk zur Prinzenerziehung des Autors, die aus der didaktischen Enzyklopädie Rudimentum doctrinae abgezweigte Schrift De modo addiscendi; s. Einleitung S. 32. 51 Vgl. Augustinus, De civ. Dei XVIII, 42; 43 (s. Augustinus: De doctrina Christiana. Hrsg. v. Joseph Martin. Turnhout 1962 [CC SL 32] S. 1–167; II, 15 S. 48). Gilbert steht dem Bericht des Augustinus näher als Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 252. Charakteristisch weichen Gilbert und Johannes von der Vorlage ab (legem Dei – legem Domini). Die bei Johannes erkennbare Nachwirkung von Hieronymus, Prol. in Genesim findet sich bei Gilbert nicht. 52 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 252 nach Gellius IX, 3 (1– 4). Gilbert ist völlig selbständig gegenüber Johannes. Scripturae findet sich weder bei Johannes noch bei Gellius; überhaupt ist die Wendung ins Religiöse Gilberts eigener Anteil. 53 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 252 mit Zitat des Briefes nach Gellius, a. a. O. Diese Wiedergabe nimmt Gilbert auf, etwas variierend Helinand, Chron. XI, 38 p. 283a.
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totelis auditorem, quem ad Alexandrum miserat Aristoteles, dum vitam eius corriperet et mores eiusm componeret, interemit mortis iniuria violentae.54 Novi, quod: Indignatio regis nuntii mortis55, et hoc in se ad litteram Calisthenes est expertus, quia principem offensum arguere vel instruere nihil est aliud quam intumescente mari turbinibus et procellis in capturam retia explicare. Seipsum enim et sua retia perdere properat, qui tempestati se ingerit et tranquilliorem maris faciem non expectat. Morbum dicunt esse regiumn: Noli me tangere56, nisi forte ofaverit hora felicior velo flaverit aura secundior vel facies ipsa serenior coeperit arridere. Iam de Graecis transeamus ad tentoria Romanorum. Iulius Caesar, ut aiuntp, quaternas simul et semel dictabat epistolas, qui philosophiae vacans et leges condidit et subtilitatem bisextilem invenit. Quid singulorum nomina referam, cum 57Romanos imperatores aut duces, dum eorum res publica viguit, illitteratos fuisse non recolam57. Per me, inquit Sapientia, principes imperant, // reges regnant58. Unde et 59Socrates philosophus res publicas tunc
m
Fehlt B. regium sive nobilium RP. o–o Fehlt R. p aiunt quidam RP. n
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den Schüler des Aristoteles, den dieser zu Alexander geschickt hatte, in höchster Ungerechtigkeit durch gewaltsamen Tod beseitigen ließ, als er seine Lebensführung kritisierte und das rechte charakterliche Maß empfahl.54 Ich weiß aus Erfahrung: Des Königs Erzürnen bedeutet Boten des Todes,55 und dies hat auf den Buchstaben Kallisthenes an sich erfahren, denn einen aufgebrachten König zurechtzuweisen und mahnend zu belehren, ist nichts anderes als bei von Wirbelwinden und Orkanen gepeitschtem und aufschäumendem Meer Netze zum Fang auszuwerfen. Sich selbst zugrunde zu richten und seine Netze zu verlieren schickt der sich an, der sich mitten in den Sturm hineinbegibt und nicht ruhigeres Aussehen des Meeres abwartet. Man nennt es eine Krankheit der Könige: Rühr mich nicht an,56 außer, wenn eine glücklichere Stunde hold ist oder ein günstigeres Lüftchen weht oder das Gesicht selbst heiterer zu lächeln beginnt. Lasst uns von den Griechen zu den Zeltstätten der Römer gehen. Julius Cäsar diktierte, wie man sagt, auf ein einziges Mal gleichzeitig vier Briefe; wenn er Zeit für philosophische Betätigung hatte, verfasste er Gesetze, und er erfand die Subtilität, einen Schalttag im Kalender einzufügen. Was soll ich die Namen Einzelner nennen, 57da ich mich nicht erinnere, dass die römischen Kaiser und Führer, solange ihr Staat florierte, ungebildet gewesen seien.57 Durch mich, sagt die Weisheit, herrschen die Fürsten // und regieren die Könige.58 54
Unabhängig von seinen direkten Bezugstexten zeigt Gilbert sein Interesse an der Person und Geschichte Alexanders d. Gr. Den gewaltsamen Tod von Alexanders Jugendfreund berichten Q. Curtius Rufus: Historiae (De gestis Alexandri Magni regis Macedonum). Hrsg. v. H. Bardon: Quinte-Curce: Histoires Bd. 2. Paris 21965 (CUF); VIII, 5, 13 – 24; VIII, 6, 25 – 27; VIII, 8, 21 und Cicero: Oratio pro C. Rabirio Postumo = Cicéron: Discours Bd. 17. Hrsg. v. André Boulanger. Paris 1978 (CUF) S. 22 – 44; c. 9, 23 S. 32; er wurde bald stehendes Thema bei Philosophen und Rhetoren: Cicero, Tusc. disp. III (10) 21 und V (9) 25; L. Annaeus Seneca, Naturales quaestiones 6, 23, 2 – 3. – Alexander d. Gr. bei Gilbert, De modo addiscendi I, 3 S. 65 mit völlig anderer Ausführung. 55 Prov 16, 14. 56 Io 20, 17. Geistvoll aufgenommen ist das Bild des ansteckenden morbus regius (Gelbsucht: Horaz, De arte poetica 453) und im ursprünglichen Sinn gesetzt. 57–57 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 252. – Der vorausgehende Text bei Gilbert, den Johannes nicht hat, der aber schlüssig von Alexander zum Urteil über die Römer überleitet, im gleichen Duktus und in analoger Formulierung bei Gilbert, De modo addiscendi I, 3 S. 65: Procedat Iulius Caesar de exercitu Romanorum, qui in litteratorio studio tantus fuit ut simul dictasse legatur quatuor paria litterarum; quantus in peritia iuris civilis ipse fuerit leges indicant Romanorum; virtutem ardentis ingenii qualiter in litteris exercuerit praedicat bissextilis subtilitas quam invenit. Ein offenbar starkes Indiz für eine gemeinsame Vorlage. 58 Prov 8, 16; 15. – Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 253 (s. Helinand, Chron. XI, 38 p. 283a) mit Zitation u. a. von Prov 8, 15 – 21 (daraus bei Helinand Prov 8, 15).
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demum beatas esse asseruit, cum earum rectores sapientiae studere contigerit59, 60et philosophi veteres ymaginem sapientiae pro foribus omnium templorum pingi et haecq verba censuerunt debere subscribi: Usus me genuit, peperit Memoria; Sophiam me vocant Grai, vosr Sapientiam. Ego odi homines stultos et ignava opera et philosophicas sententias60. Videte, quia non veram sed ymaginariam habuerunt sapientiam,61 cuius ymaginem statuerunt et verba fixerunt. Non est talis sapientia regum, qui iubentur describere sibi Deuteronomium. sPer Deuteronomium, quias 62secunda lex62 dicitur, christianorum intelligitur sapientia, quam post evangelistas et apostolos docet Dyonisius in libro de mistica62 theologia, cuius attingere perfectionem consummatio est humanae intelligentiae62 in hac vita. Ait enim Dyonisius idem ad Titum: …
q
Johannes v. S., in hac Hss., in hac haec Ed. nos PB. s–s ergo quod RP. r
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Daher sagt auch Sokrates, der Philosoph, die Staaten seien erst dann glücklich, wenn eingetreten sei, dass ihre Lenker nach der Weisheit trachteten;59 60 und die alten Philosophen hielten dafür, vor die Tore aller Tempel sei ein Bild der Weisheit zu malen, und darauf einzuschreiben sei: Gebrauch hat mich gezeugt, die Erinnerung hat mich geboren; Sophia nennen mich die Griechen, Ihr Sapientia. Ich hasse törichte Menschen, feige Werke und Sentenzen des Philosophiegeschwätzes.60 Seht, dass es sich nicht um die wahre Weisheit, sondern um eine vorgegaukelte und scheinbare Weisheit handelte,61 deren Bild sie festhielten und der sie die Inschrift gaben. Dies ist nicht die Weisheit der Könige, die aufgefordert sind, sich das Deuteronomium aufzuschreiben. Durch das Deuteronomium, da es das 62zweite Gesetz62 heißt, wird die Weisheit der Christen bezeichnet, die nach den Evangelisten und Aposteln Dionysius in seinem Buch über die mystische62 Theologie lehrt, deren Vollkommenheit zu erreichen Vollendung menschlichen Wissens und menschlicher Fassenskraft62 in diesem Leben ist. Der nämliche Dionysius sagt in seinem Brief an Titus: Es folgt ein längerer Text mit markanten Ausführungen der mystischen Theologie des Pseudo-Dionysius, der sich an einschlägiger Stelle (Dionysiaca Bd. 1 S . 624 – 669) nicht verifizieren lässt.
59–59
Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 253 (s. Boethius, De consolatione [wie Sedulius Anm. 21] 1, 4, 5 S. 12; s. auch entfernter Valerius Maximus VII, 2, ext. 4; korrekte Zuschreibung an Platon nach Boethius bei Helinand, Chron. XI, 38 p. 283a). 60–60 Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 253 f. (Auszug bei Helinand, Chron. XI, 38 S. 283b) nach Gellius XIII, 8, 1– 2 mit den Zitaten XIII, 8, 3 (Afranius) und 4 (Pacuvius). 61 Das Konzept der wahren christlichen Weisheit im Gegensatz zur Scheinweisheit der Heiden ist Gilberts eigene Prägung, gewonnen aus dem Rückgang auf die karolingische Tradition; s. weiter bei ihm I, 2 c. 7 (de Poorter S. 27); s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 100. Zu imaginaria sapientia bei Sedulius Scottus s. S. 115 mit Anm. 43. 62 Die Termini bei Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 247 mit Bezug zur Bezeichnung in Vulgata und Septuaginta, mit Verständnis als zweites Gesetz nach dem Gesetz vom Berg Sinai; s. Hieronymus, Ep. 53 ad Paulinum. Bei Gilbert Setzung in neue Dimension des Pseudo-Dionysius. Dionysius Areopagita (= Pseudo-Dionysius), Pseudonym des um 500 lebenden Verfassers der griechischen Werke De divinis nominibus, De ecclesiastica hierarchia, De mystica theologia sowie von zehn Briefen. Die Werke hatten ungeheuer große Nachwirkung. Lateinische Übersetzungen ab dem 9. Jahrhundert (Abt Hilduin von St. Denis, Johannes Scotus Eriugena) wurden in ihrer Bedeutung erst durch die des Johannes Sarracenus (um 1160) und des Robert Grosseteste (1240/ 1243) abgelöst. Mit der Frage nach Erkennbarkeit des transzendenten Einen ist die bei Gilbert genannte Schrift Gipfel des dionysianischen Werks. – Synoptische Ausgabe des Werkes mit seinen lateinischen Übersetzungen: Dionysiaca. Recueil donnant l’ensemble des traductions latines des ouvrages attribués au Denys de l’Aréopage. 2 Bde. Hrsg. v. Philippe Chevallier u. a. Brügge 1937, 1950.
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Sic puto perfecte intelligi posse Deuteronomium legem secundam, spiritum scilicet vivificantem, non occidentem litteram.63 Cessit ergo philosophis et cedit mundi sapientibus prima lex, quantalibet Dei cognitio per speculum et enigma creaturarum, Christianis vero Dei cognitio per elevationem mentis et unionem in amoris osculo, sicut et sponsa suspirat ad divinum exerceri radium contemplandum.64 I, II c. 6 Sextum capitulum, de expositione huius: Accipiet exemplar a sacerdotibus Leviticae tribus65, et caetera. Sequitur: Accipiet exemplar a sacerdotibus Leviticae tribus et habebit secum legetque illud omnibus diebus vitae suae65. Quoniam aliquando principem, vel propter adolescentioris aetatis lasciviam vel propter parentum incuriam vel propter invincibilem ignorantiam tvel propter collationum inexperientiamt vel propter occupationem necessitatis subortae nimiam, 66 illiteratum esse contingit66, ideo lex occurritu ostendens, quoniam sapientum et 66litteratorum maxime consiliis debet uti,66 quoniam 67omnino expers sacrae lectionis non dicitur, qui, etsi ipse non legit, tamen, quae leguntur ab aliis, audit fideliter67 et revolvit68. 69Assistant igitur ei Nathan propheta et Sa-
t–t u
Fehlt R. dicit RP.
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Ich glaube, dass so vollends erkannt werden kann, dass das Buch Deuteronomium, das zweite Gesetz, belebender Geist, nicht tötender Buchstabe ist.63 Den Philosophen wuchs und den Weisen dieser Welt wächst (Kenntnis des) ersten Gesetzes zu, eine entfernte Erkenntnis Gottes durch den Spiegel und das Rätsel der Geschöpfe, den Christen aber die Kenntnis Gottes durch ekstatische Erhebung des Geistes und durch die Vereinigung im mystischen Liebeskuss, wie die Braut danach seufzt, emporgetragen zu werden, um den göttlichen Strahl zu betrachten.64 I, 2 c. 6 Sechstes Kapitel, zur Auslegung des Teilstücks: Er wird ein Exemplar von den Priestern des Stammes Levi in Empfang nehmen,65 usw. Es folgt: Er wird ein Exemplar von den Priestern des Stammes Levi in Empfang nehmen, und er soll es bei sich tragen und es lesen alle Tage seines Lebens.65 Da 66es zuweilen geschieht, dass66 ein Herrscher wegen Ausgelassenheit des jugendlichen Alters, wegen Nachlässigkeit der Eltern und Verwandten, wegen der naturhaft unbesiegbaren Unkenntnis, wegen Unerfahrenheit in philosophischen Materien, wegen allzu starker Inanspruchnahme durch eine plötzlich entstandene Zwangslage, ungebildet66 ist, kommt das Gesetz ihm gerade entgegen, indem es zeigt, dass 66er den Rat von Weisen und Gebildeten vor allem nutzen muss66; denn 67man kann nicht völlig bar der Kenntnis der heiligen Schrift den nennen, der, wenn er sie auch nicht selbst liest, doch das, was von anderen gelesen wird, getreulich aufnimmt67 und in seinen Gedanken bewegt.68 69In der Weise mögen ihm beistehen der 63 Wieder mosaikartige Aufnahme analog zu Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 247 f. (nach 2 Cor 3, 6). 64 Indem Gilbert das Gesetz Deuteronomium mit der mystischen Theologie seiner Zeit verbindet, gibt er dem Text gegenüber Johannes von Salisbury und Helinand besonderes metapolitisches Aussehen, das gleichwohl für seinen Königs- und Fürstenspiegel höchst aussagekräftig ist. 65 Deut 17, 18(f.). Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 248, bei dem die Verse freilich voneinander abgeteilt sind. Gilbert führt die Thematik dem Text bei Johannes gegenüber weitgehend frei aus. 66–66 Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 251. 67–67 Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 252. 68 Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 251. 69–69 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 251. Vgl. 3 Reg 1, 26 – 40, bes. 38 – 40: Zusammenwirken Nathans und Zadoks bei der Salbung Salomos. Nathan als maßgeblicher Vertrauter Davids und Salomos: 2 Reg 7, 1– 3; 11; 16; 4 –15. Herausragende Rolle Zadoks als Vertrauter Davids: 2 Reg 15, 24 – 29; 35 f.; 17, 15; 19, 12, als Angehöriger der prosalomonischen Partei: 3 Reg 1. Er und seine Söhne als Leiter der vorexilischen Priesterschaft: 3 Reg 2, 35; 4, 2; 2 Par 12, 26 – 28.
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doch sacerdos et filii prophetarum, qui eundem exorbitare non sinant a lege Domini69 in decisione causarum. Hoc ergov ad praesens intelligo exemplar a tribus Leviticae sacerdotibus esse assumendum: Doceant ergo tales principem, ne in vano animam suam accipiat, ne 70pro ratione voluntatem70 vel quamcunque consuetudinem habeat, ne postposito venerandae maturitatis consilio minus prudentibus acquiescat, libertatem ecclesiasticam tueatur, ne Sara, quae semper libera fuit, velut Agar exactionibus, angariis atque perangariis ancilletur.71 Panetius in libro Tusculanarumw asserit: Neque ducem bello, neque principem domi posse salubriter magnas res gerere, xsi eatx post impetum cordis sui, si non omnia eius negotia depingit ante rei eventum maturioris cautela consilii.72 Unde et 73senatum, a senectute dictumy,73 eos antiquitus appellabant, qui principes in consiliis dirigebant, quos in epistola ad Traianum Plutarchus,73 eiusdem imperatoris magister, obtinere asserit 73cor-
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ego Ed. PB. Tuscularum Ed. PB. x–x sicut B. y dictus Ed. PB, dictos R. w
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Prophet Nathan und der Priester Zadok und die Söhne der Propheten, die nicht zulassen, dass er vom Gesetz des Herrn abweicht69 bei der Entscheidung von Angelegenheiten. Für unsere Gegenwart glaube ich, dass das Entgegennehmen des Exemplars von den Priestern des Stammes Levi bedeutet: Solche sollen den Herrscher lehren, seine Seele nicht an Eitles zu hängen, seinen Willen70 oder irgendeine Gewohnheit nicht 70an die Stelle der Vernunft70 zu setzen, sich nicht unter Hintansetzung des Rates von Weisen und Reifen weniger Klugen anzuvertrauen, (positiv) dass er die Freiheit der Kirche schütze, auf dass nicht Sara, die immer frei war, so wie Hagar mit Steuerabgaben, Frondiensten und Mehrfachfrondiensten als Magd diene.71 Panaitius führt in dem Werk der Tuskulanen aus: Weder der Heerführer im Krieg noch der Staatslenker zu Hause könne in heilbringender Weise große Dinge verrichten, wenn er nach dem Antrieb seines Herzens gehe, wenn ihm nicht das Abwägen reifen Rates vor dem Geschehen und dem Tun alle seine Obliegenheiten konkret vorstelle.72 So nannten sie 73Senat, der vom Greisenalter seinen Namen hat,73 diejenigen von alters her, die die Herrscher mit ihren Ratschlägen lenkten, diejenigen, von denen in seinem Brief an Kaiser Trajan Plutarch73, der Lehrer dieses Kaisers, darlegt, sie nähmen 73die Stelle des 70–70 Juvenal VI, 223. Zu schöpferischer Ausgestaltung vielleicht angeregt durch Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 250 zur Unterwerfung der voluntas (Wille) unter das Gesetz Gottes mit Hinweis auf eine Stelle bei dem Dichter Claudian. 71 Hagar, die ägyptische Sklavin von Abrahams Frau Sara, die stellvertretend für Sara gebären sollte (Gen 16), wurde von der Verheißungslinie getrennt (Gen 21, 8 – 21). Allegorisch stehen Hagar und Sara für den Alten und den Neuen Bund (Gal 4, 2 1 – 31). Bei Gilbert symbolisieren sie Staat und Kirche. Die Immunität der Kirche ist hier wieder Thema (s. Anm. 12), hier versinnbildet im Programm- und Kampfbegriff des 11. und 12. Jahrhunderts: libertas ecclesiae (Freiheit der Kirche). 72 Gemeint ist der griechische Philosoph Panaitios (187–109 v. Chr.), der in Verbindung mit den Scipionen in Rom stand und am Ende seines Lebens Schulhaupt der Stoiker war. Er ist einer der Hauptgewährsmänner in Ciceros Werk Tusculanae disputationes. Allenfalls äußerst entfernte Anklänge lassen sich feststellen an: Tusc. disp. II (20 f.) 47 f.; I (18) 42. Vielleicht Anknüpfung über Cicero-Zitat (De off. I [43] 153) bei Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 254 (sapientia als dux und princeps). Gilbert verwendet geschickt den Begriff des Herzens (cordis impetus – emotionale Regung) als Kontrastbegriff; s. Anm. 73. 73–73 Anknüpfungsbegriff ist cor (Herz), in staatsmetaphorischer Bedeutung für den Senat in der sog. Institutio Traiani: Johannes v. S., Pol. V, 2 S. 283 (Kloft, frg. II S. 11); bes. Johannes v. S., Pol. V, 9 S. 318 f. (Kloft, frg. VIIa S. 21 f.). Ob Johannes hier einer Ausarbeitung der Vorlage (Institutio Traiani?) folgt (Webb) oder selbst explizierend kommentiert (Kloft [zu frg. VIIa] S. 74), ist unklar. Der Teil ab initio – scribebantur ist nach Isidor, Et. IX, 4, 11 gebracht, in gleicher Verformung bei Johannes und Gilbert. Zur Rezeption der politischen Herzmetapher bei Gilbert s. Eruditio II, 1 c. 2 S. 353 mit Anm. 173.
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dis locum; quibus apud Graecos tantus est honor exhibitus, ut nusquam procederent, nihil notabile duces eorum facerent, nisi quod dictasset vel approbasset senatus. Unde et ab initio urbis conditae ipsorum nomina litteris aureis scribebantur.73 Sed 74senectus est venerabilis, non diuturna neque annorum numero subputata74. 75Gloria enim senum canities,75 sed hoc, quando 76sunt cani sensus hominis, cum vita immaculata aetas est senectutis.76 73Quid enim huiusmodi coetu senum nobilius, qui, emeriti a vulgaribus officiis, ad consilii et officii regimen transeunt et frequenter in marcido corpore exerunt vires mentis, eo sapientiae magis apti negotiis quo minus potentes sunt in saecularibus exercitiis?73 Nec pro dandis consiliis hic vocetur, qui 77peccatum non fecerit, sed quem peccare non iuvat, qui peccatum oderit, virtute gaudeat et eam sibi et aliis inseri summo desiderio concupiscat.77 78Quis enim glorietur se habere animi puritatem78 79in presentia dumtaxat illius, coram quo nec astra munda sunt, sed etiam in eius angelis repperit pravitatem?79 Sed hoc est summopere cavendum principi, ne eius 80consiliarii sint iniqui,80 ne munera diligant et avaritiae poena semper famelici, 80quae aliorum sunt, immoderatius concupiscant.80 81Impossibile est enim sequi iustitiam et pecuniam. 82Aut enim quilibet uni horum adhaerebit et alterum contempnet81 aut alterum odio habebit et alterum diliget.82 Illud autem notabile, quod
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Herzens ein; diesen wurde bei den Griechen solche Ehre entgegengebracht, dass ihre Heerführer nie ins Feld zogen, nie etwas Denkwürdiges unternahmen, außer was der Senat verordnet oder bestätigt hätte. Daher wurden vom Anfang der Stadt Rom an ihre Namen in goldenen Buchstaben gefasst.73 Doch 74das Greisenalter ist ehrwürdig, es währt nicht allzu lange und auch nicht ausgerechnet in Bezug auf die Zahl der Jahre.74 75Ruhm der Greise ist das ergraute Haar,75 doch dies nur, wenn 76ehrenhaft der Sinn des (alten) Menschen, wenn ein unbeflecktes Leben die Zeit des Greisenalters ist.76 73 Was gibt es Vornehmeres als eine Versammlung von erfahrenen Männern solcher Art, die, im geruhsamen Stand von ihren alltäglichen Pflichten befreit, übergehen zu verantwortlicher Leitung im Raten und Gutachten und die häufig im altersschlaffen Körper die Kräfte des Geistes ausbilden und in dem Maß mehr geeignet sind für ihre Tätigkeit der Beratung, in dem sie weniger mächtig sind bei deren praktischer Umsetzung?73 Um solche Ratschläge zu geben, wird nicht der berufen, 77der nie gefehlt hat, sondern der, den zu fehlen nicht freut, der Fehlverhalten und Sünde hasst, der sich an der Tugend freut und in höchster Anstrengung darum bemüht ist, diese sich und anderen einzupflanzen.77 78Wer könnte sich rühmen, Reinheit der Gesinnung zu haben,78 dies wenigstens 79in Gegenwart Jenes, vor dem nicht die Gestirne rein sind und der sogar bei seinen Engeln Verderbtheit fand?79 Doch muss der Herrscher am meisten darauf achten, dass 80seine Ratgeber nicht ungerecht sind,80 dass sie nicht Geschenke lieben, dass sie nicht mit Habgier gestrafte Hungerleider sind und von daher 80unbändig begehren, was anderen gehört.80 81Unmöglich ist es, zugleich die Gerechtigkeit und den Gewinn zu erstreben. 82Entweder wird er dem einen anhängen und das andere verachten81 oder das eine hassen und das andere lieben.82 Bemerkens74–74 Sap 4, 8; Zitat: Johannes v. S., Pol. V, 9 S. 321. Dieses und die beiden folgenden Zitate in der gleichen Abfolge bei Johannes. 75–75 Prov 20, 29; Zitat: Johannes v. S., Pol. V, 9 S. 321. 76–76 Sap 4, 8 – 9; Zitat: Johannes v. S., Pol. V, 9 S. 321. 77–77 Vgl. Johannes v. S., Pol. V, 9 S. 321 mit freier Verarbeitung von Prov 20, 9 und Horaz, Epist. I, 16, 52 f., übernommen, doch frei präsentiert. 78–78 Vgl. Prov. 20, 9 (Bezug auf Hieronymus, Dialogus adversus Pelagianos [wie Sedulius Scottus Anm. 78] II, 4 S. 59). S. Johannes v. S., Pol. V, 9 S. 322 (freier gegenüber der biblischen, näher an der patristischenVorlage). 79–79 Vgl. Johannes v. S., Pol. V, 9 S. 322 mit gleicher Abfolge der ausschnitthaften Zitate Iob 25, 5 und 4, 18. 80–80 Vgl. Johannes v. S., Pol. V, 9 S. 322, dessen folgender Rückbezug auf das auf die Staatsbürokratie ausgedehnte pseudo-plutarchische Gleichnis bei Gilbert anders als bei dem Senat (s. o.) nicht erscheint. 81–81 Johannes v. S., Pol. V, 9 S. 322. 82–82 Vgl. Luc 16, 13.
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tribui Levi, a qua sumunt exemplar principes, sortem de communi divisit Moyses, quia sic de publico debent vivere regio, quod nihil de proprio pauperum accipiant consiliarii vel quilibet curiales. Nam ubi videre contingit venalitatem, quis ibi credat incolere veritatem83, iustitiam83, pietatem83? 84Si preces porrigendae sunt, si causa examinanda, si executioni mandanda sententia, si conficienda cautio, nummus84 interponit in omnibus partes suas; 84 veritas caeca est, pietas manca84, iustitia non potuit ingredi, sed clauda effecta est, dum corruit in platea. Christus85 adest, 85pulsat ad ostium85: clausa est ianua; fugatur, ut fortassis iterum fugiat in Egiptum.86 Quid inter haec dicis, tribus Levitica? Si delinquat princeps, ori tuo quid parcis? Cur non veritatis exprimis documenta? Pro bucella panis, obsecro, ne deroges veritati, si necesse est, profer Herodi: 87„Non licet tibi habere uxorem fratris tui“87. Ne aemuleris esse de 87simul discumbentibus87 cum Herode, sed praeelige vincula87, si necesse est, et pro veritate pati 87in carcere cum Iohanne.87 Nam etsi in Herodis convivio non videas 87in disco prolatum caput Iohannis,87 vides tamen aliquando in quorumdam nobilium mensis vaccam viduae et porcum pauperis. Morietur pauper in carcere principis, et tu de substantia pauperis bolum sorbens sanguineum principi blandieris? Sed esto principis periculum zevasisti, quia principemz catholicum invenisti: Perge ad caetera et vide, fere ut ita dixerim, quaea nephas est et videre.
z–z a
Fehlt R. quia B.
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wert ist aber, dass dem Stamm Levi, von dem sich die Herrscher ihr Leitbild nehmen, Mose einen Anteil aus dem Gemeinsamen zuwies, (zum Erweis,) dass sie so von Öffentlichem und den Herrschern Zustehendem zu leben haben, dass die königlichen Funktionäre und die Höflinge nichts vom Eigentum der Armen anrühren. Denn wo man Käuflichkeit und Bestechlichkeit sehen kann, wer möchte glauben, dass dort Wahrheit83, Gerechtigkeit83 und Frömmigkeit83 wohnen? Wenn in Rechts- und Verwaltungsverfahren 84Bittschriften einzureichen sind, wenn der Fall zu prüfen ist, wenn auf Gerichtsvollzug zu erkennen ist, wenn Bürgschaft zu leisten,84 stets geht die Münze84 zwischen den Parteien hin und her; 84die Wahrheit ist blind, die Frömmigkeit ohnmächtig schwach,84 die Gerechtigkeit konnte nicht eintreten, sie wurde lahmgeschlagen und fiel auf der Straße hin. Christus85 ist draußen, 85 er klopft an die Tür85: die Pforte ist verschlossen; er wird weggescheucht, auf dass er vielleicht wieder nach Ägypten flüchte.86 Was sagst Du zu solchem Geschehen, Stamm Levi? Wenn der Herrschende versagt, was schonst Du Deinen Mund? Warum legst Du nicht Beweisstücke für die Wahrheit vor? Für ein Stückchen Brot, ich beschwöre Dich, werde nicht der Wahrheit untreu, wenn nötig, schleudere Herodes entgegen: 87“Es ist Dir nicht erlaubt, Deines Bruders Frau zu haben“.87 Strebe nicht danach, unter den mit Herodes am Tisch Lagernden87 zu sein, ziehe die Fesseln87 vor, und wenn es nötig ist, für die Wahrheit 87im Kerker zu leiden mit Johannes.87 Denn wenn Du auch nicht beim Gelage des Herodes 87das Haupt des Johannes auf einer Platte dargeboten87 siehst, so siehst Du doch bisweilen auf den Tischen gewisser Adeliger die Kuh der armen Witwe und das Schwein des Armen serviert. Der Arme wird im Kerker des Fürsten sterben, und Du wirst, indem Du die bluttriefende Beute aus der Habe des Armen in Dich hineinschlingst, dem Fürsten schmeicheln? Doch sei es, dass du den Fallstricken ungerechter Fürstengunst entgangen bist, weil Du an einen wahrhaft katholischen Fürsten geraten bist: Sieh Dich im Umkreis um und nimm wahr, um es etwa so zu sagen, was ein Übel ist
83
Johannes v. S., Pol. V, 10 S. 323. Johannes v. S., Pol. V, 10 S. 323. 85–85 Vgl. Johannes v. S., Pol. V, 10 S. 323; dort schon Apoc 3, 20 (ostium … pulso). 86 Vgl. Matth 2, 13 f. Gilbert erweitert mit biblischer Dramatik, indem er die Szene der Flucht der heiligen Familie nach Ägypten anführt und überhaupt im Gegensatz zu dem mit antikem Material arbeitenden Vergleichstext nur biblische Motive vorstellt. 87–87 Vgl. Marc 6, 17– 28 (eingeführt mit 6, 18 wörtlich). Emphatische Kritik an dem kirchlichen Establishment (= Stamm Levi) in der Entourage der Fürsten. Mit dem Beispiel um Johannes den Täufer wird zu Opposition gegen die gesellschaftlichen Zustände aufgefordert. 84–84
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Causa pauperis actitatur; si non sibib quosdam conciliaverit muneribus curiales, incidit in tortores. 88Distorquent verborum88 sententias, intorquent etiam 88sillabisc tendiculas,88 ad prolationes 88singulas ineuntur consilia, deliberationi praescribuntur tempora, ponuntur singuli apices in statera.88 Quid dicam, si iustitia pauperis in evidenti est? 88Longa expectatione torquetur, saltem ut interim differatur, quod negari non potest88. Si 88aliquid de poetarum fabulis loquor, etiamd Caron, immitis inferni portitor, qui nemini parcit unquam, istis videtur esse clementior: stipe siquidem vel triente solet esse contentus,88 isti vero marchas et libras suose nominantf esse proventus. Et, quod est amplius admirandum, gea, quae non sunt in rerum natura, vendunt, dumg apud eos 88venale constat esse silentium,88 ut, cum de veritate rei requiritur, 89dampnifica lingua,89 ut sileat, 89funibus argenteis89 vel aureis alligaturh, et in quo 89unius acquiritur gratia,89 quid in illius ore iactetur, aliorum excitatur iracundia vel invidia,89 si simile denegetur. 90Munus tamen, ut puto, debitae reprehensionis usquequaque non habet notam, quod devotio liberalitatis obtulit, non improbitas deprecantis extorsit, ita tamen,90 si princeps non prohibet, si caritas ad accipiendum et non cupiditas movet, si 90iniqui munera,90 ut eum 90iustificet pro muneribus, non acceptet.90 Nam in casibus prohibitis 90beneficium accipere est libertatem vendere, et satis probrosum est servos esse eos, qui debent aliisi imperare,90 principem informare. 90Leones et tigrides,90 imo et saxa90, dulciloquio quodam 90Orpheus legitur emollisse, sed apud istos nihil efficitur, nisi plumbea corda vel aureo vel argenteo malleo vanitatis vel cupiditatis emolliantur incude. 91
Ipse licet venias Musis comitatus, Homere, Si nichil attuleris, ibis, Homere, foras91.90
b
sibi pauper R, sibi pauper cito B. silleris Ed. PB. d Fehlt RP. e Fehlt R. f volunt RP. g–g Fehlt R. h illligatur RP. i filiis R. c
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wahrzunehmen. Der Fall eines Armen wird verhandelt; wenn er nicht durch Geschenke einige Höflinge auf seine Seite gebracht hat, fällt er den Folterknechten in die Hände. Sie verdrehen88 den Sinn der Worte88, sie winden sogar 88aus Silben Schlingen mit buchstabengemäßer Gesetzesauslegung,88 zu den Einlassungen 88geht man in Beratschlagungen, für Bedenkzeit werden Termine festgesetzt, kleinste Spitzen werden einzeln auf die Waage gelegt.88 Was soll ich sagen, wenn das Recht des Armen allzu offenbar zutage liegt? 88 Mit langem Warten wird er gequält, damit wenigstens hinausgeschoben wird, was nicht geleugnet werden kann.88 Wenn ich 88etwas von den Fabeln der Dichter heranziehen soll, so ist sogar Charon, der grausame Fährmann der Unterwelt, der niemals jemanden schont, offenbar milder als diese: Er ist immer mit einem Almosen oder Triens zufrieden,88 diese nennen als ihre Forderungen Mark und Pfund. Und was noch mehr Erstaunen hervorrufen muss, sie machen zur Kaufware, was es nicht von der Natur der Sache her ist; denn bei ihnen ist 88das Schweigen bekanntermaßen käuflich,88 in der Weise, dass, wenn es um die Wahrheit der Sache geht, 89die schadenbringende Zunge (des Anwalts)89 mit silbernen89 und goldenen Tauen89 angebunden wird, damit sie schweige, und dass in dem anderen Fall, dass 89die Gunst des einen (Anwalts)89 erkauft wird, wenn etwas in seinem Munde hoch gerühmt wird, Zorn und Neid89 der anderen erregt wird, wenn Entsprechendes (von ihnen) völlig in Abrede gestellt wird. 90Eine Gabe, dafür halte ich, verdient keinen berechtigten Tadel, die aus Freiwilligkeit gegeben ist, die nicht die Ruchlosigkeit des Fordernden herausgepresst hat, dann,90 wenn der Herrscher sie nicht verbietet, wenn Liebe, nicht Habsucht zum Entgegennehmen bewegt, wenn der Herrscher 90die Gaben des Ungerechten nicht annimmt, um ihn für seine Bestechungen ins Recht zu setzen.90 Denn in verbotenen Fällen 90eine Gabe anzunehmen, heißt seine Freiheit zu verkaufen, und sehr schändlich ist es, wenn die abhängige Sklaven sind, die über andere befehlen sollen,90 die den Herrscher heranbilden und informieren sollen. 90Löwen und Tiger,90 ja Felsen90 soll einstmals mit süßem Sang 90Orpheus erweicht haben, doch bei jenen wird nichts erreicht außer Herzen aus Blei oder dass sie mit dem goldenen und silbernen Hammer der Eitelkeit und dem Amboss der Begehrlichkeit verweichlicht werden. 91
Sollst Du auch kommen, Homer, begleitet, umgeben von Musen, Bringst Du nichts an Geschenk, eitel ist dann dein Gang91.90 88–88
Vgl. Johannes v. S., Pol. V, 10 S. 324. Der Fährmann der Unterwelt Charon, der mit nur kleiner Münze (Triens) zufrieden ist, ebd. nach Juvenal III, 265 – 267. 89–89 Vgl. Johannes v. S., Pol. V, 10 S. 325. 90–90 Vgl. Johannes v. S., Pol. V, 10 S. 326, teils in abweichender Reihenfolge. 91–91 Johannes v. S., Pol. V, 10 S. 326 = Ovid, Ars amatoria II, 279 f.
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In hoc tamen eos piissimos esse pronuntio, quod libenter querelas audiunt, fovent et causas humiliorum, et eo usque patrocinantur afflictis, quousque fecerunt loculos aborriri. Nam quocumque causak procedat, hoc agitur, ut semper loculi impleantur, etsi avaritia nequeat satiari. Sed audiant Ysidorum sic dicentem: Audiant iudices et qui praesunt populis, quia pro temporalibus molestiis, quas plebibus ingerunt, aeterno incendio cremabuntur92. Non haec protuli, Deus novit, quia incuria domini regis fieri ista credam, sed quoniam in omnibus ad sui et suorum diligentiam bonum est semper debitam adhibere cautelam.93 Scio enim, quod scienter in vestris non sustineretis officiis permanere, qui manus non excuterent ab omni munere, qui iudicium praeverterent timore vel cupiditate vel odio vel amore. Et 94secundum iudicem populi sic et ministri eius, et qualis est rector civitatis tales et inhabitantes in ea.94 Meo tamen tempore nihil in curiis vidi vel audivi miserabilius neque legi quam iudices scientiae legis ignaros et bonae voluntatis inanes, qui sequuntur munera et retributiones, id tantillum, quod habent industriae sive virium, in obsequio avaritiae, iactantiae carnis et sanguinis exercentes, quorum flagitia redundant95 in principes huiusmodi praescientes vel
k
sententia B.
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Darin aber nenne ich sie höchst gottesfürchtig, dass sie gern Klagen von Niedriggestellten anhören und ihren Fall begünstigen und den Schutz für Bedrängte übernehmen, bis, ja bis sie ihre Geldkästlein öffnen lassen. Denn wie sich die Sache auch immer entwickelt, vorrangig wird betrieben, dass die Geldkästlein gefüllt werden, wobei der Hab- und Gewinnsucht kein Maß gesetzt werden kann. Doch sie sollen Isidor hören, der sagt: Die Richter und die, die den Völkern vorstehen, sollen aufmerken, denn für das zeitliche Ungemach, das sie den Völkern zufügen, werden sie im ewigen Feuer verbrannt werden.92 Dies habe ich nicht vorgetragen, Gott weiß es, weil ich glaubte, dass solches durch Pflichtvergessenheit des Herrn Königs geschähe, sondern weil es für seine Gewissenhaftigkeit und die der Seinen in allem gut ist, immer die nötige Vorsicht walten zu lassen.93 Ich weiß, dass Ihr wissentlich nicht solche in Euren Diensten belassen würdet, die ihre Hände nicht von jeder Gabenannahme entschieden wegzögen, die ihr Urteil beeinflussen ließen durch Furcht oder Habsucht, durch Hass oder Liebe. Und 94wie der Richter des Volkes ist, so sind auch seine Diener, und wie der Lenker eines Staatswesens ist, so sind die, die darin wohnen.94 Zu meiner Zeit habe ich denn auch an den Höfen nichts Beklagenswerteres gelesen oder gehört, als dass es dort Richter gibt, die, des Rechtswissens bar und ohne jede Spur von gutem Willen, auf Geschenke und Gegengaben aus sind und die dabei das bisschen, was sie an Fleiß und an Kräften haben, auf Befriedigung ihrer Habgier und der aus ihrem Fleisch und Blut herrührenden überheblichen Ansprüche verwenden, deren verbrecherische Taten auf die Herrscher zurückfallen,95 die 92 Isidor, Sent. III, 57, 2. Zur weiteren Benutzung Isidors s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 97. 93 Cautela (vorsichtiges Abwägen, Vorsicht) ist entscheidend für die Beratung des Herrschers und für seine eigene Entscheidung; s. auch das (angebliche) Zitat bei Anm. 72. Der Begriff hat einen gewissen Stellenwert im Secretum S. 271 Z. 4 f.; S. 280 Z. 9; S. 332 Z. 13 (der Sache nach ebd. S. 275 Z. 23 f.; S. 278 Z. 1); s. auch Ausgabe Secretum (Steele) I, 4 S. 42 Z. 3; I, 17 S. 55 Z. 14; III, 19 S. 154 Z. 4 f. (ebd. I, 10 S. 48 Z. 11 f.; I, 14 S. 52 Z. 12). 94 Ecli 10,2. 95 Der Vorstellung, dass Fehlverhalten von Untergebenen und Beauftragten auf den König zurückfällt (redundare), dürfte zum organologischen Staatsmodell gehören; s. die Belege bei Anton, Anfänge S. 107, S. 113. Belege: Sprichwort des 5. Jahrhunderts bei Petrus Chrysologus: Collectio sermonum III. Hrsg. v. Alexander Olivar. Turnhout 1982 (CC SL 24B) S. 1056: sicut honor capitis ad membra pertendit, ita membrorum poena ad dolorem capitis, ad capitis redundat iniuriam; Richer von Reims: Historiae. Hrsg. v. Hartmut Hoffmann MGH SS 38. Hannover 2000; IV, 80 (Loyalitätsfrage des Comes Odo von Blois gegenüber König Hugo) S. 287: Tandem si quid piaculi factum est in sese poenam dedecoris redundans; Helinand, Chron. XI, 38 p. 288b: Hec autem omnia in principem redundant; Erasmus von Rotterdam: Institu-
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eos in talibus sustinentes. Utrisque siquidem ex officii necessitate ingeritur, ut iustitiae in omnibus parcatur, et nihil eorum, quae facienda sunt, ad pretium peragatur. Nam quod iniustum est, etiam pro temporali nec licet fieri nec oportet. Quod vero iustum est, mercedis interventu non indiget, cum per se fieri debeat et iniquum sit venale fieri, quod quis debet. Sed, quod in nullis aliis contractibus invenitur, solus ille vendit iustitiam, qui non habet. Quare utrosque, regem et tribum Leviticam, tanto circumspectores esse oportet magis quam sollicitos, quo illius examini reservantur, cuius prudentia non circumvenitur, iustitia non pervertitur, fortitudo non vincitur, ut, 96in quo iudicio iudicaverint,96 in illo generali capitulo et universali auditorio consimiliter iudicentur96. Terribile dico capitulum, quod semel erit, et nihil supererit corrigendum. I, II c. 7 Septimum capitulum, de expositione huius: Ut discat timere Dominum Deum suum97. I, II c. 8 Octavum capitulum, de expositione huius: Et custodire verba eius, quae in lege scripta sunt98.
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von solchen Kenntnis haben oder die sie dabei gar tätig unterstützen. Beiden (Gewalten) ist aus der Notwendigkeit ihrer Pflichtausübung aufgetragen, in allen Bereichen die Rechtsprechung schonend zu handhaben und, soweit Notwendigkeit gegeben ist, nichts gegen Entgelt dabei zu tun. Denn was ungerecht ist, darf man und soll man auch für einen zeitlichen Vorteil nicht tun. Was aber gerecht ist, bedarf nicht des Dazwischentretens einer Belohnung, da es um seiner selbst willen getan werden muss und es ungerecht wäre, dass etwas käuflich getan würde, was von der Pflicht zu tun geboten ist. Aber – was sich in keinen anderen Verträgen findet – allein der verkauft die Gerechtigkeit, der sie nicht besitzt. Deshalb müssen beide, König und Stamm Levi (die Bischöfe), umso mehr mit Umsicht handeln und besorgt sein, als sie dem Urteil dessen vorbehalten sind, dessen Klugheit nicht zu entkommen, dessen Gerechtigkeit nicht zu verdrehen, dessen Stärke nicht zu besiegen ist, denn 96wie sie im Gericht geurteilt haben, so werden sie96 in jenem Generalkapitel und in jenem allgemeinen Verfahren gerichtet96. Ein schreckliches Kapitel nenne ich es, das ein einziges Mal sein wird, und danach wird keine Zeit zum Bessern mehr sein. I, 2 c. 7 Siebentes Kapitel, zur Auslegung des Verses: Auf dass er seinen Herrn und Gott fürchten lerne.97 I, 2 c. 8 Achtes Kapitel, zur Auslegung des Verses: Und seine Worte bewahren, die im Gesetz geschrieben sind.98
tio principis Christiani. Hrsg. v. Otto Herding: Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami 4, 1 S. 95 – 219. Amsterdam 1974; II S. 186 Z. 660 f.: Hi membra sunt principis et horum sceleribus conflatum odium in ipsum redundat principem. 96–96 Aufnahme von Matth 7, 2. – Der Autor nimmt ein Bild aus dem Ordensbereich (Generalkapitel). 97 Deut 17, 19. – Ausgehend von Text bei Johannes v. S., Pol. IV, 7 S. 254 (s. Helinand, Chron. XI, 38 p. 283b) Behandlung der Gottesfurcht als der Voraussetzung legitimer Machtausübung. Ausführung mit eigenem Material und Wendung des Diskurses der Vorlage in das Biblisch-Moralische. 98 Deut 17, 19. – Knapper Auszug aus Text bei Johannes v. S., Pol. IV, 7 S. 255. Sonderfassung des Rubrums, teils gemeinsam mit Helinand, Chron. XI, 38 p. 283b. Wendung des verfassungsstrukturellen und gesellschaftsbezogenen Diskurses in die mystische Theologie; dazu s. S. 311 f., S. 351; bes. zu Herrscher und mystischer Lichttheologie: Berges S. 154 f. Herrscher und Regularkleriker sind eingefügt in die Einheit des mystischen Gemeinschaftskörpers. Zu dem Gesichtspunkt s. S. 351.
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I, II c. 9 Nonum capitulum, de expositione huius: Nec elevetur cor eius in superbiam super fratres suos99. … Nec tamen ista protuli, quia velim, ut princeps eatenus vitet fastum arrogantiae, ut ex alio latere corruat in contemptum, cum utrumque sit principi praecavendum, et ex altero alterum temperandum. Cautelam100 contemptus exemplis, lsi placetl, primitus astruamus et temperantiaem documentum postmodum subiungamus. 101 In iure Romano cautum esse dinoscitur, ut, qui ius reddit, se praebeat in adeundo facilem, ita tamen, quod se contempni nullatenus patiatur.102 Praecipitur insuper, ne provinciarum praesides provinciales admittant in ulterioris obsequium familiaritatis, eo quod ex conversatione aequali contention nascitur dignitatis.102 101 Sic igitur principes 103debent attendere propriae vel privatae conditionis statum, quod non devenustent publicae dignitatis gradum.103 … Quorsum104 ista, nisi quia sic princeps personam privatam induato, ut humilitas diligatur, sic publicam repraesentet, quod auctoritas timeatur, nec sicp Neronem seq exhibeat per timorem, sed 105Traianumr, Tytum, magiss dictum
l–l m n o p q r s
Fehlt RP. temperature R. contemptio CIC Johannes v. S. sanat RP. se RP. Fehlt RP. Fehlt RP. magis dignum R.
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I, 2 c. 9 Neuntes Kapitel, zur Auslegung des Verses: Und er erhebe sein Herz nicht in Hochmut über seine Brüder.99 … Doch ich habe das Ausgeführte nicht gebracht, als wollte ich, der König solle den Gipfel der Überheblichkeit so weit meiden, dass er auf der anderen Seite in das Extrem der Verachtung verfällt, da jedes dieser beiden Übel vom König zu meiden und das eine mit dem anderen zu mäßigen ist. Wenn es beliebt, wollen wir jene abwägende Vorsicht100 vor Verächtlichkeit zunächst mit Beispielen belegen und danach eine Dokumentation für die rechte Mischung anfügen. Bekanntlich 101ist im römischen Recht vorgeschrieben, dass, wer Recht spricht, sich zugänglich zeigen soll, doch so, dass er nicht durch Gemeinmachen Anlass gibt, verachtet zu werden.102 Außerdem wird verordnet, dass die Provinzstatthalter die Provinzialen nicht in den Kreis ihrer weiteren Vertrauten gelangen lassen, weil aus dem Umgang von Gleich zu Gleich Wetteifern um die gleiche Würdenstellung entsteht.102 101 Die Herrscher 103müssen ihren Status als Privatmann so einrichten, dass sie nicht den Grad ihrer öffentlichen Würde verunstalten.103 … Worauf104 soll das hinaus, wenn nicht darauf, dass der Herrscher die Privatperson anlegen soll, damit dabei die Demut geliebt wird, dass er die öffentliche verkörpern und so darstellen soll, dass die Autoritätsstellung gefürchtet wird, dass er sich so nicht durch Furchterwecken als Nero gebärden soll, sondern als 105Trajan oder als der noch mehr als Wonne des Erdkreises
99 Deut 17, 20. – Ausgang von Text bei Johannes v. S., Pol. IV, 7 S. 256 f., mit breiter eigener Eingangspartie. 100 Zu cautela s. Anm. 93. 101–101 Johannes v. S., Pol. IV, 7 S. 257 (s. verknappt Helinand, Chron. XI, 38 p. 283b). 102 Vgl. CIC Dig. I, 18, 19. 103–103 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 7 S. 258. Das für die Magistrate Gesagte bezieht Gilbert auf die Herrscher. 104 Elemente des folgenden Abschnitts im Text bei Johannes v. S., Pol. IV, 7; 8 S. 258; S. 259 (s. Helinand, Chron. XI, 38 p. 283b). Eigene Konkretisierung in den theokratischen Kontext zurück ist die Unterscheidung zweier personae beim Herrscher. Wesentlich hierzu auch I, 2 c. 10 S. 337 f.; II, 1 c. 6 S. 365 und II, 2 c. 2 S. 417 mit Anm. 345 (Herrscher als potestas publica, divinae ymago veritatis als rei publicae manus et minister legis auf die biblische Strafgewalt bezogen). Bei Johannes und Helinand findet sich das Arztgleichnis auf zwei Segmente aufgeteilt. Das zweite ist jeweils einem unbekannten Lucius zugeschrieben. 105–105 Trajan bei Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 259 f.; V, 8 S. 316; Titus ebd. mit Rückgang auf Sueton, Titus 1.
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orbis delicias, per munificentiam et amorem?105 Sic se super fratres suos, ut legislatoris utar vocabulo, constitutum intelligat, ut 106fratres diligat et errores dirigat et medicorum more morbos graviores, quibus levioribus106 non potuerint medicari, 106cauterio curett et ferro, si tamen uri necesse fuerit aut secari. Sic poenarum acrimoniam infundens vulneribus princeps pia crudelitate desaevit in malos, ut, si medecina non habet effectum in malis, tamen sic perseverat incolumitas apud bonos.106 Igitur temperaturae107 documentum subiungimusu et verbum beati Gregorii de Moralium XIXo libro assumimus. Regat, inquit, disciplinae vigor mansuetudinem, et mansuetudo ornet vigorem, et sic alterum commendetur ex altero, ut nec vigor sit rigidus, nec mansuetudo dissoluta108. Et in libro XXo ita: Sit amor, sed non emolliens, sit vigor, sed non exasperans, sit zelus, sed non immoderate saeviens, sit pietas, sed non plus quam expedit patiensv 109. Idem in omelia IX secundae partis super Ezechielem: Hoc est magisteriumw disciplinae in culpis discrete parcere et pie resecarex 110. Doleat111 ergo princeps, cum vel vindicta culpis exigentibus facienda deposcitur, et, cum eam peragit,
t
succurrat Ed. PB, suscipiat R. subiungamus RP. v parcens Gregor. w magistratuum Ed. PB. x reserare Ed. PB. u
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gepriesene Titus, durch Freigebigkeit und Liebe105? So soll er sich – um die Sprache des Gesetzgebers zu benutzen – über seine Brüder gesetzt erkennen, dass er 106seine Brüder liebt und ihre Irrtümer ins Rechte leitet und nach Art der Ärzte schwerere Krankheiten, die mit Leichterem106 nicht geheilt werden können, mit dem 106Brenneisen und Eisen behandelt, wenn sich Brennen und Schneiden als nötig erweisen. Indem er so die Schärfe der Strafen in die Wunden gießt, wütet der König mit frommer Grausamkeit gegen die Übeltäter, so dass, wenn die Medizin bei den Schlechten keine Wirkung hat, die Gesundheit und Unversehrtheit bei den Guten gekräftigt wird.106 Wir fügen aber noch einen Beleg für die nötige richtige Mischung107 (im Verhalten des Herrschers) an und nehmen dazu ein Wort aus dem 19. Buch Moralia des heiligen Gregor auf: Es leite, sagt er, die Härte der Disziplin die Sanftmut, und die Sanftmut schmücke die Härte, und so werde das eine von dem anderen her empfohlen, dass die Härte nicht ungezügelt streng, die Sanftmut nicht in Energielosigkeit aufgelöst sei.108 Und im 20. Buch äußert er sich so: Es herrsche Liebe, doch eine, die nicht schlaff macht, es herrsche harte Disziplin, doch eine, die nicht aufreizt und verbittert, es herrsche Eifer, doch einer, der nicht ohne Maß wütet, es herrsche fromme Gesinnung, doch eine solche, die nicht mehr, als es zuträglich ist, zu erdulden bereit ist.109 Derselbe Verfasser schreibt in seiner neunten Homilie über Ezechiel in deren zweitem Teil: Dies ist die Lehre der Disziplin, bei Schuldvergehen schlichtend zu schonen und mit Güte zurückzuschneiden.110 Der Herrscher sei also traurig111, wenn bei klarem Erfordernis infolge von Schuldverfehlungen rächende Strafe zwingend gefordert wird, und wenn er diese vollzieht, dann sei seine Rechte 111dienendes Werkzeug111 für die Gerechtigkeit, sie wüte nicht im
106–106 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 258, S. 259 (Helinand, Chron. XI, 38 p. 283b). Cauterium nach Lucius im zweiten Segment (s. Anm. 104). 107 Zu temperatura – temperamentum (richtige Mischung): Gregor d. Gr., Mor. XX, 5, 14 S. 1012. Zur vorrangigen Rolle Gregors d. Gr. und Isidors von Sevilla als Traditionsvermittler für Gilbert s. dessen Exzerptensammlung: Pharetra = Sancti Bonaventurae opera omnia. Hrsg. v. A. C. Peltier. Bd. 7. Paris 1866, S. 3 – 231. 108 Gregor d. Gr., Mor. XIX, 20, 30 S. 981. 109 Gregor d. Gr., Mor. XX, 5, 14 S. 1012. Im Gregortext findet sich statt patiens (erduldend) das wohl passendere parcens (schonend) (s. Anm. v). 110 Gregor d. Gr.: Homiliae in Hiezechihelem prophetam. Hrsg. v. Marc Adriaen. Turnhout 1971 (CC SL 142); II, 9, 20 S. 374. Magistratuum in den Hss. P und B (s. Anm. w) möglicherweise nach dem bei Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 261 (s. Helinand, Chron. XI, 38 p. 482a) singulär erwähnten (angeblichen) Werk von Plutarch De magistratuum moderatione. 111 Assoziationen sind gegeben an Gregor d. Gr., Mor. XX, 38, 74 S. 1057 und das folgende Dichterzitat (s. Anm. 112).
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iustitiae dextera famuletur111, non libidinosae vindictae zelo feraliter in sanguinem debachetur. Unde ethnicus ait: Est piger ad poenam princeps, ad praemia velox, Quique dolet quotiens cogitur esse ferox112. 113
Misericordia enim et veritas custodiunt regem, et firmatur clementia tronus eius.113 Sic misericordia temperet114 iustitiam, ut 114lex clementiae sit in lingua eius; sic iustitia misericordiam, ut 115loquatur iudicium lingua eius.115 114 Etsi ad alterum magis inclinari oporteat, 116meminerit homo, yquia cinisy et pulvis est,116 meminerit etiam, quod scriptum est: Et firmabitur clementia tronus eius117. 118 Philippus, rex Macedonum, cum audisset Phiciam, militem olim egregium, sibi animo alienatum, quod tres filias inopsz vix aleret et eum rex minime adiuvaret, monentibus amicis, ut eum caveret, „Quid“, inquit Philippus, „si haberem aegram corporis partem, abscideremne potius quam curarem?“ Deinde milite accersito et veritate plenius intellecta munifice necessitatia subvenit et militem fidelem sibi restituit et invenit.118 Sic etenim 119medici membra exinanita curant refectione sicut nimis repleta exinanitione.119
y–y z a
Fehlt R. inopes R. mendicitati R.
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Übermaß willkürlicher Vergeltung bis hin zu Mord und Blutvergießen. Daher sagt der Heide: Strafen gibt zögernd der Herrscher, schnell doch bereit zur Belohnung, Trauer umgibt ihn, sooft wild zu strafen der Zwang.112 113
Barmherzigkeit nämlich und Wahrhaftigkeit beschützen den König, und durch Milde wird sein Thron gefestigt.113 So mäßige114 das Mitleid die Gerechtigkeit, dass 114das Gesetz der Milde stets auf seiner Zunge sei, so die Gerechtigkeit das Mitleid, 115dass seine Zunge danach das Urteil spreche.115 114 Und wenn jemand sich zu einem von beiden mehr hingezogen fühlt, dann 116bedenke er, dass der Mensch Asche und Staub ist,116 er erinnere sich, dass geschrieben steht: Durch Milde wird sein Thron gefestigt werden.117 118 Als Philipp, der König der Makedonen, erfahren hatte, dass Pythias, ein früher hervorragender Soldat, nun Abneigung gegen ihn empfinde, da er drei Töchter als Mittelloser kaum ernähren könne und der König ihn nicht im Geringsten unterstütze, und als darauf Freunde ihn (den König) mahnten, sich vor ihm vorzusehen, sagte Philipp: „Was, wenn ich einen Teil des Körpers krank hätte, wollte ich ihn eher abschneiden als ihn heilen?“ Darauf nahm er den Soldaten beiseite, erfuhr den Tatbestand voll, leistete großzügig in dem Notstand Hilfe und gewann so einen treuen Soldaten zurück beziehungsweise fand ihn.118 So nämlich 119behandeln die Ärzte entleerte und kraftlose Glieder mit Auffüllung wie allzu aufgeblähte und geschwollene durch Entleerung.119
112
Ovid, Epist. ex Ponto I, 2, 121 f. – Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 260, wo das Zitat nicht so passend platziert ist wie bei Gilbert. Bei diesem ist Ovid nach den Gregorzitaten schlüssig als Heide (ethnicus) eingeführt. Bei Johannes steht das eher Schwierigkeiten bereitende ethicus. Ob beide gemeinsam ein Florileg benutzten? S. Anm. 42. 113–113 Prov 20, 28; s. auch 16, 12; 29, 14. Entsprechung zunächst Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 261, wo die am Anfang gleich lautende Stelle Prov 3, 3 f. (misericordia et veritas) zitiert ist. 114–114 Fortsetzung entsprechend Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 261; clementia schlüssig nur bei Gilbert. 115–115 Ps 36, 30. 116–116 Aschermittwochsliturgie mit Gen 18, 27. 117 S. das Zitat Anm. 113. 118–118 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 259 (dort sinnvoll im Kontext der Hilfe des Hauptes für die Glieder) nach Frontinus: Strategemata. Hrsg. v. Robert I. Ireland. Leipzig 1990 (BSGRT); IV, 7, 37, dessen Zitat bei Gilbert z. T. frei gebracht ist. 119–119 Zu dem Arztvergleich bei Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 259 und Helinand, Chron. XI, 38 p. 283b nach Lucius s. Anm. 104; 106.
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Legitur imperator 120Traianus arguentibus eum, quod nimis esset comisb, tale dedisse responsum: Talem velle se imperatorem esse privatis, quales imperatores sibi esse privatus optasset. Dicebat etiam vir ille, gentilium optimus Augustorum,120 121in verbis affabilis, munificus in beneficiis,121 in iudiciis iustus, in affectu pius, qualis est tamen pietas sine fide: quod 122insanum est habentem oculos lippientes, si magis eos velit effodere quam curare; si ungues acriores fuerint, resecandos esse, non avellendos. Si enim,122 cqui cantant in cordis ut viellatoresc, 122cytharedus et alii fidicinesd, oberrantise cordae revocant armoniam non cordis ruptis sed tensis proportionaliter vel remissis, quanta sollicitudine principemf moderari oportet, ut modo rigore iustitiae, modo remissione misericordiae subditos dissidentes in unanimitatem reducat et pacem? Cordas etiam, ut sonus debitus revocetur, tutius est remitti quam perintentiusg protendantur, cum animis remissis artificis peritia procedat ad sonum debitum, sed animis extensis declinetur ad nullum. Corda vero, quae rumpitur, nullo artificio reparatur.122 Et ut principes magis abhorreant superbiam et tyrannidem, proferam in medium avunculum et nepotem. Avunculus ergo Neronis Gaius Caligula, cum luxuriante pace 123per mundum a facie Christi silerent omnia123 Dei iam Sapientia incarnata Romanum imperium obtinebat et, 123„Utinam Romanus populus cervicem haberet unicam“, exclamabat,123 et quia deficientibus bellis 123 non inveniebatur hostis, Germaniam peragravit et Galliam. Sed bellorum deficienteh materia123 parva est victoria consecuta. 123Iudaeos persequens Iherosolimaei sancta prophanavit et locumk replensl spurcitiis ydolorum et se coli praecipiens quasi Deum. Pilatum Iudaeae praesidem multis angoribus coartavit,123 qui desperans in suorum 123malorum remedium manu propria123
b
communis R Johannes v. S. Fehlt RP. fidicines qui cantant in cordis ut viellatores RP. oberrantilis RP. Fehlt R. intensius R. deficiente belli Ed. B Johannes v. S. Orosius. sublime R. locus R. repletus R, repletis P, replens illum Ed. B.
c–c d e f g h i k l
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Es ist überliefert, Kaiser 120Trajan habe auf Vorhaltungen, er sei allzu leutselig, zur Antwort gegeben: Er wolle für die gewöhnlichen Bürger ein solcher Kaiser sein, wie er sich als gewöhnlicher Bürger die Kaiser gewünscht hätte. Und es sagte jener Mann, der beste der heidnischen Kaiser,120 der 121in Worten freundlich, im Schenken freigebig,121 im Gericht gerecht, in seiner Sinnesart fromm war, soweit es Frommsein ohne christlichen Glauben gibt, der also sagte: 122Es ist ungesund, dass einer, wenn er triefende Augen hat, sie eher ausreißen als heilen will; wenn Nägel am Körper zu scharf seien, seien sie zu schneiden, nicht auszureißen. Wenn nämlich122 diejenigen, die die Saiten spielen wie Geiger, 122Zitherspieler und andere Lautenspieler, den Wohlklang einer verstimmten Saite zurückrufen, nicht indem sie die Saiten zerreißen, sondern im richtigen Verhältnis spannen oder lockern, mit welcher Sorgfalt muss dann der Herrscher dahin lenken, dass er bald mit der Strenge der Gerechtigkeit, bald im Gewähren von Barmherzigkeit die Untertanen, die auseinanderstreben, zurückführt zu Einmütigkeit und Frieden? Damit der richtige Ton wiederhergestellt wird, ist eine sicherere Methode, die Saiten zu lockern, als dass man sich mit allzu großer Kraftanstrengung bemühe, sie zu überdehnen; bei Lockerung nämlich kommt [das Instrument] durch die Fähigkeit des Künstlers zu dem gewünschten Laut, bei Überspannung wird es zu keinem bewegt. Die Saite aber, die zerstört wird, kann mit keinerlei Kunstfertigkeit wiederhergestellt werden.122 Damit die Herrscher in besonders hohem Maße vor Überheblichkeit und Tyrannis zurückschrecken, will ich das Beispiel von Onkel und Neffen anführen. Der Onkel Neros, Caius Caligula, hatte die Herrschaft über das römische Reich inne, als im Überfluss des Friedens nach Menschwerdung der göttlichen Weisheit 123über die Welt alles vor dem Angesicht Christi verstummte; er rief laut aus, „Das römische Volk möge einen einzigen festen Sinn haben“;123 und da durch das Enden der Kriege 123kein Feind mehr zu finden war, durchstreifte er Germanien und Gallien. Doch da die Kriegsursache schwand,123 folgte nur ein kleiner Sieg. 123Er verfolgte die Juden, entweihte in Jerusalem das Allerheiligste, ließ den Ort mit Schurkerei seiner Götzenbilder füllen und befahl, dass er wie Gott verehrt werde. Pilatus, den Landpfleger von Judäa, trieb er mit vielen Drangsalen in die Enge,123 so dass 120–120
Entsprechung: Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 259 (nach Eutrop: Breviarium VIII, 5, 1, bei Gilbert leicht modifiziert). 121–121 Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 259, offenbar aus dem Luciuszitat, s. Anm. 119; 104. Gilbert schreibt im Folgenden diese Vorlage offenbar weiter aus. 122–122 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 9 S. 260. Offenbar liegt weiter Lucius zugrunde, der seinen Ausgang wieder von der Anatomie nimmt: Augen, Nägel, Darm(-Saite). 123–123 Vgl. Johannes v. S., Pol. VIII, 18 S. 361 f., dem Orosius VII, 5, 2 –10 direkt oder indirekt zugrunde liegt.
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se peremit. Sed postmodnm idem Gaius 123a suis protectoribus est occisus.123 Veneficia, quae congesserat, enarrent maria123, quae in illa demersa123 sunt, et periit multitudo piscium123 infinita. Nero, nepos Gaii, crudelissimus hominum et resolutissimus in numero iumentorum, tanta est absorptus 124libidine, ut nec ab ulla consanguinitatis eum contingente linea continuerit nec a matre.124 Prosequerer amplius, sed in hoc parco verecundiae. Tanta tamen est resolutus mollitie, 124ut retibus piscaretur aureis. Nullam vestem bis induit. Numquam sine mille carucis, si verum est, quod de ipso legitur, iter egit; urbis Romae per dies VII et noctes continuatum incendium voluptatis et crudelitatis suae fecit spectaculum, quod regium pavit aspectum. Quod et ipse prospiciens de turre altissima Mecenatis flammae laetus pulchritudine, ut dicebat, histrionice decantabat. Quod vero flammae superfuerat, abstulit iactans se impudentius, quod ex latericia marmoream urbem ipse reddiderit. Matrem, fratrem, sororem et propinquos et senatorum plurimos interfecit. Negotiatorum omnium sub una die tormentis adhibitis omnem penitus censum extorsit. Petrum cruce, Paulum gladio interemit.124 Sed in fine dampnatus, quod 125nec inimicum haberet nec amicum,125 conquestus, sicut superius patuit, in seipsum irruens est occisus. 126 Tyrannides et superbias principum et eorum exitus quem videre delectat, legat126 mde ormesia mundim Orosium,127 126Trogum Pompeium,128 Iosephum,129 Hegesippum,130 Suetonium,131 Quintum Curciumn,132 Cornelium
m–m n
Ed., de ormesta mundi RP, deormesianum B. Ed., Turcium R, Tyrium PB.
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dieser an einer Heilung123 seiner Übel123 verzweifelnd sich 123mit eigener Hand123 umbrachte. Doch später wurde dieser Caius 123von seinen Wachsoldaten getötet.123 Von dem Giftzeug, das er in sich geschlungen hatte, sollen die Meere123 erzählen, in die es versenkt123 wurde, wobei unzählige Fische123 verendeten. Nero, der Neffe des Caius, der grausamste aller Menschen und der Zügelloseste unter dem Vieh, war von solcher 124Wollust gepackt, dass sie ihn nicht vor irgendwelcher nahen Verwandtschaft zurückschrecken ließ, nicht einmal vor der Mutter.124 Ich könnte dies weiter ausführen, doch ich will die Schranken der Scham beachten. Er zerfloss in solcher Verweichlichung, 124dass er mit goldenen Netzen fischte. Kein Kleidungsstück zog er zweimal an. Nie tat er es unter tausend Staatswagen, wenn wahr ist, was man von ihm liest, wenn er eine Fahrt unternahm; einen sieben Tage und Nächte dauernden Brand der Stadt Rom bot er als Schauspiel seiner Wollust und Grausamkeit, das seiner kaiserlichen Schaulust zum Ergötzen diente. Er selbst schaute von dem sehr hohen Turm des Mäcenas, entzückt von der Schönheit des Feuers, wie er sagte, und deklamierte nach Art eines Tragöden. Was die Flamme übrig ließ, schaffte er weg, sich unmäßig brüstend, dass er aus einer Ziegelstadt eine Marmorstadt gemacht habe. Die Mutter, den Bruder, die Schwester, Verwandte und die meisten Senatoren ließ er beseitigen. Allen Kaufleuten presste er an einem einzigen Tag unter Zuhilfenahme der Folter ihren gesamten Erlös ab. Petrus brachte er durch das Kreuz, Paulus durch das Schwert um.124 Am Ende verurteilt, fand er unter der Klage, er habe 125keinen Feind und keinen Freund,125 wie oben dargelegt, das Ende, indem er Hand an sich selbst legte. 126 Wem es Freude bereitet, Genaueres über Gewaltherrschaften und Überhebungen von Herrschern und ihr jeweiliges Ende zu erfahren, der lese126 das Werk Ormesia mundi des Orosius,127 126Pompeius Trogus,128 Flavius Josephus,129 Hegesipp,130 Sueton,131 Quintus Curtius,132 Cornelius Taci124–124
Z. T. beträchtliche Übereinstimmung mit Johannes v. S., Pol. VIII, 18 S. 362 f.; VIII, 19 S. 366 f. nach Orosius VII, 7, 1–13. 125–125 Vgl. Sueton, Nero 47, 3; verwiesen ist dann auf I, 1 c. 4 (de Poorter S. 8 f.). 126–126 Vgl. Johannes v. S., Pol. VIII, 18 S. 363 f. Vielleicht wird hier (s. Webb zur Stelle S. 364) eine Vorlage des Johannes erkennbar, möglicherweise auch die Gilberts. 127 Die Historiae des Orosius (entstanden 416 – 417/18) wurden auch Ormesia mundi (wohl Weltgeschichte) genannt. Johannes von Salisbury führt diesen Titel nicht an. Wie bei ihm setzt bei Petrus von Blois, PL 207, Sp. 314A, die Liste ein, bei ihm fehlen die beiden letzten Autoren. 128 Pompeius Trogus, Ende 1. Jh. v. Chr., verfasste in 44 Büchern die Historiae Philippicae, die erste Universalgeschichte der römischen Literatur. Bezug genommen ist wohl auf die Epitome (Auszug) des Werkes durch Justinus (3. Jh. nach Chr.), in der allein das Werk erhalten ist. 129 Flavius Josephus (s. Gottfried Anm. 20), sein griechisch geschriebenes Werk
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Tacitum,133 Tytum Livium,134 Serenum135 et Tranquillum136 et ceteros, quos enarrare superfluum est et longum.126 I, II c. 10 Capitulum decimum, de expositione huius: Non declinet in partem dexteram vel sinistram137. Sequitur loco decimo: Non declinet in partem dexteram vel sinistram137, quaeo verba iustitiam exhortantia aliter exponuntur, si personam respiciunt publicam, aliter si privatam.138 Privata igitur persona declinat ad sinistram, cum in devium peccatorump pergit, declinat ad dextram, cum de virtutibus intumescit. Cui enim sub specie vestis pulchrae et nitidae dyabolus vanam gloriam aliter non potuit generare, per squalida et inculta frequenter conatur inferre; ne vanae gloriae contagio maculeturq, orationes prolixas a proximorum sibi quis cavet oculis, et
o p q
Ed., fehlt RP, quia B. perfectorum B. mascentur R.
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tus,133 Titus Livius,134 Serenus135 und Tranquillus136 und die übrigen, die aufzuführen überflüssig und zu weitführend ist.126 I, 2 c. 10 Zehntes Kapitel, zur Auslegung des Verses: Und er soll nicht zur rechten und nicht zur linken Seite hin abweichen.137 Es folgt an zehnter Stelle: Er soll nicht zur rechten und nicht zur linken Seite hin abweichen,137 welche Worte, die zur Gerechtigkeit mahnen, unterschiedlich auszulegen sind, je nachdem, ob sie sich auf die öffentliche oder die private Person (des Regenten) beziehen.138 Die private weicht zur Linken ab, wenn sie den Abweg der Sünden einschlägt, nach rechts, wenn sie wegen eigener Tugendhaftigkeit vor Stolz anschwillt. Wem nämlich der Teufel mit dem Bild des schönen und glänzenden Gewandes eitle Ruhmsucht nicht eingeben konnte, dem versucht er sie mit Schmutz und Ungepflegtem einzuflößen; damit einer nicht durch Berührung mit eitler Ruhmsucht befleckt werde, hütet er sich vor gefälligen Reden vor den Augen seiner Nachbarn, und wenn er es auch einrichtet, sie im Ver-
war in einer Rufin von Aquileja (4. Jh. n. Chr.) zugeschriebenen lateinischen Übersetzung zugänglich. Vielleicht ist ein mit Hegesipp (s. nächste Anm.) identisches Werk gemeint. 130 Pseudo-Hegesipp: eine lateinische Übersetzung des Jüdischen Krieges von Flavius Josephus in verkürzter Form aus dem 4. oder 5. Jahrhundert. 131 C. Suetonius Tranquillus (um 75 –150 n. Chr.), gemeint sind wohl seine Biographien römischer Kaiser (De vita Caesarum) von Cäsar bis zu Domitian. 132 Q. Curtius Rufus (1./2. Jh. n. Chr.) verfasste ein Werk in zehn Büchern über Alexander den Großen. 133 Cornelius Tacitus (etwa 55 –116/20 n. Chr.), größter römischer Historiker. 134 T. Livius (59 v. Chr.–17 n. Chr.), Darstellung der römischen Geschichte in 142 nur teilweise erhaltenen Büchern. Zugänglich in Auszügen des Florus (Anfang 2. Jh. n. Chr.) oder in anderen Epitomeen. 135 Q. Serenus Sammonicus (um 200 n. Chr.), Verfasser eines Rezeptbuches; vielleicht mit Bezug auf Isidor: Differentiae: Isidoro de Sevilla: Differencias libro I. Hrsg. v. Carmen Codoñer. Paris 1992 (Auteurs latins du Moyen Âge); § 447 (536) zusammen mit Tranquillus auf Sueton (s. Anm. 131) zu beziehen; s. Webb in seinem Kommentar S. 364. Doch kann Serenus für die (Florileg-)Vorlage wichtig gewesen sein; s. Johannes v. S., Pol. VI, 24 S. 72 f. 136 Tranquillus s. Anm. 135. 137 Deut 17, 20. – Johannes v. S., Pol. IV, 9 S. 263 – Helinand, Chron. XI, 38 p. 284a. 138 Zu persona publica und persona privata s. bei Anm. 105 und 104. Die staatstheoretischen Kernbegriffe bei Johannes von Salisbury und Helinand setzt Gilbert zunächst in den biblischen Rahmen. Ihre Verwendung in diesem Themenrahmen ist seine Leistung.
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quod eas latenter exerceat et nullum habeat conscium: plerumque non effugit oculos vanitatis, sicut cepa totiens tuniculis novis subtilioribus tam invenitur obtecta, quotiens eisdem fuerit spoliata. Non est in hac epistola meum propositum naturam prosequi vitiorum, nisi quod divini doctor eloquii morem debet fluminis imitari, quod dum per alveum defluit, si valles ex latere contingit, in eas protinus se infundit, et, cum repleverit eas, in alveum redit. Non sicut canibus et venatoribus contingere solet, ut aggressam dimittant bestiam et aliam prosequantur, quae ex inopinato apparet.139 Stilus ergo revertatur ad principes 137neque ad dexteram neque ad sinistram declinare137 debentes. Hicr igitur princeps vel persona publica 140deflectitur ad sinistram,140 si in ulciscendis 140subditorum criminibus nimium pronus extiterit ad vindictam; s ad dexterams vero gressum torquet, qui delinquentibus ex mansuetudine140 parcit ultra debitum et indulget140. Proponantur in medium iam personae, quae declinantes altrinsecus a via141 leguntur regia141 recessisse, sedt, quemadmodumu exempla suppetunt, Heli et Saul ipsi sufficiunt. Heli142 siquidem iudex et pontifex pro filiorum iniquitate mortem incurrit, qui aversa 142sella fractis cervicibus142 corruens expiravit. Filios enim divina sacrificia temerantes minus severa animadversione plectebat. Et quidem cohercuerat et corripuerat, sed levitate et man-
r
Fehlt RP. Fehlt R. et RP. quoniam R.
s–s t u
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borgenen zu führen und keinen Mitwisser zu haben: dennoch – meist kann er nicht dem Erblicken der Eitelkeit entfliehen, wie man die Zwiebel immer wieder mit neuen und feineren Unterkleidern bedeckt findet, sooft sie solcher beraubt wird. In diesem Brief ist es nicht mein Ziel, der Natur der Laster nachzugehen, dies nur insoweit, als der Lehrer der göttlichen Weisheit das Verhalten eines Flusses nachzuahmen hat, der beim Fließen durch eine vertiefte Mulde sich in die Täler ergießt, die er an den Seiten berührt, danach aber, wenn er sie angefüllt hat, in sein Bett zurückkehrt. Es soll ihm nicht ergehen, wie es bei Jagdhunden und Jägern vorkommt, dass sie von dem ins Visier genommenen Tier ablassen und die Verfolgung eines anderen beginnen, das unverhofft in ihrem Blickfeld erscheint.139 Unsere Feder soll also zu den Herrschern zurückkehren, die 137weder nach rechts noch nach links abweichen137 dürfen. Dieser Herrscher, soweit er öffentliche Person ist, 140gerät ins Abseits zur linken Seite140 hin, wenn er bei der Ahndung von 140Verbrechen seitens der Untertanen allzu geneigt zur Rache ist; zur rechten Seite hin verbiegt seinen Schritt, wer Verbrecher aus Barmherzigkeit140 über das geforderte Maß hinaus schont und ihnen 140Nachsicht gewährt.140 In den Mittelpunkt gerückt werden sollen Personen, von denen überliefert ist, dass sie nach der einen oder der anderen Seite hin abweichend vom Königsweg141 abgekommen sind, aber da Eli und Saul als Beispiele aussagekräftig zur Verfügung stehen, sollen sie genügen. Eli,142 der Richter und Priester war, zog den Tod auf sich wegen der Ruchlosigkeit seiner Söhne, er stürzte 142von seinem Sessel, brach sich das Genick142 und starb. Seine Söhne, die das Opfer für Gott befleckten, wies er mit einer Rüge, die nicht streng genug war, zurecht. Er hatte sie getadelt und zurechtgewiesen, doch mit der Schonung und Milde des Vaters, nicht mit der Autorität und Strenge des 139
Als Privatperson unterliegt der Herrscher der allgemeinen Sittennorm. Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 9 S. 263 – Helinand, Chron. XI, 38 p. 284a–b (Übereinstimmung punktuell differierend), nach inhaltlichen Parallelen, doch in jeweils völlig unabhängiger Ausführung bei Gilbert einerseits, Johannes und Helinand auf der anderen Seite. 141 Via regia (Königsweg) ist biblischen Ursprungs: Num 21, 22. Zu den Parallelen via publica (öffentlicher Weg) in der Bibel und zur Geschichte der Metapher s. Anton, Herrscherethos S. 172 –179. Die in der Karolingerzeit bedeutsame politische Metapher ist angedeutet in der mit Johannes von Salisbury gemeinsamen Zitation ad dexteram gressum torquet (s. Anm. 140). Doch nur Gilbert entfaltet das karolingische Modell. 142–142 Zu Eli vgl. 1 Reg 2, 12 –17; 22 – 25; 27– 36; 3, 11–14; Zitat sella … fractis cervicibus: ebd. 4, 18. Zu dem Beispiel konnte Gilbert die ihm bekannte Schrift PseudoCyprians, De duodecim abusivis 6 S. 43 f. veranlassen. Eine karolingische Verwendung der Szene in gleicher Formulierung: Sedulius Scottus c. 19 S. 137. 140–140
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suetudine patris, non auctoritate et severitate iudicis. Saul143 autem pinguioribus143 Amalech nullatenus pepercisset,143 si 143meliorem esse obedientiam quam victimamv attendisset, sed dictum est ei a Samuele, quasi peccatum ariolandi est nollew acquiescere.143 Ydolum est hominis, quiquid plus quam Deum colit aut diligit. Filiis ergo inobedientiae sua voluntas est ydolum, qui contempta Domini voluntate sequuntur propriae voluntatis nutum. Proponamus et duos de castris Romanorum contra duos de castris Iudaeorum,144 magistrum et discipulum, Plutarchum et Traianum. Convincat philosophus pontificem et rex regem.145 Cum Plutarchus146 Traiani magister 146 servum male meritum detracta tunica verberibus praecepisset affici et ille duriuscule caederetur,146 post gemitus et precesx inaniter fusas, dum vapularet146 servus, ad verba se contumeliosa convertit clamans 146non ita se habere Plutarchum, ut deceret philosophum; irasci turpe ei maxime, qui de ira saepe docuerat et de patientia librum pulcherrimum feceraty; valde vero probrosum, quod sic doctrinam suam moribus impugnabat et sic innoxium affligebat. Ad quae Plutarchus leviter quidem et lente et cum maxima gravitate: „Numquid quod vapulas tibi irasci videor? Estne ira mea, si a me debitum recipis? Ex vultu meo an ex voce an ex colore an etiam ex verbis ira me corruptum intelligis aut correptum? Mihi quidem nec oculi, ut oppinor, truces sunt nec os turbidum, nec inaniter clamo nec in spumam ruboremque fervesco neque pudendaz dico aut poenitenda nec omnino trepido ira aut gestio.
v w x y z
vindictam R. velle PB. porrectiones R. fuerat Ed. PB. piscenda R.
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Richters. Saul143 hätte die fettere143 Menschen- und Tierbeute der Amalekiter in keiner Weise geschont,143 wenn er beachtet hätte, dass 143Gehorsam (vor Gott) besser ist als Rauchopfer, doch gesagt wurde ihm von Samuel, dass es gleichsam eine Sünde der Götzendienerei ist, Gottes Weisung nicht befolgen zu wollen.143 Götzenbild ist für den Menschen alles, das er mehr verehrt und liebt als Gott. Für Kinder ist Götzenbild ihr Wille zum Ungehorsam, wenn sie in Verachtung des Willens Gottes dem Antrieb ihres eigenen Willens folgen. Wir wollen auch zwei Beispiele aus dem Lager der Römer gegen zwei aus dem Lager der Juden stellen,144 einen Lehrer und seinen Schüler, Plutarch und Trajan. Der Philosoph möge den Bischof überzeugen, der Herrscher den König.145 Als Plutarch,146 der Lehrer Trajans, befohlen hatte, dass 146ein Sklave, der sich schlecht geführt hatte, die Tunika abzulegen habe und mit Peitschenhieben zu strafen sei, und er einigermaßen hart geschlagen wurde,146 verlegte sich der Sklave nach nichts bewirkendem Stöhnen und Bitten während der Prügel146 auf Schmähworte und rief aus, 146Plutarch verhalte sich nicht so, wie es sich für einen Philosophen gezieme; zu zürnen sei für den in höchstem Maße schändlich, der oft über den Zorn gelehrt und ein sehr schönes Werk über die Geduld geschrieben habe; besonders schändlich sei, dass er so seine Lehre durch sein Verhalten diskreditiere und so einen Unschuldigen schlage. Darauf erwiderte Plutarch, mild und langsam sprechend, doch mit höchstem Ernst: „Zürne ich Dir etwa, wenn Du gezüchtigt wirst? Ist Zürnen denn, wenn Du von mir Verdientes empfängst? Kannst Du etwa aus meiner Miene, aus meiner Stimme, aus meiner Farbe, ja auch aus meinen Worten erkennen, dass ich von Zorn verdorben oder hingerissen sei? Meine Augen sind, wie ich glaube, nicht wild erregt, meine Sprache ist nicht verwirrt, nicht schreie ich sinnlos, nicht bin ich rot glühend und bebe ich mit Schaum vor dem Mund, nicht sage ich Dinge, deren ich mich zu schämen und die ich zu bereuen hätte, ich zittere nicht vor Zorn oder gestikuliere wild. Dies alles sind, falls Du es
143–143
Vgl. 1 Reg 15; besonders: 15, 9; 15; 32; 22 f. Eine ähnliche Metaphorik (Lager Israels, Zelte der Römer) I, 2 c. 5 S. 303; S. 309, zunächst in Entsprechung zu Johannes von Salisbury; s. Anm. 40 und 57. 145 Plutarch war für Gilbert (und wohl auch Johannes von Salisbury) ein lateinischer Autor und als Verfasser des (fiktiven) Einleitungsbriefs zur Institutio Traiani (s. Anm. 3 S. 289 f.; S. 315), den Gilbert in seinem Werk De modo addiscendi II, 9 S. 93 f. zitiert, Lehrer des Trajan. Hier wird deutlich gesagt, dass Gilbert neben dem Herrscherspiegel einen Bischofsspiegel intendiert. Partner der Korrelation sind Philosoph (Plutarch) – christlicher Bischof, Trajan – christlicher König. 146–146 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 261 f., nach Gellius I, 26. Johannes (und Gilbert?) zitiert offenbar aus einem Florilegium, das den Schluss et sine – iurgari über Gellius hinaus bot. 144
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Haec omnia, si nescis, signa irarum esse solent“. Et conversus ad eum, qui caedebat: „Interim“, ait, „dum ego et hic disputamus, tua hoc age et sine iracundia bmea retunde servilemb contumaciam, et iniquum magis poenitere doceas quam iurgari“.146 Quare patet, quoniam, qui sic in iustitia modum tenuit et tenendum docuit, quod non a via regia declinavit. 147Traianus etiam imperator, cum iam equum ascendisset profecturus ad bellum, vidua pede illius apprehenso flens miserabiliter iustitiam sibic fieri petiit de hiis, qui filium eius, optimum et innocentissimum iuvenem, occiderant. „Ego“, inquit imperator, „satisfaciam tibi, cum rediero“. „Quid,“ inquit illa, „si non redieris?“ Et ille: „Successor meus satisfaciet tibi“. Et illa: „Quid tibi proderit, si alius benefecerit? Tu mihi debitor es secundum opera mercedem recepturus. Fraus itaque est nolle reddere, quod debetur. Successor tuus iniuriam patientibus pro se tenebitur. Te non liberabit iustitia aliena. Bene agetur cum successore tuo, si liberaverit seipsum“. Ad hoc descendit de equo, examinavit causam, dictavit sententiam et satisfactione condigna consolatus est viduam. Ipse est Traianus, pro quo beatus papa Gregorius tamdiu orando flevit, donec ei in revelatione dictum sit Traianum a poenis inferni liberatum, ita tamend, quod de caetero pro infideli non rogaret Deum.147 Iste ergo quomodo declinavit, qui tam iuste et misericorditer sine dilatione aliqua iudicavit? I, II c. 11 Undecimum capitulum,148 in quo additur promissio de successione regnorum et exponitur illud: Ut longo vivat tempore149, et caetera. … Tempus est, ut ad margines veniatur. Novi enim, quod modum epistolae iam excessi nec tamen ex toto, quod statueram, adimplevi. Sed meae sollici-
a
in Ed. BO. R Johannes v. S., meo recude similem Ed. PB. Fehlt RP. Fehlt R.
b–b c d
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nicht weißt, Zeichen ungebändigten Zorns.“ Und gewandt an den, der die Hiebe austeilte, sagte er: „Während ich und dieser disputieren, fahre Du in Deinem Tun fort, und ohne Erzürnen meinerseits brich den Ungehorsam des Sklaven und bring ihm bei, dass der Schuldige eher zu bereuen als Recht zu fordern hat.“146 Aus alldem wird deutlich, dass, wer so in der Gerechtigkeit Maß hielt und es zu halten lehrte, nicht vom königlichen Weg abwich. 147Als Kaiser Trajan schon das Pferd bestiegen hatte, um in einen Krieg zu ziehen, wurde er von einer Witwe, die seinen Fuß berührte, angegangen, die unter Tränen erbarmenswürdig flehte, ihr möge Gerechtigkeit widerfahren jenen gegenüber, die ihren Sohn, einen sehr guten und völlig unschuldigen jungen Mann, getötet hatten. „Ich werde Dir Gerechtigkeit zuteil werden lassen“, sagte der Kaiser, „wenn ich zurückgekehrt bin.“ „Und was,“ sagte jene, „wenn Du nicht zurückkommen solltest?“ Darauf jener: „Mein Nachfolger wird Dir dann Genugtuung leisten.“ Darauf die Witwe: „Was wird es Dir nützen, wenn ein anderer die Wohltat erweist? Du bist mir Schuldner, der seinen Werken entsprechend Lohn erhalten wird. Betrug ist es, nicht erstatten zu wollen, was man schuldet. Dein Nachfolger wird dafür herangezogen werden, wenn welche seinetwegen Unrecht erleiden. Gerechtigkeit eines anderen wird Dich nicht frei machen. Gut wird es Deinem Nachfolger ergehen, wenn er sich selbst befreit hat.“ Darauf stieg er vom Pferd, ließ den Fall genau untersuchen, diktierte das Urteil und tröstete die Witwe mit angemessener Genugtuung. Dies ist der nämliche Trajan, für den der heilige Papst Gregor so lange betend flehte, bis ihm in einer Offenbarung gesagt wurde, Trajan sei von Qualen im Jenseits frei, doch unter der Bedingung, dass er (Gregor) in Zukunft nicht mehr für einen Ungläubigen betend eintrete bei Gott.147 Wie könnte jener abgewichen sein, der so gerecht und voller Erbarmen ohne irgendwelche Verzögerung mit seinem Urteil entschied? I, 2 c. 11 Elftes Kapitel,148 in dem die Zusage über die Abfolge der Reiche angefügt wird und der Vers erläutert wird: Auf dass er lange Zeit lebe149 usw. … Es ist Zeit, zum Schluss zu kommen. Ich weiß, dass ich das Maß eines Briefes schon überschritten habe; trotzdem habe ich noch nicht ganz ausge147–147 Vgl. Johannes v. S., Pol. V, 8 S. 317 f. Zugrunde liegt Johannes Diaconus: Vita S. Gregorii Papae PL 75, Sp. 41– 242; II, 44 Sp. 104D–106A. Johannes von Salisbury und Gilbert sind wechselnd der stark modifizierten Vorlage in voneinander differierenden Nuancen näher. Es ist wieder zu fragen, ob ein (gemeinsames) Vorlagestück den modifizierten Teil bot. 148 Die in den Rubra gesondert aufgeführten Kapitel 11 und 12 sind hier vereinigt. 149 Deut 17, 20. – Es folgt ein langes, selbständiges Kapitel theologisch-anthropo-
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tudinis iugis et eindefessa confachinatioe, lectionum mearum et disputationum necessaria continuatio,150 vix mihi reliquerunt otium hoc scribendi. Sed affectionis vehementia, qua pulvis exiguus revolat interdum ad dominum suum, brevi suscepto tempore condempnavit incuriam subticendi. Si domino regi151 placuerit, quod sperof, de reverentia Dei etg diligentia sui dictum est in hac epistola. De disciplina debita potestatum et officialium, de affectu et protectione subditorum procedet, si Dominus dederit, et secunda. hPersonam igitur domini regis et suorum et regni statum in bonum custodiat eius clementia 152Rex regum et Dominus dominorum,152 153qui vivit et regnat in saecula saeculorum153. Amen.h II. Secunda epistola, in qua agitur de disciplina debita potestatum et officialium. II, I (c. 1) Prologus. Capitulum primum, ubi ponitur prologus. Postulatis, clementissime domine,154 praelibatis continuari sequentia, materiam scilicet perfici, quam incepi. Libens pareo pro facultate meae tradita parvitati. Alacriter ergo secunda procedat epistola, quam Serenitas regia prodire iubet in publicum, et tantae dignationis prudentia vel dirigat vel excuset, quod deforme videbitur vel apparuerit vitiosum. Ad hanc enim operam stimulis urgeor regiae Maiestatis, qui nihil in me perpendo, quod attentionem provocet auditorum, cui nec vita ad conscientiam nec ad doctrinam scientia nec opera suppetunt ad exemplum. Unde non immerito vereor, ne, dum ad obsequium devotus accingor, dispendium pudoris faciens aemulorum pro-
e–e
indefensa contactenacio R. Ed., serio RPB. g de R, fehlt B. h–h Fehlt BO. f
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führt, was ich mir vorgenommen hatte. Doch die dauernde und unermüdliche Erfüllung meiner Aufgabe,150 die nötige Fortführung meiner Vorlesungen und Disputationen, ließen mir kaum Muße, dies zu schreiben. Doch die Heftigkeit bewegender Zuneigung, von der getrieben das Stäubchen bisweilen zu seinem Herrn fliegt, verdammte nach kurzer Bedenkzeit eine Pflichtvergessenheit, die im schweigenden Übergehen (der Aufgabe) läge. Wenn es dem Herrn König151 gefällt, was ich hoffe, soll in diesem Brief genug gesagt sein über die Verehrung Gottes und die Vervollkommnung der eigenen Person. Über die nötige Disziplin der höheren und niederen Amtsträger, über die Zuneigung zu den Untertanen und ihren Schutz wird die Darstellung fortgeführt, mit Hilfe Gottes, im zweiten (Brief). Die Person des Herrn Königs und der Seinen bewahre mit seiner Gnade 152der König der Könige und der Herr der Herren,152 153der herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit.153 Amen. II. Zweiter Brief, in dem gehandelt wird über die nötige Disziplin der höheren und der niederen Amtsträger. II, 1 (c. 1) Prolog. Erstes Kapitel, in dem der Prolog gesetzt wird. Ihr fordert, gnädigster Herr,154 dem vorausgesetzten Teil die Fortführung anzufügen, die Thematik zu vollenden, die ich begonnen habe. Gern gehorche ich und entspreche dem nach dem bescheidenen mir verliehenen Talent. Schnell soll also der zweite Brief folgen, von dem Eure Erhabenheit befiehlt, dass er an die Öffentlichkeit gelange; die Klugheit, die Eurer hohen Beauftragung zugrunde liegt, möge Geleit geben, doch auch entschuldigen, dass er unförmig erscheinen wird oder später sogar voller Mängel. Zu diesem Werk nämlich werde ich nur gedrängt durch den Ansporn der königlichen Majestät, der ich an mir bei genauer Betrachtung nichts finden kann, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit herausfordern würde, dessen Leben nicht zur Mitteilung, dessen Wissen nicht zur Gelehrtheit, dessen Werke nicht zur Nachahmung reichen. Nicht unverdient fürchte ich daher, dass ich, indem
logischen Inhalts über die Nichtigkeit von Zeit und Herrschaft in der Zeit, angereichert mit vielen Zitaten aus Bibel und Gregor dem Großen. Alles ist zugeschnitten auf die Herrschaft von Jesus Christus, dem Mittler zwischen Gott und den Menschen, der seine leuchtende Helle allen einfließen lässt, was sie zu Mitherrschaft mit ihm anstoßen soll. 150 Hinweis auf die Lehrtätigkeit Gilberts an der Universität Paris. 151 König Ludwig IX. (1225 –1270) von Frankreich, Adressat des Werks. 152–152 Apoc 17, 14; vgl. Apoc 19, 16 und 1 Tim 6, 15. 153–153 Apoc passim; zur liturgischen Formel verfestigt. 154 S. Anm. 151.
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vocemi linguas, per quos aliorum facillime mala carpuntur, cum tamen et ipsi aliena bona nullatenus imitentur. Inter opes autem varias et delitias doctorum spiritualium, quibus affluit regis munificentia, parcaturk exilitati sermonis et ingenii. Si ieiunae155 procedat 155orationis maciesl 155, si lingua crepitet imperita, ipsum autem invocamus Dominum Ihesum Christum, sine quo nihil obtinet utilitatis effectum. (II, I) Capitulum secundum, ubi incipit pars illa, quae est de disciplina potestatum et officialium, quae continet XVII capitula.156 II, I c. 1 Primum, in quo ostenditur, quod ad principes pertinet disciplina subditorum. Postquam divina coelitus aspirante gratia de reverentia Dei, de diligentia sui propositum nostrum absolvimus, nunc ordine convenienti ad ea, quae proximorum sunt, convertatur stilus. Et primitus mdisserendum estm de disciplinan potestatum et officialium, deinde vero de affectu et protectione odicendum esto subditorum. 157 Dedit igitur Dominus in ecclesia militanti regibus principatum pro cura et regimine populorum. Unde non tam praeesse quam prodesse subiectis de-
i
providem R, providere P. personatur R. l inatres R, in acies P. m–m Fehlt R, disserendum P. n disciplina debita R. o–o Fehlt B. k
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ich gehorsam der Aufforderung Folge leiste, an Scham einbüße und die Zungen neidischer Rivalen herausfordere, die schnell dabei sind, die Mängel anderer zu zerpflücken, während sie selbst nicht bereit sind, Gutes von anderen nachzuahmen. Unter den mannigfachen Schätzen und den geistigen Genüssen von Seiten der geistlichen Lehrer, an denen die königliche Erhabenheit Überfluss hat, möge der Dürftigkeit meines Stils und meiner Begabung Schonung gewährt werden. Wenn 155die Rede trocken und schlaff155 daherkommt, wenn die Sprache ungeschliffen und klapprig ist, wollen wir den Herrn Jesus Christus anrufen, ohne den nichts Nutzen und Frucht bringt. (II, 1) Zweites Kapitel, wo jener Teil beginnt, der über die Disziplin der höheren und der niederen Amtsträger handelt und der 17 Kapitel umfasst.156 II, 1 c. 1 Erstens, wo gezeigt wird, dass die Disziplin der Untertanen Sache der Herrscher ist. Nachdem wir mit Zutun der göttlichen Gnade vom Himmel her unser Vorhaben zu den Bereichen Gottesverehrung und Vervollkommnung der Person durchgeführt haben, hat sich nach der füglichen Ordnung unsere Darstellung dem zuzuwenden, was dem Nächsten geschuldet wird. Zu handeln ist zunächst von der Disziplin der höheren und der niederen Amtsträger, dann über die Zuneigung zu den Untertanen und ihren Schutz. 157 Der Herr gab in der auf Erden streitenden Kirche den Königen die Herrschaft zur Sorgewaltung und zur Regierung für die Völker. Daher hat die beständige Sorge der Könige nicht so sehr die Aufgabe, den Untertanen 155–155 Boethius: Institutio arithmetica: Hrsg. v. Jean-Yves Guillaumin: Institution arithmétique. Paris 1995 (CUF); praef. 2 S. 1. 156 Siehe Gilbert, Collectio S. 58, wo als Wesensmerkmal von Staatsfunktionären ohne Disziplin, die die Armen bedrücken, genannt sind: Verurteilung Unschuldiger, Freispruch von Schuldigen, Verkauf der Gerechtigkeit, Korruption durch Geschenke, Erlassen ungerechter Gesetze, Zurückweisung der Entschuldigung Armer, Geldgier, Kirchenunterdrückung, Gefälligkeit wenigen gegenüber, ungerechtes Gericht. 157–157 Vgl. Isidor, Sent. III, 49, 3; 48, 5a; 51, 5; 4. – Die hoch- und spätmittelalterliche Lehre, nach der zwischen der triumphierenden Kirche (ecclesia triumphans) im Himmel und der institutionell verfassten, doch sakramental umgreifenden kämpfenden auf der Erde (ecclesia militans) unterschieden wurde, ist hier hineingenommen in die alte naturrechtliche Offizienlehre Isidors von Sevilla in Bezug auf Königsamt – Kirche – Gesellschaft. Weitere Verwertung Isidors: II, 2 c. 8 (de Poorter S. 77); s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 97. Die alte Offizienlehre sondert von den säkularen Gedankenführungen bei Johannes von Salisbury und Helinand ab. Zu Isidors Bedeutung als Traditionsvermittler neben Gregor d. Gr. bei Gilbert s. Anm. 107.
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bet diligentiae sollicitudo regalis, ut per insignia potestatis acceptae vigere compellat pulcritudinem et rigorem ecclesiasticae disciplinae.157 Nam ut beatus scribit Ysidorus: Intra ecclesiam potestates necessariae non essent, nisi ut, quod non valet sacerdos efficere per doctrinae sermonem, potestas hoc imperetp per disciplinae terrorem, et, // qui intra ecclesiam positi contra fidem et disciplinam ecclesiae eriguntur, rigore regum et principum conterantur158. Quanto enim quis saecularis honoris amplius fastigio sublimatur, tanto159 magis eidem incumbit, ut tam ab eo quam ab eius subditis disciplina debita teneatur. Usus ergo regiae potestatis est, ut malum timore coherceat,160 ne simulando qvel dissimulandoq crimina, 161non recte regendo nomen regis amittat,161 et cum eis, quos cohercere debuit, reatum incurrat. Unde Augustinus Vo libro contra Iulianum: Nos certe, si eos, in quos nobis potestas est, ante oculos nostros perpetrare scelera permittamus, rei cum ipsis erimus162. Inde relinquitur unumquemque tantor apud secretum conscientiae suae magis se reputandums humilem, quanto se constitutum viderit pluribus praesidentem. 163 Humilitatis enim occasio debet esse non elationis supercilium multitudini praesidere; licet David in populi multitudine superbierit et eius superbiam Dominus in populi percussione puniverit.163 Percussa est multitudo populi, ut: Quicquid delirant reges, plectuntur Achivi164. Licet tde punitionet populi ratio secretior habeatur, quoniam pro peccato principis ex habitudine et unione populi ad principem populus quandoque punitur.165
p
inpetret R wie in einer Isidor-Hs. Fehlt P. r Fehlt RP. s ruptandum R, imputandum P. t–t reputatione B. q–q
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voranzustehen, als ihnen zu nützen, indem sie durch die Symbole und Instrumente der erhaltenen Macht die Durchsetzung von Schönheit und Strenge der kirchlichen Disziplin erzwinge.157 Der heilige Isidor schreibt nämlich: Innerhalb der Kirche wären weltliche Gewalten nicht nötig, wenn nicht zu dem Zweck, dass die weltliche Gewalt das, was der Bischof mit dem Wort belehrender Predigt nicht bewirken kann, durch den Schrecken der Disziplin erzwinge, und // dazu, dass die, die innerhalb der Kirche sich gegen den Glauben und die Disziplin der Kirche erheben, durch die Strenge der Könige und Fürsten zerrieben werden.158 Je höher jemand auf den Gipfel weltlicher Ehre erhöht wird, umso mehr159 obliegt ihm als Pflicht, dass sowohl von ihm als auch von seinen Untertanen die geforderte Disziplin bewahrt wird. Gebrauch zu machen ist von der königlichen Macht in der Weise, dass sie das Schlechte durch Furchterwecken zügelt,160 dass sie nicht durch Verschleiern und Verschweigen der Verbrechen, 161durch nicht richtiges Regieren den Rechtstitel König verliert161 und zusammen mit denen, die sie zu zügeln hätte, in schwere Schuld hineinstürzt. Entsprechend schreibt Augustinus, und zwar im fünften Buch gegen Julianus: Mit Sicherheit werden wir, wenn wir die, über die wir Macht haben, vor unseren Augen Verbrechen verüben lassen, zusammen mit diesen schuldig.162 Aus alldem folgt, dass jeder sich vor dem geheimen Inneren seines Gewissens umso demütiger befinden muss, je mehr er sich den vielen vorangesetzt sieht. 163An der Spitze der Menge zu stehen muss Anlass zur Demut sein, nicht zu Hochmut und Dünkel, [wie es bei David der Fall war]; obwohl bei David, als er dünkelhaft mit der großen Menge seines Volkes prahlte, Gott seine Überhebung mit Zerrüttung des Volkes bestrafte.163 Zerrüttet wurde die Menge des Volkes gemäß dem Wort: Rasen vor Wahnsinn die Herrscher, der Griechen Los ist die Strafe.164 Es sei erlaubt, dass die Überlegung zur Bestrafung des Volkes implizit vorgestellt wird, für die Sünde des Herrschers wird aus der Gewohnheit und wegen der Einheit zwischen Volk und König das Volk ohnehin bestraft.165 158
Isidor, Sent. III, 51, 4; 5. Es schimmert durch: Gregor d. Gr., Mor. XXVI, 26, 46 S. 1301. 159 Isidor, Sent. III, 48, 3. 160 Isidor, Sent. III, 48, 5b. 161–161 Vgl. Isidor, Sent. III, 48, 7; Et. IX, 3, 4. 162 Augustinus: Contra Iulianum (PL 44, Sp. 641– 874); V, 4, 14 Sp. 791. 163–163 Gedankliche Vorlage ist zunächst wieder Gregor d. Gr., Mor. XXVI, 26, 46 – 47 bzw. Isidor, Sent. III, 49, 1– 2, wo David gelobtes Vorbild ist (etwa Ps 130, 1; 2 Reg 6, 22). Dieser Gedanke ist nicht ausgedrückt. Es ist gleich das Fehlverhalten Davids (2 Reg 24) angefügt. 164 Horaz, Epist. I, 2, 14. 165 Vgl. dazu Isidor, Sent. III, 48, 11.
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II, I c. 2 Capitulum secundum, in quo ostenditur, quod principes debent disciplinam influere in subditos sicut caput in membra. Et licetu 166apud Deum non sitv acceptio personarum, idem enim Dominus omnium, qui pretio sanguinis barbarum redemit wsimul et Latinum, sicut Christianumw similiter et paganum,166 sed illum per efficientiam, illum vero per sufficientiam, tamen post 167peccatum primix hominis poenam iustae intulit servitutis inter servos et dominos iuste discernens, illos subiciens, illos vero praeponens, ut licentia male agendi, videlicet subditorum, coherceatur imperio dominorum.167 Unde sicut in ecclesia triumphanti distinctas legimus secundum ordines, gradus et officia legiones spirituum bonorumy,168 sic in ecclesia militante inter saeculares invenimus differentias temporalium dominorum, sicut scriptum est: Inspicez et fac secundum exemplar, quod tibi in monte monstratum est.169 Inter has autem differentias imperator aut rex dignitatis excellit privilegio, sicut in coeli fastigio Seraphim summus ordo.170 Inde est, quod 171rex in re publica locum obtinet capitis, qui nulli subicitur nisi Deo et eis propter Deum, qui vices171 ipsius aut ministeria dicuntur exercere 171in terris.171 Nama sicut 172in corpore phisico corpus ab anima vegeta-
u
set R. fit R. w–w Fehlt R. x Fehlt R. y beatorum R. z inciipe R. a Fehlt B. v
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II, 1 c. 2 Zweites Kapitel, in dem gezeigt wird, dass die Herrscher ihren Untertanen Disziplin einflößen müssen, wie es das Haupt bei den Gliedern tun muss. Obwohl es 166bei Gott kein Ansehen der Personen gibt, so hat doch der nämliche Gott, der um den Preis seines Blutes den Barbaren so erlöste wie den Römer, den Christen in gleicher Weise wie den Heiden,166 jenen in absoluter Vollendung, diesen nur in hinreichendem Maße, nach 167der Sünde des ersten Menschen als Strafe gerecht die Sklaverei auferlegt, wobei er in gerechter Weise zwischen Knechten und Herren unterschied, jene unterordnete, die anderen voranstellte, auf dass die Möglichkeit zu schlechtem Handeln auf Seiten der Untertanen durch die Befehlsgewalt der Herren gezügelt werde.167 Wie wir daher lesen, dass in der triumphierenden Kirche des Himmels Legionen von guten Geistern nach ihren Ordnungen, Graden und Pflichten unterschieden sind,168 so finden wir in der streitbaren Kirche auf der Erde bei den weltlichen Ordnungen Unterscheidungen zwischen weltlichen Herrschaftsträgern, wie geschrieben ist: Sieh genau zu und verhalte Dich nach dem Muster, das Dir auf dem Berg gezeigt worden ist.169 In diesen Ordnungen nach unterschiedlichem Rang ragt der Kaiser oder König mit dem Vorrang der Würde hervor, wie auf dem Himmelsgipfel die Seraphim die höchste Stufe darstellen.170 Daher kommt es, dass 171der König im Staat die Stelle des Hauptes innehat, der nur Gott unterworfen ist und wegen Gott denen,171 von denen es heißt, dass 171sie auf Erden seine Stellvertreterschaft171 und seine Dienste wahrnehmen. Wie nämlich 172im physischen Körper der
166–166
Vgl. 1 Petr 1, 17–19; Rom 2, 11; 1 Cor 12, 13; Col 3, 11; Eph 2, 13; Act 10, 34. Vgl. Isidor, Sent. III, 47, 1; zur Fortbildung der Tradition von Augustin und Gregor dort: Anton, Herrscherethos S. 363 – 365. 168 Es handelt sich wohl um Pseudo-Dionysius: De caelesti hierarchia: Dionysiaca Bd. 2 (wie Anm. 62) S. 725 –1039; 6 – 9 S. 828 – 916. 169 Ex 25, 40. – Zu dem Gesichtspunkt des Exemplarismus (himmlische Ordnung – irdische Verfasstheit) s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 97 f. 170 S. Pseudo-Dionysius, De caelesti hierarchia (wie Anm. 168) 7 S. 835 – 868; s. Is 6, 2 f. und dazu Apoc 8, 4. 171–171 Institutio Traiani: Johannes v. S., Pol. V, 2 S. 283 (Kloft, frg. II S. 11) – Helinand, Chron. XI, 38 p. 286a. Gilbert geht hier auf die von Johannes verformte oder in einer Sammlung vorgefundene Form der pseudo-plutarchischen Schrift zurück, auch wenn er sie in gesonderter Form als Instructio Traiani (s. Anm. 3, Anm. 145) gekannt haben sollte. 172–172 Vgl. Institutio Traiani: Johannes v. S., Pol. V, 2 S. 283; S. 282 (Kloft, frg. II S. 11; S. 10). Im Gegensatz zu Johannes, an dessen Textfassung angeknüpft wird (s. Anm. 171), setzt Gilbert in eher traditioneller Weise den Staat in den mystischen Körper der Kirche (s. auch I, 2 c. 8 S. 325 Anm. 98). Zeugnisse für die weltliche Variante des 167–167
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tur et regitur,172 sic in corpore mistico per Christi 172vicarios et ministros ecclesiae res publica172 monitis et exemplis salutaribus informatur.172 Impossibile est enim, ut disponat quis salubriter principatum, qui bnon agiturb 173 divinorum consilio praeceptorumc, quae nobis revelantur da Dominod per sanctorum ministeria sacerdotum, qui 173vicem obtinent cordis sicut et reges capitis.173 Ergo si caput rei publicae firmum et sanum fuerit, sicut decet, de inferioribus corporis partibus ascendentes humorum malitias vel curabit penitus vel compescet174. Quod si caput invalidum fuerit et infirmum, aegritudines membrorum non solum repellere non poterit, sed se cum periculo subiciet corpus totum. Nam plerumque contingit, ut, caput dum suam aegritudinem diffundit in corpore, tabefiunt membra, compages solvitur armoniae174, cuius magnitudinem 175passionis tolerari vel curari est impossibile vel difficile sine dolore gravissimo facto membris.175 Unde Platonis fertur sententia saecularibus litteris: Perinde est, inquit, cum subditos opprimit magistratus, ac si caput corporis intumescat, ut a membris eaut omnino aute
b–b
Fehlt R. Fehlt R. d–d Fehlt R. e–e ut B. c
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Körper von der Seele bewegt und gelenkt wird,172 so wird im mystischen Körper 172der Staat durch die Stellvertreter Christi und die Diener der Kirche172 durch heilsame Ermahnungen und Beispiele 172herangebildet und gestaltet.172 Unmöglich ist es nämlich, dass jemand heilsam die monarchische Herrschaft einrichtet und führt, der nicht durch den Rat göttlicher Vorschriften 173geleitet wird,173 die uns von Gott offenbar gemacht werden durch die Dienste der heiligen Bischöfe, die 173die Rolle des Herzens einnehmen, so wie die Könige die des Hauptes haben.173 Wenn aber das Haupt des Staates, wie es sinnvoll ist, fest und gesund ist, wird es die von den unteren Teilen des Körpers mit den Säften hochsteigenden Krankheiten voll heilen oder 174zum Stillstand bringen174. Wenn aber das Haupt geschwächt und ohne Kraft ist, kann es nicht nur die Krankheiten der einzelnen Glieder nicht vertreiben, sondern muss sich und den ganzen Körper der Gefahr aussetzen. Denn sehr oft geschieht es, dass, während das Haupt seine Krankheit auf den Körper überträgt, die Glieder beginnen dahinzusiechen und das Gefüge 174harmonischen Zusammenhangs174 aufgelöst wird, und 175es wird unmöglich, die Schwere dieses Leidens zu ertragen oder zu heilen, oder es wird schwierig, ohne den Gliedern schwersten Schaden zuzufügen.175 In den weltlichen Weisheiten wird die Sentenz Platos überliefert: Es ist durchaus so, sagt er, wenn die Staatsleitung die Untertanen unterdrückt, wie wenn das Haupt des Körpers sich aufwirft, dass es von den Gliedern überhaupt nicht
Corpusmodells bei Gilbert s. c. 4 S. 439. – Das die antike Vorlage verratende ungewöhnliche Bild von den Bischöfen als Stellvertretern Gottes bei Johannes und Helinand (s. auch voraufgehenden Satz bei Gilbert) ersetzt er hier durch das geläufige der Stellvertreter Christi. 173–173 S. die in Anm. 171 und 172 genannten Vergleichsstellen, deren Worte Gilbert in einen neuen Zusammenhang stellt: Im Gegensatz zur Übernahme des pseudo-plutarchischen Bildes vom Senat als Herzen in I, 2 c. 6 (s. Anm. 73) ist hier in wohl eigener Wendung der Episkopat als Herz des Staates dem König als Haupt entgegengesetzt. In gesteigerter Hierokratie ist der Episkopat Seele und Herz. Entfernt könnte der Metaphernzusammenhang bei Gilbert an Apponius anklingen; zu ihm s. Anton, Anfänge 99 –101. 174 Die einem unbekannten Lucius zugeschriebene politische Arztmetapher begegnet auch bei Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 260; S. 259; Helinand, Chron. XI, 38 p. 283b. Danach gibt sie eine säkular strukturierte Organologie. Die Begriffe caput, membra, aegritudo, sanus u. a. gehören wohl zu ihr. Gilbert nimmt diese Organologie in das kirchlich modifizierte Corpusbild, das jedoch der paulinischen Ausformung (s. o.) fern ist, hinein. Die Metapher begegnet weiter bei Gilbert I, 2 c. 2 (de Poorter S. 15); I, 2 c. 9 S. 329; S. 331 f. (s. Anm. 119 –122). 175–175 Vgl. Johannes v. S., Pol. V, 7 S. 308 in einem Plato zugeschriebenen Diktum, zwischen den beiden bei Gilbert folgenden pseudo-platonischen Zitaten (s. Anm. 176).
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sine molestia ferri non possit. Et iterum: Cum in subditos, inquit, potestas saevit, idem est ac si tutor pupillum persequatur, vel eum suo mucrone iugules ob cuius defensionem tibi traditum gladium accepisti176. II, I c. 3 Tertium capitulum, in quo ostenditur, quod princeps debet in specula mentis suae elevari, ut contempletur et corrigat mala dominii sui et videat mala universi, quae fiunt aperte. Invigilet igitur sollicitudo regia super pauperes et super pauperum oppressores, fsuper istosf, ne sint mala poenae patientes, gsuper illos, ne sint mala culpae facientesg. Et licet habundare malitiam, dum hic agit, hic patitur, videamus, magis tamen mala facientibus hquam mala patientibush condolere debemus. Illi enim mala patiendo ia maloi frequentius corriguntur, isti mala faciendo, dum in peius proficiunt, dampnabiliter eriguntur. Et quis, obsecro, toto corde non doleat, si spiritualibus oculis ipse consideret temporis malitiam, quae habundat? Nam violentiak irritat, 177superbia inflat, iracundia inflammat,177 ambitio177 delectat, libido praecipitat, crudelitas stimulat177, rapacitas inquietat. Et ut compatiamur amplius saeculari populo pereunti et esse discamus liberatori Domino magis grati, lacuet unusquisquel, quo magis poterit, intelligentiae spiritualem oculum et transcensis sensibus et sensibilibus
f–f
Fehlt PB. Fehlt R. h–h Fehlt R. i–i Fehlt PB. k vinolentia B. l–l accusat unus R. g–g
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oder nicht ohne Drangsal ertragen werden kann. Und wieder sagt er: Wenn eine Herrschermacht gegen die Untertanen wütet, ist es dasselbe, wie wenn ein Lehrer seinen Schüler verfolgt oder wie wenn Du dem mit seinem Schwert die Gurgel durchschneidest, zu dessen Verteidigung Du das Dir übertragene Schwert empfangen hast.176 II, 1 c. 3 Drittes Kapitel, in dem gesagt wird, dass sich der Herrscher auf einen Gipfel über sich selbst zu stellen hat, damit er die Übelstände in seinem Herrschaftsbereich erfasse und abstelle und er die Übel im Universum, die offen geschehen, sehe. Die königliche Sorge wache also über die Armen und über die Bedrücker der Armen, über die Armen, damit sie nicht die Übel der Strafe zu erleiden haben, über jene, damit sie nicht die Übel der Schuld verüben. Und obwohl wir erkennen, dass die Schlechtigkeit überhand nimmt, wobei der eine aktiv darauf hinwirkt, der andere es zu erdulden hat, müssen wir mehr Mitleid mit denen haben, die Unrecht verüben als mit denen, die es zu erleiden haben. Die Letzteren werden häufig, indem sie Schlechtes erdulden, von Bösem geläutert und gebessert, jene werden, indem sie zu noch Schlimmerem fortschreiten, zur Verdammnis in ihre Machtstellung gebracht. Und, ich sage es beschwörend, wer sollte nicht von ganzem Herzen Betrübnis empfinden, wenn er mit geistlichem Blick die Schlechtigkeit der Zeit erkennt, die überhand nimmt? Denn Gewaltsamkeit bricht allenthalben Recht, 177Hochmut bläst sich auf, Jähzorn entflammt,177 Prahlsucht177 ergötzt sich, Wollust stürzt vor, Grausamkeit 177stachelt an177, Raubsucht schafft Unsicherheit. Und damit wir mehr Mitleiden aufbringen für das zugrunde gehende Laienvolk und lernen, dem Herrn als Befreier dankbarer zu sein, schärfe ein jeder nach Können das geistliche Auge seines Intellekts, und, nach Transzendieren 176
Diese pseudo-platonische Staatsmetapher, deren Ursprung wie „Lucius“ nicht nachgewiesen ist, findet sich auch bei Johannes v. S., Pol. V, 7 S. 308, und zwar nach Bibelzitaten, weshalb dort der Verweis auf weltliche Weisheiten im Gegensatz zu Gilbert einen Sinn abgibt, sowie Helinand, Chron. XI, 38 p. 284a. Beide haben im weiteren Kontext die Zitation von Claudian, Panegyricus IV de cons. Honorii 276 f. Gilbert hat den Auszug aus Pseudo-Plato mit Helinand ohne die Zusätze bei Johannes (s. Anm. 175) gemeinsam, doch den Schluss mit Johannes gegen Helinand. Andererseits hat Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 260 den Auszug aus Lucius vor der Zitation von Ovid, Epist. ex Ponto I, 2 v. 123 f. sowie von Prov 3, 3 f., Helinand (283b) die Zitation von Lucius, dann (284a) das Ovid- und das Proverbienzitat vor der Pseudo-PlatoStelle. Anscheinend tun wir hier einen Blick in das Vorlagenflorilegium der drei Autoren; s. auch die in Anm. 42 genannten Berührungen. 177–177 Vgl. Cyprian: De zelo et livore. Hrsg. v. Wilhelm Hartel. Wien 1868 (CSEL 3, 1) S. 417– 432; 6; 4. Die übrigen Formulierungen wirken ebenfalls cyprianisch.
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supra se velut in puriorem aera et excellentiorem speculam elevatus sub ipso positum silvescentem erroribus met calligantem moribusm videre poterit universum.178 Videbit itinera clausa latronibus, obsessa maria piratis et praedonibus; madet orbis mutuo sanguine; suscitantur et nperpetrantur discordiaen sine iusto titulo, iusta causa, iusto animo; trucidat alter alterum, oet impuneo. Non enim senio crimina moriuntur, non vetustate temporum obruuntur, sed velut ydra resecto capite validius et numerosius pululantia renascuntur. Laudum praeconia peccatores ex maleficiorum differentiis consequuntur, et publicatis pestiferis adinventionibus vitiorum, qui se magis in eis exercet tam peritior quam turpior iudicatur. Tanta passim enormia fiunt communiter et in oculis solis huius et ingeruntur intuenda hominibus, ut, qui ea spectaverit, vix etiam habeatur integer aut pudicus. II, I c. 4 Quartum capitulum, de malis, quae fiunt occulte. Sed ecce, post viarum insidias, post civiles discordias, post diversa praelia et libidinum obprobria, post spectacula tam turpia quam cruenta, si possemus oculos secretis inserere et conscientiarum obductos parietes linteis oculis penetrare, occurrerent crimina quanto secretiora tanto siquidem graviora, quia quo culpa secretior, eo est perpetrandi fiducia saepe maior. Quasi quis ideo suam credat conscientiam effugisse, quia nullum mortalem adesse metuit conscium suae culpae, sicut scriptum est: Quis me videt? Tenebrae circumdant me, parietes cooperiunt me, et nemo circumspicitp me. Quem vereor?179 Sed certe videt iudex, qui 180scrutatur Iherusalemq in lucernis,180 videt adversarius, qui flagitia suggerit et instigat, videt coelestium testium multitudo execrans et indignabunda recedens. Vide ipse, qui facis, quid facias, quia
m–m
Fehlt R. perpetuantur R. o–o rumpunt R. p Vulg. R, conspicit Ed. PB. q Fehlt R. n–n
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der Sinne und des sinnlich Fassbaren über sich hinaus gleichsam in reinere Luft und auf erhöhten Gipfel erhoben, wird er das unter ihm liegende Universum erkennen als durch Irrtümer verwildert und von schlechten Sitten verdunkelt.178 Er wird Wege erkennen, die durch Räuber abgeschnitten sind, Meere, die von Seeräubern und Plünderern in Besitz genommen sind; es quillt der Erdkreis über von wechselseitigem Blutvergießen; ohne Rechtstitel, gerechte Sache, rechte Gesinnung werden Rechtsstreitigkeiten entfacht und ausgefochten; der eine tötet den anderen, und das ungestraft. Verbrechen sterben nicht bei solchen vorgerückten Alters, werden nicht durch lange Zeit verschüttet und begraben, sondern wie bei einer Hydra mit abgeschnittenem Kopf sprossen sie kräftiger und zahlreicher neu empor. Verkündung ihres Lobes erlangen die Sünder und Übeltäter aus ihren verschiedenen Verbrechen; wenn die seuchenhaften Erfindungen von Schandtaten an die Öffentlichkeit gebracht sind, wird der, der sich darin übt, umso fähiger befunden, je verderbter er ist. Solche Ungeheuerlichkeiten geschehen allgemein, und unter den Augen dieser Sonne werden sie vollführt, dass die Menschen sie ansehen können, so dass der, der sie sieht, sich kaum schuldfrei und schambewusst erhalten kann. II, 1 c. 4 Viertes Kapitel, über die Übel, die im Geheimen geschehen. Doch sieh zu, wenn wir nach Wegelagereien, nach bürgerkriegsähnlichen Zwistigkeiten, nach Kämpfen verschiedener Ausprägung, nach Schimpf und Schande des Wollustgebarens, nach ebenso schändlichen wie grausamen Schaudarbietungen – wenn wir nach alldem unsere Blicke in Geheimes hineinführen und die mit Vorhängen bedeckten Wände mit den Augen unseres Inneren durchdringen könnten, welche Verbrechen täten sich da vor uns auf, Verbrechen, die um so viel schlimmer wären, als sie geheimer sind, denn je geheimer eine Schuld bleibt, umso größer ist die Bereitschaft, sie zu vollführen. Nach der Art, als ob jemand glaubte, er habe vor seinem Gewissen weglaufen können, da er keinen Menschen als Mitwisser seiner Schuld zu fürchten hätte, wie geschrieben ist: Wer sieht mich schon? Dunkelheit umgibt mich, Wände bedecken mich, niemand sieht mir zu. Wen hätte ich zu fürchten?179 Gewiss sieht es der Richter, der 180Jerusalem mit Öllampen ableuchtet,180 es sieht es der Gegner (Teufel), der die Schandtaten eingibt und einflößt, es sieht es die Schar der himmlischen Zeugen, die das Verabscheuungswürdige verwünscht und vor ihm zurückweicht. Sieh selbst, der Du 178 Es handelt sich hier und im Folgenden um den Blick des von den Geheimnissen der mystischen Theologie Erfüllten. 179 Ecli 23, 25 f.; vgl. Ps 63, 6 f. 180–180 Vgl. Sph 1, 12.
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secundum vulgare proverbium: Si fuerit qui faciat, erit qui dicat181; et secundum poetam: Servi ut taceant, iumenta loquantur182. Aut, si maluimus, illud propheticum: Si tacuerint hii, ligna aedificiorum et lapides parietum proclamabunt.183 … Sapiens enim gloriator opus suum probat, ad lumen veritatis diligenter examinat, ret sicr non in altero, sed habet gloriam in seipso. Ut autem in epistolis Senecae legimus: Sacer intra nos spiritus sedet, malorum bonorumque nostrorum observator et custos.184 II, I c. 5 Quintum capitulum, de malis, quae fiunt in civitatibus, cum populus abutitur acceptis legibus. Sed quoniam haec occulta sunt et alium desiderant correctorem, non regem temporalem aut principem, sed occultorum intimum inspectorem, ne publicemus occulta dedecoris aut, ne parietem fodiamus, ut appareat ydolum abhominationis, quia nec censores sumus nec iudices de occultis. Revertatur igitur nostrae contemplationis oculus, et, quid in populi fiat multitudine vel in civitatibus, videamus. Cum enim legitima cohiberi debeat disciplina, inter leges delinquitur, peccatur etiam inter iura, saevit invicem discordantium malitia, litigiis replentur omnia, flagrant passim et multiformiter diversa delicta, arcentur haereditatibus liberi, bonis donantur alieni. Nullus est de legibus metus, de iudice pavor modicus sive nullus. Non timetur, quod potest redimi, non punitur, pro quo potest pretiums inveniri.185 Et, ut beatus conqueritur Cyprianus, consensere iura peccatis et coepit licitum esse, quod publicum est185. Legum sanctitas violatur, consuetudines inducuntur, cives pro voluntatis arbitrio statuenda dic-
r–r s
in eo sic R, et in se P. Fehlt R.
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[Schlechtes] tust, was Du tust, denn nach dem Volkssprichwort gilt: Ist jemand dagewesen, es zu tun, wird jemand dasein, es zu sagen;181 und nach dem Dichter: Wo die Knechte schweigen, spricht wohl das stumme Vieh.182 Oder wenn wir das Prophetenwort lieber haben: Wenn diese schweigen sollten, so werden die Hölzer der Gebäude und die Steine der Wände laut künden.183 … Der weise Rühmer prüft sein Werk, sorgsam durchleuchtet er es im Licht der Wahrheit, und so hat er nicht Ruhm in einem anderen, sondern in sich selbst. So lesen wir in den Briefen Senecas: In uns wohnt ein heiliger Geist, der Beobachter und Wächter unserer schlechten und guten Taten.184 II, 1 c. 5 Fünftes Kapitel, über die Übel, die in Staatsgebilden geschehen, wenn das Volk angenommene Gesetze missbraucht. Aber da dies geheim geschieht, erfordert es einen anderen Rächer und Besserer, nicht den irdischen König oder Fürsten, sondern den in das Verborgenste hineinsehenden Prüfer, wenn wir nicht das Verborgene der Schandhaftigkeit an die Öffentlichkeit bringen oder die Wand durchstechen wollen, damit das verabscheuenswürdige Götzenbild erscheine; denn wir sind nicht Zensoren und Richter über Geheimes. Das Auge unserer prüfenden Betrachtung soll also zurückgenommen werden, und wir wollen in den Blick nehmen, was in der Menge des Volkes und in den Staatsgebilden geschieht. Obwohl [das Volk] mit rechtmäßiger Zwangsgewalt zusammengehalten werden muss, kommt es innerhalb der Gesetze zu Vergehen, wird auch innerhalb der Rechtsvorschriften gesündigt, wütet die Bosheit der Streitenden gegeneinander, wird alles von Rechtsstreitigkeiten erfüllt, entbrennen überall und auf mannigfache Weise verschiedene Übeltaten, werden die Kinder vom Erbe abgedrängt, dafür Fremde mit Gütern beschenkt. Keinerlei Furcht herrscht vor den Gesetzen, vor dem Richter ist Angst nur schwach vorhanden oder überhaupt nicht. Nicht gefürchtet wird, was erkauft werden kann, bestraft wird nicht, wofür ein Preis eingestrichen werden kann.185 Und, wie der heilige Cyprian schon beklagt, die Gesetze stimmten den Schandtaten zu, und es begann erlaubt zu sein, was öffentlich praktiziert wurde.185 Die Heiligkeit der Gesetze wird verletzt, neue Rechtsgewohnheiten werden eingeführt, Bürger machen nach Willkür Rechtsfestsetzungen, zerbrechen Festgesetztes, 181
Nicht identifiziert. Juvenal IX, 103. 183 Vgl. Hab 2, 11; dazu Luc 19, 40. 184 Seneca, Epist. 41, 2. Johannes v. S., Pol. (s. Register in der Ausgabe Webb Bd. II S. 499) und Helinand (Chron. XI, 38 p. 287b) bringen andere Senecaauszüge. 185 Cyprian: Ad Donatum. Hrsg. v. Wilhelm Hartel (wie Anm. 177, S. 2 –16); c. 10. 182
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tant, dictata convellunt, innocentes dampnant, reos absolvunt. Sed vae eis, qui condunt leges iniquas et scribentes iniustitiam veritatis legem evacuant vel evacuari permittunt!186 187Lex enim, etsi inventio sit hominum, est tamen Dei donum, doctrina sapientum, correctio voluntariorum excessuum, exterminatio peccatorum, secundum quam decet vivere omnes, qui in politicae rei versantur universitate.187 Aut enim iniusta est lex et lex dicenda non est, sed debet velociter aboleri, vel iusta est, ett ei sunt omnes subiecti.188 Nam etsi 189 princeps esse dicatur legis nexibus absolutus, non hoc est, quia sibi quod iniquum est liceat, sed quoniam is esse debet, qui non timore poenae, sed amore iustitiae aequitatem colat, rei publicae serviat utilitati et in omnibus aliorum commoda privatae praeferat voluntati.189 190Non est enim potentis pro libito saevire in subditos,190 sed pro qualitate factorum innocentes absolvere et punire reos. Et si 191in negotiis publicis nihil liceat principi, nisi quod lex aut aequitas persuaserit aut ratio communis utilitatis inducit,191 certum est eius subditis nil licere, nisi quod de iudicii prodierit aequitate, sicut scriptum est: De vultu tuo iudicium meum prodeat, oculi tui videant aequitatem192. Imo si minor in maiorem non habet imperium, nihil est humana constitutio, quae non sequitur ius divinum. Ergo paveant et caveant illi cives, qui tot constituunt enormitates, ut de usuris coram ecclesiastico iudice nulla-
t
et sic RP.
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verurteilen Unschuldige, lassen Schuldige frei. Doch wehe denen, die ungerechte Gesetze verfassen und Ungerechtigkeit statuieren, das Gesetz der Wahrheit aushöhlen und aushöhlen lassen.186 187Das Gesetz nämlich, auch wenn es Erfindung des Menschen ist, ist doch Geschenk Gottes, Lehre der Weisen, Verbesserung mutwilliger Überschreitungen, Ausschaltung der Freveltaten, wonach alle zu leben haben, die in der Gemeinschaft des politischen Verbandes leben.187 Ein Gesetz ist entweder ungerecht, dann darf es aber nicht Gesetz heißen und muss schleunigst abgeschafft werden, oder es ist gerecht, dann sind ihm alle unterworfen.188 Denn wenn auch 189vom Herrscher gesagt wird, er sei von den Fesseln des Gesetzes frei, dann nicht deshalb, weil ihm, was ungerecht und Unrecht ist, erlaubt wäre, sondern weil er der sein muss, der nicht aus Angst vor Strafe, sondern aus Liebe zur Gerechtigkeit das Rechte pflegt, dem Nutzen des Staates dient und in allen Bezügen den Nutzen der anderen dem eigenen Willen vorzieht.189 190Der Mächtige darf also nicht nach Willkür gegen die Untertanen wüten,190 sondern muss in genauer Abwägung ihrer Taten die Unschuldigen freisprechen und die Schuldigen bestrafen. Und wenn 191in öffentlichen Angelegenheiten dem Herrscher nichts zusteht, außer, wozu Gesetz und Gerechtigkeit raten oder die Erwägung des allgemeinen Nutzens anleitet,191 dann ist auf der anderen Seite sicher, dass seinen Untertanen nichts erlaubt ist, außer was aus Urteilen des Gerechtigkeitsempfindens hervorgeht, gemäß dem Schriftwort: Von Deinem Antlitz soll mein Urteil ausgehen, Deine Augen sollen die Gerechtigkeit schauen.192 Wenn der Niedere keine Befehlsgewalt über den Höheren hat, dann ist eine menschliche Anordnung nichtig, die nicht dem göttlichen Recht folgt. Fürchten sollen sich also und in Acht nehmen jene Bürger, die solche Ungeheuerlichkeiten festsetzen, wie etwa, Zinsen dürften nicht vor dem kirch186
Vgl. Prov 8, 15 f.; Sap 6, 6 –10; Ec 10, 16. Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 234 (z. T. nach CIC Dig. I, 3, 1– 2). Gilbert und Johannes gehen offenbar auf dieselbe Übersetzung der griechischen Passus in der Digestenvorlage zurück. 188 Der Gedanke reziproker Bindung an das Recht – sowohl der Herrscher (s. im Folgenden) als auch der Untertanen – ist gegenüber Johannes von Salisbury (und Helinand) bei Gilbert eigens akzentuiert. 189–189 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 234, eingangs auch Helinand, Chron. XI, 38 p. 288b (ganz zu Beginn mit der Aussage der Lösung vom Gesetz nach CIC Dig. I, 3, 31). 190–190 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 1 S. 233. Dazu von Moos, Geschichte S. 326 Anm. 640. 191–191 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 234 f. (= Helinand, Chron. XI, 38 p. 288bf.). Erneut ist der Gedanke der Bindung der Untertanen (s. Anm. 188) anders als in den Paralleltexten herausgestellt. 192 Ps 16, 2; bei Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 235. 187–187
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tenus repetendis, et huiusmodi, quae nimis longum est prosequi, quae facientibus et consentientibus sunt causa peccati. Imo nulla obstante consuetudine conditores talium possunt defendi, quin ad restituendum teneantur ipsi et eorum haeredes, si qui dampnificati sunt occasione huius pravae consuetudinis aut statuti. Indurantur plerumque corda talium, salubre non admittunt consilium, excommunicationem contempnunt, interdictum non timent, saecularia spiritualibus anteponunt, enervant ecclesiasticas libertates, saeviunt in clerum et tam converso ordine quam perverso ministris dominantur altaris, ita ut capite deorsum domus pendeat, bobus aratrum praeferatur, idiota doceat clericum, glorietur serra contra eum, qui tenet eam, tractet Ozias spiritualia et usurpet.193 Cessant occasione similium quandoque divina praeconia, clauduntur ecclesiarum aditus et canticorum organa suspenduntur, exulant ministri altaris, aliena mendicantes stipendia, seminudi, abiecti, saturati obprobriis; proponitur triste spectaculum suis, turpe ludibrium alienis, et miserabiliter servire coguntur, quos liberos esse decet et dignitate ordinis et ordine dignitatis.194 Si vero ad examen regium causa delata fuerit, fastu elati, astu callidi, cives gloriantes in verbis, confidentes in muneribus, gratiam potius intendunt venari pecunia quam innocentia venerari, religionem consilii regii nituntur circumvenire, si possunt,195 ut cedros Libani ad voluntatem suam incutiant et inflectant.196 Si vero dominus rex statui compatiens
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lichen Richter zurückgefordert werden, und anderes solcher Art, was hier zu verfolgen zu weit führen würde, was für Ausführende wie Zustimmende Grund zur Sünde ist. Ja noch mehr, wenn keine Rechtsgewohnheit ausdrücklich dagegen spricht, können solche, die derartiges festsetzen, davor bewahrt werden, für sich oder in ihren Erben zur Wiedergutmachung herangezogen zu werden, wenn jemand bei solchem schlechten Brauch oder solch schlechter Festsetzung zu Schaden gekommen ist. Die Herzen solcher verhärten sich meistens, sie lassen keinen heilsamen Rat zu, sie verachten die Exkommunikation, sie fürchten das Interdikt nicht, sie setzen Weltliches weit über Göttliches, sie höhlen kirchliche Freiheiten aus, sie wüten gegen den Klerus, und mit so verdrehter wie verkehrter Ordnung herrschen sie über die Diener des Altares, dass das Haus mit nach unten gekehrtem Dach hängt, der Pflug dem Ochsen vorangestellt wird, der Ungebildete den Kleriker lehrt, die Säge sich prahlend aufwirft gegen den, der sie führt, dass Usija geistliche Vorrechte für sich in Anspruch nimmt.193 Bei solchen Anlässen kommt es bisweilen dazu, dass die göttlichen Heilswahrheiten zum Verstummen kommen, dass die Kirchentüren verschlossen werden, dass die Orgeln mit ihren Liedern außer Gebrauch gesetzt werden, dass die Diener des Altares ins Exil müssen, Fremde um mildtätige Gaben anbetteln, halbentblößt, heruntergekommen, mit Schmähungen überhäuft; ein trauriges Schauspiel wird den Eigenen geboten, eine schreckliche Darbietung Fremden, elendiglich werden die zu Knechtsdienst gezwungen, die frei sein müssten wegen der Würde ihres Standes und wegen des Ranges ihrer Würde.194 Wenn die Sache vor königliches Gericht kommt, dann treten Bürger stolzgeschwellt, listig verschlagen, sich mit Worten rühmend und auf ihre Bestechungsgabe vertrauend auf, sie trachten danach, die königliche Gunst mehr zu erjagen als sie mit ihrer integren Haltung zu verehren, und sie versuchen, religiöse Gesinnung des königlichen Rates zu umgarnen,195 um die Zedern des Libanon zu ihrem Willen hin zu stoßen und zu ihm hin umzubiegen.196 Wenn aber der Herr König im Mitleid mit dem 193 Im Stil, wenn nicht direkt, wird hier an die Klage des Adalbero von Laon (947– 1030) über die Verkehrung der Weltordnung, die Aushöhlung der kirchlichen Freiheiten, die Hintansetzung der Bischöfe als Häuptern im Hause Gottes (s. 1 Cor 3, 9 – 17; Eph 2, 19 f.) angeknüpft. S. hierzu Anton, Gesellschaftsspiegel S. 84 f. Exkommunikation (Ausschluss des Individuums aus der kirchlichen Gemeinschaft) und Interdikt (Verbot gottesdienstlicher Handlungen in einem Land oder einer Provinz) verfehlen ihren Strafzweck. Der alttestamentliche König Usija (Asarja) (s. 2 Par 26, 16 – 21) ist in langer Tradition Symbol für Arrogierung geistlicher Vorrechte durch die weltliche Gewalt; s. auch Hinkmar S. 197 f. mit Anm. 120. 194 Geschildert wird ein Interdikt (s. Anm. 193) mit seinen Auswirkungen. 195 Vgl. die allgemeine Konstatierung bei Helinand, Chron. XI, 38 p. 289a. Das Wortspiel venari (erjagen) – venerari (verehren) ist zu beachten. 196 Die häufig bemühte Symbolik um das Libanongebirge und seine Zedern im Al-
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miserabilium personarum litteras clausas direxerit suis civibus aut ballivis, experientia docet et vulgari clamatur proverbio: Nihil aut modicum fieri pro litteris clausis.197 II, I c. 6 Sextum capitulum, de malis legibus tollendis, quae fiunt in civitatibus et castellis, et bonis substituendis, ne sit populus sine lege. Cum igitur 198publicae utilitatis minister et aequitatis servus sit princeps, incorruptus iudex,198 quem iura 199diffiniunt esse potestatem publicam et in terris quamdam esse divinae ymaginem199 veritatis, 200in eo personam publicam gerit, quod omnium iniurias, dampna et crimina aequitate mediante punit,200 201virgam habens et baculum,201 ut rectitudine veritatis et fortitudine potestatis excessus corripiat et corrigat subditorum. 202Sed et eius clipeus est clipeus infirmorum, qui malignantium iacula potenter excipiat pro iniuriis innocentium.202 Et, si credamus apostolo, 203non sine causa accingitur gladiou, vquo innocenterv sanguinem fundit, nec tamen sit vir sanguinum, et frequenter homines occidit, nec nomen incurrit homicidii vel reatum.203 Nam etsi 204David legatur vir sanguinum appellatus, non hoc propter bella, sed propter Uriamw est, ut magnus asserit Augustinus.204 205Hic est 206columbae
u
Fehlt PB. Johannes v. S., quo innocentem R, quo nocentium Ed. P, qui innocenter B. iniuriam RB.
v–v w
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Los der beklagenswerten Personen seinen Bürgern oder niederen Königsoder Lehensbeamten verschlossene amtliche Schreiben schickt, lehrt die Erfahrung und wird in einem geläufigen Sprichwort geklagt: Nichts oder fast nichts ist zu geben auf amtliche Schreiben.197 II, 1 c. 6 Sechstes Kapitel, über die Abschaffung schlechter Gesetze, die in Staaten und Kastellen erlassen werden, und über ihre Ersetzung durch gute, damit das Volk nicht ohne Gesetz sei. Da 198der Herrscher nun Diener des öffentlichen Nutzens und Knecht der Gerechtigkeit ist, ein unbestechlicher Richter,198 den die Gesetze 199definieren als öffentliche Gewalt, auf Erden gleichsam ein Abbild der göttlichen199 Wahrheit, 200führt er die öffentliche Person darin, dass er die Ungerechtigkeiten aller, ihre Übergriffe und Verbrechen mittels der Gerechtigkeit bestraft,200 201im Besitz von Rute und Stab,201 um mit dem Recht der Wahrheit und der Stärke der Macht Übergriffe der Untertanen zu zügeln und abzustellen. 202Und auch sein Schild ist Schild für die Schwachen, der die Geschosse der Übeltäter kraftvoll auffängt, die sie in ihrer Bosheit gegen die Schuldlosen richten.202 Und, wenn wir dem Apostel zu glauben haben, wird er 203nicht ohne Grund mit dem Schwert gegürtet, mit dem er unschuldig Blut vergießt, ohne dass er damit ein Mann des Blutes wäre, und häufig liefert er Menschen dem Tode aus, ohne sich den Namen und die Strafe des Mörders zuzuziehen.203 Denn auch wenn zu lesen ist, 204David sei „Mann des Blutes“ genannt, so dies nicht wegen der von ihm geführten Kriege, sondern wegen Urias, wie der große Augustinus hierzu festhält.204 205Hier hanten Testament ist hier zweifach ausgewertet: In ihrer stolzen Erhabenheit sind die Bäume kaum zu beugen, andererseits stehen sie für die Hybris gegen Gott (s. Is 2, 12 f.; 10, 33 f.; Ier 22). 197 Nichts Näheres ist ermittelt. 198–198 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 235 (s. Helinand, Chron. XI, 38 p. 293b: publicae iniquitatis vindex et aequitatis servus). 199–199 Johannes v. S., Pol. IV, 1 S. 232. 200– 200 Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 235 (vgl. Helinand, Chron. XI, 38 p. 293b). Zu persona publica s. Anm. 104 und Anm. 105. 201–201 Vgl. Ps 22, 4; bei Johannes von Salisbury ausgeführt in breiterem Kontext, s. Anm. 200. 202–202 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 235; clipeus: 2 Reg 1, 21. 203–203 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 235; non sine causa gladium: Rom 13, 4. Zu vir sanguinum s. Anm. 204. 204–204 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 235 (vgl. Helinand, Chron. XI, 38 p. 293b). Die Urias-Szene: 2 Reg 11–12; die Kennzeichnung Davids: ebd. 16, 7– 8. Zeugnisse des Augustinus: De civ. Dei I, 20; Contra Faustum (Hrsg. v. Joseph Zycha. Wien u. a.
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gladius,206 quae sine felle rixatur, sine iracundia ferit205 et, cum iustitiae serviat, reatus amaritudinem205 non incurrit. 205Sic enim princeps rectissime punit praeter omnem iracundiae motum secundum mansuetae legis arbitrium, quomodo lex culpas persequitur praeter odium personarum.205 Hos verborum benignitate compescit, hos edictorum auctoritate compellit, hos vero legum severitate percellit. Quae vero edicta de beneplacito regis aut principis promulgantur, inviolabiliter observantur, ut 206labium veritatis in perpetuum confirmetur.206 207 Ligurgus enim in regno suo decreta constituens 208populum ad obsequia principum, principes vero ad iustitiam208 pro populo confirmavit208,207 et, 209 210 ut aeternitatem suis daret legibus, iureiurando obligat civitatem nihil se mutaturos de legibus suis, donec reverteretur.210 Profectus igitur 210Cretam ibix perpetuo exulavit, abicique moriens ossa sua in mare praecepit, ne relatis Lachedemonem solutos210 se subditi sui crederent tam 210in solvendis legibus quam in religione iurisiurandi.210 209 211Remota enim legum iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia, sicut e converso latrocinia parva regna? // Unde tam 212eleganter quam veraciter Alexandro Macedonum comprehensus pira-
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in Ed. PB.
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delt es sich um das 206Schwert der Taube,206 das ohne Wut streitet, ohne Zorn zustößt,205 und da es der Gerechtigkeit dient, in keine Bitterkeit205 von Schuld hineingerät. 205So straft der Herrscher völlig legitim jenseits jeder Bewegung des Zornes nach dem Schiedsspruch des sanften Gesetzes, wie das Gesetz Schuld verfolgt weitab von Hass auf Personen.205 Die einen beschwichtigt er mit der Güte seiner Worte, jene zwingt er mit der Autorität und Rechtskraft seiner Edikte, wieder andere zerschmettert er mit der Strenge der Gesetze. Die Gesetze aber, die nach dem Dafürhalten des Königs oder Fürsten in Kraft gesetzt werden, sind unverletzt zu beachten, damit 206der Mund der Wahrheit auf ewig bekräftigt werde.206 207 Lykurg 208verpflichtete bekräftigend208, indem er in seinem Reich Gesetze gab, 208das Volk zu Gehorsam gegenüber den Fürsten, die Fürsten zu Gerechtigkeit208 für das Volk,207 und 209 210um seinen Gesetzen Ewigkeitsdauer zu geben, verpflichtete er die Bürgerschaft durch Eid, dass sie nichts an seinen Gesetzen ändern würden, bis er zurückkehre.210 Er brach nämlich auf 210 nach Kreta, um dort auf immer im Exil zu bleiben, sterbend befahl er, seine Gebeine ins Meer zu werfen, damit nicht nach deren Rückkehr nach Sparta210 die Untertanen 210sich gelöst fühlen könnten210 (von ihren Pflichten) sowohl im 210Lösen von Gesetzen als auch von heiliger Bindung an den Eid.210 209 211Wenn man nämlich die Gerechtigkeit der Gesetze wegnimmt, was sind die Reiche dann noch anderes als große Räuberbanden, wie andersherum die Räuberbanden kleine Reiche? // Insofern antwortete 212jener ge1891 [Ndr. 1972] [CSEL 25, 1] S. 249 –797) XXII, 66 – 68 S. 661– 665; De doctrina Christiana (wie Anm. 51) III, 21 S. 95 f. 205–205 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 2 S. 235 f. (vgl. Helinand, Chron. XI, 38 p. 293b, mit Zuschreibung an Cicero). 206–206 Ier 46, 16 Prov 12, 19. 207–207 Johannes v. S., Pol. IV, 3 S. 239. 208–208 (Pompeius Trogus) – Iustinus: Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi. Hrsg. v. Otto Seel. Berlin 21972; III, 2, 9. 209–209 Vgl. Johannes v. S., Pol. IV, 3 S. 239. 210–210 Vgl. (Pompeius Trogus) – Iustinus (wie Anm. 208) III, 3, 11–12. Johannes v. S., Pol. IV, 3 S. 239 führt zusätzlich drei weitere Justinexzerpte zwischen den beiden bei Gilbert gebrachten. Möglicherweise waren die Exzerpte in einer Vorlage voneinander abgehoben. Die Vorlage hätte verknappt-modifizierte Exzerpte geboten: Wie in den Johannes und Gilbert gemeinsamen Stücken fehlt in denen bei Johannes öfter ein (Zwischen)Teil. In jedem Fall variiert Gilbert frei. 211–211 Vgl. Augustinus, De civ. Dei IV, 4. 212–212 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 14 S. 223. Augustins berühmtes Diktum zur Gerechtigkeit findet sich nicht bei Johannes, wohl aber der zweite Text. Johannes wie Gilbert haben zusätzlich diceris. Beide gehen wohl auf eine gemeinsame VorlagenSammlung zurück. Darin stand wohl auch der berühmte Satz. Nach dem gemein-
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ta respondit, cum idem rex hominem interrogaret, cur mare haberet infestum, „Et te“, inquit, „orbis terrarum, sed quoniam id ego exiguo navigio facio, latro vocor, tu vero, quia magna classe,211 diceris imperator211.“212 Consideret ergo princeps consuetudines, quibus scilicet vivunt cives, et leges, quibus reguntur sub eo singulae civitates, et quod inventum fuerit divinae legi contrarium, fiat de medio nulla obstante consuetudine, nulla praescriptione temporis roboratum. Et sic leges non legitimae abrogentur, et quae Christi doctrinae consonant, subrogentur, ne vivat 213plebsy sine pulcritudine disciplinae aut populus sine lege.213 214Ira enim Domini sinez disciplinae vigore nona evaditur. // Apprehendat ergo plebs indisciplinata 215disciplinam, ne quando Dominus irascatur215. Est enim disciplina morum ordinata correctio et debita regularum legis observatio.214 216Populus vero sine lege216 est, qui debita edicta216 principum non custodit, 216qui legum scitab contempnit et ideo per diversas errorum216 et abusionis morum orbitas 216laqueum perditionis incurrit. // Tunc enim per multas perditionis vias inceditur, cum una 217regalis via,217 lex scilicet Domini, deseritur, per quam 217nec ad sinistram nec ad dextram declinatur,217 de qua 218Christus, qui est finisc legis ad iustitiam omni credenti218, denuntiat: „Ego sum via, veritas et vita“219. // Si autem finisc legis est Christus,220 ut ait apostolus, qui sine lege sunt, certum
y z a b c
lex R. sub Ed. B. Fehlt Ed. B. statuta R. filius Ed. PB, s. Anm. 218.
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fangen genommene Seeräuber Alexander dem Makedonen ebenso elegant wie wahrhaftig, als jener König den Mann fragte, warum er das Meer unsicher mache: „Und Du machst den Erdkreis unsicher, doch da ich es mit einem kleinen Schiff tue, heiße ich Seeräuber, Du aber, da Du es mit großer Flotte tust,211 heißt Feldherr211.“212 Der König beachte also die Gewohnheiten, nach denen die Bürger leben, und die Gesetze, nach denen unter ihm die einzelnen Territorien und Städte regiert werden, und was eingeführt wurde im Gegensatz zum göttlichen Gesetz, soll aus dem Weg geräumt werden, nicht bekräftigt durch eine entgegenstehende Gewohnheit, durch irgendeine zu welcher Zeit auch immer erlassene Vorschrift. Nicht rechtskonforme Gesetze sind abzuschaffen, an ihre Stelle trete der christlichen Lehre Entsprechendes, damit nicht 213die Menge ohne die Schönheit der Disziplin und das Volk nicht ohne Gesetz213 lebt. 214 Dem Zorn des Herrn nämlich ist ohne die Strenge der Disziplin nicht zu entkommen. // Die ungezügelte Gemeinde lerne also 215die Disziplin, damit nicht irgendwann der Herr zürne215. Die Disziplin aber ist geordnete Besserung und die geschuldete Beachtung des Gesetzes.214 216Volk aber ohne Gesetz216 ist jenes, das die Verordnungen216 der Herrscher nicht achtet, 216das die Verordnungen der Gesetze verachtet und über die verschiedenen Gleise der Irrtümer216 und des Missbrauchs der Sitten 216in die Schlinge des Verderbens hineinläuft. // Dann aber schreitet man über die verschiedenen Wege des Verderbens, wenn der einzige 217königliche Weg,217 das Gesetz des Herrn nämlich, verlassen wird, von dem man 217nicht zur linken und nicht zur rechten Seite hin abweicht,217 über den 218Christus, das Ende des Gesetzes zur Gerechtigkeit für jeden Glaubenden218, aussagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“.219 Wenn aber Christus das Ende des Gesetzes220 samen Ausschnitt mit Gilbert bietet Johannes (s. den Apparat zur Stelle) eine Fortsetzung mit Rückgang wohl auf Augustins Vorlage Cicero, De rep. III (14) 24. 213–213 Ankündigung von Pseudo-Cyprianus 11 S. 57 f. und 12 S. 58 – 60. 214–214 Vgl. Pseudo-Cyprianus 11 S. 57. 215–215 Ps 2, 12. 216–216 Vgl. Pseudo-Cyprianus 12 S. 58 – 60. – Hinkmars (s. dort Anm. h) Verrechtlichung von Dei dicta resp. dicta bei Pseudo-Cyprian ist bei Gilbert ganz auf die herrscherliche Sphäre bezogen. 217–217 Vgl. Num 20, 17; 21, 22; Deut 2, 27; 5, 32 f.; 17, 20; 28, 14; Prov 4, 27; Is 30, 21. 218–218 Rom 10, 4 (Christus finis legis). Im Blick der Hss. PB fügt Gilbert hiermit Gal 4, 4 (filium – sub lege) zusammen. Von der moralisch-theologischen Vorlage her entwickelt Gilbert in Anlehnung an die Lehre des Johannes und des Helinand über Nomokratie (Herrschaft des Gesetzes) einen empirischen, auch im weltlichen Bereich geltenden Gesetzesbegriff mit theologischer Fundierung. 219 Io 14, 6. 220–220 S. Anm. 218.
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est, quoniam sine Christo vivunt. // Non igitur sine Christo vel sine lege vivamus, choruscante iam Evangelio, ne sine nobis Christus esse incipiat in futuro.216 II, I c. 7 Septimum capitulum, de malis, quae faciunt officiales in curiis. Qui iamd aliquantisper in superliminari stetimus, in curias principum descendamus et potestatum et officialium videamus excessus, qui non debent sub silentio praeteriri nec possunt sine periculo ignorari. Scriptum est: Venatio leonis onager in heremo, sic pascua divitum pauperes221. Quod ab officialibus curiarum pauperese experiuntur cotidie, qui ab hoc verbo: „officio, officis“, quod fidem quodf: „noceo, noces“, non ab hoc nomine: „officium, officii“, videntur vocabulum mutuasseg. Nam genus hoc hominum, quod dicunt officiperdi, depraedatur pauperes, insidiatur simplicibus, fovet impios, opprimit innocentes. Luxuriantur in lacrimis egenorum, in pauperum nuditate, et, quod est deteriush, sic afflictii non audent affligentium eos malitiam aut violentiamk aperire. Quod si fecerit, deteriora prioribus sustinebit, et si causam suam in conspectu officialium proposuerit ipse pauper, aulici moventur graviter, opponit se simplici fraudulentus, iusto impius, rustico curiaster. Sustinent ista iudices infideles nec maleficos 222cohibent, quia, sicut vulgariter dici solet: Operibus lupi congratulatur corvus, et ministro iniquitatis impius iudex applaudit223, sicut scriptum est: Principes tui infideles, socii fu-
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iam de RP. Fehlt R. f–f est Ed. B, idem est P. g Fehlt R. h deterius etiam Ed. B, decretius R. i affligi R. k vinolentiam B. e
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ist, wie der Apostel sagt, dann ist sicher, dass die, die ohne Gesetz sind, ohne Christus leben. // Wir mögen also nicht ohne Christus oder ohne Gesetz leben zu einer Zeit, da das Evangelium hell aufstrahlt, damit nicht ohne uns Christus zu sein beginnt in der Zukunft.216 II, 1 c. 7 Siebentes Kapitel, über die Missstände, die die Beamten in der Hofverwaltung verursachen. Die wir nun schon eine Zeitlang an der Vorschwelle gestanden haben, wollen nun zu den Höfen der Fürsten hinabsteigen und uns die Übergriffe der höheren und der niederen Beamten ansehen, die nicht mit Schweigen übergangen und nicht ohne Gefahr ignoriert werden dürfen. Es steht nämlich geschrieben: Beute des Löwen in der Wüste ist der Wildesel, so sind die Armen Weidegründe für die Reichen.221 Solches erfahren die Armen und Wehrlosen täglich von den niederen Beamten an den Höfen, die ihre Bezeichnung von dem Tätigkeitswort: „ich bin in der Verwaltung tätig, du bist in der Verwaltung tätig“, was gleich ist mit: „ich schade, du schadest“, nicht von dem Hauptwort: „die Pflicht, der Pflicht“ entlehnt zu haben scheinen. Denn jene Sorte von Menschen, die sie Pflichtvergessene oder Pflicht gegen Gefälligkeiten Übende nennen, raubt die Armen aus und spielt den einfachen Leuten übel mit, begünstigt die Schurken und unterdrückt die Unschuldigen. Solche weiden sich an den Tränen der Notleidenden, an der Nacktheit der Nichtsbesitzenden, und, was schlimmer ist, die derart Bedrückten wagen nicht, Bosheit und Gewalttätigkeit der Bedrücker offen darzulegen. Wenn das einer (der Geschundenen) tun sollte, wird er Schlimmeres als das Vorherige zu erdulden haben, und wenn gar der Arme offen vor den Hofbeamten seine Sache dargelegt hat, werden die Hoflakaien in starkem Maß erregt, dem Einfachen stellt sich der Verschlagene entgegen, dem Gerechten der Rechtsbrecher, dem Bauern der Hofintrigant. Ungerechte Richter lassen das durchgehen, 222sie legen222 den Übeltätern 222keine Zügel an, da, wie man im Volk zu sagen pflegt: Den Werken des Wolfs zollt der Rabe Beifall, und dem Diener der Schlechtigkeit applaudiert der ungerechte Richter,223 gemäß dem Schriftwort: Deine Fürsten sind ungläubig, Genossen der
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Ecli 13, 23. Volles Zitat von Ecli 13, 23 – 29 bei Johannes v. S., Pol. V, 16 S. 355 in sinnverwandtem Kontext. 222–222 Vgl. Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 6 (zu den officiales als manus rei publicae im pseudo-plutarchischen Staatsorganismus). 223 Offenbar verbreitetes Sprichwort.
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rum,222 omnes diligunt munera224, quia 222 225cum furibus225 222 participantes 222 currunt225 cum eis adicientes iniquitatis partem, ut lucri qualemcumque recipiant portionem. Qui misertus pauperis fuerit, occasum iustitiae fleverit, si decreverit subvenire, si audeat obmutirel, // rationem cogetur redderem coram Herodianis226 quasi criminis maiestatis laesae.222 Utinam 227Demostenis astuciam227 vellent sequi iudices in Deum et proximum impii et iniqui. 227Pecuniam enim depositi nomine a duobus hospitibus227 ancilla quaedam 227acceperat, ea conditione, ut eam simul utrique redderet. Quorum alter interiecto tempore tanquam mortuo socio squalore obsitus227 ancillam decepit, qui depositum ab ancilla recepit. 227Supervenit deinde alter urgens et depositum repetens. Haerebat miseran et in maxima penuria pecuniae et defensionis227 existens prope iam desperata 227de laqueo et suspendio cogitabat. Sed Demostenes ei patronus affuit227 et vocata ancilla in ius sic pro eadem respondit: 227„Mulier“, inquit, „parata est fidem227 servare, depositum reddere, 227sed nisi socium adduxeris, id facere non potest, quia, ut in verbis tuis exprimitur,227 ista fuit depositi lex227 et conditio, 227ne pecunia alteri sine altero redderetur“227. Sic ergo innocentes pereunt, quia preces debitas pro personis miserabilibus pauci fundunt. Legimus Alexandrum, dum 228summo studio ferretur,228 ut destrueret oppidum Lansacenum,228 occurrit eidem magister eius Anaximenes228 volens iram regiso avertere monitisque simul et precibus reddere placidump et pacatum. Quod perpendens 228 Alexander non facturum se, quod petisset ille, iuravit. Anaximenes ergo
l m n o p
obmutare Ed. PB. recidere RP. miseria R, viscera B. eius Ed. B. placitum Ed. PB.
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Diebe,222 alle erpicht auf Bestechungsgaben224, da sie als Teilhaber 222 225mit den Räubern laufen,225 mit ihnen ihren Teil an Ungerechtigkeit hinzutun, damit sie nur irgendeinen Anteil am Gewinn erhaschen. Wen aber die Sache der Armen anrührt, wer über den Niedergang der Gerechtigkeit weint, wenn er gar sich entschließen sollte, zu Hilfe zu kommen, wenn er gar wagen sollte, beredt gegen sie aufzumucken, // dann wird er gezwungen werden, Rechenschaft zu geben vor den 226Spießgesellen des Herodes,226 gleichsam wegen des Vergehens der Majestätsbeleidigung.222 Dass doch die gegen Gott und den Nächsten frevlerischen und ungerechten Richter 227die Verschlagenheit des Demosthenes227 befolgen wollten: 227 Geld hatte227 nämlich eine Magd 227von zwei Fremden zur Verwahrung erhalten, und zwar unter der Bedingung, dass sie es beiden gleichzeitig zurückgebe. Einer der beiden (erschien) nach einer gewissen Zeit, mit einem Trauergewand bekleidet, als ob sein Gefährte gestorben sei,227 täuschte die Magd und erhielt das Geld von ihr zurück. 227Bald danach kam der andere und erhob drängende Forderung auf Rückgabe des Geldes. Die Unglückselige schwebte in großer Bedrängnis und in Not wegen Geldmangel und fehlender Verteidigung,227 in ihrer Verzweiflung 227dachte sie schon an Strick und Aufhängen. Doch Demosthenes war als ihr Anwalt zur Stelle,227 und als die Magd vor Gericht zum Verhör gerufen war, antwortete er für sie folgendermaßen: 227„Die Frau“, sagte er, „ist bereit zur Abmachung zu stehen, 227 das Geld zurückzuzahlen, 227doch wenn Du Deinen Gefährten nicht herbeibringst, kann sie es nicht tun, denn, wie es in Deinen eigenen Worten gesagt ist, war Gesetz227 und Bedingung der Verwahrung, 227dass das Geld dem einen nicht ohne den anderen zurückgegeben werde“.227 Nun aber gehen die Unschuldigen zugrunde, weil wenige das notwendige Bittwort für armselige Personen einlegen. Von Alexander lesen wir, dass zu ihm, 228als er von höchstem Eifer getragen war, die Stadt Lampsakos228 zu zerstören, sein Lehrer Anaximenes228 eilte, in der Absicht, seinen Zorn abzuwenden und ihn mit Mahnungen und Bitten geneigt zu machen. Als Alexander228 das bemerkte, 228 schwor er, nicht zu tun, worum jener bitte. Anaximenes sagte also: „Ich 224
Is 1, 23. Vgl. Ps 49, 18. 226 Vgl. Matth 22,16; Marc 3, 6; 12, 13. 227–227 Vgl. Valerius Maximus VII, 3, ext. 5. Demosthenes (384 – 322 v. Chr.), der berühmteste attische Redner, der zuerst Anwalt war, wird auch von Johannes von Salisbury (s. Webb II S. 446 [Register]) und Helinand, Chron. XI, 38 p. 287b angeführt, doch in anderen Zusammenhängen. Die Beliebtheit der Beispiele des Valerius Maximus zeigen Johannes v. S., Pol. VIII, 14 S. 330 – 335, Helinand, Chron. XI, 38 p. 294a (jeweils andere Beispiele). 228–228 Vgl. Valerius Maximus VII, 3, ext. 4 (Beispiel wieder nur bei Gilbert). 225–225
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dixit: „Peto, ut Lansacum diruas“.228 Et sic illud oppidum destinatum fuerat,228 est servatum.
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ab exitio, cui
II, I c. 8 Octavum capitulum, de consensu officialium in malum. Illudq autem solerter advertendum est, quodr ministeriales principum tantum habent unanimitatis consensum, ut videantur procul dubio 229corpus unum229. Sed shunc non illiuss, de quo legimus in Iob: Corpus Behemoth quasi scutat fusilia et compactum exu squamis invicem sese prementibus230. Nam si dixerit filius Sathanae contra pauperem innocentem: 231 232„Hunc invenimus subvertentem patriam et prohibentem tributa dari Caesari“,232 ingeminabit231 alius: „Istum novimus regias 233leges evacuantem et consuetudines vetustissimasv contempnentem“.233 Invalescet officialium strepitus et boatus clamantium et dicentium: 233„Huius rei testes sumus.“ Si vero suam purgaturus innocentiam voluerit pauper pro iustitia quicquam astruere233 dicens se, ne Deum aut ecclesiam offenderet, hoc fecisse, quia 233 234magis Deo234 et ecclesiae 234wquam hominibusw obedire234 debemus, si privilegium protulerit, quod odiosum est frequenter in curiis, intonabunt et dicent: 235„Quid adhuc amplius desideramus testes? Ecce vos ipsi blasphemiam audivistis.235 Qui talia profert aut asserit, 236Caesari contradicit!“236 233 Ecce quomodo ministri237
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illico Ed. PB. quoniam Ed. B. s–s utinam non illis R. t stulta R, sculpta P. u Fehlt Vulg. R. v venustissimas Ed. PB. w–w Fehlt Ed. PB. r
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bitte Dich, Lampsakos zu zerstören“.228 So wurde jene Stadt vor 228dem Untergang, dem sie bestimmt worden war,228 bewahrt. II, 1 c. 8 Achtes Kapitel, über das Einwilligen der Hofbeamten in das Böse. Mit besonderer Sorgfalt ist darauf zu achten, dass die Dienstleute der Herrscher in solchem Maß eines Sinnes sind, dass sie abseits jeden Zweifels wie 229ein Körper229 erscheinen. Doch diese Übereinstimmung darf nicht von der Art sein, wie wir es bei Hiob lesen: Den Leib Behemot bilden gleichsam gegossene Schilde, zusammengefügt aus Schuppen, die aufeinander drücken.230 Denn wenn ein Sohn Satans gegen einen unschuldigen Armen etwa sagt: 231 232„Diesen befanden wir als jemanden, der das Vaterland unterminiert, der verbietet, dem Kaiser Steuern zu zahlen“,232 231wird ein anderer draufsatteln231: „Jenen haben wir als jemanden erkannt, der die königlichen 233 Gesetze aushöhlt, der sehr alte Gewohnheiten verachtet“.233 Mit Gedröhn schwillt Lärm und Gebrüll der Höflinge an, die schreien und sagen: 233„Für diese Sache sind wir Zeugen.“ Wenn aber ein Armer, um seine Unschuld rein herauszustellen, zum Erweis der Gerechtigkeit noch hinzufügen wollte,233 er habe dies getan, um Gott und die Kirche nicht zu beleidigen, weil wir 233 Gott234 und der Kirche 234mehr gehorchen müssen als den Menschen234, wenn er ein Privileg hervorziehen sollte, was häufig an den Höfen Hass erregt, dann werden sie lostönen und sagen: 235„Was brauchen wir noch weitere Zeugen? Ihr habt selbst die Lästerung gehört.235 Wer solches vorträgt oder ausführt, 236widerspricht dem Kaiser.“236 233 Sieh, wie die Diener 237 238zusam229–229
Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 7. Iob 41, 6. Gilbert zieht die Bilder von Behemot (Iob 40, 10 –19) und Leviathan (Iob 40, 20 – 41, 25), dem Mittelalter Sinnbilder für teuflische Gegenmächte Gottes, zusammen. Weiter ausgeführt ist das Hiobzitat bei Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 7; die Zitation dort im Anschluss an die Abfolge, die Gilbert im Folgenden anschließt. Die inhaltlichen Schlüsse (Organologie und das Verständnis des Bibelzitats) divergieren bei beiden völlig. 231–231 Vgl. Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 6. Die freie Ergänzung des Bibelzitats (s. Anm. 232) durch Johannes fehlt bei Gilbert. 232–232 Vgl. Luc 23, 2. 233–233 Vgl. Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 6. Dramatisch geschickt ist bei Gilbert der folgende Gerichtsvorgang nach dem Prozess Jesu gestaltet. 234–234 Act 5, 29. 235–235 Vgl. Matth 26, 65; Marc 14, 63 f.; Luc 22, 71. 236–236 Vgl. Io 19, 12. 237–237 Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 7; S. 6 f. 238–238 Vgl. Ps 2, 2. 230
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conveniunt et assistunt in unum adversus Dominum et adversus christum eius.238 Aut si miser patronum invenerit sibi propitium aut iudicem ipsum, qui secundum iustitiam condescendat causae pauperis, vociferabuntur233 et dicent: 237 239„Si hunc dimittis, non es amicus Caesaris!“239 237 Et sic frequenter 240Christus crucifigitur, ubi Barabas237 dimittiturx.240 Vix est 241excepto principe,241 qui tantis malis valeat efficacitery obviare241, quoniam, ut quidam ait,242 accusatur hodie simplex et innocens, quia silvam incideritz, quia ferarum captioni consenserit, quia iura coronae241 tacuerit, quod publicae functionis tributa non solverit, quod regios ministeriales honorifice non exhibuerit, qui tamen forte non habuit, unde sibi et suae familiae provideret. Nec eidem creditur, si iureiurando fideliter se excuset, quia, sicut alibi legitur: aQuantum quisquea sua nummorum servat bin archab, / tantum habet et fidei243; et ideo verba pauperum dicuntur hodie verba venti. Non talis Samuel, qui ex sua iurisdictione nec 244esculentum nec potulentum244 legitur recepisse.244 „Loquimini“, ait, „de me coram Domino et coram christo eius, utrum bovem alicuius tulerim aut asinum; si quempiam calumpniatus sum, si oppressi aliquem, si de manu cuiusquam munus accepi, et contempnam illud hodiec restituamque vobis.“245 Econtra 246sapientes sunt246 hii,
x
dimittitur scilicet RP. Fehlt R. z occiderit RP. a–a quantumcumque R. b–b ierarchia Ed. PB. c Fehlt RP. y
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meneilen und zusammenstehen gegen den Herrn und gegen dessen Gesalbten.238 Wenn aber der Arme einen ihm gut gesonnenen Anwalt gefunden haben sollte oder gar einen Richter, der nach der Gerechtigkeit sich zur Sache des Armen herunterließe, dann werden sie schreien233 und sagen: 237 239 „Wenn Du diesen freilässt, bist Du kein Freund des Kaisers mehr.“239 237 Und so wird häufig 240Christus gekreuzigt, wo Barabbas237 freigelassen wird.240 Kaum gibt es jemanden, 241außer der König241 tut es selbst, der solchen Schurkereien entgegentreten241 könnte, da ja, wie mancher sagt,242 der einfache und unschuldige Mann heutzutage angeklagt wird, weil er mit Abholzen Einschnitte in den Wald gemacht habe, weil er mit Einfangen von Wild einverstanden gewesen sei, weil er zu den Rechten der Krone241 geschwiegen, weil er die Abgaben in Form öffentlicher Leistung nicht erbracht, weil er königliche Ministerialen nicht mit gebührender Ehre aufgenommen habe, er, der möglicherweise nicht hatte, womit er für sich und seine Familie hätte sorgen können. Und ihm wird nicht Glauben geschenkt, wenn er sich glaubwürdig mit einem Eid entschuldigen sollte, weil, wie anderswo zu lesen ist: Wie viel Münzen einer in seiner Truhe hat, / so viel öffentlichen Kredit hat er;243 und so nennt man die Worte des Armen heutzutage Worte des Windes. Nicht so verfuhr Samuel, von dem berichtet wird, dass er für seine Richtertätigkeit weder 244Essbares noch Trinkbares angenommen hat244. „Sprecht“, sagte er, „vor dem Herrn über mich und vor seinen Gewalten, ob ich jemandes Ochsen weggenommen habe oder seinen Esel; wenn ich jemanden täuschend hintergangen habe, wenn ich jemanden bedrückt habe, wenn ich aus der Hand von irgendjemandem ein Geschenk angenommen habe, dann verdamme ich das heute, und ich werde Euch Genugtuung leisten.“245 [Heute herrscht] das Gegenteil, benutzen246 manche 246ihre Weisheit, um Übles zu 239–239
Io 19,12. Vgl. Matth 27, 16 – 26; Marc 15, 6 –16; Luc 23, 18 – 25; Io 18, 40 –19, 16. Gilbert orientiert sich eher am Bericht des Matthäus, Johannes von Salisbury an dem des Lukas. 241–241 Punktuelle Übereinstimmung mit Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 7; S. 6. 242 Es ist unklar, ob ein konkretes Diktum gemeint ist. 243 Juvenal III, 143 f. 244–244 Vgl. Johannes v. S., Pol. V, 16 S. 357. Bei Johannes, der in sinnverwandtem Kontext die nämliche Samuelstelle wie Gilbert (s. Anm. 245) bringt, heißt es Quod autem esculentum et poculentum acceperit, de scriptura certum non habeo. Johannes könnte sich mit einer Deutung auseinandersetzen. Gilbert könnte auf dieselbe Referenz gehen, was wahrscheinlicher ist, freilich auch auf Johannes. 245 1 Reg 12, 3; vgl. Johannes v. S., Pol. V, 16 S. 351; Zusammenhang: S. 350 – 352; s. auch Pol. V, 17 S. 367 f. 246–246 Ier 4, 22; Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 8. 240–240
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246 ut faciant mala246, et potentes similiter, dum 247sub praetextu officii spoliare nituntur et vexare privatos, et ideo, quod praesumunt contra officium, poena esset magis difficili puniendum.247 248„In chamo“, inquit, „et freno, maxillas eorum constringe“249, ne din ored 250luporum, quos improba ventris agit250 ingluvies, vastare possint provinciam et in iniuriam principis patriam exhaurire.248 251Provincia enim in necessitatis articulo quasi archa principis est, quam quisquis exhaurit, gravissime delinquit in principem, cuius extenuat facultatem.251
II, I c. 9 Nonum capitulum, ubi ponuntur exempla naturalia de comparatione malorum ministerialium et officialium, qui sunt in curiis. Nunc, si placet, istorum ministerialium mores aliquibus declaremus exemplis, ut eorum perversitas magis appareat iudiciis manifestis. Isti sunt sanguisugae pauperum, bibentes assidue sanguinem alienum, canes impudentes bolismi vitium patientes, satietati terminum non ponentes, ydropisis patientes vitium, quorum sitim sedari est difficile vel impossibile, quia quo plus sunt potae, plus sitiuntur aquae. Isti sunt quasi spongia in manu pre-
d–d
more Johannes v. S.
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tun246, und auch manche ihre Macht, 247indem sie unter dem Vorwand der Pflicht streben, Privatleute zu berauben und zu quälen, und so ist das, was sie gegen ihre Pflicht sich anmaßen, mit umso schwererer Strafe zu ahnden.247 248„Mit Geschirr“, sagte er (Gott), „und Zügel züchtige ihre Kinnbacken“,249 damit sie nicht mit der Schnauze 250der Wölfe, die die Unersättlichkeit des Bauches treibt,250 das Land, die Provinz, zugrunde richten und als Unrecht gegen den Herrscher das Vaterland ausplündern können.248 251Im Fall der Notlage nämlich ist die Provinz gleichsam die Schatulle des Herrschers, wer sie ausschöpft, vergeht sich schwerstens gegen den Herrscher, dessen (Macht-)Mittel er ausdünnt.251 II, 1 c. 9 Neuntes Kapitel, in dem Beispiele aus der Natur zum Vergleich für die schlechten Ministerialen und Beamten, die an den Höfen sind, gebracht werden. Jetzt wollen wir, wenn es recht ist, die Gewohnheiten der Ministerialen an einigen Beispielen erläutern, damit ihre Verderbtheit durch offenbare Zeugnisse klar hervortritt. Diese sind Blutsauger der Armen, die stets fremdes Blut trinken, unverschämte Hunde, die an Beißzwang leiden, die für ihre Sättigung keine Grenze setzen, die am Laster der hoffärtigen Wassersucht leiden, deren Durst zu stillen schwierig oder unmöglich ist, denn je mehr Wasser getrunken ist, umso durstiger werden sie. Sie sind aber auch wie der 247–247
Vgl. Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 3. Vgl. Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 8. Die Übereinstimmung in der Verbindung von Ps 31, 9 und Aeneis (s. Anm. 249, 250) scheint auf Übernahme des bei Johannes gebotenen Textes durch Gilbert zu deuten, das bei Gilbert eingeschobene inquit jedoch kann wieder an jeweiliges Exzerpieren aus einer Vorlage denken lassen. Diese mag bei Helinand, Chron. XI, 38 p. 288b (s. Johannes, Pol. VI, 1 S. 7) aufscheinen, der p. 287– 289 Ämterabriss und Ämterbeschreibung in weiter gehendem Gleichklang mit Johannes hat. Die weitere Parallele zwischen Helinand p. 289a und Johannes, Pol. V, 11 S. 330 zu dem praeses provinciae bestätigt dies. Der Gilbert zunächst mit Johannes gemeinsame Teil steht bei Letzterem vor Zitation des Bischofs Laurentius von Mailand. Diese findet sich auch bei Helinand p. 288b, doch ohne die bei Johannes eher krampfhaft vorweggestellte Passage. Sie könnte originär anders platziert gewesen sein. Das Jeremiazitat und Ps 31, 9, bei dem Johannes signifikanterweise si sapit einfügt, könnten in der Verschränkung mit Vergil sich in einer Konfiguration befunden haben, die eher bei Gilbert aufscheint. Eine gemeinsame Vorlage wäre zu folgern. 249 Ps 31, 9. 250–250 Vgl. Vergil, Aen. II, 355 – 357. 251–251 Vgl. Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 8. Gilberts Fassung wirkt wie eine Raffung des Textes bei Johannes. Die Stelle könnte gut in der Vorlage der sog. Institutio Traiani gestanden haben. 248–248
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mentis, immo quasi quaedam collatoria divitias, quase extrahunt, frequenterf dominis suis influentes et execrandis acquisitionibus nihil sibi praeter peccati feculentiam retinentes. Quodg enim accumulanth per operationem pauperum, dominis suis cediti in delicias et miseris ministerialibus in tormentum. 252 Et, ut eis maior sit nocendi licentia252 vel facultas, datur 252unicuique multiplex officium252 vel potestas, 252ut, quod ex uno non tollit officio,252 spoliare vel 252tollere possit ex alio.252 In proprietatibus autem animalium repperimus, 253quod ex locusta nascitur brucusk, quoniaml brucum sophisogiam nominat, donec alas habeat. Deinde alis subcrescentibus, cum volitare coeperit, vocatur athelabus.253 Succedente vero tempore, 253cum volat plenissime, locustae253 censetur nomine. Brucus253 igitur, utpote 253athelabo et locusta gravior, quocumque venerit253 et ubi insederit,253 253quoniam alas non habet,253 ibi permanet, donec fruges253, quas invenit, 253omnino consumit. Athelabus et locusta,253 dum diversa loca circuierint, diversa inferunt nocumenta. Ministerialibus curiarum competit haec figura. Nam 253idem nnumero frequentern efficitur brucus et athelabus et locusta.253 Brucus ideo, quia, cum opprimere coeperit pauperem, non recedit ab eo, donec totam eius consumpserito 253facultatem, locusta et athelabus, quia nocent locis in pluribus.253 Unde scriptum est: Residuum erucae comedit brucus, residuum bruci comedit locusta254. Tantam procul dubio videmus hodiep multitudinem ministerialium, sicut in aestate apparet copia locustarum, qet quia forte, secundumq Salomonem, regemr locusta non habet255, quia princeps violentiam aut tyrannidem istorum non cohibet, ideo
e
Fehlt R. Fehlt R. g quid R. h acumulaverit R. i dedit R. k brutus R, auch im Folgenden meist. l quem R. m sophistigia R, philosogia B, vgl. phisiologi Johannes v. S. n–n numerus R. o consummaverit Ed. P, confiscaverit R, consideraverit B. p Fehlt Ed. B. q–q Fehlt R. r Fehlt R. f
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Schwamm, der von einer Hand ausgepresst wird, gleichsam wie in Sammelgefäße lassen sie häufig die Reichtümer, die sie herausziehen, ihren Herren zufließen und behalten für sich aus den fluchwürdigen Aneignungen nichts zurück als den Abschaum und Unflat der Sünde. Was sie anhäufen durch die Dienstleistungen der Armen, gereicht ihren Herren zum Luxus, den armen Ministerialen zur Marterung. 252Und damit sie größere Möglichkeit zum Schaden haben252 und größere Macht dazu, wird 252einem jeden ein weitgefächerter Pflicht-252 und Aufgabenbereich gegeben, 252damit er, was er aus dem einen Amt nicht zieht,252 raubend 252herausziehen kann aus dem anderen.252 Bei den Eigentümlichkeiten der Tiere finden wir, 253dass aus der Heuschrecke (locusta) die ungeflügelte Heuschrecke (brucus) hervorgeht, da ja die Lehre von den Lebewesen das Tier brucus nennt, bis es Flügel hat. Daraufhin, wenn die Flügel wachsen und es zu fliegen beginnt, wird es kleine Heuschrecke (athelabus) genannt.253 Nach wieder weiterer Zeit, 253wenn es vollständig fliegen kann,253 wird es mit dem Namen locusta253 bezeichnet. 253 Die ungeflügelte Heuschrecke, da ja schwerer als die kleine Heuschrecke und die voll entwickelte Heuschrecke,253 bleibt, 253da sie ja keine Flügel hat, dort, wohin sie gekommen ist und wo sie sich festgesetzt hat,253 bis sie die Früchte253, die sie gefunden hat, 253völlig aufgezehrt hat. Kleine Heuschrecke und große Heuschrecke253 fügen je nach der verschiedenen Beschaffenheit der Orte, die sie anfliegen, verschiedene Schäden zu. Auf die Ministerialen an den Höfen trifft diese Figur genau zu. Denn 253an Zahl gleich werden sie zu brucus, athelabus und locusta.253 Brucus daher, weil sie von dem Armen, den sie zu bedrücken begonnen haben, nicht ablassen, bis sie sein ganzes 253 Vermögen verzehrt haben, locusta und athelabus, da sie an verschiedenen Orten Schaden zufügen.253 So ist denn geschrieben: Was die Kohlraupe übrig lässt, verzehrt die junge Heuschrecke, was diese übrig lässt, die alte.254 Ohne Zweifel sehen wir heute eine Schar von Ministerialen, wie es sich im Sommer mit der Zahl der Heuschrecken verhält; und da ja nach Salomo die Heuschrecke keinen König hat,255 der Herrscher ihre Gewalttätigkeit und Tyran252–252
Vgl. Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 5, mit dem bis auf den Anfangsteil und in der vorausgehenden, bei Gilbert nicht stehenden Partie übereinstimmt Helinand, Chron. XI, 38 p. 288b (unicuique hat Gilbert mit Helinand gegen unus Johannes gemeinsam). 253–253 Vgl. Johannes v. S., Pol. VI, 1 S. 5, den Helinand, Chron. XI, 38 p. 288b verknappt gibt. Eine gemeinsame Vorlage, die Gilbert dann z. T. gefügter wiedergäbe, könnte die Differenz zwischen Johannes und Helinand erklären. – Sophisogia (Lehre von den Lebewesen; s. Anm. m) ist dann wohl von einem Abstraktum der Vorlage abgeleitet; Johannes setzt phisiologi. Zur folgenden, allein bei Gilbert begegnenden Weiterführung der Heuschreckenmetapher s. folgenden Text. 254 Ioel 1, 4. Ausschnittsweise (vorher) eingefügt bei Johannes und Helinand. 255 Vgl. Prov 30, 27 (dazu Na 3, 15 –17). Die biblische Ausführung findet sich nur
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egreditur universa per turmas255 et non solum 256Egiptorum corrodunts gramina,256 sed in terra Iessen257 256arbores fructuosas.256
II, I c. 10 Decimum capitulum, de malo adulationis, per exemplum cameleontis et polipodis. Sed antequam procedamus ad caetera, propter adulationes quorumdam occurrit cameleontis natura. Est enim cameleon animal coloris varietate conspersum, cuius corpus facillima conversione mutatur in colorem sibi oppositum et aspectum, animal naturaliter mansuetum, licet, quando infirmatur, se esse simulet mansuetum. Eos designat, qui in domibus regum sunt et mollibus vestiuntur, qui, dum mollibus placere cupiunt, voluntatibus omnium se conformant et facillima conversione mutati varios colores alternant. Cum detrahentibus detrahunt, cum adulantibus adulantur et eum, quem prius vituperando depresserunt, si affuerit laudans, et ipsi collaudant. Et hii hominest, quamdiu fuerint nulla potestate praediti, sic omnibus blandiuntur et immoderatae insistunt adulationi, sed si potestatem eos habere contigerit, quam affectant, crudelitatem, quae latebat in eorum cordibus, oportunitate nacta continuo manifestant, 258quia non minus habet veneni serpens in hyeme quam in aestate, sed in frigore latet hyemis, quod in fervore patet aestatis.258 Haec etiam est calliditas polipodis fraudulenti, qui, cum aliquod saxum porrectis crinibus amplexatur, illius assumitu colorem, multique pisces illuc imprudenter allapsi veluti ad petram simpliciter se trahentes decipiuntur fa-
s t u
comedunt R. humiles B. assumat Ed. B.
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nei nicht eindämmt, schwirrt sie gruppenweise aus255 und 256nagt nicht allein die Gräser der Ägypter ab,256 sondern verzehrt im Lande Jesses257 256die fruchtbringenden Bäume.256 (Die Tiermetaphorik wird weitergeführt: Adler, Raubfalken, Raben, Möwen, Tauchervögel werden angeführt.)
II, 1 c. 10 Zehntes Kapitel, über das Übel der Schmeichelei, am Beispiel des Chamäleons und des Polypen. Doch bevor wir zu Weiterem übergehen, tritt im Blick auf das Schmeichelwesen von manchen die Natur des Chamäleons entgegen. Das Chamäleon ist nämlich ein Tier, das mit einer Mannigfaltigkeit von Farbe besprengt ist, dessen Körper sich in allerleichtester Veränderung in die entgegengesetzte Farbe und das entgegengesetzte Aussehen verwandelt, es ist ein von der natürlichen Anlage her zahmes Lebewesen, obgleich es sich nur so stellt, als sei es zahm, wenn es in Bedrängnis ist. Es steht sinnbildhaft für die, die in den Häusern der Könige sind und sich mit weichen Kleidern bekleiden, die, indem sie den Schmeicheleien zugänglichen Weichlingen zu gefallen wünschen, sich den Wünschen aller anpassen und, in schnellster Wandlung verändert, die verschiedenen Farben miteinander tauschen. Mit den Schmähern schmähen sie, mit den Schmeichlern schmeicheln sie, und wenn einer jemanden, den sie vorher fertiggemacht haben, lobt, dann stimmen sie in das Lob ein. Diese Menschen schmeicheln, solange sie keine Macht haben, allen und betreiben ungezügelte Speichelleckerei, doch wenn sie in den Besitz von Macht gekommen sind, die sie stets eifrig zu gewinnen suchen, dann führen sie, sobald sie Gelegenheit dazu haben, die Grausamkeit, die in ihrem Herzen verborgen war, stets offen vor, 258da ja bekanntlich die Schlange nicht weniger Gift im Winter hat als im Sommer, doch in der Kälte des Winters bleibt in der Verborgenheit, was in der Hitze des Sommers offenbar wird.258 Dieser Art ist auch die Verschlagenheit des tückereichen Polypen, der, wenn er ein Felsriff mit ausgestreckten Fangarmen erfasst, auch dessen Farbe annimmt, viele Fische, die unbesorgt dorthin kommen und sich scheinbar einbei Gilbert, der entweder über die gemeinsame Vorlage hinausgeht oder sie voller ausschreibt als Johannes und Helinand, bei denen das Proverbienwort überhaupt nicht begegnet. 256–256 Vgl. Ex 10, 12 –15; 10, 5. 257 Vor allem die letzte Anspielung auf die Wurzel Jesse (Is 11,1; 10) bringt die Verbindung der Gesellschaftskritik mit dem heilsgeschichtlichen Thema. 258–258 Offenbar ein Sprichwort; es akzentuiert gut die sehr eindringliche psychologische Schilderung Gilberts. Das Wortspiel im Lateinischen latet (bleibt verborgen) – patet (wird offenbar) kann im Deutschen nicht wiedergegeben werden.
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cilem sui captionem maligno protinus exhibentes. Tales sunt, qui potentibus obsequentes assiduae mentis varietate mutantur. Nec in uno proposito perdurantes alios atque alios se demonstrant pudicitiam cum castis, luxuriam cum libidinosis exercentes et omnino, ut cuiusque mens fuerit, ita proprios aptant mores. II, I c. 11 Undecimum capitulum, de malis, quae faciunt adulatores in curiis. Dolemus quamplurimum in curiis principum et baronum genus hoc habundare palponum, venditorum olei, qui capita peccatorum impinguant, dum auribus delicatis toxicum adulationis instillant, eosque blanditiis linguae decipiunt, qui reiecto testimonio veritatis falsitatem acceptant,259 sicut scriptum est: 260 261
Facilem distillat in aurem Exiguum de naturae261 vitiique veneno261 260. Continuo cunctos abigit, 260 262qui vera locuntur262 260. Pulvillos sub dominorum suorum capitibus ponunt, ubi decepti mollibus263 verbis suaviter pro tempore requiescunt263, sicut Scriptura dicit: Vae illis, qui consuuntv pulvillos sub omni cubito manus et faciunt cervicalia sub omni capite […] ad capiendas animas264. Sicut enim dicit beatus Gregorius tam in Moralibus quam in Pastorali: Quisquis male agentibus adulatur, pulvillum sub cubito vel sub capite iacentis ponit, ut qui corripi ex culpa debue-
v
Vulg. Gregor Johannes v. S., constituunt Ed. PB.
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fach zu einem Felsen begeben, werden dadurch getäuscht, dem Böswilligen bieten sie sich zum leichten Fang. Solcher Art sind die, die im Schlepptau von Mächtigen sich mit häufigem Wechsel ihres stets aktiven Sinnes ändern. Sie bleiben nicht bei einem Vorhaben, sie stellen sich einmal als diese, das andere Mal als jene dar, üben Schamhaftigkeit mit den Keuschen, Genusssucht mit den Zügellosen, sie passen ihre Sitten der jeweils angetroffenen Charakterhaltung an. II, 1 c. 11 Elftes Kapitel, über die Übel, die Schmeichler an den Höfen anrichten. Wir empfinden Schmerz darüber, dass sehr häufig an den Höfen der Fürsten und Barone im Übermaß die Spezies von Schmeichlern vertreten ist, die als Verkäufer ihres Schmeichleröls die Köpfe der Sünder einfetten, während sie verweichlichten Ohren das Gift ihrer Schmeichelein einträufeln, und jene mit Schmeicheleien der Zunge täuschen, die dann das Zeugnis der Wahrheit zurückweisen und die Falschheit akzeptieren,259 wie auch geschrieben ist: 260 261
Ins geneigte Ohr dann er träufelt Gift in kleinerem Maße seiner Natur,261 seines Lasters.260 Auf der Stelle verscheucht er jene, 260 262die Wahres reden.262 260 [Solche Schmeichler] legen kleine Kissen unter die Häupter ihrer Herren, wo diese dann von sanften263 Worten eingelullt für eine Zeit ruhen263, wie die Heilige Schrift sagt: Wehe jenen, die kleine Kissen nähen unter jeden Ellenbogen und die Kopfkissen machen unter jedes Haupt, […] um die Gemüter einzufangen.264 Wie nämlich der heilige Gregor sowohl in seinem Werk Moralia als auch in seinem Pastoralwerk sagt: Wer immer schlecht Handelnden schmeichelt, legt ein Kisschen unter den Ellbogen oder Kopf eines Liegenden, damit er, der wegen seiner Schuld hätte getadelt werden müssen, von Lobre-
259
Berührungen in allgemeiner Thematik und spezieller Terminologie, doch mit völlig abweichender Ausführung, mit Johannes v. S., Pol. III, 4 S. 180; 5 S. 181; 6 S. 187. 260–260 Johannes v. S., Pol. III, 6 S. 187. 261–261 Juvenal III, 122 f. (cum facilem stillauit in aurem / exiguum de naturae patriaeque ueneno) in der Modifizierung, die Johannes von Salisbury (s. Anm. 260) hat. 262–262 Im gekennzeichneten Teil des Verses besteht Übereinstimmung mit Johannes v. S., Pol. III, 6 S. 187 (im Fortgang unmittelbar), der vorher (nach Horaz, Sat. I, 9, 47 f.) hat: dispeream ni submoueat omnes. 263 Gregor d. Gr., Mor. XVIII, 4, 8 S. 890; vgl. Reg. past. II, 8 S. 232. 264 Ez 13, 18 (s. Gregor d. Gr., Reg. past. II, 8 S. 232; Mor. XVIII, 4, 8 S. 890); s. auch Johannes v. S., Pol. III, 5 S. 184.
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rat in ea fultus laudibus molliter quiescat263. Principes enim 265 266parietem aedificant,266 quem adulatores liniunt,266 quia quod illi perverse faciunt,265 isti exterius trulla267 linguae 265adulatoriae quasi lucidum reddunt.265 Sed nunc attendatur consilium Salomonis: Meliora enimw sunt, aitx, vulneray diligentis quam fraudulenta oscula odientis268. 269Quis igitur debeat aut velit irasci amico vera dicenti? Nam etsi 270odium parit veritas270, non tamen hoc agit, ubi libertatem loquendiz suggerit caritas.269 In odium etenim vitiorum sanctus amor ignescit loquendia et in illos magis invehitur, quos magis diligere comprobatur. Amicorum parcere vitiis adulatio est, non dilectio, nec tam amicitiam quam amentiam sapit non redarguere, quos amamus. 271Adulatores autem eo amplius caveanturb, quo sub amantis specie nocere non desinunt, donec lumen interioris oculi obtundeturc et aures, ne verum audiant, obturentur. Sed ut ait Cicero: Cuius aures clausae sunt veritati, ut verum audire non possit, eius salus desperanda est272.271 Omnia proferunt ad alienae libitum voluntatis, parum ad solidum veritatis, et sub amoris imagine, dum gestum, vultum et habitum transfigurant, per modum hystrionicum alterum nobis Prothea repraesentant.273
w x y z a b c
Fehlt Vulg. RP, siquidem Johannes v. S. Fehlt Ed. B. nulla verba R. Fehlt RP. et loquitur Ed. B. caventur Ed. PB. obtendatur Ed. B, obtendetur P.
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den betört weich ruhe.263 Die Herrscher nämlich 265 266bauen die Wand, die die Schmeichler bestreichen,266 denn was jene schlecht tun,265 machen jene nach außen mit dem Nachtgeschirr267 265ihrer Schmeichelrede gleichsam hell leuchtend.265 Doch hierzu ist der Rat Salomos zu beachten: Besser sind nämlich, sagt er, die Wunden, die ein Liebender zufügt, als die tückegesättigten Küsse eines Hassenden.268 269Wer könnte oder wollte einem Freund zürnen, der die Wahrheit sagt? Denn wenn auch 270die Wahrheit Hass bereitet,270 so bewirkt sie das doch nicht da, wo die Liebe die Freiheit zum Sprechen anrät.269 Im Hass auf die Laster lodert heilige Liebe zu sprechen auf, und sie braust umso mehr gegen jene auf, die sie erwiesenermaßen vorrangig liebt. Über die Vergehen der Freunde schonend hinwegzugehen, ist Liebedienerei, nicht Liebe, und es schmeckt nicht so sehr nach Freundschaft wie nach Wahnsinn, die nicht zu tadeln, die wir lieben. 271Schmeichler aber sind umso mehr fernzuhalten, als sie unter dem Anschein des Liebenden nicht aufhören zu schaden, bis das Licht des inneren Auges verhüllt wird und die Ohren, damit sie das Wahre nicht hören, zugestopft werden. Wie sagt nämlich Cicero: Wessen Ohren für die Wahrheit verschlossen sind, so dass er das Wahre nicht hören kann, an dessen Heil ist zu verzweifeln272.271 Alles bringen sie zum Willfahren fremdem Wunsch gegenüber vor, zu wenig zum festen Grund der Wahrheit, und während sie unter dem Trugbild der Liebe Geste, Miene und Gebaren verstellen, bieten sie uns nach Art der Schauspieler einen zweiten Proteus.273
265–265 266–266
Vgl. Gregor d. Gr., Mor. XVIII, 4, 8 S. 890. Ez 13, 10, welche Stelle auch Johannes von Salisbury (Pol. III, 5 S. 184) auf-
nimmt. 267 Übernahme des vulgären trulla (Nachtgeschirr) aus Juvenal III, 108. Johannes v. S., Pol. III, 4 S. 180 hatte diese Stelle durch eine schicklichere Zudichtung ersetzt. 268 Prov 27, 6. Dieses Zitat bietet Johannes v. S., Pol. III, 6 S. 186: Melior siquidem sunt, sancto Salomone testante, amici uerbera quam fraudulenta oscula blandientis. Das Bibelzitat ist bei Johannes z. T. in singulärer Form verändert (blandientis). Es spricht sehr viel dafür, dass Gilbert es nicht aus Johannes direkt übernahm. Das gemeinsame Gerüst (einer Vorlage) mag in Gilberts Überlieferung in Codex B durchscheinen, in dem eine Parallele in der Überleitungswendung (enim – siquidem) aufscheint, sowie in R (nulla verba) und RP (ait). 269–269 Vgl. Cicero, De amicitia XXIV, 89; 90. 270–270 Vgl. Terenz, Andria I, 1, 68; diese Stelle gibt Johannes v. S., Pol. III, 6 S. 186 stark verformt, in ganz anderem Kontext. 271–271 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 4 S. 179. 272 Vgl. Cicero, De amicitia XXIV, 90. 273 Zum Gedanken vgl. Johannes v. S., Pol. III, 4 S. 179 f.
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Gilbert von Tournai
274 Rides? Maiore cachinno Concutitur. Flet, si lacrimas inspexit amici274.
Novit enim exd voluntatum et sensuum unione rivulos amicitiae scaturire. De hoc tamen admodum miror, quod regem aut populum, qui sibi credat, habent minus acquiescentem propriae iudicio conscientiae quam linguae lenocinio alienae. Et ut in benevolentiam admittantur, 275aucupes novitatum rumusculos congerunt, tempus et locum observant et inter prandendum aut, cum exhilaratos275 principes viderint, 276auribus eorum instillant.276 Absit autem hoc, ut ego 277benivolentiam arguam vel etiamsi placere magnatis, dum tamen istud existat ex latitudine caritatis, ex puritate mentis, ex habitu honestatis, officiorum studiis, virtutis via, obsequiorum fructu, integritate sermonis. Eos autem, qui talibus credunt, etiam poeta saecularis irridet, immo pastor ille, qui introducitur in poeta: Me quoque dicunt Vatem pastores: sed non ego credulus illis278. Nam ut quidam ait: Plus aliis de te quam tu tibi credere noli279. Uterque enim in vitio est, et qui linguam adulatione polluit et qui favens eis cor in laetitiam ad eorum dicta resolvit.277 Nullus enim alienae linguae tendiculis caperetur, nisi sibi interius blandiretur. Inde est, quod mollis280 populus et inhermis principes et barones superans, triumphat hodie de arma-
d
rex ex RP.
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274 Du lachst? Von großem Gebrülle schüttelt er sich. Er weint dann beim Blick auf die Tränen des Freundes.274
[Ein solcher] versteht es, aus der Übereinstimmung im Wollen und Sinnen Bächlein der Freundschaft hervorsprudeln zu lassen. Dabei wundere ich mich ziemlich stark, dass derartige Leute einen König und ein Volk haben, die ihnen zu glauben bereit sind, weniger dem eigenen Urteil des Gewissens als dem kupplerischen Verführertum fremder Rede trauend. Um in das Vertrauen aufgenommen zu werden, 275sammeln sie als Vogelfänger Neuigkeitengeschwätz, beobachten Zeit und Ort und während des Gastmahls, oder wenn sie die Fürsten erheitert275 sehen, 276träufeln sie ihnen dieses ins Ohr.276 Fern sei aber dies, dass ich 277Wohlwollen anklage, sogar auch das Gefallenfinden bei Mächtigen, denn es gibt dies auch aus der Weite der Liebe, der Reinheit des Sinns, aus ständiger Pflege der Ehrenhaftigkeit, aus Eifer in der Pflichterfüllung, aus dem Gang der Tugend, aus der Frucht der Dienste, aus der Reinheit der Rede. Die aber, die den [falschen Freunden] glauben, verlacht auch der heidnische Dichter, oder besser der Hirt, der bei dem Dichter eingeführt wird: Mich auch nennen Seher die Hirten: doch ich versag solchen den Glauben.278 Denn, wie ein anderer sagt: Glaube nicht über Dich dem anderen mehr als Dir selber.279 Beide sind des Lasters schuldig, der, der mit geschwollener Zunge schmeichelte, und der, der solches billigend auf ihre Worte hin das Herz in Freude öffnete.277 Niemand würde durch die Fänge fremder Rede gefangen, wenn er sich nicht in seinem Inneren selbst schmeichelte. Daher kommt es, dass das Volk der Weichlinge280 und Unbewaffneten Fürsten und Barone überwindet, und heutzutage über die Waffenträger triumphiert. Gut habe ich vom Volk 274–274 Juvenal III, 100 f., was in größerem Dichterkontext bei Johannes v. S., Pol. III, 4 S. 179 f. steht, über dessen Zitat hinaus Gilbert (s. Anm. 267) schon Juvenal aufgegriffen hat. Die Ausführungen in Anm. 269 – 274 deuten stark auf ein gemeinsames Vorlagesegment. 275–275 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 5 S. 182 mit gemeinsamer Verformung von Cicero, De leg. III (16) 35. 276–276 Vgl. Anm. 261. 277–277 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 5 S. 183 f., offenbar zunächst nach patristischer Vorlage. 278 Vergil, Ecloge IX, 33 f. Das bei Johannes darangefügte Persiuszitat fehlt bei Gilbert. 279 Catonis Disticha I, 14 S. 218. 280 Vgl. Juvenal II, 47.
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tis. Et bene populum dixerim, cum 281tanta sit eorum copia, ut, si qui adversus eos mutire audeat, 282
illos Defendat numerus iunctaeque umbone phalanges282. 281 e
II, I c. 12 Capitulum XII, de comparatione adulationis et veneni. Silentium indiceretf mihi gverecundia, sedg propter adulatorum multitudinem aliquantisper sermonis retardatur excursus exuberante materia. Compatior enim personis nobilium, quibus isti sub 283melle propinant toxicum et venenum.283 Nam ut sapiens284 quidam ait: 284Venena non dantur nisi melle circumli285 ta . Nullaeque sunt occultiores insidiae quam, quae latent in simulatione officii aut aliquo necessitudinis nomine284. Illud etiam perniciosissimum est venenum, quod emittitur per anhelitum vel per flatum. Sic autem suaviterh norunt adulatores huiusmodi toxicare, ut, dum eorum veneno pereunt homines, videantur tamen sibi quadam resolvi mollitie vel dormirei. Hoc est venenum 286aspidumk, quasl Cleopatra mamillis adhibens sic morte functa est, quasi resolveretur in sompnum, eo quod Caesaris victa pudicitia videns in Caesarem nihil eius valere pulcritudinem mortem desperata praevenit, ne servaretur in spectaculum, dum duceretur misera ad triumphum.286 Venenum hoc aspidum insanabile, si non illud 287eduxerint psillorum linguae. Unde et Cleopatrae psillos Augustus adhiberi fecit, qui veneni superarent
e
umbare RO, umbre B. indicent Ed. PB, indicerem R. g–g verecundiam si R. h Fehlt RP. i de R, dexterae P. k aspidis RP. l quod Ed. RP. f
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gesprochen, da 281ihre Zahl so groß ist, dass, wenn jemand gegen sie zu mucksen wagen sollte, 282
jene Schützend verteidigt die Zahl, die mit Schilden verbundnen Phalangen282. 281 II, 1 c. 12 Zwölftes Kapitel, zum Vergleich von Schmeichelei und Gift. Scham sollte mir Schweigen anraten, aber wegen der Menge der Schmeichler wird der Lauf der Rede eine Weile in die Länge gezogen, der Stoff ist nämlich überbordend. Ich empfinde Mitleiden mit den Personen der Vornehmen, denen jene unter 283dem Honig Pfeilgift und Gift überhaupt zu trinken geben.283 Denn wie sagt ein 284Weiser: Gifte werden nur mit Honig umschmiert gegeben.285 Und es gibt keine verborgeneren Tücken als die, die verborgen sind unter der Vortäuschung von Pflicht oder irgendeinem Begriff von Notwendigkeit.284 Jenes Gift ist das gefährlichste, das durch Ausatmen oder Keuchen ausgesondert wird. So verstehen die Schmeichler auf milde Art in der Weise zu vergiften, dass, während die Menschen an ihrem Gift zugrunde gehen, es ihnen erscheint, als lösten sie sich in sanftem Erschlaffen oder schliefen. Dies ist das Gift 286der Schlangen, durch das Kleopatra, indem sie sie an ihre Brüste ansetzte, so den Tod erlitt, als ob sie in den Schlaf hineinglitte; da sie, besiegt durch die Schamhaftigkeit von Cäsar Augustus, einsehen musste, dass gegen ihn ihre Schönheit nichts ausrichten könne, kam sie in ihrer Verzweiflung dem Tod zuvor, um nicht für das Schauspiel aufbewahrt zu werden, indem sie elend zum Triumph geführt würde.286 Das Gift solcher Schlangen ist unheilbar, es sei denn, es würde 287herausgesogen durch Zungen von Saugern. Daher ließ auch bei Kleopatra Augustus Sauger ansetzen, die die böse 281–281
Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 13 S. 216. Juvenal II, 45 f. 283–283 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 10 S. 204. 284–284 Johannes v. S., Pol. III, 6 S. 186 f. 285 Hieronymus, Ep. 107, 6. Die merkwürdige Kennzeichnung für den Kirchenvater (sapiens quidam) kann auf die Vorlage verweisen, die Überleitung, Zitat und anschließenden Teil umfasst haben könnte. Zur exzeptionellen Schätzung des Hieronymus durch Johannes von Salisbury s. von Moos, Geschichte S. 480 Anm. 951. 286–286 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 10 S. 200 f., der zunächst Florus: Epitomae. Hrsg. v. Henrica Malcovati. Rom 1972; II, 21, 9 –11 S. 191 f. wörtlich folgt. 287–287 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 10 S. 201, möglicherweise Sueton, Augustus 17 charakteristisch verformt. Diese Verformungen zeigt auch Gilbert, anscheinend ein klares Zeugnis für dessen direkten Anschluss an Johannes. Doch dieser schreibt offenbar schon nach einer breiteren als den bekannten Vorlagen. 282–282
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malitiam, sed tarde nimis adhibiti non potuerunt ullam impendere medicinam.287 Linguae psillorum verba sunt increpationum, quibus retundenda est istorum perversa natio, sicut retunditur clavus clavo, unde scriptum est: Verba sapientum quasi stimuli et quasi clavi in altum defixi, quae per magistrorum consilia data sunt a pastore uno288. Inde est, quod 289Ulixes Syrenum evasit pericula, quoniam illecebris vanitatis opposuit virtutism 289 remedia. Noverat enim vir ille expertissimusn, quoniam 290 291
Fistula dulce canit, volucrem dum decipit auceps291.
Sic decipit horum malitia, dum 292venena propinant melle circumlita. Omnis autem species, quae ex seipsa non lucet, mihi suspecta est. Unde 293solebant antiquitus Gratiarum simulacra nuda formari, eo quod veritas nullo simulationiso fucop valeat obumbrari.293 294Certeq impudicarum mulierum purpurissus aut cerusa, dum argui veretur a lumine, petit umbras, ut, quod non est in eis, quodam modo prestigiati et decepti oculi videant, 295et qui vident, caeci fiant295. Sed in illis, quae cum Hesther nostra 292 290
m n o p q
Fehlt RP. Fehlt R. stimulationis RP. suco R. ecce R, cete P.
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Wirkkraft des Giftes überwinden sollten, doch zu spät hinzugezogen konnten sie keinerlei Heilung mehr bringen.287 Die Zungen der Sauger sind jene Worte des Tadelns, mit denen die verderbte Gattung solcher (Schmeichler) zurückzustoßen ist, so wie ein Nagel durch einen anderen zurückgestoßen wird, wie es in der Schrift denn auch heißt: Die Worte der Weisen sind gleichsam Stachel und tief eingeschlagene Nägel, die durch die Ratschläge der Lehrer gegeben sind von dem einen Hirten.288 So geschah es auch, dass 289Odysseus den Gefahren der Sirenen entfloh, da er den Lockmitteln ihrer Eitelkeit die Heilmittel seiner Tugend entgegenstellte.289 Jener höchst erfahrene Mann wusste nämlich: 290 291
Süße Flöte lässt klingen der Fänger zur Täuschung des Vo-
291
gels.
So täuscht deren Niedertracht, während 292sie mit Honig umschmiertes Gift zu trinken geben.292 290 Jede Erscheinung, die nicht aus sich selbst leuchtet, ist mir suspekt. So 293pflegten von alters her die Grazien auf Bilddarstellungen nackt gezeigt zu werden, aus dem Grund, dass die Wahrheit durch keinen Aufputz der Verstellung verdunkelt werden kann.293 294Freilich schamloser Frauen Purpurfarbe und Schminke sucht in der Furcht, vom Licht überführt zu werden, die Schatten, damit, was nicht an ihnen ist, verblendete und getäuschte Augen sehen, und dass 295solche, die es sehen, blind 288 Ec 12, 11. Dieses Bibelwort begegnet nicht im Diskurs des Johannes von Salisbury. Clavus (Nagel) bei ihm in medizinisch-technischer Bedeutung: Pol. III, 3 S. 179. 289–289 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 10 S. 204 (dazu Ambrosius: Expositio evangelii secundum Lucam. Hrsg. v. Marc Adriaen. Turnhout 1957 [CC SL 14] S. 1– 400; IV, 2; 3 S. 105 –107). 290–290 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 10 S. 204. 291–291 Catonis Disticha I, 27 S. 220. 292–292 S. Anm. 285. 293–293 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 7 S. 189 f. mit weiter ausgeführtem Satz: eo quod soliditas amicitiae et ueritas fidei, sine qua nec gratiae quidem nomen subsistit, nullo simulationis fuco ualeat obumbrari (s. Servius, Scholien zu Vergil, Aen. I, 720; Fabius Planciades Fulgentius, Mythologiae II, 4, 8). 294–294 Vgl. Johannes v. S., Pol. III, 12 S. 214 mit wörtlichen Entsprechungen sowie den Zitaten (s. Anm. 295, 296). Doch allein bei Gilbert begegnen das hieronymianische Bild purpurissus aut cerusa (Hieronymus, Ep. 108, 15; 127, 3) und die eindeutig lectio difficilior darstellende Form: prestigiati, die mit decepti erläutert wird und auch auf eine patristische Vorlage, etwa im Umkreis des Hieronymus, verweist (s. Thesaurus linguae Latinae X, 2 fasc. 6 Sp. 936 – 938) (Johannes: praestricti), sowie die Figur der biblischen Königin Esther. Manches deutet auf eine Vorlage wie Hieronymus hin. 295–295 Io 9, 39.
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ex rvera pulcritudiner sortiunturs, aliter invenitur, sicut ille egregius versificator dixit: Haec amat obscurum, volet haec sub luce videri, Iudicis argutum, quae non formidat acumen296. 294 Hoc adulationis venenum maxime est principibus formidandum. Unde Aristoteles informans de cavendis mulieribus Alexandrum inter caetera ita dixit: „Cave mortifera venena. Non enim de novo incipiunt homines venenare“ 297. Et post pauca: „O Alexander, recole factum reginae Indorum, quando tibi mandavit causa amicitiae multa exhenia et dona venusta, inter quae missa est illa venustissima puella, quae ab infantia imbuta et nutrita fuit veneno serpentum. […] Et nisi illa hora ego sagaciter inspexissem in ipsam et artet iudicavissem, eo quod ita audactanter, horribiliter, incessabiliter, inverecundum suum figebat visum in faciem hominum – perpendi siquidem, quod interficeret homines solo morsu; quod tu experimento postea probavisti – et, nisi hoc certissime ostendissem, mors tua fuisset in ardore coitus consecuta.“297 Sed inter haec, et illud toxicum materiale scilicet et spirituale, haec differentia est, quod illud corpori, illud animae nocet et oculorum spiritualium visum aufert. 298 299
Centum luminibus cinctum caput Argus habebat,299 quae omnia unius fistulae voluptate non tam sopita sunt quam extincta298.
r–r s t
natura pulcritudinem R. sortiatur RP. arte magica Secretum.
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werden295. Doch in jenen, die mit unserer Esther wegen der wahren Schönheit ausgewählt werden, wird es völlig anders befunden, wie jener hervorragende Poet sagt: Diese bevorzugt das Dunkel, im Lichte will diese zu sehn sein, Prüfenden Blick des Richters in keiner Weise befürchtend296.294 Dieses Gift schmeichelnder Betörung müssen die Herrscher am meisten fürchten. Daher sagte Aristoteles zu Alexander, als er ihm das Meiden der Frauen nahe brachte, unter anderem: „Hüte Dich vor todbringenden Giften. Das Vergiften ist nämlich keine Sache, mit dem die Menschen neu begännen“.297 Und kurz danach: „Oh Alexander, erinnere Dich an die Tat der Königin von Indien, als sie Dir zur Freundschaftsbegründung viele Gaben und schöne Geschenke sandte, worunter sich jenes höchst liebreizende Mädchen befand, das von Kindheit an getränkt und genährt war mit Schlangengift, […] und wenn ich sie damals nicht kundig und genau angesehen und mit Kenntnis beurteilt hätte, deshalb weil sie so keck, schreckerregend, unzugänglich, ihren Blick ohne Scham auf die Männer richtete – ich bemerkte nämlich, dass sie die Männer allein mit ihrem Biss töten könnte, was Du durch Versuch später belegtest – und wenn ich dieses nicht als absolut sicher gezeigt hätte, wäre Dein Tod in der Glut des Koitus eingetreten.“ 297 Doch zwischen diesen, dem materiellen und dem geistigen Gift, ist der Unterschied, dass ersteres dem Körper, jenes der Seele schadet und den Blick der geistlichen Augen wegnimmt. 298 299
Hundert Augen hielten das Haupt des Argus umgürtet,299 die alle durch den Wohllaut einer Flöte nicht nur eingeschläfert, sondern ausgelöscht wurden.298
296
Horaz, De arte poetica 363 f. Secretum S. 282 Z. 24 – S. 283 Z. 1; S. 283 Z. 10 –18 (Steele: I, 21 S. 59 Z. 17 f.; S. 60 Z. 3 –14). Zum ersten Mal wird hier der später einflussreiche arabische Spiegel im Westen rezipiert. Zur charakteristischen Differenz, die den moralsoziologisch interpretierenden Gilbert verkennen lässt, dass im arabischen Grundwerk mit Gift nicht Schmeichelei gemeint ist, s. Grignaschi, Mario: La diffusion du „Secretum Secretorum“ (Sirr al-’asâr) dans l’Europe occidentale. In: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age 47 (1980) S. 7–70, hier S. 56. 298–298 Johannes v. S., Pol. I, 6 S. 51, dort zur Illustration, dass über Musik und Gastmähler sinnliche Ausschweifung und deren Bestrafung erfolgt. Gilbert nimmt geschickt das Bild von den Einflüsterungen der Schmeichler (Flöten) auf, wobei fistulae voluptate für Umgarnungsmethoden und Herrschziel der Schmeichler steht. 299–299 Ovid, Met. I, 625; s. auch I, 721. Der Mythos (Ovid, Met. I, 610 –723) handelt von der Liebe des Göttervaters Zeus zu Io, die er zum Schutz vor seiner Frau 297
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II, I c. 13 Capitulum XIII, quod malum adulationis maxime vituperatur in religiosis, ubi excusantur boni religiosi, qui sunt in curiis. … Non est enim indecens, si principum intersunt consiliis, qui iustitiam doceant, occurrant periculis, curiales inbuant monitis et exemplis. Non elegit Roboam bonorumu consilium, et ideo regnum ipsius est divisum,300 sicut scriptum est: Consilio iuvenum phariseatv scisma perhenne300. Sic olim in Israel reges utebantur consilio prophetarum, sic et modo viri consilii et conscientiae multa cohibent, quae vergerent alias et in praeiudicium subditis et dominis in peccatum. Si enim exaltati fuerint a terra, eorum patrocinio mansuescit circa simplices iudiciarius rigor, admittitur clamor pauperum, dignitas ecclesiarum erigiturw, relevaturx pauperum indigentia, firmatur in clero libertas, pax in populis, in monasteriis quies, iustitia libere exercetur, superbia deprimitur, augetur pauperum devotio, fovetur religio, diriguntur iudicia, leges acceptantur, decreta Romana vim obtinent, possessiones ecclesiasticae dilatantur. Ego tamen eos miseriores aliis iudicarem regulares illos, qui in principum et potentum curiis libenti animo commorantur, quia 301miseri, qui castra sequuntur.301 Quantum tamen intendunt rei publicae, tantum eos possemus excusare, si tamen praeter adulationis vitium, quae religionis sunt et virtutis, loquantur principibus in spiritus libertate. Unde Aristoteles ita scripsisse legitur Alexandro: Regem condecet legiferos honorare, religiosos venerari, sapientes sublimare et conferre cum eis, movere dubitabiles quaestiones, hones-
u v w x
bonum RP. phercuseat R. exigitur P. revelatur R.
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II, 1 c. 13 Dreizehntes Kapitel, über das Thema, dass das Übel der Schmeichelei am meisten bei Mönchen zu tadeln ist, und dass die guten Mönche, die an den Höfen sind, zu entschuldigen sind. … Es ist absolut nicht unziemlich, wenn in den Räten der Fürsten die mitwirken, die die Gerechtigkeit lehren, die Gefahren entgegentreten, die die Hofleute mit Mahnungen und Beispielen beeinflussen. König Rehabeam wählte nicht den Rat der Guten, so wurde sein Reich geteilt,300 wie geschrieben steht: Wo jugendliche Ratgeber sind, lodert Spaltung auf ewig.300 So nutzten einstmals in Israel die Könige den Rat der Propheten, so wenden heute Männer des Rates und des Gewissens vieles ab, was sich einmal hierhin, das andere Mal dorthin wenden könnte, einmal den Untertanen zur schlimmen Bestimmung, das andere Mal den Herren zur Sünde. Wenn sie auf der Erde erhöht sind, dann wird auf ihren Schutz hin richterliche Strenge gegen Einfache Milde annehmen, das Schreien der Armen zugelassen, die Würde der Kirchen aufgerichtet, die Notlage der Bedürftigen gelockert, die Freiheit im Klerus, Friede in den Völkern und in den Klöstern Ruhe gekräftigt, die Gerechtigkeit wird frei geübt, Hochmut unterdrückt, die Loyalität der Armen wird gemehrt, die Religion wird gefördert, Urteile werden gerecht gesprochen, Gesetze werden angenommen, römische Kirchensatzungen erhalten Kraft, kirchliche Besitztümer werden ausgeweitet. Was mich angeht, so würde ich jene Ordensleute als erbarmungswürdiger als die anderen ansehen, die sich freien Willens an den Höfen der Fürsten und Mächtigen aufhalten, da ja schon 301erbarmungswürdig die sind, die (auf Befehl) den Heereslagern folgen.301 Soweit sie aber auf das Interesse des Staates aus sind, soweit könnten wir sie entschuldigen, wenn sie also jenseits des Vergehens der Schmeichelei in der Freiheit des Geistes vor den Fürsten sprächen, was Sache der Religion und der Tugend ist. Hierzu ist zu lesen, was Aristoteles Alexander geschrieben hat: Es ziemt sich für den König, die Gesetzgeber zu ehren, die Gottesfürchtigen zu verehren, die Weisen zu erhöhen und mit ihnen zu beratschlagen, Fragen des Zweifels aufzuwer-
Hera in eine Kuh verwandeln und die diese von dem hundertäugigen Hirten Argos bewachen lässt. Von Begierde bewegt, beauftragt Zeus Hermes, Argos zu töten; mit seinem Flötenspiel schläfert dieser Argos ein und schlägt ihm den Kopf ab. 300 Vgl. 3 Reg 12. – Das angeführte Zitat fasst die Ausführungen originell zusammen. Es findet sich (vielleicht schon zitiert) bei Walter von Châtillon, Alexandreis. Hrsg. von Marvin L. Colker. Padua 1978 (Thesaurus Mundi. Bd. 17); IV, 238. 301–301 Innozenz III., De contemptu mundi, PL 217, Sp. 701–746; I, 17 Sp. 709C.
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te interrogare et discrete respondere, sapientes et nobiliores magis honorare, secundum yquod decety statum uniuscuiusque302. … II, I c. 14 Capitulum XIV, de malis religiosis, qui se ingerunt in curiis. … Non hoc dico, quin reperiantur in curiis viri saeculares habitu sancti, actuz speculum sanctitatis et specumen honestatis, sed multorum curias excusare non possum, quin reperiantur ibidem habundantissime 303ambubaiarum collegia, farmacopolae, / mendici, mimae, baratrones, hoc genus omne.303 Addo passiones multiplices, quos sectantes curias sustinent, in quibus titulum martirii mererentur, si hoc pro Christi nomine sustinerent. Prudens et sciens Mutiusa manum misit in flammam;303 quod religiosis accidit, qui curiarum experti discrimina se in vitam ultro ingerunt palatinam. Et si mores a convictu formantur, facilius ex conversatione malorum bonus corrumpitur quam malus ex conversatione bonorum, quos ibi reperit, in melius inmutetur, ciborum conviciob nunc qualitate, nunc quantitate praeferens vitium. Locorum crebra mutatio, boatus animalium, discursus hominum, tumultus omnium, rumorum novitas, victus varietas, petentium importunitas, iniquitas officialium et perversitas ciniflonumc, dominorum crudelitas in iubendo et in obsequendo necessitas et in utroque periclitata libertas, corruptio interioris hominis, exterioris renovatio et horum similia, quae silentio tegimus, satis possunt instruere regulares, ne sine utilitate aut necessitate principum curias incolant, ne, quod absit, incipiant fieri saeculares.
y–y z a b c
Fehlt RP. Fehlt R. micius RPO, tintius B. condicio RP. civitatum bonorum R.
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fen, ehrenhaft zu fragen und diskret zu antworten, die Gebildeten und die Vornehmeren mehr zu ehren, den Stand eines jeden nach dem, was ihm zukommt.302. … II, 1 c. 14 Vierzehntes Kapitel, über die schlechten Ordensleute, die sich an den Höfen einschmeicheln. … Dies sage ich nicht, als ob nicht an den Höfen auch Weltleute zu finden wären, die in ihrem Verhalten heilig sind, in ihrem Handeln ein Spiegel an Heiligkeit und ein Muster an Ehrenhaftigkeit, doch die Höfe vieler kann ich nicht davon freisprechen, dass in ihnen gefunden würden im Übermaß 303 Kollegien von Flötenspielerinnen, Giftmischer, / Bettler, Gaukelspieler, Nichtsnutze, dieses ganze Pack.303 Ich füge die vielfachen Formen des Leidens hinzu, in deren Verfolg sie die Höfe aufrechterhalten, bei denen sie den Ruhmestitel des Martyriums verdienten, wenn sie solches im Namen Christi ertrügen. Der kluge und kundige Mucius legte seine Hand ins Feuer;303 dies passiert auch den Ordensleuten, die die Bedrängnis der Höfe erfahren haben und sich dann freiwillig in das Palastleben einmischen. Und wenn der Charakter vom Umgang her geformt wird, dann wird leichter aus Umgang mit den Schlechten ein Guter verdorben, als dass ein Schlechter aus dem Umgang mit Guten, die er dort antrifft, zum Besseren gewandelt würde, da er wie bei dem Beurteilen von Speisen bald an Qualität, bald an Quantität das Schlechte vorzieht. Häufiger Ortswechsel, Gebrüll der Tiere, das Hinund-her-Rennen der Menschen, Tumult aller, Neuheit der Gerüchte, großer Wechsel in der Lebensführung, die Rücksichtslosigkeit der Bittenden, die Verdorbenheit der Beamten und die Schlechtigkeit der Aschenbläser, die Grausamkeit der Herren im Befehlen, der Zwang zum Gehorchen, in beiden die zur Strecke gebrachte Freiheit, das Verderben des inneren Menschen, die Erneuerung nur des äußeren, weiter ähnliches der Art, das wir mit Schweigen bedecken, all das kann den Ordensleuten eine Warnung vermitteln, nicht ohne Nutzen und ohne Notlage der Fürsten an den Höfen zu verweilen, damit sie nicht, was ferne sei, anfangen, Weltleute zu sein.
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Secretum S. 275 Z. 19 – 23 (Steele: I, 10 S. 48 Z. 6 –10). Horaz, Sat. I, 2, 1 f. – Die Anspielung auf C. Mucius Cordus, der beim Scheitern seines Mordversuchs an Porsenna (508 v. Chr.) sich als Zeichen seiner Furchtlosigkeit die rechte Hand abbrannte und daher den Beinamen Scaevola (Linkshand) erhielt, ist wohl sprichwörtlich. 303–303
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II, I c. 15 Capitulum XV, de malis, quae faciunt clerici saeculares in curiis. Taedet iam curiae. Exeundum palatio. Visitemus sacrarium, si fortassis in capellis principum reperired possimus sancta sanctorum. In hoc ergo sacrario sint ministri taliter informati, sic ad officia expediti, ad sacramenta ydonei, ad omnia circumspecti, quod eorum sit conversatio forma cleri. Scio, quod, si aliquorum hic ede factise tetigero, satrapis veritatem audire nolentibusf, sed in consuetudinis faece scatentibusg non placebo. Et ideo quodammodo timet animus, tremit manus, sed spero, quoniam boni veniam dabunt mihi non tam temere quam timide hoc scribenti. Ut igitur purgetur sanctuarium304, aperiant principes oculos et videant, si clerum habeant ordinatum. … … Isti sunt inverecundi ad petendum, faciles ad negandum, importuni, ut accipiant, ingrati, cum acceperint, largissimi promissores, parcissimi exhibitores, blandissimi adulatores, mordacissimi detractores, simplicissimi dissimulatores, malignissimi proditores. Hii sunt, qui callideh omniumi venantur in praesentia gratiam, opes plerumque effundunt, et quanto maioris potentiae cupidiores existunt, tanto eask cum maiori ambitione expendunt. Et 305 cum potentiam nacti fuerint, in tirannidem erigunturl suae conditionis immemores, alios deprimere non verentur.305 Si vero sedem vacare contigerit cathedralem, 306instant obsequiis, sollicitant blanditiis, // fossorio quodam argenteo fodiunt occulte ad hostium306 et laborem continuare non cessant,
d
invenire RP. defectus R. volentibus RP. calentibus Ed. PB. Fehlt P. Fehlt RP. eos Ed. PB. exiguntur RP.
e–e f g h i k l
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II, 1 c. 15 Fünfzehntes Kapitel, über die Übel, die die Weltkleriker an den Höfen bewirken. Es ekelt einen der Höfe. Heraus aus den Palästen! Besuchen wir das Heiligtum, ob wir denn vielleicht in den Kapellen der Fürsten das Allerheiligste finden können. In diesem Heiligtum sollen die Diener so ausgebildet sein, so für die Ämter fachlich versiert, für Spendung und Verwaltung der Sakramente geeignet, für alles so umsichtig, dass ihr Verhalten maßgebende Form für den Klerus sein kann. Ich weiß, dass, wenn ich hier einiges über die Taten mancher aufdecke, ich nicht Gefallen finden werde bei den Statthaltern der Fürsten und Könige, die die Wahrheit nicht hören wollen und die sich weiter im Unflat schlechter Gewohnheit wälzen. Von daher wird mein Geist in gewisser Weise furchtsam und zittert meine Hand, doch ich hoffe darauf, dass die Guten mir Verzeihung gewähren werden, der ich nicht so grundlos wie furchtsam dieses schreibe. Damit ihr Heiligtum304 aber gereinigt werde, sollen die Fürsten ihre Augen öffnen und sie mögen sehen, ob sie einen wohl geordneten Klerus haben. … … Jene [üblen Kleriker] sind schamlos im Erbitten, schnell dabei, Bitten abzuschlagen, rücksichtslos zudringlich, um etwas zu ergattern, ohne Dank, wenn sie es bekommen haben, ohne Hemmung im Versprechen, äußerst säumig im Ausführen, die Lockendsten in der Schmeichelei, die Beißendsten im Herabziehen, die gewöhnlichsten Täuscher, die übelsten Verräter. Dies sind solche, die hinterhältig im Augenblick die Gunst aller erjagen, ihre Mittel meistens verschleudern, und je mehr sie nach größerer Macht lechzen, mit umso größerem Ehrgeiz setzen sie sie ein. Und 305wenn sie dann Macht errungen haben, überheben sie sich zur Tyrannei, und ihres Naturzustandes vergessend, scheuen sie sich nicht, andere zu unterdrücken.305 Wenn es dann anfällt, dass ein Bischofssitz vakant ist, dann 306überschlagen sie sich in Gefälligkeitsdiensten, setzen alles in Bewegung mit Schmeichelwerken, // mit einem silbernen Grabscheit graben sie im Geheimen bis zur Eingangstür,306 sie lassen sich bei ihrer Wühlarbeit nicht unter304
Johannes v. S., Pol. VII, 17 S. 162. Vgl. Johannes v. S., Pol. VII, 17 S. 161 und S. 166. Überraschende terminologische und inhaltliche Parallelen zu der im 9. Jahrhundert akzentuierten UrstandsGleichheitslehre (Gregor d. Gr.): s. Ludwig der Fromme im programmatischen Prooemium generale von 818/19 (wie Jonas Anm. 108): S. 273 und Konzil von Paris 829 (CP S. 654) = Jonas von Orléans (De institutione regia c. 5 S. 85 f.) in Bezug auf „Obergrafen“ und Grafen. 306 Vgl. Johannes v. S., Pol. VII, 17 S. 162; S. 163. – Ostium (Eingangstor) ist Symbol für den Zugang zum Bischofsamt. 305–305
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donec 307templum fundatum in 308lapide adiutoriim308 ex negociationis commercio convertatur in speluncam latronum.307 309Alium collusione quadam liberalitas vocantisn praevenit, sed postmodum collatam gratiam suo Giezi310 plenius compensabit309. … II, I c. 16 Capitulum XVI, de malis ypocritarum, qui sunt in curiis. Purgassemus aliquantisper sanctuarium, nisi occurreret abhominationis ydolum, quod contaminat locum sanctum, hoc est vitium yprocrisis, quod esse dolemus in curiis. Quia enim in puritate non oconfidunt propriae conscientiae, 311confugiunto ad arcem fallaciae. pSimulat enim et dissimulat311 ypocrita, quod est et quod non est, 311
Astutamque312 gerit 312sub pectore vulpemp312 311.
Nam, si faciei creditur, 311Paulo sollicitior, Petro ferventiorq311 reputatur. Mortificat carnem cum vitiis, // ieiunat assidue,311 obsecrat in plateis, 311arguit clerum de moribus corrigendis, sollicitat principem et potentes311 curiae, 311 testimonium sibi acquirens iustitiae, si vitae detrahat alienae,311 Luciferi socius et collega, dum sic exaltare313 nititur solium super astra,313 sicut scriptum est: Ascendam in coelum313 et caetera, quae sequuntur. Tales enim prius occulta interius elatione tumescunt, hinc proximos despiciunt, arguunt etiam praelatos, quod in temporalibus occupantur, et fere omnes iudicant praelatione indignos. Dicuntr ergo: „Ascendam in coelum,313 311
m
adultorii RP. vocandi RP. o–o configiunt R. p–p Fehlt R. q ferventior ypocrita RP. r dicam R. n
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brechen, bis 307der auf festen 308Stein des Beistandes308 gegründete Tempel durch den Schacherhandel sich in eine Spelunke für Räuber verwandelt.307 309 Einem anderen kommt durch irgendein geheimes Einverständnis die Freigebigkeit eines Berufenden zuvor, doch später wird er es seinem Giezi310 in vollem Maß zurückerstatten.309 … II, 1 c. 16 Sechzehntes Kapitel, über das Übel der Heuchler, die sich an Höfen aufhalten. Wir brächten es fertig, eine Weile das Heiligtum zu reinigen, wenn nicht das Götzenbild des Abscheus entgegenträte, das den heiligen Ort durch Unreinheit besudelt, das Laster der Heuchelei, das bedauerlicherweise an den Höfen grassiert. Die nämlich, die auf die Reinheit des eigenen Gewissens nicht vertrauen, 311nehmen ihre Zuflucht zur Burg der Falschheit. Es täuscht vor nämlich und verheimlicht311 der Heuchler, was er ist und was er nicht ist, 311 312
listigen Fuchs312 führt er 312unter seiner Brust.312 311
Denn wenn man seinem Gesicht traut, ist er 311besorgter als Paulus, glühender als Petrus. Er tötet sein sündiges Fleisch ab, // fastet häufig,311 schwört auf offenen Straßen, 311greift den Klerus zur Besserung der Sitten an, er setzt dem Fürsten und den Mächtigen311 des Hofes 311zu, er erwirbt sich das Zeugnis der Gerechtigkeit, wenn er die Lebensführung anderer herunterzieht,311 er ist Begleiter und Kollege von Luzifer, wo er doch bemüht ist, so seinen Thron über die Sterne zu setzen,313 wie geschrieben steht: Ich werde in den Himmel aufsteigen,313 und was weiter folgt. Solche blähen sich zunächst im Innern in verborgener Erhebung auf, sie verachten ihre Nächsten, sie beschuldigen die Bischöfe, sie beschäftigten sich zu sehr mit Weltlichem, sie befinden fast alle unwürdig zum Bischofsamt. Sie sagen also: „Ich werde in den Himmel aufsteigen,313 denn, da ich 307–307
Vgl. Johannes v. S., Pol. VII, 17 S. 162. 1 Reg 7, 12. 309–309 Johannes v. S., Pol. VII, 17 S. 162, wo Bezug genommen ist auf die Geschichte um Gehasi (Giezi) (s. Anm. 310). 310 Vgl. 4 Reg 5, 8 –13; 20 – 27. Gehasi (Giezi) war Diener des Propheten Elisa, er schwatzte dem syrischen Machtträger Naeman, den der Prophet vom Aussatz geheilt hatte, nachträglich als Gegenleistung Silber und Festkleider ab. Elisa bestrafte ihn dafür mit Naemans Aussatz. Gehasi (Giezi) ist Muster für moralisch verwerfliches Handeln. 311–311 Vgl. Johannes v. S., Pol. VII, 21 S. 191. 312–312 Vgl. Persius V, 117. 313 Vgl. Is 14, 13. 308–308
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quod, cum 311caelestis sim conversationis,311 ut praesim in spiritualibus, dignus sum, sed quia in inferioribus sedeo, prodesse non possum.“ Quod considerantes quidam inquiunt: „O, si hic esset episcopus! Quam sapiens, quam eloquens, quam misericors esset, quam fervidus, quam humanus!“ Talis aliquando, cum sui fuerit compos voti, et ad praelationem, quam ambierat aut propria machinatione aut aliorum factione promotus, Dei gratia spoliatus de virtutibus fictis ad vitia prolabitur manifesta et sic exosus omnibus proicitur, ut audire mereatur: Quomodo cecidisti Lucifer, qui mane oriebaris.314 Sic 315ergo 316angelus Sathanae transfigurat se in angelum lucis et pseudoapostoli316 ad auctoritatem apostolicam aspirabant potius quam ad vitam. // Inde est, quod yprocritae faciei pallorem obstentant, profundis suspiriis consuetudinaliter abutuntur et obsequentibus lacrimis subito inundantur, 317 flexos capite,317 oculis interclusis, […], rasa fere cesarie, voce demissa,315 vultu demisso, labiis315 murmurantibus, 315tranquillo incessu, gradu proportione composito, pannosi et habitu sordidi affectatam vendicantt vilitatemu, ut eo facilius ascendant superius, quo se in novissimum locum deiecisse videntur studiosius, et qui decrescunt ultronei, crescere315 nituntur velut 315inviti. Hii sunt, qui satagunt publicare, quicquid maculosum aut rugosum inhaeret ecclesiae,315 ut eo ipso cernantur maiori excellere caritate. Sed cum trabem318 portent 318in oculis318 et cum suorum non videant criminum congeriem, excaecantur, et cum aliorum minutissima videant, venialia limpidissime intuentur. 319Inquirunt rumusculos, tumultibus gaudent, dissidentiumv secreta explorant et eadem nunc ad amicos proferunt, nunc ad hostes, utrisque grati, utrisque perfidi. Magis tamen ad ista videntur ydonei, quia propter religionis ymaginem minus habentur suspecti. Quid in palatio, quid
s t u v
Ed. B, inspexo R, inflexo P. venditant Johannes v. S. utilitatem R. R Johannes v. S., diffidentium Ed. PB.
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himmlischen Umgangs311 mich erfreue, bin ich würdig, Geistlichem vorzustehen, doch da ich mit niederen Angelegenheiten befasst bin, kann ich nicht nützen.“ Einige, die dieses sehen, sagen prompt: „Dass doch dieser Bischof wäre! Wie weise wäre er, wie eloquent, wie mildtätig, wie feurig aktiv, wie menschlich!“ Ein solcher wird später einmal, nachdem er sein Streben erfüllt bekommen hat und zu dem umschlichenen Bischofsamt entweder durch eigene Machenschaft oder Beihilfe anderer erhoben worden ist, doch durch die Gnade Gottes dessen verlustig gegangen ist, von den geheuchelten Tugenden zurückfallen zu seinen offenbaren Lastern, und allen verhasst wird er abgesetzt, um verdientermaßen zu hören: Wie bist Du gestürzt, Luzifer, der Du am Morgen so hoch stiegst?314 So 315verwandelt sich der 316Engel Satans in einen Engel des Lichts, und falsche Apostel316 zielten mehr auf die apostolische Autorität als auf das apostolische Leben. // Von da kommt es, dass die Heuchler Leichenblässe im Gesicht zeigen, gewohnheitsmäßig im Übermaß tiefe Seufzer hervorbringen, regelmäßig danach von plötzlichem Tränenfluss überschwemmt werden, 317gebeugten Hauptes,317 mit halb geschlossenen Augen, […], mit fast ganz geschorenem Haar, mit gesenkter Stimme,315 mit niedergeschlagener Miene, mit murmelnden 315Lippen, mit ruhigem Gang, mit sorgsam abgemessenem Schritt, zerlumpt und schmutzig im Äußeren, eine affektierte Niedrigkeit für sich in Anspruch nehmen, um desto leichter zu Höherem aufzusteigen, je mehr sie mit Fleiß den Anschein genährt haben, zu dem neuesten Amt einen Abstieg gemacht zu haben, und sie wachsen gleichsam gegen ihren Willen empor, die sie nach ihrem Willen doch immer kleiner werden315 wollen. 315Diese sind es, die sich Mühe geben, an die große Glocke zu hängen, was an Makel und Falten der Kirche anhaftet,315 damit sie sich dadurch dem Anschein nach durch größere Liebe auszeichnen. Doch da sie einen 318Balken in den Augen318 tragen und die Masse ihrer Verbrechen nicht sehen, werden sie geblendet; während sie bei anderen Kleinstes sehen, sehen sie Eigenes im hellsten Licht als verzeihlich. Sie gehen eifrig 319leerem Geschwätz nach, haben ihre Freude an Aufruhr und Durcheinander, sie forschen die Geheimnisse von Gegnern aus und tragen diese bald zu deren Freunden, bald zu deren Feinden, beiden gegenüber loyal, beiden gegenüber perfide. Zu beidem scheinen sie besonders geeignet, da sie wegen des Anscheins der Religion für weniger verdächtig gehalten werden. Was im Palast, 314
Is 14, 12. Vgl. Johannes v. S., Pol. VII, 21 S. 194. 316–316 Vgl. 2 Cor 11, 14; 13. 317–317 Persius, III, 80: obstipo capite; so auch Johannes von Salisbury. 318–318 Vgl. Matth 7, 3; Luc 6, 41. 319–319 Vgl. Johannes v. S., Pol. VII, 21 S. 196. 315–315
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in foro, […], quid in castris expediat, hii soli nosse creduntur, quia universa haec videntur curare prae caeteris, qui istis iugiter immiscentur.319 Quem isti laeserint, hunc necesse est haberew patientiam319, xcum religionex 319 quadam umbratili319, quam de sanctorum patrum officina prodire nescimus, et 319auctoritate fulti principis omnium videntur habere licentiam.319 Non accuso principes, qui interiora non discutiunt et, exteriora dum respiciunt, saepe falluntur, sed hos ventilogos yet ventriloquosy, qui cum sint 320 lupi rapaces320 interius struthionis321 pennas habentes, ut in altum se erigant, 320pellem tamen ovinam320 et pennas herodii321 videntur praetendere, et vitam religiosam in religionis habitu mentiuntur. Adversus istos religio prae caeteris amaricata zelo caritatis armatur, in cuius iniuriam haec omnia refunduntur. Si enim per tales videmus scandalum emersisse, non ypocritae, sed religiosi criminanturz id fecisse. Hii sunt, qui prae caeteris religionem impugnant et operti pallio zeli, quos incaluisse vident religionis proposito, dum eorum confessiones audiendo domos eorum penetrant, in aure clanculo quibusdam sophismatum tuniculis alienant et sic illudentes hominibus eos in saeculo retinent. Et 322eis, qui criminibus involvuntur,322 periculosius praesumentesa bde spe322 in timorisb praeiudicium copia nimiae facilitatis indulgent322. Procedit ulterius impostura malitiae, quia statum eorumc dogmatizant statum religionisd excelleree. Sed dum mollibus induuntur, ab hominibus honorantur, beneficiis ecclesiasticis honeranturf, vivunt ad voluptatem, g sequuntur propriam voluntatemg. 323
Non sic ad astra conscenditur.323 …
w
Ed., fehlt Hss. Fehlt R. y–y Fehlt R. z criminantur a populo RP. a Fehlt RP. b–b in spe interioris R. c Fehlt RP. d Fehlt P, Lücke R. e excellencie R. f honorantur Ed. PB. g–g Fehlt RP. x–x
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was auf dem Forum, […], was im Feldlager nützt, das scheinen sie allein zu wissen, weil sie dies alles besser besorgen zu können scheinen, als die, die eng mit solchem befasst sind.319 Wen diese verletzt haben, der muss Geduld319 haben mit einer sozusagen 319obskuren Religion319, von der wir nicht wissen, dass sie aus der Schule der heiligen Väter hervorginge; unter dem Schutz 319der herrscherlichen Autorität scheinen sie zu allem Erlaubnis319 zu haben. Ich klage nicht die Herrscher an, die Internes im Kirchenwesen nicht erörtern und, da sie sich auf Äußeres konzentrieren, oft in die Irre geführt werden, sondern diese Windbeutel und Bauchredner, die, während sie innerlich 320reißende Wölfe320 sind, Straußenfedern321 haben, um sich in die Luft zu erheben, doch einen Schafspelz320 und Federn des Reihers321 vor sich hertragen, im Gewand der Religion ein religiöses Leben vorheucheln. Gegen diese muss eine Religion, die mit erbittertem Eifer für die Liebe kämpft, bewaffnet werden, wird doch dies alles zu ihrer Verletzung vollführt. Wenn wir nämlich bemerken, dass sich durch solche ein Ärgernis ausgebreitet hat, dann werden nicht die Heuchler, sondern die Ordensleute beschuldigt, es zu verantworten. Diese sind es, die vor allem gegen die Religion angehen, und, gekleidet in das Gewand des religiösen Eifers, [Menschen], die im Gelübde für die Religion entbrannt sind, von ihrem Vorsatz abbringen, wenn sie zum Beichtehören in ihre Häuser einfallen, Truggebilde heimlich in ihre Ohrenhäutchen träufeln, sie treiben mit solchen Menschen Spott und halten sie in der Welt fest. Und denen, 322die mit Verbrechen beladen sind,322 indem sie in allzu gefährlicher Weise in Hoffnung322 auf Barmherzigkeit sündigen, 322lassen sie,322 indem sie ihnen die Furcht nehmen, mit allzu großer Leichtigkeit 322 ihre Sünden nach.322 Der Betrug solcher Niedertracht geht noch weiter, indem sie lehrmäßig verkünden, ihr Stand sei der vornehmste Stand der Religion. Doch da sie sich in weiche Gewänder kleiden, werden sie von den Menschen verehrt, mit kirchlichen Ehren und Lehen überhäuft, sie leben nach ihrer Lust, sie folgen ihrem eigenen Willen. 323
Doch so gelingt nicht der Aufstieg zu den Sternen.323 …
320–320
Vgl. Matth 7, 15. Vgl. Lev 11, 16; 19; Deut 14, 15 f. 322–322 Vgl. Johannes v. S., Pol. VII, 21 S. 195 (entfernte Parallele in Gedankengang und Worteinsprengseln). 323–323 Vgl. Vergil, Aen. IX, 641 – Es folgt in kurzem Abriss das positive Gegenbild. 321
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II, I c. 17 Capitulum XVII, de comparatione malitiae ypocrisis ad pardum in Daniele. Prosecuti hsumus verborumh lapidibus yprocriseos vitium. Nunc, si placet, in eius iudicium unicum addamus exemplum. Hanc enim pardi varietatem legimus Danielem ministerialiter expressisse.324 Animal enim est, quod per totum corpus maculis quibusdam respergitur sanctitatem innuens, quae exterius in ypocritis declaratur. 325 Alas autem habebat avis IIII super se, et quatuor capita erant super bestiam, et potestas data est ei325. Virtutis enim studia exercere et virtutis merita vel praemia non curare, hoc est praeinane in modum avis se suspendere et alas habere, maxime cum propter ambitionem et favorem humanum durae districtionis observantiae subeuntur fere ultra humanaei possibilitatis modum. Et si caput corpus universum regitk et intentioni omnis actio nostra servit, IIII capita habere est nihil ex simplicitate intentionis agere, sed ex quadruplici inordinata affectione opus universum exire. Et quia solent ypocritae iactitare bona, quae habent, et simulant se habere bonal, quae non habent, et manifesta mala sua excusant et occulta mala sua dissimulant, alas habet IIII ista bestia, quia modo simulationi, modo dissimulationi, modo ostentationi, modo excusationi innititurm omnis ypocrita, et quia omne, quod ypocrita agit, non purae intentioni, sed ambitioni deservit, cum nihil aliud sit ambitio quam honoris affectatio. Haec bestia IIII capita habere dicitur, quia ambitio quadrupliciter dividitur, cui omnis ypocritarum actio famulatur: affectatio scilicet libertatis, ut subesse refugiat, affectatio dignitatis, ut de gradu in gradum ad maiora conscendat, affectatio auctoritatis, ut vir magni consilii appareat, affectatio potestatisn, ut in domo Dei326 summum locum obtineat.
h–h
sunt illorum RP. Fehlt RP. k tegi R, tegit B. l mala Ed. PB. m inmittitur R. n pietatis R. i
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II, 1 c. 17 Siebzehntes Kapitel, zum Vergleich der Schlechtigkeit der Heuchler mit dem Panther im Buche Daniel. Mit den Hieben der Worte haben wir das Laster der Heuchelei verfolgt. An dieser Stelle wollen wir, wenn es gestattet ist, zu seiner Beurteilung ein einziges Beispiel anfügen. Wir lesen, dass Daniel die Buntheit des Panthers zum Zweck der Beweisführung dargestellt hat.324 Es handelt sich um ein Tier, das am ganzen Körper mit Flecken besprengt ist, das dabei jedoch eine Reinheit vortäuscht, wie sie nach außen bei den Heuchlern vorgestellt wird. 325 Es hatte aber vier Vogelflügel über sich (an seinem Rücken), und vier Köpfe waren auf dem Tier, und ihm wurde Gewalt gegeben.325 Sich mit großer Anstrengung um die Tugend zu bemühen, sich aber nicht um die Verdienste und Belehrungen der Tugend zu kümmern, das heißt in höchst nichtiger Weise nach Art eines Vogels sich zu erheben und Flügel zu haben, dies gilt insbesondere, wenn wegen Ehrgeizes und menschlichen Ruhmes Anstrengungen höchster Anspannung unternommen werden fast über das Maß menschlicher Möglichkeit hinaus. Und wenn der Kopf den gesamten Körper lenkt und der Steuerung durch den Geist unsere gesamte Handlung unterliegt, dann bedeutet vier Köpfe zu haben, nichts aus der Einheit geistiger Anstrengung zu tun, sondern aus vierfach ungesteuerter Affektleitung die gesamte Handlungsweise zu gestalten. Und da die Heuchler das Gute, das sie haben, prahlend im Mund zu führen pflegen und vorgeben, Gutes zu haben, das sie nicht besitzen, und da sie ihre offensichtlichen Fehler entschuldigen, ihre geheimen Fehler verheimlichen, hat jenes Tier vier Flügel, weil jeder Heuchler bald Vortäuschung, bald Verheimlichung, bald großsprecherische Prahlsucht, bald sich herabsetzende Entschuldigung betreibt, und weil alles, was der Heuchler tut, nicht reiner Absicht, sondern der Ehrsucht dient, und da die Ehrsucht nichts anderes ist als Haschen nach Ehre und Würde. Von diesem Tier heißt es auch deshalb, es habe vier Köpfe, weil die Ehrsucht, in deren Dienst jedes Tun des Heuchlers steht, vierfach aufgeteilt ist: Trachten nach Freiheit, so dass er jede Unterordnung flieht, Trachten nach Würde, damit er von einer Stufe zur anderen immer zu Höherem aufsteigt, Trachten nach Autorität, damit er als Mann großen Rates erscheint, Trachten nach Macht, damit er im Hause Gottes326 die höchste Stufe erlangt.
324
Vgl. Dan 7, 1–14: die berühmte Traumvision, in der dem Propheten vier zur Verbreitung von Schrecken deformierte Tiere erscheinen. 325–325 Dan 7, 6. 326 Vielleicht ist mit dem Haus Gottes eher im traditionellen Sinn die Gesamtgesellschaft gemeint als die institutionelle Kirche, in der es hier um ein Leitungsamt ginge.
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Potestas autem data est ei, quia plus laborant saepe sectatores vanitatis pro gloria transitoria quam veri aemulatores iustitiae pro vera gloria et aeterna. Ex hac ergo potestate videntur hominibus eminere. Vident enim homines, quod pauperibus eleemosinas isti faciunt, sed non vident, quod, ut plus indeo accipiant, istud agant. Non est eleemosyna, sed venatio. Sic enim aves capiuntur laqueo, pisces hamo. Modica esca in hamo ponitur, ut in ea divitiarum saculi protrahantur. Sic pestis occulta, virus secretum, doli artifex, latens ypocrisis, virtutum aerugo, tinea sanctitatis, negotium perambulans in tenebris, in principum palatiis habitat et quiescit. Qui rectius inde expelli deberent, quam 327Iulianus tonsores et cocos a palatio suo expulit327. Istis si via obstruitur, ne in periculum ecclesiae328 prosperentur, si bona intentione et vera locutione id fiat, nec 329invidia nec detractio329 iudicatur. 330 Caritas enim pnon quaerensp, quae sua sunt, in proximo compatitur, in bonis nihil suum, in malis nihil reputans alienum.330 II, II Secunda pars principalis huius secundae epistolae, quae est de disciplina. II, II c. 1 Primum capitulum, de desiderio bonae famae, quod est in principe origo iustitiae et disciplinae. Tetigimus aliqua de potestatum et officialium disciplina. Nunc tempus exigit, ut aliqua disseramus de eorum debita disciplina.
o
Fehlt RP. in peccatis RP.
p–p
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Gewalt ist ihm aber gegeben, weil diejenigen, die Nichtigkeiten ergeben sind, mehr Anstrengungen unternehmen für vergänglichen Ruhm als die wahren Eiferer um die Gerechtigkeit für wahren und ewigen Ruhm. Auf Grund der ihnen verliehenen Macht haben sie nach Dafürhalten der Menschen eine Vorrangstellung. Die Menschen sehen nämlich, dass sie den Armen Almosen geben, sie sehen nicht, dass sie solches tun, um dadurch mehr zu erhalten. Es handelt sich nicht um Almosen, sondern um Hascherei. So fängt man Vögel mit dem Netz, so Fische mit dem Angelhaken. Ein kleiner Köder wird an dem Angelhaken befestigt, damit mit ihm Beutel mit Reichtümern an Land gezogen werden. So herrscht geheime Pest, geheimes Gift, Anstiftung zum Betrug, schleichende Heuchelei, ein Grünspan von Tugenden, verrottete Heiligkeit, in der Finsternis wirkende Geschäftigkeit – so lässt sich dies alles in den Palästen der Herrscher nieder und nistet sich in aller Ruhe dort ein. Mit größerem Recht würde dies alles von dort ausgetrieben, als 327Julianus die Haarscherer und Köche aus seinem Palast vertrieb.327 Wenn jenen der Weg verbaut wird, dass sie nicht zu Gefahr und Schaden für Kirche und Gemeinschaft328 gedeihen können, wenn dies mit guter Intention und wahrhaftiger Rede erfolgt, dann ist das nicht als 329Neid oder Schmähung329 zu beurteilen. 330Die Liebe nämlich, die nicht sucht, was das Ihre ist, verzehrt sich in Mitleid mit dem Nächsten, rechnet Gutes nicht als Eigenes, Übles nicht als Fremdes.330 II, 2 Zweiter Hauptteil dieses zweiten Briefes, der über Zucht und Disziplin handelt. II, 2 c. 1 Erstes Kapitel, über das Streben nach gutem Ruf, das beim Herrscher Quelle der Gerechtigkeit und der Zuchtgewalt ist. Einiges haben wir über die [Missstände in der] Disziplin der höheren und der niederen Amtsträger berührt. Jetzt verlangt die Zeit, dass wir einiges ausführlicher über die Zuchtgewalt ihnen gegenüber anführen.
327–327
Johannes v. S., Pol. VII, 24 S. 214, nach Cassiodor-Epiphanius VI, 1, 35. Mit dem Begriff ecclesia verhält es sich ähnlich wie mit dem vom „Haus Gottes“; s. Anm. 326. 329–329 Bei Johannes von Salisbury steht das vergleichbare Kapitel, das außer der Stelle zu Julianus kaum direkte Bezüge zeigt, unter dem Rubrum De invidis et detractoribus (Über die Neider und Schmäher). 330–330 Aus dem Lobpreis des Apostels Paulus auf die christliche Liebe (1 Cor 13, 4 – 8) lässt Gilbert nach der Julianszene einen anderen Ausschnitt folgen als Johannes v. S., Pol. VII, 24 S. 214, dessen Darstellung auch sonst einen anderen Duktus zeigt. 328
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Necesse est enim, ut morbum detegat, qui operam medicantis expectat. Sed quia princeps pro data sibi gratia331 finem debet ponereq malis istis, inde necesse est, ut ipse ab huiusmodi sit immunis. Non enim manus sordida tergit lutum, et medico consimili aegritudine laboranti, qua curare vult alios, usquequaque non creditur, sed improperatur eidem: Medice, cura teipsum.332 Nec litteris praedicatoriisr perfecte creditur, nisi operis efficacia sigillentur, quoniam eruditio, quam non confirmant exempla, vox est mortua et non viva. Princeps ergo per diligentem sui custodiam, sicut dictum est, secundum illam Deuteronomii regulam dirigatur,333 et nihilominus sest necesses, quod ad alios odor boni eius nominis diffundatur. Curam, inquit sapiens, habe de bono nomine334. Sic enim alii exemplo eius proficientt, et aspirante coelesti gratia perseverabit eius dominium in gloria et honore. Unde Aristoteles in epistola ad Alexandrum principem instruit in hunc modum: Quicumque rex, inquit, supponit regnum suum divinae legi, dignus est regnare et honorifice dominari.335 Et post pauca: Dico iterum illud, quod sapientes philosophi et divinitus loquentes dixerunt, quod in primis deceat regiam maiestatem obtemperare in legalibus constitutis, non in ficta apparentia, sed in facti evidentia, ut cognoscant omnes ipsum timere Deum excelsum et esse subiectum divinae potentiae. Tunc enim solent homines revereri et timere regem, quando vident ipsum timere et revereri Deum. Si itaque tantum in apparentia religiosum se ostendat et in operibus sit maleficus, cum difficile sit nefaria opera celari et apud populum ignorari, a Deo reprobabitur et ab hominibus contempnetur. Infamabitur eius factum, diminuetur eius imperium335. Scias, o Alexander, quod intellectus est caput regiminis. // Huius pri-
q
imponere Ed. B. praedicatoris RP. s–s Fehlt R. t proficeret RB. r
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Notwendig ist freilich, dass der eine Krankheit offen legt, der die Hilfe des Arztes erwartet. Doch da der Herrscher in Anbetracht der ihm zuteil gewordenen Begnadung331 jenen Übeln ein Ende setzen muss, ist es notwendige Voraussetzung, dass er selbst von Fehlern solcher Art frei ist. Eine schmutzige Hand wäscht nämlich nicht den Dreck ab, und einem Arzt, der an einer ähnlichen Krankheit leidet wie der, von der er andere heilen will, bringt man kein Vertrauen entgegen, vielmehr hält man ihm tadelnd vor: Arzt, heile Dich selbst.332 Und Briefen predigthaften Inhalts traut man nicht völlig, wenn sie nicht mit der Wirksamkeit der Tat gesiegelt sind, denn eine Belehrung, die nicht Beispiele bekräftigen, ist ein totes, nicht ein lebendiges Wort. Der Herrscher muss sich also durch sorgfältige Wacht über seine eigene Person, wie ausgeführt ist, nach der (behandelten) Richtnorm des Buches Deuteronomium lenken,333 nichtsdestoweniger ist es nötig, dass der Geruch seines guten Namens zu anderen verbreitet wird. Hab Sorge, sagt der Weise, um Deinen guten Namen.334 Auf diese Weise werden andere durch sein Beispiel fortschreiten, und, mit gutem Zutun der himmlischen Gnade, wird seine Herrschaft in Ruhm und Ehre Bestand haben. Von daher belehrt Aristoteles in seinem Brief an Alexander den König auf folgende Weise: Jeder König, führt er aus, der seine Herrschaft dem göttlichen Gesetz unterstellt, ist würdig zu regieren und ehrenvoll zu herrschen.335 Und kurz darauf: Ich sage noch einmal, was weise Philosophen und mit göttlicher Inspiration Sprechende gesagt haben, dass es vor allem die königliche Majestät ziert, gesetzlichen Festlegungen zu gehorchen, nicht in vorgespiegelter Schau, sondern im Nachweis der Tat, auf dass alle erkennen, dass er den erhabenen Gott fürchtet und dass er der göttlichen Macht unterworfen ist. Dann pflegen die Menschen den König zu verehren und zu fürchten, wenn sie sehen, dass dieser selbst Gott fürchtet und verehrt. Wenn er aber nur in der Vorstellung sich fromm zeigen sollte und in den Werken übel tuend, da es ja schwierig ist, nichtswürdige Taten zu verheimlichen und beim Volk unerkannt zu lassen, wird er von Gott verworfen werden und vom Volk verachtet. Seine Tat wird mit Ruch behaftet, seine Herrschaft gemindert.335 Wisse, o Alexander, dass der Verstand das Haupt des Regimentes ist. // Sein erstes 331
Gratia (Gnade, Gunst) ist Terminus für die mannigfachen herrscherlichen Schenkungs-, Gnaden- und Gunsterweise. Hier ist die herausgehobene Stellung des Herrschers durch göttliche Begnadung gemeint, als tragender Pfeiler der politischen Heilslehre (zu dieser bei Gilbert s. Berges S. 156 –158). 332 Luc 4, 23; häufig sprichwörtlich gebracht. 333 S. Anm. 1 und 4; S. 289, S. 291. 334 Ecli 41, 15. 335 Secretum S. 275 Z. 4 f.; Z. 8 –16 (Steele: I, 9 S. 47 Z. 13 f.; Z. 21– 32).
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mum instrumentum est desiderium bonae famae, // quoniam ratio per desiderium bonae famae elicitu veritatem, […] et veritas generat desiderium iustitiae, et iustitia generat confidentiam, vconfidentia largitatemv, largitas familiaritatem, familiaritas amicitiam, amicitia consilium et iuvamen. Per hoc orbis fuit constitutus et leges hominibus constitutae, et haec rationi conveniunt et naturae336. Si aliter autem quam propter bonam famam regimen appetitur vel acquiritur, erit acquisitio invidiae. Invidia vero generat mendacium […] et detractionem, detractio odium, odium iniuriam, iniuria pertinaciam, pertinacia iracundiam, iracundia repugnantiam, repugnantia inimicitiam, inimicitia bellum, bellum vero dissolvit legem et destruit civitates, et hoc contra ius naturae337. Audivimus hominem sine Christo,338 qui cum apostolico concordare noscitur documento: Odorem, inquit, notitiae suae manifestat per nos in omni loco, quia Christi bonus odor sumus Deo339. Cedit enim in Christi gloriam, in exemplum, in lucrum proximi diffunderew bonam famam. Sic luceant, inquit Dei filius, opera vestra coram hominibus, ut glorificent patrem vestrum.340 Sicut enim lux generando se multiplicat, donec totum emisperiumx repleat,341 sic principis iustitia per famam et opera se dilatat, sicut scriptum est: Qui timent Deum, invenient iudicium iustum, et iustitiam quasi lumen accendent342. Aufer enim lumen, et cuncta in tenebris ignota manebunt. Profer lumen, et omnia in luce clarescunt.
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RP Secretum, eligit Ed. B. Fehlt R. effundere RP. imperium P.
v–v w x
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Werkzeug ist das Streben nach gutem Ruf, // denn die Vernunft lockt mit dem Streben nach gutem Ruf die Wahrheit hervor, […] die Wahrheit erzeugt Streben nach Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit erzeugt Vertrauen, Vertrauen Freigebigkeit, Freigebigkeit Leutseligkeit, Leutseligkeit Freundschaft, Freundschaft Rat und Hilfe. Durch dieses wurde der Erdkreis gegründet, die Gesetze der Menschen gesetzt, und dieses entspricht der Vernunft und der Natur.336 Wenn aber anders als wegen des guten Rufes die Regierung erstrebt und erlangt wird, bedeutet dies Erwerb von Neid. Neid aber erzeugt Lüge […] und Schmähung, Schmähung Hass, Hass Unrecht, Unrecht Hartnäckigkeit, Hartnäckigkeit Zorn, Zorn Widerstreit, Widerstreit Feindschaft, Feindschaft Krieg, Krieg aber löst das Gesetz auf und zerstört die Gemeinschaftsbildungen, und dies ist gegen das Recht der Natur.337 Wir haben einen Menschen gehört, der ohne Christus war,338 der aber ersichtlicherweise mit dem Zeugnis des Apostels übereinstimmt: Die Ahnung seiner Kenntnis macht er durch uns an allen Orten kund, denn wir sind für Gott gute Spezerei von Christus.339 Es wird nämlich zum Ruhme Christi, zum Beispiel, zum Gewinn für unseren Nächsten, guten Ruf zu verbreiten. So sollen, sagt der Sohn Gottes, Eure Werke vor den Menschen leuchten, dass sie Euren Vater verherrlichen.340 Wie nämlich das Licht sich bei seinem Entstehen vervielfacht, bis es die ganze Hemisphäre des Himmels erfüllt,341 so breitet sich die Gerechtigkeit des Herrschers durch seinen guten Ruf und seine Werke aus, gemäß dem Schriftwort: Die Gott fürchten, werden gerechtes Urteil finden, und sie werden die Gerechtigkeit einem Licht gleich anzünden.342 Nimm das Licht weg, und alles wird unbekannt im Dunkel bleiben. Bring das Licht herbei, und alles wird strahlend erleuchtet durch das Licht.
336 Secretum S. 273 Z. 23, Z. 26 f.; S. 274 Z. 11–17 (Steele: I, 7 S. 45 Z. 19, Z. 23 f.; S. 46 Z. 10 –18. 337 Secretum S. 274 Z. 3 –10 (Steele: I, 7 S. 45 Z. 31 – S. 46 Z. 8, wo sich das arabische [?] contrarium naturae [gegen die Natur] findet. Behaim und Gilbert bieten: contra ius naturae [gegen das Recht der Natur]). Weitere (freie) Zitationen der „Korrespondenz“ Alexander – Aristoteles in II, 2 c. 2 (de Poorter S. 68, S. 69) (Secretum S. 268 Z. 13 – 24; S. 280 Z. 16 – 26 [Steele: I, 1 S. 38 Z. 9 – 26; I, 18 S. 55 Z. 26 – S. 56 Z. 8] mit der Einführung: Ad hoc pietatis exercitium hortabatur Aristoteles Alexandrum. – Zu dieser Übung der Frömmigkeit mahnte Aristoteles Alexander); II, 2 c. 3 (de Poorter S. 69 f.) (Secretum S. 275 Z. 27– 29 [Steele: I, 10 S. 48 Z. 9 –12]; S. 278 Z. 16 –19, Z. 22 – 27 [Steele: I, 15 S. 52 Z. 21– 24, Z. 29 – 34]); II, 2 c. 7 S. 423 f. 338 Der Heide Aristoteles. 339 2 Cor 2, 14 f. 340 Vgl. Matth 5, 16. 341 Zur Lichtmetaphorik in Gilberts Herrschaftstheologie s. Anm. 64; Anm. 98. 342 Ecli 32, 20.
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II, II c. 2 Secundum capitulum, de executione iustitiae in principe. Nunc autem maxime principum bona fama diffunditur, cum opera iustitiae prosequuntur. Unde rex ille egregius ait: Iustitia indutus sum, et vestivi me sicut vestimento. […] Oculus fui caeco et pes claudo. Pater eram pauperum et causam, quam nesciebam, diligentissime investigabam. Conterebam molas iniqui et de dentibus illius auferebam praedam343, etc. quae sequuntur, in quibus 344regnandi forma344 et regnantis iustitia declaratur. …345 II, II c. 3 Tertium capitulum, de discretione iustitiae.346
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II, 2 c. 2 Zweites Kapitel, der Vollzug der Gerechtigkeit beim Herrscher. Es wird aber der gute Ruf der Herrscher am meisten verbreitet, wenn sie Werke der Gerechtigkeit verfolgen. Von daher sagte der bekannte hervorragende König: Mit der Gerechtigkeit bekleidete ich mich, und ich kleidete mich mit ihr wie mit einem Gewand. […] Auge war ich für den Blinden und Fuß für den Lahmen. Vater war ich für die Armen, und die Rechtssache, die ich nicht kannte, untersuchte ich mit größter Sorgfalt. Die Backenzähne des Ungerechten und Ruchlosen zerbrach ich, und aus seinen Zähnen riss ich die Beute heraus,343 und was weiter folgt, worin 344die Grundform des Regierens344 und die Gerechtigkeit des Herrschers dargestellt wird. …345 II, 2 c. 3 Drittes Kapitel, über die Unterscheidung bei dem Vollzug der Gerechtigkeit.346
343 Iob 29, 14 –17. – Ausgangspunkt ist der Text bei Johannes v. S., Pol. V, 6 S. 300 – 307, der Iob 29, 7– 22, 24 f. ganz vorstellt und exegiert. Deutung dieses Passus bei von Moos, Geschichte S. 476 Anm. 945 als „Rahmen für einen Fürstenspiegel“. S. weiter Anm. 344. 344–344 Johannes v. S., Pol. V, 6 S. 300 (s. auch S. 301: regnandi formula). – Johannes findet (S. 302) bei Hiob principalis auctoritas (herrscherliche Autorität), doch für Gilbert ist Hiob prägnant „hervorragender König“. Gilbert macht Iob 29, 14 –16 zu dem Angelpunkt weitgehend selbständiger Ausführung; s. Anton, Gesellschaftsspiegel Anm. 83 S. 93, S. 101. 345 Es folgen Secretum S. 268 (s. Anm. 337) sowie eine Exegese von Iob 29, 16, die bei Johannes fehlt. Angeschlossen ist in fast wörtlicher Entsprechung zu Johannes v. S., Pol. IV, 11 S. 267 ein Abschnitt aus Pseudo-Kallisthenes III, 12 aus nicht verifizierter lateinischer Übersetzung. An den weiteren Abschnitt aus Secretum S. 280 (s. Anm. 337) sind alttestamentliche Zitate selbständig angeschlossen, dazu die sinngemäße Weiterführung von Johannes von Salisbury und Helinand, der Herrscher sei rei publicae manus et minister legis (Hand des Staates und Diener des Gesetzes). S. auch oben II, 1 c. 6 S. 365. 346 Auf Iob 29, 15 folgt wie bei Johannes v. S., Pol. V, 6 S. 302, z. T. mit gemeinsamer Verformung, z. T. mit anderem Textausschnitt, Ivo von Chartres, Decr. VI, 316 f. bzw. Decretum Gratiani C. 30 q. 5 c. 11. Dann sind eine gleich lautende Überleitung zu und ein Zitat von Publilius Syrus sowie Secretum S. 275, S. 278 (s. Anm. 337) gesetzt. In der Zitation gleich mit Johannes v. S., Pol. III, 3 S. 228 f. ist CIC Cod. IX, 7, 1 gebracht. Eine Sammlung philosophischer Dicta (s. Johannes v. S., Pol. III, 14 S. 222 Anm. zu Z. 38) bei Johannes, Pol. III, 14 S. 222 begegnet in Auswahl. Mit falsch verstandenen (prophetae für philosophi) und analogen Überleitungsfloskeln folgen entsprechend Johannes (Pol. III, 14 S. 222 f., S. 223, S. 224, S. 225) Beispiele von Alexander d. Gr., Scipio Africanus und Julius Cäsar, mit Auslassung geschlossener Stücke. Mit (selbständigem) Rückbezug auf biblische Beispiele schließt das Kapitel.
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II, II c. 4 Quartum capitulum, de modo executionis iustitiae in iudiciis et causis.347 II, II c. 5 Quintum capitulum, quod iustitia, quae est in iudiciis, debet conformari Tronis, spiritibus scilicet beatis.348 II, II c. 6 Sextum capitulum, de acceptione personarum, quae impedit iustitiam in iudiciis.349 II, II c. 7 Septimum capitulum, de usu materialis gladii, quem accipit iudex ad executionem iustitiae, et quod princeps debet iuramenta illicita cohibere. Videant et iudices et principes, ne propria remissioney iudicii et iustitiae rectitudini reluctentur et mala, quae faciuntz, ut ipsa corrigant, vigili et diligenti oculo contemplentur et malis inspectis, quae communiter fiunt, gladium exerant, aut mala coherceant. Ideo enim 350ab ecclesia gladium accepe-
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Ed., remissio Hss. fiunt Ed. RP. a–a Fehlt Ed. B. z
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II, 2 c. 4 Viertes Kapitel, über die Form des Rechtsvollzugs in Prozessen und Verhandlungen.347 II, 2 c. 5 Fünftes Kapitel, darüber, dass die Gerechtigkeit bei Gerichtsverfahren angeglichen sein muss den Thronen, den seligen Geistern.348 II, 2 c. 6 Sechstes Kapitel, über das Ansehen der Personen als Hindernis für Gerechtigkeit im Gericht.349 II, 2 c. 7 Siebentes Kapitel, über den Gebrauch des materiellen Schwertes, das der Richter zum Vollzug der Gerechtigkeit empfängt, und über die Verhinderung unerlaubter Eide durch den Herrscher. Die Richter und die Herrscher mögen also zusehen, dass sie nicht durch eigene Nachlässigkeit und Säumigkeit im Gericht und in der Rechtspflege überhaupt der Forderung nach absoluter Richtigkeit zuwiderhandeln, und sie sollen mit wachsamem und prüfendem Auge die Übel betrachten, die sie selbst begehen, um sie bessernd abzustellen, und wenn sie die Übel, die gemeinhin geschehen, gesehen und erkannt haben, sollen sie das Schwert betätigen zur Einschränkung der Übeltaten. Zu dem Zweck 350empfingen sie von 347 Charakteristischen Zuschnitt gibt Gilbert, indem er Iob 29, 16 zur Rechtspflege in juristischem Kontext (CIC Cod. II, 58; Nov. CXXV, 1; Cod. II, 58, 6 – 8; Cod. III, 1, 14 (4); III, 1, 13 [dort protelare, was allein Gilbert bietet]; bei Johannes v. S., Pol. V, 13 S. 339 f. begegnen die Stellen z. T. mit gemeinsamer Verformung) z. T. selbständig über CIC und die Rezeption bei Johannes hinaus anführt, um auf Missstände an den Höfen zu lenken. Den Abschluss gibt ein Paralleltext zu Johannes v. S., Pol. V, 12 S. 339 mit einem nicht verifizierten juristischen Exzerpt. Breiter gebracht ist eine Szene aus Gellius V, 10, 1–15, recht frei, freier auch als bei dem Gellius referierenden Johannes v. S., Pol. V, 12 S. 337 f. Die Hinleitung und der Abschluss entsprechen der Hinleitung bei Johannes, die letztliche Conclusio bringt Gilbert analog zu Johannes v. S., Pol. V, 12 S. 339 mit selbständigem Rückbezug auf CIC Cod. III, 1, 13 (1). 348 Das Kapitel ist eine Synthese von knapper Hinführung mit dem Thema der Rechtsprozedur (s. Johannes v. S., Pol. V, 13 S. 341; 14 S. 342) und breit dargestellter mystischer Lichttheologie des Pseudo-Dionysius. Sie soll die letztliche Richtschnur (regula) zu der vom göttlichen Strahl erfassten Richtigkeit des Gerichtes (omnis iudicii rectitudo) geben. 349 Es handelt sich um eine um biblische Leitworte gelegte Veranschaulichung dreier Hauptübel (Übertragung eines geistlichen Lehens, Ehrenvergabe wegen Reichtums, Gerichtsvollzug), wobei mit dem dritten zur Leitthematik (Iob 29, 16) zurückgelenkt ist. 350–350 Zum Schwert im Dienst der Kirche s. o. I, 1 c. 2 (mit Anm. 14); dort in Ent-
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runta, ut in cohibendis malis, quae manifeste fiunt, ecclesiae serviant et ministrent,350 sicut scriptum est: Ecce gladii duo hic351. Est enim unus gladius corporalis, qui secundum legem poenam peccantibus irrogat, alius spiritualis, qui secundum Evangelium culpas feriens homines sanat. Hii sunt duo nummi, quos misericors Samaritanus pro cura languidis adhibenda praelatis commisit, unus monetae veteris, alter novae, ut emantur veteri medicamina, quae mordeant, novo, quae mulceant; prima ad purganda, quae putrida sunt, secunda ad confirmandab, quae viva sunt. Hunc reliquit gladium in praelatis apostolus Petrus, illum in suis successoribus, imo in regibus et principibus Constantinus.352 Videant ergo barones et principes, quomodo huius gladii usus ab eis enerviter exercetur, in quorum oculis Christus iterum crucifigitur, dum a populo quotidie blasphematur. Non dico, ut exerant gladium ad percussionem, sed saltem, ut metum incutiant et terrorem.353 Apes sub regibus et principibus suum exercent officium et naturae iudicio, quem digniorem et meliorem viderint, eligentes arte, non sorte, sibi suum committuntc principatum. Qui autem in eis rex fuerit constitutus, accipit infulam principatus, excellens in eis tam levitate movendid quam proceritate membrorum. Habet autem spicula, quibus tamen non utitur ad laesio-
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purganda RP. committunt alacriter Ed. B. moveri Ed. PB, morum R.
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der Kirche das Schwert, um in der Eindämmung der Schlechtigkeiten, die öffentlich verübt werden, der Kirche zu dienen und helfend beizustehen,350 wie geschrieben steht: Sieh, hier sind zwei Schwerter.351 Es gibt nämlich das eine materiell-körperliche Schwert, das dem Gesetz gemäß den Übertretern Strafe auferlegt, dann das andere, das geistliche, dass dem Evangelium entsprechend Schuld ahndend die Menschen heilt. Dies sind die beiden Münzen, die der barmherzige Samariter für die Pflege der Kranken den Geistlichen anvertraute, eine von alter Währung, die andere von neuer, damit mit dem alten Stück Heilmittel gekauft werden, die beißen, mit dem neuen solche, die lindern; das erste zum Reinigen dessen, was verfault ist, das zweite zum Kräftigen dessen, was lebendig ist. Dieses (zweite) Schwert hinterließ der Apostel Petrus in den Bischöfen, jenes Konstantin in seinen Nachfolgern, in den Königen also und den Kaisern.352 Die Barone und die Herrscher sollen also zusehen, dieses Schwert zurückhaltend zu gebrauchen, in deren Blickfeld Christus wieder gekreuzigt wird, wenn er vom Volk täglich beleidigt wird. Ich sage nicht, sie sollen das Schwert zur Verwundung führen, sondern lediglich, um Furcht und Schrecken zu verbreiten.353 Die Bienen führen ihre Pflichten unter Königen und Fürsten aus, sie wählen den aus, den sie nach dem Urteil der Natur als Würdigeren und Besseren erkannt haben, und vertrauen ihm nach seiner Kunstfertigkeit, nicht nach Zufall die Herrschaft über sich an. Wer aber bei ihnen als König gesetzt ist, erhält das Herrschaftszeichen als Auszeichnung für die Leichtigkeit im Bewegen wie für die Schlankheit der Glieder. Der König hat zwar Stacheln, doch er gebraucht sie nicht zur Verletzung anderer. Doch nichtsdestoweniger sprechung zu Johannes v. S., Pol. IV, 3 S. 236 f. Zu der hier unabhängig von Johannes von Salisbury gegebenen Zweischwerterlehre s. Anm. 352. 351 Luc 22, 38. 352 Die Selbständigkeit gegenüber Johannes von Salisbury (s. Anm. 350) zeigt sich darin, dass dessen hierokratische Zweischwerterlehre, nach der die Kirche das weltliche Schwert verleiht und Kaiser Konstantin im Dienst der Kirche erscheint, hier zunächst übernommen (s. auch II, 1 c. 2 S. 355; s. auch II, 2 c. 8 [s. Anm. 357] zum gladius potestatis), dann aber entscheidend abgewandelt ist. Indem das Zweischwertergleichnis (s. Anm. 351) (anscheinend originell) mit dem Gleichnis des barmherzigen Samariters (Luc 10, 35) verbunden wird, gerät es in eine neue heilsgeschichtliche Perspektive. Die Bischöfe verwalten zwar beide Münzen, doch gilt: Das Herrschertum übt die im Alten Testament repräsentierte Strafgewalt des Gesetzes, die Kirche die lebenspendende Zucht des Evangeliums. Der Apostel Petrus einerseits, Kaiser Konstantin andererseits stehen als selbständige Verleiher der Gewalten nebeneinander, ohne dass Konstantin wie nach der hierokratisch-kurialen Theorie seine Macht dem Papst resp. der Kirche zediert hätte. 353 Vgl. die in Anm. 352 genannten weiteren Stellen bei Gilbert.
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nem aliarum. Ibi nihilominus legitimee corriguntur errata, et poenam impositam sustinent apes, quae non sequuntur legum et regum legitima instituta. Innocentibus autem molestiam nullam faciunt, aliena patrimonia non diripiunt, sed constructos ex floribus favos fingunt, mel autem de humore roscidof, qui foliis insidet arborum, ore collectum in certis cellis recondunt. Tantam autem regi suo exhibent obedientiam et reverentiam, ut prius non audeant campos patentes appetere, quam suum principem viderint evolasseg.354 Hoc igitur documento reges et principes et mala coherceanth et Christi iniurias oculis conniventibusi non pertranseant, surdis auribus non dissimulent, personales autem, prout voluerint, has remittant. Vident et exercent rapinas et furta et, ut officia damnata sustineant, multiplicant redditus, augent lucra. kIurant enormiterk et eorum exemplo quasi quodammodo compellunt alios ad execrabilia iuramenta. Unde Aristoteles circa iuramentum sic regem instruit Alexandrum: Quis te compulit tam frequenter iurare? Non est faciendum nisi ex magna necessitate. Rex vero nisi multum […] requisitus non debet iurare. Quando enim iurat, multum derogat honori et non convenit honestati. // Si enim quaeresl, quae causa fuit destructionis regni Ebaiorum et Seccorum, responderem tibi, quia reges eorum utebantur iuramentis ad fraudem et deceptionem hominum et proximarum civitatum frangentes foedera, quae fuere stabilita ad salutem humani generis et utilitatem, iniqui illi […] abutebantur iuramentis ad subversionem proximorum, et ideo aequitas iustissima iudicis non potuit amplius sustinere355.
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Fehlt RP. rosato Ed. B, rosado P. g volasse Ed. PB. h cohibeant RP. i umentibus R, contumentibus B. k–k lucrant enormitus R. l quereres Secretum, qu(a)erens RB. f
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werden in rechtmäßiger Form Verstöße geahndet, und die Bienen erhalten die auferlegte Strafe, die nicht den rechtsförmigen Verordnungen der Gesetze und Könige folgen. Unschuldigen aber fügen sie kein Leid zu, fremde Besitzungen plündern sie nicht aus, sie bauen von den Blüten gebildete Waben, Honig aber, gesammelt mit dem Mund aus Tau, der auf den Blättern der Bäume sitzt, bergen sie in besonderen Zellen. Ihrem König erweisen sie solchen Gehorsam und solche Ehrfurcht, dass sie nicht eher wagen, auf vor ihnen liegende Felder hinzufliegen, als sie sehen, dass ihr Regent ausgeflogen ist.354 Nach diesem Beispiel sollen die Könige und Fürsten die Übeltaten ahnden und an den Beleidigungen Christi durch Ungerechtigkeiten nicht mit geschlossenen Augen vorübergehen, sich nicht mit tauben Ohren so stellen, als kennten sie sie nicht, sondern sie sollen sie als persönliche Beleidigungen nach ihrem Gutdünken vergelten. Doch sie sehen Räubereien und Diebstähle und führen sie selbst aus, und um ihre verdammten Praktiken aufrechtzuerhalten, vervielfachen sie ihre Einkünfte, vermehren sie ihre Gewinne. Sie schwören ungeheuerlich, durch ihr Beispiel zwingen sie andere geradezu zu fluchwürdigen Eiden. Aus diesen Gründen instruiert Aristoteles König Alexander über das Schwören in folgender Weise: Wer hat Dich gezwungen, so häufig zu schwören? Solches ist nur zu tun, wenn eine große Zwangslage gegeben ist. Ein König darf nicht schwören, außer er ist vielfach […] darum ersucht. Wenn er nämlich schwört, tut er der Ehre viel Abbruch, und es entspricht nicht der Würde. // Wenn Du fragen würdest, was der Grund für die Zerstörung des Reiches der Amazonen und der Skythen war, würde ich Dir zur Antwort geben: Weil ihre Könige die Eide benutzten zur Täuschung und zum Betrügen der Menschen; und indem sie Verträge mit benachbarten Staaten brachen, die zu Heil und Nutzen des Menschengeschlechts fest gegründet waren, missbrauchten sie ruchlos […] die Eide zur Vernichtung der Nachbarn, und so konnte die höchste Gerechtigkeit des (höchsten) Richters (sie) nicht länger halten.355 354
Johannes v. S., Pol. VI, 21 S. 59 – 62 gab mit der Losung uita ciuilis naturam imitatur die Devise und ließ Trajan durch Plutarch auf das Bienenmodell bei Vergil, Georg. IV, 153 – 218 verwiesen sein, das ebd. IV, 201 f. und 212 die einende Kraft der Königsherrschaft bei den Bienen preist. Selbständig gegenüber dieser Stelle und anderen Autoren mit dem Bienenvergleich als monarchischem Argument (Giraldus Cambrensis, Thomas von Aquin, Aegidius Romanus: s. Peil, Dietmar: Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart. München 1983 [Münstersche Mittelalter-Schriften. Bd. 50] S . 207– 211) ist die hier gebrachte breite Ausführung und die gezogene Lehre; dazu s. im Text; s. auch bei Gilbert III c. 1 (S. 431 Anm. 372) im Kontext weiterer Tiervergleiche. 355 Vgl. Secretum S. 281 Z. 14 –17, Z. 18 – 23 [Steele: I, 19 S. 57 Z. 14 –18, Z. 19 – 27].
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Quidni erubescant viri catholici, qui assuefecerunt os suum iurationi contra doctrinam Christi, considerantes hominem infidelem, qui iurare prohibet, in quo virum se nobis evangelicum exhibet.356 II, II c. 8 Octavum capitulum, de executione iustitiae in cohercendis malis, quae faciunt cives maxime in clericos et personas miserabiles.357 II, II c. 9 Nonum capitulum, de executione iustitiae super praefectos et ballivos.358 … Ergo tales in publicis ponantur officiis, qui Deum diligant, peccatum horreant, iustitiam faciant, personas non accipiant, munera non acceptent, qui de familiaritate principum aut curiae vel eorum, 359qui principum adhaerent lateri,359 impunitatis fiduciam non assumant nec habeant audaciam saeviendi, in quorum manibus non titubet libra iustitiae, nec moveantur odio vel amo-
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Sollten daraufhin nicht katholische Männer erröten, die ihren Mund an Schwörerei entgegen der Lehre Christi gewöhnt haben, wenn sie sich einen solchen ungläubigen Menschen vor Augen stellen, der zu schwören verbietet, womit er sich uns als wahrhaft dem Evangelium entsprechender Mann darbietet!356 II, 2 c. 8 Achtes Kapitel, über die Durchsetzung der Gerechtigkeit bei der Bestrafung von Übeltaten, die Bürger besonders gegen Kleriker und schwache, bemitleidenswerte Personen begehen.357 II, 2 c. 9 Neuntes Kapitel, über die Durchsetzung der Gerechtigkeit gegenüber Statthaltern und weiteren königlichen Beamten.358 … Es sollen aber solche (Männer) in öffentliche Ämter eingesetzt werden, die Gott lieben, die Sünde verabscheuen, Gerechtigkeit üben, nicht auf das Ansehen der Person achten, keine Geschenke annehmen, die keine Straflosigkeitsvermutung für das engere Gefolge der Herrscher oder des Hofes oder derer, die als Amtsträger 359der Seite oder Rippe der Herrscher anhängen,359 voraussetzen, die nicht den Übermut zum Wüten haben, in deren Händen die Waage der Gerechtigkeit nicht unsicher wankt, die nicht durch
In der Vorlage steht Henbaiorum et Scitarum (Behaim) bzw. Ambasogorum et Scitarum, wohl für Amazonen und Skythen. 356 Der Heide Aristoteles als die christlichen Staatslenker beschämendes Vorbild. 357 Am Schluss längerer mit dichterischen und biblischen Beispielen unterlegter Ausführungen werden die Herrscher zum Einschreiten mit dem Schwert ihrer Macht (s. Anm. 352) aufgefordert, zum Gewähren des Heilmittels, das allein die Hand der Herrscher geben kann. 358 In offenbar weitgehend selbständiger Form verbindet Gilbert ineinandergezogene Bibelzitate (Ez 47,10; Prov 6, 7), Übernahme von antiken Autoren (Sueton, Tiberius 40; Horaz, Sat. II, 5, 83) mit Vorlagen einer volkstümlichen Anekdote zur Ausbeutung der Notleidenden (s. Petrus Comestor bei Vinzenz, Spec. doct. VII, 23 Sp. 573) und Auswertung des Teufelsglaubens zur Brandmarkung der familia Hellekini, der Familie der Höllenkinder unter den königlichen Funktionären. Es folgt ein „Amtsspiegel“ für diese soziale Gruppe. 359–359 Vgl. Institutio Traiani: Johannes v. S., Pol. V, 2 S. 283 (Kloft, frg. II S. 11); s. auch ebd. V, 10 S. 323 – 330 (andere Ausführung mit anderen Zitaten). Die organologische Metapher, dass die Staatsfunktionäre die Seite resp. die Rippen des Kaisers versinnbilden, liegt zugrunde. Zur technischen Bedeutung s. die Belege bei Kloft, zu frg. II S. 54; für das Gefolge des Princeps als latera s. die Belege bei Anton, Anfänge S. 106 mit Anm. 63.
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re, qui secundum illud ius dominicum ita pusillum audiant sicut magnum.360 Lex enim manimata361 velutm iustitia 362personam non accipit,362 omnes iuste iudicans nulli parcit. Unde cum in civitate 363Locrensiumn Zeleuci filius esset in adulterio deprehensus et secundum leges civitatis, quas ipse condiderat, oculo esset utroque privandus, ob patris reverentiam et honorem poenam filio debitam populus relaxare voluit. Sed pater aliquantisper haesitans repugnavit et tandem populi victus instantia sibi ounum et filioo unum oculum erui fecit et sic utrique relicto usu videndi aequitatis temperamento mirabili misericordiam in patre et iustitiam363 servavit in principe. Leges364 etiam et consuetudines, secundum quas vivitur, 364si iuri divino non consonent,364 abrogentur et aliae subrogentur. Crebra etiam visitatio facta fideliter de praepositis et ballivis dirigeret iustitiam pet regulamp proveheret caritatis. Omnis enim iustitia ideo exercetur, ut debita quiete gaudeat innocentia et malignantium temeritas refraenetur. II, II c. 10 Decimum capitulum, de executione iustitiae, quam debet facere princeps circa seipsum pro paupere.365
m–m
sicut armata R. Ed., lotencium R, lodencium PB. o–o Fehlt R. p–p Fehlt R. n
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Hass oder Zuneigung geleitet werden, die nach dem Recht des göttlichen Herrn den Niedersten so anhören wie den Hohen.360 Das belebte Gesetz361 nämlich wie die Gerechtigkeit 362sieht nicht auf die Person,362 alle gerecht richtend schont es niemanden. Als im Staat 363der Lokrer der Sohn des Zaleucus beim Ehebruch ertappt worden war und er nach den Gesetzen des Staates, die dieser selbst gegeben hatte, beider Augen hätte beraubt werden müssen, wollte das Volk wegen der Verehrung und der Ehre des Vaters dem Sohn die nötige Strafe erlassen. Doch der Vater zögerte etwas und widersetzte sich, schließlich aber, vom Beharren des Volkes besiegt, ließ er sich und dem Sohn je ein Auge ausreißen und bewahrte so, da er ihnen beiden die Sehmöglichkeit beließ, mit bewundernswerter Mischung der Billigkeit die Barmherzigkeit im Vater und die Gerechtigkeit363 im Herrscher. Gesetze364 und Gewohnheiten, nach denen man lebt, müssen, 364wenn sie mit dem göttlichen Recht nicht übereinstimmen,364 abgeschafft und durch andere ersetzt werden. Eine häufig vorgenommene Kontrollvisitation würde getreulich bei Statthaltern und weiteren königlichen Amtsträgern die Gerechtigkeit lenken und die Richtnorm christlicher Liebe befördern. Eine jede Gerechtigkeit wird insoweit geübt, als die Unschuld sich der ihr geschuldeten Ruhe erfreut, andererseits die Frechheit der Übelwollenden in Zaum gehalten wird. II, 2 c. 10 Zehntes Kapitel, über die Durchführung der Gerechtigkeit, die der Herrscher in seinem Bereich für die Armen zu betätigen hat.365
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Bezug wohl wieder zu Iob 29, 16 f.; s. auch etwa Prov 16, 19. Die Lehre vom Herrscher als lex animata ist zur zwingenden Gerechtigkeitsnorm abgewandelt. 362–362 Vgl. 1 Petr 1, 17. 363–363 Vgl. Johannes v. S., Pol. VIII, 14 S. 232 nach Valerius Maximus VI, 5, ext. 93. Gilbert bietet den Text viel freier, Johannes ändert ihn charakteristisch. 364–364 Vgl. zur Sache Johannes v. S., Pol. IV, 6 S. 248; ähnlich Helinand, Chron. XI, 38 p. 283a. 365 Die Gerechtigkeit im Armenschutz ist durch die Länge des Kapitels (de Poorter S. 79 – 82) als Hauptaufgabe des Herrschers ausgewiesen. – Der Abschnitt ist zunächst in Analogie zu Johannes v. S., Pol. V, 11 S. 334; V, 12 S. 334 (s. Helinand-Auszug, Chron. XI, 38 p. 289a) gestaltet. U. a. ist ein dort umgeformtes Cicero-Zitat (De off. III [10] 43) gebracht, das in ähnlicher Modifizierung verwendet ist bei Gilbert, Collectio S. 58. Eher auf eine gemeinsame Vorlage weist dann die mit Johannes (Pol. V, 12 S. 335) gemeinsame (nicht verifizierte) Begebenheit, nach der gegen Alexander d. Gr. ohne Ansehen der Person geurteilt wurde. Im Unterschied zu Johannes folgert Gilbert pointiert: Rechtsentscheidungen sind nach Lage des Falles für oder gegen 361
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III. Tertia epistula, quae est de affectu et protectione subditorum.366 III c. 1 Primum capitulum, in quo ostenditur, quod affectus pietatis debet esse in principibus, per exempla naturalia. Quoniam aspirante Spiritus sancti gratia velut emenso pelago iam terram aspicimus et iam e vicino tenemus littoris stationem, tempus exigit velis laxatis abbreviari sermonem.367 …
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III. Dritter Brief, der über Zuneigung zu den Untertanen und deren Schutz handelt.366 III c. 1 Erstes Kapitel, in dem gezeigt wird, dass Zuneigung und Liebe bei den Herrschern sein müssen, von den Beispielen aus dem Bereich der Natur her. Da wir, mit dem Beistand der Gnade des Heiligen Geistes, gleichsam nach Durchmessen des Ozeans Land und schon ganz in der Nachbarschaft einen Haltepunkt am Gestade sehen, erfordert es die Zeit, nach Lockern der Segel unsere predigthafte Darlegung abzukürzen.367 …
Kaiser und König zu treffen. Die Konkretisierung des Falles mit gegensätzlicher Praxis veranschaulicht ein patristisches Zitat (Cyprian?). Bei Johannes (Pol. V, 13 S. 341; 15 S. 346) paraphrasierte resp. angeführte römische Rechtssätze sind plastisch komprimiert. Sätze des Decretum Gratiani und Papst Eugens III. bei Johannes (Pol. V, 15 S. 346, S. 347) gegen Korruption folgen schlüssig aufeinander. Weiter ausgeschriebene Sätze des CIC (Dig. XLVIII, 11, 9 ff.; Cod. IX, 27, 4) bringt Gilbert in sinnvoller Exzerption, ebenso den Abschluss des AT-Zitats 1 Reg 12, 3 (Johannes v. S., Pol. V, 16 S. 349 f., S. 351, S. 351 f.). Ein Bravourstück in konkreter Wendung entfernter Stellen bei Johannes bietet Gilbert dann. Die bei Johannes (Pol. V, 16 S. 352; V, 15 S. 345) genannte Rechtspraxis umherziehender Gerichtshöfe (iustitiae errantes) ist zwar verräterisch und deplatziert übernommen, doch die Klage über ungerechte Provinzverwaltung (Johannes S. 352) ist passend umakzentuiert, die literarische Anleihe des Engländers bei Statius (Thebais XI, 57– 61) zu den Erinnyen Teisiphone und Megaira sowie bei Ovid (Met. II, 796) ist sinnvoll zum bekannteren literarischen Motiv (Furien mit Fackeln) umgestaltet und mit den anderen Stellen verknüpft. (Wie Gilbert auch Helinand, Chron. XI, 38 p. 287a.) Bei Johannes auf schlechte geistliche Prälaten bezogene Wendungen aus dem Buch Hiob (Pol. V, 16 S. 354 f.) werden bei Gilbert explizit unter das Rubrum der alttestamentlichen Leitgestalt gesetzt, breit ausgeführt und gegen die Administrationsbürokratie ausgewertet (Iob 1, 18 – 2, 7), das charakteristische eigene Motiv wird ausgeführt. Die Thematik Provinzverwaltung ist passender als bei Johannes (Pol. V, 16 S. 357) dem Vorbild Samuel zugeordnet (zu 1 Reg 15 –17). Eine Invektive gegen Korruption im Rechtswesen ist Gilberts eigene Überleitung zu einer beliebten Türbegebenheit, die er anders als die Vorlage (Johannes, Pol. V, 17 S. 361– 363) erzählerisch eingängig in Bezug auf den antiken Grundtext (Gellius V, 14, 9–30) bietet. 366 Als inhaltliche Konkretisierungen sind in Gilbert, Collectio S. 58 Milde (clementia) und Gerechtigkeit (iustitia) genannt. Die Begründung ist dort aus Vergil, Aen. VI, 853 hergeleitet: Milde ist Schonung der Unterworfenen, Gerechtigkeit Zähmung der Übermütigen. 367 Bei Gilbert, der vor seinem staatstheoretischen Werk mit großen Predigtsammlungen (u. a. Ad varios ordines – An die verschiedenen Stände) hervorgetreten war, schwingt in dem Wort sermo wohl der Gedanke predigthafter Herrscherbelehrung mit.
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Afficiantur ergo reges et principes ad subditos, ut a sibiq subditis diligantur, et sic eosdem protegant, ut a malefactoribus timeantur, sicut scriptum est: Si male feceris, time; non enim sine causa gladium portat. Dei enim minister est, iudex in iram ei, qui malumr agit368. Ultor iniquitatis hic gladius, qui pro bonis mittitur in vaginam, sed pro maleficis secundum iustitiam exerendus. Haec ergo sunt, affectus et protectio, quae rex ille fidelissimus fuisse asserit in seipso. De affectu inquit: Pater eram pauperum369. Et de protectione: Iustitia, inquit, indutus sum370. Sicut enim beatus asserit papa Gregorius: Magno caritatis officio studium misericordiae verterat in affectum naturae, ut eos quasi filios cerneret per amorem, quibus quasi pater praeerat per protectionem371. Et si mores liceat ab animalibus mutuari, tam exemplo reptilium quam volatilium quam natatilium, affectus principum poterit informari.372 … III c. 2 Secundum capitulum, in quo ostenditur, quod ex affectu pietatis principes conformantur ipsis Seraphin.373 … Et quoniam inferiora reducuntur in superiora per media, constituti sunt principes et praelati, ut per eorum ministerium reducantur in Deum angelico more subiecti. Affectus enim amoris tendens in Deum extasim facit non per-
q r
suis Ed. B. male Ed. PB.
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Die Könige und Fürsten mögen von Zuneigung zu ihren Untertanen erfüllt werden, damit sie von ihren Untertanen geliebt werden, und sie sollen sie in der Art schützen, dass sie von den Übeltätern gefürchtet werden, gemäß dem Schriftwort: Wenn Du Übles tust, fürchte; nicht ohne Grund nämlich trägt er (der Herrscher) das Schwert. Er ist nämlich Diener Gottes, Richter zum Zorn gegen den, der Böses treibt.368 Rächer gegen Schlechtigkeit ist dieses Schwert, das für die Guten in die Scheide gesteckt wird, gegenüber den Übeltätern aber nach Maßgabe der Gerechtigkeit anzuwenden ist. Diese beiden sind es, Zuneigung und Schutz, die jener in höchstem Maße gottergebene König als in seinem Besitz befindlich anzeigt. Über die liebende Zuneigung sagte er: Vater war ich für die Armen.369 Über den Schutz: Mit der Gerechtigkeit bekleidete ich mich.370 Hierzu bemerkt der heilige Papst Gregor: Mit großem Dienst der Liebe hatte er den Eifer für die Barmherzigkeit gewendet in die Zuneigung der Natur, damit er die gleichsam als seine Kinder erkennen sollte, denen er gleich wie ein Vater vorstand durch das Gewähren seines Schutzes.371 Und wenn es gestattet ist, den Charakter von den Tieren her zu borgen, dann kann die Zuneigung der Könige und Fürsten lehrhaft dargestellt werden am Beispiel der Reptilien, der fliegenden Tiere und der schwimmenden Tiere.372 … III c. 2 Zweites Kapitel, in dem gezeigt wird, dass aus der Gemütsregung von Zuneigung und Liebe die Herrscher den Seraphim gleich gestaltet werden.373 … Und da das Untere zum Höheren zurückgeführt wird durch das Mittlere, sind weltliche Herrscher und geistliche Leiter eingesetzt, damit durch ihren Dienst die Untertanen auf engelhafte Weise in Gott zurückgeführt werden. Der Affekt liebender Zuwendung, der zu Gott hin strebt, bringt Ekstase
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Rom 13, 4. – Zu diesen Stellen und den folgenden als Klimax der herrschaftstheologischen Auffassungen Gilberts s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 101. 369 Iob 29, 16. – Zu Hiob als König s. Anm. 344. 370 Iob 29, 14. 371 Gregor d. Gr., Mor. XXIX, 24, 41 S. 989. 372 Es folgen das Beispiel der Bienen (Die Liebe der Bürger ist sicherster Schutz für die Herrscher), der Delphine/Robben und Hühner. 373 Es folgen zunächst Ausführungen zur Lehre von der Führung der Gläubigen zu Gott (reductio in Deum) im mystisch-kosmologischen Organismus nach PseudoDionysius; dazu s. Anm. 62. Zu dem Gesichtspunkt s. auch Berges S. 156 sowie Le Goff (wie Anm. 1) S. 413, S. 415.
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mittens amatores esse sui ipsorum per sobrietatem mentis, sed eorum, qui amantur per mentis excessum. Unde et principes facit esse subiectorum per providentiae protectionem et subiectos facit esse superiorum per amoris ad eos conversionem ets in Deum reductionem. III c. 3 Tertium capitulum, in quo ostenditur, quod ex affectu pietatis securi sunt principatus. Pietatis affectum homini maxime proprium esse est necesse, qui inter caetera dicitur animal sociale374. Praecipue tamen in hominibus decet reges et principes hic affectus. 375 Est enim princeps caput rei publicae375 sibi parcens, dum aliis videtur parcere, sic se habens in corripiendis inferioribus sicut medicus in membris languentibus.376 Muliebre est enim in ira furere377, quinimo freno rationis abiecto hominem in animal ferum et silvestre transire. Ferina est rabies sanguine delectari civium, praecidere capita, gratantert tormentorum genera perscrutari. Quid enim aliud facerent, si leones et ursi et serpentes noxii nos regerent aut regnarent? Et, ut quidam ait, non minus turpia sunt principi multa supplicia quam medico multa funera. Remissius imperanti levius paretur. […]. / Contumax est humanus animus et in contrarium nititur sequiturque facilius quam ducatur. Sic enim equi generosi et nobiles freno facili meli-
s t
vis R. gratulanter RP.
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hervor, die nicht erlaubt, dass die Liebhaber unter denen bleiben, die in Nüchternheit des Geistes sich selbst lieben, sondern dass sie zu denen gehören, die geliebt werden in dem Aus-sich-Heraustreten des Geistes. Von daher bewerkstelligt sie, dass die Herrscher Teil der Untertanen werden durch Fürsorge und Schutz und dass die Untertanen Teil der Oberen werden durch Hinwendung zu ihnen in Liebe und durch Rückführung in Gott. III c. 3 Drittes Kapitel, in dem gezeigt wird, dass aus dem Affekt der Frömmigkeit die Reiche und Herrschaften sicher sind. Notwendigerweise ist der Affekt von Frömmigkeit und Zuneigung den Menschen eigen, wird er doch unter den übrigen Lebewesen als gesellschaftsbezogenes Wesen374 genannt. Besonders aber kommt es unter den Menschen den Königen und Kaisern zu, diese Regung der frommen Zuneigung zu haben. 375 Der Monarch ist nämlich Haupt des Staates,375 er übt Schonung sich selbst gegenüber, während er dem Anschein nach andere schont, wenn er sich so bei der Zurechtweisung der Unteren gibt wie der Arzt bei der Behandlung der notleidenden Glieder.376 Weibisch ist es nämlich, in unkontrollierter Wut zu rasen,377 ja, nach Ablegen des Zügels der Vernunft sich vom Menschen in ein wildes im Wald lebendes Tier zu verwandeln. Tierischem Rasen entspricht es, am Blutvergießen der Bürger sich zu ergötzen, Köpfe rollen zu lassen, mit Genuss alle Arten von Folterwerk zu erproben. Wie würden sich, falls sie uns lenkten und regierten, Löwen, Bären, schädliche Schlangen anders verhalten? Und, wie jemand sagt, nicht weniger schädlich sind für einen Herrscher viele Todesurteile und Kapitalstrafen als für einen Arzt viele Todesfälle. Einem verhaltener Befehlenden wird leichter gehorcht […]. / Hochfahrend ist der Sinn des Menschen und er strebt in die entgegengesetzte Richtung, leichter bereit zu folgen als geführt zu werden. So werden 374 Die Formel des Aristoteles vom Menschen als y1on politik3n (politisches, gesellschaftsbezogenes Wesen), die zum Schlagwort wird, ist hier verwertet, doch noch ohne die Sprengwirkungen der Zukunft; s. Berges S. 151; Anton, Gesellschaftsspiegel S. 102. 375–375 Vgl. Institutio Traiani: Johannes v. S., Pol. V, 2 S. 282 f. (Kloft, frg. II S. 10). Wie in III c. 4 S. 439 lässt Gilbert hier im Anschluss an die weltlich gefasste Organologie die Stellung des Herrschers im Staat hervortreten. Zur Verbindung mit kirchlichen Vorstellungen s. II, 1 c. 2 S. 351 f.; I, 1 c. 3 (de Poorter S. 7) (s. S. 33). 376 Zur Verbindung der Herrschaftssicht mit Subsidiarität s. Institutio Traiani: Johannes v. S., Pol. V, 2 S. 283; V, 3 S. 284; VI, 20 S. 58 f.; VI, 25 S. 73 (Kloft, frg. II S. 11; III S. 13; XI S. 26; XIII S. 28). Verknüpfung mit der Arztmetapher s. II, 1 c. 2 S. 353 analog zu Johannes v. S., Pol. IV, 8 S. 258 – 260; Helinand, Chron. XI, 38 p. 283b. 377 Seneca, De clementia I, 5, 5; I, 24, 1; 2; I, 7, 2; I, 5, 5.
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us diriguntur. // Nonne magni est animi proprium semper esse placidum et tranquillum? // Nonne mundi status gratior et pulchrior apparet, cum serenum tempus arridet?377 Sic regna tuta sunt et secura, cum experimur eadem placida et serena. O miserabilem potentiam, quae rapinis et caedibus exercetur, quae ministris in mortem utitur, ad cuius iracundiam omnia quatiuntur, quae viceu fulminis omnium timore, sed paucorum periculo suscitatur! Ubi paternus affectus exulat, quae non regnat abiecta clementia, sed assumpta dementia verius tyrannizat? Haec enim inter regem et tyrannum est differentia, quod tyrannus voluptate saevit et licentia effrenata, rex vero sola necessitate punit et causa. O laudabilem et salutarem potentiam, quae armis utitur ad regium ornamentum magis quam ad praesidium, eo quod suo tuta beneficio nihil hostile, nihil efferum machinatur, sed ab universis amatur, defenditur, colitur, quia nihil a subditis demeretur! Quis enim illi periculum strueret, quis illum impeteret, sub quo securitas, pax et boni operis semen effloret? Qui sermone affabilis, accessu facilis, vultu amabilis, animo inperturbato, serenus semper apparet? Nam sicut nunquam oritur liquidum sincerum ex turbido, sic iudicia recta non prodeunt ex animo perturbato, sed ex regio. Ne quis tutum aestimaverit regem illum, cui omnia suspecta sunt, apud quem nihil creditur esse tutum. Nam quemadmodum praecisae arbores plurimis ramis repululant et multa satorumv genera, dum rescinduntur, surgunt iterum densiora, sic regum et principum crudelitas auget inimicorum numerum saeviendo. Parentes enim et liberi eorumw, qui interfecti sunt, propinqui et amici in locum eorum veniunt succedendo. Tantum necesse est, timeat, quantum appetit quis timeri.378
u v w
iure RP. taxorum R, saxorum P. Fehlt RP.
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wohlgeartete und vornehme Pferde am leichten Zügel besser geführt. // Ist es nicht Zeichen eines großen Geistes, den eigenen Bereich immer geordnet und befriedet zu haben? // Ist nicht der Zustand der Welt angenehmer und schöner, wenn heiteres Wetter lacht?377 So sind auch die Reiche und Herrschaften in Ruhe und Sicherheit, wenn wir sie wohlgeordnet und heiter erfahren. O erbarmungswürdige Macht, die mit Räubereien und Mordtaten geübt wird, die Diener benutzt, die zum Tode führen, auf deren Zorneswüten hin alles zerschmettert wird, die gleich dem Blitz mit der Furcht aller und dann eintretender Gefahr für wenige angefacht wird! Wo die väterliche Zuneigung (des Herrschers) in die Verbannung geschickt ist, was beherrscht da nicht die abgeworfene Milde oder vielmehr tyrannisiert nicht der angenommene Wahnsinn? Dies ist der Unterschied zwischen einem König und einem Tyrannen, dass der Tyrann mit Lust und ungezügelter Willkür wütet, der König aber allein aus Notwendigkeit und mit Gründen straft. O lobwürdige und heilbringende Macht, die die Waffen gebraucht mehr zum königlichen Schmuck als zum Machtvorrang, deshalb weil, durch ihre Wohltat sicher, sie nichts Feindliches, nichts Ungezügeltes entfacht, sondern von allen geliebt, verteidigt und gepflegt wird, weil nichts den Untertanen weggenommen wurde! Wer sollte für jenen eine Gefahr ersinnen, wer sollte jenen mit Gewalt angreifen, unter dem die Sicherheit, der Friede, der Same des guten Werks aufblüht? Der immer im Wort gewinnend, im Wesen zugänglich, in der Miene liebenswert, mit nicht verwirrtem Geist immer heiter erscheint? Denn wie nie klar Flüssiges aus dunkel Aufgewühltem entsteht, so gehen gerechte Urteile nie aus einem verwirrten Geist hervor, sondern aus einem königlichen. Niemand erachte einen solchen König für sicher, dem alles verdächtig ist und bei dem nichts für gesichert gehalten wird. Denn wie stark beschnittene Bäume mit sehr vielen Ästen wieder ausschlagen und viele Arten von Pflanzen einmal geschnitten wieder dichter werden, so vermehrt Grausamkeit der Könige und Fürsten die Zahl ihrer Feinde in ihrem Wüten: Verwandte und Kinder derer, die ermordet sind, engste Verwandte und Freunde folgen ihnen an ihrer Stelle nach. Notwendigerweise muss jemand so viel fürchten, wie er darauf aus ist, gefürchtet zu werden.378
378 Dieser Abschnitt bietet eine originelle Ausführung der Thematik, die behandelt ist bei Johannes v. S., Pol. IV, 1 S. 231– 233; VIII, 17 S. 345 – 358. – Gilbert geht aus von Seneca, De clementia I, 11, 4; weitere Stellen: ebd. I, 13, 4; 5, z. T. punktuell und in veränderter Reihenfolge; I, 8, 7.
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III c. 4 Quartum capitulum, quod affectus clementiae non enervat virtutem iustitiae. Sed ecce, dicitis: Perit veritas, si desit severitas379. Pulchritudinem iustitiae cernimus evacuari per affectum clementiae. Quis est filius, quem non corripiat pater? Quis discipulus, quem non reddat verberibus castigatum magister? Servus contumeliis castigatur, iumenta serviunt, dum coguntur, carnes putridae ferro acutissimo praecinduntur, et totum corpus residuum sanitatex donatur. Blandiatur semper infirmo medicus, augetur infirmitas, donec desperetur salus. Novi, quod haec ita se habent. Quae si fiant immoderatius, exulcerant, non exercent. Certe, si filius patrem leviter offendat, non statim pater filium exhaeredat. Quinimo in magnis iniuriis paterna patientia locum habet, ubi filii correctionem sperat et videt. Non incitatur ad inferenda supplicia, nisi cum iam defecerint consumpta remedia. Non discipulum magister excarnificat, si, quod audivit, ignorat, sed ammonitionibus et verecundia redocerey magis temptat. Servis autem et mancipiis imperare debent domini moderate. Servi sunt imo homines. zEx nobisz autem erit, ut habeamus eos sive amicos humiles sive hostes. Nonnea ex elementis communibus oriuntur? Eodem coelo freti spirant, vivunt et consimiliter moriuntur unum habentes et eumdem patrem et eisdem initiati mysteriis, in eiusdem matris utero. Idem credimus, idem sapimusb, ad idem tendimus, quia 380non est servus, non est liber in Domino.380 Unde, quemadmodum stultus est, qui equum empturus sellam tantum intuetur aut frenum vel huiusmodi quiddam extrinsecum, sic sapere non videtur, qui hominem ea parte, qua homo est, nonc respicit, imo despicit, propter conditionis eventum, quae modo est quasi quoddam exteriusd indumentum. Iumenta, quae ad contumelias nata sunt, etsi cogantur saevitia, nihil eis et
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sanitati R. reducere B. z–z Fehlt R. a nonne omnes Ed. B. b capimus R. c Fehlt R. d Fehlt B. y
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III c. 4 Viertes Kapitel, über das Thema, dass die Zuneigung herrscherlicher Milde die Kraft der Gerechtigkeit nicht schwächt und lähmt. Doch Ihr seid schnell dabei zu sagen: Wahrheit geht zugrunde, wenn Strenge fehlt.379 Wir sehen, wie die Schönheit der Gerechtigkeit durch Weichlichkeit der Liebe ausgehöhlt wird. Wer ist Sohn, wenn ihn der Vater nicht straft? Wer ist Schüler, wenn ihn der Lehrer nicht mit Schlägen züchtigt? Der Knecht wird mit schmachvoller Behandlung gezüchtigt, Zugtiere leisten ihren Dienst, wenn sie gezwungen werden, faulige Stellen im Fleisch werden mit schärfstem Eisen herausgeschnitten, und der ganze übrige Körper erhält wieder Gesundheit. Würde der Arzt immer dem Kranken schmeichelnd zureden, würde die Krankheit bestärkt, bis an der Gesundheit zu verzweifeln wäre. Ich weiß, dass dem allem so ist. Wenn solches ohne Maß geschähe, würde es die Sache verschlimmern, statt sie zu behandeln. Sicher, wenn der Sohn den Vater nur leicht erzürnte, würde der Vater den Sohn nicht gleich enterben. Ja sogar bei großen Beleidigungen gibt es Platz für nachsehende Geduld des Vaters, so sie nur Besserung des Sohnes erhofft und sieht. Der Vater wird nicht zur Anwendung schlimmster Strafe gebracht, außer wenn alle Heilmittel angewandt sind und nichts gefruchtet haben. Der Lehrer foltert den Schüler nicht zu Tode, wenn er das Gehörte nicht mehr weiß, doch er versucht mit Mahnungen und Einfühlung noch einmal zu lehren. Knechten und Sklaven sollen die Herren mit Mäßigung befehlen. Knechte sind wahrhaftig auch Menschen. An uns wird es liegen, ob wir sie zu dienstbereiten Freunden oder zu Feinden haben. Entstehen sie nicht aus (mit uns) gemeinsamen Grundbestandteilen? Im Vertrauen auf denselben Himmel atmen sie, leben sie, auf die gleiche Art sterben sie, sie haben den einen und gemeinsamen Vater, sie sind in dieselben Mysterien (durch die Sakramente) eingeweiht, im Schoß derselben Mutter (der Kirche). Dasselbe glauben wir, dasselbe haben wir als Lehre, zu demselben streben wir, denn 380es gibt nicht den Knecht, es gibt nicht den Freien in dem Herrn.380 Von daher gilt, dass, wie einer töricht ist, der beim Pferdekauf nur auf Sattel und Zügel achtet oder auf etwas anderes solch äußerlicher Art, so der nicht bei rechtem Verstand zu sein scheint, der den Menschen nicht von der Seite her betrachtet, die sein Menschsein ausmacht, ihn verachtet wegen des Zufalls seiner ständischen Stellung, die gleichsam nichts anderes als ein äußeres Gewand ist. Wenn die Zugtiere, die zu schimpflicher Behandlung geboren sind, zu Fron379
Offenbar Sprichwort, mit Binnenreim (perit – desit) und Wortspiel (veritas – severitas) im Lateinischen. 380–380 Vgl. Gal 3, 28; eingefasst von Übernahmen aus Seneca, De clementia I, 18, 1; I, 24, 2; Ep. 47, 1; 5; 10. Zur Herleitung der menschlichen Gleichheit aus biblischer Wurzel s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 101 f.
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hominibus, qui sunt animalia generosa. Certe equum generosum magister industrius, si blandiente tactu permulcerit, tractabilem reddit, si vero crebris verberibus eum impetierit, contumacem et formidolosum reddit.380 At in honinum domando genere ampliori indigemus industria sive arte. Sed etsi carnes putridae noscuntur vel 381ferro vel cauterio381 indigere, quis tamen membra propria de corpore suo abscindit et hoc ipsum cum dolore non facit? Sicut autem 382membra corporis physici uno spiritu vegetantur, ita universa populi multitudo suo principe gubernatur. Ipse est illius multitudinis unus spiritus, ipsa est multitudo istius spiritus unum corpus.382 Infirmis etiam non semper dicimus blandiendum, sed nunquam infirmitatibus irascendum, sed potius est medendum. Mollem medicinam quidam morbi desiderant et medicum dulcem, non de aegritudine desperantem, qui non tantum curam agat salutis, sed honeste occallentis ex vulnere cicatricis. Hoc tamen experimento novimus, quod optimi quique medicorum erga eos, quos viderint tabo aegritudinis longioris afflictos, agentes cum eis remissius rigorem temperant medecinae. Et Deus erga peccatores inveteratos agit remissius, ne incipiant desperare.383 Punit enim Deus et parcit, sed epunit ira impassibili, parcit auteme clementia et affectu ineffabili. III c. 5 Quintum capitulum, quomodo princeps affectum clementiae custodit et quomodo differenter iniurias proprias et alienas corrigit. … … Solet enim ultio ex duabus adhiberi causis, aut ut habeat laesusf solatium aut ut exhibeatur securitas in futurum. Sed principis amplior est prospe-
e–e f
Fehlt B. Ihesus R.
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leistungen gezwungen werden, so ist ihnen nichts mit den Menschen gemeinsam, die Lebewesen edlen Geschlechtes sind. Doch wenn ein berühmter Lenker ein wohlgestaltes Pferd mit lockender Berührung anfasst, macht er es führbar und lenkbar, wenn er es mit häufigen Schlägen traktiert, macht er es widerspenstig und furchterregend. Doch bei der Bildung und Zähmung des Menschengeschlechts brauchen wir größere Anstrengung und größere Kunstfertigkeit. Denn wenn auch Stellen im Fleisch als verderbt erkannt werden, 381des Eisens und des Brenneisens381 bedürftig, wer schneidet dann gern eigene Glieder vom Körper, und wer macht das dann nicht mit Schmerz? Wie aber 382die Glieder des physischen Körpers von einem Geist bewegt werden, so wird die gesamte Menge des Volkes durch ihren Herrscher gelenkt. Er ist der eine[nde] Geist jener Gesamtheit, die Gesamtheit selbst ist der eine Körper jenes Geistes.382 Kranken sagen wir nicht immer Schmeichelndes, doch nie darf man Krankheiten zürnen, vielmehr hat man sie zu heilen. Manche Kranke wünschen milde Medizin und einen sanften Arzt, der nicht an der Krankheit verzweifelt, der nicht nur Sorge um die Gesundheit betreibt, sondern auch ganz angelegentlich um die Narbe, die sich aus einer Wunde verhärtet. An diesem Vorgang erkennen wir, dass gerade die besten der Ärzte schonender die behandeln und die Strenge der Heilmittel bei denen lindern, die sie mit der Beschwernis längerer Krankheit behaftet sehen. So verfährt Gott auch mit den hartnäckigen Sündern nachsichtiger, damit sie nicht zu verzweifeln beginnen.383 Es straft und es schont Gott, er straft mit unüberwindbarem Zorn, doch er schont mit unaussprechlicher Milde und Liebe. III c. 5 Fünftes Kapitel, wie der Herrscher die Milde bewahrt und wie er verschiedenartig Ungerechtigkeiten gegen sich und solche gegen andere bessert. … … Strafsetzende Rächung pflegt aus zwei Gründen geübt zu werden, einmal damit der Geschädigte Genugtuung hat, zum anderen damit Sicherheit für die Zukunft durch Abschreckung hergestellt wird. Doch Glück und Er381–381 Zu ferrum und cauterium in der auf den Staat gewandten Arztmetapher s. bei Anm. 106; s. auch Anm. 174. 382–382 Im Gegensatz zu II, 1 c. 2 S. 351 f. (s. Anm. 172, Anm. 173) ist hier in weiterer Entsprechung zur Organologie von Pseudo-Plutarch („Institutio Traiani“) wie III c. 3 S. 433 die weltliche Seite an Herrscher und Gesellschaft dargestellt. Die nach der Vorlage der Gottheit zukommende Beseelung des Staatskörpers ist hier dem Herrscher zugeschrieben. 383 Zur Krankheits-, Arztmetapher, hier wesentlich nach Seneca, De clementia I, 17, 1; 2, s. o. bei Anm. 174, wo der Duktus klarer nach Lucius ist, und bes. bei Anm. 122.
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ritas, quam ut egeat isto solatio, ampliorque potestas, quam ut opinionem sibi virium quaerat alieno malo. Si vero princeps alienas ulciscatur iniurias, hoc intendat, ut vel eum, quem punit, corrigat vel poena ipsius caeteros meliores reddat vel sublatis criminibus vivatur securius et sic respublica in tranquillitate consistat.384 … III c. 6 Sextum capitulum, quod ex affectu debito protectio subditorum nascitur, quae in pace firmatur. Quoniam ex affectu debito sequitur in principibus subditorum protectio, hoc agere debent gpro viribusg reges et principes, ut sic sibi subditos protegant, ut in pacis unanimitate consistant subditae sibi plebes. Et si coelestia sunt exemplaria terrestrium et aeterna praesentium, videamus originem et principium unitatis, unde pax derivatur et unitas perseverat in regnis et viget unanimitas in subiectis. In illa igitur ineffabili et excelsa Dei natura nihil tam proprium quam unitas, pax et concordia. Nam licet credamus fideliter et confiteamur alacriter tres personas in Trinitate, ipsa tamen Trinitas Deus unus est tam unitate voluntatis quam substantiae unitate. Hanc unitatem et pacem pro earum captu proportionaliter universis distribuit creaturis, adeo ut nominetenus appelletur Deus unitatis et pacis. Ex hac igitur hunitate Trinitatish, quam super se contemplantur angeli, pacem et concordiam possident vacantes iugiter unitatii.385 Qui, sicut ab illo primo lumine splendorem luminis kprimi suscipiuntk, unde illustrantur interius veritate, unde lux effecti lucis perfectae radiant claritate, sic unum effecti sunt non substantia, sed consensu et contemplata simplici unitate. In quibus ille apostata angelus, qui dissensit, qui supra suam mensuram se extulit, dissentionis tumidae poenas luit.386 Factus est pro
g–g
Fehlt R. trinitate unitatis R. i uniter R. k–k praesuscipiunt Ed. B. h–h
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folg des Herrschers sind weiter bemessen, als dass sie jener Genugtuung bedürften, und seine Macht ist größer, als ob er die Einschätzung seiner Kräfte aus dem Übel anderer beziehen müsste. Wenn aber der Herrscher es in Angriff nimmt, Unrecht an anderen zu rächen, dann achte er darauf, dass er zum einen den, den er straft, bessert, dann durch dessen Bestrafung die anderen besser macht, dass man durch das Abstellen der Verbrechen sicherer leben kann und so der Staat in Frieden gedeiht. 384 … III c. 6 Sechstes Kapitel, dass aus der geschuldeten Liebe der Schutz für die Untertanen entsteht, der im Frieden gesichert wird. Da aus pflichtmäßig geschuldeter Zuneigung bei den Herrschern der Schutz der Untertanen erwächst, müssen Könige und Kaiser nach Kräften darauf hinwirken, ihre Untertanen so zu schützen, dass die ihnen untergebenen Völker in Einigkeit des Friedens leben können. Und wenn das Himmlische Abbild für das Irdische ist, das Ewige Abbild des Gegenwärtigen, dann lasst uns den Ursprung und Ausgang jener Einheit sehen, aus der der Friede abgeleitet wird, auf Grund derer die Einheit in den Reichen von beständiger Dauer ist und die Einmütigkeit bei den Untertanen kraftvoll besteht. In jener unaussprechlichen und erhabenen Natur Gottes ist nichts so eigentümlich wie Einheit, Friede und Eintracht. Denn obwohl wir getreulich glauben und lebhaft bekennen, dass es drei Personen in der göttlichen Trinität gibt, ist diese Dreiheit ein Gott sowohl in der Einheit des Willens als auch in der Einheit des Wesens. Diese Einheit und diesen Frieden teilte die Trinität den Geschöpfen je nach ihrem Fassungsvermögen anteilmäßig zu, so dass sie begriffsmäßig genannt wird Gott der Einheit und des Friedens. Aus dieser Einheit der Trinität, die sie über sich schauen, besitzen die Engel Frieden und Eintracht und gewinnen damit gemeinsam ihre Einheit.385 Wie diese von jenem ersten Licht den Glanz des ersten Lichtes ursprünglich empfangen, von dem sie in ihrem Inneren mit der Wahrheit erleuchtet werden, von wo sie zu Licht geworden mit der Strahlkraft vollkommenen Lichtes leuchten, so sind sie zu Einheit geworden nicht in ihrer Wesenheit, sondern durch Übereinstimmung und nach Schauen der unteilbaren Einheit. Aus ihrer Schar hat jener abtrünnige Engel, der von der Übereinstimmung abwich, der über sein Maß hinaus sich erhob, Strafe für seine Überhebung in der Abweichung gezahlt.386 An Stelle von Licht wurde er zu Finsternis, und an Stelle 384
Das Beispiel des ersten Märtyrers Stephanus (Act 7, 54 – 59), der seinen Verfolgern vergibt, schließt das an Seneca, De clementia I, 20–22 orientierte Kapitel ab. 385 Zum trinitarischen Exemplarismus als Grundlage der Ausweitung zur mystischen Herrschaftstheologie s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 97 f. 386 Vgl. Is 14, 12 –15 mit Luc 10, 18 zu dem gefallenen Engel Luzifer. Verwandt in
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luce tenebra et pro unitate et pace intrinseca dissipatus discordia. Unde ipse tam a semetipso discordat, quam alios ex abundantia discordiae et furoris in arma dissentionis instigat. Stant nihilominus elementa pacis legibus foederata; statutae pacis vincula nulla insensibilis creatura dissolvit, quibus eas Dei verbum primae conditionis legibus iunxit, quae a pace sua quando deficiet, statim mundus esse desinetl. Coelum aeri lucem, aerm terris ymbrem, terra victum et vitam viventibus administrat, et sic in unam compagem concordiae Deus cuncta dispensans et ordinans et rationalibus per insensibilia muta praedicans ad pacem et concordiam nos invitat.387 Hanc igitur principes dum sectantur et amant, populum sibi subditum protegunt et gubernant. Ob hoc enim nChristo coregnantn, imo Christi regno humana dispensant. Ob hoc eis a Domino in homines vitae venia et potestas mortis indulta est et gladius non tam principaliter ad operandum quam ad comminandum, quod utinam velut quoddam depositum commendantio restituant impollutum! Si autem misceant terrori mansuetudinem, praeveniant in misericordia iudicium! Multa enim correcta sunt per benignitatem. Erubescunt homines offendere pios principes et clementes. Quod si quis forsitan inverecunde peccaverit, non impediat a liberalitate pium principem homo inverecundus neque caeteris aditum miserationis excludat ingratus. Princeps enim in exercitio mansuetudinis tipum 388divinae portat ymaginis, sed tyrannus fretus tirannide praefert eum, qui ab initio sortitus est titulum homicidae.388 Certe videmus aliquos inter ecclesiae triumphantis milites effusione pro-
l
deficiet R. Fehlt R. n–n cum Christo regnant RP. o commendati RP. m
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von innerer Einheit und innerem Frieden wurde er zerschmettert in Zwietracht und Streit. Daher liegt er mit sich selbst so in Zwietracht, wie er andere aus seiner Überfülle an Zwietracht und Aufruhr zu den Waffen des Widergeistes anstachelt. Nichtsdestoweniger sind die Grundregeln des Friedens in Gesetzen zusammengefügt; die Bindefesseln des verankerten Friedens löst keine geistverlassene Kreatur auf, die Fesseln, mit denen das Wort Gottes nach den Gesetzen für die erste Schöpfung (vor dem Sündenfall) sie verband; wenn diese Schöpfung einmal von ihrem Frieden abweichen wird, wird die Welt sofort aufhören zu bestehen. Der Himmel beschert der Atmosphäre Licht, die Atmosphäre den Erdgegenden Regen, die Erde verschafft den Lebewesen Nahrung und Unterhalt, und so lädt uns Gott, indem er alles zu dem einen Gefüge der Eintracht fügt und ordnet und den Vernünftigen durch das stumme Nichtvernünftige predigt, zu Frieden und Eintracht ein.387 Wenn die Herrscher ihr nacheifern und sie lieben, schützen und regieren sie wahrhaft das ihnen untergebene Volk. Dessentwegen regieren sie nämlich mit Christus zusammen, ja verwalten sie durch die Herrschaft Christi das Irdische. Dessentwegen ist ihnen von dem Herrn gegenüber den Menschen Gewalt zur Schonung des Lebens und Verfügungsmacht zum Tod gewährt, ferner das Schwert, nicht so sehr vorrangig zum Betätigen wie zum Androhen, welche Gewalt sie wie ein Pfand dem Verleiher unbefleckt zurückzugeben haben! Wenn sie dem Schrecken Milde beizumischen sich bemühen, können sie mit Barmherzigkeit strengem Urteil zuvorkommen! Vieles schon wurde gebessert durch Güte. Die Menschen erröten in Scham, fromme und milde Herrscher zu beleidigen. Wenn aber jemand schamlos sich verfehlt hat, dann sollte ein schamloser Mensch den frommen Herrscher nicht von seiner Großzügigkeit abbringen, und ein einzelner Undankbarer sollte den Übrigen nicht den Zugang zum Erbarmen verschließen. Der Herrscher trägt, wenn er Erbarmen übt, den Typus 388des göttlichen Bildes, aber der mit tyrannischer Grausamkeit verfahrende Tyrann trägt den vor sich her, der von Anfang an den Titel des Mörders für sich erlost hat.388 Wir sehen klar, dass einige unter die Kämpfer der triumphierenden Kirche Bildwahl, doch völlig verschieden in der Ausführung Luzifers als Sinnbild des Tyrannen: Johannes v. S., Pol. VIII, 17 S. 345 – 348. 387 Diese Stelle mit der Verknüpfung von Gottes Schöpfung, kosmischer Fügung und gesellschaftsethischem Sollen ist noch zu verifizieren; s. zu ihr Berges S. 155. 388–388 Vgl. die aber wesentlich anders gefügte Darstellung bei Johannes v. S., Pol. VIII, 17 S. 345, S. 348 mit Luzifer und dem Teufel als Gegenbild zum Herrscher als Bild der Gottheit (imago diuinitatis); zum Bild diuinae maiestatis imago: Johannes v. S., Pol. IV, 1 S. 232; zur programmatischen Weiterführung bei Gilbert: Anton, Gesellschaftsspiegel S. 98.
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prii cruoris ascribi, quosdam vero dimissis omnibus et erogatis pro Christo regnum Dei paupertate mercari, quosdam vero, quia membra sua mortificant, ut in holocaustum transeant et se cruci Christo configantp.389 A principibus autem regulariter Christus expetit nihil horum, sed pro hiis affectum et protectionem exigit subditorum. Ergo propter affectum in principibus patientiae et mansuetudinis bonum nec tempus immutet nec potentia inutilet nec necessitas rumpat nec insolentiaq exulceretr nec malorum hominum improbitas defatiget. Sic integre huius virtutis habitus astipulentur eidem cordis tranquillitas, operis alacritas et serenitas vultus, et si contingit actum exire quasi contrarium ad refrenandos impetus criminum, conscientia fidem faciat eumdem prodire coacticiums et invitum. Propter subditorum ergo protectionem pacem diligat, foveat unitatem, corrigatur praevaricatio, nihil ex personae faciat odio. Molestus est enim et medicus furenti frenetico et pater indisciplinato filio, ille ligando, ille caedendo, ambo diligendo. Si autem illos negligant et perire permittant, secundum venerabilem Augustinum ad Bonefacium, ista […] falsa et crudelis est mansuetudo390. III c. 7 Capitulum septimum, quod ex debita protectione subditorum conformantur principes ordini dominationum.391 … Supra me sunt, clementissime rex et domine, quae perfunctorie praelibavi. Disputatione indigent prolixiori, artifice diligentiori ett doctioriu. Scio ta-
p q r s t u
crucifigant Ed. PB. violentia R. exiteret R, exultaret P. cautius R. et etiam RP. doctori R.
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aufgenommen sind, wir sehen, dass andere durch völligen Verzicht und durch Hingabe sich das Reich Gottes mit Armut erwerben, dass andere es deshalb erwerben, weil sie ihre Glieder so abtöten, dass sie zum Brandopfer gehen und sich an das Kreuz mit Christus schlagen.389 Von den Herrschern fordert Christus nichts Derartiges aus dem Bereich geistlichen Lebens, sondern anstelle von solchem fordert er Zuneigung zu den Untertanen und deren Schutz. Wegen dieser zuneigenden Liebe bei den Herrschern möge die Zeit nicht das Gut der Geduld und der Milde verändern, die Macht soll es nicht zum Verstummen bringen, die Notwendigkeit es nicht zerreißen, nicht soll ungebührliche Frechheit es zum Eitern bringen, nicht soll die Ruchlosigkeit schlechter Menschen es zum Erlahmen bringen. Den Besitz dieser Tugenden möge ihm hierzu verschaffen der Friede der Seele, die Tätigkeit im Werk und die Heiterkeit im Angesicht, und wenn er zu gegenteiligem Handeln veranlasst sein sollte, um die Übergriffe der Verbrecher einzudämmen, so verleihe ihm das Gewissen die Zuversicht, dass es aufgezwungen und nicht gewollt erfolgt. Wegen des Schutzes der Untertanen liebe er (der Herrscher) den Frieden, fördere er die Einheit, werde die Pflichtverletzung abgestellt, tue er nichts aus persönlichem Hass. Lästig ist für einen tobenden Besessenen der Arzt, der Vater für den sich nicht an Zucht haltenden Sohn, jener bindet fest, jener schlägt, beide aber handeln aus Liebe. Wenn sie aber jene (Schutzbefohlenen) vernachlässigen und zugrunde gehen lassen, dann ist nach dem verehrungswürdigen Augustin in seinem Brief an Bonifatius das // eine falsche und grausame Milde390. III c. 7 Siebentes Kapitel, dass aus der Schutzpflicht für die Untertanen die Herrscher dem Stand der Himmelsherrschaften angeglichen werden.391 … Meine Kräfte übersteigt, gütigster König und Herr, was ich nur unvollkommen ausgeführt habe. Es bedarf einer ausführlicheren Erörterung, eines 389
In der triumphierenden Kirche des Himmels die Heiligenstände der Märtyrer, der Besitzlosen und der Asketen. 390 Siehe Augustinus, Ad Bonifatium Ep. 185 (wie Hinkmar Anm. 54), 7 S. 6. Zur Vorliebe Gilberts für diesen Brief s. seine Exzerptensammlung Pharetra (wie Anm. 107) I, 47 S. 61. 391 Für den Autor folgt aus seiner Sicht eine Klimax mystisch-eschatologischer Herrschaftstheologie: Ist in III c. 2 431 f. (s. de Poorter S. 84) gezeigt, dass aus dem Affekt zuneigender Liebe die Herrscher der Gruppe der Seraphim in der Himmelshierarchie nach Pseudo-Dionysius angeglichen werden, so ist hier ihre Gleichordnung mit den dominationes (Herrschaften) vorgestellt; s. Anm. 373 mit Verweis sowie Anm. 348 zu II, 2 c. 5 (de Poorter S. 72 –74) (Angleichung an die Throne wegen Übung der Gerechtigkeit).
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men, quod modum epistolarem excessi, super quo postulo veniam mihi dari. Et, ut verum fatear, epistolam solam scribere proposueram, sed exuberante materia processit in longius, quam speravi. Ipsi autem Domino Ihesu Christo totius bonitatis iugiter scaturientis fontali principio actiones refero gratiarum, a quo habet originem omne bonum. Ipsi honor et gloria in saecula saeculorum. Amen. Actum Parisius, apud fratres minores, anno gratiae Mo CCo quinquagesimo nono, mense Octobri, in die octabarum beati Francisci.392
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Meisters mit größerem Sachverstand und größerer Gelehrsamkeit. Ich bin mir gleichwohl bewusst, dass ich das Maß eines Briefes überschritten habe, wofür ich bitte, dass mir Verzeihung gewährt werde. Und, um die Wahrheit zu bekennen, ich hatte mir vorgenommen, lediglich einen Brief zu schreiben, doch da der Gegenstand sich als allzu umfassend erwies, geriet er viel länger, als ich erhofft habe. Dem Herrn Jesus Christus selbst aber, dem Quellgrund unablässig hervorsprudelnder Güte, bringe ich meinen Dank dar, ihm, von dem alles Gute seinen Anfang hat. Ihm sei Ehre und Ruhm in alle Ewigkeit. Amen. Paris, bei den minderen Brüdern, im Jahr der Gnade 1259, im Monat Oktober, am Tag der Oktav des heiligen Franziskus.392
392
Oktav des Festes des hl. Franziskus von Assisi (4. Oktober): 11. Oktober.
Ed.: Schneider. Dortige Siglen BCFHMPRSTUI
VIII Vincentius Bellovacensis De morali principis institutione
Vinzenz von Beauvais
a
Incipit prologus
Clarissimis ac religiosissimis in Christo viris et illustrissimis dominis omnique honore ac reverentia dignis principibus Ludovico Dei gratia regi Francie1 ac Theobaldo eiusdem favente clementia regi Navarre et comiti Campanie2 frater Vincentius Belvacensis de ordine predicatorum salutem in omnium Salvatore.3 Olim dum in monasterio Regalis Montis4 ad exercendum lectoris officium iuxta sublimitatis vestre placitumb, domine mi rex Francorumc,5 moram facerem ibique vos et familiam vestram divinis eloquiis aurem pariter ac mentem prebere diligenter interdum adverterem, michi quidem utile visum est aliqua de multis libris, quos aliquando legeram, ad mores principum et curialium pertinentia summatim in unum volumen per diversa capitula distinguendo colligere, quatinus et ego et fratres ceteri de ista materia, de qua nimirum pauca inveniuntur scripta, speciale quid in promptu haberemus, ad quod oportune possemus recurrere, si quando nobis incumberet huiuscemodi generibus hominum, videlicet principibus, militibus, consiliariis, ministris, ballivis, prepositis ac ceteris sive in curia residentibus sive foris rempublicam
a–a b c
Fehlt BP. palacium HR. Francie FS.
8 Vinzenz von Beauvais Moralische Unterweisung des Monarchen
Moralische Unterweisung des Monarchen
Beginn des Prologs An die hochberühmten und allerfrömmsten Herren in Christus und die erlauchtesten, aller Ehre und Verehrung würdigen Könige Ludwig, von Gottes Gnaden König von Frankreich,1 sowie Theobald, auf desselben huldvolle Barmherzigkeit hin König von Navarra und Graf der Champagne,2 Bruder Vinzenz aus Beauvais von dem Orden der Prediger Gruß und Heil in dem Heiland aller.3 Als ich vordem im Kloster Royaumont,4 um das Amt des Lehrers nach dem Willen Eurer Erhabenheit, mein Herr König der Franken (Franzosen),5 auszuüben, verweilte und dort bei dieser Gelegenheit feststellen konnte, wie Ihr und Eure Familie und engere Umgebung mit großer Aufmerksamkeit Euer Ohr und Euren Geist göttlichen Lehren zuwendetet, erschien es mir nützlich, einiges aus den vielen Büchern, die ich einst gelesen hatte, zum Charakter der Könige/Fürsten und Höflinge zusammengefasst in einem Band und nach Kapiteln aufgeteilt zu sammeln, damit ich und die übrigen Ordensbrüder über dieses Gebiet, über das ohne Zweifel wenige einschlägige Schriften zu finden sind, ein spezielles Werk in Reichweite hätten, auf das wir bequem zurückgreifen könnten, wenn es uns einmal zufiele, Menschen dieser Art, nämlich Königen und Fürsten, Militärbefehlshabern, Ratgebern, Dienern, den Inhabern von Grafschaften, lokalen Amtsträgern und den übrigen, den am Hof Residierenden oder den außerhalb in der Staatsverwal1 Ludwig IX. von Frankreich (1225–1270), hier mit seinem Titel (König von Frankreich) und der dazugehörigen Devotionsformel (von Gottes Gnaden) angesprochen. 2 Theobald II. aus dem Hause der Grafen der Champagne, König im Königreich Navarra (1253 –1270) und Graf der Champagne, Schwiegersohn Ludwigs IX. 3 In der Salutatio mit passendem Wortspiel (Heil – in dem Heiland) nennt Vinzenz seinen Herkunfts- und Wirkungsort Beauvais (geb. kurz vor 1200, Tätigkeit ab 1225) und seine Zugehörigkeit zum Predigerorden (Dominikanerorden), dessen Studium generale er ab den frühen zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts in Paris absolvierte. 4 1246 war Vinzenz sicher als Lektor in der Zisterzienserabtei Royaumont tätig, wo er wohl bis 1259/1260 blieb. 5 Apostrophierung mit dem karolingischen Legitimationstitel (König der Franken), den die französischen Könige sich ab 911 beigelegt hatten.
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Vinzenz von Beauvais
administrantibus, ea, que ad vite honestatem et anime salutem spectant, unicuique, prout statui suo competit, privatim vel publice suadered.6 Quod ergo tunc temporis occasione vestri, domine mi rex Francorum, incepi, sed aliis quibusdam prepeditus negotiis emergentibus intermisi.7 Nunc tandem accedente vestra petitione, domine mi rex Navarre, non immerito vicem iussionis apud nos obtinente, que videlicet postulatio vestra per venerabilem patrem nostrum fratrem Humbertum, totius ordinis nostri rectorem atque magistrum, michi primum innotuit,8 opitulante Domino placuit consummare. Verum quia pluribus aliis occupatus negotiis opus illud inceptum prout vellem accelerare nullatenus commode possum, primum eius libellum iam editum interim sublimitati vestre transmitto,9 per subiecta capitula distinctum. Explicit prologus.a e
Incipiunt capitula
De corpore rei publice De primaf regis vel principis institutione Qua necessitate oportuit homines hominibus preesse
d
I II III
satisfacere HT. Kapitelaufführung: fehlt BPS, nach Prolog CHM, vor Prolog FR, nach Text TUI, Zählung fehlt MR. f Fehlt TUI. e–e
Moralische Unterweisung des Monarchen
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tung Tätigen, einem jeden von ihnen je nach seinem jeweiligen Stand das, was zu ehrenhaftem Leben und Heil der Seelen gehört, sei es im Privaten, sei es öffentlich, zu raten.6 Dieses Unternehmen habe ich damals gelegentlich unseres Zusammentreffens mit Euch, mein Herr und König der Franken (Franzosen), begonnen, doch verhindert durch andere anfallende Aufgaben habe ich die Arbeit daran ausgesetzt.7 Jetzt aber, da Eure Bitte, mein Herr König von Navarra, hinzutritt, die nicht unverdientermaßen bei uns die Geltung eines Befehls erhält – welche Aufforderung von Euch uns erstmals übermittelt wurde durch den verehrungswürdigen Vater, unseren Ordensbruder Humbertus, den Leiter und Vorsteher unseres ganzen Ordens8 –, ging ich mit Hilfe des Herrn daran, das gesamte Vorhaben zum Abschluss zu bringen. Wiederum wurde ich durch andere Verpflichtungen in Beschlag genommen, so kann ich das in Angriff genommene Gesamtwerk in keiner Weise so, wie von mir gewollt, angemessen beschleunigen, darum schicke ich Eurer Erhabenheit das von mir inzwischen zur Ausgabe gebrachte erste Buch,9 das eingeteilt ist in die unten aufgeführten Kapitel. Ende des Prologs. Beginn der Kapitel Über den Körper des Staates Über die erste Einsetzung eines Königs oder Fürsten Aus welcher zwingenden Lage es sich ergab, dass Menschen über Menschen herrschen
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Vom Dominikanerorden her war eine große politische Schrift, ein großes Handbuch für alle Zweige der Gesellschaftsregulierung und der Staatsleitung, ein Gesellschaftsspiegel mit praktischer Zielrichtung geplant. Zu diesem Werk Opus universale wurde die Erziehungsschrift des Vinzenz De eruditione seu modo instruendorum filiorum nobilium (wie Einleitung Anm. 68) als Buch vier vorweg veröffentlicht (s. die dortige Vorrede S. 3: opus quodam universale de statu principis ac tocius regalis curie siue familie, necnon et de rei publice amministratione ac tocius regni gubernacione; zur Sache s. Berges S. 307 f.; Schneider, Vorrede zur Ausgabe S. XXIf.; Anton, Gesellschaftsspiegel S. 86, S. 102 f.). 7 Bezeugt ist damit die Initiative zu dem Werk (s. Anm. 6). Zeitlich begannen die Arbeiten der Konzipierung des großen Leitfadens 1247/1248. 8 Humbertus de Romanis, Leiter des Predigerordens, der dieses Amt in der Zeit 1260 –1263 niederlegte. 9 Das erste Buch des Leitfadens ist das abgezweigte Werk De morali principis institutione, in der Genese also ähnlich karolingischen Texten, s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 103. Als Datum ergeben sich die frühen sechziger Jahre des 13. Jahrhunderts: Berges S. 3 – 8; Schneider, Vorrede zur Ausgabe S. XXII–XXIV.
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Quo iure regna quondam usurpata liceat retinere IIII Quod omnis terrena potestas collata sit a summa potestate V Quod mali potentes sunt flagellum ire divine VI Quod omnia regna terrena disponuntur nutu divine providentie VII De terrene potestatis vel honoris vanitate VIII De gmultiplici prava eiusdem qualitateg IX Quod rex ymaginem Trinitatis preferre debet et primo in potestate et virtute X Quod debet alios in sapientia precellere XI Quod debet esse sapiens in amicis et consiliariis et officialibus elegendis XII Quod similiter debet esse sapiens in facultatibus dispensandis XIII h Quod etiam debet esse sapiens in ratiociniis precavendis et in bellis exercendish XIIII Quod debet esse sapiens in scripturis et maxime divinis XV i Exemplar super hoc in regibus antiquisi XVI k Quod in bonitate precellere debet ratione multiplicik XVII De bonitate principis excellenti XVIII De his, qui detrahunt principis bonitate XIX De detractoribus et adulatoribus, qui conversantur in curiis XX De invidia, que mater est detractionis XXI Quod gravius sit detrahere principi quam aliis XXII De ambitione, que mater est adulationis XXIII De materia multiplici ambitionis XXIIII Quibus adulatio comparatur figuris XXV De cupiditate adulatorum et ceteris curialium vitiis XXVI De adulatoribus et detractoribus repellendis XXVII l De cavendo vitio credulitatisl XXVIII Expliciunt capitula.e I. De corpore rei publicae. Sicut dicit apostolus ad Romanos XII: Multi unum corpus sumus in Christo, singuli autem alter alterius membra10. Unde Hugo De sacramentis, libro g–g
prava qualitate curie UI. qualiter familiam tractet et mutuum vitandum UI. i–i Fehlt FHRTUI. k–k rex debet alios excellere in bonitate UI, quod in bonitate debet alios precellere FHR. l–l non debent faciliter credere relatis prelati U, non faciliter debent credere relatis prelati I. h–h
Moralische Unterweisung des Monarchen
Mit welchem Recht es erlaubt ist, einstmals usurpierte Reiche und Herrschaft zu behalten Dass alle irdische Gewalt von der höchsten Macht übertragen ist Dass schlechte Machthaber Geißel des göttlichen Zornes sind Dass alle irdischen Reiche auf Wink der göttlichen Vorsehung zugeteilt werden Über die Eitelkeit irdischer Macht und Würde Über die vielfach schlechte Anlage derselben Dass der König das Bild der Dreifaltigkeit darstellen muss, zuerst in Macht und moralischer Tugend Dass er alle anderen an Weisheit überragen muss Dass er weise sein muss in der Auswahl der Freunde, der Ratgeber und der Amtsträger Dass er in ähnlicher Weise in der Verwaltung der Güter weise sein muss Dass er auch weise sein muss im vorplanenden Rechnungswesen und bei der Kriegsführung Dass er weise sein muss in den Schriften, besonders in den göttlichen Ein Beispiel hierzu bei den alten Königen Dass er im Gutsein herausragen muss in vielfacher Hinsicht Über das herausragende Gutsein des Königs Über die, die schmähend das Gutsein des Herrschers herabziehen Über die übel Nachredenden und die Schmeichler an den Höfen Über den Neid, der die Mutter des schmähenden Herabsetzens ist Dass es schwerwiegender ist, den König herabzusetzen als andere Über den Ehrgeiz, der Mutter der schmeichelnden Umgarnung ist Über die vielfältige Beschaffenheit des Ehrgeizes Mit welchen Figuren die Schmeichelei verglichen wird Über die Begehrlichkeit der Schmeichler und die übrigen Laster der Höflinge Über die Notwendigkeit, Schmeichler und Schmäher zurückzudrängen Über die Vermeidung des Lasters der Leichtgläubigkeit Ende der Kapitel
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1. Über den Körper des Staates. Gemäß dem, wie der Apostel an die Römer schreibt im 12. Kapitel: Als Viele sind wir ein Körper in Christus, die Einzelnen jeweils Glieder, der eine des anderen.10 Hierzu führt Hugo im zweiten Buch seines Werkes über die 10
Rom 12, 5. – Frappierend ist der Anschluss an die ekklesial-politische Deutung
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secundo: Ecclesia sancta, id est universitas fidelium, corpus Christi vocatur propter spiritum Christi, quem accepit, cuius participatio ipso nomine designatur, dum a Christo Christiani cuncti eiusdem unctionis participes appellantur. // Universitas autem hec ordines complectitur duos, scilicet clericos et laicos, et sunt quasi duo latera unius corporis. Nam quasi ad sinistram sunt laici, quia vite presentis inserviunt necessitati, […] Clerici vero, quoniam ea dispensant, que ad vitam spiritualem pertinent, quasi dexteram optinent. // Et in utroque populo secundum utramque vitam distributo constitute sunt potestates due, […] scilicet secularis et spiritualis. […] Terrena potestas caput habet regem sive principem, spiritualis autem summum pontificem11. Hec Hugo. De spirituali ad presens supersedeo.12 De seculari vero pauca, que ad mores rem publicam administrantium pertinent, scribere cupio.13 Est enim res publica, iuxta Plutarchum imperatoris Traiani institutorem, corpus quoddam, quod divini beneficio muneris animatur et nutu summe equitatis agitur et quodam rationis moderamine regitur. Itaque que ad religionem pertinent,
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Sakramente aus: Die heilige Kirche, das heißt die Gesamtheit der Gläubigen, wird Leib Christi genannt wegen des Geistes von Christus, den sie empfing, die Teilhabe an ihm und in ihm wird durch die Benennung selbst bezeichnet, da von Christus alle Christen als Teilhaber an derselben Salbung den Namen haben. // Diese Gesamtheit aber umfasst zwei Stände, nämlich Kleriker und Laien, und diese sind gleichsam die beiden Seiten eines Körpers. Denn gleichsam auf der linken Seite sind die Laien, da sie den Notwendigkeiten des irdischen Lebens ihren Dienst widmen, […] Die Kleriker aber, da sie das verwalten, was zum göttlichen Leben gehört, nehmen gleichsam die rechte Seite ein. // Und für jedes der beiden Völker, die diesen Lebensformen gemäß eingerichtet sind, sind zwei Gewalten eingesetzt, […] die weltliche nämlich und die geistliche. […] Die irdische Gewalt hat als Haupt den König oder den Fürsten, die geistliche aber den Papst als obersten Bischof.11 So weit Hugo. Bei dieser jetzigen Darstellung erspare ich mir die Behandlung der geistlichen Gewalt.12 Doch wünsche ich, hier einige wenige Gesichtspunkte zu bringen, die sich auf das sittliche Verhalten derer beziehen, die den Staat verwalten.13 Es ist nämlich der Staat, gemäß Plutarch, dem Lehrer des Kaisers Trajan, in gewisser Weise ein Körper, der durch die Wohltat göttlichen Geschenkes beseelt, durch das letzte Veranlassen der Weltordnung in Bewegung gehalten und durch eine bestimmte Leitung durch die (Welt-)Vernunft gelenkt wird. Das aber, was die Religion angeht, nimmt die Stelle der Seele in
des Gesellschaftskörpers mit paulinischen Belegen durch die synodalen Gesellschaftsspiegel der Karolingerzeit, etwa durch das Konzil von Paris 829: CP S. 610; s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 104, S. 59. 11 Hugo von St. Viktor: De sacramento christianae fidei. PL 176, Sp. 173 – 618; II, 2, 2; 3; Sp. 416D, 417B/C, 418B. Zitiert nach der enzyklopädischen Sammlung des Vinzenz, Spec. doct. VII, 31 Sp. 578C/D/E (Exzerpte z. T. zusammengezogen resp. verknappt) mit gewissen Modifizierungen, wovon die eine, die Erweiterung der Inhaber weltlicher Herrschaft durch Setzung der Fürsten zusätzlich zu den Königen, erheblich ist. Dass der genannte karolingische Text (s. Anm. 10) strukturell Vorbild war, wird deutlich. Dort ist (CP c. 3 S. 610 f.) mit patristischen Autoritäten eine Gewaltenund Ordineslehre vorgestellt, hier ist diese in ihrer hochmittelalterlichen Fassung geboten. 12 Wieder ist der strukturelle Bezug zum Schema des karolingischen Gesellschaftsspiegels deutlich. In dem konziliaren Spiegel der Synode von Paris beginnt nach den zitierten (s. Anm. 11, Anm. 10) Grundlagenkapiteln die Behandlung der geistlichen Gewalt (persona sacerdotalis) (CP c. 4 ff. S. 611– 649). In seinem verkürzten Abriss verzichtet Vinzenz auf die Darstellung, nennt aber den Bereich in der Disposition. 13 Vgl. die Disposition des karolingischen Bezugstextes: CP c. 54/55 ff. S. 649 – 667: In hoc … libello specialiter de regibus et principibus (In diesem Buch speziell über die Könige und Fürsten).
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anime vicem min eom optinent. // Princeps est caput huius corporis, uni Deo subiectus et hiisn, qui Dei vices agunt in terris. // Locum cordis tenet senatus sive consiliarii principis. Officia oculorum et lingue et aurium sibi vendicant rei publice provisores et iudices ac presides provinciarum et pretores civitatum; officiales ac milites manibus coaptantur; et qui semper assistunt principi, lateribus assimulantur; // rerum privatarum custodes ventris […] ymaginem ferunt; pedes autem agricole sunt14. Incipiamus igitur a capite, id est a principe, iuxta illud poeticum: A Iove principium15. Ubi, si fortasse 16mordacis veritatis aliquid16 scripsero, prudenti lectori non erit molestum, ut estimo, precipueque ipsius veritatis amatori, que neminem palpat. Ut enim ait Ieronimus in commentario super Ysaiam, libro XIo: Neque sic adulandum est principibus, ut scripturarum veritas negligatur, nec disputatio generalis unius persone iniuria17 reputatur. Est enim sermo divinus quasi volumen volans18, ut legitur in Zacharie Vo, quod autem
m–m n
in ea BCHMPR, fehlt SUI. hii HRT.
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ihm ein. // Der Kaiser ist Haupt dieses Körpers, allein Gott unterworfen und denen, die die Stellvertretung Gottes auf Erden führen. // Die Stelle des Herzens nimmt der Senat ein beziehungsweise die Ratgeber der Kaisers. Die Dienstleistungen der Augen, der Zunge und der Ohren nehmen die Aufseher des Staates sowie die Verwalter und Statthalter der Provinzen wahr, ferner die Regenten der Stadtgemeinwesen; die Inhaber der Verwaltungsressorts und die Bürokratie sind den Händen zugeordnet; die dem Kaiser stets Assistierenden werden zu den Seitenrippen in Bezug gesetzt; // die Oberaufseher über das kaiserliche Privatvermögen tragen das Bild des Bauches […]; die Füße aber sind die Bauern.14 Lasst uns also mit dem Kopf beginnen, das heißt mit dem Monarchen, ganz nach dem Dichterwort: Von Jupiter her der Anfang.15 Wenn ich im Verlauf meiner Darstellung 16etwas von beißender Wahrheit16 schreibe, wird dies dem klugen Leser nicht lästig sein, besonders dem Liebhaber jener Wahrheit nicht, die niemanden streichelt. Wie nämlich Hieronymus in seinem Kommentar zu Jesaja ausführt, im elften Buch: Weder darf man Schmeicheleien bringen gegenüber den Kaisern, dass die Wahrheit der heiligen Schriften außer Acht gelassen wird, noch darf die Erörterung des Allgemeinen so sein, dass das Unrecht einer einzelnen Person17 zugerechnet wird. Das göttliche Wort ist nämlich wie eine fliegende Schriftrolle18, wie im 14 Exzerpte aus Helinand, Chron. XI, 38 p. 286a (dieser nach Johannes v. S., Pol. V, 2 S. 282 f.; Kloft, frg. II S. 10 f. bzw. nach gemeinsamer [hochmittelalterlicher] Vorlage) = Spec. doct. VII, 8 Sp. 561C = Spec. hist. XXIX, 126 S. 1228b (= PL 212, Sp. 740 A/B). Modifizierungen bisweilen in erheblicher Eigenerweiterung. Die Ergänzung des Senats um die Ratgeber des Kaisers hat schon Helinand (Chron. XI, 38 p. 292b). Zugefügt sind die Aufseher des Staates und, wohl unter dem Einfluss der italienischen Regentenspiegel, die Leiter der Stadtgemeinden: pretores civitatum. Vinzenz bleibt der karolingischen Gliederungsstruktur treu, doch an die Stelle von deren breiter Auswertung biblisch-naturrechtlicher Tradition zu Königtum und Königsamt ist hier die säkulare Staatsorganologie gesetzt. Eine gewisse Analogie zu Gilbert (Eruditio II, 1 c. 2 S. 351 f.) ist zu erkennen, nur ist der Duktus säkularer; stärker auf der Linie von Gilbert ist die Wendung von Vinzenz, Spec. doct. VII, 15 Sp. 566C: Auctor. Dicto de corpore reipublic. mystico, cuncta videlicet eius membra, a summis usque ad infima prosequendo, nunc ad caput reipublic. id est ad principem redeundum est; jeweils ist die Verknüpfung der frühmittelalterlichen Tradition mit der neuen säkularen Aussage gesucht. 15 Vergil, Ecloge III, 60. Zitiert bei Vinzenz, Spec. doct. IV, 39 Sp. 322E. 16–16 Vgl. Hieronymus, Ep. 31, 1. 17 Hieronymus: Commentaria in Esaiam. Hrsg. v. Marc Adriaen. Turnhout 1963 (CC SL 73); XI, Prolog S. 428. 18 Zach 5, 1.
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volat, incertum est, quo in loco residere vel cadere debeat. Sic et divine sermonis invectio, …
II. De prima regis vel principis institutione. 19 20 Princeps dicitur20 quasi primum caput19 vel 20primum capiens20 sive primatum. Quod utique locum non habuit in hominibus a principio nature bene institute, sed increscente malitia ortum habuit ab infidelium ambitione, cum enim omnes natura essent pares.21 Nembroth de stirpe Cham primus regnum super homines usurpavit, dum ad hoc ipsum sibi suorum animos conciliavit. Unde legitur de ipso in Genesis X, quod ipse cepit esse potens in terra et erat robustus venator coram Domino22, 23id est extinctoro et oppressor hominum amore dominandi23, fuitque principium regni eius Babilon22, ubi regnavit super filios Cham. Cuius etiam exemplo, sicut narrat Ystoria, cepit regnare Iectan […] super filios Sem et Sufene […] super filios Iaphet24. Idem etiam Nembroth cogebat homines ydolatrare et ignem adorare. // Postea quoque, mortuo Belo Nembrothide, Ninus eiusdem filius in solatium do-
o
BP wie Petrus Comestor (s. Anm. 23), extractor CHMS, exactor FRTUI.
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fünften Kapitel des Propheten Sacharja zu lesen ist; was aber fliegt, von dem ist ungewiss, an welchem Ort es verweilen und wohin es fallen soll. So verhält es sich auch mit dem Angriff des göttlichen Wortes, … Die Notwendigkeit freimütigen Tadels wird weiter ausgeführt, vor allem mit biblischen und patristischen Zitaten belegt. Unter anderem stehen Bernhard von Clairvaux und Seneca nebeneinander.
2. Über die erste Einsetzung eines Königs oder Fürsten. 19 20 Der Monarch (Princeps) führt seine Bezeichnung gleichsam als erster Kopf19 oder, weil er das Erste fasst20 oder den Primat. Diese Stelle hatte er nicht bei den Menschen am Anfang, als die Natur wohl geordnet war, vielmehr hatte er seinen Ausgang im Anwachsen der Schlechtigkeit infolge der Machtgier der Gottlosen, während alle von Natur her gleich waren.21 Nimrod aus dem Stamme Ham maßte sich als Erster Königsherrschaft über Menschen an, indem er dafür die Seinigen gewann. So liest man über ihn im 10. Kapitel der Genesis: Dieser begann, mächtig zu sein auf der Erde, und war ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn,22 23das bedeutet ein Aussauger und Bedrücker der Menschen aus Herrschgier,23 und Anfang seiner Königsherrschaft war Babylon,22 wo er über die Söhne Hams herrschte. Nach dessen Beispiel, so erzählt die Historia [des Petrus Comestor], begann Joktan […] zu herrschen über die Söhne Sems und Sufene […] über die Söhne Japhets.24 Der nämliche Nimrod zwang die Menschen, Bildvergötzung zu treiben und das Feuer anzubeten. // Dann später, nach dem Tod des Belus, des Nimrodabkömmlings, machte dessen Sohn Ninus sich zur Linderung seines Schmer-
19–19
Vgl. Giraldus Cambrensis: De principis instructione liber. Hrsg. v. George F. Warner: Geraldi Cambrensis Opera VIII. London 1891 (Ndr. 1964) (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores); I, 19 S. 105. Im Deutschen nicht wiederzugebende (künstliche) etymologische Wortanalogie. Sie korrespondiert zudem der staatsphilosophischen Metapher vom Princeps als Haupt des Staates; s. c. 1 S. 457. 20– 20 Zutreffende, etwas verbogene Etymologie, bezogen aus Isidor, Et. IX, 3, 21. 21 Angeführt ist hier knapp die patristische Lehre von der Gleichheit aller im Urzustand, die erst nach der Erbsünde durch Herrschaftsordnung zerstört wurde; s. bes. das Zitat aus Gregor d. Gr. Anm. 56. 22 Nimrod als Ersttyp (gewaltsamer) Königsherrschaft nach Gen 10, 8 f.; 10. 23– 23 Petrus Comestor, Gen. 37 (Gen 10, 8 f.) Sp. 1088A (vgl. Helinand, Chron. IV, 81 p. 62a; Decretum Gratiani D. 6 c. 3). Verbreitung der Nimrod-Deutung nach Flavius Josephus (wie Gottfried Anm. 20) I, 4, 2 (bei Petrus Comestor, Gen. 37 Sp. 1087D–1088); dazu s. Buc (wie Gottfried Anm. 22) S. 237, auch S. 141, S. 113; Töpfer (wie Gottfried Anm. 22) passim. 24 Petrus Comestor, Gen. 37 Sp. 1088D (vgl. Helinand, Chron. IV, 81 p. 62a). Zitiert bei Vinzenz, Spec. hist. I, 61 S. 24a.
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loris ymaginem patris sibi fecit, cui tantam exhibebat reverentiam, ut quibuslibet reis parceret, qui confugissent ad eam. Unde homines de regno eius honores divinos impendere ymagini ceperunt, et huius exemplo plurimi carisp suis mortuis ymagines dedicarunt25. Unde Sapientie XIIII: Hec fuit humane vite deceptio, quoniam aut affectui aut regibus deservientes homines incommunicabile nomen lapidibus et lignis imposuerunt26. Ecce quantum malum ex amore dominandi provenit! Et hoc totum apud gentiles ortum habuit. Eadem ambitione primi reges Egyptiorum ac Grecorum et ceterarum gentium imperium assumpserunt et regna vicina, prout poterant, vel sibi subiecerunt vel etiam subverterunt. Hinc27 28post illud famosum […] Troiane civitatis excidium victoribus Grecis cedentes reliqui Troianorum, pars eorum cum Enea ad fundandum Romanum imperium ad Ytaliam perrexit, pars una scilicet duodecim milia duce Antenore in finitimas Pannonie partes secus Meotidas paludes pervenit, ibique civitatem edificaverunt, quam ob sui memoriam Sicambriam vocaverunt, in qua multis annis habitaverunt et in magnam gentem coaluerunt; et crebris incursibus Romanum solum incessentes usque ad Gallias ferocitatis sue vestigia dilataverunt28. 29 Ascanius autem, Enee predicti filius, de filio suo Silvio nepotem nomine Brutum habuit, qui matrem suam nascendo, patrem venando casu interfecit;
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claris Petrus Comestor.
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zes ein Bild des Vaters, dem er eine solche Verehrung angedeihen ließ, dass er Schuldige und Angeklagte jeder Art schonte, wenn sie Zuflucht zu ihm gesucht hatten. Aus diesem Grund begannen die Menschen aus seinem Reich dem Bild göttliche Ehren darzubringen, und nach dessen Beispiel weihten sehr viele ihren lieben Toten Bilder.25 Dazu heißt es im vierzehnten Kapitel des Buches der Weisheit: Dies war die Verirrung des menschlichen Lebens, dass die Menschen, ihrem Gefühl oder den Königen dienend, Steinen und Hölzern den Namen des Unaussprechlichen zulegten.26 Man veranschauliche sich, wie viel an Übeln aus der Herrschaft entstanden ist! Und dies hatte seinen Anfang ganz bei den Heiden. In ebenjener Gier zu herrschen rissen die ersten Könige der Ägypter und Griechen und der übrigen Völker die Vorherrschaft an sich und unterwarfen sich, soweit sie konnten, die benachbarten Reiche oder brachten sie gar zum Einsturz. 27 Hierher gehört, dass27 28nach jenem berühmten […] Untergang der Stadt Troja die übrig gebliebenen Trojaner vor den siegreichen Griechen wichen und ein Teil von ihnen mit Aeneas nach Italien aufbrach, um das römische Reich zu gründen, ein anderer Teil von zwölftausend unter der Führung des Antenor in die benachbarten Teile Pannoniens bei dem Asowschen Meer gelangte und dort eine Stadt gründete, die sie zur Erinnerung an sich Sicambria nannten, in der sie viele Jahre lebten und zu einem großen Volk heranwuchsen; mit häufigen Einfällen setzten sie dem römischen Reichsgebiet zu und breiteten die Spuren ihrer Wildheit bis nach Gallien aus.28 29 Ascanius aber, der Sohn des oben genannten Aeneas, hatte von seinem Sohn Silvius einen Enkel mit Namen Brutus, der seine Mutter bei der Geburt, seinen Vater bei der Jagd durch Zufall tötete; dessentwegen war er sei25
Petrus Comestor, Gen. 37; 40 Sp. 1088B; 1090B. Die zweite Stelle ist zitiert bei Vinzenz, Spec. hist. I, 102 S. 37b. 26 Sap 14, 21. 27 Überleitung bei Vinzenz, Spec. hist. XVI, 3 S. 619a zu dem vollständig gebrachten Sigebertzitat (Anm. 28). 28– 28 Sigebert von Gembloux: Chronica. Hrsg. v. Ludwig C. Bethmann MGH SS 6. Hannover 1844 (Ndr.) S. 300 – 374; S. 300 nach Liber Historiae Francorum, hrsg. v. Bruno Krusch MGH SS rer. Mer. 2. Hannover 1888 (Ndr.) S. 215 – 328; c. 1, c. 2 S. 241, S. 243, wo sich eine der beiden Versionen der fränkischen Trojasage findet. Danach teilten sich die Trojaner in eine Gruppe unter Aeneas und eine weitere unter Priamus und Antenor. Der Volksstamm der Sygambrer/Sigambrer ist früh als Herkunftsvolk der Franken in Anspruch genommen worden; s. Anton, Origo gentis (wie Gottfried Anm. 12); ders., Trojanersagen (wie Gottfried Anm. 12). 29– 29 Vgl. Galfred (Geoffrey) von Monmouth: Historia regum Britanniae. Hrsg. von Acton Griscom. London 1929 (Ndr.); I, 3 –16; IV, 1 f.; hrsg. von Neil Wright, The Historia regum Britannie I. Cambridge 1984/85, 6 – 21; 54; 55. – Ausführlicher als hier: Vinzenz, Spec. hist. XVI, 5 S. 619b–620a.
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propter quod parentibus suis exosus de Ytalia pulsus in Greciam fugit. Ubi Troianorum, qui erant ibi captivi, ducatum sortitus ab invito rege exegit libertatem eundi ad alias nationes acceptaque filia eius in coniugium et plus quam trecentis navibus oneratis equoreum iter aggressus est. Cum autem Affricam et Mauritaniam transeuntes iter ad fines Aquitanie direxissent, ibi exortum est eis gravissimum prelium cum Gallis, quibus decem reges illo tempore presidebant, multisque hinc inde interfectis Brutus cum suis ad naves rediens. Demum ad insulam destinatam pervenit, que a solis gigantibus inhabitabatur, cum quibus persepe certamen habuit, ipsamque insulam de suo nomine vocavit Britanniam hominesque suos Britones vel Britannos,29 quosq nunc vocamus Anglicos. Sic et Gothi primo 30Scanciam Scythie insulam incoluerunt. Cuius possessione non contenti cum rege suo Berith inde exierunt ac vicinas insulas terrasque peragrantes ceteras gentes preliis lacessebant et sibi terrore sui nominis subigebant. // Porro tempore imperatoris Decii transito Danubio cum Guina rege suo graviter incubabant Romano imperio. Qui a Decio impetiti bello exercitu Romano prostrator ipsum Decium perimerunt cum filio Decio. Hac felicitate elati sepe postea in congressu Romanis ducibus superiores effecti toti orbi Romano erant terrori30. 31Wandali quoque de Scithia oriundi a Gothis victi alienas terras invadere ceperunt, qui suas retinere non potuerunt31. Denique tempore 32Valentis imperatoris Huni, qui et ipsi ferociter de-
q r
quod Ed. Hss. UI, am Rand B2, pro certo CFHMPRST.
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nen Verwandten verhasst, wurde aus Italien vertrieben und floh nach Griechenland. Dort erlangte er über die Trojaner, die dort Gefangene waren, die Führerschaft, er gewann von dem widerstrebenden [einheimischen] König die Freiheit, sich zu anderen Völkern zu begeben, und nachdem er dessen Tochter in die Ehe erhalten hatte und mehr als dreihundert Schiffe hatte beladen lassen, nahm er den Weg über das Meer auf. Als sie aber an Afrika und Mauretanien vorbeigeschifft waren und ihren Kurs zu den Gebieten Aquitaniens gelenkt hatten, entbrannte für sie dort eine sehr heftige Schlacht mit den Galliern, an deren Spitze damals zehn Könige standen, und nach dem Tod vieler auf dieser und jener Seite kehrte Brutus mit den Seinen zu den Schiffen zurück. Endlich kam er zu der ihm bestimmten Insel, die allein von Giganten bewohnt wurde, mit denen er sehr häufig im Kampf aneinander geriet, diese nämliche Insel nannte er nach seinem Namen Britannien und ihre Bewohner Briten oder Britannier,29 welche wir jetzt Engländer nennen. So haben auch die Goten zuerst 30Scancia, eine Insel Skythiens, bewohnt. Mit dessen Besitz nicht zufrieden, zogen sie mit ihrem König Berig aus, durchstreiften die benachbarten Inseln und Länder, provozierten die übrigen Völker mit Kämpfen und unterwarfen sie sich durch den Schrecken, den sie mit ihrem Namen verbreiteten. // Danach, zur Zeit des Kaisers Decius, überschritten sie die Donau mit ihrem König Gniva und bedrängten das römische Reich mit hartem Zusetzen. Sie wurden [daraufhin] von Decius mit Krieg angegriffen, streckten das römische Heer nieder und töteten Decius selbst mit seinem Sohn Decius. Durch diesen Glückserfolg stolzgeschwellt und nachher oft bei kriegerischem Aufeinandertreffen den römischen Heerführern überlegen, versetzten sie den ganzen römischen Erdkreis in Schrecken.30 31Die Wandalen, die ebenfalls aus Skythien stammen, wurden von den Goten besiegt, sie begannen, fremde Länder zu okkupieren, deren Inhaber sie nicht halten konnten.31 Schließlich zur Zeit des Kaisers 32Valens besetzten die Hunnen, die selbst wild Verwüstungen in Skythien anrichteten,
30– 30
Sigebert von Gembloux (wie Anm. 28) S. 301 Z. 31– 33, Z. 38 – 41 (nach [Cassiodor-]Jordanes: Getica. Hrsg. v. Theodor Mommsen MGH AA 5, 1. Berlin 1882 [Ndr.] S. 53 –138; 25 – 28; 107 f. mit der legendenhaften Darstellung der Herkunft der Goten von der Insel Scandza [Skandinavien], ihrem Auszug unter König Berig und historischen Vorgängen unter dem römischen Kaiser Decius [249 – 251]). Beide Passus finden sich im längeren zusammenhängenden (bisweilen leicht modifizierenden) Exzerpt bei Vinzenz, Spec. hist. XVI, 11 S. 621b. 31– 31 Sigebert von Gembloux (wie Anm. 28) S. 301 Z. 3 – 4 (teilweise nach [Cassiodor-]Jordanes, Getica 16); zitiert bei Vinzenz, Spec. hist. XVI, 8 S. 620b. 32– 32 Sigebert von Gembloux (wie Anm. 28) S. 301 Z. 44 – 48 (nach [Cassiodor-]Jordanes, Getica 129; 246 – 249; 253: Geschehnisse unter Kaiser Valens [364 – 378]); zitiert bei Vinzenz, Spec. hist. XVI, 12 S. 621b (enger an der Vorlage).
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bachabantur in Scithia, nacti oportunitatem ex intestina Gothorum simultate fines illorum ex improviso invaserunt eosque bello victos aut sibi subiugarunt aut captivitate cruciarunt aut patria expulerunt. Ita Gothi, qui multas gentes servitio suo subdiderant, Hunorum dominio subditi sunt; et nimis eorum potentiam adauxerunt, dum omnes, qui Gothis serviebant, per Gothos Hunorum principatui paruerunt32. Sicque Huni per LXXX fere annos ad concussionem et ruinam mundi laboraverunt. Sic et Cyrus rex Persarum appetitu dominandi subverso rege Medorum Astiage videlicet avo suo materno regnum illud ad Persas transtulit cunctisque, contra quos ibat, perdomitis etiam Assyrios et Babilonem, urbem cunctis sopulentiorem ac potentiorems, cepit occisoque Balthasar monarchiam obtinuit.33 Alexander postea rex Macedonum contra dominum suum videlicet Darium Arsami filium insurrexit; ipsoque devicto incredibili estu ambitionis ad totius orbis dominium anhelavit.34 Unde 35Anaxarcho comiti suo ex auctoritate Democriti innumerabiles mundos asserenti „Heu me“, inquit, „miserum, quod ne uno quidem adhuc potitus sum!“35 Hinc etiam, sicut refert Quintus Curtius, dixit ei quidam ex suis natu maximus: „Si dii habitum corporis tui voluissent aviditati animi tui parem esse, orbis te non posset capere; sed altera manu orientem, altera contingeres occidentem. // An ignoras arbores magnas diu crescere, sed una hora extirpari posse? // Leo quandoque minimarum avium pabulum fuit. […] Nichilque tam firmum est, cui periculum ab invalido non sit. // Denique si deus es, mortalibus beneficia tribue, non
s–s
opulentiorum ac potenciorum Ed. Hss.
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als sie die Gelegenheit erhalten hatten, aus intimer Feindschaft gegen die Goten deren Gebiet unvermutet, unterwarfen sich diese nach Besiegung im Krieg oder quälten sie mit Gefangenschaft oder vertrieben sie aus ihrem Land. So wurden die Goten, die viele Völker sich zu Knechtschaft unterworfen hatten, der Oberherrschaft der Hunnen unterstellt; und sie vermehrten deren Macht höchst gewaltig, da alle, die den Goten dienstbar waren, mittels der Goten der Befehlsgewalt der Hunnen gehorchten.32 So wirkten die Hunnen ungefähr 80 Jahre lang zur Erschütterung und zum Einsturz der Welt. So stürzte auch Cyrus, der König der Perser, von Herrschsucht getrieben den König der Meder Astiages, seinen Großvater mütterlicherseits, und übertrug dessen Reich auf die Perser; nach Bezähmung aller, gegen die er anging, nahm er auch die Assyrer und die Stadt Babylon, die reicher und mächtiger war als alle anderen, und nach der Ermordung [ihres Königs] Balthasar hielt er die oberste monarchische Hegemonialgewalt.33 Danach hat sich Alexander, der König der Makedonen, gegen seinen Herrn Darius, den Sohn des Arsamus, erhoben; nach dessen Bezwingung hat er mit nicht zu schildernder Gier nach Machterwerb nach der Herrschaft über die ganze Welt gelechzt.34 Deshalb 35sagte er seinem Begleiter Anaxarchus, der mit der Lehrautorität [seines Lehrers] Demokrit darlegte, es gebe unzählige Welten: „Weh mir“, sagte er also, „mir Unglückseligem, dass ich noch nicht eine in meine Gewalt gebracht habe!“35 Mit Blick darauf sagte ihm auch, wie Quintus Curtius berichtet, einer der Vornehmsten von den Seinen: „Wenn die Götter gewollt hätten, dass die Beschaffenheit Deines Körpers der Begehrlichkeit Deines Geistes entspräche, könnte der Erdkreis Dich nicht fassen; mit der einen Hand griffest Du den Osten, mit der anderen den Westen. // Oder ist Dir unbekannt, dass hohe Bäume lange wachsen, doch in einer einzigen Stunde entwurzelt werden können? // Der Löwe war manchmal schon Nahrung kleinerer Vögel. […] Und nichts ist so fest, dass ihm nicht Gefahr vom Schwachen werden kann. // Schließlich, wenn Du ein Gott bist, teile den Menschen Wohltaten zu, Du darfst ihnen nicht das Ihrige 33 Das bei Goten und Hunnen begonnene Thema der translatio regni (Übergang der Herrschaft von einem Reich auf ein anderes) wird im klassischen Zusammenhang ausgeführt: die Ablösung der Herrschaft der Meder unter König Astiages und derjenigen der Assyrer und Babylonier unter König Balthasar durch die Perser unter König Cyrus im 6. Jahrhundert v. Chr. 34 Fortführung der Herrschaftsübertragung durch Alexander den Großen, König der Makedonen (336 – 323 v. Chr.), der die persische Vorherrschaft des Königs Darius abschüttelte. 35– 35 Valerius Maximus VIII, 13, ext. 2 (vgl. Helinand, Chron. XVIII, 60 p. 481a). Zitiert bei Vinzenz, Spec. doct. IV, 125 Sp. 371C.
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sua illis eripere debes; si autem homo es, semper te esse cogita id, quod es. Stultum est, ut eorum memineris, propter que tui obliviscaris“36. De ipso quoque refert Augustinus in libro De civitate Dei IIIIo, quod, dum occeani litora conscensis navibus peragraret, 37Dionides archipirata quidam ab ipso comprehensus est. Interrogatus ab Alexandro, quid sibi videretur, ut mare haberet infestum, respondit: „Quid tibi, ut orbem terrarum? Sed quoniam ego id exiguo navigio facio, latro vocor; tu vero, quia magna classe, imperator“37. Hec Augustinus. Et revera inquit: Remota iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia? Nam et latrocinia sunt quasi parva regna38. Denique Iulius 39Cesar, post senatus et Pompei fugam39, post adeptam de Gallis victoriam, 39rebus omnibus Romaque potitus39 singulare arripuit orbis imperium, quod per successionem temporum continuatum est usque ad tempus nostrum.40 Econtra vero, sicut dicit Gregorius in Pastorali: Sancti 41patres antiqui non reges hominum, sed pastores pecorum fuisse memorantur. Et Noe ac filiis eius
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entreißen; wenn Du aber ein Mensch bist, dann bedenke stets das, was Du bist. Töricht ist es, dass Du Dich an solches erinnerst, wegen dessen Du Dich vergisst.“36 Über denselben (Alexander) berichtet Augustinus im vierten Buch seines Werks über den Gottesstaat, dass, als er mit seinen Schiffen an den Gestaden des Ozeans entlangfuhr, 37ein gewisser Erzpirat Dionides von ihm gefasst wurde. Gefragt von Alexander, wie es ihm vorkomme, dass er das Meer feindlich und unsicher mache, antwortete er: „Und wie kommt es Dir vor, dass Du den Erdkreis feindlich und unsicher machst? Aber da ich es mit einem kleinen Schiff tue, werde ich Räuber genannt, Du aber, weil Du es mit einer großen Flotte tust, Feldherr.“37 So weit Augustinus. Und in der Tat fügt dieser hinzu: Wenn man die Gerechtigkeit wegnimmt, was sind dann die Reiche anderes als große Räuberbanden? Denn auch die Räuberbanden sind gleichsam kleine Reiche.38 Schließlich errang Julius 39Cäsar, nach der Flucht des Senates und des Pompejus39, nach Erringung des Sieges über die Gallier, 39nach der Einnahme der Allgewalt und von Rom selbst39 eine einzigartige Herrschaft über die Welt, was in den folgenden Zeiten fortgeführt worden ist bis zu unserer Zeit.40 Auf der anderen Seite gilt, wie es Gregor in seinem Pastoralwerk festhält: Die heiligen 41Väter der alten Zeit sind nach der Überlieferung nicht Könige der Menschen, sondern Hirten von Viehherden gewesen. Und Noah sowie seinen Söhnen wird gesagt: „Schrecken und Furcht vor Euch sei über alle Tie36
Curtius Rufus (wie Gilbert Anm. 54) VII, 8, 12; 14; 15; 26 (vgl. Helinand, Chron. XVIII, 61 p. 481a). Zitiert bei Vinzenz, Spec. doct. IV, 125 Sp. 371C/D vollständiger; vgl. Spec. hist. IV, 61 S. 133b–134a. 37– 37 Vgl. Augustinus, De civ. Dei IV, 4, zitiert nach Helinand, Chron. XVIII, 43 p. 472b wie Vinzenz, Spec. hist. IV, 51 S. 131a (Gemeinsamkeit: Name des Seeräubers). Im Zitat oben an einer Stelle (quoniam) Übereinstimmung mit Gilbert, Eruditio II, 1 c. 6 S. 368, der bei charakteristischer Übereinstimmung mit Johannes v. S., Pol. III, 14 S. 223 (diceris imperator) wohl mit diesem auf eine gemeinsame Vermittlervorlage zurückgeht. 38 Vgl. Augustinus, De civ. Dei IV, 4, zitiert nach Helinand, Chron. XVIII, 43 p. 472b wie Vinzenz, Spec. hist. IV, 51 S. 131a. Gilbert, Eruditio II, 1 c. 6 S. 367 f. bringt das Zitat wie Augustinus vor der Anekdote. Bei Johannes von Salisbury fehlt dieses berühmte Zitat. 39– 39 Petrus Comestor, 2 Mac 12, Sp. 1530B. Der Auszug: Vinzenz, Spec. hist. VI, 40 S. 187a hat den Gallierzusatz nicht. 40 Nach der Lehre von der Translatio Imperii war das römische Reich, das über Karl den Großen im Mittelalter fortdauerte, das letzte in der Reihe der Weltreiche. Der Autor lässt offen, ob er die Nachfolge bei dem mittelalterlichen Imperium sieht. 41– 41 Gregor d. Gr., Reg. past. II, 6 S. 202/S. 204. Dieser Text ist vollständiger zitiert bei Vinzenz, Spec. hist. XXII, 33 S. 871b.
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dicitur: „Terror vester ac tremor sit super cuncta animalia terre“42. // Qui scilicet terror profecto super homines in hoc ipso prohibetur esse, quia contra naturam est ab equali timeri velle41. Hec Gregorius. Itaque in populo Dei nunquam rex usque ad tempora Samuelis fuisse legitur. Et de hoc etiam, quod petiit, graviter arguitur, I Regum VIII: „Audi“, inquit Dominus Samueli, „tvocem populi in omnibus, que loquuntur tibit; unon enim te abiecerunt, sed me, ne regnem super eosu“43. In ceteris autem nationibus ubique iam reges dominabantur. Unde in initio legis de constitutione regis dicitur Deuteronomii XVII: „Cum ingressus fueris terram promissionis et dixeris: ,Constituam super me regem, sicut habent omnes per circuitum nationes‘, illum constitues“44, etc.; ubi notandum est, quod non precepit Dominus, ut homo rex in populo suo constitueretur, sed ut, si propter voluntatem populi oporteret eum constitui, sic eligeretur et taliter, ut ibi dictum est, conversaretur. Unde ibi dicit Augustinus: Queri potest, cur populus Israel Deo displicuit, cum regem desideravit, cum ipse Dominus hoc in lege permiserit.45 Unde Io Regum XIIo dixit Samuel populo: „Invocabo Dominum, et dabit voces, id est tonitruorum fragores, et pluvias; et scietis, quia grande malum feceritis vobis in conspectu Domini petentes super vos regem“46. Hinc etiam dicitur a Domino in Osee XIII: „Dabo tibi regem in furore meo“47. Sed numquidv ideo status regum reprobabilis est apud Deum; absit, quin potius per ipsum reges regnant // et principes imperant,48 ut legitur Proverbiorum VIII, et 49in manu
t–t
Ed. T, in omnibus que locuntur tibi S, fehlt BCFHMPRUI. Ed. BPS, te enim non abiecerunt sed me T, non te abiecerunt oportet me M, non te sed me proiecerunt UI, abiecerunt me inquit dominus R, abiecerunt me H, fehlt CF. v numquam Ed. MUI. u–u
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re der Erde“42. // Dieser Schrecken freilich wird deswegen gegenüber Menschen verboten, weil es gegen die Natur ist, von einem Gleichen gefürchtet werden zu wollen.41 So weit Gregor. Man liest ja auch, dass es im Volk Gottes bis zu den Zeiten des Samuel nie einen König gegeben hat. Und dass dieser (der Prophet Samuel) um einen König bat, wird im achten Kapitel des ersten Königsbuches hart getadelt: „Höre“, sagt der Herr zu Samuel, „die Stimme des Volks in allem, was sie Dir sagen; sie haben nämlich nicht Dich abgewiesen, sondern mich, die Königsherrschaft über sie zu führen“.43 In den übrigen Völkern regierten schon überall Könige. Daher wird zu Beginn des Gesetzes über die Setzung eines Königs im 17. Kapitel des Buches Deuteronomium gesagt: „Wenn Du das Land der Verheißung betreten hast und gesagt hast: ,Ich möchte über mich einen König setzen, wie ihn alle Völker im Umkreis haben‘, dann sollst Du den einsetzen“, 44 usw.; dabei ist zu beachten, dass der Herr nicht vorschrieb, dass ein Mensch als König in seinem Volk eingesetzt werde, sondern dass, wenn er notwendigerweise nach dem Wollen des Volks einzusetzen sei, er so gewählt und es so gehalten werde, wie dort gesagt ist. Daher sagt hierzu Augustinus: Man kann fragen, warum das Volk Israel Gott missfiel, als es einen König wünschte, da der Herr dies selbst im Gesetz zugestand.45 Von daher sagte im zwölften Kapitel des ersten Buches der Könige Samuel dem Volk: „Ich werde den Herrn anrufen, und er wird Stimmen schicken, das heißt Dröhnen von Donnergewittern, und Regenmassen; und Ihr werdet wissen, dass Ihr Euch großes Übel getan habt, im Anblick des Herrn einen König für Euch zu erbitten“.46 Von daher wird auch von dem Herrn beim Propheten Hosea im 13. Kapitel gesagt: „Ich werde Dir einen König geben in meinem Zorn.“47 Damit ist doch nicht der Stand der Könige tadelnswert bei Gott; dies sei fern, ja vielmehr durch ihn regieren die Könige // und herrschen die Fürsten,48 wie man im achten Kapitel des Bu-
42
Gen 9, 2. 1 Reg 8, 7. 44 Das berühmte Königsgesetz Deut 17, 14 – 20; hier 14 f. Das Zitat bei Helinand, Chron. XI, 38 p. 282a mit entsprechender Klassifizierung: Lex de rege constituendo (Gesetz über Einsetzung von König und Königsherrschaft). 45 Vgl. Augustinus: Quaestiones in Heptateucum. Hrsg. von Jean Fraipont. Turnhout 1958 (CC SL 33 S. 1– 311); V, 26 S. 291. In dem biblischen Kontext gebracht: Glossa ordinaria (= Biblia Latina cum glossa ordinaria. Straßburg 1480/81 [Ndr. 1992]) zu Deut 17, 14; Helinand, Chron. XI, 38 p. 282a. Etwas modifiziert Vinzenz, Spec. nat. XXIX, 114 Sp. 2153D. 46 1 Reg 12, 17. Die eingefügte Erklärung z. T. Glossa ordinaria (wie Anm. 45) zu 1 Reg 12, 17. 47 Os 13, 11. 48 Vgl. Prov 8, 15; 16 (z. T. aufgeführt bei Helinand, Chron. XI, 38 p. 283a). 43
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eius sunt omnia iura regnorum,49 secundum illud Danielis IIII: Dominatur Excelsus in regno hominum et, cuicumque voluerit, dabit illud50. Itaque licet peccaverit populus contra Dei voluntatem petendo sibi regem, tamen Saul divinitus electus in regno cum sua progenie perstitisset, nisi per superbiam Deum offendisset. David autem quia Deo adhesit, regnum sibi ac filiis eius permansit.51 Porro in primitiva ecclesia nunquam fuit aliquis de fidelibus in regem vel imperatorem constitutus, sed precedente tempore Constantinus Magnus imperii dignitatem, quam ante baptismum obtinuit, postea licite retinuit. Similiter et Clodoveusw rex Francorum in statu regali conversus ad fidem sibi ac filiis suis regiam retinuit dignitatem, iuxta illud apostoli Ia ad Corinthios VII: Unusquisque in qua vocatione vocatus est, in ea permaneat52. III. Qua necessitate oportuit homines hominibus preesse. Ceterum regalis potestas, licet a malo primitus fuit instituta,53 tamen pro statu mali temporis est necessario retinenda, scilicet ut mali per penas corrigantur et boni remunerentur, iuxta illud ad Romanos XIII: Principes non sunt timore boni operis, sed mali54 etc. Et Ia Petri IIo: Subiecti estote […] propter Deum sive regi quasi precellenti sive ducibus tanquam ab eo missis ad vindictam malefactorum, laudem vero bonorum55. Unde Gregorius in Pasto-
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clodoneus P, Ludouicus CMRSTUI, lodouicus HF.
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ches der Sprüche liest, und 49in dessen Hand alle Rechte der Reiche sind,49 gemäß dem Propheten Daniel Kapitel 4: Es herrscht der Allerhöchste im Reich der Menschen, und er wird dies geben, wem immer er will.50 Obwohl also das Volk gegen den Willen Gottes gesündigt hat, indem es sich einen König erbat, wäre doch der von Gott erwählte Saul mit seinem Stamm in der Königsherrschaft geblieben, wenn er nicht durch seine Überhebung Gott beleidigt hätte. David aber und seinen Söhnen wurde das Reich belassen, weil er Gott anhing.51 Übrigens ist in der Urkirche nie einer von den Gläubigen zum König oder Kaiser eingesetzt worden, doch in früherer Zeit konnte Konstantin der Große rechtmäßig die Würde des Kaisertums, die er vor seiner Taufe erhielt, später behalten. Auf ähnliche Weise bewahrte Chlodwig, der König der Franken, der sich, im Königsstand, zum Glauben bekehrte, sich und seinen Söhnen die Königswürde, gemäß jenem Wort des Apostels im ersten Brief an die Korinther, Kapitel 7: Ein jeder verbleibe in der Berufung, in die er gerufen ist.52 3. Aus welcher zwingenden Lage es sich ergab, dass Menschen über Menschen herrschen. Übrigens ist die königliche Gewalt, obwohl sie ursprünglich vom Bösen eingesetzt wurde,53 als notwendig zu ertragen wegen des Zustandes der schlechten diesseitigen Zeit, nämlich, damit die Schlechten durch Strafen gebessert werden und die Guten Belohnung erhalten, gemäß jenem Wort im Brief an die Römer, Kapitel 13: Die Herrscher sind nicht gesetzt dem [Vollbringer des] guten Werk[s] zur Furcht, sondern dem [des] schlechten54 usw. Und gemäß jenem im zweiten Kapitel des ersten Briefes des Apostels Petrus: Seid […] Gottes wegen untertan, sei es dem König als dem obersten Befehlsträger, sei es den von ihm zur Bestrafung der Übeltäter, zur Belobigung der Guten geschickten Führern.55 In dieser Hinsicht sagt Gregor in seinem Pas49– 49
Vgl. Prov 21, 1. Dan 4, 14. 51 Die beiden alttestamentlichen Exempla im sprechenden Kontext bei PseudoCyprianus 6 S. 44; 9 S. 53; s. S. 493. 52 1 Cor 7, 20. – Es wäre zu fragen, ob die merkwürdige Erklärung für das Phänomen christlichen Herrschertums bei den großen Bekehrten, Kaiser Konstantin I. ( 3 0 5 – 337) und König Chlodwig I. (482 – 511), und sein Fehlen bei „originären“ Christen auf eine längere Tradition zurückgeht. 53 Das Böse als Urgrund der weltlichen Herrschaft ist im Investiturstreit pointiert von der gregorianischen Seite (Gregor VII., Manegold von Lautenbach) formuliert worden. Zur Verbindung mit dem Sündenfall s. die Anm. 23 genannte Literatur. 54 Rom 13, 3. 55 1 Petr 2, 13 –14. 50
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rali: Omnes homines natura equales genuit, sed variante meritorum ordine alios aliis culpa postposuit. Ipsa vero diversitas, que accessit ex vitio, divino dispensatur iudicio, ut, quia eque stare non valet omnis homo, alter regatur ab altero. Unde cuncti, qui presunt, non in se potestatem debent ordinis, sed equalitatem conditionis pensare nec se hominibus preesse gaudeant, sed prodesse56. Igitur57 omnes homines pares esse sic fuit ab initio de iure nature bene disposite, sicx omnia communia esse. Unde sicut Cayn, qui primo sibi communes rerum possessiones appropriavit, quoniam avaritie serviens 58terminos terre primus posuit et civitates […] muravit58, criminaliter peccavit, sic et Nembroth,59 qui primo sibi dominium super homines usurpavit. Ille videlicet per cupiditatem, iste per ambitionem; malum igitur ambo fecerunt, quia ius naturale, quod divina voluntate institutum erat, violaverunt.60 Verumtamen, ut dicit Augustinus in Encheridion: Omnipotens Deus, […] cum sit summe bonus, nullatenus mali aliquid in operibus suis esse vel fieri sineret, nisi adeo potens ac bonus esset, ut etiam de malo benefaceret.61 Melius quidem iudicavit de malis benefacere quam mala esse nulla permittere; itaque malum, quod fecerunt illi, convertit in bonos usus generis humani. Nam si etiam nunc in statu nature corrupte, videlicet multiplicata iam hominum malitia, essent omnia communia, dissiparentur omnia et dissolveretur res publi-
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sicut CPSTUI.
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toralwerk: Alle Menschen hat die Natur gleich geschaffen, doch der Grad der Verdienste hat Unterschiede bewirkt, und die Schuld hat die einen den anderen nachgeordnet. Die Unterschiedlichkeit ihrerseits aber, die aus der Erbsünde hervorging als Begleitfrucht, wird durch göttliches Urteil gerecht zugemessen, so dass, weil kein Mensch von sich aus gerade stehen kann, der eine von dem anderen gelenkt und regiert wird. Von daher müssen alle, die Leitungsfunktionen haben, bei sich nicht die Macht ihres Ranges in Betracht ziehen, sondern die Gleichheit ihrer Bedingung von Natur her, und sie sollen nicht darüber Freude empfinden, Menschen voranzustehen, sondern ihnen zu nützen.56 So57 war von Anfang an nach dem Recht der gut angelegten Natur es so, dass die Menschen gleich waren, so auch, dass alles gemeinsam war. Wie von daher Kain, der als Erster sich die gemeinsam besessenen Güter aneignete, da er der Habgier dienstbar 58als Erster Grenzsteine auf der Erde setzte und die Ansiedlungen […] mit Mauern umgab,58 höchst verbrecherisch sündigte, so auch Nimrod,59 der als Erster für sich Herrschaft über Menschen usurpierte. Jener sündigte durch Habgier, dieser durch eitle Ehrsucht; Böses taten freilich beide, weil sie das natürliche Recht, das nach göttlichem Willen eingesetzt war, verletzten.60 In der Tat, wie Augustinus in seinem Enchiridion sagt: Der allmächtige Gott […] würde, da er in höchstem Maß gut ist, in keiner Weise zulassen, dass irgendetwas Böses in seinen Werken wäre oder geschähe, wenn er nicht in einem solchen Maß mächtig und gut wäre, dass er sogar mit dem Schlechten Gutes erwiese.61 Er befand, dass es besser sei, mit Übeln Wohltaten zu erweisen als überhaupt keine Übel zuzulassen; daher wendete er das Böse, das jene (Kain und Nimrod) taten, zum guten Nutzen des Menschengeschlechts. Denn wenn nun aktuell beim Zustand der verdorbenen Natur, da die Bosheit der Menschen ungeheuer vermehrt ist, alles Gemeineigentum wäre, würde alles zerstört und vergeudet und der Staat aufge-
56 Die berühmte christlich gewendete Urstandslehre der Stoa bei Gregor d. Gr., Reg. past. II, 6 S. 204 (Wortspiel preesse [voranstehen] – prodesse [nützen]). Zitiert ist der Auszug bei Vinzenz, Spec. hist. XXII, 33 S. 871b. 57 Zu dem gesamten Zusammenhang s. Vinzenz, Spec. nat. XXX, 58 Sp. 2257C– 2258A. 58– 58 Petrus Comestor, Gen. 28 (Gen 4, 17) Sp. 1078D, zitiert bei Vinzenz, Spec. hist. I, 57 S. 23a im zugehörigen Kontext. 59 S. Anm. 22 – 24. 60 Dargestellt ist die vormoderne und vorsäkulare Naturrechtslehre des Mittelalters und der frühen Neuzeit. 61 Vgl. Augustinus: Enchiridion ad Laurentium de fide et spe et caritate. Hrsg. von Ernest Evans. Turnhout 1969 (CC SL 46 S. 23 –114); III, 11 S. 53. Zitiert bei Vinzenz, Spec. nat. XXIX, 81 Sp. 2127A.
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ca. Si etiam homo homini non preesset pre defectu iustitie, genus humanum sese mutua cede laceraret.62 …
Sic etiam debet intelligi de regno Iudeorum, quoniam et regnum illorum et sacerdotium prefigurabant Christum regem et sacerdotem futurum. Et nichilominus, iuxta litteram, sacerdos ad Dei cultum ac populum edocendum et rex ad iudicium faciendum institutus fuit.63 Ideoque Dominus illum utrumque secundum ritum gentilium dispensative concessit. Itaque non est honor huius vel potestas affectanda, sed pro tempore toleranda et recte dispensanda. Sic enim consulit beatus Bernardus Eugenio pape, ut pontificales pompas, que utique non ex evangelica doctrina, sed ex ritu gentilitatis ortum habuerunt ac per Constantini donationem ad Romanos pontifices transierunt,64 nequaquam affectet, sed tantummodo toleret. 65Petrus, inquit, cuius sedem tenes, nescitur aliquando processisse vel gemmis ornatus vel sericis nec tectus auro nec vectus equo albo nec milite stipatus nec ministris circumstrepentibus septus. Absque hiis tamen satis credidit impleri posse mandatum il-
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löst. Wenn der Mensch den Menschen nicht beherrschen würde wegen des prinzipiellen Mangels an Gerechtigkeit, würde das Menschengeschlecht sich gegenseitig hinmorden und zerfleischen.62 … (Der Autor führt seinen Gedankengang zu Naturzustand, Eigentums- und Herrschaftsordnung sowie deren Überwindung in der Eschatologie weiter. Er lenkt zur Grundlegung der monarchischen Institution als Konzession Gottes zurück.)
In ähnlicher Weise muss auch die Gegebenheit des Königtums bei den Juden verstanden werden, da ihr Königtum und ihr Priestertum den als König und Priester kommenden Christus präfigurierten. Und nichtsdestoweniger war, dem Buchstaben entsprechend, der Priester für den Kult Gottes und die Belehrung des Volkes, der König zum Vollzug der Gerechtigkeit eingesetzt.63 Folglich hat der Herr beide Institutionen nach dem Brauch der Heiden mit billigender Fügung zugelassen. Daher ist ihre Ehre und ihre Macht nicht mit Gewalt anzustreben, sondern für die (irdische) Lebenszeit zu erdulden und richtig zu verwalten. So riet der heilige Bernhard Papst Eugen, dass er päpstlichen Prunk und Aufwand, der nicht aus der Lehre des Evangeliums, sondern aus dem Brauch der Heiden hervorgegangen und durch die Schenkung Konstantins auf die römischen Bischöfe übergegangen ist,64 in keiner Weise zu gewinnen suchen solle, sondern allenfalls dulde. 65Petrus, sagte er, dessen Sitz Du innehast, ist nicht irgendeinmal, wie man weiß, aufgetreten mit Gemmen oder Seidengewändern geschmückt, nicht mit Gold bedeckt, nicht auf einem weißen Pferde reitend, nicht von Soldaten umgeben und einer dienstfertig ihn umschwirrenden Dienerschar. Von dem allen völlig 62 Konkretisierung der patristischen Anschauungen über Erbschuld, Anarchie und nötige Herrschaftsordnung (Gregor d. Gr., Isidor) in Bezug auf das Phänomen „Eigentum“. 63 Nach dem exegetischen Verfahren wird aus dem Literalsinn (Buchstaben) der tiefere Schriftsinn (Voranzeige des Priestertums und des Königtums Christi) entnommen. 64 Bernhard von Clairvaux (um 1090 –1153), Gründer des Zisterzienserordens, widmete Papst Eugen III. (15. 2. 1145 – 8. 7. 1159) den „Papstspiegel“ De consideratione. Bezug genommen ist auf das berühmte Fälschungswerk Constitutum Constantini, nach dem Kaiser Konstantin d. Gr. (305 – 337) Papst Silvester herausragende Ehrenrechte und Herrschaftsbefugnis im Westen des römischen Reichs überließ. 65– 65 Vgl. Bernhard von Clairvaux: De consideratione = S. Bernardi Opera III – Tractatus et Opuscula. Hrsg. von Jean Leclercq, Henri Rochais. Rom 1963, S. 379 – 493; IV, 3d S. 453 mit Zitation von Io 21, 17 und Bezug zu Constitutum Constantini (wie Gottfried Anm. 16) 214 – 260. Die Stelle folgt etwas stärker Vinzenz, Spec. hist. XXVIII, 73 S. 1166a.
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lud salutare: „Si diligis me, pasce oves meas“66. In hiis ergo successisti non Petro, sed Constantino. Itaque consulo hec non affectanda pro debito, sed toleranda pro tempore65. Hec ille. IIII. Quo iure regna quondam usurpata liceat retinere.67 Cum autem, ut dicit etiam lex humana, res furtive vel vi possesse non possint usu capi, querunt nonnulli, quo iure regna, sicut predictum est, ab antecessoribus suis usurpata vel vi possessa teneant reges moderni. Ad hoc autem quatuor concurrunt, que in manu eorum eadem regna iure stabiliunt, videlicet ordinationis divine dispensatio, populi consensus vel electio, ecclesie approbatio, longissimiy temporis cum bona fide prescriptio.68 Et hoc dico de regibus dumtaxat Christianorum, non autem paganorum. … Ideo dixi69 regna infidelium rata non esse, non solum, quia regnare indigni sunt, sed etiam ipsa regna Deo pro meritis suis et populorum permittente per fraudem vel violentiam ex more sibi assumunt et etiam aliena, si possunt, absque Dei timore vel iustitie respectu violenter invadunt. Unde Abachuc propheta velut occultam Dei dispositionem in hiisz non intelligens in vocem querulosam prorumpit dicens: Facies hominesa quasi pisces maris70, in quibus scilicet fortior opprimit et devorat70 debilem, et quasi reptile non habens principem70. Si qui tamen etiam infidelium de communi consensu populorum in reges
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legitimi HR. Ed., huius CFMRSTUI; huiusmodi BHP. Vulg. BPS, hominis Ed. CFHMRTUI.
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absehend glaubte er, jenes heilbringende Gebot erfüllen zu können: „Wenn Du mich liebst, weide meine Schafe“.66 In diesen Dingen bist Du nicht in der Nachfolge des Petrus, sondern in der des Konstantin. Daher rate ich, solches nicht als etwas Dir Zukommendes anzustreben, sondern es für eine Spanne Zeit hinzunehmen und zu ertragen.65 So weit jener. 4. Mit welchem Recht es erlaubt ist, einstmals usurpierte Reiche und Herrschaft zu behalten.67 Da aber, wie es schon das weltliche Recht sagt, geraubte oder mit Gewalt in Besitz genommene Dinge nicht (rechtmäßig) gebraucht werden können, fragen einige, mit welchem Recht, wie schon gesagt ist, heutige Könige von ihren Vorfahren Usurpiertes oder mit Gewalt in Besitz Genommenes halten können. Dazu [ist zu sagen, dass] vier Faktoren zusammenkommen, die mit Rechtskraft Reiche und Herrschaften in ihrer Hand befestigen, nämlich die Verfügung göttlicher Einsetzung, Konsens und Wahl des Volkes, die rechtliche Bestätigung durch die Kirche, eine verfassungsmäßige Übung, die über sehr lange Zeit mit gutem Glauben praktiziert wurde.68 Und dies sage ich recht betrachtet von den Königen der Christen, nicht aber denen der Heiden. … Daher habe ich gesagt,69 dass die Reiche der Ungläubigen nicht rechtsgültig sind, nicht nur, weil diese zu herrschen unwürdig sind, sondern auch weil sie sich die Reiche und Herrschaften selbst – wobei Gott mit Blick darauf, was diese und ihre Völker verdienen, es zulässt – mit Tücke und Gewalt nach ihrem gewohnten Verhalten aneignen und auch fremde, wenn sie dazu in der Lage sind, ohne jede Furcht vor Gott oder Rücksicht auf Gerechtigkeit mit Gewalt okkupieren. Daher bricht der Prophet Habakuk, gleichsam als ob er Gottes geheime Fügung mit ihnen nicht erkennte, in den Klageruf aus, indem er sagt: Du schaffst die Menschen gleich den Fischen des Meeres70, unter denen der Stärkere den Schwachen unterdrückt und verschlingt, und gleich einem Kriechtier, das keinen Herrscher hat70. Wenn aber jemand unter den Ungläubigen nach gemeinsamem Konsens 66
Vgl. Io 21, 15 –17. Zum Zusammenhang des Kapitels, in dem in Ergänzung zum zweiten Kapitel die politischen und institutionellen Ausformungen der in den Kapiteln drei und fünf grundgelegten metaphysischen und anthropologischen Voraussetzungskategorien für Königsherrschaft erfolgen, s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 105 f. 68 Die Verknüpfung (von CIC Inst. II, 6, 2 her) geht offenbar auf eine lange Vorstellungstradition zurück; s. Hinkmar, De divortio (wie Hinkmar Anm. 25) S. 248 f. 69 Im hier ausgelassenen Text. 70 Hab 1, 14; vgl. 1, 13. Originelle Verwendung des Prophetenwortes für die rechtlose Herrschaft der Ungläubigen. – Verwendung ebenfalls in herrschaftstheoretischem Kontext: Gilbert, Eruditio II, 2 c. 9 (de Poorter S. 78). 67
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assumuntur et fines proprios non excedunt, illorum regna iure stabilita sunt.71 Sic igitur arbitrandum est de regno vel imperio Romanorum, quod, etsib a principio cupiditate dominandi terminos suos per diversas nationes debachando dilataverunt, postea tamen accessit consensus populorum, qui et ab eis leges ex diversis sapientum dictis collectas spontanee receperunt. Sic etiam estimandum est de regno Francorum et etiam Anglicorum necnon et aliorum precipuec Cristianorum. Et ubi rerum memoria vel etiam antiquorum gestorum ystoria scripta deficit, innitendum est auctoritati ecclesie, que illorum iam conversorum ad fidem dominium approbavit et confirmavit. In omnibus enim huiusmodi plurimum valet ipsius auctoritas et consensus populi. Nam de auctoritate ecclesie dicit Clemens papa, quod beatus Petrus omnis terre […] principes ac ceteros homines episcopis obedire precipiebat72. Ipse quoque terrenus imperator dicit in codice suo, libro VIIo: Palam est, quod ad fidem in re dubia valeat auctoritas ecclesie catholice, que a fundatissimis apostolorum sedibus est usque hodie succedentium sibimet episcoporum serie totque populorum consensione firmata73. Inveniuntur quoque summi pontifices non solum imperatores Romanorum pro meritis confirmasse vel infirmasse, verum etiam Hildericum regem Francorum legitur papa deposuisse. Hoc tamen de procerum illius regni fecit consilio,74 quod non exigitur in imperatore Romano. Nam
b c
Ed. BP, autem CFHRSTUI, ante M principum P.
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der Völker als König angenommen wird und die eigenen Gesetze nicht überschreitet, dann ist sein Reich von Rechts wegen gesichert.71 So ist das zu bewerten bei der Herrschaft und dem Reich der Römer, da, wenn sie auch von Anfang an in Herrschsucht und Raserei ihre Grenzen gegen verschiedene Völker ausgedehnt haben, später doch die Zustimmung der Völker hinzutrat, die auch die aus verschiedenen Rechtssatzungen von Weisen zusammengestellten Gesetze mit freiem Willen von ihnen annahmen. So ist das auch zu bewerten beim Reich der Franken und auch bei dem der Engländer und besonders auch bei anderen, vor allem solchen von Christen. Und wo es an Erinnerung an Vorgänge oder einer geschriebenen Darstellung der Geschehnisse der Vergangenheit mangelt, muss man sich auf die Autorität der Kirche stützen, die die Herrschaft jener, die schon zum Glauben bekehrt waren, rechtskräftig anerkannte und bekräftigte. In allen Fragen dieser Art gilt am meisten ihre Autorität und der Konsens des Volkes. Zu der Autorität der Kirche sagt Papst Clemens, dass der heilige Petrus […] allen Fürsten der Erde und allen übrigen Menschen befahl, den Bischöfen zu gehorchen.72 Der irdische Kaiser selbst sagt in seinem Gesetzbuch, im siebten Buch: Es liegt offen zutage, dass in den Glauben betreffenden Angelegenheiten bei einem zweifelhaften Fall die Autorität der katholischen Kirche entscheidend gilt, die von den am festesten gegründeten Sitzen der Apostel her bis heute durch die Abfolge in kontinuierlicher Sukzession stehender Bischöfe und durch den Konsens so vieler Völker bekräftigt ist.73 Man findet auch, dass Päpste nicht nur Kaiser der Römer mit Blick auf ihre Leistungen gefestigt oder gemindert haben, ja man kann sogar lesen, dass der Papst Childerich, den König der Franken, abgesetzt hat. Das tat er freilich nach dem Rat der Großen jenes Reiches,74 der aber nicht einzuholen ist im Falle des römi-
71 Höchst bedeutsame Durchbrechung der naturrechtlich-metaphysischen Vorgegebenheit durch ein vorkonstitutionelles Element. 72 Papst Clemens III. (19. 12. 1187– 28. 3. 1191) nach Pseudo-Clemens: Epistolae et decreta, 1: PG 1, Sp. 480B: Decretales Gregorii IX.: X 1. 33. 4. Zitiert bei Vinzenz, Spec. doct. VII, 32 Sp. 579B (als „Extra 5. ,De maioritate et obedientia‘“). 73 Decretum Gratiani D. 11 c. 9 aus Augustinus, Contra Faustum (wie Gilbert Anm. 204) XI, 2 S. 315. Die Nennung als Kaisergesetz (Buch 7 von Codex in CIC oder in Codex Theodosianus) ist offenbar irrig. 74 Nach den zeitgenössischen Quellen (Continuatio Fredegarii 33 S. 182; Annales regni Francorum. Hrsg. v. Friedrich Kurze MGH SS rerum Germanicarum in usum scholarum Hannover 1895 [Ndr.]; S. 8 –10; Clausula de unctione Pippini. Hrsg. v. Alain Stoclet. In: Francia 8 [1980] S. 2 f.) im ganzen korrekter Bericht zur Absetzung des letzten fränkischen Königs aus dem merowingischen Geschlecht, Childerichs III., im Jahre 750/751, zu der nach dem entscheidenden Beschluss der Großen eine Rechtsauskunft von Papst Zacharias eingeholt wurde.
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illius magis ad ipsum de iure pertinet depositio, cum sit eius vasallus et ad ipsum spectet examinatio eius et confirmatio.75 Dicit etiam Innocentius III, quod in celo, id est universali ecclesia, duo magna luminaria Deus fecit, cum ibi duas dignitates instituit, que sunt pontificalis auctoritas et regalis potestas. Sed illa, que preest diebus, id est spiritualibus, est maior, que vero nocti, id est carnalibus, minor, ut, quanta est inter solem et lunam, tanta inter pontifices et reges cognoscatur differentia76.
…
V. Quod omnis terrena potestas collata sit a summa potestate.77
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schen Kaisers. Dessen Absetzung kommt nämlich vorrangig ihm (dem Papst) von Rechts wegen zu, da er dessen Vasall ist und ihm seine Prüfung und Bestätigung zukommt.75 Innozenz III. sagt, dass im Himmel, das bedeutet in der umfassenden Kirche, Gott zwei große Lichter machte, als er die beiden Würden einsetzte, die die geistliche/päpstliche Autorität und die königliche Macht darstellen. Doch jene, die den Tagen vorsteht, das heißt dem Geistlichen, ist größer, die aber der Nacht, das heißt dem Irdischen/Fleischlichen, ist geringer, so dass ein solcher Unterschied zwischen Päpsten und Königen zu erkennen ist, wie er zwischen Sonne und Mond besteht.76 … Im Folgenden verzahnt Vinzenz Begebenheiten und Legenden um die Translation der Heiligen Richarius und Walaricus eng mit politischer Intervention des robertinischen (kapetingischen) Grafenhauses von Paris (Relatio corporum sanctorum Walarici et Richarii. Acta Sanctorum April I, 1675, Sp. 24 f.; III, 1675, Sp. 462 f.) und präsentiert, indem er der schwachen Anlage seiner Vorlage eine gute Komposition gibt, die ideologisch und politisch für das französische Geschichtsverständnis hochbedeutsame Lehre vom Rückgang der Kapetinger auf die Karolinger mit dem Haus Hennegau als genealogischer Verknüpfung (Andreas von Marchiennes: Historia succincta de gestis et successione regum Francorum: Hs. Arras Bibliothèque municipale 453 fol. 47v, fol. 49v; die um 1200 geschriebene Hs. Vat. Reg. Lat. 838, fol. 52r hat zuerst die Erweiterung der Prophezeiung, das kapetingische Haus werde bis in die siebente Generation [in septimam generationem] herrschen, zur Herrschaftszusage auf ewig [in sempiternam generationem]. Das Ganze bei Vinzenz, Spec. hist. XXX, 126 S. 1275b–1276a). – Schließlich belegt Vinzenz mit Parallelen zwischen alttestamentlicher Königsgeschichte und Dynastiewechseln im Frankenreich, dass Gottes Wille jeweils der bewirkende Grund war.
5. Dass alle irdische Gewalt von der höchsten Macht übertragen ist.77 75
Es wird der kurialistische Standpunkt des Hoch- und Spätmittelalters referiert, nach dem dem Papst Prüfung und Bestätigung des zum römischen Kaiser Gewählten zukommt; zum Kaiser als Vasallen: Innozenz IV. und Hostiensis zu Decretales Gregorii IX: X 2. 2. 10. Die französische Blickrichtung lässt den Verfasser beim fränkischen König, der als Vorläufer des französischen gilt, die päpstlichen Rechte eingeschränkter darstellen als bei dem Kaiser, dem Antipoden des französischen Königs. 76 Papst Innozenz III. (1198 –1216): Collectio I Decretalium PL 216, Sp. 1173 – 1272; I, 2, Sp. 1184C/D: Decretales Gregorii IX: X 1. 33. 6 (§ 4). Nach dieser Vorlage etwas variierend zitiert bei Vinzenz, Spec. doct. VII, 32 Sp. 579C; Kirche (ecclesia) ist im alten Sinn von umfassendem ekklesial-politischem Verband gebraucht. 77 Nach dem Fundamentalsatz, jede irdische Gewalt sei von Gott grundgelegt (Rom 13,1), erfolgt von der zugehörigen Kommentierung in der Glossa ordinaria her die Behandlung des Problems der schlechten Herrschaft. Konfrontiert mit der biblischen Aussage Iob 34, 30, Gott lasse den Heuchler wegen der Sünden des Volkes re-
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VI. Quod mali potentes sunt flagellum ire divine.78 VII. Quod omnia regna terrena disponuntur nutu divine providentie.79
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6. Dass schlechte Machthaber Geißel des göttlichen Zorns sind.78 7. Dass alle irdischen Reiche auf Wink der göttlichen Vorsehung zugeteilt werden.79
gieren, sucht Vinzenz die Erklärung bei Gregor d. Gr. (Mor. XXV, 16, 34; 35 S. 1260; XVIII, 2, 4 S. 887, S. 888) sowie bei Augustinus (De civ. Dei V, 10; De diversis quaestionibus [wie Jonas Anm. 33] LIII, 2 S. 87– 90): Gott veranlasst die gute Herrschaft, die schlechte lässt er im Blick darauf, was die Untertanen verdienen, zu und spannt sie für deren Bestrafung ein. 78 In dem Kapitel werden die Grundüberlegungen für den Fall schlechter Herrschaft exemplifiziert. Geißel in der Hand Gottes war der Assyrerkönig für die Heimsuchung der Juden (vgl. Is 10, 5; 13 f.; 6). Dessen schlechte Absichten setzte Gott für die Korrektion seines Volkes ein, in ähnlicher Weise auch Ägypter und Chaldäer (vgl. Is 7, 18 f.), außerhalb der Sphäre der Heilsgeschichte waren Babylonier, Meder und Perser in gegenseitiger Bekämpfung Instrumente Gottes (Is 13, 3; Ez 29, 18; 20). Zur Zeit der christlichen Kirche wütete der Hunnenkönig Attila in Gallien als Geißel Gottes. Das Thema wird auf die theologische Ebene gehoben, an der Passion Jesu werden die unterschiedlichen Motivationen derer, die Leiden bereiteten (Gottvater, Jesus, Judas, Pharisäer und Hohepriester der Juden) verdeutlicht. Die Summe wird nach der Sammlung Gratians (Decretum Gratiani C. 23 q. 5 c. 49) gezogen. Das Fazit lautet: Gott wirft die von ihm zur Läuterung anderer eingesetzten Werkzeuge schließlich in das ewige Feuer. 79 Breiter ausgeführt wird in dem Kapitel die in der Patristik grundgelegte (Die Pseudoklementinen II: Rekognitionen in Rufins Übersetzung. Hrsg. v. Bernhard Rehm, Franz Paschke, Georg Strecker. Berlin / New York 1994 [GCS 51] II, 42, 3 f.; Hieronymus: Commentarii in Danielem. Hrsg. v. François Glorie. Turnhout 1964 [CC SL 75A] III, 10, 13a S. 893; Origenes: Die Homilien zu Lukas in der Übersetzung des Hieronymus und die griechischen Reste der Homilien und des Lukaskommentars. Hrsg. v. Max Rauer. Berlin 21959 [GCS 49]; 12, 946 S. 86 f.; Gregor d. Gr., Mor. XVII, 12, 17 S. 861, S. 862), z. T. durch Petrus Comestor (Dan. 11, Sp. 1463A; A/ B) vermittelte und von und für Vinzenz (Spec. nat. I, 68 Sp. 65C; 65E–66A; Spec. hist. III, 14 S. 91b) erfasste Lehre, den einzelnen Provinzen resp. Ländern seien von Gott je besondere Engel zugeteilt worden. Aufgenommen wird der schon früher gebrachte Gedanke, Gott habe die großen Weltreiche zerstört (Hieronymus, Comm. in Es. [wie Anm. 17] V, 20 S. 200 – 202 – Vinzenz, Spec. nat. XIX, 56 Sp. 2106B/C) und mit biblischen (Is 45, 1; 2; 2 Par 36, 22 f.) und antiken (Valerius Maximus IX, 10, ext. 1 – Petrus Comestor, Dan. 19 Sp. 1474C = Vinzenz, Spec. hist. III, 19 S. 93a; Iustinus [wie Gilbert Anm. 208] XII, 14, 7; XII, 13, 9 – Helinand, Chron. XVIII, 60 p. 481a = Vinzenz, Spec. hist. IV, 64 S. 134C; Sueton, Iulius 82, 2) Belegen konkretisiert an dem Perserkönig Kyros, an Alexander dem Großen und an Julius Cäsar.
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VIII. De terrene potestatis vel honoris vanitate.80 IX. De multiplici prava eiusdem qualitate.81
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8. Über die Eitelkeit irdischer Macht und Würde.80 9. Über die vielfach schlechte Anlage derselben.81 80
Das Kapitel handelt, wie das folgende, von der Relativität und negativen Qualität irdischer Herrschaft. Mit Zitationen aus Seneca (Thyestes 446; Epist. 82, 8 –10; 47, 16) und Bernhard von Clairvaux (De consideratione [wie Anm. 65] II, 9, 18) wird die Eitelkeit der Würdeinsignien belegt. Felicitas (Glück) der Herrschaft, ein Kernbegriff heidnischer Herrschaftsvorstellung, ist personata, vorgetäuscht wie bei einer Bühnenrolle, vertieft wird dies mit Gregor d. Gr. (Mor. XXV, 1, 1 f. S. 1230). Die Figur des Fuchses, in Herodes exemplarisch verkörpert, steht für eitle Magnaten. Das Thema der Höflinge ist damit eingeführt. Die Gefährlichkeit ihres Bezugs zu Mächtigeren wird illustriert (Bibelstellen; Boethius, De consolatione [wie Sedulius Anm. 21] 3, 5, 9; Lukan I, 92 f.; Proverbia = Publilius Syrus S. 92 – 95 und S. 274 – 282; 96 S. 94; Terenz, Andria I, 1, 67 f.; Horaz, Epist. I, 18, 8 f.; Pseudo-Seneca, De remediis fortuitorum 10, 4; Zitate in der Regel aus Florilegium Gallicum). Hofleben steht für vielfaches Übel schlechthin: Herrschgier, Amtserschleichung, Neid, Tücke, Schmähsucht, Schmeichelei u. ä. Lukan (VIII, 493 f.) und Seneca (Agamemnon 285) fassen prägnant die idealtypische Negativität von aula (Hof) und regium limen (Herrscherpalast). – Zu dem „Neuen“, den Ansätzen zu einer Psychologie der Macht, die belegt sind mit einer Reihe paganer Autoren, und zu der Absicherung gegen historische Kausalität betonende Gewährsleute durch die zentrale Platzierung und Wertung von Gregor d. Gr. s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 107. 81 Honor regalis vel curialis (Amt und Ehrenstellungen von Königen und Höflingen) kommt Eitelkeit und Nichtigkeit zu. Das Buch Sirach (Ecli 10, 11 f.), Ovid (Met. II, 416) und Walter von Châtillon ([wie Gilbert Anm. 300] Alexandreis VIII, 332 f.; X, 448 – 452) bilden die belegende Konkordanz vor weiteren Testimonien. Expositionen von Ambrosius zu Lukas (wie Gilbert Anm. 289) IV, 27– 29 S. 115; S. 115 f. über die Versuchung Jesu durch das Machtangebot des Teufels umrahmen eine tiefgründige Deutung des Sidonius Apollinaris († 486) zur psychischen Deformation von der Macht her (Epist. II, 134, 2). Im gedanklichen Duktus werden die negativen Wirkungen der Macht für die Machtträger angeführt: Neid (Sallust, Iugurtha 55, 4; Rhetorica ad Herennium IV, 25, 34; Bernhard von Clairvaux), Beschwerlichkeit als Last und Furcht (Matheus von Vendôme 12. Jh.; Valerius Maximus VII, 2, ext. 5; Seneca, Thyestes 446 – 449), Gefahr der Charakterveränderung (Ovid, Met. XI, 320; Gregor d. Gr., Reg. past. I, 9 S. 158, S. 160; Ovid, Remedia amoris 369 f.; Horaz, Carm. II, 10, 9 –17; Seneca, Phaedra 1136 –1140), Verlust der Selbstzucht (Cant 1, 5; Ovid, Tristia III, 4, 31 f.; Proverbia [wie Anm. 80] 132 S. 95; Gregor d. Gr., Reg. past. II, 6 S. 206), Gefahr des tiefen Sturzes (Ovid, Tristia IV, 3, 74; Is 72, 18; Iob 30, 22; Horaz, Carm. II, 10, 10 f.; Macrobius, Saturnalia II, 7, 9; Pseudo-Seneca [Martin von Bracara], Formula vitae honestae [wie Einleitung Anm. 19] S. 240 f.; Walter von Châtillon, Alexandreis IX, 311 f.; Curtius Rufus [wie Gilbert Anm. 54] VII, 8, 14). Als Fazit wird formuliert: Die Beispiele sollen Macht nicht abwerten und negativ abstempeln. Es gilt das Wort eines Weisen (Iob 36, 5): Gott verwirft die Mächtigen nicht, denn er ist selbst mächtig. Abschrecken will der Autor von Machtgier und Liebe zur Macht, programmatisch wird
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X. Quod rex ymaginem Trinitatis preferre debet et primo in potestate ac virtute. Princeps82, ut ait Ysidorus in libro Ethimologiarum XVo, nomen est dignitatis et ordinis;82 et, ut dicit Cassiodorus in Epistolari suo: Decet quemlibet honorem, quem gerit nomine, moribus exhibere.83 Decet igitur regem vel principem excellentie nomini suo competentis servare dignitatem, nam, ut ait beatus Bernardus ad Eugenium, libro I: Monstruosa res est gradus summus et animus infimus, sedes prima et vita ima, […], ingens auctoritas et nutansd instabilitas.84 Sicut ergo princeps ceteros excellit potestate, sic etiam precellere debet sapientia et bonitate maximeque, ut ista duo potestatem ipsam moderentur ac reprimant et in opus virtutis inflectant. Hec enim tria, per se invicem moderata, sunt tres virtutes in rege David quondam eminentes, de quibus legitur II° Regum XXIII, quod nec Abysai85 nec Banaias85 vir robustus85 pervenit usque ad tres85, hoc est, ut ait Ieronimus super secundum psalmum, usque ad tres virtutes David, de quibuse dicitur, 86David sedet in cathedra87: ecce sapientia; ipse est quasi tenerrimus ligni vermiculus87: ecce humilitas, que fundamentum est omnis boni et ob hoc ipsam sequitur bonitas; qui octingentos interfecit impetu uno87: ecce fortitudo sive potestas.86 In hiis tribus debet
d e
mentis HR. quibus ibidem Ed. RU, quibus idem P.
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10. Dass der König das Bild der Dreifaltigkeit darstellen muss, zuerst in Macht und moralischer Tugend. Herrscher/Fürst ist, wie Isidor im fünfzehnten Buch seiner Etymologien sagt, ein Wort der Würde und des Ranges;82 und, wie es Cassiodor in seiner Briefsammlung sagt: Es ziemt sich, dass jeder Würde und Ehrenstellung, die er im Namen führt, in seinen Sitten darstellt.83 Es ziemt sich also, dass der König oder Fürst die Würde der Erhabenheit, die seinem Titel zukommt, bewahrt, denn, wie der heilige Bernhard an [Papst] Eugen [III.] schreibt: Eine monströse Sache ist [das Nebeneinander von] höchstem Rang und niederster Gesinnung, […], von ungeheuerer Autorität und schwankender Haltlosigkeit.84 Wie der Herrscher aber die Übrigen überragt an Macht, so muss er sich auch auszeichnen durch Weisheit und Güte und am meisten [im Hinwirken darauf], dass diese beiden die Macht selbst mäßigend lenken, sie zurückdrängen und sie hinüberlenken zum Werk der Tugend. Diese drei nämlich, wenn sie sich gegenseitig in Balance halten, sind die drei Tugenden, die einstmals im König David die herausragenden waren, über die man im zweiten Königsbuch, Kapitel 23, liest, dass weder Abisai85 noch Benaja85, ein kraftstrotzender85 Mann, bis unter die ersten drei gelangte85, das bedeutet, wie Hieronymus in Auslegung des zweiten Psalms sagt, sie gelangten nicht bis zu den drei Tugenden Davids, von denen gesagt wird: 86David sitzt auf dem Lehrstuhl87: das meint die Weisheit; er selbst ist auch wie der zarteste Holzwurm87: das meint die Demut, die das Fundament jedes Guten ist und dessentwegen ihr die Güte nachfolgt; der achthundert bei einem Angriff tötete87: das meint tapfere Stärke oder Macht.86 In diesen drei (Tugenden) muss
dies mit Gregor d. Gr. unterlegt (Reg. past. I, 4 S. 144), der gegenüber den Autoren der neuen, säkularen Richtung die Orientierung gibt. 82 Vgl. Isidor, Et. IX, 3, 21, der, im Gegensatz zu oben, wörtlich gebracht ist: Vinzenz, Spec. doct. VII, 8 Sp. 561C. 83 Vgl. Cassiodor: Variae. Hrsg. von Theodor Mommsen MGH AA 12. Berlin 1888 (Ndr.); I, 11, 1 S. 20; hrsg. v. Åke Friedh. Turnhout 1973 (CC SL 96 S. 1– 499), S. 22 (vgl. Florilegium Gallicum, Paris BN Lat. 17 903 fol. 144v). Der ganze Satz entspricht Vinzenz, Spec. doct. V, 1 Sp. 403B. 84 Bernhard von Clairvaux, De consideratione (wie Anm. 65) II, 7, 14 S. 422. Zitiert vollständig: Vinzenz, Spec. hist. XXVII, 67 S. 1164a. 85 Vgl. 2 Reg 23, 18 – 23. Die biblische Erzählung berichtet, dass die beiden kraftvollen Helden nicht zu den ersten drei (David, Eleasar, Samma) gelangten. Es folgt im Text die typologische Deutung. 86– 86 Vgl. Pseudo-Hieronymus: Quaestiones hebraicei in librum II Regum PL 23, Sp. 1345 –1364; Sp. 1361C/D in Auslegung von 2 Reg 23, 8. 87 2 Reg 23, 8.
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conformari sancte Trinitatis ymagini, quia 88patri attribuitur potentia, filio sapientia, Spiritui sancto bonitas;88 et hoc forte prefiguratum est in Genesi, ubi legitur homo factus ad ymaginem Dei89, qui esset quasi rex vel princeps paradisi terrestris, immo totius mundi sensibilis: „Faciamus“, inquit Deus trinus et unus, „hominem ad ymaginem et similitudinem nostram; et presit piscibus maris et volatilibus celi et bestiis terre universeque creature“89. Ubi recte brutis animalibus preesse dicitur, quia princeps vel etiam prelatus quilibet subditis90, ut dicit Gregorius, 90 91non inquantum homines, sed inquantum brutales facti sunt, iure dominatur90. Nam ubi non delinquimus, ibi pares sumus.91 Unde cum deest vitium, quod debeat corrigi, […] non solum ab eis timeri, sed etiam plus, quam necesse est, refugit honorari;92 quod enim homo preest hominibus in hac vita, non hoc facit natura, que homines omnes equales genuit, sed culpa.93 Hec Gregorius. Per pisces igitur intelliguntur cu-
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er dem Bild der heiligen Dreifaltigkeit nachgestaltet und angeglichen werden, denn 88dem Vater wird die Macht zugesprochen, dem Sohn die Weisheit, dem Heiligen Geist die Güte;88 dies ist wohl schon in dem Buch Genesis präfiguriert, wo zu lesen ist, dass der Mensch nach dem Bild Gottes gemacht ist,89 der gleichsam König und Fürst des Paradieses Erde sein sollte, ja der ganzen sichtbaren Welt: „Lasset uns“, sprach der dreieinige Gott, „den Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis; er soll herrschen über die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels und alles Getier auf der Erde und über die gesamte Schöpfung.“89 Dort ist zu Recht gesagt, er herrsche über die stummen Tiere, denn ein Herrscher oder jeder beliebige Vorgeordnete herrscht über die Untertanen90, wie Gregor (d. Gr.) sagt, mit Recht, insoweit sie 90 91nicht als Menschen, sondern als stumme Tiere90 geschaffen sind. Denn wo wir nicht schuldhaft sind, dort sind wir gleich.91 Daher, wenn Sünde und Schuld, die gebessert werden müssten, fehlen, […] vermeidet es [der Herrschende] nicht nur, [von den Untertanen] nicht gefürchtet zu werden, sondern sogar, mehr als nötig geehrt zu werden;92 dass der Mensch in diesem Leben über Menschen herrscht, das macht nicht die Natur, die alle Menschen gleich erschuf, sondern die Schuld.93 So weit Gregor. Durch die Fische werden die Begierigen und Hab88– 88 Vgl. Richard von St. Viktor († 1173): De Trinitate. Hrsg. v. Jean Ribaillier. Paris 1958 (Textes philosophiques du moyen âge. Bd. 6); VI, 15 S. 247 f.; ders.: De tribus approprietatibus in Trinitatem PL 196, Sp. 992 f., Sp. 993C/D; Petrus Lombardus (um 1095 –1160): Sententiarum libri IV. Hrsg. v. Collegium s. Bonaventurae, I, 2. Rom 3 1971 (Spicilegium Bonaventurianum IV); Sent. I, d. 34, c. 3 – 4 S. 251– 253; wie hier Vinzenz, Spec. nat. I, 17 Sp. 33A; Spec. hist. I, 3 S. 2b. Die neue Rolle des trinitarischen Exemplarismus für die Entwicklung einer Herrschaftstheologie ist Vinzenz mit Gilbert gemeinsam (s. S. 441); die spezielle Ausführung ist neuer Beitrag von Vinzenz. S. auch weiter im Text. 89 Gen 9, 6; Gen 1, 26 (vielleicht vermittelt von Wilhelm Peraldus: Summa de vitiis VI, III, 6. Edition Venedig 1571, S. 351). – Die gedankliche Tradition, nach der Herrschertum mit der Erschaffung des Menschen grundgelegt ist, reicht bis in das 4. Jahrhundert zurück: Ambrosiaster: Quaestiones Veteris et Novi Testamenti CXXVII. Hrsg. v. Alexander Souter. Wien u. a. 1908 (CSEL 50) (Ndr. 1963); 45.3 S. 82: In dominatione imago dei factus est homo (Zur Herrschaftsübung ist der Mensch als Bild Gottes gemacht). S. die weiteren Verknüpfungen ebd. 106, 17 S. 243. Vgl. hierzu Anton, Herrscherethos S. 372 – 376. 90– 90 Gregor d. Gr., Mor. XXI, 15, 23 S. 1082. 91– 91 Vgl. Wilhelm Peraldus, Summa de vitiis VI, III, 6 S. 351. – Zur ideologischen Relevanz des Satzes „Nam …“ in der Tendenz zu politischer Egalität in Bibelkommentaren und -glossierungen des 12. und 13. Jahrhunderts s. Buc (wie Gottfried Anm. 22) S. 100 f., S. 338 – 341. 92 Vgl. Gregor d. Gr., Mor. XXI, 15, 24 S. 1083. 93 Vgl. Gregor d. Gr., Mor. XXVI, 26, 46 S. 1301.
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pidi vel avari, qui curiositate acquirendi repunt per mare huius seculi; per volatilia superbi, qui 94ambulant in magnis et mirabilibus super se;94 per bestias vero luxuriosi, qui bestialiter vivunt in solius carnis voluptate. Hec sunt illa tria, que in mundo sunt, de quibus loquitur Iohannes apostolus in prima canonica IIo: Omne, inquit, quod est in mundo concupiscentia carnis est et concupiscentia oculorum et superbia vite95. Hiis ergo tribus hominum generibus debet princeps tantummodo dominari, si tamen quantum ad tria predicta sit formatus ad ymaginem Dei, videlicet quantum ad potestatem et sapientiam et bonitatem. Nempe sola potestas in manu insipientis aut perversi est quasi gladius in manu furiosi. Sapientia quoque sine virtutef vel bonitate, iuxta verbum Tulii, non sapientia, sed calliditas debet appellari.96 Debet igitur alios precedereg virtuosa et moderata potestate, que proprie vocatur dignitas. Ut enim ait Tullius in Rethorica Prima: Dignitas est alicuius honesta et cultu et honore digna et verecunda auctoritas97. Et, ut dicit Boetius, De consolatione, libro IIo, non virtutibus ex dignitate, sed dignitatibus honor accedit ex virtute. // Et collata improbis dignitas non modo non efficit dignos, sed prodit potius et ostendat indignos98. In proverbiis quoque sapientum dicitur, quod ignominie loco est dignitas apud indignum99. Debet itaque precellere non tantum potestate sive dignitate, sed etiam virtutis et operis bonitate. Ut enim ait Valerius Maximus, libro III: Deforme est, quos prestes dignitate, ab hiis superari virtute.100 Beatus quoque Ciprianus
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veritate CHMRST. precellere HTUI.
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süchtigen versinnbildet, die mit ihrer Wissbegier auf Erwerb durch das Meer dieser Welt schwimmen; durch die Vögel die Überheblichen, 94die sich über sich hinaus bewegen im Großen und Staunenerregenden;94 durch die Tiere die Genusssüchtigen, die nach Art der Tiere allein im Sinnengenuss des Fleisches leben. Dies sind jene drei [Gattungen von Menschen], die auf der Welt sind, von denen der Apostel Johannes in seinem ersten kanonischen Brief im zweiten Kapitel ausführt: Alles, sagt er, was in der Welt ist, ist der Begehrlichkeit des Fleisches, der Begehrlichkeit der Augen und der Überhebung im Leben unterworfen.95 Diese drei Arten von Menschen kann lediglich der Herrscher im Zaum halten, insoweit nämlich, als er im Bezug auf die drei oben genannten (Eigenschaften) geschaffen ist auf das Bild Gottes hin, nämlich in Bezug auf Macht, Weisheit und Güte. Macht nämlich für sich allein in der Hand eines Toren und eines Schlechten ist gleichsam wie ein Schwert in der Hand eines wahnsinnig Rasenden. Weisheit aber ohne Tugend und Güte darf nach einem Wort Ciceros nicht Weisheit, sondern muss Verschlagenheit genannt werden.96 Er hat den übrigen voranzuschreiten durch kraftvoll, doch mit Maß geübte Macht, die im eigentlichen Sinn Würde genannt wird. Entsprechend dem, was Cicero in seiner ersten Rhetorik sagt: Würde ist jemandes ehrenvolle und ehrenvoller Pflege würdige und zurückgenommene Autorität.97 Wie es auch Boethius im zweiten Buch des Werks Über die Tröstung der Philosophie sagt: Den Tugenden kommt nicht aus der Würde, sondern den Würden kommt aus der Tugend Ehre zu. // Und Würde, die moralisch Schlechten anvertraut wird, macht sie nicht nur nicht würdig, sondern verrät und zeigt sie vielmehr als Unwürdige.98 In den Sprichwörtern der Weisen heißt es, dass Würde bei einem Unwürdigen den Rang von Schmach einnimmt.99 Er muss aber auch hervorragen nicht nur an Macht oder Würde, sondern auch an Güte der Tugend und des Werks. So sagt nämlich Valerius Maximus im dritten Buch: Schmachvoll ist es, wenn man von denen, denen man mit Würdestellung vorsteht, an Tugend übertroffen wird.100 Der heilige Cyprian 94– 94
Vgl. Ps 130, 1. 1 Io 2, 16. 96 Vgl. Cicero, De off. I (19) 63. Der Cicero-Text wörtlich im Exzerpt bei Vinzenz, Spec. doct. IV, 123 Sp. 370B. 97 Vgl. Cicero, De inventione II (55) 166. Gebracht bei Vinzenz, Spec. doct. V, 71 Sp. 444B. 98 Boethius, De consolatione (wie Sedulius Anm. 21) 2, 6, 3; 18. Dieses individuell verschränkte Exzerpt bei Vinzenz, Spec. doct. V, 71 Sp. 444B. 99 Publilius Syrus L 1 S. 54; Giancotti L 1 S. 66, ähnlich wie hier Vinzenz, Spec. doct. V, 71 Sp. 444C. 100 Vgl. Valerius Maximus III, 2, 6; wie hier Vinzenz, Spec. doct. V, 71 Sp. 444C. 95
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dominum sine virtute ponit inter duodecim abusionum seculi gradus101 dicens: 102Nichil dominantih proficit habere potestatem, si non habeat et virtutis rigorem. Qui scilicet rigor virtutis non tam exercitus fortitudine, que et ipsa necessaria est dominis secularibus, indiget, quam interiorem animi fortitudinem exercere debet. Sepe namque virtus dominandi per animi negligentiam perditur, sicut in 103Hely sacerdote factum fuisse comprobatur. Qui dum per severitatem iudicii peccantes filios non cohercuit, in eorum vindicta Dominus velut consentienti non pepercit.103 Tria ergo necessaria hos, qui dominanturi, habere oportet: terrorem scilicet et ordinemk et amorem. Nisi enim ametur dominus et metuatur, ordinatio illius constare minime poterit. Per beneficia ergo laffabilem se essel procuret, ut diligatur, et per iustas vindictas non proprie iniurie, sed legis studeat, ut metuatur. Propterea quoque, dum multi pendent in eo, ipse Deo adherere debet, qui illum in ducatu constituit, qui ad portanda multorum onera ipsum veluti fortiorem solidavit. Paxillus enim nisi bene fixus firmiter alicui fortiori hereat, omne, quod in eo pendet, cito labitur et ipse solutus a rigore sue firmitatis cum oneribus ad terram dilabitur. Sic et princeps, nisi suo conditori pertinaciter adheserit, et ipse et omnis, qui ei consentit, cito deperit. Quidam namque per dominandi potestatem acceptam solidim Deo appropinquant, quidam imposito sibi dignitatis honore deteriores fiunt. Moyses enim accepto ducatu familiarius Dei locutionibus utebatur. 104Saul vero filius Cis postquam sceptra regni suscepit, per inobedientie superbiam Deum offendit.104 105Rex Salomon postquam patris sui David se-
h
dominandi Pseudo-Cyprianus. dominatur Ed. Hss. mit Pseudo-Cyprianus Hs. P. k ordinationem Pseudo-Cyprianus. l–l et affabilitatem Pseudo-Cyprianus. m solidius Pseudo-Cyprianus (Hss. BMOS). i
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stellt den mit Herrengewalt Versehenen, wenn er Tugend nicht besitzt, unter die zwölf Stufen der Übelstände der Welt,101 indem er ausführt: 102Nichts nützt es dem Machtträger, die Macht zu haben, wenn er nicht die Strenge und Tatkraft der Tugend besitzt. Diese Strenge der Tugend bedarf nicht so sehr der Tapferkeit militärischer Macht, die auch für die weltlichen Herren unerlässlich ist, als dass sie innere Charakterstärke üben und verwirklichen muss. Oft geht die Kraft des Herrschers durch Nachlässigkeit des Geistes verloren, wie es als geschehen dokumentiert ist 103bei dem Priester Eli. Da dieser seine Söhne bei offenkundiger Sünde nicht mit strengem Gericht zügelte, verschonte der Herr ihn, als habe er zugestimmt, bei seiner Rache an ihnen nicht.103 Dreierlei müssen die, die Macht ausüben, haben: Schrecken, Regiment und Liebe. Wenn der Herr nämlich nicht geliebt und gefürchtet wird, kann seine herrscherliche Gestaltung keinen Bestand haben. Durch Wohltaten sorge er dafür, als leutselig dazustehen, damit er geliebt wird, und durch gerechte Strafen, nicht zur Rache für selbst erlittenes Unrecht, sondern für die Verletzung des Gesetzes, sorge er dafür, dass er gefürchtet wird. Während viele von ihm abhängen, muss er selbst Gott anhangen, der ihn in seine Führerschaft einsetzte, der ihn zum Tragen der Lasten vieler als den gleichsam Stärkeren mit Kraft versah und befestigte. Wenn ein kleiner Pflock nicht gut befestigt in etwas Stärkerem sitzt, wird alles, was an ihm hängt, schnell ins Gleiten geraten und er selbst, gelöst von der Stärke, die ihm Festigkeit gibt, mit seinen Lasten niedersinken. So geht auch der Herrscher, wenn er seinem Schöpfer nicht beständig anhängt, er selbst und jeder, der ihm zustimmt, schnell zugrunde. Einige nähern sich, nach Empfang der Herrschaft gekräftigt, Gott an, einige werden schlechter, nachdem ihnen die Ehrenstellung der Würde auferlegt ist. Mose zum Beispiel pflegte nach Einsetzung in sein Führeramt vertrauter Gespräche mit Gott. 104Doch Saul, der Sohn des Kis, beleidigte Gott durch Überhebung des Ungehorsams nach Erhalt der Szepter des Reichs.104 105Nachdem 101 Es handelt sich um den seit der Karolingerzeit immer wieder zitierten Traktat: De duodecim abusivis 具saeculi典 (Über die zwölf Stufen der Übelstände 具der Welt典). Zu diesem Text und seiner häufigen Zitation in der Karolingerzeit s.: Jonas S. 67–71 mit Anm. 62; Sedulius Scottus S. 111 mit Anm. 28; Hinkmar S. 157 Anm. 25, S. 199 Anm. 124. Wie bei diesen Autoren ist die sechste abusio (dominus sine virtute – Herr ohne Tüchtigkeit, Tugend), die den irischen Gegebenheiten entsprechend den geistlichen Magnaten meint, hier auf die weltliche Herrschaft bezogen. 102–102 Pseudo-Cyprianus 6 S. 43 f. (wesentlich nach den Hss. BSOM). – Der sich anschließende befremdliche Verweis auf das Königtum ist aus dem Fehlverständnis des irischen Textes zu erklären (s. vorige Anm.). 103–103 Vgl. 1 Reg 2, 12 – 26. 104–104 Vgl. 1 Reg 15, 10 f. 105–105 Vgl. 3 Reg 3, 11 f.
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dem optinuit, Deum offendit, cum tamen Deus illum ultra omnes mortales velut ad innumerosin populi gubernationem sapientie munere donaverit.105 106 Ieroboam quoque servus Salomonis postquam regni domus David partem accepit, ad ydolorum cultum decem tribus Israel, que erant in parte Samarie, attraxit.106 Per que exempla evidenter ostenditur quosdam in sublimiori statu ad maiorem perfectionem crescere, quosdam vero per supercilium dominationis ad deteriora defluere. Per quod utrumque intelligitur et eos, qui ad meliora conscendunt, per virtutem animi et Dei auxilium posse id facere, et eos, qui ad deteriora divertunt, per mentis imbecillitatem pariter et negligentiam errare. Unde dominus absque virtute fieri non debet, quam virtutem sine Dei auxilio nullatenus habet. Qui etenim multa tuetur, si non habet fortitudinem, non valet id agere, quoniam magna magnis infestationibus et adversitatibus solent laborare. Omnis igitur, qui preest, hoco primitus animi tota intentione procuret, ut per omnia de Dei adiutorio omnino non dubitet. Si namque ceperit in actibus suis auxiliatorem habere Dominum, nullus hominum contemptum poterit habere eius dominatum102. Hec Ciprianus, et appellat virtutem iustitie rigorem, que debet ornare regiam potestatem, videlicet bona fovendo ac promovendo, sed precipue mala destruendo et extirpando, secundum illud Ecclesiastici VII: Noli querere fieri iudex, nisi valeas virtute irrumpere iniquitates107. Ut enim legitur in libro Sapientie Io: Probata virtus corripit insipientes108. Verumptamen in puniendo delicta non debet exerceri tantum rigor iustitie, sed adhiberi dulcor misericordie, videlicet ut iuxta dictum Ambrosii nec sit difficilis venia nec indulgentia remissa.109 Misericordiap siquidem et iustitia sunt regales virtutes110 teste Ysidoro, de quibus etiam legitur in Proverbiorum XX: Misericordia et veritas custodiunt regem, et firmabitur clementia thronus eius.111
n o p
numerosi CMP wie die Mehrheit der Hss. Pseudo-Cyprianus. Ed. Pseudo-Cyprianus. pietas Isidor.
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König Salomo den Sitz seines Vaters David erhalten hatte, beleidigte er Gott, obwohl Gott doch ihn mehr als alle übrigen Sterblichen gleichsam zur Regierung eines unermesslich großen Volkes mit der Gabe der Weisheit beschenkt hat.105 106Jeroboam, der Knecht Salomos, zog, nachdem er einen Teil des Reichs des Hauses David empfangen hatte, die zehn Stämme Israels, die in einem Teil Samariens waren, zum Götzenkult hinüber.106 Durch diese Beispiele wird augenfällig gezeigt, dass einige in herausgehobener Stellung zu größerer Vervollkommnung emporwachsen, einige aber durch den Dünkel der Macht zu Schlechterem hinabsinken. Hieran kann man zweierlei erkennen, nämlich dass die, die zu Besserem aufsteigen, dies tun können durch die Stärke ihres Charakters und durch die Hilfe Gottes, sowie dass die, die zu Schlechterem absteigen, durch Schwäche und Nachlässigkeit des Charakters fehlen. So kann der Herrschende ohne die Tugend nicht zum Herrscher werden, welche Tugend ihm ohne die Hilfe Gottes nicht eignet. Wer nämlich vieles zu schützen und zu gewährleisten hat, kann dies ohne die Tapferkeit nicht tun, denn Großes pflegt von großen Anfeindungen und Gegnerschaften heimgesucht zu werden. Jeder aber, der eine Vorrangstellung einnimmt, muss sich vorweg mit aller Anspannung des Geistes darum sorgen, dass er in keiner Weise in irgendeiner Hinsicht an der Hilfe Gottes zweifelt. Wenn er nämlich anfängt, in seinen Werken Gott als Helfer zu haben, wird keiner der Menschen seine Herrschaft verachten können.102 So weit Cyprian, und er nennt die Strenge der Gerechtigkeit Tugend, die die königliche Macht schmücken muss, und zwar durch Fördern und Voranbringen des Guten, besonders aber durch Zerstören und Ausrotten des Schlechten, gemäß jenem Wort bei Jesus Sirach im siebenten Kapitel: Geh nicht darauf aus, Richter zu werden, wenn Du nicht die Kraft hast, die Schlechtigkeiten gewaltsam abzustellen.107 So liest man denn auch im ersten Kapitel des Buches der Weisheit: Erprobte kraftvolle Tugend bringt die Toren zur Vernunft.108 Allerdings darf beim Strafen der Vergehen nicht nur die Strenge der Gerechtigkeit praktiziert werden, vielmehr soll, nach dem Wort des Ambrosius, die Verzeihung nicht schwierig [zu erreichen] und die Begnadigung nicht zu lasch gehandhabt sein.109 Barmherzigkeit nämlich und Gerechtigkeit sind königliche Tugenden110 nach dem Zeugnis Isidors, wozu auch im Buch der Sprüche zu lesen ist im zwanzigsten Kapitel: Barmherzigkeit und Wahrhaftigkeit beschützen den König, und durch Milde wird sein Thron gefestigt.111 106–106 107 108 109 110 111
Vgl. 3 Reg 26 – 33. Ecli 7, 6. Sap 1, 3. Ambrosius, In Lucam (wie Gilbert Anm. 289) VIII, 21 S. 305. Vgl. Isidor, Et. IX, 3, 5. Wörtlich zitiert: Vinzenz, Spec. doct. VIII, 8 Sp. 561D. Prov 20, 28 mit Prov 25, 5 sowie 29, 14; dazu s. Prov 16, 12.
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XI. Qualiter etiam debet alios in sapientia precellere.112 XVII. Quod in bonitate debet precellere ratione multiplici.113
112 Es setzt die die Kapitel 11–16 umfassende Kapitelfolge ein, die der Herrschertugend der sapientia gewidmet ist; zur Interpretation s. Anton, Gesellschaftsspiegel S. 108 –111. Es geht um das Verhältnis zwischen überkommener sapientia (Weisheit) und scientia, neuem Herrschaftswissen für Administration und Mechanismen der Regierung. Vorgestellt werden neun Pflichtenkreise. Die ersten fünf (mores suos componere – Lenkung der eigenen Sitten; subiectas plebes disponere – Regierung der untergebenen Völker; consilia dare et accipere – Rat erteilen und entgegennehmen; iudicia facere – Gerichtsurteile fällen; praecepta et leges statuere – Verordnungen und Gesetze setzen und erlassen) gehören dem klassischen Repertoire an. Sie werden im ersten der Kapitel behandelt. Die zentralen Belege sind hier biblisch und patristisch; zum Thema Selbstlenkung begegnet hier Isidors Definition des Königsnamens (Et. IX, 3, 4). Eingesprengt sind Zeugnisse heidnischer Autoren, die jedoch klar zurücktreten. Platons Ideal, die Könige sollten Philosophen resp. die Philosophen Könige sein, wird von Helinand vermittelt wie überhaupt das Postulat singulären Wissens bei dem Regenten (Helinand, Chron. XI, 38 p. 283a, PL 212, Sp. 736A; 292b, PL 212, Sp. 745B). Jeweils werden diese Stellen mit biblischen Zitaten abgesichert, wobei Prov 8, 15; 16 die Einrahmung gibt. – Es werden weitere Tätigkeitsbereiche neuen Zuschnitts vorgestellt (amicos et consiliarios et officiales eligere – Freunde, Ratgeber und Amtsträger auswählen; facultates disponere – Vermögen verwalten; bella exercere – Kriege führen; scripturas maxime divinas intelligere – Schriftwerke, besonders auf Gott bezogene, verstehen). Der erste Bereich ist in einem eigenen Kapitel (c. 12) ausgeführt, dabei signifikanterweise stärker mit biblischen Belegen abgestützt. Das auf zwei Kapitel verteilte Vermögensthema ist abundant mit paganen Autoren bestritten (in c. 13), den Abschluss markieren biblische Aussagen zum traditionellen Armenschutz. Im 14. Kapitel ist das Kriegswesen behandelt. Hierbei sind Aufbau und Stoffdisposition besonders aufschlussreich. Die naturrechtlichen Grundlagen sind alttestamentlich (Ec 9, 18; Prov 24, 5 f.; 20, 20), die breit ausgeführte Fachkunde ist mit Vegetius, dem Sachexperten der heidnischen Tradition, bestritten. Das nach Helinand verfasste Kapitel (c. 15) über die sapientia in scripturis legt das Ideal des rex litteratus vor, seiner Richtung auf neue Herrschaftspraxis ist mit bezeichnender Auslegung von Deut 17, 18 f. vorgebeugt (s. Helinand, Chron. XI, 38 p. 283a, PL 212, Sp. 736B/C). Im Schlusskapitel (c. 16) sichert der Autor mit historischen Exempla (AT, griechische und römische Geschichte, fränkische Geschichte) und seinen Hauptbelegen (Buch
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11. Wie er andere an Weisheit überragen muss.112 17. Dass er im Gutsein herausragen muss in vielfacher Hinsicht.113
der Weisheit, Hiob, Gregor d. Gr.) den theologischen Grund der sapientia, der scientia Dei. Als Fazit könnte gefasst werden: Modernisierung mit Hilfe der Antike auf den praktischen Fachgebieten, doch fundamentierende Umfassung und Sinndeutung durch das traditionelle System. 113 Es folgen elf Kapitel einer Tugend- und Lasterlehre. Zwei positive Kapitel machen den Anfang (c. 17 und 18). Wegweisend ist für das erste wieder Gregor d. Gr. (Reg. past. II, 6 S. 210/212; Mor. XII, 43, 49; 44, 50 S. 658 f.), im zweiten sind Königswahl und Wesensbestimmung der bonitas (Gutsein) behandelt: Der verfassungsrechtlichen Behandlung der Königswahl von c. 4 korrespondiert hier die naturrechtliche nach Deut 17 und Gregor d. Gr. (Reg. past. II, 1 S. 174). Das Wesen des Gutseins ist mit Pseudo-Cyprianus (abusio 9) bestimmt. Im Laster-Abschnitt ist zunächst die detractio (Schmähung) behandelt. Im Duktus weitgehend nach Wilhelm Peraldus (Summa de vitiis) und in Analogie zu Gilbert ist vom Begriff der Hofmagnaten her ein breites Gesellschaftstableau entfaltet (c. 19 – 27). Bei der Psychologie der Charakterbeschreibung ist ein starkes Repertoire aus dem Alten Testament durch pädagogische Exempla von heidnischen Autoren (Florilegium Gallicum) abgestützt. Cyprians Traktat über Neid und Missgunst akzentuiert die Thematik in c. 21. Im 22. Kapitel erscheinen die Herrscher als Norm und Spiegel der Untertanen, die präponderante Rolle der Bischöfe ist nach Institutio Traiani formuliert. Diese Stelle flankiert die Grundaussagen zu den Bischöfen als Göttern (Ex 20, 16; Luc 10, 16), die Stelle zu den Königen ist Rom 13, 1. – Das Laster des Ehrgeizes ist mit alttestamentlichen Aussagen belegt, die mit Verve geführte Kritik der Hofgesellschaft ist angeschlossen, Gregors d. Gr. Maßregel der Demut für die Herrschenden (Mor. XXIV, 25, 52; 55 S. 1227; S. 1229) bildet den Abschluss (c. 23; 24). Scharfe Geißelung erfährt die Hofgesellschaft in vier Kapiteln zur adulatio (Schmeichelei) (c. 24 – 27). Im ersten davon werden die Vergleichsfiguren mit alttestamentlichem Material vorgestellt; programmatische Zeitkritik folgt mit paganen Autoren im nächsten, eine breite Invektive nach Helinand (Chron. XI, 38 p. 288b; 284a, PL 212, Sp 742C; 739A) lastet Laster des Hofes dem König an. Abschließend sind diese Gesichtspunkte im Blick auf die herrscherliche bonitas (Güte) akzentuiert (c. 27), Idealfigur ist Hiob (Iob 27, 6; 5). Misstrauen in die Moderne, Ideal in der Vergangenheit, diese erweisen sich nach dem zuletzt vorgestellten relevanten Kapitel als Kernbestandteile des Welt- und Geschichtsverständnisses von Vinzenz.
PERSONENREGISTER Personenregister
Abisai 487 Abraham 221. 315 Adalbero von Laon 7. 363 Adalhard von Corbie 21 Adam 49 Aegidius Romanus 6. 7. 8. 36. 123. 423 Aegidius von Paris 26 Aeneas 213. 227. 461 Aeschines 301 Afranius 311 Agag 177 Agapetos 9 Agrippina 335 Ahab 183 Albrecht von Österreich 8. 36 Alexander der Große 217. 225. 227. 307. 309. 369. 373. 395. 397. 413 – 417. 423. 427. 465. 467. 483 Alkuin 5. 11. 12. 18. 69. 109. 143 Amazonen 423. 425 Ambrosiaster 10. 11. 489 Ambrosius 18. 20. 161. 177. 201. 209. 215. 485. 495 Amos 89 Ananias 185 Anastasius I. 59. 195 Anaxarchus 465 Anaximenes 373 Anchises 213 Andreas von Marchiennes 481 Anonyme Schriften: De procinctu Romanae milicie 15 Disticha Catonis 18. 389 Epitome de Caesaribus 15. 18. 22 Institutionum disciplinae 9 Irische Kanonensammlung 15. 113 Liber de informatione principum 7. 29 Moralium Dogma Philosophorum 7. 30 Oculus pastoralis 6. 26. 231 Proverbia Grecorum 15. 134. 135 Secretum Secretorum 9. 33. 323. 395. 417
SHA 18. 134 Tecosca 113 Anonymus, Normannischer 137 Antenor 227. 461 Antoni[n]us 131 Aphrodite 227 Appius 303 Apponius 195. 353 Argus (Argos) 395. 397 Aristoteles 7. 8. 9. 35. 36. 301. 307. 309. 395. 397. 413. 415. 423. 425. 433 Arnulfinger 213 Arsamus 463 Asarja 363 Ascanius 213. 227. 461 Astiages 465 Athene 223 Attila 483 Atto von Vercelli 6 Augustinus 10. 12–14. 15. 18. 20. 22. 49. 63. 67. 73. 99. 115. 134. 135. 153. 161. 167–175. 181. 185. 187. 191. 205. 307. 349. 351. 365 – 369. 445. 467. 469. 473. 483 Augustus 391 Balthasar 89. 91. 465 Barabbas 377 Bartholomaeus Vincentinus 29 Beda 18. 85. 209. 215 Behemot 375 Belus 225. 459. 461 Benaja 487 Berig 463 Bernhard von Clairvaux 459. 475. 477. 485. 487 Bertha 215 Boethius 15. 18. 123. 311. 491 Boncompagno 231 Bonifatius 143 Bonifatius, comes 205. 445 Brunetto Latini 239 Brutus 461. 463
Personenregister Caesar 177. 205. 309. 417. 467. 483 Caligula 333. 335 Cassiodor 123. 487 Cassiodor-Epiphanius 18. 129. 135 Cathwulf 11. 18. 109. 117. 139 Cato 267. 303 Cecrops 227. 229 Charon 321 Childerich III. 479 Chlodwig I. 471 Chlodwig II. 11 Choirilos 217 Choridon 217 Christus 31. 49. 55. 57. 59. 61. 63. 65. 67. 87. 95. 97. 107. 129. 137. 139. 143. 149. 151. 173. 175. 179. 181. 185. 191–197. 239. 255. 259. 265. 273. 277– 281. 307. 319. 333. 345. 347. 353. 369. 375. 377. 399. 421– 425. 443 – 455. 475. 483 Cicero 27. 28. 30. 37. 161. 177. 205. 217. 235. 237. 243. 303. 309. 315. 387. 427. 491 Claudian 299. 315. 355 Clemens III. 479 Clemens Peregrinus 107. 143 Coelestinus I. 21 Coelius 221 Curtius Rufus 309. 335. 465 Cyprian 67. 355. 359. 429. 497 Cyrus 465. 483 Danaus 225. 229 Daniel 89. 91. 409. 471 Dante 273 Darius 463 David 15. 18. 71. 73. 107. 109. 117. 125. 135. 155. 159. 183. 303. 305. 313. 349. 365. 471. 487. 495 Decius, Ks. 463 Decius, Mitregent 463 Demokrit 465 Demosthenes 301. 303. 373 Dhuoda 5. 69 Dionides 467 Dionysius Areopagita 29. 33. 311. 351. 419. 431. 445 Dominikaner 29. 449. 451 Einhard 12 Eleasar 487 Eli 137. 339. 493
499
Elija 185 Elisa 403 Engelbert von Admont 8. 36 Erasmus von Rotterdam 31 Erinnyen 429 Ermoldus Nigellus 4. 11. 12 Esther 393. 395 Eugen III. 429. 475. 487 Euklid 301 Eusebius 209. 215 Eusebius-Rufinus 18 Eutrop 223. 333 Exsuperius 189 Ezechiel 329 Ferrandus 9. 10 Flaccilla 127. 129 Flavius Josephus 217. 221. 335 Florus 337 Franziskaner 32 Franziskus 447 Frechulf von Lisieux 69 Fredegar 107 Friedrich I. 209. 211. 225 Friedrich II. 25 Frutolf 209 Fulgentius von Ruspe 10. 59. 67. 71. 197 Furien 429 Gehasi 403 Gelasius I. 13. 57. 59. 193. 195 Gellius 38. 307. 341. 419. 429 Gerhard von Cambrai 219 Giezi s. Gehasi Giganten 463 Gilbert von Tournai 7. 9. 29. 32 – 34. 38. 209. 457. 477. 489. 497 Giraldus Cambrensis 297. 423 Gniva 463 Gottfried von Viterbo 6. 24 – 26. 38. 289 Gratian 483 Grazien 393 Gregor der Große 10. 11. 13. 20. 21. 63. 67. 73. 75. 155. 157. 173. 179. 183. 193. 329. 343 – 351. 385. 401. 431. 467– 475. 483 – 489. 496. 497 Gregor VII. 471 Gregorianer 471 Guilelmus Brito 26
500
Personenregister
Habakuk 359. 477 Habsburger 8 Hagar 315 Haggai 151 Ham 213. 217. 219. 221. 459. 467 Hebräer 215. 221. 225. 307 Hegesipp 335. 337 Heinrich II. von England 7. 30 Heinrich VI. 6. 24. 209 – 215. 219. 229 Helinand von Froidmont 7. 27. 28 – 34. 253. 289. 293. 295. 299. 301. 305 – 313. 325. 331. 337. 339. 347. 353. 355. 361. 363. 369. 373. 379 – 383. 417. 457. 469. 496. 497 Hennegau-Grafen 481 Hera 397 Heraklius/Herakleios 215 Hermes 397 Herodes 319. 373. 485 Herodias 319 Hieronymus 15. 18. 21. 141. 147. 203. 209. 229. 391. 393. 457. 487. Hilduin von St. Denis 311 Hinkmar von Reims 4. 5. 6. 12. 19 – 22. 38. 67. 289. 369 Hiob 75. 77. 83. 93. 271. 375. 417. 429. 431. 496. 497 Hiskija 303 Homer 321 Hophni 137. 338. 493 Horaz 15. 18. 205. 309. 349. 395. 425 Hosea 93. 155. 269. 469 Hostiensis 481 Hrabanus Maurus 12. 15 Hugo, Kg. 323 Hugo von Fleury 137 Hugo von St. Viktor 453, 455 Huguccio 277 Humbert 281 Humbertus de Romanis 451 Hyginus 225 Innozenz I. 20. 189. 193 Innozenz III. 279. 481 Innozenz IV. 481 Io 395 Isaak 221 Isidor von Sevilla 10. 12. 13. 30. 63. 67. 73. 75. 79. 85. 93. 205. 323. 329. 347. 349. 475. 487. 495. 496
Japhet 213. 217. 219. 459. 467 Jean d’Anneaux 8 Jehu 183 Jeremia 91. 97. 271. 379 Jeroboam 495 Jesaja 47. 89. 295. 457 Jesse 383 Johannes, Apostel 491 Johannes Caligator 8 Johannes Chrysostomus 21. 197 Johannes der Täufer 255. 319 Johannes Sarracenus 311 Johannes Scotus Eriugena 311 Johannes Teutonicus 277 Johannes von Limoges 9. 35 Johannes von Salisbury 7. 27. 28–31. 33. 34. 53. 253. 267. 289 – 317. 325. 327. 331. 335 – 343. 347. 351– 355. 361. 365 – 395. 405. 411. 417–421. 427. 429. 443. 457. 467 Johannes von Viterbo 24. 26 – 28. 286. 297 Johannes von Wales 35 Joktan 459 Jonas von Orléans 4. 5. 6. 12 –14. 15. 20. 38. 123. 151. 167. 289 Jordanes 115 Josaphat 87. 183 Josef 221 Josias 303 Judas 483 Julianus 349 Julianus, Ks. 411 Juno 223. 225 Jupiter 221– 229. 457 Justinian I. 9. 271. 303 Justinus 335. 367 Juvenal 359. 377. 385 – 389 Kain 473 Kallisthenes 307 Kapetinger 481 Karl der Große 4. 11. 12. 21. 25. 51. 203. 213. 215. 227. 229. 305. 467 Karl der Kahle 14. 17. 19. 21. 69. 151. 153. 169. 193 Karl III. 21 Karl Martell 215 Karlmann, westfrk. Kg. 21. 22. 193. 205
Personenregister Karolinger 11. 15. 23. 25. 26. 29. 33. 67. 87. 211. 311. 339. 449. 451. 455. 457. 481. 493 Kekrops s. Cecrops Kis 493 Kleopatra 391 Kohelet 67 Konstantin I. 18. 61. 107. 135. 215. 303. 421. 471. 475. 477 Kyros s. Cyrus
Naeman 403 Nathan 313. 315 Nebukadnezar 89. 91. 97 Nero 327. 333. 335 Nikolaus I. 217 Nimrod 221. 459. 473 Ninus 221. 225. 459 Niobe 223. 225 Noah 213. 217. 219. 467 Numa 237
Laktanz 18 Landolfus Sagax 223. 227. 229 Laurentius von Mailand 379 Leo VI., byz. Ks. 303 Leo IX. 281 Levi 65. 299. 313. 315. 319. 325 Leviathan 375 Levold von Northof 8 Livius 337 Lothar I. 53. 55 Lothar II. 15. 17. 18. 123. 127. 135. 141. 145. 147 Lucius 31. 286. 327– 333. 353. 355. 439 Ludwig der Deutsche 19. 51. 53. 55 Ludwig der Fromme 4. 11. 12. 13. 51. 55. 83. 87. 401 Ludwig der Stammler 21. 22 Ludwig III., westfrk. Kg. 195. 205 Ludwig IX. 7. 29. 32. 34. 291– 295. 299. 305. 323. 345. 363. 445. 449. 451 Lukan 31. 485 Lupus von Ferrières 12. 15. 22. 25. 209 Luzifer 403. 405. 441. 443 Lykurg 367
Odo von Blois 323 Odysseus 393 Orosius 18. 211. 333. 335 Orpheus 321 Ottonen 23 Ovid 18. 331. 355. 395. 485
Mäcenas 335 Manegold von Lautenbach 471 Marcellinus 205 Maria, Mutter Jesu 259 Martianus Capella 223 Martin von Bracara 9. 27. 28. 271 Matfrid von Orléans 12 Megaira 429 Melibaeus 217 Merowinger 11. 15. 479 Minerva 223 Mithradates 303 Mose 83. 217. 227. 229. 319 Mucius Scaevola 399 Musen 321
501
Pacuvius 311 Palladius 301 Panaitius 315 Paulinus von Aquileja 5. 12 Paulus, Apostel 13. 31. 34. 57. 95. 97. 105. 127. 141. 145. 159. 173. 179. 181. 185. 187. 239. 267. 269. 273. 279. 281. 335. 353. 365. 371. 403. 411. 415. 451. 471 Paulus Diaconus 223 Peraldus 7. 29. 489. 497 Perser 225. 465. 483 Petrus, Apostel 61. 85. 95. 185. 265. 277. 335. 403. 421. 471. 475–479 Petrus Chrysologus 323 Petrus Comestor 217. 221. 425. 459. 483 Petrus Damiani 281 Petrus von Blois 335 Pharao 229 Pharisäer 483 Philipp der Schöne 7. 8. 36 Philipp II. August 286 Philipp von Leiden 8 Philipp von Makedonien 303. 307. 331 Philister 137 Phorneus 223 Picus 229 Pilatus 239. 279. 333 Pinehas 137. 339. 493 Pippin (I.) 11. 13. 47. 51– 61. 69. 97. 99 Pippin d. J. 215 Pippiniden 213 Placilla s. Flaccilla
502
Personenregister
Plato(n) 237. 301. 311. 353. 496 Plinius d. J. 9 Plutarch 9. 30. 31. 286. 315. 317. 329. 341. 351. 353. 371. 423. 439. 455 Pompejus 303. 467 Pompejus Trogus 335 Porphyrio 111 Porsenna 399 Priamus 213. 227. 461 Priamus (d. J.) 213 Priscianus 257 Prosper 181 Pseudo-Clemens 479 Pseudo-Cyprian 4. 10. 12. 13. 18. 19–21. 30. 67. 69. 109. 145. 157. 187–191. 199. 339. 369. 491. 495. 497 Pseudo-Dionysius s. Dionysius Areopagita Pseudo-Kallisthenes 417 Pseudo-Plato 31. 286. 353. 355 Pseudothomas 7. 29 Ptolemäus 307 Publilius Syrus 15. 18. 417. 491 Pyrrhus von Epirus 303 Pythias 331 Rather von Verona 6 Reginus 10 Regula Benedicti 161 Rehabeam 397 Remus 221. 227 Richarius 481 Robert Grosseteste 311 Robertiner 481 Romulus 221. 227. 237. 239. 253. 277. 303 Rufinus (s. auch Eusebius-Rufinus) 337 Sacharja 203. 459 Salier 23 Sallust 15 Salomo 15. 71. 79. 89. 107. 109. 121. 123. 131. 313. 381. 387. 495 Samariter 421 Samma 487 Samuel 341. 377. 429. 469 Saphira 185 Sara 315 Satan 375. 405 Saturn 221. 223. 229 Saul 117. 177. 341. 471. 493 Saulus 173
Scipio Africanus 417 Scipionen 315 Sedulius Scottus 4. 12. 14 –19. 22. 25. 38. 151. 211. 289. 311. 339 Sem 213. 217– 221. 459. 467 Semiramis 221. 225 Seneca d. J. 9. 27. 28. 29–33. 37. 249. 251. 271. 359. 433 – 441. 459. 485 Serenus 337 Sibylle 227 Sidonius Apollinaris 485 Silvester 215. 475 Silvius 461 Sirenen 393 Smaragd von St. Mihiel 4. 10. 11. 12. 117 Sokrates 301. 311 Solinus 225 Staufer 6. 24. 25. 209. 225 Stephanus 441 Stoiker 31. 175. 315. 473 Sueton 22. 335. 425 Sufene 459 Symmachus 31 Synesios 9 Tacitus 335 Tarquinius Superbus 229 Teisiphone 429 Terenz 151 Themistios 9 Theobald von Navarra 34. 35. 449. 451 Theoderich der Große 134 Theodosius I. 15. 127. 129. 135. 303 Theodulf von Orléans 4. 11. 12 Theutberga 127 Tholomaeus von Lucca 36 Thomas, Apostel 187 Thomas von Aquin 7. 35. 423 Timotheus 97. 269 Titus 95. 311 Titus, Ks. 329 Trajan 15. 30. 315. 327. 333. 341. 343. 423. 455 Tranquillus 337 Uria 365 Usija (Ozias) 199. 363 Valens 463 Valerius Maximus 15. 38. 373. 491 Varro 227
Geographisches Register Vegetius 15. 16. 18. 133. 231. 301. 496 Venantius Fortunatus 51 Vergil 18. 85. 379. 389. 423. 429. 455 Vikar Michael 8 Vincentius 173 Vinzenz von Beauvais 7. 29. 34. 35. 211. 289. 305 Vitruv 301 Wala von Corbie 13. 81. 137
503
Walaricus 481 Waldrada 127 Walter von Châtillon 485 Zachaeus 167 Zacharias 479 Zadok 313. 315 Zaleucus 427 Zeus 223. 395 Zisterzienser 7. 30. 34. 449. 475
GEOGRAPHISCHES REGISTER Geographisches Register
Aachen 12. 13. 57. 81. 197 Ägypten, Ägypter 225. 229. 299. 315. 319. 383. 461. 483 Afrika 31. 463 Angelsachsen 11. 18. 109. 119. 121. 135. 139. 143. 145. 199 Aquitanien 6. 11. 12. 47. 463 Arabisch 9. 395 Argiver 225 Asowsches Meer 461 Assyrer 221. 225. 465. 483 Athen, Athener 213. 217. 221– 229. 373 Babylon, Babylonier 221. 225. 459. 465. 483 Bamberg 24 Bayern 8 Beauvais 449 Bersabea 87 Britannien, Briten, Britannier 107. 463 Byzanz 9. 31. 303 Chaldäer 225. 483 Champagne 449 Chartres 29 Coulaines 19 Danaer 225 Deutschland; Deutsche 6. 23. 24. 209. 213 – 217 Donau 463 England, Engländer 7. 8. 37. 139. 463. 479 Epernay 193
Ephraim, Berg 87 Etrurien 223 Fismes s. St. Macra Florenz 6. 26. 27. 231. 259. 297 Francia 6 Frankenreich; Franken 19. 23. 25. 67. 213. 217. 291. 295. 449. 451. 461. 479. 481. 496 Frankenreich, östliches 6. 21. 23 Frankenreich, westliches 6. 12. 13. 18. 19 – 22. 23. 29 Frankreich, Franzosen 5. 6. 7. 22. 23. 29. 37. 213. 291. 449. 451. 481 Gallien, Gallier 461. 463. 467 Goten 463. 465 Griechenland, Griechen 6. 9. 10. 25. 215. 221– 225. 229. 237. 307. 309. 349. 459 – 463. 496 Hebräer 215. 221. 225. 307 Heiliges Land 299 Hunnen 463. 465. 483 Iasos 217 Iberisch 9 Insular s. Irland, Angelsachsen Irland, Iren 4. 10. 11. 18. 67. 109. 113. 119. 121. 135. 143. 145. 187. 189. 199. 493 Israel 67. 71. 83. 91. 109. 117. 135. 137. 229. 299. 303. 337. 341. 397. 495
504
Geographisches Register
Italien 5. 6. 8. 9. 23. 24. 26. 35. 37. 213. 215. 231. 259. 263. 461. 463
Pîtres 191 Quierzy 6. 19. 193
Jerusalem 71. 85. 87. 235. 357. 455 Juda 87. 183 Juden 221. 279. 333. 341. 475. 483 Karien 217 Karthago 303 Köln 119 Korinther 225 Kreta 229 Lampsakos 373. 375 Langobarden 213. 215 Latiner 225. 229 Latium 229 Libanon 363 Lokrer 427 Lotharingien 6. 18. 119. 137 Lüttich 15 Lyder 225 Lygier 225 Lyon 289 Makedonen 225. 227 Mauretanien 463 Meder 225. 465. 483 Meliboia 217 Narni 231 Navarra 449 Normandie 5 Normannen 193
Reich, mittelalterliches 8. 24. 37. 227. 467 Reichenau 14 Reims 19. 193 Rom, Römer 8. 10. 25. 28. 107. 115. 134. 189. 209. 213 – 223. 227– 233. 237. 265. 277. 309. 317. 327. 333. 335. 341. 351. 429. 461. 463. 467. 475. 479. 496 Royaumont 449 Samarien 495 Scancia (Scandza) 463 Sicambria s. Sygambrer Siculer 229 Sinai 311 Skandinavien 8. 37. 463 Skythien, Skythen 423. 425. 463 Spanien 8. 31. 37 Spartaner 225. 367 St. Macra/Fismes 6. 19. 21. 22. 193 – 205 Sygambrer/Sigambrer 461 Sykionier 225 Syrer 403 Thessalien, Thessalier 217. 225 Toledo 97 Tournai 32. 291 Trier 119 Troja, Trojaner 25. 26. 209. 213 – 217. 221– 229. 297. 299. 461. 463 Trosly 6. 219
Orient/Osten 107. 134 Orléans 12 Österreich 8
Ummaier 225
Pannonien 461 Paris 6. 12. 13. 19. 29. 32. 197. 345. 447. 449. 455. 481 Perser 225. 465. 483 Philister 137
Wandalen 463 Westgoten 31. 97 Worms 209
Viterbo 24. 209
Yütz 6. 193. 295
Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe In großer Breite und Vielfalt bietet die Reihe „Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters“ sowohl dem Historiker als auch dem allgemein an Geschichte Interessierten die Möglichkeit unmittelbaren und selbständigen Zugriffs auf wesentliche Stränge, Akteure und Strukturen deutscher Historie im Rahmen europäischer Geschichte. Die Quellentexte erscheinen synoptisch − im lateinischen Original und in der Übersetzung. Alle Bände der Reihe werden durch Einleitung, erläuternde Anmerkungen zu den Quellen, Bibliographie und Register für den Leser erschlossen.
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ürstenspiegel geben Anleitung und Rat für die Erziehung künftiger und für die Amtsführung regierender Herrscher. Für den heutigen Leser geben sie Einblicke in das ideale Herrscherbild der jeweiligen Zeit. Die Fürstenspiegel des Mittelalters sind von einem christlichen Herrschaftsbild geprägt und lassen dessen Transformationen erkennen. Hans Hubert Anton versammelt in diesem Band erstmals die bedeutendsten und exemplarischen Vertreter dieser Gattung aus dem frühen und hohen Mittelalter. Für die Frühzeit sind besonders Schriften des Westfränkischen Reichs bedeutsam Jonas von Orléans, Sedulius Scottus, Hinkmar von Reims), die herausragenden Texte des hohen Mittelalters stammen vor allem aus Frankreich, England und Italien (Gottfried von Viterbo, Johannes von Viterbo, Johannes von Salisbury und Helinand von Froidmont, Gilbert von Tournai und Vinzenz von Beauvais). Hans Hubert Anton, geb. 1936, ist Universitätsprofessor und lehrte Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften in Trier.
www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-14348-1