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German Pages 253 [134] Year 1991
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In der Geschichte Roms ist die Zeit vom 3. bis zum 6. Jahrhundert von besonderer Bedeutung. Damals wurde die römische Kunst mit christlichen Inhalten angereichert. In den Katakomben findet man Bilder von Christus, die ihn als Hirten, Lehrer, Orpheus, Sonnengott und Fischer zeigen, sowie alt- und neutestamentliche Szenen. Dabei handelt es sich um die Anfänge der Kunst des christlichabendländischen Europa. Als das Christentum unter Konstantin frei und gleichberechtigt geworden war, entstanden die ersten Kirchen. Ihre Architektur war die der römischen Basilika. Wie der Kaiser so sollte auch Christus einen Thronsaal haben. Darum auch stellte man ihn in den Apsiden im Mosaikbild dar, und zwar - wie den römischen Kaiser - als Basileus, als König und Herrscher. Im übrigen fand die Welt des Alten und Neuen Testaments ihre Darstellung in zahlreichen Wandmosaiken, Fresken und Reliefs. In Rom gibt es so viele Werke frühchristlicher Kunst, daß ein mehrbändiges Werk sie kaum vollzählig erfassen könnte. Herbert Alexander Stützer stellt in diesem Taschenbuch die bedeutendsten Kunstwerke dieser Epoche vor und zeigt auf, worin das Eigentliche und Wesentliche europäischer Kunst in der Frühzeit des Christentums besteht. Ein Anhang gibt praktische Hinweise für den Besuch der Kunststätten; so wird dieses Buch zum hilfreichen Reisebegleiter.
ISBN 3-7701-2643-2
dumont taschenbücher
Herbert Alexander Stützer, geb. 1909 in Berlin, studierte an den Universitäten Breslau und Bonn Philosophie, Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie und promovierte 1931 zum Dr. phil. Seine Spezialgebiete sind etruskische, römische und italienische Kunst. Stützer lebt als freiberuflicher Kunsthistoriker in München. Er wurde bekannt durch seine Vorträge, Seminare, Kunstreisen und Fernsehsendungen. Von seinen Büchern erschienen im DuMont Buchverlag: Die Etrusker und ihre Welt (1975; Taschenbücher Bd. 29), Die Italienische Renaissance (1977; Dokumente), Das antike Rom (1979; Kunst-Reiseführer), Malerei der italienischen Renaissance (1979; vergriffen), Die Kunst der römischen Katakomben (1983; Taschenbücher Bd. 141, vergriffen), Kleine Geschichte der römischen Kunst (1984; Taschenbücher Bd. 156), Ravenna und seine Mosaiken (1989; Taschenbücher Bd. 222) und der Film So lebten die Etrusker (1988; Video Reiseführer).
Herbert Alexander Stützer
FRÜHCHRISTLICHE KUNST IN ROM Ursprung christlich-europäischer Kunst
DuMont Buchverlag Köln
Umschlagabbildung: Das himmlische Jerusalem. Detail eines Mosaiks aus S. Maria Maggiore Frontispiz: Christus. Detail von einem Passionssarkophag. Mitte 4. Jh. Vatikan, Museo Pio Cristiano
Inhalt
I
Katakomben - ihre Entstehung, ihre >Architektur< und ihre Geschichte. Die Bildwelt der Katakomben .. Themen der Katakombenmalerei Christusbilder . . . . . . . Symbole und Dekorationen . Oranten . . . . . . . . . . Marienbilder . . . . . . . . Bilder aus dem Alten Testament Ein neues Christusbild ... .
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Stützer, Herbert Alexander: Frühchristliche Kunst in Rom: Ursprung christlicheuropäischer Kunst I Herbert Alexander Stützer. [Zeichn. und Pläne: Ursula Plag].- Köln : DuMont, 1991 (DuMont-Taschenbücher; 261) ISBN 3-7701-2643-2 NE:GT
Zeichnungen und Pläne: Ursula Plag, Tübingen © 1991 DuMont Buchverlag, Köln Alle Rechte vorbehalten Satz und Druck : Rasch, Bramsche Buchbinderische Verarbeitung: Bramscher Buchbinder Betriebe Printed in Germany
ISBN 3-7701-2643-2
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Hauskirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
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Basiliken - Baptisterien - Mausoleen
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San Giovanni in Laterano -die Lateranbasilika . San Giovanni in Fonte - das Lateranbaptisterium Santi Pietro e Marcellino mit dem Mausoleum der Helena und Santa Croce in Gerusalemme .
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San Sebastiano - Basilica Apostolorum . . . . San Pietro in Vaticano-die Peterskirche . . . . Sant' Agnese fuori le mura und das Mausoleum Constantia (Santa Costanza) . . . . . . . . . San Paolo fuori le mura -
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. . . . der . . .
Begräbnisbasilika des Apostels Paulus . . . . . . . . San Lorenzo fuori le mura eine Basilika aus zwei Kirchen . . . . .
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Santa Pudenziana Kirche mit bedeutendem Apsismosaik Santa Sabina Musterbeispiel einer christlichen Basilika . Santa Maria Maggiore Hauptkirche der Marienverehrung . . . . Santo Stefano Rotondo Rundkirche über einer römischen Kaserne Basiliken über römischen Häusern: San Clemente und Santi Giovanni e Paolo . Santi Cosma e Damiano Kirche zu Ehren der heiligen Ärzte Cosmas und Damian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV
Katakomben - ihre Entstehung, ihre >Architektur< und ihre Geschichte
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Beispiele frühchristlicher Reliefkunst
176
Steinreliefs Holzreliefs
176 195
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erklärung der im Text verwend eten Fachausdrücke . Literaturverzeichnis . Abbildungsnachweis . Zeittafel . . . . .. . Besichtigung frei gegebener Katakomben Kurze Geschichte frühchristlicher römischer Kirchen Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Früheste Zeugen christlicher Kultur und Kunst in Rom sind die Katakomben . So wie die Juden hatten auch die Christen Katakomben als Begräbnisstätten, aber der Name catacomba war ihnen unbe, was ,Schlafgemach,, ,Ruhe- )I_ kannt. Sie sprachen von eo~ stätte, bedeutet. Nur eines dieser Coemeterien hatte den Beinamen ad catacumbas, nämlich das von San Sebastiano, das in der Talsenke der Via Appia liegt. Da aber im Mittelalter nur dieses eine zugänglich und dadurch bekannt war, übertrug man den Namen auf alle unter- ). irdischen Begräbnisanlagen, so daß sie heute als Katakomben bezeichnet werden. 1 Die ersten Katakomben entstanden in der Zeit um 150. Wenn man eine Katakombe anlegen wollte, mußte man das Gelände besitzen. Anfangs waren es begüterte christliche Familien, die für sich und ihre oft armen Mitchristen Begräbnisanlagen schufen. Seit dem 3. Jahrhundert gab es auch Friedhöfe, die der christlichen Gemeinde gehörten. Die Katakomben bestehen aus langen unterirdischen Gängen aus Tuffstein. In diese sind übereinander loculi hineingeschlagen : Wandgräber, in die man die Toten - zumeist in Leinen gewickelt zur letzten Ruhe bettete. Gelegentlich waren auch zwei oder mehrere Tote in einem Loculus beigesetzt. Heute sind die meisten Loculi geöffnet und leer (Abb. 1). Es gibt aber auch solche, die noch verschlossen sind (Abb . 2). Um bei der Fülle der Wandnischen seinen Toten wiederzufinden, war es nötig, die Loculi zu kennzeichnen. Man tat das, indem man die Verschlüsse der Platten mit Mörtel überzog und in diesen bestimmte Gegenstände eindrückte. Dazu gehörten kleine Figuren, Perlenketten, Ringe, Spielwürfel und Münzen, die bisweilen zur Datierung des Grabes beitragen. So befand sich im Putz eines Locu-
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lus der Priscilla-Katakombe eine Münze mit dem Bild von Kaiser Alexander Severus (222-235), die leider gestohlen wurde (Abb. 3). Besonders schön sind die in den Mörtel gedrückten Goldgläser. Es handelt sich um Böden von Glasgefäßen, in die Bilder aus Blattgold eingelassen sind. Die Technik ist aller Wahrscheinlichkeit nach ' alexandrinischen Ursprungs und wurde von den römischen Christen angewandt, um religiöse Gestalten und Symbole darzustellen wie beispielsweise die hl. Agnes als Orans oder Orante, als Betende, in der Panfilo-Katakombe (Farbabb. 1). Nicht vergessen sein sollen aber auch die zahlreichen kleinen Flaschen, die in den Verputz gedrückt wurden und als Behälter für Öl oder duftende Essenzen dienten. Es gibt auch Grabverschlußplatten, die beschriftet sind: mit Namen und Segenssprüchen. Manchmal wurden Zeichnungen in sie .eingeritzt oder eingemeißelt, die religiöse Szenen zeigen, vor allem , aber Symbole wie das Ankerkreuz, das eucharistische Brot oder die \ Friedenstaube. Außer den Loculi, den Wandnischen, gibt es auch Gräber, die in den Boden hineingeschlagen sind. Man nennt ein solches Bodengrab \ forma. Im übrigen durchziehen die Katakombengänge nicht nur ein Stockwerk. Wenn kein Raum mehr für die Anlage neuer Gräber vorhanden war, legte man - zumeist von oben nach unten - ein zweites, drittes oder gar viertes Stockwerk an. Die Architektur der Katakomben - wenn man von einer solchen sprechen kann - fußt dabei auf zwei verschiedenen Grundprinzipien: Es gibt Coemete\ r'.en, die n~ch_ dem _so~enann_ten Ros:system (Abb. 4) konstruiert smd; dabei smd die m gleicher Richtung verlaufenden Gänge begrenzt und zugleich verbunden durch zwei fast parallele äußere Korridore, die ungefähr im rechten Winkel zu ihnen angelegt sind. Die andere Form bezeichnet man als Zweigsytem (Abb. S); dabei gehen von einem Mittelgang rechts und links Gänge wie Zweige von einem Baumstamm ab. Die Katakomben bestehen nicht ausschließlich aus langen Gängen. Hier und da befinden sich seitlich von diesen kleine überwölbte
Gang in der Katakombe Panfilo mit geöffneten Loculi C>
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Geschlossene Loculi in der Katakombe Panfilo
Kammern: die Cubicula. Wörtlich heißt cubiculum Schlafgemach. Es handelt sich also um Gemächer für den Totenschlaf, in denen eine Gruppe von Toten - manchmal vielleicht aus derselben Familie vereint ist. Abgesehen von den Loculi, die man in den Cubicula ebenso wie in den Katakombengängen antrifft, findet man hier häu10
Münze mit dem Bild von Kaiser Alexander Severus (222-235) im Mörtel eines Loculus der Katakombe Priscilla
figer als in den Gängen Arkosolgräber. Wie der Name besagt, überspannt bei einem arcosolium ein Bogen das Senkgrab eines Toten, sofern man nicht in die Bodennische ein solium, einen Steinsarg, stellte (Abb. 6). Die im Dunkel der Erde angelegten Coemeterien konnten nicht ganz ohne Licht und Luft auskommen. Deswegen legte man in bestimmten Abständen Lichtschächte an, luminaria, an deren Wänden die Fossores auch ein- und aussteigen konnten. Wer aber waren die Fossores? Ein fossor ':ar ~in Totengr~ber. \ Aber damit ist nicht alles gesagt. Er mußte Ja mcht nur Graber ausheben, sondern die Korridore und Cubicula, also die ,Architektur< der Katakomben mit schaffen, was sicherlich unter einer zentralen Oberleitung geschah, besonders bei den Coemeterien, die der 11
christlichen Gemeinde gehörten. Die Fossores sind selbst oft in den Katakomben dargestellt (Abb. 7). Ihre Werkzeuge und Geräte waren Spitzhacke, Tasche, Öllampe, Korb und Wasserbehälter. Man hat sich die Frage gestellt, ob die Fossores wohl Priester waren. Das ist höchst unwahrscheinlich. Aller Wahrscheinlichkeit nach aber gehörten sie zum niederen Klerus. Sie waren auch mit dem Wächteramt über die Coemeterien betraut, und seit der Zeit Konstantins lag der Grabverkauf in ihren Händen. Als jedoch in den Katakomben nicht mehr beigesetzt wurde, ging ihre Tätigkeit zu Ende. Heute aber, nachdem die verschütteten Katakomben ausgegraben sind und von der Wissenschaft erforscht werden, gibt es wieder Fossores. Sie sind bei Ausgrabungen beteiligt, sorgen für die Instandhaltung der unterirdischen Grabräume und führen die Wissenschaftler und Interessierten, welche die Erlaubnis haben, allgemein nicht zugängliche Katakomben zu besuchen, mit ihrer Lampe durch die dunklen Gänge. Mit dem Wort ,Katakomben< verbindet sich heute oft die Vorstellung des Untergrundes oder einer Zufluchtstätte. Diese Vorstellung hat ihre Ursache in der Annahme, daß sich die Christen in Verfolgungszeiten in den Katakomben verborgen und dort auch ihre Gemeindegottesdienste gefeiert haben, weil dem römischen Staat Begräbnisstätten heilig waren. Es ist nur sehr bedingt richtig, wenn man meint, die Katakomben seien vor staatlichen Eingriffen sicher gewesen. So war während der Christenverfolgung des Kaisers Valerian im Jahre 258 das Betreten der Coemeterien verboten, und Papst Sixtus II., der das Verbot nicht beachtete und eine Katakombe mit vier Diakonen aufsuchte, wurde nicht nur verhaftet, sondern auch zusammen mit seinen Begleitern sofort hingerichtet. Kaiser Diokletian ließ während der Verfolgungen im Jahre 303 die Katakomben sogar beschlagnahmen. Doch selbst wenn die Katakomben eine gewisse Sicherheit geboten hätten, wären in den engen Gängen und 1' den kleinen Cubicula Gemeindegottesdienste aus räumlichen Gründen kaum möglich gewesen. Zu Gottesdiensten„ Abendmahlsfeiern und Taufen versammelten sich die Gemeindemitglieder in den Hauskirchen, die der Polizei oft weniger bekannt waren als die unterirdischen Coemeterien. Es handelte sich bei ihnen ursprünglich zumeist um größere Räume in 12
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Schema des Rostsystems und Schema des Zweigsystems bei einer Katakombenanlage
Privathäusern wohlhabender Christen, die diese für kirchliche Zwecke zur Verfügung stellten und späterhin nicht selten der christlichen Gemeinde übereigneten. Die Katakomben dienten also ausschließlich der Bestattung und dem Kult der Toten. Auch hier fanden liturgische Feiern statt, aber nur in verhältnismäßig kleinem Kreis und zu Ehren der Verstorbenen. Wie es im alten Rom ganz allgemein Sitte war, kam man in den Coemeterien zum Totenmahl zusammen. Schon im 3. Jahrhundert ')( begann man aber damit, bei den Toten und vermutlich auch für sie die Eucharistie, also das Abendmahl, zu feiern. Im 3. Jahrhundert wurde es schließlich üblich, die Gräber der Märtyrer in den Katakomben aufzusuchen und an ihnen zu beten. Im 4. Jahrhundert hörten die Verfolgungen auf; denn Konstantin, der erste Christ unter den römischen Kaisern, gab im Jahr 313 durch das Toleranzedikt von Mailand den Christen Religionsfreiheit und Gleichberechtigung. Die Märtyrerverehrung in den Katakomben ) nahm jetzt noch zu. Sehr gefördert wurde sie durch Papst Dama13
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päpstliche Kommission, für Bewachung und Instandhaltung der Katakomben sowie für Neuausgrabungen zuständig. Das ,InstitutVilla piccola,. Dort befindet sich ein Raum aus der Zeit um 240, der die neue Liniendekoration voll entwickelt zeigt (Abb. 9). Decke und Wände sind von einem Netz von Linien überzogen, die den Gesamteindruck ausmachen und wesentlicher sind als die wenigen figürlichen Darstellungen. Die roten und grünen Linien auf weißem Grund lassen die Dekoration abstrakt erscheinen; und dieser neue Linienstil prägte die Wandmalerei in der Mitte des 3. Jahrhunderts. Wenden wir uns noch einmal der Decke in der Lucinagruft zu. Was ist vom Thema her eigentlich schon christlich? Die Köpfe, die aus Blütenkelchen hervorwachsen, die Masken und die Eroten sind es nicht. Doch wie verhält es sich mit dem Schafträger? Ist es der Gute Hirt, also Christus, der von sich gesagt hat: »Ich bin der gute Hirt. Ich kenne meine Schafe, und sie kennen mich, so wie der Vater mich kennt und ich ihn. Ich bin bereit, für sie zu sterben« Qoh. 10, 14-15)? Wenn man mit dem Schafträger Christus in der Allegorie des Guten Hirten hätte darstellen wollen, dann hätte man ihn wohl in die Mitte der Decke gestellt und nicht an de,1 Rand und nicht in doppelter Ausführung - in zwei der vier Ecken. Nun ist das Bild des Schafträgers in der Kunst viel älter als das \, Christentum. Man findet es bei den Hethitern wie bei den Griechen; .f- und auch die Römer kannten es - als Sinnbild der Philanthropie, der Menschenliebe. In diesem Sinne wollte wohl auch das Hirtenbild an der Decke der Lucinagruft verstanden werden. Dabei verband sich bei den Christen mit der Idee der Menschenliebe die Vorstellung von der Errettung. So ist der Schafträger auf dieser Darstellung Sinnbild für die Errettung des Menschen, auf welche die Christen hoffen, was sie am Ort des Grabes gern bildhaft ausdrückten. Ebenso wie sich in z.wei Ecken der Decke in der Lucinagruft die Gestalten des Schafträgers diagonal gegenüberstehen, nehmen die
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beiden anderen Ecken zwei betende Frauengestalten ein. Wir verbinden mit solchen Figuren die Vorstellung christlicher Oranten. Doch Darstellungen von Frauen mit erhobenen Händen gab es schon, als es noch keine christliche Kunst gab. Sie galten als Verkörperungen der pietas, der Frömmigkeit, und wurden oft mit Schafträ- X gern auf ein und demselben heidnisch-römischen Sarkophag dargestellt. In der Lucinagruft symbolisieren sie das Gebet vor Gott. Während es sich bei Schafträger und Orante um christlich umgedeutete Gestalten der heidnischen Welt handelt, stammt die Figur in der Deckenmitte als einzige aus dem biblischem Bereich. Sie verkörpert Daniel, der in der Zeit des Perserkönigs Darius wegen seines , Glaubens in eine Löwengrube geworfen wurde, dem aber die Löwen nichts antaten, weil »Gott ihnen den Rachen verschloß« (Daniel 6,2-29). Auch hier wieder geht es darum, am Ort des Grabes zur Verheißung für die Verstorbenen im Bild darzustellen, wie Gott den Menschen vom Tode errettet. Der Glaube an die Soteria, an die) Errettung vom ewigen Tode, ist das Hauptanliegen der jungen Kata- 1j kombenkunst. 11 9
Raum mit Liniendekorationen der >Villa piccola, unter der Basilika San Sebastiano. Um 240
Themen der Katakombenmalerei
Christusbilder Es versteht sich von selbst, daß für die junge christliche Gemeinde in Rom kein Bild wichtiger war als das von Jesus. Es hatte indes niemand eine Vorstellung, wie Jesus ausgesehen hat. Die Evangelien erzählen zwar, was er gesagt und was er getan hat; über sein Aussehen berichten sie jedoch nichts . Vermutlich hätte man Jesus auch nicht porträthaft dargestellt, wenn Authentisches über sein Gesicht und seine Gestalt überliefert worden wäre. Man hatte sich zwar nach anfänglicher Ablehnung zum Bild durchgerungen, wäre aber wohl nicht bereit gewesen, den Gottessohn porträtgleich darzustellen. Darum zeigen die ältesten Bilder Christus in symbolhafter Gestalt. \ C Mit besonderer Vorliebe malte man Christus in der Gestalt des X ) Guten Hirten. Das Bild des Schafträgers begegnete uns schon an der Decke des I?oppel-Cubiculums XY der Lucinagruft, aber dort nur als Sinnbild der Menschenliebe, der Errettung, der Soteria. Wenig später finden wir aber den Schafträger in einem anderen Cu iculum der Lucinagruft nicht mehr am Rande der bemalten Decke und in zweifacher Ausführung, sondern in ~ ng in der Mitte (Abb . 10). Hier nun kann man folgern, daß man mit dem Hirten Christus darstellen wollte, der gesagt hat: »Ich bin der gute Hirt« Qoh. 10,14). Es gibt im 3. und 4. Jahrhundert in den Katakomben eine große Anzahl von Bildern mit dem Guten Hirten. Daß dieser als Christus-Symbol verstanden werden will, beweisen oft die Figuren, die ihn umgeben. So sind um das Gute-Hirten-Bild in einem Deckengemälde der Katakombe Santi Pietro e Marcellino (Farbabb . 2) vier Oranten, also Betende, angeordnet und vier Szenen mit Jona, von dem Jesus gesagt hat : »So wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Seeungeheuers war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte in der Tiefe der Erde erborgen sein« (Matth. 12,40). Auch in der frühchristlichen Literatur wurde Christus immer wieder als Guter Hirt bezeichnet und gepriesen. So schrieb Clemens von Alexandrien (t vor 215): »Es ist aber Gott immer am Herzen gelegen, die Menschenherde zu retten. Deshalb sandte der gute Gott auch den guten Hirten.« 12 In einem Loblied aber nennt Clemens den
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Der Gute Hirt. Deckenmalerei in einem Cubiculum der Lucinagruft in der Katakombe San Callisto. 1. Hälfte 3. Jh.
Gottessohn »Hirte königlicher Lämmer«: und er fügt die Bitte an: »Führe die Schafe, die vernunftbegabt sind, heiliger Hirt, führe, König, die unberührten Kinder. «13 Für Clemens war der Gute Hirt auch Erzieher und Lehrer. Auch dazu gibt es Entsprechungen in der Kunst. Im H ypo~ ,degli ( A~ , befindet sich ein wunderschönes, fast ' impressionistisch • gemaltes Bild, auf dem der Hirt ganz anders als sonst erscheint. Es ist kein jugendlicher Hirt im knielangen Kittel mit einem Schaf auf den Schultern, sondern ein älterer bärtiger Mann, der das Pallium des Lehrers trägt und eine entfaltete Schriftrolle in den Händen hält. So ist also der Hirt, der auf einem Hügel oberhalb seiner Herde sitzt, ein Lehrer (Abb. 11 ). Aber ist dieser Lehrer ein Symbol für Christus? Es ist verständlicherweise oft nicht leicht, in den Katakomben festzustellen, wel- ) ehe Figuren symbolhaft Christus darstellen sollen. Manchmal lassen die Szenen, welche die Symbolfigur umgeben, Schlüsse zu. Nicht 27
selten gibt auch die frühchristliche Literatur Hinweise. So erinnert sich Johannes Kollwitz 14 angesichts des Bildes im Hypogaeum ,degli Aureli, an die Grabschrift des Aberkios von Hieropolis, der diese Ende des 2. Jahrhunderts im Alter von 72 Jahren für sich selbst verfaßt hat. Es heißt in dem in Marmor gemeißelten Text, von dem zwei Bruchstücke im Lateranmuseum des Vatikans aufbewahrt werden, der aber als Ganzes bekannt ist: »Mein Name ist Aberkios, der Schüler des heiligen Hirten, der Schafherden weidet auf Bergen und Ebenen, der große Augen hat, die überall alles durchdringen. Dieser hat mich gelehrt verläßliches Wissen ... « Es scheint, als ob der Hirt auf dem Wandbild im Hypogaeum ,degli Aureli, den heiligen Hirten verkörpern soll, der verläßliches Wissen lehrt. Und dieser Hirt, der als Lehrer erscheint, wäre dann kein anderer als Christus. Dafür spricht auch der Ort, an dem sich das Wandbild befindet. Das nicht sehr große Hypogaeum der Aurelier ist - wie man aus manchen Wandbildern entnehmen kann - höchstwahrscheinlich eine gnostische Katakombe. Die Sekte der christlichen Gnostiker war im 3. Jahrhundert sehr verbreitet. Nach ihrer Auffassung wurde die Menschheit nicht durch den Opfertod Christi erlöst, sondern ( durch die ,Gnosis TheoU Menschen vermittelte, womit er sie von der ,Agnosia,, der durch Sünde entstandenen Unkenntnis des Göttlichen, befreite. Auch in der offiziellen Kirche, welche die Sekte der Gnostiker ablehnte, war man von gnostischen Tendenzen beeinflußt. Sehr klar formuliert das Johannes Kollwitz, wenn er schreibt: »Für den, der von der Theologie der großen Väter des 4. Jahrhunderts herkommt, ist es immer wieder erstaunlich zu beobachten, eine wie geringe Rolle Tod und Kreuz Christi in der Erlösungslehre des 2. und 3. Jahrhunderts spielen. All das, was Paulus zu diesem Thema gesagt hatte, scheint zunächst ohne Nachwirkung geblieben zu sein. Nicht als ob man nicht um die Bedeutung des Kreuzestodes Christi wüßte; im Glaubensbekenntnis hat es seinen festen Platz und auch die Väter tuen seiner regelmäßig Erwähnung. Aber im Mittelpunkt ihrer Erlösungslehre steht es keineswegs. Sehr viel mehr spricht man von dem rechten Wissen und der rechten Lehre, die dem Menschen durch
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Der Hirt als Lehrer. Hypogaeum ,degli Aureliexpressionistischen, Tendenzen gehört auch die frontale Anord45
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nung der Figuren, die man seit Beginn des Jahrhunderts in römischen Kunstwerken - vor allem der Provinzen - findet, zum Beispiel auf dem Ehrenbogen der Severer in Leptis Magna in Nordafrika (203-204). 28 Frontalität bedeutet, daß man den Menschen nicht in ein Geschehen, eine Handlung einfügt, sondern zur Repräsentation oder Präsentation darstellt, hier zur Präsentation der Eucharistie. Es gibt auch Symbolgestalten in den Katakomben, die ihren Ursprung im Heidnischen haben. Zu ihnen gehören Eros und Psyehe, von denen es ein besonders schönes Bild in der Katakombe / Domitilla gibt (Farbabb. 12). Das Märchen von Eros und Psyche war schon in der hellenistischen Welt sehr beliebt. Als es im 2. Jahrhundert n. Chr. Apuleius in seine »Metamorphosen«, den ersten vollständig erhaltenen Roman der Antike, aufnahm, wurde es so populär, daß man es in Rom allgemein kannte. Es geht um Eros - lateinisch: Amor -, der sich entgegen dem Willen der Göttin Aphrodite in die Königstochter Psyche verliebte. 1 Nach Liebesglück und Trennung sorgte der Göttervater Zeus für ein glückliches Ende, indem er Psyche in den Himmel aufnahm, wo sie - mit Eros vereint - Unsterblichkeit erlangte. / Um Eros, der Liebe, willen wurde Psyche, die Seele, in den Himmel aufgenommen. Das entspricht auch christlicher Auffassung, so daß man am Ort der Toten, die auf Unsterblichkeit hoffen, Eros und Psyche getrost darstellen konnte. In der Domitilla-Katakombe finden wir die beiden, gefällig gemalt, als geflügelte Kinder in einer paradiesischen Welt von Blumen und Bfüten.
Oranten Kaum eine Figur ist in den Katakomben so oft dargestellt wie die Orans, die mit erhobenen Händen Betende. Auch bei den heidnischen Römern findet man diese Gestalt, und zwar in Sarkophagreliefs und auf Münzen. Ihr Name ist Pietas, und das bedeutet: Frömmigkeit, genauer gesagt: pflichttreues Verhalten gegen Gott und Mensch. Ebenso wie die Pietas ist auch die Orans - auch Orante genannt - eine Personifikation, und zwar des Gebetes. So verhält es sich, wenn auf der Decke im Doppel-Cubiculum XY der Lucinagruft die Orans zweimal als Gegenstück zum Schafträger dargestellt
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Orante. •Coemeterium lordanorum ad Sanctum Alexandrum ,. 1. Hälfte 4. Jh .
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Kopfbild einer zweiten Orante im ,Coemeterium lordanorum ad Sanctum Alexandrum, . 1. Hälfte 4. Jh.
ist (Abb. 8). Im ausgehenden 3. und 4. Jahrhundert hat man dann \ bestimmte Verstorbene als Oranten gemalt. Daß aber die Orans in dieser Zeit daneben immer noch als Personifikation im Bild erschien, beweist eine Decke in der Katakombe Santi Pietro e Marcellino, auf der um das Mittelbild mit dem Guten Hirten außer vier
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Jona-Szenen vier Oranten angeordnet sind, zwei weibliche und zwei männliche (Farbabb. 2). Zu den Bildern, auf denen Verstorbene als Oranten dargestellt sind, gehört eine Wandmalerei im sogenannten ,Cubiculum der fünf HeiligenVelatio-Grab, der Katakombe Priscilla. 2. Hälfte 3. Jh.
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Orante mit Kind. Sogenanntes ,Cubicolo della Madonna orante, im Coemeterium Maius. 1. Hälfte 4. Jh.
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Erweckung des Lazarus - Anbetung der Sterndeuter - Gelähmter mit Bahre Mose schlägt Wasser aus dem Felsen. Katakombe Domitilla
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Adam und Eva. Katakombe Santi Pietro e Marcellino. Ende 3. Jh.
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Der ruhende Jonas. Katakombe Santi Pietro e Marcellino. Ende 3. Jh. 23
Bileam und der Engel. Cubiculum F der Katakombe der Via Latina. Mitte 4. Jh .
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Büste Christi. Detail aus dem Wandbild, das Christus mit Petrus und Paulus sowie mit vier Märtyrern zeigt. Katakombe Santi Pietro e Marcellino. 4. Jh.
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Lamm Gottes. Detail aus dem Deckenmosaik in der Kapelle des Evangelisten Johannes im Baptisterium der Lateranbasilika (vgl. Abb. 36) . 5. Jh.
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Mausoleum der Quadriga. Heidnischer Grabraum unter der Peterskirche. 2. Jh. 27
Detail aus dem Streumustermosaik im Umgang von Santa Costanza (vgl. Abb. 68). Mitte 4 . Jh.
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Christus. Mittelteil des Apsismosaiks in Santa Pudenziana. Um 400
Abraham und die drei Männer im Hain Mamre. Mosaik im Langhaus von Santa Maria Maggiore. Nach 432
30 . Verkündigung und Anbetung der Sterndeuter. Detail aus dem Triumphbogenmosaik in Santa Maria Maggiore. Nach 432
31 Jerusalem. Detail aus dem Triumphbogenmosaik in Santa Maria Maggiore. Nach 432
Kunst. Das Byzantinische ist aber in Rom noch nicht so weit entwickelt wie in Ravenna, so daß man das Mosaik der Übergangszeit vom Frühchristlichen zum Byzantinischen zurechnen kann (Abb. 75). Dargestellt ist Christus als Pantokrator, als Allbeherrscher, der zwischen Petrus und Paulus auf der Weltkugel sitzt. Neben Petrus steht Laurentius und neben diesem Papst Pelagius II., der das Kirchenmodell in verhüllten Händen hält, zum Zeichen, daß er die Kirche des hl. Laurentius Christus darbringt. Neben Paulus hat der hl. Stephanus seinen Platz. Nach der Apostelgeschichte (7,58) hielt Paulus, als er noch Saulus war, die Oberkleider der Männer, die Stephanus steinigten. Zu Laurentius hat Stephanus eine ganz besondere Beziehung. Beide waren Diakone, beide erlitten das Martyrium, und schließlich soll der Leichnam, der neben dem des Laurentius im Grab liegt, der des Stephanus sein. Nach einer Legende kam er auf wunderbare Weise nach Rom, als dessen Stadtpatrone noch heute Stephanus und Laurentius gelten. Der Heilige, der seine Märtyrerkrone in verhüllten Händen hält, ist Hippolytus. Er war Kerkermeister des hl. Laurentius und wurde von diesem bekehrt, was seine Hinrichtung im Jahre 258 zur Folge hatte. Seine Reliquien kamen im Mittelalter nach Deutschland, zuerst nach Geresheim und dann nach Köln in die Kirche St. Ursula.
Santa Pudenziana - Kirche mit bedeutendem Apsismosaik
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Christus. Detail aus dem Apsismosaik in Santi Cosma e Damiano. 6. Jh .
In der Senke zwischen Viminal und Esquilin liegt die Kirche Santa Pudenziana. Hier soll der römische Senator Pudens ein Haus gehabt haben, in dem nach einer legendären Überlieferung Petrus des öfteren zu Gast war. Als Töchter des Senators gelten Pudentiana und Praxedes, die beide als Heilige verehrt werden. Im 2. Jahrhundert wurde mit dem Haus des Pudens eine Ther~enanlage verbunden, über der Papst Siricius (384-399) eine Basilika errichtete, welche Papst Innozenz I. (401-417) vollendete. Mehrfach wurde die Kirche restauriert und umgebaut. Ihre stärkste Veränderung erfuhr sie im 16. Jahrhundert. Damals wurde sie barockisiert, heute sind die in der Barockzeit ummantelten Säulen wieder so weit freigelegt, daß man sich vorstellen kann, wie die frühchristliche Basilika ausgesehen hat. 145
Santa Pudenziana ist vor allem bedeutsam durch ihr Apsismosaik, weil dieses das älteste noch erhaltene ist (Abb. 78). Leider hat das Mosaik bei seinen Restaurierungen stark gelitten, am stärksten in der Barockzeit. Nicht nur, daß fast alle Figuren auf .d er rechten Bildseite erneuert wurden, das Mosaik wurde auch verkleinert, so daß oben und unten sowie an den Seiten Teile fehlen. Dennoch gibt das Apsismosaik von Santa Pudenziana wichtige Aufschlüsse über die Bildwelt in den Apsiden der Basiliken. In der Mitte sitzt Christus auf einem mit Gemmen geschmückten Thron, und zwar auf einem Purpurkissen. Er trägt eine mit blauen Clavi geschmückte Tunica und darüber ein Pallium. Sein Haupt ist von einem Nimbus umgeben (Farbabb. 28) . Christus ist also dargestellt wie der römische Kaiser. Er ist der Basileus, der König, der Weltenherrscher. Darüber hinaus gleicht er auch einem Lehrer. Er hat die rechte Hand zum Redegestus erhoben, während die linke ein Buch hält, in dem die Worte stehen : DOMINUS CONSERVATOR ECCLESIAE PUDENTIANAE - Der Herr ist der Schützer der pudentianischen Kirche. So also wie die römischen Gottheiten als Schützer einer Stadt oder eines Gebietes deklariert wurden, wird Christus als Conservator einer seiner Kirchen bezeichnet. Die Gestalt Christi ist - abgesehen von kleinen Überarbeitungen, vor allem an Mund und Bart - noch original. Es fehlt ihr nicht jene Eleganz, welche die spätrömische Kunst im theodosianischen Zeitalter auszeichnet. Von den zwölf Aposteln sind durch die Verkleinerung des Mosaiks nur noch zehn erhalten, deren Aussehen durch Überarbeitung oder Erneuerung der Gestalten teilweise verändert worden ist. Auch fehlen ihre Unterkörper. Wie wir durch eine Zeichnung von Ciacconio aus dem Jahr 1599 wissen, bildete den unteren Abschluß des Bildes eine Szene mit dem apokalyptischen Lamm und der Taube des Heiligen Geistes. Mit dem Fortfall dieser Szene wurde der Sinngehalt des Bildes eingeschränkt. Den Hintergrund des Mosaiks bildet nämlich der Golgathahügel mit dem Triumphkreuz und das neue, das himmlische Jerusalem. Von diesem aber heißt es in der Apokalypse, der Offenbarung an Johannes, es sei die »Frau des Lammes« (21,9). Der Verfasser der Apokalypse berichtet von einem Engel, der sich ihm genähert und gesagt habe: »Komm her! Ich werde dir die Braut zeigen, die Frau des Lammes. - Der Geist nahm 146
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Santa Pudenziana. Apsismosaik. Um 400
von mir Besitz, und in der Vision trug mich der Engel auf die Spitze eines sehr hohen Berges. Er zeigte mir die Heilige Stadt Jerusalem, die von Gott aus dem Himmel herabgekommen war. Sie strahlte die Herrlichkeit Gottes aus und glänzte wie ein kostbarer Stein, wie ein kristallklarer Jaspis. Sie war von einer sehr hohen Mauer mit zwölf Toren umgeben ... Die Stadtmauer war auf zwölf Grundsteinen errichtet, auf denen die Namen der zwölf Apostel des Lammes standen « (21,9-14) . So war das heute nicht mehr vorhandene Lamm ein ganz wesentlicher Bestandteil des Bildes. Apokalyptischen Ursprungs sind auch die vier Flügelwesen am Himmel über dem neuen Jerusalem. Leider sind die beiden äußeren durch die Verkleinerung des Mosaiks nur noch teilweise vorhanden. Es handelt sich bei den Wesen mit Flügeln um einen Menschen, einen Löwen, einen Stier und einen Adler - Symbole für die vier Evangelisten, und zwar für Matthäus den Menschen, für Markus den Löwen, für Lukas den Stier und für Johannes den Adler. 147
Symbolgestalten sind auch die zwei Frauen, die hinter Petrus und Paulus stehen und goldene Lorbeerkränze über ihre Häupter halten. Die Frau hinter Petrus verkörpert die ecclesia ex circumcisione, die Kirche aus der Beschneidung, also die Judenkirche; die Frau hinter Paulus symbolisiert die ecclesia ex gentibus, die Kirche aus den Heidenvölkern. Diesen beiden Frauengestalten werden wir in anderer Form auch in der Kirche Santa Sabina begegnen.
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Santa Sabina - Musterbeispiel einer christlichen Basilika Santa Sabina liegt auf dem Aventin und läßt noch heute erkennen, wie eine christliche Basilika zur Zeit ihrer Entstehung ausgesehen hat. Allerdings: Auch diese Kirche wurde - wie fast alle römischen Basiliken der christlichen Frühzeit - im Mittelalter und in der Barockzeit stark verändert, aber bei Restaurierungsarbeiten von 1914 bis 1919 und von 1936 bis 1938 stellte man den alten Zustand in den wesentlichen Teilen wieder her. Die Kirche wurde über den Resten eines römischen Wohnhauses errichtet, zu dem vermutlich eine Hauskirche jener Sabina gehörte, von der das »Martyrologium Romanum« berichtet, daß sie »unter dem Kaiser Hadrian mit dem Schwert durchbohrt wurde und so die
79 Santa Sabina. 1. Hälfte
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Santa Sabina. Innenraum
Palme des Martyriums empfing«. Der Außenbau läßt schon die Struktur des Innenraumes erkennen. Es handelt sich um eine dreischiffige Basilika, deren Mittelschiff mit einer ausladenden Apsis verbunden ist (Abb. 79). Erbaut wurde die Kirche von einem illyrischen Priester namens Petrus zur Zeit von Papst Coelestin I. (422-432). Man betritt die Kirche heute durch eine Vorhalle, deren Tür aus Zypressenholzplatten besteht, die zu den erlesensten Werken frühchristlicher Holzskulptur gehören und die im Kapitel »Beispiele frühchristlicher Reliefkunst« gesondert besprochen werden. Der Innenraum von Santa Sabina ist in drei Schiffe gegliedert, die durch kannelierte Säulen mit korinthischen Kapitellen voneinander getrennt sind (Abb. 80). Es ist umstritten, ob diese aus einem römischen Bauwerk des 2. Jahrhunderts stammen oder eigens für die Kirche angefertigt wurden. Unbeantwortet muß auch die Fragebleiben, ob die Basilika früher einen offenen Dachstuhl hatte oder ob sie wie heute eine Kassettendecke trug. Der Obergaden mit seinen gro149
Santa Sabina. Widmungsinschrift an der Eingangswand
ßen Fenstern spendet dem Raum ein helles Licht. Dieses strömt durch kleine Scheiben aus Selenit ein, die in ein nach alten Mustern nachgebildetes Gitterwerk eingesetzt sind. Die Fenster in den Seitenschiffen wurden erst in der Zeit der Romanik eingefügt. Leider ist das alte Apsismosaik nicht mehr erhalten. Es wurde 1559 durch ein barockes Fresko von Taddeo Zuccari ersetzt, das Christus im Kreis von Aposteln, Heiligen und Kirchenfürsten zeigt und stilmäßig überhaupt nicht in eine frühchristliche Basilika paßt. 82a
ECCLESIA EX CIRCUMCISIONE. Detail aus dem Mosaik in Santa Sabina
Auch die Mosaiken, welche die Wandstreifen der Längsseiten des Mittelschiffs unterhalb der Fenster schmückten, sind verloren. Erhalten blieb nur das Mosaik an der Eingangswand. Es besteht aus der Widmungsinschrift, die von zwei Frauen flankiert wird (Abb. 81). Der Text lautet in deutscher Übersetzung: »Als Coelestin den höchsten Rang der Apostolischen Würde bekleidete und in der ganzen Welt als erster unter den Bischöfen erstrahlte, schuf dieses Wunderwerk ein Priester illyrischer Herkunft, Petrus mit Namen, und seines Namens 82b
ECCLESIA EX GENTIBUS. Detail aus dem Mosaik in Santa Sabina
bener Hand dargestellt. Es sind Frauen mit der gravitas, der Würde, römischer Matronen. Original erhalten ist auch der Fries mit Marmorinkrustationen, der über den Säulen und Bögen des Mittelschiffs verläuft (Abb. 83). Es handelt sich also um ein opus sectile, um eine Arbeit aus zugeschnittenen farbigen Platten. Der obere Streifen besteht aus geometrischen Mustern, aus Kreisen, Rechtecken und Rhomben. Darunter wird eine Mauer aus ZiegelIII III steinen vorgetäuscht, auf der über III III den Säulenkapitellen Zeichen anil II gebracht sind, die den militärilil III schen Insignien der Römer gleiIII III chen. Da sie mit einem Kreuz verIII III sehen sind, werden sie als SiegesIII III zeichen des christlichen Glaubens III III gedeutet. 25 III III Aufschlußreich ist auch der 20 III III Grundriß der frühchristlichen Basilika (Abb. 84). Santa Sabina III III 15 besteht nicht aus fünf, sondern III III 10 aus drei Schiffen. Die Kirche besitzt auch kein Querhaus. Als ein:,:, ,, :: fache Gemeindekirche konnte sie O m ll~·-::0:::9::: 6.Jh.
Die übrigen Gestalten stehen am Ufer eines Flusses, auf dem Rosen, Lilien und Dattelpalmen angepflanzt sind. Der Fluß ist inschriftlich als IORDANES bezeichnet, also als Jordan, mit dem sich die Vorstellung von der Taufe und damit von der Erlösung von der Erbsünde verbindet. Am Ufer stehen Petrus und Paulus. Sie haben die eine Hand zu Christus hin erhoben, mit der anderen führen sie die heiligen Ärzte zu ihm hin. Beide Brüder halten ihre Märtyrerkronen in verhüllten Händen. Auf der rechten Bildseite steht noch eine weitere Gestalt, die ihre Märtyrerkrone darbietet. Es ist der heilige Theodor, den die Legende zum Bruder des heiligen Georg gemacht hat und von dem man kaum mehr weiß, als daß er das Martyrium erlitten haben soll. Auf der linken Bildseite sieht man Papst Felix IV. Diese Partie des Mosaiks erfuhr mancherlei Veränderungen. Ursprünglich war FelixIV. dargestellt, im 16.Jahrhundert hat man ihn gegen Papst Gregor den Großen ausgetauscht, um im 17.Jahrhundert abermals FelixIV. in das Mosaik einzusetzen, nun aber in barocker Ausführung. Der Papst trägt das Kirchenmodell in seinen Händen, zum Zeichen, daß er die von ihm gegründete Kirche dem Herrn darbringt. Auf der linken Palme sitzt ein Vogel, dessen Kopf ein Nimbus umgibt, der als Stern gestaltet ist. Es handelt sich um einen Phönix. Da er nach einer ägyptischen Legende sich selbst verbrannte, um aus seiner Asche verjüngt neu zu erstehen, gilt er als Symbol der Auferstehung. Im unteren Teil des Mosaiks ist Christus noch einmal dargestellt, und zwar im Symbol des Opferlammes. Dieses ist mit einem Nimbus ausgezeichnet und steht auf einem Hügel, von dem die vier Paradiesflüsse ausgehen. Von rechts und links kommen je sechs Lämmer, welche die Apostel symbolisieren. Sie kommen aus den geöffneten Stadttoren von Jerusalem und Bethlehem. Es ist ratsam, einige Gestalten noch aus größerer Nähe zu betrachten. Zu einer Gruppe zusammengeschlossen sind Petrus und Cosmas (Abb. 97). Der mit Tunica und Pallium bekleidete Petrus hat seine rechte Hand zu Christus hin erhoben und seine linke auf die Schulter von Cosmas gelegt. Dieser trägt einen purpurnen Mantel, in den er seine Hände hüllt, die eine Krone halten. Ebenso wie dem römischen Kaiser, dem Geschenke nur mit verhüllten Händen überreicht wurden, durfte man auch Christus nicht mit bloßen 174
Händen etwas darbieten. Hier ist es eine Krone aus goldenem Laub mit einem Stirnjuwel, die Cosmas durch sein Martyrium errungen hat und die er nun Christus entgegenbringt. An seinem linken Handgelenk hängt eine kleine Tasche, die ihn als Arzt ausweist. Die gut durchmodellierten Gesichter der beiden Männer sind beeindruckend. Obwohl selbst keine Porträts, zeigen sie doch, daß ihre Meister sich auf die Porträtkunst verstehen. Diese gehörte immer zu den bevorzugten Gebieten römischer Kunsttätigkeit, und zwar von der Frühzeit bis zur Spätantike. Die beherrschende Figur in der Mitte des Mosaiks ist Christus (Abb. 98 und Farbabb. 32). Angesichts dieser machtvollen Gestalt erinnert man sich an die Worte des Evangelisten Matthäus (24,30), der vom Menschensohn spricht, der »auf den Wolken des Himmels mit göttlicher Macht und Herrlichkeit« erscheint. Christus trägt ein goldenes Gewand und ist durch einen bläulich umrandeten goldenen Nimbus ausgezeichnet. Er hat die rechte Hand zum Redegestus erhoben und hält in der linken eine Schriftrolle. Sein Gesicht ist von gescheiteltem Haar und einem Bart gerahmt. Die Züge sind markant und wunderbar klar. Der Körper hat noch ein gewisses Volumen. Er wirkt noch nicht flächig wie in der nachfolgenden Zeit byzantinischer Kunst. Die weitgeöffneten Augen, die wie aus einer anderen Welt in das Irdische hineinblicken und die auch die übrigen Figuren des Mosaiks auszeichnen, deuten indes bereits auf Byzantinisches hin. So hat das Apsismosaik der Kirche Santi Cosma e Damiano seinen Platz an der Grenze zwischen spätrömisch-frühchristlicher und byzantinischer Kunst.
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Beispiele frühchristlicher Reliefkunst
Steinreliefs Es gibt eine reiche Fülle frühchristlicher Steinreliefs, die man vor allem auf Sarkophagen findet. Allein in Rom stehen in Kirchen und Museen so viele Sarkophage, daß von ihnen im Rahmen dieses Buches nur einige besonders typische behandelt werden können. Schon in vorkonstantinischer Zeit wurden christliche Sarkophage geschaffen. Zu ihnen gehört ein Philosophen-Sarkophag, der in der Kirche Santa Maria Antiqua auf dem Forum Romanum steht (Abb. 99). Philosophen-Sarkophage gab es bereits in der heidnischen Antike. In ihnen war nicht immer ein Philosoph bestattet. Man liebte es- besonders in der zweiten Hälfte des 3.Jahrhunderts -, sich als Philosoph darstellen zu lassen, auch wenn man keiner war. Die Steinmetzen und Bildhauer hatten in ihren Werkstätten einen gewissen Vorrat an fertigen Sarkophagen, auch Philosophen-Sarkophagen. Bei ihnen wurde der Kopf des ,Philosophen