111 17 32MB
German Pages [360] Year 2002
$
Arbeiten zur Geschichte des Pietismus Im Auftrag der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus
Herausgegeben von Martin Brecht, Christian Bunners und Hans-Jürgen Schrader
Band 38
Vandenhoeck & Ruprecht
Eckhard Düker
Freudenchristentum Der Erbauungsschriftsteller Stephan Praetorius
Vandenhoeck & Ruprecht
Meinen Kindern Philipp, Florian und Lukas
Umschlagabbildung: Detail aus dem gotischen Kirchenfenster in St.Katharinen, Salzwedel (Foto: Eckhard Düker)
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-525-55822-8
© 2003, Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen. www.vandenhoeck-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Stephan Praetorius Anonymer Kupferstich aus der Theologia Pastoralis Practica, 41. Stück Portraitarchiv Diepenbroick, Westfälisches Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte, Münster (Foto: S. Ahlbrand-Dornseif)
Vorwort
Stephan Praetorius gehört in der Kirchen-, Theologie- und Frömmigkeitsge~ schichte der nachreformatorischen Zeit zu den bislang eher unentdeckten Gestalten. Umso lohnender und reizvoller ist es, sein Werk und seine Wirkung genauer zu untersuchen und dabei festzustellen, wie sehr er aus dem traditionellen Raster von Spätreformation und beginnender Orthodoxie herausfällt und einen eigenen Typus lutherischer Frömmigkeitslehre und Frömmigkeitspraxis entwickelt. Dass in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus einem humanistisch-melanchthonisch geprägten Umfeld heraus eine neue, auf einem Freudenchristentum basierende Frömmigkeitstheologie entstand, die angesichts einer krisenhaften Zeit durch ihre optimistische Grundhaltung und ihre sprachrnächtige Gestalt ihre Anhänger faszinierte, ist bislang noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Als Erbauungsschriftsteller aus Salzwedel wurde Stephan Praetorius von Johann Arndt einer breiteren literarischen Öffentlichkeit bekannt gemacht, aber erst Martin Statius hat durch seine Bearbeitung der gesammelten Schriften mit der "Geistlichen Schatzkammer der Gläubigen" dem theologischen Denken von Praetorius im 17. Jahrhundert den Durchbruch verschafft. Spuren seiner Wirksamkeit lassen sich quer durch den Pietismus verfolgen, von dem radikalen Friedrich Breckling bis hin zu Philipp Jakob Spener, der Praetorius bzw. Statius weitgehend gegenüber den Angriffen aus der lutherischen Orthodoxie in Schutz nahm. Doch nicht nur eine Vielzahl von Auflagen in Deutschland, sondern Übersetzungen im gesamten nordeuropäischen Raum fanden eine breite Anhänger- und Leserschaft, insbesondere in den lutherischen Kreisen. In Württemberg sammelte sich am Anfang des 19. Jahrhunderts um den Pfarrer Christian Gottlob Pregizer eine christliche Gemeinschaft, die unter dem Namen "Juchhe-Christen" fiir ihre fröhliche und glaubensfrohe Lebensart bekannt wurden. Auch sie beriefen sich auf den Salzwedeler Pfarrer Praetorius. Seine Wirkung reicht somit vom 16. bis in das 19. Jahrhundert hinein. Vielfach als Vorläufer des Pietismus verstanden, galt es dennoch, sein eigenes Profil herauszuarbeiten und ihn nicht nur fiir die Diskussion um die Frömmigkeitsbewegung des 17. Jahrhundert fruchtbar zu machen. Die Aufgabe war weit gesteckt. Allein die Erstellung einer Bibliographie der weit verstreuten Einzelschriften von Praetorius erforderte eine umfangreiche Recherche, deren Ergebnis sehr erfreulich ist. Einige bislang unbekannte Schätze konnten - u.a. in Salzwedel - gehoben werden. Auch die "Spurensu-
7
che" in der Wirkungs geschichte von Praetorius brachte manch überraschendes Ergebnis zutage. Insgesamt ist so ein umfassenderes Bild von Werk und Wirkung eines Theologen entstanden, der zu den gesuchten Personen im Übergang von der späten Reformation zur beginnenden neuen Frömmigkeitsbewegung gehört. Die vorliegende Arbeit wurde 1998 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Sie wurde angeregt und betreut von Herrn Professor Dr. Martin Brecht in Münster, der das Erstgutachten erstellte. Ihm bin ich an erster Stelle für seine geduldige und ermunternde Begleitung, seine wertvollen Hinweise und Anregungen und sein persönliches Engagement zu großem Dank verpflichtet. Auch während meiner pfarramtlichen Ausbildung und beruflichen Tätigkeit hat er mich durch seine umsichtige und kompetente Beratung unterstützt und gefördert. Zu danken habe ich auch der GraduiertenfOrderung des Landes Nordrhein-Westfalen, deren Stipendiat ich sein durfte. Herr Professor Dr. Gotthold Müller, Würzburg hat mich aufgrund seines persönlichen Interesses in meiner Arbeit bestärkt und mir manch guten Hinweis gegeben. Der Evangelischen Kirchengemeinde St. Katharinen in Salzwedel gilt mein besonderer Dank, die mir in freundschaftlicher Weise die Benutzung ihrer alten Kirchenbibliothek frühzeitig ermöglicht hat. Auch die Universitäts- und Landesbibliothek Münster, die Thüringische Landes- und Forschungsbibliothek Gotha sowie die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel haben mir bei der mühsamen Suche nach den verstreuten Einzeltraktaten geholfen. Herr Professor Dr. Albrecht Beutel hat ein detailliertes Zweitgutachten erstellt, das mir bei der Überarbeitung für den Druck sehr dienlich war. Zu danken habe ich auch Herrn Archivdirektor i.R. D. Dr. Gerhard Schäfer und Herrn Professor Dr. Hans Schneider, die mir für die Aufnahme in die Reihe "Arbeiten zur Geschichte des Pietismus" behilflich waren, sowie dem Verlag Vandenhoeck und Ruprecht. Von der Evangelischen Kirche von Westfalen wurde mir freundlicherweise ein Druckkostenzuschuss zur Verfügung gestellt. Schließlich soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass meine gesamte Familie das Werden und Vollenden der Arbeit mit viel Geduld und großem Verständnis begleitet und somit auch zum Gelingen beigetragen hat. Paderborn am Abdinghof, im Herbst 2002
8
Eckhard Düker
Inhalt Erster Teil- Leben und Werk von Stephan Praetorius I.
Einleitung .................................................................................................... 13 1. Die Fragestellung .................................................................................. 13 2. Die Forschungsgeschichte ..................................................................... 16 3. Die Methodik und das Ziel... ................................................................. 23
11. Biographie .................................................................................................. .26 1. Herkunft, Familie und Schulbildung (ca. 1542-1558) .......................... 26 2. Das Studium in Rostock (1558-1565) .................................................. 31 3. Diakon in der Altstadt Salzwedel (1565-1569) ................................... .42 4. Das Pfarramt in der Neustadt Salzwedel (1569-1603) ........................ .43 5. Die Visitationen in Salzwedel ............................................................... 54 6. Das Lebensende (1603) ......................................................................... 63 III. Die lateinischen Schriften ........................................................................... 65 1. Vorbemerkung ....................................................................................... 65 2. Schriften für Schule und Studium ......................................................... 65 2.1 Tabella breuiter eompleetens praecipuas promissiones Euangelii (1568) ............................................................................. 65 2.2 Historia de origine ae turpidine baeehanaliorum (1569) .............. 66 2.3 Organon eloquentiae (1570) .......................................................... 67 2.4 Historiae familiares (1572) ............................................................ 68 2.5 Ordo studiorum (1574) ................................................................... 70 2.6 Zusammenfassung .......................................................................... 77 3. Lateinische Lehr- und Trostschriften .................................................... 78 3.1 Vorbemerkung ................................................................................ 78 3.2 Luscinia eantatrix (1574) ............................................................... 79 3.3 Rosa nobilis (1577) ......................................................................... 86 3.4 Lilium eonvallium (1578) ............................................................... 91 3.5 Cantabrieae eoelestes (Frühjahr 1600) ........................................ 105 3.6 Das Florilegium Aureae guttae (um 1600) ................................... 109
IV. Die deutschen Schriften ............................................................................ 111 1. Vorbemerkung ..................................................................................... 111 2. Trostschriften an Leidens- und Berufsgruppen ................................... 112 2.1 Trostschrift an Verfolgte .............................................................. 112 2.2 Trostschrift an See- und Kaufleute ............................................... 116 2.3 Trostschriften an Witwen und Waisen ........................................ .122
9
2.4 Trostschriften an Kranke und Sterbende ...................................... 126 2.5 Trostschriften angesichts der türkischen Bedrohung ................... 128 3. Gemeindepredigten im Kirchenjahr ................................................... 130 3.1 Predigten im Weihnachtsfestkreis ................................................ 131 3.2 Predigten in der Passions- und Osterzeit ..................................... 137 3.3 Predigten zu Pfingsten ................................................................. 154 4. Dogmatische Schriften ....................................................................... 159 4.1 Schriften zu den Sakramenten ..................................................... 159 4.2 Schriften zum neuen Leben der Gläubigen .................................. 164 4.3 Katechetische Schriften ............................................................... 185 4.4 Hymnische Schriften .................................................................... 188 4.5 Eschatologische Schriften ............................................................ 195 V. Zusammenfassende Bemerkungen zum theologischen und sozialgeschichtlichen Profil von Stephan Praetorius ......................................... 204
Zweiter Teil- Die Rezeption und Wirkung der Praetoriusschriften I.
Die Ausgabe der Praetoriusschriften von Johann Arndt.. ........................ 210 1. Vorbemerkung .................................................................................... 210 2. Die Ausgabe von 1621/22 .................................................................. 211 2.1 Die Druckgeschichte .................................................................... 211 2.1 Die Intention und die Adressaten der Arndtausgabe ................... 212 2.3 Die Rezeption von Praetorius bei Johann Arndt.. ........................ 216 3. Weitere Ausgaben von Praetoriusschriften ........................................ 218 4. Frühe Zeugnisse für die Rezeption der Praetoriusschriften ............... 221
11. Die Geistliche Schatzkammer (1636) von Martin Statius ........................ 225 1. Die Entstehung ................................................................................... 225 2. Der Inhalt. ........................................................................................... 230 3. Die Danziger Streitigkeiten ................................................................ 234 III. Spuren der Rezeption der Praetoriusschriften bzw. der Geistlichen Schatzkammer in Deutschland ................................................................. 237 1. Die Aufnahme bei den Spiritualisten des 17. Jh................................. 237 1.1 Augustin Fuhrmann und Johann Theodor von Tschesch ............. 237 1.2 Friedrich Breckling ...................................................................... 238 1.3 Gottfried Arnold ........................................................................... 239 2. Zustimmung und Ablehnung in der lutherischen Orthodoxie ............ 240 2.1 Samuel Steiner (Statius continuatus) ........................................... 240 2.2 Arnold Mengering ........................................................................ 242 2.3 Gottfried Olearius ........................................................................ 243 2.4 Christian Scriver .......................................................................... 244 2.5 Georg Konrad Dilfeld und Heinrich Ammersbach ...................... 245
10
3.
4.
5. 6.
2.6 Konrad Tiburtius Rango .............................................................. .248 2.7 Samuel Schelwig ......................................................................... .250 2.8 Johann Heinrich Feustking und Johann Hermann von EIswich .. .250 Beurteilung und Empfehlung der Geistlichen Schatzkammer durch Philipp Jakob Spener ................................................................ .251 3.1 Die Lehre von der geschenkten Seligkeit.. .................................. .251 3.2 Die Begegnung mit der Geistlichen Schatzkammer .................... .251 3.3 Die Empfehlungen der Traktate von Andreas Cramer und die Entfaltung einer evangelischen Predigtmethode ............ .253 3.4 Die Revokationsformel von Stephan Praetorius und Speners Kritik ........................................................................ 255 3.5 Speners Empfehlungen und Verteidigung der Geistlichen Schatzkammer ...................................................... 260 3.6 Die Durchführung der Predigtmethode bei Spener ...................... 265 3.7 Speners Abgrenzung gegenüber dem Antinomismus ................... 268 3.8 Die Rezeption und Bedeutung der Praetoriusschriften bei Spener ..................................................................................... 270 Der Hallische Pietismus ......................................................................272 4.1 August Hermann Francke .............................................................272 4.2 Die Ausgabe der lateinischen Praetoriusschriften von 1724 ........ 274 4.3 Johann Porst ..................................................................................278 4.4 Johann Jakob Rambach ................................................................280 4.5 Johann Adam Steinmetz ............................................................... 282 4.6 Samuel Lau ................................................................................... 284 4.7 Saalfelder Pietismus ..................................................................... 285 4.8 Karl Heinrich von Bogatzky ........................................................ .286 4.9 Ostpreußen .................................................................................... 286 Die Herrnhuter Brüdergemeine ........................................................... 287 5.1 Johann GangolfWilhelm Forstmann ............................................ 287 Württemberg ........................................................................................ 287 6.1 Johann Konrad Brotbeck .............................................................. 287 6.2 Tobias Wagner und die Ausgabe des Lilium convallium von 1676 ....................................................................................... 288 6.3 Christian Eberhard Weismann ...................................................... 289 6.4 Die "Poesie" Georg Conrad Pregitzers ......................................... 290 6.5 Die weitere Verbreitung ............................................................... 291 6.6 Christian Gottlob Pregizer und die "Seligen" ............................... 291 6.7 Komtal ......................................................................................... .294
IV. Verbreitung und Wirkungen in Europa..................................................... 295 1. Die Wirkung in der Schweiz ............................................................... 295 2. Die Verbreitung in Skandinavien ........................................................ 295 V. Die Bedeutung der Praetoriusschriften und der Geistlichen Schatzkammer rur den Pietismus ..............................................................299 11
Dritter Teil - Anhang
I.
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ 302 1. Eigene Abkürzungen .......................................................................... 302 2. Bibliothekssigel .................................................................................. 303
11. Schriftenverzeichnis von Stephan Praetorius ........................................... 304 1. Einzelschriften .................................................................................... 304 2. Die Ausgaben der Gesammelten Schriften von Stephan Praetorius .. 316 3. Kleine Sammlungen von Schriften von Stephan Praetorius ............... 319 4. Die deutschen Ausgaben der Geistlichen Schatzkammer ................... 320 5. Die fremdsprachigen Ausgaben der Geistlichen Schatzkammer ........ 323 5.1 Dänemark ..................................................................................... 323 5.2 Norwegen ..................................................................................... 323 5.3 Schweden-Finnland (schwedische Übersetzung) ........................ 324 5.4 Weitere schwedische Übersetzungen von Auszügen aus der Geistlichen Schatzkammer ........................................................... 325 5.5 Finnland (schwedische Übersetzung) .......................................... 325 5.6 Finnland (finnische Übersetzung) ................................................ 325 5.6.1 Übersetzung Gustav Dahlberg (5 Ausgaben von 1852-1900) ............................................ 325 5.6.2 Andere Übersetzung (2 Ausgaben 1900-1912) ................. 326 5.6.3 Dritte Übersetzung der Stuttgarter Staudt-Ausgabe von 1869 (5 Ausgaben von 1900-1957) ............................ 326 5.7 Litauen ......................................................................................... 326 III. Literaturverzeichnis .................................................................................. 327 1. Quellen ............................................................................................... 327 2. Hilfsmittel ........................................................................................... 336 3. Sekundärliteratur ab 1800 ................................................................... 338 IV. Register .................................................................................................... 349 1. Personen ............................................................................................. 349 2. Orte ..................................................................................................... 356 3. Bibelstellen ......................................................................................... 358 4. Außerkanonische Stellen .................................................................... 360
12
Erster Teil Leben und Werk von Stephan Praetorius
1. Einleitung 1. Die Fragestellung "Ich Stephanus Praetorius ruffe aus/ mit voller stimm! als mit einer grossen Posaunen/ vber die gantze Welt/ das vns Gott schon selig gemacht habe/ in der Tauffe/ durch den Glauben an seinen lieben Sohn/ vnsem Heyland/ Vnd scheme mich solchs Evangelions nicht. Denn wer an Jesum Christum gleubetl vnd getaufft ist/ der hat alles was er haben sol! vnd ist selig. Wer aber nicht gleubet/ noch getaufft ist/ der suche sein Heyl/ biß das ers finde/ denn er ist verdampt."l
Mit diesem Bekenntnis leitete der Salzwedeler Pfarrer Stephan Praetorius (um 1536-1603) eine Predigt aus dem Jahr 1591 ein, die Vom wahren Glauben/vnd seiner Krajji: Das ist/ Von der Christen Seligkeit handelte. Die gegenwärtige Seligkeit des Christen aufgrund seiner Taufe war für Praetorius das zentrale Thema seines theologischen Denkens und Handeins. Mit dieser Betonung der Predigt des Evangeliums wollte er die von ihm gleichermaßen geschätzte lutherische und melanchthonische Theologie in der nachreformatorischen Zeit für die Frömmigkeit und das Leben seiner Zuhörer und Leser fruchtbar machen.2 Sein Leben und Wirken in den letzten Jahrzehnten des 16. Jh. macht ihn für die kirchengeschichtliche Forschung interessant. Ebenso wie bei dem schlesischen Pfarrer und Erbauungsschriftsteller Martin Moller (1547-1606) fällt die Zeit seines Wirkens in eine Phase des Übergangs von der Spätreformation zur Frühorthodoxie. 3 Während der spätreformatorischen Auseinandersetzungen um die Konkordienformel und inmitten des Streites zwischen Gnesiolutheranern und Philippisten, zwischen Antinomern, Majoristen und den Anhängern Andreas Osianders entstand eine Frömmigkeits- und Erbauungsliteratur, die augenscheinlich gar nicht in die herkömmlichen Schemata hineinpasste, weil sie AA, I, 188 (Tr. 7). "Nachreformatorisch" wird hier im zeitlichen Sinn verstanden, d.h. nach Abschluss des Augsburger Religionsfriedens (1555), vgl. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 113. 3 Vgl. Brecht, Neue Frömmigkeit und Gemeindesituation, 219. 1 2
13
größtenteils auf konfessionelle Polemik verzichtete. Wodurch wurde diese Frömmigkeitstheologie hervorgebracht und was waren ihre Wurzeln? In der neueren Forschung werden die letzten Jahrzehnte des 16. Jh. in frömmigkeitsgeschichtlicher Hinsicht häufig als eine Zeit des Umbruchs bzw. der "Krise" diskutiert. 4 Aus diesem Umbruch ging die durch Johann Arndt (1555-1621) begründete "Frömmigkeitsbewegung" hervor. In diesem Umfeld sind auch Martin Moller, Philipp Nicolai (1556-1608) und Stephan Praetorius zu nennen. Allen gemeinsam war eine eigenständige Frömmigkeits- oder Erbauungsliteratur, mit der sie eine "Intensivierung des lutherischen Glaubens" und eine Verlebendigung der Frömmigkeit anstrebten und insofern einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung dieser Krise leisten wollten. 5 Diese "Krise der Frömmigkeit", die sich auch in einer "Krise der Heilsgewissheit" als Angst um das Seelenheil äußern konnte,6 wird im Bereich der profanen Geschichtswissenschaft als Teil einer allgemeinen Krise am Ende des 16. Jh. bzw. im 17. Jahrhundert diskutiert.7 Die Erbauungsliteratur des späten 16. und beginnenden 17. Jh. war hier vor allem hinsichtlich ihrer Trostfunktion als Antwort auf die Frömmigkeitskrise von Bedeutung. 8 Darüber hinaus wurde sie wohl auch in ihrem Gebrauch als Hinfiihrung zur Meditation als ein Mittel zur Kirchenreform verstanden. 9 Die innerlutherische Kirchenkritik war insofern auch eine Antwort auf eine "Krise der kirchlichen Verkündigung" bzw. eine Reaktion auf eine Krise der Predigt.lO Die Ursachen für die Entstehung der Frömmigkeitsbewegung lagen u.a. in den unbefriedigenden sittlichen Zuständen und in der mangelnden Umsetzung des rechtfertigenden Glaubens in die Lebenspraxis. Eine intensivierte Form der Gesetzespredigt wurde daher nicht unbedingt überall als erfolgversprechend angesehen. I I Vgl. z.B. Zeller, Protestantische Frömmigkeit, 85ff. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 128f. Zu Nicolai vgl. Brecht, Nicolai, 159ff und Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 129. Zu Moller vgl. Axmacher, Moller. 6 Erdei, Meditation, 214 ff. 7 Vgl. dazu Lehmann, Absolutismus; Hagenmaier (Hg.), Krisenbewußtsein und Krisenbewältigung. Hier spielen jedoch politische, ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Faktoren eine größere Rolle als im Bereich der kirchen- und dogmengeschichtlichen Wissenschaft. 8 Vgl. Lehmann, Absolutismus, 114: "Die eigentliche Attraktivität der neuen Frömmigkeitsliteratur lag darin, dass sie in der Krise des 17. Jh.s notleidenden Christen Trost spendete und um ihr Seelenheil besorgten Christen erbauliche Ratschläge gab." Vgl. auch die von Lehmann, Absolutismus, 113 genannten allgemeinen Reaktionen auf die Krise: "Zunächst die Hinwendung zu erbaulicher Literatur, die in der Not Trost versprach, dann die Erneuerung der Eschatologie, ferner die Unterdrückung jener Kräfte, bei denen man die Schuld fiir das ganze Übel suchte, dann die Absicht, durch besondere Leistungen das Elend zu bannen, und schließlich der Versuch, durch neue philosophische und wissenschaftliche Einsichten die grundlegenden Elemente der Weltordnung zu erkennen und dadurch das Chaos zu überwinden." 9 Udo Sträter hat darauf aufinerksam gemacht, dass von einer Krise in diesem Zusammenhang differenziert zu sprechen ist, vgl. Sträter, Meditation, bes. 9-33. Sträter, Meditation, 7: "Diese These besagt, dass die Meditation im Luthertum des 17. Jahrhunderts diskutiert und propagiert worden ist im Zuge der innerlutherischen Kirchenkritik und Reformdiskussion als ein Mittel der Kirchenreform." 10 Vgl. Sträter, Meditation, 30-33. II V gl. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 116--118. 4 5
14
Um die Funktion und den Stellenwert der Erbauungsliteratur bei Stephan Praetorius beurteilen zu können, müssen seine Schriften auf ihr theologisches Selbstverständnis und die dazu verwandten sprachlichen Mittel befragt werden.!2 Daneben sind die mentalitäts- und sozialgeschichtlichen Hinweise auf den zugrundeliegenden sozialen, politischen oder ökonomischen Hintergrund zu beachten.!3 Die Fragestellung im Kontext des Genus "Erbauungsliteratur" richtet sich dabei insbesondere auf den Prozess der "Transformierung der systematischen Hochtheologie in Frömmigkeitstheologie, also eine seelsorgerlich orientierte und auf Frömmigkeit zielende halbakadernische Ethik, Moral, pastoral-asketische oder geistliche Theologie".!4 Wirkungsgeschichtlich betrachtet ist Praetorius eine Person des Übergangs zwischen der Reformation und dem Pietismus. Seine Schriften entfalteten ihre eigentliche Wirkung erst nach seinem Tod. Vom 17. Jh. an bis in das 19. Jh. hinein wurden sie immer wieder verbreitet und gelesen. Die eigentliche Rezeption der Praetoriusschriften setzte mit der von Johann Arndt initiierten und 1622 erstmals vollständig veröffentlichten Ausgabe seiner 58 Geist- und trostreichen Traktätlein ein. Erst damit wurden die zuvor verstreuten Einzelschriften von Praetorius einem breiteren Leserkreis zugänglich. Einen noch breiteren Strom der Wirkung erschloss der Danziger Pfarrer Martin Statius durch die Veröffentlichung der Geistlichen Schatzkammer der Gläubigen, der eine "katechetische Aufbereitung und theologische Überarbeitung dieser Traktate" besorgte.!5 Die Geistliche Schatzkammer wurde nicht nur mehrfach wieder aufgelegt, sondern sie erzielte durch fremdsprachige Übersetzungen vom 17. bis in das 20. Jahrhundert hinein eine ansehnliche Verbreitung im gesamten nordeuropäischen Raum. Dies ist um so erstaunlicher, als die Schriften des Praetorius vom Beginn des 17. Jh. an, d.h. also bereits zu seinen Lebzeiten, unter dem Verdacht der Heterodoxie standen. Die Wirkungsgeschichte kann daher nicht losgelöst von der Entstehungsgeschichte der Praetoriusschriften betrachtet werden. Ein Überblick über die bisherige Forschungsgeschichte kann einen ersten Eindruck vermitteln, welches theologische Profil Praetorius zugeordnet wurde, in welcher Weise er rezipiert wurde und von wem seine Schriften tradiert worden sind.
Vgl. Lehmann, Erforschung, 3. Vgl. Brecht, Neue Frömmigkeit und Gemeindesituation, 217, der auf den Nutzen eines fruchtbaren Austausches zwischen der Sozialgeschichte und der Frömmigkeits- und Theologiegeschichte hinweist. Mohr steIlt ebenfalls den Zusammenhang von Frömmigkeit und Mentalität heraus, vgl. seine instruktive Defmition in Mohr, Erbauungsliteratur, 71: "Frömmigkeit umfaßt gleichermaßen das Moment der Spiritualität, des originell Subjektiv-Individuellen, und der Mentalität, der (von sozioökonomischen, politischen, schichtenspezifisch-kuiturellen und anderen Faktoren mitbestimmten) Denk- und Gefiihlslage von Bevölkerungsgruppen, also kollektiver Frömmigkeitshaltungen (Volksfrömmigkeit und Brauchtum), denen sich eine quantifizierende Forschungsmethode zuwendet." 14 Mohr, Erbauungsliteratur, 71. 15 Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 129. 12 13
15
2. Die Forschungsgeschichte
In der Erforschung von Leben und Werk von Stephan Praetorius ist zwischen den älteren Darstellungen des 17.-19. Jh. und den neueren Untersuchungen, die etwa in der Mitte des 19. Jh. mit Ludwig Cosack beginnen, zu unterscheiden. Während die älteren kirchen- und dogmengeschichtlichen Untersuchungen vor allem an der Frage von Orthodoxie oder Häresie seiner Theologie interessiert waren und ihn insofern entweder als "Ketzer" verwarfen oder als "Heiligen" verehrten, setzte mit Cosack eine stärkere Beachtung des eigenständigen Profils von Praetorius ein. In der Folgezeit betrachtete man ihn vor allem als "Vorläufer des Pietismus" bzw. der neuen Frömmigkeitsbewegung. Dabei trat das eigene frömmigkeitsgeschichtliche Profil von Stephan Praetorius in den Hintergrund. Eine möglichst umfassende, sowohl die Biographie als auch die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte einschließende Darstellung fehlt bislang. Dass diese eine möglichst exakte Erfassung der vorhandenen schriftlichen Zeugnisse einschließt, ist selbstverständlich. In einem kirchenhistorisch bisher eher noch vernachlässigten Bereich zwischen Reformationszeit und Pietismus ist damit zu rechnen, dass die gängigen Klischees, die sich mit einem Zeitalter der "Orthodoxie" bzw. der "Reformorthodoxie" verbinden, hinterfragt und ergänzt bzw. korrigiert werden müssen. Auch die ausschließliche Fragerichtung nach den sogenannten "Vorläufern des Pietismus" kann das lebendige religiöse, kirchliche und frömmigkeitliche Leben der dritten und vierten nachreformatorischen Generation nur unzureichend erschließen. Theologie, Kirche und Frömmigkeitspraxis stellten sich in dieser Zeit der zweiten Hälfte des 16. Jh. ihren besonderen politischen, sozialen und religiösen Herausforderungen und müssen zunächst auf diesem Hintergrund beurteilt werden. Durch die Mitteilung über eine vermutliche Revokation am Ende seines Lebens veranlasst, wurden die Schriften von Praetorius insbesondere von den Vertretern der lutherischen Orthodoxie und den Dogmengeschichtlern des 19. Jhs. sehr kritisch betrachtet. Auf der anderen Seite standen die pietistisch geprägten Darstellungen mit ausgesprochen hagiographische Zügen. Auffällig ist das jeweilige Argumentationsschema: während die Vertreter der lutherischen Orthodoxie in der Regel systematisch-theologisch argumentierten, führten die Pietisten auch den Erfahrungsbeweis an, in dem sie auf die konkreten Wirkungen der Theologie von Praetorius und ihren erbaulichen, katechetischen und frömmigkeitspraktischen Nutzen bei seinen Anhängern verwiesen. In seiner Preußischen Kirchen-Historie (1686) erwähnt Christoph Hartknoch den Streit um die Geistliche Schatzkammer des Martin Statius im Zusammenhang mit den sog. "Rahtmannschen Streitigkeiten" in Danzig. Statius habe aus den Schriften des Praetorius "viel ungereimtes" zur Vereinigung der Gläubigen mit Christus beigetragen, indem er die wesensmäßige Einheit zwischen beiden gelehrt habe. Hartknoch betont, dass Statius auf Veranlassung von Abraham Calov "mit Mund und Feder, wie auch mit seiner Unterschrifft 16
und Siegel" seinen Irrthum widerrufen habe und daraufhin vom geistlichen Ministerium wieder aufgenommen worden sei.16 Martin Heinsius hebt in seiner Kirchen=Historie Neues Testamentes (1735) die "Gottseligkeit, und seine liebreiche Evangelische Art zu lehren" heraus, die Praetorius beliebt machten und für die insbesondere Sterbende dankbar waren,17 Johann Georg Walch bezieht sich in der Einleitung in die Religionsstreitigkeiten der evangelisch-lutherischen Kirche (1733-1739) auf die früheren Darstellungen Hartknochs und Arnolds. Die Schriften von Praetorius hätten zur "Erweckung und Erbauung" beigetragen,18 Trotz der nicht zu leugnenden Fehler und Schwächen dürfe man ihren Verfasser jedoch nicht als "Ketzer und Phantasten" bezeichnen,19 Walch, der sich um ein ausgewogenes Urteil bemüht, schließt sich vor allem der Meinung Speners an, den er ausführlich referiert. Johann Lorenz von Mosheim (1694-1755) ordnet Praetorius und Arndt in seiner Kirchengeschichte (1755) in den Rahmen der Streitigkeiten ein, in denen es weniger um Sachfragen, als mehr um Personen und ihre Integrität gehe. Trotz der ungeschickten und missverständlichen Ausdrucksweise könne man dem Autor aber keine Boshaftigkeit unterstellen. 2o Auch Siegmund Jacob Baumgarten bescheinigt Praetorius in seiner Geschichte der Religionsparteien (1766), er habe sich "keiner sonderlichen Präcision und bestimten Einschränkung seiner Sätze und Redensarten beflissen")1 Die alten Lexika beschränken sich meist auf wenige biographische Angaben und Hinweise zu den Kontroversen. Sie geben nur eine unvollständige Werkübersicht. Johann Heinrich Zedlers Universallexikon (1741) erwähnt, dass einige Schriften von manchen "mit grossem Vergnügen aufgenommen, auch für sehr erbaulich gehalten", von anderen "wegen einiger anstößiger Meynungen und Redens=Arten verworffen" wurden. 22 Christian Gottlieb Jöchers Gelehrtenlexikon (1751) bleibt hinter dem damaligen Kenntnisstand zurück. Die Traktate des Praetorius seien "von einigen wohl aufgenommen, von andem aber als irrig verworfen worden".23 In der Fortsetzung durch Adelung-Rotermund (1819) wird neben biographischen Angaben ein umfangreicheres Schriftenverzeichnis abgedruckt. 24
16 Hartknoch, Preußische Kirchenhistorie, 816. Hartknoch beruft sich dazu auf Calov und Rango. 17 Heinsius, Unparteiische Kirchenhistorie, 374. Vgl. auch Heinsius, Kurze Fragen, 665: "Seine zur Erbauung abzielende Schrifften ... haben bey vielen einen großen Beyfall gefunden." 18 Walch, Religionsstreitigkeiten, Bd. IV/2, 614. 19 Walch, Religionsstreitigkeiten, Bd. IV/2, 626. 20 Vgl. Mosheim, Kirchengeschichte Bd. 4, 954. 21 Baumgarten, Religionsparteien, 1237. 22 Zedler, GVUL 29, 15lf. Ein ausfiihrlicher Bericht von dem Verlauf des "Prätorianischen Streites" unter dem Stichwort "Statius, Martin" basiert auf der Darstellung von Hartknoch und Wa1ch. Vgl. Zedler, GVUL 39, 1288-1291. 23 Jöcher 3, 1751. 24 Adelung 6, 804f. 17
Max Goebel rechnet Stephan Praetorius neben Valentin Weigel in seiner Geschichte des christlichen Lebens in der rheinisch=westphälischen evangelischen Kirche (1852) zu den Vorläufern Johann Arndts und misst ihm eine hohe Bedeutung bei. Für ihn ist Praetorius einer der "verborgenen und vielfach verdunkelten und doch immer noch hellleuchtenden Edelsteine" nach Luther und der "erste und beliebteste deutsche Erbauungsschriftsteller der evangelischen Kirche". Er fragt nach der theologischen Prägung von Praetorius und erwähnt neben dem Lutherstudium seine Rostocker Lehrer David Chytraeus, Simon Pauli und Johannes Posselius. Die Universität Rostock bezeichnet er als eine "Pflanzschule ächter und lebendiger Frömmigkeit". Als besonderes theologisches Merkmal hebt er sein "ächtes und inniges Evangeliumpredigen" im Unterschied zur damals herrschenden gesetzlichen Bußpredigt hervor. Goebel sieht als Grundlage seiner Lehre darüber hinaus eine "Verwandtschaft und Bekanntschaft mit einigen Büchern der Reformierten" und eine "tiefe Mystik". In den "Prätoristische(n) Streit" im 17. Jh. sei auch die Geistliche Schatzkammer des Martin Statius mit einbezogen worden. Goebel weist ausdrücklich darauf hin, dass noch zu seiner Zeit sich viele "gläubige Christen an diesem innigen und lebenskräftigen Buche" erfreuten. 25 Ludwig Cosack nennt in seiner Geschichte der evangelischen ascetischen Literatur in Deutschland (1871) Praetorius einen "Pectoraltheologen in den Tagen der Formula Concordiae" zwischen Luther auf der einen und Arndt und Spener auf der anderen Seite.26 Rückwärts gewandt sei er "bei Luther stehen geblieben", aber der" christliche Intent" Amdts und Speners sei schon bei ihm vorhanden. So könne man ihn als einen "Epigonen der lutherischen Reformation und als einen Prodromos Arnds und Speners" einordnen.27 Für Cosack bleibt Praetorius in dieser eigentümlichen Zwischenstellung, die eine klare Zuordnung verhindert. Ebenso wie August Tholuck bezeichnet er Praetorius als ein Beispiel für das zwar zurückgedrängte, aber dennoch unverlorene "reformatorische Lebensprinzip" in der lutherischen Kirche am Ende des 16. Jh., die keineswegs so im Dogmatismus erstarrt gewesen sei, wie vielfach behauptet wurde.2 8 Mit Hilfe der lateinischen Schriften bestimmt er das Verhältnis zu den akademischen Lehrern in Rostock. So ordnet er Praetorius den humanistischmelanchthonisch gesinnten Professoren zu. Die dezidiert "lutherischen" Theologen wie etwa Tilemann Heshusius hätten durch ihre Kirchenzuchtmaßnahmen eher abschreckend auf ihn gewirkt. Prägend seien die Melanchthonianer David und Nathan Chytraeus, Simon Pauli, Johannes Posselius, Johannes Caselius und Lucas Bacmeister gewesen, zu deren Freundeskreis er gezählt habe. "Aus dieser evangelisch-humanistischen Sphäre empfing Prätorius seine geistige Nahrung in Rostock".29 An den Lehrstreitigkeiten seiner Zeit habe er nicht 25 Goebel, Geschichte, Bd. 2, 470. Cosack, Cosack, Cosack, 29 Cosack,
26 27 28
18
Asketische Literatur, Asketische Literatur, Asketische Literatur, Asketische Literatur,
5f. 96 (Hervorhebung von Cosack). 5f. I I.
teilgenommen. Seine intensive Verehrung Luthers habe sich zuweilen in das "Panegyrische" verstiegen,30 Cosack nennt ihn einen "guten Lutheraner", der auch "den Calvinisten gegenüber treulich Farbe" bekannt habe. Die Predigt habe Praetorius aber freihalten wollen von "dogmatischen Subtilitäten", zu denen er auch die Lehre von der "communicatio idiomatum" zählte,31 Er sei ein Freund der kirchlichen Ordnung gewesen, was sich auch in seiner Veröffentlichung der Brandenburger Kirchenordnung von 1540 zeige. Allerdings unterscheide er sich in seiner Predigtweise von zeitgenössischen Predigern des Gesetzes. Die Predigt des Evangeliums stehe bei ihm im Mittelpunkt. Das schließe jedoch Kritik an den sittlichen Zuständen, an Regierenden und am Zustand der Kirche nicht aus,32 Antinomismus und Prädestinatianismus seien ihm aufgrund seiner Predigttätigkeit vorgeworfen worden. Cosack ordnet Praetorius also insgesamt eher der melanchthonischen Tradition zu und betont seine Rolle als Frömmigkeitstheologe. Während Hermann Beck (1883) Praetorius regionalgeschichtlich in den märkisch-brandenburgischen Raumes einordnet,33 gehört er fiir Constantin Große (1900) zu den "alten Tröstern", die vor allem durch ihre seelsorgerlichen Schriften gewirkt hätten,34 Beck nennt die Geistliche Schatzkammer eines der beliebtesten Erbauungsbücher seiner und der nachfolgenden Zeit. 35 Auffällig sei die an Luther gebildete Sprache,36 Große sieht den Unterschied zu Amdt in der "begeisterten Darstellung, Schilderung und Abmalung des innerlich Erlebten",3? Der Pietismusforscher Albrecht Ritschl nennt Praetorius zwar einen teilweise "musterhaften Lutheraner", macht ihn jedoch mitverantwortlich fiir die Aufnahme mittelalterlicher Mystik im Luthertum. 38 Der weltliche Beruf werde von ihm unterbewertet, die vita activa zugunsten der vita contemplativa vernachlässigt, die Welt als zu pessimistisch angesehen, die Lehre von der unio mystica habe er in Konkurrenz zur Rechtfertigung ausgeführt. 39 Das Verständnis einer dinglichen Gegenwart Christi in den Gläubigen laufe auf Osiandrismus hinaus. 4o Ritschl zieht eine Linie bis hin zu den Pregizerianern in Württemberg, die sich am Anfang des 19. Jh. aufPraetorius beriefen. Der Spenerbiograph Paul Grünberg (1893) setzt Ritschls Kritik insofern fort, als er Praetorius einen Vertreter der mystischen Richtung nennt, dem es 30 31 32 33
Cosack, Asketische Literatur, 13. Cosack, Asketische Literatur, 15. Vgl. Cosack, Asketische Literatur, 21f. Beck, Erbauungsliteratur, 223. Beck zählt zu diesem Kreis von Erbauungsschriftstellem noch Johannes Cuno, Bartholomäus Ringwald, Andreas Musculus und Michael Neander. 34 Große, Die alten Tröster, 97-99. 35 Beck, Volksliteratur, 45. 36 Beck, Erbauungsliteratur, 231. 3? Große, Die alten Tröster, 154. 38 Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 12. 39 Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 21. 40 Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 20.
19
um die Befriedigung individueller geistlicher Bedürfnisse gegangen sei. Er bezeichnet ihn als "Vorpietisten", weil er von dem herrschenden Typus in kirchlich-religiösen Ansichten abgewichen sei.41 Darin spiegelt sich wohl auch die Unsicherheit einer eindeutigen Zuordnung. Durch seinen Hang zur spekulativen Kontemplation stellt er Praetorius in eine Reihe mit Weigel, Böhme, Arndt und Hoburg. Seine originelle Verbindung von Orthodoxie und Mystik bringe "die praktische Seite des lutherischen Rechtfertigungsglaubens zur Geltung". 42 In der 1. Auflage der RE (1860) wird Praetorius als achtbarer lutherischer Theologe bezeichnet, der "gewisse lutherische Sätze scharf ausprägte und dadurch Anstoß erregte". 43 In der 3. Auflage der RE (1904) findet sich eine ausführliche Darstellung von Wolff, die auch die Salzwedeler Kirchengeschichte Johann Friedrich Danneils mit berücksichtigt. Die daraus resultierenden Fragen und biographischen Unklarheiten können aber nicht gelöst werden. Praetorius wird als "überzeugter Lutheraner" und "Vorläufer von Arndt und Spener" geschildert, der sich von der "Enge des späteren Pietismus" durch seine "freie evangelische Lebensauffassung" unterscheide. 44 Hans Leube erinnert in seinem kurzen Artikel in der RGG, 2. Aufl. (1930) im Anschluss an Cosack erneut an die Bedeutung des Rostocker Studiums fiir die religiöse Entwicklung von Praetorius. Der Einfluss der Melanchthonschüler Chytraeus und Pauli habe seinen "praktisch-kirchlichen Sinn" gefördert, so dass sich die "kirchlichen Reformfreunde" des 17. Jh. ebenso wie die deutschen Pietisten gern auf ihn berufen hätten. 45 Erhard Peschke führt diesen Gedanken in der 3. Aufl. der RGG weiter, indem er besonders auf die Hochschätzung durch Gottfried Arnold hinweist. 46 Auch Otto Ritschl hebt in seiner Darstellung des orthodoxen Luthertums (1927) im Anschluss an P. Althaus d.Ä. den "Prozeß eines immer stärkeren Einströmens mittelalterlicher Mystik" in die lutherische Kirche hervor. Bei Praetorius verbinde sich die Vorstellung des irdischen Besitzes der Seligkeit aufgrund der Rechtfertigung mit dem Gedanken der Einwohnung der Dreieinigkeit in den Gläubigen. Dieses führe bei Praetorius in seiner Neigung zur Überschwänglichkeit zu einer "Vergötterung" in der Taufe. 47 Damit überschreite er ebenso wie Nicolai und Arndt die reformatorische Rechtfertigungslehre zugunsten einer mystischen Auffassung. 48 Mit der Klassifizierung "mystisch" verbindet sich bei Ritschl ein negatives Urteil über die Erbauungsschrif41 Grünberg, Spener, Bd. 1,48. 42 Grünberg, Srener, Bd. 1,50. 43 Herzog, RE 12,89. Als kritische Punkte werden die Lehre von der Unverlierbarkeit der Gnade, der fehlende Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Seligkeit und Antinomismus ge-
nannt. 44 Wolff, Art. Prlitorius, RE3 (1904) 15,615. 45 Leube, Art. Prätorius, RGG2 (1930) 4, 1392. 46 Peschke, Art. Prlitorius, RGG3 (1961) 5, 498f. 47 Vgl. O. RitschI, Dogmengeschichte 4, 200. Ritschl weist auf die Nähe zu Pseudo-Dionysius Areopagita hin. 48 Vgl. O. RitschI, Dogmengeschichte 4,201.
20
ten von Praetorius. Die positiven Impulse fiir die Frömmigkeit werden kaum wahrgenommen. Unter dem Thema "Gesetz und Evangelium" subsumiert Hans Emil Weber die Theologie von Stephan Praetorius. Leitgedanke ist der Vorwurf des Antinomismus, der diejenigen, die das Evangelium über das Gesetz erheben, ebenso triffi: wie diejenigen Philippisten, die das Gesetz in das Evangelium mit hineinnehmen. Bei Praetorius setze sich die "antinomistische Linie ... in pietistisch-mystischer Frömmigkeit" fort. 49 Als "lutherischer Vorläufer des Pietismus" markiert er fiir Weber die "Auslösung des Subjektivismus durch den Objektivismus" und damit den "Übergang von der Orthodoxie zum Pietismus".50 Es ist das Verdienst von Winfried Zeller (1962), dass Stephan Praetorius wieder neu in das Blickfeld frömmigkeitsgeschichtlicher Forschung gerückt wurde. Zeller ordnet Praetorius in die "Frömmigkeitskrise" am Ende des Reformationsjahrhunderts ein, durch die ein eigenständiger "Typus der protestantischen Renaissance" herausgebildet worden sei. Praetorius sei ähnlich wie Martin Moller ein "charakteristischer Vertreter dieses protestantischen Späthumanismus". Zeller hebt die Eigenständigkeit von Praetorius hervor. Die kritische Funktion der Frömmigkeit gegenüber der Theologie liegt fiir Zeller darin, dass sie die "Echtheit einer theologischen Existenz" nicht nur durch die "Richtigkeit der Lehraussagen, sondern auch durch den Tiefgang und die Innerlichkeit des Lebens bestimmt". Praetorius habe "den Rostocker Theologenhumanismus in die praktische Verkündigung umgesetzt". Ihm sei es um "lebensdurchdringende Frömmigkeit" gegangen. Lebendigkeit, Optimismus, Freude und Selbstsicherheit seien Kennzeichen des Christen. Die Tauftheologie und das Lutherbild des Praetorius betrachtet Zeller als Ausdruck einer "protestantisch-humanistischen Frömmigkeit, deren Lebendigkeit durch ihr Ethos bewiesen wird".51 Im gleichen Zusammenhang erwähnt Zeller auch die aus der Mystik schöpfende protestantische Gebetsliteratur, Martin Moller und den frühen Valentin Weige1. 52 Zeller rechnet Praetorius aber noch nicht zu den Vertretern der "neuen Frömmigkeit" am Beginn des 17. Jh., als deren "Bahnbrecher" er erst Philipp Nicolai betrachtet. Er verweist auf die Nachwirkungen des Praetorius im Pietismus. Der Schwerpunkt liegt fiir ihn in der Bedeutung fiir die Orthodoxie im Zusammenhang der Frömmigkeitskrise. Auf die Frage nach einer Rezeption der Mystik bei Praetorius erhält man bei ihm keine befriedigende Antwort. 53 Dies ist um so erstaunlicher, da Zeller die Bezüge zur Mystik bei Moller, Weigel, Nicolai oder Arndt ausdrücklich erwähnt. 49 Weber, Refonnation, Orthodoxie und Rationalismus, Bd. 1/2, 4l. 50 Weber, Refonnation, Orthodoxie und Rationalismus, Bd. 112, 77: "Man kann wohl nicht objektiver von der Begründung der Seligkeit in der Taufe reden als Stephan Prätorius." 51 Zeller, Protestantische Frömmigkeit, 88f. 52 Zeller, Protestantische Frömmigkeit, 89f. 53 Zeller verweist z.B. auf die Rezeption Bernhards, Pseudo-Augustins oder der "Deutsehen Theologie".
21
F. Ernest Stoeffler, der sich insbesondere auf Cosack und Beck beruft, betrachtet Praetorius als entscheidenden Wegbereiter fiir eine Verbindung von evangelischem Mystizismus und praktischer Frömmigkeit. 54 Diese Entwicklung eines "milden Hauchs von Mystizismus" setze mit den Gebetbüchern Johann Habermanns ein und habe ihren Höhepunkt in Johann Arndt gefunden. Stoeffler sieht im Denken und Handeln von Praetorius bereits den Keim des Pietismus, ohne dass er ihn selbst als Pietist bezeichnen will.55 Für Martin Schmidt (1972) ist Praetorius nur im Zusammenhang von Spener von Bedeutung. 56 Erich Beyreuther, der sich in seiner Geschichte des Pietismus (1978) auch auf Zeller bezieht, betrachtet Praetorius ebenfalls als einen lutherischen Theologen, dem es um "eine Überwindung der schleichenden Frömmigkeitskrise" gegangen sei.57 Stärker noch als Zell er betont er seine spätere Wirkung auf die sog. "Reformtheologen" und auf Gottfried Amold. Er zählt ihn mit Schwenckfeld und Weigel zu den "Vorbereitern des Pietismus".58 Auch Johannes Wallmann, der zwischen einem engeren und weiteren Pietismusbegriff unterscheidet,59 rückt Stephan Praetorius näher an den Pietismus heran: "Bedeutendster Vorläufer der pietistischen Frömmigkeit war der Salzwedeler Pfarrer Stephan Praetorius." Der Gegensatz zwischen den "Kindern Gottes" und den "Kindern der Welt", die Betonung des "wahren Glaubens" und die Bedeutung der persönlichen Erfahrung seien bereits "wesentliche Momente pietistischer Erfahrung". Auf der anderen Seite stehe er aber mit der "Betonung der objektiven Vorgegebenheit des Heils und dessen sakramentaler Vermittlung durch die Taufe noch vor dem Eingangstor des Pietismus".60 54 Stoeffler, Evangelical Pietism, 193: "In him we find first that combination of evangelical mysticism and practical piety which culminated in John Amdt." 55 Stoeffler, Evangelical Pietism, 196: "While we are here not yet dealing with a Pietist the Seeds of Pietism are obviously present in the thinking and ministry of Praetorius". 56 Vgl. Schmidt, Pietismus, 57. 57 Beyreuther, Pietismus, 18. 58 Beyreuther, Pietismus, 13,85. 59 Wallmann unterscheidet zwischen einem "Pietismus im weiteren Sinn" als einer auf Amdt zurückgehenden, vorrangig literarisch wirkenden Frömmigkeitsrichtung und einem "Pietismus im engeren Sinn" im Sinn einer "sozial greifbaren religiösen Erneuerungsbewegung", die sich "durch Gruppen- und Gemeinschaftsbildung eigenständig formiert", Wallmann, Der Pietismus, 10. Kennzeichen dieses Neubeginns des Pietismus sind die Eschatologie und die Gemeinschaftsform der Konventikel, vgl. auch Wallmann, Was ist Pietismus?, 12. Wallmann defmiert den Pietismus allgemein als eine "religiöse Erneuerungsbewegung": "Der Pietismus ist eine im 17. Jahrhundert entstehende, im 18. Jahrhundert zu voller Blüte kommende religiöse Erneuerungsbewegung (im Original kursiv, d. Vf.) im kontinentaleuropäischen Protestantismus, neben dem angelsächsischen Puritanismus die bedeutendste religiöse Bewegung des Protestantismus seit der Reformation. Gleicherweise in der lutherischen wie in der reformierten Kirche entstanden, dringt der Pietismus auf Individualisierung und Verinnerlichung des religiösen Lebens, entwickelt neue Formen persönlicher Frömmigkeit und gemeinschaftlichen Lebens, fuhrt zu tiefgreifenden Reformen in Theologie und Kirche und hinterläßt tiefe Spuren im gesellschaftlichen und kulturellen Leben der von ihm erfaßten Länder", vgl. Wallmann, Der Pietismus, 7. 60 Wallmann, Der Pietismus, 14. Praetorius sei mit seinem "eigentümlichen Frömmigkeitstyp" den "mittleren Weg eines 'Freudenchristentums' gegangen, vgl. Wallmann, ebd.
22
Für Martin Brecht sind Stephan Praetorius und Philipp Nicolai zwei lutherische Theologen, die sich angesichts einer entstehenden Frömmigkeitskrise um eine "Intensivierung des lutherischen Glaubens" bemühten. Ebenso wie Martin Moller u.a. griffen sie dabei auf ältere mystische Traditionen zurück. 61 Brecht rechnet beide daher eher zu den "Vorläufern" als zu den "Anfängern der neuen Frömmigkeitsbewegung".62 Er definiert den Pietismus als "die bedeutendste Frömmigkeitsbewegung des Protestantismus nach der Reformation",63
3. Die Methodik und das Ziel Die Schwierigkeit der Untersuchung lag zunächst in der enormen Disparatheit des Materials. Obwohl die Schriften von Praetorius und die Ausgaben der Geistlichen Schatzkammer in den verschiedensten kleinen und großen Bibliotheken im In- und Ausland weit verstreut sind, konnte nach umfangreichen Recherchen eine Vielzahl von Urdrucken nachgewiesen und ihr Aufbewahrungsort notiert werden. Eine Vollständigkeit ist dabei naturgemäß nicht zu erzielen. 64 Erfreulicherweise konnten in seiner Heimatstadt Salzwedel sowie an anderen entlegenen Orten auch einige neue Funde erschlossen werden, die weder in der Ausgabe Amdts noch in anderen Verzeichnissen bislang aufgeführt worden waren und nun in das Gesamtbild eingefügt wurden. Ein handschriftlicher Brief wurde entdeckt, der auch als Handschriftprobe zum Vergleich mit den Eintragungen in die Salzwedeler Kirchenbücher dienen kann. 65 Bislang war kein Autograph bekannt. Nach der Erstellung der Bibliographie, die u.a. eine erstaunlich reichhaltige Anzahl von fremdsprachigen Übersetzungen und Ausgaben zutage förderte, erwies sich auch die Erschließung der Wirkungsgeschichte als nicht leicht. Die Vielzahl der verstreuten Bezüge und Hinweise auf Praetorius und ihre theologische Bandbreite lassen erahnen, dass seine durchaus unterschiedliche Rezep61 Vgl. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 128-130. Brecht sieht in der "Rezeption der augustinisch-bernhardinischen Mystik im Luthertum" und in der von Arndt ausgehenden Frömmigkeitsbewegung "denselben Traditionszusammenhang", vgl. Brecht, Konzeption, 228. Auf die Frage nach der mystischen Tradition weist auch Gottbold Müller in seiner Biographie über Christian Gottlob Pregizer hin. Er bezeichnet die Geistliche Schatzkammer als "eine Mischung von lutherischer Rechtfertigungslehre, mystischem Perfektionismus und Elementen des (späteren) Pietismus", vgl. Müller, Pregizer, 27. 62 Brecht, Frömmigkeitsbewegung, 129. 63 Brecht, Einleitung, 1. Vgl. auch Brecht, Art. Pietismus, TRE 26, 606. Um einen einheitlichen Pietismusbegriff zu erhalten, spricht Brecht, Einleitung, 6 von "zwei Phasen des deutschen Pietismus", die jeweils mit Arndt bzw. Spener beginnen. Die von Amdt ausgehende Frömmigkeitsbewegung und die lutherische Orthodoxie spiegeln beide ein verbreitetes "Frömmigkeitsklima innerhalb des damaligen Luthertums" wider, vgl. Brecht, Konzeption, 228. 64 Zeller, Protestantismus, XX, bezeichnet die Urdrucke als sehr selten. 65 Neben kleinen Widmungen auf den Drucken handelt es sich hier vor allem um einen Brief an David Chytraeus, der einwandfrei aus der Hand des Praetorius stammt. 23
tion die bisherigen Vorstellungen übertrifft. Praetorius kann daher als ein Erbauungsschriftsteller im nordeuropäischen Horizont betrachtet werden. Trotz der vielfältigen aufgewiesenen Bezüge bleibt die Auflistung seiner Rezeptionsgeschichte jedoch eine "Spurensuche", die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Eine wissenschaftliche Edition der bisher bekannten Texte von Praetorius liegt noch nicht vor und bleibt ein Desiderat der Praetoriusforschung. Auch auf einen Reprint der Ausgabe Johann Arndts kann noch nicht zurückgegriffen werden. Lediglich vereinzelte kleine Schriften sind allgemein zugänglich und können daher nur einen unzureichenden Eindruck vom Gesamtwerk des Praetorius vermitteln. 66 Die Urdrucke zu erhalten, ist aufgrund der zunehmend restriktiveren Haltung der Bibliotheken recht schwierig. Eine möglichst vollständige Bibliographie seiner Schriften fehlt bislang. Um dennoch dem Leser ein zuverlässiges Bild hinsichtlich der Quellen zu vermitteln, wird daher dem Referat und der Zitation des Textes ein breiterer Raum zugemessen, als bei einer soliden Editionslage nötig gewesen wäre. Die lateinischen Schriften werden um ihrer Eigenständigkeit willen in historischer Reihenfolge präsentiert, während die deutschen Schriften nach thematischen Gesichtspunkten geordnet sind. Für die Rezeptionsgeschichte legt sich eine historische Perspektive nahe, die auch den geographischen Horizont berücksichtigt. Das Werkverzeichnis umfasst sowohl die bisher ermittelten Separatdrucke der Traktate von Praetorius als auch alle verfügbaren Ausgaben der "Gesammelten Schriften" und der Geistlichen Schatzkammer. Bezüglich der z.T. widersprüchlichen biographischen Daten wurde - soweit möglich - in Salzwedel recherchiert. Dennoch bleiben auch hier Fragen offen. Die Forschungsübersicht hat gezeigt, dass die Zuordnung und Beurteilung des theologischen Werkes von Praetorius von Anfang an umstritten war. Die Frage nach seiner Rechtgläubigkeit bestimmte über weite Strecken das Feld. Eine eindeutige Zuordnung als lutherischer Mystiker und eine Tendenz zur weltflüchtigen Askese, wie sie von Albrecht Ritschl unterstellt wurde, lässt die positiven, auf eine lebendige Frömmigkeitspraxis zielenden Aspekte seiner Lehre und Verkündigung unbeachtet. Dass durch Praetorius eine eigenständige Konzeption eines lutherischen Freudenchristentums im Kontext einer melanchthonisch-humanistisch geprägten Theologie auf dem Hintergrund einer bedrängenden existentiellen Lebens- und Welterfahrung entstand, ist bisher nur ungenügend wahrgenommen worden. Als lutherischer Erbauungsschriftsteller gebührt ihm neben Martin Moller, Philipp Nicolai und Johann Arndt ein wichtiger Platz in der Reihe der auf die Verlebendigung der Frömmigkeitspraxis zielenden Theologen. Dass sich Melanchthonianismus und eine mystisch ge-
66 Vgl. die sprachgeschichtlich orientierte Ausgabe von Pieter Boon und die kleine Auswahl Zellers in den Klassikern des Protestantismus. Es handelt sich bei Zeller um die ,,Anleitung zum christlichen Leben" (Tr. 33, AA, II, 94-115) und um die Schrift "Von der Majestät und Herrlichkeit der Christen" (Tr. 2, AA, I, 58-78).
24
prägte Frömmigkeit verbinden konnten, ist an Moller nicht zu übersehen. 67 Die Einheit von Luthertum und Philippismus wurde bei den Erbauungsschriftstellern offenbar weniger problematisch gesehen als bei den dezidiert lutherischorthodoxen Theologen. 68 Die auf dem Hintergrund des Philippismus entstandene lebendige Frömmigkeitstheologie musste sich in einer krisenhaften und von einer pessimistisch gestimmten Predigt geprägten Zeit bewähren. Stephan Praetorius wurde bislang nur in unterschiedlichen Teilaspekten wahrgenommen, die jedoch nicht zu einer stimmigen Gesamtkonzeption entwickelt worden sind. Die Arbeit zielt darauf, die einzelnen Beobachtungen zu einem Gesamtbild zusammenzuführen, in dem das frömmigkeitsgeschichtliche und theologische Profil erkennbar wird. Interessant ist Praetorius aber nicht nur hinsichtlich der Entstehung seiner Schriften, sondern auch im Blick auf ihre Rezeption. Dass ausgerechnet Johann Arndt fiir eine Ausgabe seiner deutschen Traktate verantwortlich zeichnet, lässt nach der Bedeutung von Praetorius fiir die entstehende Frömmigkeitsbewegung fragen. Eine ausführliche Darstellung der Rezeption und Wirkung seiner Schriften fehlt bisher. Dies gilt ebenso fiir die Auswertung und Beurteilung der Geistlichen Schatzkammer, durch die Praetorius auch im Raum des Pietismus eine weite Verbreitung erfahren hat. Die Frage, welches spezifische Interesse der Pietismus an seiner Konzeption des Freudenchristentums hatte, ist bisher unbeantwortet geblieben. Schließlich ist auch die enorme sprachliche Kraft seiner Erbauungsschriften bisher nur wenig beachtet und gewürdigt worden.
67 Zu Mollers Rezeption der Mystik vgl. besonders Axmacher, Moller, 131-138; 212-232; Brecht, Neue Frömmigkeit und Gemeindesituation, 219-224. 68 Axmacher, Moller, 81 sieht als geistiges Umfeld Martin Mollers einen "Protestantismus, der die Einheit von Luthertum und Melanchthonianismus bewahren möchte".
25
11. Biographie 1. Herkunft, Familie und Schulbildung (ca. 1542-1558)
Die Stadt Salzwedel,l der Geburtsort und die spätere langjährige Wirkungsstätte von Stephan Praetorius, liegt an der alten Salzstraße von LÜlleburg nach Magdeburg an der Stelle, wo der Fluss Jeetze an einer Furt (Soltwedel = Salzfurt) überquert werden konnte. Aus der alten Marktsiedlung entwickelte sich im 12. Jahrhundert die Altstadt mit der Pfarrkirche St. Marien als Mittelpunkt. Die nordöstlich gelegene Neustadt wurde 1247 begründet. Salzwedel blühte durch den Salzhandel, seine Tuch- und Leineweberei auf, nicht zuletzt deshalb, weil die Jeetze von dort an schiffbar wurde. 1263 wurde Salzwedel mit Sitz und Stimme in die Hanseversammlung in Visby auf Gotland aufgenommen. Es bestanden gute Handelsverbindungen nach Hamburg, Lübeck und Wismar, aber auch der Tuchhandel mit den Niederlanden und den flandrischen Städten Antwerpen, Gent und Brügge blühte. Bald darauf wurden ihr nach Lübecker Vorbild die Stadtrechte verliehen, ab 1314 auch das Münzrecht. Alt- und Neustadt bildeten bis zum großen Stadtbrand 1713 eigene Verwaltungen. 1518 trat die Stadt wieder aus der Hanse aus, nachdem die Konkurrenz Hamburgs zu groß geworden war. 1567 gab es in Salzwedel noch 952 "Feuer", die Pestepidemien zwischen 1581 und 1610 (1581: 790 Tote; 1590: 332 Tote in der Neustadt) verringerten die Bevölkerung erheblich. Das gesellschaftliche Leben war von den Patriziergilden und Handwerkerzünften geprägt. Auch letztere erkämpften sich Plätze im Rat der Stadt. Im Streit mit den Hohenzollern musste die Stadt nachgeben, Tonnenzölle und Biersteuern zahlen und verlor schließlich 1488 das Münzrecht. Durch landesherrliche Abgaben und eine Verschlechterung der Münzqualität entstand am Ende des 16. Jh. eine hohe Schuldenlast. Die Tuchmacherei hatte für Salzwedel eine große Bedeutung. Um 1590 arbeiteten etwa 600 Personen im Tuchmacherhandwerk. Die Wollweberstraße in der Neustadt nahe der Katharinenkirche war der Hauptsitz dieses Gewerbes. In den Jahren 1559, 1595 und 1600 brachen größere Brände aus, die weite Teile der Stadt zerstörten. Stephan Praetorius wurde vermutlich am 3.5.1536 in der Salzwedeler Altstadt geboren. 2 Die biographischen Nachrichten über ihn sind aber nur sehr spärlich und teilweise widersprüchlich) Das gilt insbesondere für sein Geburts-
1 Zu Salzwedel vgl. u.a. Stoob, Salzwedel, Deutscher Städteatias, Blatt Saizwedel; Hartleb, Salzwedel; Preuß, Chronik Stadt Salzwedel; Danneil, Kirchengeschichte 1. 2 U.a. Wolff, RE3 15,615. Vgl. TPP 41. St., 25: "Anno 1536. den 3. May, zu Saltzwedel geboren". 3 Durch den Brand des Ratsarchivs sind wertvolle Quellen verloren gegangen, die in der älteren Literatur benutzt worden sind.
26
datum. Das Todesjahr 1603 ist unstrittig, da es sowohl auf dem Epitaph4 als auch auf dem in der Salzwedeler Katharinenkirche befindlichen 1697 erneuerten Gemälde von Praetorius5 zu finden ist und mit dem Kirchenbuch übereinstimmt. Die Inschriften sind von dem ehemaligen Rektor der Neustädter Lateinschule und späteren Bürgermeister Nicolaus Risleben6 verfasst worden. Bereits der ehemalige Salzwedeler Superintendent Christoph Wilhe1m Beier nannte in seiner "Historia scholae Catharinae" (1725) bzw. der "Mantissa" (1730) das Geburtsjahr 1536.7 Zu einem anderen Geburtsjahr (1539) gelangt man, wenn man einen Brief des Praetorius an den Rat der Neustadt Salzwedel vom 11.5.1569 ("Mittwoch nach Kantate") zugrundelegt. "Den Anno 58. anno aetatis meae 19, bin ich gen Rostock getzogen ... habe Chytraeum gehöret und seinenthalben eine tziembliche lange tzeit, sieben ganze iar alda verharret. "8 Ausgehend von diesem Schreiben gaben die Salzwedeler Historiker E. Hoppe9 und J. F. DanneillO als Geburtsdatum den 3. Mai 1539 an. Die Entscheidung für 1536 oder 1539 hängt davon ab, ob man der Inschrift des Epitaphs oder der brieflichen Angabe von Praetorius den Vorzug gibt. Es ist zu vermuten, dass die Inschrift des Gemäldes während der Restaurierung im Jahr 1697 dem Epitaph angepasst wurde. Insofern sind alle weiteren Angaben sekundär. Die Altstädter Taufregister geben keinen Aufschluss über das Geburtsdatum, da sie erst im Jahr 1574 beginnen.!! Der Salzwedeler Historiker 4 Die Inschrift auf dem Epitaph lautet: OBIIT PIE 5 MAll ANNO DNI 1603 11 AETATIS 6711 M.N.R.C.F. Die Zahlen 67 bzw. 1603 sind zweifelsfrei zu identifizieren. 5 Die Inschrift auf dem Gemälde lautet: OBDORMIVIT PLACIDE 5 MAU 11 ANNO DOMINI 1603 11 AETATIS SUAE 67 11 MINIST. 30 11 Die Angabe der 30 Amtsjahre ist mit Sicherheit falsch. Sie müsste korrekt 38 (1565-1603) lauten. Hierbei handelt es sich vermutlich um einen Schreibfehler, als das Gemälde restauriert wurde. TPP 48. St., 865 gibt mit dem 4.5. ein falsches Sterbedatum an, da auf dem Gemälde der 5.5. verzeichnet ist. 6 M. NICOLAUS RISLEBIUS. CONSUL. RENOVATUM. 1697. Nicolaus Risleben (1546-1624), Studium in Wittenberg, Frankfurt a.O. 1567, Leipzig, Magisterabschluss, Rektor der Neustädter Schule Salzwedel von 1575-1589, Ratsmitglied 1590, Stadtkämmerer 1592, Bürgermeister 1595, Förderer der Dichtkunst, Dramatiker. Vgl. Holstein, Art. Risleben, Nicolaus, ADB 28, 649f(Lit.); Zahn, Altmärker, 52. 7 Vgl. Pohlmann, Salzwedel, 210. Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie, 2, 940 nennt weder Geburts- noch Sterbedatum. Zedler, GVUL 29, 151 spricht nur vom Ausgang des 16. Jh.s, ebenso löcher 3,1751. Im Anschluss an die TPP geben die Nachrichten von der Amtsführung rechtschaffener Prediger, Bd. 5, 68 das vollständige Geburts- (3.5.1536) und Sterbedatum (4.5.1603) an. Adelung 6,804; Cosack, Asketische Literatur, 6; Wolff, Art. Prätorius, Stephan, 615 nennen ebenfalls 1536 als Geburtsjahr. 8 Danneil, Kirchengeschichte 2, 125 zitiert vom verlorengegangenen Original im Ratsarchiv. 9 Hoppe, Soltquellensien, 317. Der Mediziner Elias Hoppe (1691-1761) verfasste die vierbändigen "Soltquellensien oder Saltzwedelsche Geschichte und Sachen" handschriftlich von 1735-1750, in denen er das ilun verfiigbare Quellenmaterial sanunelte und durch andere Literatur ergänzte, vgl. Wentz, Soltquellensien, 13-15. Für die freundliche Benutzungsmöglichkeit der hsl. Dokumente im Archiv der Salzwedeler Kirchengemeinde St. Katharinen (Neustadt) und ihrer Kirchenbibliothek sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. 10 Danneil, Kirchengeschichte 1,308. 11 Kirchenbücher der Altstadt: Verstorbene ab 1573, Geborene ab 1574, Getraute ab 1637, vgl. Pohlmann, Salzwedel, 69.
27
Danneil hielt sich an den 1569 von Praetorius selbst verfassten Brief, den er als Original im Ratsarchiv einsehen konnte.1 2 Wenn das Datum 1539 zuträfe, müsste allerdings bereits kurz nach dem Tod des Praetorius Unkenntnis über sein wahres Geburtsdatum geherrscht haben.13 Für die Annahme des Jahres 1539 spräche neben dem Brief des Praetorius auch sein Eintrittsalter (19 Jahre) in die Universität. Der in dem Brief erwähnte siebenjährige Aufenthalt in Rostock stimmt mit dem Matrikeleintrag aus dem Jahr 1558 überein. Der häufige Schulwechsel spricht jedoch neben dem Epitaph eher für das Geburtsjahr 1536. Die Quellenlage macht eine eindeutige Festlegung schwierig. Deshalb wird für das Geburtsjahr die Bezeichnung "um 1536" gewählt. Die Herkunft der Eltern bleibt weitgehend unklar. Lediglich bei Hoppe findet sich der Name des Vaters: "Jürgen Schultze, ein Bürger in der a(lten) St(adt) Saltzwedel".1 4 Offensichtlich hat Praetorius also seinen elterlichen Namen "Schultze" (bzw. Schulze, Schulte o.ä.) in die latinisierte Form "Praetorius" geändert. Dies geschah vermutlich während seines Studiums in Rostock. 15 Über die Familie des Praetorius gibt es nur wenig Informationen. Seinem offenbar um einiges jüngeren Bruder Peter Praetorius, der sich in den 70er Jahren in der Schule bzw. im Studium befand, widmete er seine frühe lateinische Schrift "Organon eloquentiae" (1570).1 6 Dieser heiratet im Jahr 1590 Dorothea Litzman aus Frankfurt (Oder?).1 7 Sein Onkel Peter Gibenus und sein Schwager Joachim Schmale wohnten 1581 beide in Magdeburg.1 8 Seinen Eltern verdankte Praetorius wohl seine Schulbildung. Nach eigenen Angaben wurde er zunächst von Abdias (Gottschalk) Praetorius l9 in der AltBei einem Brand im Rathaus 1895 sind diese Dokumente im Original zerstört worden. Auch in der Datierung des Sterbetages stimmen die unmittelbaren schriftlichen Zeugnisse (Sterberegister und Epitaph) nicht überein. 14 Hoppe, Soltquellensien, 317. 15 Während er noch unter dem Namen "Stephan Schulte" immatrikuliert wurde, erhielt er das Baccalaureatszeugnis als Stephan Praetorius. In den Kirchenbüchern fmdet sich die latinisierte Form durchgehend ab 1573. Bemerkenswert ist, dass bei seinem Sohn Sebastian wieder der Name "Schulze" begegnet. Offensichtlich hing also die lateinische Form mit seinem Selbstverständnis als akademischer Theologe und mit seinem Standesbewusstsein als Angehöriger der gehobenen Schicht des Bürgertums zusammen. 16 Organon, A2r. 17 Tr. 38, AA, II, 188f, 195. Dieser Traktat ist ein "Deutsch Epithalamion" (Hochzeitsgedicht), die Vorrede wurde am 3.5.1590 verfasst. 18 Vgl. die Widmung in Tr. 8, AA, I, 226, 228. 19 Abdias Praetorius (ursprünglich Gottschalk Schulz), geb. 1524 in Salzwedel, Vater Matthias Schulz, Bürger und Handelsmann, Schulbesuch in Salzwedel und Magdeburg, Studium in Frankfurt a.O., Wittenberg, Schüler Melanchthons und auf seine Empfehlung hin Lehrer (Magister) in der Altstadt Salzwedel1544, dort Rektor 1548, Amtsentsetzung 1551/2 anlässlich der Visitation zusammen mit drei Altstädter Predigern wegen seiner Haltung zum Interim, Rektor des altstädtischen Gymnasiums Magdeburg Ostern 1553, Hebräisch-Professor Frankfurt a.O. 1557, Streit mit Andreas Musculus über die Notwendigkeit der guten Werke, gelegentliche Dienste für Kurfürst Joachim II. wegen seiner sprachlichen Begabung, Übersiedlung nach Wittenberg 1563, Heirat der Enkelin Melanchthons 1565, mehrfacher Aufenthalt in Berlin, gest. 1573. Vgl. Wolff, Art. Prätorius, Abdias, RE3 15, 612ff (Lit.). Vgl. auch Danneil, Kir12 13
28
städter Lateinschule unterrichtet, der dort ab 1544 als Lehrer tätig war.20 Das Schulgebäude war seit 1541 das ehemalige Franziskanerkloster.2 1 Dort dürfte er ab ca. 1542 Lesen, Schreiben und insbesondere die lateinische Sprache erlernt haben. Grammatik, Rhetorik und Dialektik (Trivium) wurden ebenso gelehrt wie Musik, Moral und Katechismus.22 Der Rektor war Kommendist der Kirche, d.h. Inhaber einer kirchlichen Pfründe. Sein Einkommen betrug 1579 in der Altstadt 90 Gulden, davon 70 Gulden aus dem Gemeindekasten und 20 Gulden aus dem Schulpretium. 23 Daneben erhielt er freie Wohnung und die Akzidentien (Gebühren von Hochzeiten, Taufen und Begräbnissen). Unverheiratete Lehrer erhielten eine freie Mensa (Mittag- und Abendessen) bei den Bürgern. Auch die Schüler bekamen nach Möglichkeit Freitische und eine unentgeltliche Kammer (hospitium). Ältere Schüler mussten als "Paedagogi" jüngere Knaben beaufsichtigen. Zur Schule gehörte der Singechor und die Kurrende. Der Chor sorgte an Sonn- oder Festtagen unter Leitung des Kantors fiir die Kirchenmusik. Dafiir durfte er vor den Häusern um Geld singen, das regelmäßig unter den Choristen verteilt wurde. Bei Hochzeiten erhielten sie Geldgeschenke. Um Weihnachten zogen sie auf das Land und ersangen sich dort ebenfalls Geld. Die Kurrende bestand aus jüngeren armen Knaben, die vor den Türen in der Stadt Choräle sangen. Für sie wurden Stiftungen eingerichtet. Die jungen Mädchen sollten in "Jungfernschulen" unterrichtet werden. Dazu kam es in der Neustadt jedoch zu Lebzeiten von Praetorius nicht. Rückblickend bekennt Praetorius, dass der Grundstein seiner Theologie bereits in seiner Jugend- und Schulzeit gelegt worden sei. Das Wort "ewig" aus
chengeschichte 1, 308; Pohlmann, Salzwedel, 184-187; Cosack, Asketische Literatur, 7; Schwarze, Art. Praetorius, Abdias, ADB 26, 513f(Lit.). Über den Streit mit Andreas Musculus über die Notwendigkeit der guten Werke vgl. Koch, Andreas Musculus, 250-273; Koch, Streit um Worte; Richter, Gesetz und Heil, bes. 208-250. 20 "Den erstlich bin ich, von iugent auff, von meinen lieben Eltern, mit großer lust, tzur schole gehalten, vnd habe och die prima initia in schola Gotschalci alhie tzu Soltwedel gelernet vnd überkommen." Danneil, Kirchengeschichte 2, 124. 21 Vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 156-158. "Mit 1541 ward die Altstädter Schule in das Kloster verlegt', ebd. 156. Die laut Visitationsrezess von 1540 beabsichtigte Zusammenlegung der Schulen der Alt- und Neustadt fand jedoch erst 1744 statt, vgl. Parisius/Müller, Abschiede, 257 und Danneil, Kirchengeschichte 1,212. 22 Vgl. den Visitationsabschied der Altstadt Salzwedel von 1541, Sehling, Kirchenordnung, 1lI, 268: Sie (die Schulgesellen) sollen die Knaben "in grammatica, dialectica, rhetorica und in den andern artibus dicendi wol instituiren, in scribendo exercirn, auch fiimemlich elementa pietatis und catechismum wol treiben und recitiren lassen." 23 Das sogenannte Schulpretium wurde von dem Superintendenten Symmachus eingefiihrt, da nach der Reformation viele Eltern das Schulgeld wegen der fortschreitenden Teuerung nicht bezahlen konnten. Durch Predigten wurden reiche Bürger ermutigt, ein Stiftungskapital aufzubringen, dessen Zinsen als Gehalt an die Lehrer ausgezahlt wurden. In der Altstadt erzielte man 800 Gulden, in der Neustadt 400 Gulden. Vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 212. 1593 stiftete Dorothea von Veltheim (gest. 1593), die Witwe Albrechts (IV.) von der Schulenburg (15351583), 500 Taler rur Kirche und Schule der Neustadt, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 2, 151.
29
dem Katechismus24 wurde von seinen Lehrern im gegenwärtigen Sinn interpretiert. Nach lutherischem Verständnis gehörten Taufe und Seligkeit zusammen. "Also habe ich von meiner Jugend auff das Wörtlein ewig! in meinem Catechismo verstanden! vnnd bin auch also von meinen lieben Praeceptoribus gelehret worden. Diß ist meine Theologie/ mein Wissen! mein Glaube vnd Bekentnis ... mein Schatz ... das einige wahre Evangelion selbst".25
Der weitere Schulweg führte Praetorius zunächst nach Seehausen26 in die Schule des Joachim Cyrenius. 27 "Die artes dicendi aber vnd linguas habe ich tzu Sehausen in schola Cyrenii, tzu Gardeleben in schola Risebergii, tzu Soltwedel in schola M. Symachi, vnd entlieh tzu Magdeburg gestudieret."28 Die weiteren Stationen waren also die Gardelegener Schule29 des Bartholomäus Rieseberg (ca. 1550-1553)30, die Altstädter Schule in Salzwedel unter dem Rektor Joachim Symmachus31 (ca. 1553-1554) und die Lateinschule in Magdeburg (ca. 1554-55), in der Abdias Praetorius inzwischen Rektor geworden war.3 2 Möglicherweise schloss sich ein etwa dreijähriger Aufenthalt (ca. 155524 Auf die Frage nach dem Nutzen der Taufe antwortet Luther: "Sie wirket Vergebung der Sunden, erlöset vom Tod und Teufel und gibt die ewigen Seligkeit allen, die es gläuben, wie die Wort und Verheißung Gottes lauten.", BSLK, 515,38f-516,lf. Hier liegt ebenso wie in der Erklärung zum Nutzen des Abendmahls ein präsentisches Verständnis vor: "wo Vergebung der Sunde ist, da ist auch Leben und Seligkeit". 25 AA, I, 245, Tr. 8. Vgl. dazu auch Luthers Erklärung zur Taufe im Großen Katechismus, BSLK 695,40--696,12: "Darümb fasse es aufs allereinfältigst also daß dies der Taufe Kraft, Werk, Nutz, Frucht und Ende ist, daß sie selig mache .... Selig werden aber weiß man wohl, daß nichts anders heißet, denn von Sunden, Tod, Teufel erlöset in Christus' Reich kommen und mit ihm ewig leben. Da siehest Du abermal, wie teuer und wert die Taufe zu halten sei, weil wir solchen unaussprechlichen Schatz darinne erlangen ... Wo aber Gottes Name ist, da muß auch Leben und Seligkeit sein." Vgl. auch ebd., 700,lff: "bin ich aber getauft, so ist mir zugesagt, ich solle selig sein und das ewige Leben haben". 26 Seehausen in der Altmark befmdet sich ca. 40 km östlich von Salzwedel. 27 Joachim Cyrenius, Konrektor in Magdeburg 1540, später Pastorat in Seehausen, vgl. Holstein, Geschichte des Altstädtischen Gymnasiums in Magdeburg, Bd. 130 (1884),66. 28 Danneil, Kirchengeschichte 2, 124f. 29 Gardelegen in der Altmark befindet sich ca. 40 km südlich von Salzwedel in Richtung Magdeburg. 30 Bartholomäus Rieseberg (1492-1566) filhrte als Anhänger Luthers 1539 die Reformation in Gardelegen ein. Er war im Unterschied zu dem 1562 in das Konrektorat seiner Heimatstadt zurückgekehrten Arnold Bierstedt kein Philippist. Die Schule hatte 1549 vier Lehrer, darunter der Rektor Rieseberg. 1547 brach in Gardelegen die Pest aus. Vgl. Parisius, Bartholomäus Rieseberg, 236-263. 31 Joachim Syrnmachus (1529-1571), Rektor der Schule in der Altstadt Salzwedel 15541560, Superintendent der Altstadt 1560-1571. Vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 273; Pohlmann, Salzwedel, 163f. 32 Zwischen Salzwedel und Magdeburg gab es offensichtlich intensive Verbindungen. Vgl. Holstein, Geschichte des Altstädtischen Gymnasiums in Magdeburg, Bd. 130 (1884), 65ff. Joachim Woltersdorf (Rektorat: 1537-1544) stanunte ebenso aus Salzwedel wie der 1549 berufene Lehrer Jacob Praetorius (1526-1569). Von 1553 bis 1558 war der in Salzwedel geborene Abdias (Gottschalk) Praetorius Rektor dieser Schule, vgl. ebd. Er legte seiner Arbeit eine neue Schulordnung, den "Ludi literarii Magdeburgensis ordo ... , Magdeburg 1553 zugrunde, siehe
30
1558) im Johanneum in Lüneburg an.3 3 Dass Praetorius auch tatsächlich in Lüneburg gewesen ist, dafür spricht eine seiner Studienordnung vorangestellte Widmung an die Bürger und Patrizier von Lüneburg.3 4
2. Das Studium in Rostock (1558-1565) Nach seinen eigenen Angaben begann Praetorius im Frühjahr 1558 sein Studium in Rostock: "Notitiam doctrinae coe1estis mediocrem habe ich tzu Rostock geho1et. Den Anno 58. anno aetatis meae 19, bin ich gen Rostock getzogen."35 Dies stimmt mit der Universitätsmatrikel überein. Praetorius wurde am 31.3.1558 als Stephan Schulte aus Salzwedel unter dem Rektorat von Matthaeus Röseler in das Album der Universität Rostock eingeschrieben.3 6 Warum Praetorius sich für Rostock entschied und nicht die Landesuniversität Frankfurt a.O. besuchte, darüber gibt es keine eindeutigen Aussagen.3 7 Vonnbaum, Evangelische Schulordnungen, I, 412--433. 1554 trat Siegfried Sack als Konrektor in das Lehrerkollegium ein, vgl. Holstein, ebd. 72. Praetorius könnte Sack, mit dem er auch später eng verbunden war, also in der Magdeburger Lateinschule kennengelemt haben. 33 Die TPP, 41. St., 30 spricht davon, dass Praetorius sich "nach Anzeige eines Manuscripti, worinne sein Leben kürtzlich beschrieben ist", nach Verlassen der Salzwedeler Schule drei Jahre in der Johannis-Schule in Lüneburg aufgehalten habe. Pohlmann, Salzwedel, 210 nennt im Anschluss an Beier ebenfalls Lüneburg. Zum Johanneum vgl. die Programme des Johanneums zu Lüneburg, LÜDeburg 1869, 1880, 1884, 1889 und Görges/Nebe, Geschichte des Johanneums zu Lüneburg, Lüneburg 1907. Zu den Rektoren gehörten Hennann Tulichius, Lukas Lossius und Johannes Bathelius. Die späteren Rostocker Professoren Lucas Bacmeister, aus Lüneburg gebürtig, und Simon Pauli hatten beide das Johanneum besucht. Pauli kam mit 16 Jahren (1550) nach LÜDeburg, um dort Fortschritte "in artibus dicendi & in latina & graeca lingua" zu machen, bevor er sich in Rostock immatrikulierte. Vgl. Kaufmann, Universität, 146, Anm.63. 34 Vgl. Ordo (1574), A2r. 35 Danneil, Kirchengeschichte 2,125. Die TPP nennt jedoch bereits den 24.6.1551 für den Wechsel nach Rostock, gibt dafür aber keine Quelle an, TPP 41. St., 31: "Denn er lenckte sein Gemüth dahin, sich Anno 1551. den 25. Junii nach rostock auf die Universität zu begeben". Dort ist lediglich von der Benutzung "eines Manuscripti, worinne sein Leben kürtzlich beschrieben ist" (ebd. 30) die Rede. Hofmeister (Hg.), Matrikel Rostock, TI, 120, Nr. 28-39 überliefert überhaupt keinen Salzwedeler Studenten für den Juni 1551. 36 Hofmeister (Hg.), Matrikel Rostock, 11, 136, Z.25lautet der Eintrag: "Stephanus Schulte Scl...densis". Im Register zu Hofmeister (Hg.), Matrikel Rostock, 11, 48 wird unter dem Namen "Praetorius, Stephanus, bacc. art. 1563" auf "Schulze, Stephanus, 1558" verwiesen. Die unvollständige Schreibweise "Scl...densis" wird im Register zu Hofmeister (Hg.), Matrikel Rostock, II, 207 als "Soltwedelensis" identifiziert. Einen anderen Stephan Praetorius bzw. Schulte (Schulze, Schultz o.ä.) aus Salzwedel, der in Rostock immatrikuliert wäre, kennt die Matrikel nicht. Damit bestätigen sich die Angaben, die Praetorius 1569 in seinem Schreiben an den Rat der Neustadt gemacht hat, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 2, 123-125. Über Röseler vgl. Krabbe, Rostock, 514ff. 37 Als Gründe nennt er lediglich "partim propter inopiam, partim propter alias causas", Danneil, Kirchengeschichte 2, 125. Möglicherweise rechnete Praetorius damit, in Rostock in Kürze eine Anstellung als Lehrer zu finden, die ihm sein Studium mitzufinanzieren half. Verbindungen nach Rostock könnten sich durch seinen Lüneburger Aufenthalt ergeben haben. Kaufmann, Universität, 335 gibt den Anteil der Altmärker Studenten in Rostock mit 4,5% an.
31
Nach sieben Jahren Aufenthalt kehrte er 1565 wieder nach Salzwedel zurück.38 Während des Dekanates des Mediziners und Mitgliedes der Artistenfakultät, Johannes Tunnichaeus (Tönnich),39 wurdeStephan Praetorius zusammen mit dem späteren Theologieprofessor Valentin Schacht40 und anderen Kommilitonen zum "baccalaureus et magister artium philosophicarum" promoviert. 41 Die Matrikel der Universität Rostock nennt ihn an erster Stelle, weil er das beste Prüfungsergebnis erzielte, wie auch er selbst mitteilt: "in promotione ist mir approbantibus omnibus der erste locus gegeben worden".42 Bereits die erste Generation der reformatorisch gesinnten Rostocker Theologieprofessoren wurde entscheidend von den Wittenberger Theologen und vor allem von Melanchthon geprägt, der sie zumeist auch empfohlen hatte. 43 Die Universität Rostock nahm insbesondere unter der Ägide des jungen Melanchthonschülers David Chytraeus44 einen stetigen Aufschwung. 45 Er hat "als be-
38 "Anno salutis nostrae 65 ... bin ich anstat M. Georgii Starcken, tzum Diacono beruffen, vom hem Islebio tzum Berlin verhort vnd geordiniert worden vnd also ins ampt getreten in timore Domini.", Danneil, Kirchengeschichte 2, 125. 39 Johannes Tunnichaeus, geb. um 1530, Doktor der Medizin und Nachfolger Jacob Bordings Rostock 1558, Aufnahme in die philos. Fakultät 1563, Leibarzt der Herzöge Johann Albrecht und Ulrich von Mecklenburg, gest. während der Pest 22.9.1565, vgI. Krabbe, Rostock, 525-528; Schumacherl Wischhusen, Anatomia Rostochiensis, 30. Tunnichaeus las 1560 über Fieber und Schriften Galens, 1561 über Hippokrates, 1563 über medizinische Methoden, vgI. Schütz, Vita Chytraei, I, 200; 260. Bei Tunnichaeus 'könnte Praetorius medizinische Vorlesungen gehört haben. Sollte er mit dem genannten Stephan Schulte aus Salzwedel identisch sein, hätte er bei einer Disputation Tunnichaeus respondiert. Darauf deutet der Titel einer kleinen Schrift hin, die sich in der British Library in London befmdet: "Joh. Tunnichaeus Medicus Propositiones anatomicae ... s. de ossibus, Resp. M. Steph. Sculteto, Soltwedel, ad disputandam proposuit. Rostock 1564" sein, vgI. Schütz, Vita Chytraei, I, 278. Die Schrift war leider nicht zugänglich. 40 Valentin Schacht, geb. 14.2.1540 in Stargard, Schule in Magdeburg, Studium in Rostock 1560, Baccalaureus und Magister artium 1563, Diakon an St. Jacobi in Rostock 1565, Prof. theoI. 1569, Archidiakon 1573, Pastor St. Jakobi 1592, Dr. theoI. 1594, gest. 12.6.1607. VgI. Kaufmann, Art. Schacht, Valentin, in: Pettke (Hg.), Biographisches Lexikon 1, 189-191; Pettke, Nathan Chytraeus, 103, Amn.2; Krabbe, Rostock, 641, 646, 669, 68lf. 41 Hofmeister (Hg.), Matrikel Rostock, 11, 150: "Anno 1563, 14. Octobris a decano Iohanne Tunnichaeo artium et medicinae doctore, promoti sunt baccalaurei et magistri artium philosophicarum hi viri septern: Stephanus Praetorius Soltuedelensis. Philippus Bordingus Antuerpiensis ... Vallentinus Scachtetus Stargardiensis", vgI. auch Krabbe, Rostock, 526. Für die Ansicht der TPP 41. St., 35, er habe bereits 1557 den Magistertitel erhalten und studentische Collegia abgehalten, gibt es keinen Anhaltspunkt. 42 Danneil, Kirchengeschichte 2, 125. 43 Kaufmann, Universität, 73: "Sie bilden die auf die refonnatorische Universitätszentrale Wittenberg bleibend bezogene, vorrangig von Melanchthon akademisch gründlich ausgebildete Rekrutierungselite der höheren lutherischen Geistlichkeit und nachrefonnatorischen Professorenschaft. " 44 David Chytraeus, geb. 26.2.1531, Studium in Tübingen 1539, Schüler von Joachim Camerarius und Erhard Schnepf, als Magister in Wittenberg 1544, Aufenthalt in Heidelberg und Tübingen, Rückkehr nach Wittenberg 1548, dort Vorlesungen über Melanchthons Loci, Rhetorik und Astronomie, Italienreise, Berufung an das Pädagogium nach Rostock 1550, Einfiihrungsvorlesungen, BibI. Exegese ab 1553, gest. 25.6.1600. VgI. Barton, Art. Chytraeus, David, TRE 8, 88-90 (Lit.). Die ausfiihrlichste Darstellung über Chytraeus stannnt aus den
32
deutendster lutherischer Universitätsorganisator und -didaktiker nach Melanchthon" in "seiner epochalen Bedeutung für die Rostocker Universitätsgeschichte" und damit auch für die artistische und theologische Fakultät zur Überwindung der rechtlichen, personellen und inhaltlich-geistigen Krise der Universität den entscheidenden Beitrag geleistet. 46 1551 begann Chytraeus seine Lehrtätigkeit in Rostock am Pädagogium an der Regentie (Studentenunterkunft) "Porta Coeli" mit dem Lehrvortrag der Catechesis.47 Ab 1553 widmete dieser sich bereits theologischen Themen, ab 1558 lehrte er als fürstlicher Professor der Theologie. 48 David Chytraeus legte bereits in seiner Antrittsrede an der Universität Rostock am 21.4.1551 seine Vorstellungen über Methode, Inhalt und Zweck der theologischen Ausbildung dar: "Oratio de studio theologiae, exercitiis verae pietatis et virtutis potius quam contentionibus et rixis disputationum colendo".49 "Die wahre Theologie ruht ihm nicht auf der Erkenntniß, und auf der Lehrwissenschaft allein, sondern auf der wahren Furcht Gottes, auf dem Glauben an Christum und dem neuen Gehorsam."50 Der Begriff der "vera pietas" spielte für Chytraeus eine besondere Rolle. 51 Er verband die melanchthonische Vorstellung des "sittlichen Lehrer(s) Christus" mit der lutherischen Darstellung des "Christus der realen Versöhnung".52 Er verstand sich als Schüler Luthers und Melanchthons gleichermaßen. 53 Ebenso wie im Lehrinhalt war Chytraeus auch in seiner Lehrmethode stark an Melanchthon orientiert. 54 Seine enzyklopädischen und methodologischen Vorstellungen über das Studium der Theologie und anderer Disziplinen werden in seiner Oratio de studio Theologiae recte inchoando deutlich, die er für die neuangekommenen Studenten vermutlich im
Jahren 1720ff: Otto Friedrich Schütz, De vita Davidis Chytraei commentariorum 1ibri quatuor, 4 Bde., Hamburg 1720-1728. 45 Die ca. 100 Immatrikulationen jährlich in den 1540er und 1550er Jahren stiegen in den 1560er Jahren auf ca. 130 pro Jahr. Zu den Zahlen vgl. Kaufmann, Universität, 70 und 329ff. 46 Kaufmann, Universität, 65. 47 Kaufmann, Universität, 77, Anm. 170. 48 Kaufmann, Universität, 76, Anm. 170. 49 Chytraeus, Orationes, 472ff, vgl. auch Krabbe, Chyträus, 42. Die Rede wurde 1581 erstmalig gedruckt. Zu dieser Rede vgl. Kaufmann, Universität, 260-268. 50 Krabbe, Chyträus, 42. "Sapientiam non nudam Dei notitiam seu scientiam doctrinae so1am, sed veram Dei cognitionem, cum vera pietate seu vero timore Dei & fide ac obedientia erga Deum coniunctam, defmiunt.", Chytraeus, Orationes, 475, vgl. Kaufmann, Universität, 264, Anm. 55. 51 Darauf weist insbesondere Kaufmann, Universität, 266 u.ö. hin. Wahre Frömmigkeit besteht in Gottes- und Nächstenliebe, vgl. Kaufmann, Universität, 266. 52 Kaufmann, Universität, 265, Anm. 62. 53 Vgl. auch Keller, Chyträus, 11f, 16, 111f. 54 Vgl. Krabbe, Chyträus, 43. Barton, Art. Chytraeus, TRE 8, 88fbezeichnet ihn einerseits als gemäßigten "Linksmelanchthonianer", andererseits als entschiedenen "Gnesiolutheraner", jedoch nicht als "Vermittlungstheologen". Tilemann Heshusius habe ihn nach 1557 "vom philippistischen ins gnesio1utheranische Lager geholt", Barton, Art. Chytraeus, David, TRE 8, 88. Vgl. auch Barton, Um Luthers Erbe, 126f.
33
Sommer 1558 hielt.55 Diese haben später in der Schrift De ratione discendi et ordine studiorum recte instituendo 56 bzw. als Regulae Studiorum seu de ratione et ordine discendi57 und in zahlreichen anderen Ausgaben weite Verbreitung gefunden. Die klaren hodegetischen Vorstellungen des Chytraeus haben sicherlich auch einen starken Einfluss auf das Studium des Praetorius gehabt. Das zeigt sich auch in der von Praetorius verfassten Studienanweisung, dem Ordo studiorum. Die aus Vorlesungen entstandene Catechesis58 von David Chytraeus wird Praetorius ebenso wie die Regulae vitae 59 sicher schon früh, spätestens mit Aufnahme seines Studiums in Rostock kennengeiemt haben. In Rostock hat Praetorius wahrscheinlich historiographische Vorlesungen des Chytraeus über Herodot,60 Thukydides 61 und Melanchthons Chronicon Carionis62 gehört. Das geschichtlich-ethische Interesse des Praetorius zeigt sich besonders in seinen Historiae familiares (1572). Von den exegetisch-dogmatischen Vorlesungen, die Praetorius bei Chytraeus gehört bzw. mit deren Kommentaren er sich beschäftigt haben könnte, kommen u.a. die atl. Vorlesungen über die Genesis 63 , Exodus64 , Micha und Nahum65 und Jesus Sirach66 in Frage. Von den ntl. Vorlesungen stehen die Vodesung über das Matthäusevange55 Siehe SVZ. Vgl. Kaufmann, Universität, 270-285. Diese Rede wurde vermutlich im Sonuner 1558 gehalten und dann im Druck veröffentlicht (Dedikationsepistel vom 10.11.1558), vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 171-173. Praetorius wird sie also vermutlich entweder gehört oder später nachgelesen haben. In ihr konunen zehn Themen zur Sprache: Gebet, Bibellektüre, Dogmatik, Dialektik, Disputation, Sprachen, Bibelkonunentare, Kirchengeschichte, Philosophie und geistliche Erfahrung ("crux"). 56 Wittenberg 1562, VD 16, C 2725. 57 VD 16, C 2730. Vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 218-236. 58 Catechesis in Academia Rostochiana ex praelectionibus Dauidis Chytraei collecta.... Rostock 1554, vgl. VD 16, C 2514-2546; Krabbe, Chyträus, 44; Schütz, Vita Chytraei, I, 101111; 111-117. Ab der zweiten Ausgabe von 1556 ist die "Oratio de studio theologiae recte inchoando" in der Catechesis enthalten, vgl. Reu, Katechismen, Erster Teil, III/l, 395f. 59 Regulae vitae. Virtutum onmium methodicae descriptiones in Academia Rostochiana propositae a Davide Chytraeo ... Wittenberg 1555, vgl. VD 16, C 2732-2750. 60 Chytraeus legte von 1559 bis 1562 die neun Bücher der Historia Herodots aus, vgl. Krabbe, Chytraeus, 100-103; Klatt, Chytraeus, 31. Vgl. die Chronologia Historiae Herodoti, et Thukydidis (1562), VD 16, C 2559; Kaufmann, Universität, 627. 61 Thukydides wurde von Chytraeus 1562-1565 gelesen, vgl. Klatt, Chytraeus, 32. 62 Von dieser Vorlesung und von Teilen der Herodotvorlesung existiert noch ein Kollegheft des Chytraeus, das Aufschluss über Methode und Inhalt seiner Vorlesung gibt, vgl. Klatt, Chytraeus, 42f. 63 In Genesin Enarratio ... (1557), vgl. VD 16, C 2623; Kaufmann, Universität, 625 und Krabbe, Chyträus, 115-118. Die Vorlesung wurde 1556 gehalten und 1557 erstmals in Wittenberg im Druck veröffentlicht, vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 129-137. 64 In Exodum Enarratio ... (1561), vgl. VD 16, C 2617; Kaufmann, Universität, 626 und Krabbe, Chyträus, 118. Vgl. Schütz, Vita Chytraei, 1,137-143. 65 Explicatio Michae et Nahumi prophetarum ... (1565), vgl. Ind. Aurel., 527; Kaufmann, Universität, 629 und Krabbe, Chyträus, 124. Diese Vorlesung wurde 164 gehalten, vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 281-285. 66 Sententiae Jesu Syracidae (1566), vgl. Ind. Aurel., 528 und Krabbe, Chyträus, 125. Diese Vorlesung wurde 1565 gehalten, vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 287f. 34
lium67, die Johannes-Apokalypse 68 am Anfang, die übrigen Schriften werden kursorisch bis 1560 ausgelegt.69 Über Melanchthons Loci communes liest Chytraeus mehrfach, so z.B. 1562.70 Darüber hinaus erklärt Chytraeus ab 1564 die Confessio Augustana und hält geschichtliche Vorlesungen. 71 Während seiner Studienzeit haben neben David Chytraeus auch Simon Pauli, Lucas Bacmeister, Valentin Schacht, Johannes Posselius, Johannes Caselius und Nathan Chytraeus prägend auf Praetorius gewirkt. 72 Dem Pfarrer an St. Jakobi, fürstlichem Theologieprofessor und späterem Superintendenten in Rostock, Simon Pauli,73 wurde am 29.4.1561 zusammen mit Chytraeus der theologische Doktorgrad verliehen. 74 Seine Vorlesungen behandelten Rhetorik, Melanchthons Examen ordinandorum und Ciceros Reden. Er war vorwiegend praktisch-kirchlich und als Prediger tätig. 7s Der städtische Professor der Theologie, Pfarrer an St. Marien und spätere Stadtsuperintendent Rostocks, Lucas Bacmeister,76 hielt ab 1562 Vorlesungen über den Römerbrief und die Pastoral67 Commentarius in Matthaeum ... (1566), vgl. VD 16, C 2574; Kaufmann, Universität, 624 und Krabbe, Chyträus, 126. Diese Vorlesung wurde erstmals 1555 und 1565 erneut gehalten, vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 123-129.280. Den Matthäuskommentar und die Disposition der Sonntagsepisteln hat Praetorius nachweislich später benutzt, vgl. AA, I, 402 (Tr. 14) über den "Immanuel", AA, I, 232 über die iustitia dei und AA, 1,430 über die philantropia dei. In der Kirchenbibliothek in Salzwedel befmdet sich ein Band der Dispositio Epistolarum, Wittenberg 1566. 68 Explicatio Apocalypsis Johannis ... (1563), vgl. Ind. Aurel., 525; Kaufmann, Universität, 628 und Krabbe, Chyträus, 127. Diese Vorlesung wurde 1560 gehalten und 1563 veröffentlicht. In ihrer Auslegung ist sie traditionell, nicht chiliastisch, vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 197.261-270. 69 Anfang Januar 1560 liest Chytraeus über die Paulusbriefe, im April über den I Joh, vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 194.197 70 Krabbe, Rostock, 595; Krabbe, Chyträus, 52. 71 Krabbe, Rostock, 639. 72 Zu den Theologieprofessoren David Chytraeus, Pauli, Bacmeister und Schacht vgl. die "Kollektivbiographie" bei Kaufmann, Universität, 131-177. 73 Simon Pauli, geb. 28.10.1534, Schüler des Ratsgymnasiums Lüneburg bei Lucas Lossius, Studium in Rostock 1552, Wittenberg 1555, Magister, Domprediger Schwerin 1559, Aufnahme in philos. Fak., Pastor in St. Jakobi und Prof. theol. Rostock 1560, Dr. theol. 1561, Superintendent 1573, gest. 17.7.1591. Vgl. Krabbe, Rostock, 635; Krabbe, Chyträus, 9lf; Krause, Art. Pauli, Simon, ADB 25, 273f; Pettke, Nathan Chytraeus, 25; Kaufmann, Art. Pauli, Simon, in: Pettke (Hg.), Biographisches Lexikon 1, 175-180. Pauli wirkte insbesondere durch seine ab 1565 herausgegebene Dogmatik unter dem Titel "Methodi aliquot locorum doctrinae ecclesiae dei" und seine Predigtsammlung "Postilla das ist: Auslegung der Episteln und Evangelien an Sontagen und fiirnemsten Festen", vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 289 und Kaufmann, Art. Pauli, Simon, 178f; Kaufmann, Universität, 508-538. 74 Krabbe, Rostock, 636; Krabbe, Chyträus, 92. Vgl. Kaufmann, Universität, 78. 7S Krabbe, Rostock, 639. 76 Lucas Bacmeister, geb. 18.10.1530 in Lüneburg, Schüler des Johanneums Lüneburg bei Lucas Lossius, Studium in Wittenberg 1548, Lehrer der dänischen Prinzen Magnus und Johannes, Fortsetzung des Studiums in Wittenberg 1555, Magister artium Wittenberg 1557, Hofprediger Kolding 1559, Pfarrer in Rostock St. Marien und städtischer Prof. theol. 1562, Dr. theol. 1564, Superintendent Rostock 1592, gest. 9.7.1608. Vgl. Kaufmann, Art. Bacmeister, Lucas d.Ä., in: Pettke (Hg.), Biographisches Lexikon 1, 22-26; Krabbe, Rostock, 636f; Krabbe, Chyträus, 368 u.ö.; Fromm, Art. Bacmeister, Lucas, ADB 1, 758. 35
briefe. Als Prediger legte er vermutlich u.a. den Psalter, Jesaja, Genesis und Exodus aus. Ab 1570 erschien seine Homiletik "De modo concionandi", die auf seine Vorlesungen über die Pastoralbriefe zurückging. 77 Johannes Posselius 78 hielt als Professor der griechischen Sprache Vorlesungen über die klassischen Autoren wie Sophokles, Homer oder Aesop.7 9 Johann Caselius80 hielt am 1.9.1563 seine Antrittsrede in Rostock, um anschließend die aristotelischen und platonischen Studien zu fördern. Nathan Chytraeus,81 Davids jüngerer Bruder, studierte zur selben Zeit in Rostock wie Praetorius. Nach dem Erwerb des Magistertitels 1562 wurde er 2 Jahre später zum Prof. für lateinische Sprache berufen, nahm die Vorlesungstätigkeit jedoch erst 1568 nach einer intensiven Bildungsreise auf. Als neulateinischer Dichter,82 Begründer der Universitätsbibliothek83 und als Rektor an der Stadtschule84 verschaffte er sich eine solide Stellung innerhalb der Rostocker Professorenschaft. Erst als er 1590 aufgrund calvinistischer Neigungen nicht mehr am Abendmahl teilnahm, geriet er mit den Theologieprofessoren, insbesondere mit Lucas Bacmeister und Valentin Schacht in Konflikt.85 Nach Veröffentlichung seines Glaubensbekenntnisses 1592,86 in dem er sich gegen die leibliche Gegenwart Christi und gegen die manducatio oralis bzw. indignorum im Abendmahl ausgesprochen, sowie Kritik an Taufexorzismus, Nottaufe und Einzelbeichte geübt hatte, wurde er von Herzog Ulrich auf eigenes Ersuchen entlassen und wechselte als Rektor zur Stadtschule nach Bremen. 87
77
Kaufmann, Universität, 477--494.
78 Johannes Posselius, geb. 1528, Studium Rostock 1542--45, Konrektor Schule Wismar 1545, Rektor Burg Fehmarn 1546, Konrektor St.Marien-Schule Rostock 1550, Magister 1552, Inspektor der Regentie "Porta Coeli", Prof. d. griech. Sprache 1554, gest. 15.8.1591. Vgl. Pettke, Nathan Chytraeus, 21, Anm.12; Krabbe, Rostock, 546f; Krabbe, Chyträus, 415; Krause, Art. Posselius, Johann, ADB 26, 460f(Lit.). 79 Krabbe, Rostock, 546f. 80 Johannes Caselius, geb. 18.5.1533, Studium Wittenberg u.a. 1551, Vorlesungen Rostock 1560, Italienaufenthalt 1563 und 1565, Dr. jur. 1566, philologische und philosophische Vorlesungen als Prof. oratoriae 1568, Erzieher der Söhne Herzog Johann Albrechts von Mecklenburg, Prof. Rostock 1574, Helmstedt 1589, gest. 9.4.1613. Vgl. Krabbe, Rostock, 718-727; Kämmei, Art. Caselius, Johannes, ADB 4, 40--43. 81 Nathan Chytraeus, geb. 15.3.1543 in Menzingen, Schüler von Johannes Sturm Straßburg 1553, Studium Rostock 1555, Magister artium 1562, Prof. lat. Sprache und Poesie 1564, Gelehrtenreise nach England, Frankreich und Italien 1565, Vorlesungen philos. Fak. Rostock 1568, Gründung UB Rostock 1569, Rektor Stadtschule 1579, Entlassung und Wechsel zur Stadtschule Bremen 1593, gest. 25.2.1598. Vgl. Fuchs, Zeittafel, 47f; Krabbe, Rostock, 727730; Fromm, Art. Chytraeus, ADB 4, 256. Zu Nathan Chytraeus vgl. die neueren Darstellungen von Elsmann (Hg.), Nathan Chytraeus (1991); Glaser (Hg.), David und Nathan Chytraeus (1993); Pettke, Nathan Chytraeus (1994). 82 Vgl. Wiegand, Nathan Chytraeus als neulateinischer Dichter, 41--47. 83 Vgl. lügelt, Begründer der Universitätsbibliothek, 13-26. 84 Vgl. Bei der Wieden, Gründung der Große Stadtschule, 27--40. 85 Vgl. Koch, Weg von Rostock nach Bremen, 53-59. 86 Abdruck bei Pettke (Hg.), Nathan Chytraeus, 51-61. 87 Vgl. Pettke, Handschriftliche Zeugnisse, 60-70. Vgl. auch die Dokumente bei Pettke (Hg.), Nathan Chytraeus, 19-97.
36
Zu den Kommilitonen von Praetorius gehörte auch der spätere Schwiegersohn von David Chytraeus und Theologieprofessor Johannes Freder. 88 Nach seiner Promotion zum Baccalaureus und Magister artium 1567 übernahm er als Inspektor die Regentie "Einhorn". Dieses Amt hatte Stephan Praetorius bereits 1563 inne. 89 Das Gemeinsame der auf Praetorius prägend wirkenden jungen Theologieprofessoren der ersten nachreformatorischen Generation - David Chytraeus, Bacmeister, Pauli und Schacht - war nicht zuletzt ihre "bleibende Bindung an Luther und Me1anchthon, die sie von vielen der in die innerlutherischen Auseinandersetzungen seit dem Streit um das Interim involvierten Theologen unterschied. "90 Sie stammten aus einem bürgerlich-städtischen Milieu und waren sozial eingebunden in die "gehobene Bürgerwelt der Hansestadt".91 In ihrem Studiengang besuchten sie gleichzeitig Veranstaltungen in der artistischen und in der theologischen Fakultät. Einige waren durch intensive Freundschaften miteinander verbunden, wie etwa Bacmeister und Pauli, andere durch familiäre Beziehungen wie David Chytraeus und Pauli.92 Einige Professoren wie Bacmeister, Pauli und Schacht hatten neben ihrem universitären Aufgaben auch noch ein Pfarramt zu bekleiden, was sich auch in ihrem literarischen Werk (Predigten und Erbauungsliteratur in deutscher Sprache) niederschlug. 93 In den Leichenpredigten wird neben ihrer Bildung auch ihre besondere Frömmigkeit gerühmt. 94 Über das Verhältnis von Stephan Praetorius zu seinen Rostocker Lehrern und Professoren geben die Widmungsbriefe Auskunft, die seinen lateinischen Schriften vorangestellt sind. Umgekehrt sind sie auch ein Zeugnis für die Einschätzung seiner Schriften und seiner Person. David Chytraeus übte nach den Angaben des Praetorius den größten Einfluss auf ihn aus. 95 Zu Chytraeus be88 Johannes Freder d.J., (1544-1604), geb. in Hamburg, Studium Rostock 1562, Magister artium 1567, Inspektor der Regentie "Einhorn", Rektor Domschule Güstrow 1568, Prof. catecheseos Rostock 1572, Heirat mit David Chytraeus' Tochter Margarete, Dr. theol. 1587, Prof. theol. und Superintendent 1591, gest. 1604. Vgl. Pettke, Testament, 227, Anm. 5; Bertheau, Art. Freder, Johann F., ADB 7, 331 f. 89 Vgl. Krabbe, Rostock, 607: "Die Inspection und Leitung derselben wurde jungen Magistern anvertraut, und zwar die Leitung ... des Domus Vnicornis dem M. Stephanus." Vgl. auch Schütz, Vita Chytraei, I, 253-257. 90 Kaufmann, Universität, 141. 91 Vgl. Kaufmann, Universität, 77, 143f. D. Chytraeus und Pauli heirateten in eine Wismarer Senatorenfamilie ein, Bacmeister in die Patrizierfamilie Bording, vgl. Kaufmann, Universität, 160. 92 Vgl. Kaufmann, Universität, l5lf. 93 Vgl. Kaufmann, Universität, 171. 94 Vgl. Kaufmann, Universität, 165-172. Ebd. 166 vgl. z.B. die Charakterisierung Paulis als "typus fidelium" hinsichtlich seiner wahren Frömmigkeit, der Gottesfurcht, des Glaubens und der Tröstungen. 95 Er begründet damit auch die lange Dauer seines Aufenthalts (sieben Jahre) in Rostock: "habe Chytraeum gehöret und seinenthalben eine tziemliche lange tzeit, sieben ganze iar alda verharret. Et ago Deo toto pectore gratias, das ich Chytraeum und nicht einen andern tzum praeceptorem gehabt habe", Danneil, Kirchengeschichte 2, 125. 37
stand über die Lehrer-Schüler-Beziehung hinaus ein geradezu freundschaftliches Verhältnis. Das zeigt der Briefwechsel, der offenkundig über einen langen Zeitraum nach Beendigung des Studiums stattgefunden hat. Vorangestellt werden soll ein bislang unentdeckt gebliebener, handschriftlicher, originaler Brief des Praetorius an Chytraeus, der jedoch keine Jahresangabe enthält und lediglich auf den 18.4. datiert ist. 96 "S.P. Pro salute uestra amieissima quam ad me misistis, habeo uobis reverenter gratias cIare praeeeptor. Et istos fratres ae amieos fideliter habebo mihi eommendatos. Cum essern proxime Berlini, non poteram multe uobiseum eolloqui: nune eum id deberem faeerere [sie!], et animi mei erga uos uoluntatem prolixe decIarare, deprehendor a majore, propter uxoris aduersam ualetudinem. Fiet id tarnen aliquando, eum ad eogitandum et seribendum, liberior faetus fuero. Oro Deum ut uobis benefaeiat, et perpetuum erga me amorem ae beneuolentiam in peetore uestro aeeendat, et eonseruet. Ex Heliopoli. XVIII. Aprilis. Stephanus Praetorius."97
Diesem Brief muß ein Schreiben von David Chytraeus vorausgegangen sein, in dem dieser Empfehlungen und Grüße an "fratres et amici" übermittelt hat. Praetorius spricht von einem kürzlichen Aufenthalt in Berlin, bei dem er Chytraeus zwar getroffen hat, ohne jedoch mit ihm ausführlich sprechen zu können. Der einzige bekannte Berlinaufenthalt des Praetorius war 1565 anlässlieh seiner Ordination durch Johann Agricola. Der schlechte Gesundheitszustand seiner Frau könnte auf die Zeit vor dem Tod seiner ersten Frau am 7.7.1570 hindeuten. Praetorius kündigt einen längeren Brief an, sobald er dazu wieder Gelegenheit hat. Der erste längere bekannte Brief an Chytraeus ist ein Widmungsbrief vom 15.5.1576.98 Da sich also verschiedene Datierungsmöglichkeiten des handschriftlichen Briefes ergeben, kann eine exakte Bestimmung des Jahres nicht erfolgen. Der Brief wurde vermutlich am 18.4.1570 geschrieben. Bereits 1569 betonte Praetorius im Rückblick auf seine Rostocker Zeit: "Bin och alda vielen, insonderheit dem Chytraeus, welchem mein fleis vnd mores gefallen, seer lieb vnd angeneme gewesen. "99 Der erste bekannte und veröffentlichte Brief von Chytraeus an Praetorius ist kurz nach dem 6.1.1575 in
96 Dieser Brief wurde mir dankenswerterweise von der FB Gotha zur Verfügung gestellt, Chart. A 1048, BI. 237. Durch Vergleich mit handschriftlichen Widmungen des Autors auf verschiedenen Traktaten kann die Verfasserschaft des Praetorius zweifelsfrei erwiesen werden. Als terminus ante quem hat die (deutsche) Erstausgabe der "Historia der Augspurgischen Confession" (vgl. VD 16, und Ind. Aurel., 536) zu gelten, die erstmals 1576 in Rostock im Druck erschien. Chytraeus hat die Adressenseite des Briefes als Manuskriptpapier für seine "Historia" benutzt. Terminus a quo ist das Jahr 1565, als Praetorius Rostock verlassen hat. 97 Die Adresse lautet: "Summo uiro, Doctori Dauidi Chytraeo praeceptori suo colendo." Heliopolis ist Synonym für Salzwedel (bzw. Soltwedel). Sol (lat.) bedeutet ebenso wie Helios (griech.): "Sonne". 98 Rosa nobilis, AIr. 99 Dauneil, Kirchengeschichte 2, 125.
38
Rostock geschrieben lOO und in der Ausgabe der Luscinia cantatrix von 1575 erstmals abgedruckt. Chytraeus hatte einen Brief und mehrere Schriften von Praetorius erhalten, 10 I mit der Bitte, zwecks Veröffentlichung mit dem Rostocker Drucker Jacob Lucius d.Ä. ("Transsylvanus")102 zu sprechen. Chytraeus hatte der Bitte entsprochen und die offensichtlich positive Antwort von Lucius dem Brief beige1egt.103 Chytraeus nennt Praetorius einen in Bildung, Tugend und Glauben herausragenden Freund. In seinen guten Wünschen zum neuen Jahr greift Chytraeus das Bild von der singenden Nachtigall auf und bezeichnet Praetorius als den, der durch die Stimme der himmlischen Nachtigall, Christus, die Kirche lehrt und erfreut. Chytraeus bekennt, durch die Lektüre der Luscinia eine herausragende Frucht der Lehre, des Trostes und des Vergnügens erhalten zu haben.l 04 Sie erscheint ihm als ein himmlischer und göttlicher Gesang. Chytraeus hebt besonders die Vielfalt und Buntheit der Schrift hervor. Sie umfasst Dogmatik, naturkundliche Beschreibungen von Vögeln, die eigentlichen theologischen Predigten und Tröstungen des Evangeliums, ethische Tugendgebote, Hinweise auf das politische Los frommer Prediger und Sentenzen der besten Autoren, d.h. aus der heiligen Schrift, der Philosophie, den Kirchenvätern und aus den Poeten. Chytraeus lobt die eingesandte Schrift als "sehr gebildetes und angenehmes Büchlein" 105. Chytraeus hebt also nicht nur die angenehme Form, sondern auch ihren theologischen Gehalt als Trostschrift hervor. Einen ausführlichen Brief an Chytraeus stellt Praetorius der ihm gewidmeten Schrift Rosa nobilis (1577) voran, der vom 15.5.1576 datiert ist.l 06 Bereits in der Anrede als "praeceptor charissime"107 bezeugt er die Hochschätzung, die er seinem Lehrer nach wie vor entgegenbringt. Mit dem Motiv der Überreichung goldener Rosen bringt Praetorius seine Dankbarkeit und Ehrerbietung gegenüber Chytraeus durch die Dedikation der "Rosa nobilis" zum Ausdruck.l08 Praetorius bekennt, doctrina, pietas und humanitas Chytraeus zu verdanken. 109 Das Urteil der Präzeptoren über die Leistungen ihrer Schüler hält er 100 "Rostochii postridie Epiphaniorum Anno 1575", Luscinia (1575), A 3r. 101 Luscinia cantatrix (1575); "Flores ex amoenißimis Justini Philosophi pratis"; "Clementis ... Alexandrini ... sententias", Luscinia (1575), A2v. Die Florilegien aus Justin und Clemens Alexandrinus sind verschollen. 102 Jacob Lucius d.Ä., aus Siebenbürgen, Buchdrucker und Formschneider in Wittenberg bei Lufft 1556, Universitätsbuchdrucker in Rostock 1564, Drucker in Helmstedt 1579, gest. 1597. Vgl. Franck, Art. Lucius, Jakob, ADB 19,352-354; Krabbe, Rostock, 618; Benzing, Buchdrucker, 201; 394; 502. 103 Luscinia (1575), A2v - A3r. Die Ausgabe der "Luscinia" (1575) erscheint tatsächlich bei Lucius in Rostock. 104 "Mihi sane ... carminum lectio, eximium et singularem doctrinae, consolationis et voluptatis dulcißimae fructum attulit.", Luscinia (1575), A 2r. 105 Luscinia (1575), A2v. 106 Rosa (1577), Al. 107 Rosa (1577), A4. 108 Rosa (1577), A3. 109 "Etsi vero ego a tot tantisque virtutibus 10ngißime absum: tarnen ingenue fateor, si quid est in me doctrinae, pietatis, ac humanitatis quod sane exiguum est, id me onme, post Dei gratiam, tuae, venerande Praeceptor, institutioni, exemploque debere", Rosa (1577), A3.
39
für gerechter und besser als das Urteil der Masse. 110 Er wünscht Chytraeus weiterhin viel Erfolg in der Ausbildung der Studenten. Dies veranschaulicht er mit dem Bild von der Nachtigall, die ihre Kinder das Singen lehrt. Die Schrift Lilium convallium (1578) widmete Praetorius seinem Rostocker Lehrer Simon Pauli.l11 Das Widmungsschreiben war darüber hinaus auch an seinen damaligen Kommilitonen Valentin Schacht gerichtet, der inzwischen in Rostock Lehraufträge wahrnahm. Praetorius hebt bei beiden, die er als seine Lehrer und Freunde bezeichnet, ihre "doctrina", "pietas", "sapientia", "eloquentia", "virtus" und "authoritas" hervor. Er bewundert ihre "humanitas".l12 Beide haben sich um die Kirche Christi verdient gemacht. Praetorius bedankt sich bei Pauli, den er ebenfalls als "Praeceptor carißime" bezeichnet, für die Aufnahme "veluti filium" und die vertiefende Nacharbeit der öffentlichen Vorlesungen in seinem Haus. Er betrachtet Valentin Schacht als seinen besten Kommilitonen und "moderator studiorum meorum". In ihrem gemeinsamen Studium begeisterten sie sich beide für die "luscinia" Chytraeus. Neben Pauli und Schacht richtete Praetorius seine Grüße an weitere Mitglieder der Universität Rostock, die er in seinem Studium kennen- und schätzengelernt hatte. Chytraeus nennt er die unausschöpfliche Quelle der Lehre. 113 An Simon Pauli hebt er die feurigen Predigten hervor, an Lucas Bacmeister seine Beredsamkeit. Johannes Caselius, der deutsche Sokrates und Vorsteher der Musen, wird als "lux principum" gegrüßt, was auf seine Rolle als Erzieher der Söhne Herzog Johann Albrechts anspielt. Die Bezeichnung "apis Attica" würdigt den Fleiß des Griechisch-Professors Johannes Posselius. Den Dichtem Nathan Chytraeus und Johannes Freder spricht Praetorius ein besonderes Lob als "divini Poetae" aus. 114 Besonders hebt Praetorius den Baron Johannes Cyriacus hervor, der vor seinem Weggang aus Rostock den Professoren gedankt und ihren ein Lob ausgesprochen hatte. Dass Praetorius zunächst möglicherweise medizinische Studien bei Johannes Tunnichaeus betrieben hatte,ll5 geht aus einer Bemerkung seines Dedika110 "Et quod uiri optimi, praesertim autem praeceptores, de studijs discipulorum suorum multo candidius iudicare soleant, quam reliquum morosum vulgus, cui nihil rectum, nisi quod ipsum fecerit, videtur.", Rosa (1577), A4. 111 Lilium (1578), Al. 112 Lilium, A6b. 113 "Salue autem Dauid Chytraee, doctrinarum inexhauste fons. Salue Simon Pauli, concionum feruentium habendarum Magister. Salue Luca Backmeistere, aureum eloquentiae flumen. Salue Iohannes Casseli, Socrates Germanice, principum lux, et Musarum nostrarum antistes. Salue Ioannes Posseli, apis Attica. Salue Valentine Schachti, Georgi Schermeri affinis, et grauitatis ipsius foelix imitator. Salue Nathan, seu potius Ionathan; et tu anime mi Ioannes Fredere, diuini Poetae.", Lilium (1578), A5. 114 Nathan Chytraeus schrieb ein Epigramm, das erstmals in der Luscinia (1575), Al abgedruckt wurde. Von Johannes Freder erhielt Praetorius eine Lobrede und ein Epigramm, das an den Anfang von Rosa (1577), Al gestellt wurde. 115 Auch Johann Arndt hatte Medizin studiert bei Theodor Zwinger in Basel, neigte allerdings der paracelsischen Richtung zu, vgl. Weber, Arndt, 29-35 und Schneider, Arndts Studienzeit, 133-175. Dass eine Beschäftigung mit medizinischen Themen im melanchthonischen Umfeld nicht unüblich war, lässt sich auch an Kaspar Peucer, Melanchthons Schwiegersohn
40
tionsbriefes an Heinrich Camerarius 116 vom Frühlingsanfang 1600 hervor, der seiner Schrift Cantabricae coelestes (1600) vorangestellt ist. ll7 Tunnichaeus vertrat die herkömmliche Schulmedizin, die von Galen und Hippokrates geprägt war .118 Ein paracelsischer Einfluss lässt sich bei Praetorius nicht feststellen, obwohl die Universität Rostock in Levinus Battus einen Paracelsisten beSaß. 119 Praetorius zeigt gelegentlich in seinen Traktaten, dass er sich mit galenischen und hippokratischen Schriften beschäftigt hat. Während seiner Studienzeit war Praetorius Lehrer und Kantor an St. Marlen in Rostock.120 Aus finanziellen Gründen muss Praetorius Rostock 1565 verlassen, da sein mütterliches Erbe mittlerweile verbraucht ist: "do ich mein vermugen gespüret, vnd matemi sumptus deficirten",I21 Möglicherweise hat ihn aber auch die 1565 in Rostock grassierende Pest zur Rückkehr veranlasst. Nach Schätzung von Chytraeus starben ca. 10.000 Menschen an der Pest in Rostock. 122 Praetorius lässt sich in die melanchthonisch-humanistische Ausrichtung der Rostocker theologischen Fakultät seiner Zeit gut einordnen. Offensichtlich war es ihm gelungen, zum engeren Kreis der noch jungen Professoren der theologischen und artistischen Fakultät zu gehören und sich dabei auch in ihr soziales Gefüge mit einzubinden,I23 Mit David Chytraeus, Simon Pauli und Valentin Schacht war er freundschaftlich verbunden. Anders als seine Kommilitonen erkennen, der fiir seine Förderung des Philippismus zu 12 Jahren Haft verurteilt wurde, vgl. Czapla, Medizin, 84. 116 Cantabricae (1600), Praefatio A2r. Heinrich Camerarius, geb. 1547, Unterricht bei Joachim Mörlin in Braunschweig, Studium in Wittenberg 1566, Studium in Rostock, Magister 1570, Licentiat der Rechte 1574, Syndicus der Stadt Rostock, ordentlicher Prof. der Rechte 1578, Promotion 13.8.1579, Vorlesungen über lübisches Recht, römisches Recht u.a., Gesandter in Schweden und bei Hansetagen in Lübeck, Rat Herzog Ulrichs von Mecklenburg, der Herzöge Bogislav und Philipp von Pommern, der Fürsten von LÜlleburg, des Herzogs von Sachsen-Lauenburg, gest. 11.2.1601, vgl. Fromm, Art. Camerarius, Heinrich, ADB, Bd.3, 719f (Lit); Krabbe, Rostock, 697--699. Da Praetorius Camerarius in Rostock nicht kennengelernt haben kann, hat er den Kontakt zu Camerarius wohl über Schacht bekommen, den er als gemeinsamen Freund beschreibt: "communis noster amicus", Cantabricae (1600), A4r. 117 "Postquam e tua schola & disciplina Ioannes Tunichaee medicorum optime, & ab Hippocratis Galenique dulci lectione ad hanc praestantiorem medicinam per Davidem Chytraeum, Simonem Pauli, Ioannem Posselium, aliosque divinos viros olim vocatus sim.", Cantabricae (1600), A3v. 118 Krabbe, Rostock, 526. 119 Levinus Battus, Universität Rostock seit 1557, Aufuahme in die philosoph. Fakultät 1560, Vorlesungen über Mathematik und Astronomie (Sonnen- und Mondfinsternisse) seit 1560, Prof. der Medizin Rostock und Leibarzt von Herzog Ulrich 1567, Prof. fiir Mathematik 1574, gest. 11.4.1591, vgl. Krabbe, Rostock, 704-707. 120 Vgl. Cosack, Asketische Literatur, 12. Noch im Jahr 1584 dankt Praetorius dem Rat der Stadt Rostock filr die Unterstützung: "Denn ich wohl weißt was fiir grosse Wolthaten mir die zeit vber/ so lang ich ewrem Chor fiirgestandenl ... von menniglichen widerfahren sind.", AA, I, 332 (Tr. 13). 121 Danneil, Kirchengeschichte 2, 125. 122 Vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 290. 123 Praetorius wurde als 22jähriger immatrikuliert, die Professoren waren zwischen 25-30 Jahre alt.
41
Valentin Schacht, Nathan Chytraeus und Johannes Freder konnte er jedoch keine akademische Laufbahn einschlagen. Das Urteil seiner Lehrer war ihm jedoch auch über seine Studienzeit hinaus wichtig. Ob nicht nur seine melanchthonisch-humanistische theologische Prägung, sondern auch die besondere Bedeutung der praxis pietatis ein Erbe seiner Rostocker Studienzeit sind, kann abschließend erst nach einer Analyse der lateinischen Schriften beurteilt werden.
3. Diakon in der Altstadt Salzwedel (1565-1569) Praetorius wurde nach eigenen Angaben 1565 von dem brandenburgischen Generalsuperintendenten Johann Agricola (aus Eisleben, daher "lslebius")J24 in Berlin ordiniert: "Anno salutis nostrae 65 .... vom hern Islebio tzum Berlin verhort vnd geordiniert worden."125 Bestätigt und präzisiert wird diese Angabe in einem von brandenburgischen Visitatoren ausgestellten Zeugnis vom 29.6. 1600: "olim a Reverendo Viro Dno. M. loh. Agricola Islebio Anno 65 in Vigilia Sti Matthaei Berlini examinatum et dignum visum esse, cui per manuum impositionem ritu Apostolico munus docendi committeretur."126 Die Prüfung fand also am 20.9.1565, dem Vortag des st. Matthaeus-Tages statt, d.h. in der Quatemberwoche nach Kreuzerhöhung. Zu dieser Ordination gehörte die Vorstellung, Prüfung ("Verhör" nach reiner Lehre und christlichem Wandel), Ordination und später auch die Einsetzung in eine konkrete Stelle. 127 Um eine Anstellung in Salzwedel zu erhalten, wandte sich Praetorius an den Superintendenten der Altstadt, Joachim Symmachus. 128 Dieser vermittelte ihm nicht nur die Stelle, sondern auch ein "geschencke" vom Rat.l 29 Praetorius erhielt zunächst eine Stelle als Diakon an St. Marien in der Altstadt Salzwedel. 130 Damit war auch das Amt des Predigers und Konventuals im ehemaligen Au-
124 Johann Agricola, geb. 20.4.1492/94, Generalsuperintendent von Brandenburg 1543, gest. 22.9.1566. Vgl. Rogge, Art. Agricola, Johann, TRE 2, 110-118 (Lit.); Kawerau, Agricola, 211-340. 125 Danneil, Kirchengeschichte 2, 125. Die TPP 41. St., 35 fügt hinzu: "Der Chur-Brandenburgische Rath, Obriste und Hauptmann zu Spandau, Graf Rocho von Lienar, war das Werckzeug dessen sich der HErr dabey bedienete." 126 Danneil, Kirchengeschichte 2, 160. 127 Vgl. Sehling, Kirchenordnung III, 85f. 128 Danneil, Kirchengeschichte 2, 125. 129 Danneil, Kirchengeschichte, Bd. 2, 125. 130 "Anno ... 65 ... bin ich anstat M. Georgii Starcken, tzum Diacono beruffen ... vnd also ins ampt getreten in timore Domini.", Danneil, Kirchengeschichte, Bd. 2, 125. Vgl. auch Danneil, Kirchengeschichte 1, 308. Archidiakon war seit 1554 Johann Radeband, der wegen unsittlichen Lebenswandels (Ehebruch mit der Frau von Joachim Breslow) am 7.6.1563 einen Revers ausstellte, in dem er sich zur Besserung verpflichtete. Als Diakon, d.h. Inhaber der 3. PredigersteIle, standen Praetorius freie Wohnung und jährlich 40 Gulden aus dem gemeinen Kasten zur Verfügung, darüber hinaus die Akzidentien aus den Kasualien, vgl. Parisius, Abschiede, 250f. 42
gustiner-Kloster "zum heiligen Geist" verbunden. l3l Über seine dortige Amtszeit äußert Praetorius 1569: "Was ich aber guts aufgerichtet habe in uinea Domini die tzeit meines ministerii, kan ich nicht wissen, Aber das weis ich furwar, das ichs gut vnd trewlich gemeinet - vnd kan mich des rhumen, das durch vnser aller fleis die Kirche nicht abgenommen sondern tzugenommen vnd vieler lebent dadurch gebessert sei."132
4. Das Pfarramt in der Neustadt Salzwedel (1569-1603) In der 1247 gegründeten Neustadt bildete die im Wesentlichen im 14. und 15. Jahrhundert erbaute Katharinenkirche als dreischiffiger sakraler Backsteinbau das Zentrum kirchlichen Lebens. Das Patronatsrecht hatte ursprünglich das Augustinerkloster "zum heiligen Geist", seit der Reformation war es an den Rat der Neustadt abgetreten worden. 133 Die Visitationsordnung von 1541 legte fest, dass der gewählte Pfarrer auch weiterhin dem Propst der Altstadt präsentiert werden sollte. Erster Pfarrer der Neustadt wurde Joachim Möller,134 vormals Vizepropst an der Altstädter Marienkirche. Daneben wurde ein Kaplan eingesetzt, 1593 kam ein weiterer hinzu. Neben einem Gehalt von 70 Gulden aus dem Gemeindekasten gehörten Roggenpacht, die Nutzung eines Gartens, Akzidentien von Kasualien, das Vierzeitengeld und der Opferpfennig zu den Einnahmen des Pfarrers. Zu seinen Aufgaben gehörten an den Sonn- und Festtagen die Früh- und Hauptpredigt, nachmittags die gesungene Vesper und die Erklärung des Katechismus. Die Wochenpredigten waren am Dienstag, Mittwoch und Freitag zu halten. Dafür wurden alle Messen abgeschafft. Mit der Neustadt war das Elisabeth-Hospital verbunden, in dem Arme und Kranke versorgt wurden. 135 Die Neustädter Lateinschule befand sich bis 1573 nördlich der 131 Das 1247 gegründete, mit regulierten Augustiner-Chorherren besetzte Kloster "zum heiligen Geist" vor Salzwedel (Dorf Perver) war sehr begütert. Es wurde 1540 säkularisiert und von Kurfürst Joachim H. an den Hauptmann der Altmark, Franz von Bartensleben, verpfändet. Die Kanoniker schlossen sich fast vollständig der lutherischen Lehre an und blieben bis zu ihrem Lebensende im Kloster. Praetorius wurde 1565 der erste evangelische Prediger. Unklar ist, ob Graf Rochus zu Lynar an seiner Berufung beteiligt war. Bis 1595 blieb es in der Hand der Familie von Bartensleben, bevor es dem Kurfürsten übergeben und Amt Salzwedel genannt wurde. Das Inventarverzeichnis wurde am 20.2.1595 u.a. von Graf Lynar ausgestellt. Vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 159-163; TPP, 41. St., 36; Pohlmann, Salzwedel, 227-243; Müller, Refonnation, 262. 132 Danneil, Kirchengeschichte 2, 125. 133 Vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 166. 134 Vgl. Danneil, Kirchengeschichte 2, 317f. 135 Anna von Wenckstern (gest. 1575), die Witwe von Matthias von der Schulenburg (gest. 1542), legierte 1570 dem Rat der Neustadt 500 Gulden für die Bezahlung der Wochenpredigten im Elisabethhospital, zur Unterstützung der Schule und der Neustädter Prediger bzw. ihrer Witwen, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 2, 126f. Ebenfalls 1570 stiftete sie zusammen mit ihrem Sohn Daniel von der Schulenburg 750 Taler zur Finanzierung der Dienstags-Psalter-Predigten in der Altstädter Mönchskirche und zur Unterstützung von vier armen Schülern. Dass
43
Katharinenkirche an der Stadtmauer. Auf Betreiben von Stephan Praetorius wurde zwischen 1570 und 1573 ein Gebäude am Kirchhof als neue Lateinschule mit einem runden Treppenturm umgebaut, das alte Gebäude wurde verkauft. Die Schule hatte nach der Kirchenvisitation 1541 zunächst vier Lehrer, später kam ein fünfter hinzu. Erster Rektor nach der Reformation war Paul . Schulze. Seine Nachfolger waren Johann Gercken, der Sohn des Bürgermeisters Nikolaus Gercken und Nicolaus Risleben. Nach dem Tod des zweiten Pfarrers der Neustadt Salzwedel, Jakob Göden,136 am 19.1.1569 wurde Praetorius vermutlich am 21.1. vom Rat der Neustadt, der das Patronatsrecht ausübte, gewählt137 und am Trinitatissonntag (5.6.) in sein Amt eingeführt. Der Vokationsbrief datiert vom 25.1.1569.138 In weitschweifiger Form bezeichnet der Rat die schnelle Berufung nach dem Tod des Vorgängers als Werk der göttlichen Vorsehung. Dass die Wahl einstimmig auf Praetorius fiel, wird damit begründet, dass er "in der Lehre des göttlichen Wortes sich rein und gesund, im Leben unärgerlich, und dameben als einen Liebhaber des Friedens bewiesen" habe. 139 In einem Antwortschreiben an den Rat der Neustadt vom 11.5.69 nennt Praetorius drei Aufgaben frommer Studenten: ein gewissenhaftes Studium der "artes, linguas, facultates vnd virtutes in scholis vnd Academiis", das Angebot und die Bereitschaft zum Dienst in seinem Vaterland 140 und schließlich an seinem Ort zu bleiben. Nach diesen allgemeinen Überlegungen nennt Praetorius die Gründe für seine Bewerbung in seiner Heimatstadt. Er betont, seine Schulausbildung teilweise in Salzwedel erhalten und Chytraeus als Lehrer in Rostock gehabt zu haben. Er habe seine Dienste dem Superintendenten Symmachus angeboten und in seiner Arbeit auch Erfolg gehabt. Schließlich seien auch die Zuhörer sehr dankbar für seinen Dienst. Die Neustädter Gemeinde sei mit der dringenden Bitte um Hilfe an ihn herangetreten, damit sie vor fremden
die Einhaltung dieser Regelung auch kontrolliert wurde, geht aus einer Notiz aus dem Jahr 1573 hervor, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 2, 127f. Ein Bildnis der Anna von Wenckstem fmdet sich in der Mönchskirche, vgl. Pohlmann, Salzwedel, 254-256. 136 Jacob Göden, gest. 19.1.1569, zweiter Prediger an St. Katharinen 1558-63, Pastor ebd. 1563-1569, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1,318. 137 So die TPP 41. St., 37; vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 317f. Bis zur Kirchenvisitation 1541 war die Neustadt dem Kloster "zum heiligen Geist" zugeordnet, anschließend ging das Patronatsrecht auf den Rat der Neustadt über, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 166. 138 Eine handschriftliche Kopie ist vorhanden und angebunden an eine Schrift Heinrich Ammersbachs, Apologia oder Ehren-Rettung der beyden getreuen Lehrer 1677, vh. in der ULB Halle (Sign. 67 H 15), S.I13-133. 139 TPP 41. St., 38f. 140 Sie sollen "sich in ires liebes vaterlandt begeben, vnd dem selbigen getrewlichen dienen", Danneil, Kirchengeschichte, Bd. 2, 124. Das war nicht selbstverständlich, vgl. Fröhner, Pfarrstand, 10f.
44
Pastoren bewahrt bleibe.141 Auf keinen Fall solle dies als ein Verlassen der "väterlichen Kirche" verstanden werden. In seinem Brief erwähnt Praetorius auch seine erste Ehe. Er habe seine Frau Elisabeth mit Hilfe anderer gefunden: "Man hat mich tzum eerlichen vnd frommen weibe geraten vnd geholffen vnd myr in allen ehren beigestanden. "142 Wann die Hochzeit stattfand, ist nicht bekannt, wahrscheinlich zwischen 1565 und 1569. Seine Frau, die im Kirchenregister "Ilsebea" genannt wird, starb bereits am 7.7.1570.1 43 Aus dieser Ehe ging vermutlich die Tochter Katharina hervor, die am 28.9.1578 starb.1 44 Die zweite Ehe ging Praetorius ein Jahr später mit Elisabeth Baumann (Bumans) am 2(11.?).9.1571 ein. Der Eintrag im Kirchenbuch (Trauregister 1571) lautet: "M. Stephanus Schulze et Ilsebe Bumans ii. Septembrjs." Sein Schwager Arnold Baumann145 wurde später Bürgermeister der Neustadt Salzwedel und Pate seines Sohnes Arnold. Anlässlich dieser Hochzeit wurde von dem Wittenberger Studenten Nikolaus Gercken (Gericcus),146 einem Sohn aus der berühmten Salzwedeler Familie Gercken, ein Hochzeitsgedicht ("Epithalamium") veröffentlicht.l 47 Das Eingangsvotum verfasste der damalige Student und spätere Rektor und Bürgermeister Salzwedels Nicolaus Risleben.1 48 Das Hochzeitsgedicht umfasst vier Teile: Die pietas, die Stephan Praetorius zugeordnet wird, die fides, die charitas, die seiner Frau zugeordnet wird und als Ab141 Die Gemeinde habe nach dem Tod von Pastor Göden "in iren hohesten noeten tzu uns ire tzuflucht gehabt, och nachbarlichen vm mich gebeten, man wolte sie jo in iren nöten nicht übergehen, noch tzulassen, das inen frembde vnd schedliche hirten mochten ingedrungen werden", Danneil, Kirchengeschichte 2, 125. Praetorius verpflichtet sich zur Rückkehr in die "veterliche kirche" der Altstadt, wenn es erforderlich ist, vgl. ebd. 125. Warum die Gemeinde "schedliche hirten" fürchtet, ist unklar. Möglicherweise verlangt sie nach einem philippistischen Pfarrer angesichts einer drohenden Lutherisierung. 142 Danneil, Kirchengeschichte 2, 125. 143 Kirchenbuch der Neustadt (Sterberegister 1570): "M: Stephanj Praetorij vxor nomine Ilsebea obijt 7 Iulij." 144 Kirchenbuch der Neustadt (Sterberegister 1578): "Katharina filia Domj. M. Stephanj Praetorij obijt in vigilia Michaeljs Arch:". 145 Vgl. Widmung in AA, I, 377, Tr. 14 (1581. 146 Nicolaus Gercken wurde am 7.6.1571 in Wittenberg inunatrikuliert, vgl. Juntke, Album Academiae Vitebergensis, Bd. 2, 196b, 41. Später war er Domsyndicus in Magdeburg. Sein Vater war der Rektor der Neustädter Lateinschule, Johann Gercken. Bereits sein Großvater, der Bürgermeister Nicolaus Gercken d.Ä. hatte ein Erbbegräbnis an der Katharinenkirche erworben. Von ihm existiert ein Epitaph vor der Kirche. Gercken d.J. übergab den gesamten Besitz einem Familienstipendium für Studierende und ermöglichte dadurch das "Gerckensche Stipendium", vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1,261. 147 "Epithalamium IN HONOREM NVPTIARVM REVERENDI VIRI ERVDITIONE ET Pletate praestantis D.M. Stephani Praetorij ... et pudicissimae virginis ELISABETHAE BVMANS sponsae scriptum, A NICOLAO GERICCO Soltquellensi, Wittenberg (Johannes Crato) 1571. 148 Risleben verfasste nicht nur zahlreiche lateinische Gedichte u.a. für den Schulunterricht, sondern von ihm stammt auch eine Schulkomödie (1586) über die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn (Lk 15), vgl. Fehse, Salzwedeler Schulkomödie, 4-18. Darin beruft sich Risleben, der ein gutes Verhältnis zu Praetorius hatte, auf den verehrten Lehrer Melanchthon, vgl. ebd.7. 45
schluss die concordia,149 Während man bei Praetorius seine Bildung und Frömmigkeit hervorhob, war es bei seiner Frau ihre Sittsamkeit. Aus der zweiten Ehe gingen vermutlich vier Söhne und eine Tochter hervor, die ihre Vornamen nach ihren Taufpaten erhielten. Der erste Sohn Jürgen wurde am 17.10.1572 geboren. Sein Pate war das Ratsmitglied Jürgen Hans,150 Am 26.1.1573 starb ein namentlich nicht genannter Sohn,151 Am 12.5.1574 wurde wieder ein Sohn, Joachim, geboren,152 Sein Pate wurde der Bürgermeister Joachim Appelrath, der offensichtlich ein begeisterter Predigthörer von Praetorius war,153 Hier zeigt sich die auch bei anderen Gemeindegliedern zu beobachtende Bewunderung von Praetorius auch in seinen familiären Umfeld. Der Sohn Sebastian kam am 11.1.1576 zur Welt. 154 Sein Pate wurde der Ratsherr Sebastian Medebeck. Amold Praetorius wurde am 16.3.1578 geboren,155 Das Patenamt übernahm der Schwager von Stephan Praetorius, das Ratsmitglied Amold Baumann,156 Am 28.9.1578 starb die Tochter Katharina. Am 149 Epithalamium, A2r - A4r. 150 Kirchenbuch der Neustadt Salzwedel (Taufregister, 1572): "Jürgen Schulze In vigilia Lucae Euang: 18 Octob: Jürgen Hans Consul. Dominus M Stephanus Schulze vxor Ilsebe." Hans war Ratsherr, 1579 auch Bürgermeister in der Neustadt, er übergab ein Legat für die Kurrende, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 249. Sein Schwiegersohn, Joachim Schulte, war ebenfalls Bürgermeister der Neustadt, vgl. Weine nicht, Tr. 54, A3r. 151 Kirchenbuch der Neustadt Salzwedel (Sterberegister, 1573): "filius M. Stephanj Praetorij Superintendentis noui Soltquel: obijt 26 Januarij mane inter horam 4 et 5." 152 Kirchenbuch der Neustadt Salzwedel (Taufregister, 1574): "Joachimus Praetorius 12 Maj. Joachim Appelrath. Consul. M: Stephanus Praetorius vxor Ilsebe". 153 Vgl. AA, 11, 5, Tr. 30: "Bürgermeister zu Soltwedell mein lieber Gefatter/ welcher zu Hamburgk seliglichen gestorben vnd entschlaffen isf'. Er war ein sehr interessierter Predigthörer des Praetorius, der sich von dem Gehörten Notizen machte, vgl. ebd. 5f: "daß jhm in der weiten Welt nichts liebers were/ denn GOttes Wort! die reinen Predigten des Evangelij. Dill ist mein Schatz! sagt er/ mein Trost vnd meine Frewde. Vnnd were jhm leidt gewesen! daß er eine Predigt solt gehört haben! darauß er nicht etwas sonderlichs solt gemercket vnd auffgezeichnet haben. wie er denn hiezu ein sonderlich Büchlein in seinem Hause hatte/ welchs er seinen gülden Schatz vnd sein Artzneybüchlein nennete." In Weine nicht, Tr. 54, A 3r wird er ebenfalls erwähnt: "Seliger Jochim Appelrat! mein lieber Geuatter/ hatte diesen gebrauch! das/ wenn er aus der Kirchen zu haus kam! eine feder in die hand nam! vnd das fürnemeste/ welchs er gehöret/ in ein Büchlein verzeichnet! damit ers stets rur augen hette/ vnd im fall der not sich damit trösten kondte." Appelrath war vermutlich nicht nur begütert, sondern auch spendenwillig. 1570 deponierte er 300 Gulden, 1579200 Gulden beim Rat der Neustadt. Die Zinsen wurden rur das Schulpretium bzw. die Kurrende gezahlt, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 244 und Sehling, Kirchenordnung (1579),300. 154 Kirchenbuch der Neustadt Salzwedel (Taufregister, 1576): "Sebastianus Praetorij 11. Ianuarij; Sebastianus Medebeck Consul.; M: Stephanus Praetorij Superintend: vxor Ilsebe." Er wurde 1600 Subkonrektor der Schule, 1606 Senator in der Neustadt Salzwedel, 1616 Kämmerer, 1618 Bürgermeister und starb 1632, vgl. TPP, 48. St., 863. Er war mit Barbara Baumann verheiratet, einer Enkelin von Nicolaus Gercken d.Ä., vgl. Danneil, Schulfeierlichkeiten (1831),6. St., 39. 155 Kirchenbuch der Neustadt Salzwedel (Taufregister, 1578): "Amoldus Praetorius Dominica Judica 16 Martij; Amoldus Bauman Consul; M: Stephanus Praetorius vxor Ilsebe Baumans". 156 Vgl. AA, I, 377, Tr. 14. Baumann hat entscheidenden Einfluss auf die Besetzung der Neustädter Pfarrstelle durch Praetorius ausgeübt: "Denn durch Ewren Rath vnnd Beförderung bin ich an diese Kirche kommen! Vnnd es sind mir auch sieder der Zeit her vielfeltige Dienste
46
21.7.1579 starb ein namentlich nicht genannter Sohn,157 Am 29.9.1583 wurde eine Tochter geboren, die jedoch nicht im Kirchenbuch der Neustadt Salzwedel erwähnt wird,158 Über ein mögliches Verwandtschaftsverhältnis zu Abdias Praetorius gibt es keine verlässlichen Angaben,159 Wie aus dem Visitationsabschied von 1579 hervorgeht, fand die Taufe der Kinder üblicherweise am dritten Tag nach der Geburt statt. Ein bis drei Paten waren zulässig, die aber nicht vor der Taufe beim Pfarrer gemeldet werden mussten. 160 Aus einer handschriftlichen Aufstellung von Wilhelm Cleinow geht hervor, dass zwischen 1569 und 1580 in der Neustadt Salzwedel ca. 90 Kinder pro Jahr getauft wurden. Im gleichen Zeitraum wurden ca. 30 Paare pro Jahr getraut und 70 Gemeindeglieder verstarben. Zwischen 1581 und 1600 sank die durchschnittliche Zahl der Getauften auf 65 Kinder bei einer etwa konstanten Zahl von Trauungen und ca. 100 Sterbefällen. Während der Pestepidemie des Jahres 1581 verstarben 790 Gemeindeglieder (davon allein 235 im Monat August), im Jahr 1599 waren es noch einmal 342, und in den Jahren 1575, 1577, 1579 und 1586 starben jeweils ca. 100 Personen,161 Die Gesamtzahl der Gemeindeglieder ist nicht angegeben. Diese Statistik zeigt, welchen enormen Verlust die Gemeinde in den Pestzeiten erlitten hat und welch große Bedeutung die pastorale Versorgung der Kranken und Trauernden gewann. Die Angaben über seine familiäre Situation geben Hinweise auf die unmittelbare Konfrontation mit Leiden und Tod. Praetorius erwähnt zwar weder seine Eltern noch seine Kinder in seinen Traktaten. Die Tatsache, dass seine erste Ehefrau und vermutlich drei seiner mindestens sechs Kinder bereits im Kindesalter starben, zeigt, dass er Sterben und Tod auch im Kreis engster Angehöriger erfuhr. Seine theologischen Antworten auf das Problem des Todes sind daher auch auf dem Hintergrund persönlicher Erfahrung zu beurteilen. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Herausforderungen während der Krankheitsepidemien, in denen er die Stadt offensichtlich nicht verlassen hat. Als "Pestpfarrer" blieb Praetorius auch späteren Generationen noch im Be-
von euch widerfahren.", ebd. 379. Baumann wurde 1546 in Wittenberg immatrikuliert, vgl. Juntke, Album Academiae Vitebergensis, I, 242b, 28. 157 Kirchenbuch der Neustadt Salzwedel (Sterberegister, 1579): "M. Stephanj Praetorij Pastor huius ciuitatis filius obijt in vigilia Mariae Magdalenae peccat:". 158 Vgl. TPP, 48. St., 863. 159 Auch eine Verwandtschaft zu Jakob Praetorius oder dem Großvater Johann Wilhelm Petersens, Andreas Praetorius, ist nicht nachzuweisen. Vgl. Matthias, Johann Wilhelm und Johanna Eleonora Petersen, 24. 160 "Das Kindtaufen soll stets wie gewonlich tertia, wo die Kindlein nicht schwach sein, gehalten ... Vndt magk ein Jeder einen, zwey oder drey gefattern bitten, doch soll niemandt schuldigk sein, ehe Er taufen lesset, dem Ministerio zu vermelden, was Er vor gevattern bitten will, viel weiniger Jemands außgeschlossen werden, Es sey den von den Consistorio, wie obstehet, erkandt.", Danneil, Kirchengeschichte 2, 133. 161 Vgl. Cleinow, Sammlung einiger Nachrichten (olme Paginierung, hsl. im Archiv der Kirchengemeinde St. Katharinen, Salzwedel). Im Jahr 1589 wurden in der Altstadt Salzwedel241 Todesfälle registriert, vgl. Pohlmann, Salzwedel, 70f.
47
wusstsein.l 62 Während seiner Amtszeit in Salzwedel erlebte er zwei große Pestepidemien im Jahre 1580/81 und 1599, während derer ein Großteil der Salzwedeler Bevölkerung starb. Im Sommer 1581 breitete sich eine Krankheitsepidemie in Salzwedel aus.l 63 Praetorius veröffentlichte im Juni 1581 die Trostsprüchlein für die Kranken (Tr. 53), ein "Trostschrifftlein" fiir die bettlägerigen und an der Pest infizierten Kranken in den Häusern, die nicht mehr in die Kirche kommen konnten oder durften.l 64 Den beiden Gemeindepastoren ist es nicht mehr möglich, alle Kranken zu besuchen.l 65 Er rät, die Schrift auch bereits vor einer Erkrankung mehrmals zu lesen. Theologisch gesehen wird Gott seinen Zorn wieder abwenden, wenn jeder einzelne Buße tut und sein Leben bessert. Praetorius gibt aber auch praktische Hinweise zum Umgang mit der Krankheit. Er beklagt, dass den Kranken häufig Freunde, Nachbarn und Verwandte fehlen, die sie mit dem Lebensnotwendigsten versorgen. Hunger, Durst und Verwahrlosung durch Isolation sind die bedrängendsten Missstände.l 66 Die Kranken zu besuchen, gehört zur christlichen Liebe, denn es bedeutet, "Christum in den Krancken (zu) besuchen".l67 Gott selbst tröstet sie durch sein Wort und seinen Geist. Praetorius bittet vor allem ältere Gemeindeglieder, "so jhre Zeit fast gelebt", um Besuche bei den Pestkranken. Wie man an den treuen Seelsorgern sieht, kann Gott auch vor dieser Krankheit schützen.l 68 Praetorius rechnet aber dennoch nur mit einer geringen Wirkung seiner Ermahnung. Deshalb ermahnt er die Obrigkeit, fiir Nahrung, medizinische und hygienische Versorgung der Kranken zu sorgen
162 Er habe Kranke und Sterbende fleißig besucht, vgl. Koch, Altmärkische Kirchenliederdichter, 17-20. Außerdem wurden ein Pestfriedhofund ein Pesthaus eingerichtet. 163 Lüchow und Arendsee blieben in diesem Jahr von der Seuche weitgehend verschont, vgl. AA, 11, 538. 1583 breitete sich die Pest nach Seehausen, Osterburg und Stendal aus, wo jeweils über tausend Menschen starben. Vgl. Zahn, Armen- und Krankenpflege, 40. 164 AA, 11, 537. Gewidmet ist der Traktat den Bürgern und Bürgerinnen der Neustadt Salzwedels. In seinem Brief vom 5.6. erinnert Praetorius an seine Vermahnung vom Freitag, dem 2.6. 1581. 165 "Wir wollen euch! vermittelst Göttlicher Hülffe! in ewren Nöthen nicht verlassen! sondern euch gerne besuchen vnd trösten! Doch! weil wir vnser nur zween seyn/ die Gemeine aber ziemlich gros ist! daß wir allen vnd jeglichen insonderheit nicht können gerahten! habe ich diesen Weg filr die Hand nemen müssen.", AA, 11, 538. 166 "Denn da ligt zuweilen ein frommer Mann! oder eine fromme Fraw! mit ihren lieben Kindern! von jedermann verlassen. Es hungert sie woll aber niemand speiset sie ... Man lest sie in jhrem stanck ligen. Man wil jhnen offt das liebe Brot vnnd Bier vmbs Geld nicht verkeuffen. Jn vnbarmhertzigen Secten versperret man jhnen die Heuser vnnd Gemächer! vnnd treibet sie mit Keulen zurück! damit sie ja nicht zun Fenstern außkucken! vndjhre Notdurfft fordern. Wer sie von fern sihet! der fleucht filr jhnen." Die Isolation der Kranken war die häufigste Maßnahme, um die Verbreitung der Pest zu verhindern. Waren die Hospitäler gefüllt, wurden die Häuser der Erkrankten häufig gesperrt. Das Pflegepersonal, Ärzte, Geistliche und die Pestknechte waren am stärksten der Ansteckungsgefahr ausgesetzt. V gl. Zahn, Armen- und Krankenpflege, 40f. 167 AA, 11, 554. 168 AA, 11, 556. 48
und die Kosten aus dem "Gotteskasten" (Gemeindekasten?) zu finanzieren.l 69 Er übt auch deutliche Kritik am Verhalten gegenüber dem infizierten Hauspersonal. Sie werden sowohl geistlich als auch körperlich vernachlässigt.l70 Aufgabe des Hausvaters ist es daher, als "Propst vnd Bischoff' seinem Hausgesinde Gottes Wort zu lehren und Trost zu geben. l7l Die providentia bzw. praedestinatio Dei ist seine theologische Antwort auf die todbringende Seuche, weil Gott den Zeitpunkt des Sterbens bestimmt. Vor den Sünden gegen das Gewissen brauchen sich die Auserwählten nicht zu furchten, wenn sie Reue zeigen. Praetorius will seine Gemeindeglieder vor Traurigkeit und vor der Flucht vor der Seuche bewahren. 172 Beides sind fur ihn Zeichen des Unglaubens. Traurigkeit ist eine "Seuche des Herzens" und schwächt die Kräfte.l 73 Um wieder fröhlich zu werden, mahnt Praetorius zu täglicher Schriftlesung, Gebet, Arbeit und fröhlicher Gesellschaft.l 74 Vor der Pest in andere Länder zu fliehen, lehnt er ab, weil Gott auch im eigenen Land vor der Pest schützen kann. Die wichtigste Medizin gegen die Pest ist fur ihn ohnehin das Gebet. 175 Wer bereits von der Pest befallen ist, soll die Krankheit als Prüfung des Glaubens verstehen. Wenn ein frommer Christ stirbt, soll man sich auf das Wiedersehen mit den Eltern, Kindern und Ehepartnern im ewigen Leben freuen und nicht zu lange trauern.l 76
169 AA, 11, 556. Medikamente waren sehr teuer und daher nicht fiir jeden erschwinglich. In Salzwedel war eine Apotheke vorhanden, die die westliche Altmark belieferte. Vgl. Zahn, Armen- und Krankenpflege, 39f. 170 "Es gefeIt mir gar nicht! daß man die armen krancken Dienstboten in einen Winckel stösset! vnnd sie daselbst in vnsaubem Kleidern! vnnd in ihrer Hitze! ohn Trost des Wortes! vnd des Gebets/ wie arme Hunde ligen lest.", AA, H, 557. 171 Praetorius gibt hier ein praktisches Beispiel für die Ausübung des allgemeinen Priestertums der Gläubigen. Auf das Psalmgebet des Kranken antworten die übrigen mit einer Bitte um Erhörung. 172 "Es gefeIt mir so vbell daß die Leut itziger Zeit so trawrig dahin gehen! als weren sie albereit zum Tode verurtheilet! vnd müsten alle sterben. Iteml daß sie fiir der Pestilentz vnd dem Tode hin vnd wider fliehen! gerade als könte sie Gott anderswo auch nicht fmden. Solche Trawrigkeit vnd solche Flucht ist ein Zeichen eines grossen Vnuerstandes vnd grossen Vnglaubens/ des man sich zuvom zu den Leuten nicht versehen hette. Nu siehet man allererst! was vnser Zuhörer aus Gottes Wort gestudieret haben! was sie wissen! vnd was sie gleuben.", AA, 11,5471 173 "Denn Trawrigkeit ist an ihr selbst eine Pestilentz vnd Seuche des Hertzens! dauon der Todt kömpt", AA, II, 547. 174 Vgl. AA, II, 548. Daneben gibt er Hinweise für praktische Hausmittel: Sauberkeit, Eichenrauch, "Angelica/ in Weinessig gebeitzet! Zitwer! Raute! oder Lorbeeren in deinem Munde", AA, 11, 550. 175 Praetorius verwirft abergläubische Mittel wie "Tyriackl Mytridat! gülden Ey", AA, II, 550. Mithridat ist eines der ältesten Arzneimittel, aus zahlreichen Substanzen zusammengesetzt, als Gegengift u.a. auch gegen die Pest benutzt, vgl. Bächtold-Stäubli, Art. Mithridat, 397f. Theriakkügelchen waren opiumhaltig, vgl. auch Theodor Fontane, Grete Minde. 176 "Dein liebes Söhnlein oder Töchterlein aber/ welche du heute in die Erden gepflantzet ist ein schönes Röselein JEsu Christi! besprenget mit seinem thewren Blute ... am Tage der frölichen Aufferstehung ... wirstu deine lust sehen an deinen lieben Kindern! sie werden ... herrliche vnnd wolriechende Violen! Rosen! Lilien! Neglein vnnd Blümlein der Liebe seyn. Ja sie wer49
Die Trostsprüchlein sind biblische Zusagen und Tröstungen, die Praetorius den Kranken als wichtigste "Medizin" überreicht. Der Sprachstil, dessen sich Praetorius bedient, ist einfiihlsam, bildhaft und persönlich. Dem möglichen Tod wird die christliche Auferstehungshoffnung anschaulich gegenübergestellt. Hier hat seine Theologie des Trostes ihren eigentlichen Sitz im Leben. Die "Blumentheologie" wird zum unmittelbaren Trostwort für die Angehörigen der Verstorbenen. Die größte Gefahr sieht Praetorius in der sich verbreitenden Traurigkeit, weil sie der Freude des Evangeliums entgegensteht. Seine Aufforderung zum Schriftstudium und Gebet bleibt nicht auf den akademischen Bereich beschränkt, sondern gilt auch in dieser Krisensituation. Seine Kritik an den Zuständen im Umgang mit den Pestkranken ist vermutlich berechtigt. Dies gilt insbesondere für die drohende Vernachlässigung des Hauspersonals. Praetorius selbst hat sich vermutlich dem Ansteckungsrisiko durch seine Haus- und Krankenbesuche ausgesetzt, aber er erkrankte nicht an der Pest. Eine andere Predigt über Lk 7,13 im Herbst desselben Jahres (1581) zeigt das ganze Ausmaß der Pestepidemie. Unter dem Titel Weine nicht (Tr. 54) widmete er sie am Tag des Bischofs Martin (11.11.1581) allen "betrübten Hertzen zu Soltwedel".l77 "Liebhaber der Gottseligkeit" aus allen Ständen und Zünften starben an der Pest. 178 Die veröffentlichte Predigt sollte der ganzen Gemeinde zuteil werden und von den Kindern in den Häusern vorgelesen werden. Verlobungen, Hochzeiten und andere "vppigkeit" wurden vorübergehend ausgesetzt Praetorius ist davon überzeugt, dass erst eine Besserung des Lebens die Rute Gottes wieder abwendet. Seine "Trostpredigt" richtet sich in erster Linie an Witwen und Waisen. Auch in diesem Traktat begegnet der Gedanke, dass die Trauer mäßig sein soll. Der Gedanke der providentia Dei bekommt wiederum ein besonderes Gewicht, ohne dass Praetorius eine calvinistische Prädestinationslehre vertreten möchte.l 79 Gegen die Anfechtung eines möglichen Verlustes der Gnade durch die katholische Versöhnungslehre betont er den gnädigen Gott.l 80 Er richtet sich gegen die Rede vom Verlust der Gnade, weil er die erneute Etablierung eines meritorischen Denkens befürchtet. Es geschieht nichts ohne Gottes Vorden daher leuchten! wie der helle Morgenstern! vnnd wie die klare Sonne.", AA, II, 563. Hier sind die Verstorbenen Teil des Paradiesgariens. 177 Weine nicht, A2r. Die Vorrede aus dem Separatdruck mit den Namen von Verstorbenen fehlt in der Arndtausgabe. Das Titelblatt des bei Michael Kröner in Uelzen erschienenen Druckes ziert ein Holzschnitt, der die Szene der Auferweckung des Jünglings von Nain (Lk 7) zeigt. 178 Weine nicht, A2v. Praetorius nennt einige Verstorbene, die "liebhaber Göttliches Wortes/ vnd aller Gottseligkeit" waren, ebd. A3v. Die Genannten sind entweder Honoratioren der Stadt oder besonders fromme Christen gewesen. Von den Pesttoten, die im wahren Glauben entschlafen sind, zählt er im Juni 8, im Juli 14, im August 22, im September ll und im Oktober 7 namentlich auf. 179 "Das macht! wir haben den fUrtreffiichen vnd frölichen Locum de providentia divina nicht gestudiret! vnd wissen nicht! daß Gottes Auffsehen vnser Leben bewahre.", AA, II, 571. 180 AA, II, 568.
50
wissen, Rat und Willen.l 81 Das Kreuz reinigt das Herz von den Sünden.l 82 Das Vertrauen zu Gott wird im Elend größer. Kreuz lehrt beten. Die Bitterkeit des Kreuzes wird durch die Süßigkeit der Gnade gelindert.l 83 Dass Gott sich auch um die Versorgung der Witwen und Waisen mit dem Lebensnotwendigen kümmert, zeigt Praetorius an biblischen Beispielen. Er tröstet mehr, als Kinder ihre Eltern trösten können.l 84 Ein wichtiger Trost fiir die Angehörigen ist, dass die Toten friedlich schlafen und ihre Seelen im Paradies ruhen. Am Jüngsten Tag werden im Gericht die "Papisten" und Gottlosen von den Gläubigen und Bedrückten geschieden. Die Gläubigen werden in ihrer Klarheit, Weisheit und Gerechtigkeit leuchten. Fromme und treue Lehrer werden eine herrliche Krone empfangen.l 85 Am Tag der fröhlichen Auferstehung und Wiederbringung aller Dinge wird es ein Wiedersehen mit allen Familienmitgliedern geben.l 86 Die ehelichen Bindungen gelten jedoch nicht mehr, denn "Christus allein wird Bräutigam seyn".l87 Es wird viele Gespräche geben, auch mit den "Helden" im Reich Christi: Elia, Johannes, Augustin, Luther, Hus und Melanchthon. Die Predigthörer werden fiir die tröstliche Lehre danken, die sie von Praetorius gehört haben. Mit seinen Auserwählten wird Christus außerordentlich freundlich umgehen. Da der Jüngste Tag nicht mehr fern ist, soll man ihn in freudiger Hoffnung erwarten. Auch im Pestjahr 1598 veröffentlichte Praetorius zwei Schriften (Von der Pest, Tr. 49; Hauptursachen der Pest, Tr. 50) über die Ursachen der gegenwärtigen Katastrophen und das christliche Verhalten während der Pest. Im Unterschied zur gängigen Herleitung durch Kometen und andere Himmelserscheinungen interpretiert Praetorius sie im lutherischen Sinn als eine Strafe Gottes. Pest, Teuerung und Krieg mit Spaniern und Türken werden mit bibli181 Dazu beruft sich Praetorius auf Johannes Vives, Büchlein an die Jugend; Cyprian, ep. 3 ad Cornelium Papam; Minutius Felix, Adversus gentiles, VIII. Buch, vgl. AA, H, 571-573. 182 "Vnnd je lenger ein armes Hertz in der Hitze des Creutzes gehalten! je reiner es wird! vndje angenehmer es Gott wird", AA, H, 574. Durch dieses "wunderliche Spiel" will Gott den Glauben "lebendig! fewrig! groß/ lauter vnnd rechtschaffen machen", AA, H, 575. 183 "Denn wo Bitterkeit im Hertzen ist! da schicket Gott seiner Gnaden Süssigkeit hin! daß also das Hertz nimmer süsser ist! denn eben zu der Zeit! wenn es am aller bittersten ist.", AA, H, 575. Vgl. die Verwendung mystischer Begriffe wie Bitterkeit und Süßigkeit. 184 Praetorius übt scharfe Kritik an der Lebensweise der Jugend: "Sihe an die junge Welt! wie sie jetzt außsihet ... Ist sie nicht in aller Gottlosigkeit! in verachtung Göttliches Worts vnd Sacramenten! in verachtung des heiligen Ministeriums/ in Vngehorsam/ in Hoffarth/ in Trotz! in Fressen vnnd Sauffen! in Vnzucht vnd Schande gar ersoffen ... gleube nicht! daß die Leute fiirm Jüngsten Tage werden frömmer vnnd demütiger werden", AA, H, 578. Ein scharfer Kritiker der Lebensformen seiner Zeit war auch der Altstädter Superintendent Johannes Cuno. 185 Gleiches gilt fiir die "frommen Schülerlein! welche ihren Eltern vnnd Praeceptores gehorchet/ vnd in Gottes Wort fleissig gestudiret! vnd darüber viel gelitten haben! auch sonst andere fromme Christen! als Schreiber/ Buchdrucker/ vnnd was mehr zur beförderung vnnd fortsetzung des heiligen Evangelii trewlich geholffen! vnnd ein stück vom patrimonio daran gewandt", AA, 11, 585. Patrimonium ist das väterliche Erbe. 186 Mit dem Gedanken der Wiederbringung aller Dinge weicht Praetorius von der traditionellen lutherischen Eschatologie ab und nähert sich dem Chiliasmus. 187 AA, H, 588. Vgl. dazu auch Nicolai, Freudenspiegel des ewigen Lebens. 51
schen Beispielen verknüpft. Ursache des Zornes Gottes ist für ihn die falsche Predigt des Evangeliums und der unsittliche Lebenswandel der Menschen. Die Lehrer unterscheiden nicht zwischen den bona viae/vitae und den bona gratiae/gloriae.l 88 Die Zuhörer verachten den wahren Glauben, weil sie sich die himmlischen Güter nicht aneignen. Neben den Kritikern gab es in Salzwedel offensichtlich auch glühende Verehrer von Praetorius. Dies wird aus einem Briefwechsel zwischen dem Salzwedeler Buchhändler Michael Crusius und seinem Schulkollegen Heinrich Seger deutlich, der dem Traktat Von der wahren Gottseligkeit (Tr. 34, 1595) beigedruckt ist. Für Crusius ist Praetorius Gottes "schönester vnnd holdseligster Engel ... an welchem sich alle heilige Engel nicht gnugsam ersättigen vnnd verwundern können".l89 Seger verehrt ihn wegen seiner tröstlichen und freudenreichen Lehre wie Christus selbst. Wer über dieser Lehre nicht fröhlich werde, gehöre zum Einflussbereich des Teufels. Gottes Wort sei nie klarer und heller gewesen als nun in Gottes auserwähltem Werkzeug. Seger nennt Praetorius ebenfalls einen leuchtenden Engel, die "corona Dei".l90 Um Praetorius zu erkennen, sei die Gnade Gottes notwendig,191 weil dieser von den ewigen Gütern Gottes erfüllt sei.l92 Seger, der von Praetorius auch privat unterrichtet wird, setzt ihn an die zweite Stelle nach Christus.l 93 Die überschwängliche Verehrung, die Praetorius hier erfährt, lässt vermuten, dass es in und außerhalb von Salzwedel einen Kreis von Anhängern gab, die seine Schriften gerne aufnahmen und Praetorius vermutlich auch finanziell unterstützten. Sofern es eine Verbindung zwischen Salzwedel und Johann Arndt gegeben hat, könnte sie durch den Buchhändler Crusius hergestellt worden sein. Möglicherweise hat diese Verehrung auch Arndt veranlasst, die Schriften von Praetorius näher in Augenschein zu nehmen. In einer der späteren Ausgaben der Schriften von Praetorius aus dem 17. Jh. wird dieser unter Berufung auf diesen Traktat auf dem Titelblatt als "auserwählter Heilsengel" bezeichnet.I94 Praetorius wandte sich außer den Kranken auch anderen Aufgaben zu. Während seiner Amtszeit wurde die Neustädter Lateinschule erbaut, eine neue Kanzel errichtet und es wurden die Glasfenster der Katharinenkirche renoviert.l 95 Dazu waren erhebliche Finanzmittel notwendig, die von wohlhabenden Bürgern und Körperschaften gestiftet wurden. Die Renovierung und Umgestaltung 188 Praetorius beruft sich auf Augustins Lehre von der Unwiderrutbarkeit der Gnade, vgl. AA, H, 460. 189 AA, H, l33. 190 AA, H, l35. 191 "Est igitur singularis, imo divina gratia, agnoscere fluenta Spiritus sancti gratis angelo tributa.", AA, H, l35. 192 "Vere enim habet fontem & venam vitae aetemae.", AA, H, l36. 193 "Et quicquid nos in hac parte habemus, id post Christum ab ipso habeamus. De ejus plenitudine hausimus salutis aetemae scientiam.", AA, H, l36. 194 Der heilige und auserwehlte Heyls=Engel ... Das ist M. Stephan. Praetor. Schöne auserlesene Geist= und Trost= reiche Schrifften ... , vgl. SVZ. 195 Vgl. Rabenau, Glasfenster, 118; Böning, Glasmalereien, 37--46. 52
der Glasfenster erfolgte zwischen 1573 und 1596, vermutlich im Zusammenhang der Kirchenvisitation 1579, als die Gilden an ihre Pflichten zur Unterhaltung erinnert wurden.l 96 Dabei wurden die ursprünglichen Fenster aus den ersten Jahrzehnten des 15. Jhs. in eine neue protestantische Konzeption integriert. Der spätmittelalterliche biblische Zyklus mit einer typologischen Bilderfolge umfasste das Heilsgeschehen von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht. Schöpfung, Passion, Himmelfahrt und Geistausgießung waren die verbliebenen Themen, die in das neue Programm aufgenommen wurden. Christus wird sowohl in typologischer Weise durch Davids Kampf mit Goliath als auch durch einen Zyklus aus dem Leben Jesu und das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) dargestellt. Er erscheint als der Auferstandene mit dem Kreuzeszeichen, als Erlöser in Gestalt des Schmerzensmannes und als Salvator mundi mit Segensgestus und Weltkugel. Interessant sind die zugehörigen Tugenddarstellungen. Neben dem Salvator sind Patientia und Caritas als "geflügelte weibliche Halbfiguren in reich verzierten Giebelhäuschen mit bekrönenden Blumenvasen ... als siegreiche Überwinder des Lasters schlechthin" abgebildet. l97 Dem Schöpfer sind die Tugenden Fides mit Kreuz und Kelch und Justitia mit Schwert und Waage zugeordnet. Mit dem Schmerzensmann ist die Tugend des Glaubens, die das Kreuz hält und die Pax, symbolisiert durch den Ölzweig, verbunden. Beide Figuren halten Siegerkränze in der Hand. Versteht man die gesamte Bildfolge von Schöpfer, Erlöser und Salvator als trinitarische Einheit, so erscheint die Darstellung des Heiligen Geistes als Salvator ungewöhnlich.l98 Zu dem neuen reformatorischen Bildprogramm gehört auch die Darstellung aus der Offenbarung des Johannes.l 99 Am deutlichsten kommt die reformatorische Intention des Bildprogramms neben der Gleichnisdarstellung wohl in den Chorfenstem "Gesetz und Evangelium" zum Ausdruck. 200 Die Gestaltung des Bildprogramms dürfte auf Praetorius zurückzuführen sein. 201 Sowohl die christologische und soteriologische Zuspitzung als auch die Verknüpfung mit den Tugenden entspricht seinem theologischen Anliegen. Dies trifft sicherlich auch auf die 1592 neu errichtete Kanzel von Hans Za196 Rabenau, Glasfenster, 118 nennt z.B. Claus Gercken d.Ä., Barbara Rademin und die Kürschnergilde. Die erkennbaren Datierungen weisen auf die Jahre 1573, 1591, 1595 und 1596. Vgl. den Visitationsabschied von 1579: "Und weil auch die gülden und gewerken etzliche fenster in den kirchen zuhalten pflegen, soll e.e. rath ihnen bei ernster strafe uflegen, das sie die nochmals bessern und machen lassen", Sehling, Kirchenordnung III, 299. 197 Böning, Glasmalereien, 44. 198 Vgl. Rabenau, Glasfenster, 114f. 199 Davon ist nur die Öffnung des Siegels durch das Lamm nach Apk 5 erhalten geblieben. In seiner Komposition folgt das Bild dem Holzschnitt von Lucas Cranach aus Luthers Ausgabe des Neuen Testamentes von 1522, vgl. Böning, Glasmalereien, 44f. 200 Vgl. Rabenau, Glasfenster, 115-118. Das Rechtfertigungsthema erscheint zweimal: Zum einen als Gesamtdarstellung in einem Fenster mit Sündenfall, Gesetzesempfang und Eherne Schlange, Empfängnis der Jungfrau, Hirtenverkündigung und Überwindung von Teufel und Tod durch den Auferstandenen, zum anderen im größeren Format mit der Darstellung Adams und einem Bibelzitat aus Röm 7,24. 201 So übereinstinunend Rabenau, Glasfenster, 118 und Böning, Glasmalereien, 45. 53
ruth zu, die in ihren Reliefs und Inschriften ebenfalls eine protestantische Konzeption verrät. Über dem Eingang der Kanzeltür ist ein Gebet Melanchthons zu lesen. 202 Der Text am linken Pfeiler aus Apk 14,8 über den Fall Babyions dürfte sich auf die Wende durch die Reformation beziehen. Am rechten Pfeiler hält die Figur in der Hand ein geschlossenes Buch als Zeichen für die Aufgabe des Predigers, die Schrift auszulegen. Das Schriftband am Lauf des Kanzelaufgangs gibt den Text aus Jes 59,21 wieder. Das sich anschließende Schriftband aus Joh 8,31f setzt die Betonung des Wortes Gottes und der Predigt fort. Darunter ist ein christologischer Zyklus mit sechs Reliefs abgebildet, der von der Ankündigung der Geburt Jesu bis zur Auferstehung reicht und denen jeweils ein Schriftwort zugeordnet ist.203 Das letzte Relief zeigt interessanterweise den Evangelisten Johannes mit der Aufforderung zum Glauben: "Credite, quod Jesus sit Christus filius Dei et credentes vitam habetis in nomine eius." (Joh 20,31). Die Gestaltung der Kanzel ist Teil der reformatorischen Verkündigung. Die Auswahl der Bibeltexte und die Darstellung des Evangelisten Johannes soll die besondere Bedeutung des Glaubens gegenüber dem Wort Gottes und die daraus resultierende Heilsbedeutung zeigen. Die Ikonographie der Kanzel sollte dem Inhalt der Predigtverkündigung entsprechen. Aus den Angaben der Salzwedeler Kirchenbücher und anderer lassen sich einige Rückschlüsse auf das soziale Umfeld von Praetorius ziehen. Zunächst einmal ist auffällig, dass die Paten seiner Kinder ausnahmslos Ratsmitglieder sind. Durch seine zweite Frau ist er sogar mit einem der Bürgermeister, Arnold Baumann, direkt verwandt. Daraus kann man schließen, dass Praetorius innerhalb der städtischen Gesellschaft engen Kontakt zu den Honoratioren hatte und eine besondere soziale Stellung genoss, wie sie dem gesellschaftlichen Rang der Pfarrer zu seiner Zeit entsprach.204 Die Widmungen seiner Schriften vervollständigen das Bild seiner zahlreichen Kontakte und Beziehungen zu einer gehobenen bürgerlichen und adligen Schicht. 205
5. Die Visitationen in Salzwedel Mit seiner Zugehörigkeit zum Kurfürstentum Brandenburg wurden auch in Salzwedel nach dem Tod Kurfürst Joachim I. und dem darauf folgenden Regie202 "Vespera iarn venit. Nobiscvm Christe maneto. Extingui lucem nec patiare tuarn. Phs. Me!.", Rabenau, Glasfenster, 119. 203 Ankündigung der Geburt Jesu (Lk 1,31); Geburt (Lk 2,11); Taufe (Lk 3,21f); Kreuzigung (Joh 19,18); Auferstehung (Röm 4,25). Das Auferstehungsmotiv zeigt im Hintergrund einen Teil der Stadtsilhouette Salzwedels mit dem Turm der Altstädter Marienkirche. Dies ist vermutlich ein Hinweis auf die gegenwartsbezogene Auferstehungshoffnung. 204 Vg!. Moeller, Pfarrer als Bürger. 205 Widmungen der deutschen Schriften waren z.B. an Bürgermeister und Rat der Städte Rostock (Tr.13), Lübeck (Tr. 19), Lüneburg (Tr. 22), Uelzen (Tr. 27), an den BUrgermeiser der Neustadt Salzwedel (Tr.14), an Adlige wie Gräfin Anna von Hohenzollern (Tr. 17; 18), Bertha von Bartensleben (Tr. 23), GrafRocho zu Lynar (Tr. 58) gerichtet. 54
rungswechsel (1535) die Tore zur Reformation geöffnet. Vereinzelte Zentren lutherischer Opposition hatte es zuvor auch in der Altmark gegeben. 206 Kurfürst Joachim 11. (1505-1571) gestattete zum 1./2.11.1539 "öffentliche Bekenntnisakte (Abendmahl in beiderlei Gestalt)".2 07 Ein Jahr später wurde die neue Kirchenordnung angenommen, in der die katholischen Zeremonien weitgehend beibehalten wurden. Zur Durchsetzung der neuen Kirchenverfassung verordnete der Kurfürst drei Generalkirchen-Visitationen (1540-42; 1551152; 1557/58) unter der Aufsicht des Vizekanzlers Johann Weinlöben. In übergeordneten Städten wurden Superintendenten eingesetzt. Die Patronatsrechte und Vermögensverhältnisse wurden neu geordnet. Das Schulwesen wurde neu strukturiert und neben den Stadtschulen Küster-(Katechismus )-Schulen etabliert. Mit Hilfe des mächtigen und einflussreichen Propstes Wolfgang von Arnim (Propst in Salzwedel von 1529-1546) wurde die Reformation rasch und vollständig auch in Salzwedel eingeführt. In katholischer Zeit waren die Messpriester der Altstädter Marienkirche mit guten Einkünften versehen gewesen. Der Kurfürst wandelte die Einkünfte von fünf Nebenaltären zu Stipendien für arme Studierende um.208 1541 wurde Salzwedel erstmals durch Matthias von Jagow visitiert, die Altmark dem Bischof von Brandenburg zugeordnet und von Arnim zum evangelischen Superintendenten erklärt. Das damit verbundene Pfarramt wurde einem besoldeten Prediger übertragen. Eine märkische Konsistorialordnung wurde erstellt und an der Spitze des Konsistoriums stand Johann Agricola aus Eisleben. Allerdings fand die brandenburgische Kirchenordnung zahlreichen Widerstand unter den Geistlichen, so dass eine allgemeine Kirchenvisitation verordnet wurde, die 1551 auch in der Altmark durch Agricola, Weinlöben und den Hofrat Matthias abgehalten wurde. In der Pfarrerschaft deckte man eigenwillige Veränderungen im gottesdienstlichen Leben und Missstände in der Lebensführung auf. Den Superintendenten wurde auferlegt, die Pfarrer regelmäßig zu examinieren. Bei der Einführungen von Pfarrern wurde die vorherige Prüfung und Ordination durch den Generalsuperintendenten vorgeschrieben. In Stendal setzte man ein altmärkisches Konsistorium ein. 209 Der Altstädter Superintendent Nicolaus Barstmann wurde wegen seiner Weigerung der Annahme der veränderten Kirchenordnung 1552 zusammen mit seinen beiden Diakonen und dem Rektor Abdias Praetorius in der Altstadt abgesetzt. 2iO Der Nachfolger Nicolaus Krage wurde wegen seines Lebenswandels vom Rat der Altstadt Salzwedel abgelehnt, blieb aber auf Befehl des Kurfursten bis zu seinem Tod 1559 in seinem Amt. Joachim Symmachus war von 1560 bis 1571 Superintendent in Salzwedel. 206 Dazu zählten u.a. Stendal, Salzwedel, Gardelegen, Sommerfeld u.a., vgl. Heinrich, Art. Brandenburg 11., 111. 207 Heimich, Art. Brandenburg 11., 112. 208 Vgl. Müller, Geschichte der Reformation, 258. 209 Vgl. Schmidt, Evangelische Kirche der Altmark, 31. 2iO Vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 170. 55
Kurfürst Joachim 11. lehnte das Interim von 1548, an dem sein Hofprediger Johann Agricola mitgearbeitet hatte, nicht in der gleichen Weise ab, wie sein Bruder Markgraf Johann von Küstrin (1531-1571). Er forderte seine Annahme in Verbindung mit einer eigenen "Deklaration". Der Kirchenordnung von 1572 wurde ein "Corpus doctrinae Brandenburgicum" vorangestellt, mit dem seine Religionspolitik zusammengefasst wurde.2 11 Mit der Visitations- und Konsistorialordnung (1573) 212 schuf sein Sohn, der Kurfürst Johann Georg (1571-1598) die Grundlage der künftigen lutherischen Kirchenverfassung. Die neue Kirchenordnung (1572) verzichtete weitgehend auf die katholischen Gebräuche und Zeremonien und es wurde "der lutherische Charakter stärker betont".213 Das brandenburgische "corpus doctrinae" umfasste die Confessio Augustana Invariata, Luthers kleinen Katechismus mit Trau- und Taufbüchlein, einen Auszug aus Luthers Schriften, aus der Kirchenordnung von 1542 und eine allgemeine Agende. Durch seinen Generalsuperintendenten Andreas MusculuS 214 (ab 1566) konnte er den landesherrlichen Summepiskopat durchsetzen. Kryptocalvinisten blieben allerdings weitgehend ungeschoren.2 15 Die Einigungsbemühungen in der zweiten Hälfte des 16. Jh., die insbesondere durch die Haltung zum Interim von 1548 beeinträchtigt worden waren, fanden in der Abfassung der Formula Concordiae ihren vorläufigen Abschluss.2 16 Eine Übereinkunft in den Themen freier Wille, Rechtfertigung, gute Werke, Adiaphora und Abendmahl sollte durch Unterschriften bestätigt werden. Eine Theologenkommission, zu der Martin Chemnitz, David Chytraeus, Jacob Andreae, Andreas Musculus und Christoph Corner gehörten, erstellte 1576 das Torgische Buch, das 1577 im Kloster Berge bei Magdeburg zum Bergischen Buch umgearbeitet wurde. Melanchthonische Ansätze wurden zwar nicht völlig preisgegeben, aber weitgehend verdrängt. Der ursprüngliche Plan einer Generalsynode zur Annahme des Bergischen Buches wurde auch auf Betreiben Kurbrandenburgs aufgegeben. Die Unterschriften wurden territorienweise von den Pfarrern und Lehrern eingeholt. 1577 wurde die Konkordienformel verabschiedet und die Pfarrer legten den Eid auf sie ab. Zur Annahme der Konkordienformel fand im Rathaus der Salzwedeler Altstadt am 20.8.1577 eine Versammlung der Pastoren und Lehrer statt, auf der das Torgauische Buch nach den jeweiligen Loci verlesen wurde. Daraufhin sandten der Altstädter Superintendent Johannes Cuno 217 und Stephan Praetorius an die211 Vgl. Heinrich, Art. Brandenburg 11, 113. 212 Sehling, Kirchenordnung III, 105-114. Sehling, Kirchenordnung III, 18; 94-104. Zu Musculus vgl. Richter, Gesetz und Heil, 220-235. So z.B. GrafLynar aus Spandau, vgl. Heinrich, Art. Brandenburg H, 113. Vgl. Koch, Art. Konkordienformel, 476-483. Johannes Cuno, geb. 1542, Studium in Wittenberg 1564, Diakon an der Stadtkirche in Wittenberg 1571, Superintendent der Altstadt Salzwedel auf Empfehlung von Abdias Praetorius 1572, abgesetzt wegen Kryptocalvinismus 1596, Inspektor Perleberg 1604, gest. 1609, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 273-280; Pohlmann, Salzwedel, 164-166. 213
214 215 216 217
56
sem Tag eine Salzweldisch Supplication 218 an den Kurflirsten. Darin wird der Vorschlag einer National- bzw. Generalsynode unterbreitet, auf der die noch strittigen Punkte zu klären wären.2 19 Auffällig ist die deutliche Präferenz von Melanchthons Loci theologici, "welche allein (wie herrn Lutheri wort lauten) die Einigkeit der lehre bis ans ende, soll anders eine Kirche auf erden bleiben, erhalten werden".220 Die Verfasser bemängeln neben den vorhandenen zwölf strittigen Artikeln das Fehlen anderer Loci wie "de Deo, de spiritu sancto, de causa peccati, de ecclesia, de sacramentis, de baptismo, de Angelis, de cultu, de invocatione, de magistratu, de libertate christiana etc".2 21 Sie betonen die Notwendigkeit der Visitation. Auch später verfolgte Praetorius den weiteren Diskussionsprozess um die Konkordienformel und deren geplante Apologie.2 22 Erst 1578/79 fand die Visitation in der Altmark statt. Salzwedel wurde 1579 von Andreas Musculus, Bartholomäus Rademacher, Achatius von Brandenburg und Joachim Steinbrecher visitiert.2 23 Die Visitation sollte "zu beforderunge der reinen lehre des heilichen evangelii in unser lande kirchen und schulen, 218 Unter den "Manuscripta Borussica" der Deutschen Staatsbibliothek befindet sich auch ein Sammelband zur Reformationsgeschichte in der Mark Brandenburg und Pommern (1577/78). Neben anderen Stellungnahmen zur Konkordienformel sind unter dem Titel "Censurae secundae DE LIBRO TORGENI Bergae ad Magdeburgum recognito" zwei deutsche Abschriften aufgeflihrt. Zum einen eine "Saltzweldisch Supplication" (f.117r-126v), zum anderen ein "Extract oder Vorzeuchnus etzlicher Punct, welche Im Synodo, zu Saltzwedel gehalten, In Vorsehung des Torgauischen Buchs zuerinnern furgefallenn" (f.127v-133v). Vgl. Teitge (Hg.), Handschriften, 20. 219 Vgl. Censurae Secundae, 120r. Vgl. die Diskussion um die Generalsynode im benachbarten Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, Mager, Konkordienformel, 260-297 u.ö. 220 Censurae secundae, 123r. 221 Censurae secundae, 122r. 222 Dies geht aus einem "Bericht vom Bedencken auff das erste concept der Apologia des Christlichen Concordienbuchesl so vnter etlicher Mechelbürgischen Theologen namen newlich durch den Druck auszgesprengt ist" (Rostock 1584, siehe SVZ), hervor. In diesem an Praetorius gerichteten Schreiben wird auf ein Lehrgutachten über die durch reformierte Kritik provozierte Apologie der FC Bezug genommen, das die Rostocker Fakultät auf Anfrage dem Mecklenburgischen Herzog erteilt hatte und das ohne ihr Wissen anonym veröffentlicht worden war. In ihrem "Bericht" vom 20.5.1584 wehren sich der Superintendent [Pauli] und "andere professores Theologiael vnd Kirchendiener zu Rostock" (vermutlich Chytraeus, Bacmeister u.a.) gegen die vorzeitige und verfälschende Veröffentlichung ihres "Judicij oder Bedenckens von dem ersten Concept des Christlichen Concordienbuchs", das zur Fastenmesse in Frankfurt erschienen und in Krakau gedruckt worden sein soll. Ebenso wie Praetorius seien auch viele andere "Christlicher guthertziger Leut dadurch betrübet vnd geergertl vnd wir bey vnsern Nachbarn vnd anderni in allerley verdacht getzogen" worden. Die Diskussion um die Apologie entzündete sich insbesondere an der Frage der Ubiquität Christi. Die Rostocker betonen, dass sie von der FC weder abrücken noch sie in Zweifel ziehen wollten. Darüber hinaus hatte Praetorius Bedenken angemeldet, die Widerlegung der Gegner in der Apologie mit deren eigenen Worten durchzuführen. Nach Ansicht der Rostocker kommt es nun besonders auf innerevangelische Einigkeit im Kampf gegen die "Papisten" und "Jesuiten" an. Vgl. dazu Kaufmann, Universität, 106, Anm. 299; Krabbe, Chyträus, 384-388; Schütz, Vita Chytraei, III, 117ff. Zum Problem der als Reaktion auf die reformierten Angriffe entstandenen Apologie vgl. auch Mager, Konkordienformel, 403--421. 223 Vgl. den Visitationsabschied für die Neustadt vom 22.6.1579 bei Sehling, Kirchenordnung 1lI, 265; 279-300. 57
auch zuerhaltunge und pflanzunge rechts gotsdiensts, erbarkeit, zucht, und christlicher ordnunge" dienen.2 24 Zu Beginn des Rezesses wurde die festgestellte Reinheit der Lehre betont: "Und seind anfenglichen die visitatores hoch erfreuet, das ein ehrbar rath mit dem pfarrer, caplenen, rectorn und schuldienern keiner spaltungen noch verdamlichen secten anhengig, sondern in dem fürnemsten articke1n reiner lehre, in götlicher schrift der Augspurgischen Confession und hochgedachts unsers gnedigsten herrn christlichen kirchen ordenunge gegrundet, einig sein, auch sich solchs hinfuro mit hülfe des almechtigen ferner zu halten zum höhesten erboten."225 Auch die Besoldung226 und die Arbeitsaufteilung zwischen Pastor und Diakon wurde geregelt. 227 Der Pfarrer hatte am Sonntag die V orrnittags- und die Vesperpredigt zu halten, ebenso die Predigt am Freitag. 228 Die Kirchenvorsteher sollten für die Unterhaltung des Kirchengebäudes sorgen, indem sie die Pfarrer darauf hinwiesen, "die vormugenden von der canzel und in krankheiten zuvormahnen, dazu mildiglich zugeben".229 Eine besondere Warnung wurde gegenüber dem Calvinismus ausgesprochen.2 30 Im Visitationsabschied wurde jedoch hervorgehoben, dass keine calvinischen Irrtümer festgestellt wurden.2 3l Am 28.10.1594 hatte sich Johannes Cuno vor einer kurfürstlichen Kommission (Wenzel, Pelargus, Pistorius, Prunner) wegen des Verdachtes des Kryptocalvinismus zu verantworten.2 32 Er behauptete u.a., in der Konkordienformel würden Melanchthons Loci communes verachtet. Er unterschrieb erneut die
224 Sehling, Kirchenordnung III, 289. 225 Sehling, Kirchenordnung III, 290. Dieser Passus ist identisch mit dem Abschied fiir die Altstadt, ebd. 272f. 226 Praetorius erhält 155 Gulden jährlich, dazu freie Wohnung, Getreide, einen Garten, eine Wiese, und den Vierzeitenpfennig (ein vierteljährliches Opfer). Bei Hochzeiten und beim Kirchgang der Sechswöchnerinnen erhalten Pfarrer und Diakon zwar keine Akzidentien, sollen aber dennoch etwas bekommen, da "den Spielleuthen wol zehnfacht" soviel gegeben wird, vgl. Sehling, Kirchenordnung III, 290. Für Leichenpredigten erhält der Pfarrer 1/2 bzw. bei Auswärtigen 1 Taler. Die Begräbnisse sollen früh genug angezeigt werden und die Predigten nicht mehr als 30 min dauern, damit die Handwerker nicht bei ihrer Arbeit aufgehalten werden. 227 Dem Archidiakon Hermann Göden (1563-1603) wird wegen mangelnder "elocution, also, das die zuherer, weil die kirche gros, ihm schwerlich vornehmen können" ein Teil der Predigttätigkeit durch Praetorius und den Rektor der Schule abgenommen, damit die "grosse gemeine" nicht vernachlässigt wird. Seine Einkünfte werden wegen seines sonstigen Fleißes und guten Lebenswandels aber nicht geschmälert, vgl. Sehling, Kirchenordnung III, 290. 228 Sehling, Kirchenordnung 1lI, 291. 229 Sehling, Kirchenordnung III, 295. Darin war Praetorius offenbar recht erfolgreich. 230 Sehling, Kirchenordnung III, 294, 274. 23 1 Vgl. Danneil, Kirchengeschichte I, 17lf. 232 Vorausgegangen war ein Streit Cunos mit Ratsmitgliedern und dem Rektor der Altstädter Schule, der zunächst 1587 durch eine Kommission unter Führung des Landeshauptmanns der Altmark entschieden werden konnte. 1588 wurde er von dem Vorwurf des Calvinismus vor dem Berliner Konsistorium freigesprochen. 1592 wurde er erneut des Kryptocalvinismus verdächtigt und 1594 durch eine kurfiirstliche Kommission in Salzwedel vernommen. Vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 172; 273-280.
58
Konkordienformel und einen weiteren Revers, dessen Unterschrift er am 21.12.1594 widerrief. 1596 wurde Cuno abgesetzt. Auch Praetorius unterschrieb diesen Revers, forderte aber nach zwei Monaten sein unterschriebenes Exemplar wieder mit der Begründung zurück, er habe aus ZeitgrÜllden keine Abschrift anfertigen können und der Inhalt sei ihm nicht mehr gegenwärtig.233 1598 übernahm Kurfurst Joachim Friedrich (1598-1608) die Regierung in Brandenburg. Er tolerierte konfessionelle Gegensätze, lehnte die Konkordienformel fur sich selbst ab und ließ durch seinen Visitator, den Generalsuperintendenten Christoph Pelargus ein "mildes Verfahren" in der Visitation von 1600 anwenden. 234 Im Juni 1600 fand erneut eine Visitation in der Altmark statt. Visitatoren in Salzwedel waren Gebhard von Alvensleben,235 Simon Gedicke, Andreas Wenzel und Joachim Kemnitz.2 36 Von Praetorius ist ein Revers überliefert, den er am 4.6.1600 ausgestellt haben soll. Das Original ist nicht mehr vorhanden. Unter den von Martin Friedrich Seide1237 gesammelten Handschriften findet sich eine von Martin Heinsius, Frankfurt, angefertigte Kopie eines PraetoriusReverses, den letzterer im Original besaß:238 "Ich M. Stephanus Praetorius, (seI. Pfarrherr) der newen Stadt Soltwedel, bekenne mit dieser meiner Handtschrifft, dz, nach dem ich hiebevor etliche tractätlein, so wider die normam et formam sanorum verborum v. sonderlich wider die vhralte, vngeenderte Augsburgische Confession Anno 1530 Kaiser Carolo V. ubergeben v. wider unser Christlich Concordien beckentniß, dem ich mit Hertz v. Mund vnterschriben, lauffen v. demselben entgegen sein, alß Erstlieh Vom dritten brauch des gesetzes, da ich Anti-
233 Vgl. Hoppe, Soltquellensien, 320; Danneil, Kirchengeschichte 1,308. 234 Heinrich, Art. Brandenburg H, 113.gf 235 Gebhard von Alvensleben (d.Ä.) (1543-1609), Studium Frankfurt a.O. 1558, kurfiirstlicher Kommissar bei der altmärkischen Kirchenvisitation, vgl. Zahn, Altmärker, 48. 236 Vgl. Parisius, Abschiede, 294. 237 Martin Friedrich Seidel, geb. 18.2.1621, Gymnasium Joachimsthal, Studium Universität Frankfurt a.O., Königsberg, dann Aufenthalt in Kleve, Köln, Frankfurt a.O., Marburg, Wildungen, Münster, Leiden (bei Anna Maria von Schurmann!), Paris, Orleans, Kammergerichtsrat in Berlin bis zur Entlassung 1670, schwedisch-pommerischer Hofgerichtsrat 1671, Kammergerichtsrat in Berlin 1675, gest. 1693, vgl. H. Pröhle, Art. Seidel, Martin Friedrich, ADB 33, 623-625. 238 Vgl. Teitge (Hg.), Handschriften, Ms. Bor. 2° 201, f. 141 b. Unter dieser Handschrift ist hinzugefiigt: "Das Original hat H. Magister Martinus Heinsius Pastor Francofurtani, dessen eigenhandig Copia dieses ist." Darunter hat Seidel notiert: "Aliquot hujus Praetorij Epistolas reperies Tom. V. operurn Manuscriptor. Joan. Agric. Islebij quae extant in mea Bibliotheca M F SeideIl mppr." Von dieser Heinsius-Kopie hat Seidel am 14.1.1685 eine weitere Kopie anfertigen lassen, die sich heute in der Forschungsbibliothek Gotha, Chart. A. 290 befmdet. Der Text dieser Handschrift ist in der Sammlung von alten und neuen theologischen Sachen, 1727, 916-918 abgedruckt worden. Unter dem Revers ist hinzugefiigt: "Dieses concordiret mit dem Originali, wovon uns der seI. Hr. M. Martinus Heinsius, weyland Inspector zu Franckfurt an der Oder, unter seiner eigner Hand eine gleichlautende Copiam ertheilet, welche noch bey mir vorhanden. Und womach ich dieses abschreiben und treulich collationiren lassen in Berlin, den 14. Januarii Anno 1685. (L.S.) Martin Friedrich Seidel, Churfl. Brandenb. eltester Cammer=Gerichts Rath. mppr."
59
nomische phrases ausgesprengt, geschriben. Zum andern, Von der heiligen fälle wider das Gewissen, dz sie dadurch den heiligen geist v. die gnade GotteB nicht sollen verlieren. Zum III. Von der heiligen Tauff, da Ich Materiale v. formale confundiret. Zum IV. Von den Sünden, da ich den Vnterscheid peccati mortalis et venialis nicht gehalten noch observiret. Zum V. Von den Christlichen fragstüken so D.M.L. in seinem Kleinen Catechismus gehenckt, die ich vnbillich suggilliret vnd improbiret habe. Inmassen ich aus Gottes vnfehlbarem wort Von den herrn Visitatores überwisen v. eines bessern vnterrichtet worden. AlB thu ich mich in Krafft dieses vnd bey verlust meines dinstes revers iren, dz ich alle Exemplaria obangeregter verdechtiger meiner Büchlein den herrn Visitatoren will überantworten, itzo bey werender Visitation. Auch hintur nichts mehr ausgehen noch drucken zu laBen in Theologia es sey den Zuvor vom Ehrwürdigen Consistorio zu Cölln an der Spree, oder von der Theologischen Facultet zu Franckfurt an der Oder vbersehen v. approbiret; welches ich hiemit beliebet v. angenommen, auch stet vnd vest zu halten angelobet vnd zugesagt. Actum in der Alten Stadt Soltwedel, 4 Junij 1600."
Auffällig ist die Unterzeichnung in der Altstadt Salzwedel, während Praetorius in der Neustadt tätig war. Eine weitere, notariell beglaubigte Kopie stammt vom 25.10.1669 und wurde von Konrad Georg Dilfeld in seiner Warnung vor den in der Schatzkammer Praetorii-Statii enthaltenen Irrtümern 239 1674 erstmals veröffentlicht. Dilfeld gibt an, die "formula obligationis" "vormahls ex Yen. Ministerio Hallensi vidimiret bekommen" zu haben. 24o Der Dramburger241 Superintendent Christoph Lademan hatte in einem Brief vom 17.2.1662 an den Hallenser Superintendenten Gottfried Olearius von einem Gespräch berichtet, in dem die unterschiedlichen Positionen gegenüber den Praetoriusschriften deutlich wurden. In diesem Zusammenhang erwähnte einer der Gesprächspartner eine Obligationsformel, die Praetorius gegenüber seinem Superintendenten Wenzel ausgestellt habe. Lademan glaubte, dass Olearius diese Revokationsformel noch nicht besitze, und sandte ihm daraufhin das "exemplum" zu. Ein Auszug aus diesem Brief wurde dann zusammen mit dem originalen Revokationsformular einem Notar vorgelegt, der die Übereinstimmung mit einer davon angefertigten Kopie am 25.10.1669 beglaubigte. Er bestätigte, dass das rote Siegel am Original noch gut erkennbar sei.2 42 Aus dem 239 Christliche und Amptsschuldige treugemeinte Warnung Für denen! in der so genandten geistlichen Schatzkammer der Gläubigen Praetorio Statij Enthaltenen! und unter Christi/ PauliI und Lutheri fälschlich angeführten Sprüchen und Zeugnüssen! meistentheils verdeckten gefährlichen Irrthumen und Schwermereyen! Auffgesetzet und zum Druck übergeben von GEORGIO CONRADO Dilfeldtl in der Hauptkirche zu S. Nicolai in Northausen Predigern. Helmstädtl Gedruckt bey Heinrich David Müllern! Typogr. Academ. Jm Jahr 1674. 240 Dilfeld, Warnung, A2a. 241 Dramburg, ursprl. die brandenburgische Stadt Drawenburg, heute die polnische Kreisstadt Drawsko Pomorskie im Verwaltungsgebiet Köslin. 242 "Daß vorstehender Extract mit dem mir vorgelegten Original-schreiben! und darbey befindlichen formula obligationis, so Herr M. Christoph. Lademan Superintend. zu Damburg d. 17.Febr.1662 an Sr. Excellentz den Herrn Superintendenten alhier D. Gottfried Olearium abgehen lassen! woran auch außwarts annoch das SiegeV in rohten Druckwachs/ so guter massen zu erkennen gewesen! sich befunden! de verbo ad verbum einstimmig! uhrkunde und bezeuge ich
60
Vergleich der beiden Versionen des Reverses wird ersichtlich, dass Dilfeld den Text orthographisch geglättet hat. Die ursprüngliche Textgestalt bietet eindeutig Heinsius. Inhaltlich und nahezu wörtlich stimmen beide Versionen überein. Am 28.6.1600 wurde von den Visitatoren Gedicke, Wenzel und Kemnitz der Visitationsabschied rur die Neustadt unterzeichnet,243 der, wie schon 1579 und 1551 den "Pfarherrn, Caplenen, Rectorn und Schueldienern" das Zeugnis ausstellt, keiner Sekte oder Spaltung anzugehören, sondern mit der reinen Lehre, der Confessio Augustana und der Kirchenordnung übereinzustimmen,244 Gleiches gilt fiir den ebenso am 28.6.1600 ausgestellten Rezess fiir die Altstadt.2 45 Am 29.6.1600 wurde ein besonderes Zeugnis rur Stephan Praetorius von den Visitatoren ausgestellt: "Gratiam et paeem a Deo per Dominum nostrum Iesum Christum in Spiritu sancto. Amen. Cum illustrissimi principis D. D. Ioachimi Friderici, march. Brandenburg. et Electoris, Domini nostri elementissimi mandato iam visitatio ecclesiarum instituta sit nobisque visitatoribus iniunctum, ut in ea potissimum de legitima vocatione, doctrina et vita ministrorum verbi explorationem instituamus: profitemur his literis, nos cognovisse, venerandum hunc et doctissimum Virum Dominum Magistrum Stephanum Praetorium, Pastorem urbis novae Soltqvellae, cum ad hane eccesiam legitime vocatus esset, olim a Reverendo Viro Dno. M. loh. Agrieola Islebio Anno 65 in Vigilia Sti Matthaei Berlini examinatum et dignum visum esse, cui per manuum impositionem ritu Apostolico munus doeendi eommitteretur. Nos quoque in hoc explorationis studio eomperimus, eum de omnibus Christianae et catholicae fidei artieulis secundem praescriptum libri eoncordiae, eui corde ore et manu subscripsit, pie et recte sentire atque docere et pietate honestateque vitae praeditum esse. Quae bona ipsi ex animo gratulamur. Ac propterea iudicavimus, eum in hoc ministerio verbi et funetione muneris retinendum et eonfirmandum esse. Ob id igitur eum nunc hisce confirmamus et Senatui populoque Patronis ac membris Eeclesiae Solquellensis diligenter eommendamus et rogamus, ut dupliei Dn. M. Stephanum honore afficiant, ut Paulus Apostolus praeeipit, et seminantem spiritualia messe quoque eorporali frui eoncedant. Perscriptum Soltquellae 29 Iunii Anno Christi 1600."246 Praetorius wurde damit bescheinigt, nicht nur in der Lehre mit dem Konkordienbuch übereinzustimmen, sondern sich auch durch einen frommen und ehrenhaften Lebenswandel auszuzeichnen.
endes unterzeichneter Notarius praevia diligenti collatione & auscultatione, mit eigenhändiger subscription vorgetrückten conferirten Notariensignet und gewöhnlichen Pitzschafft hierzu amptshalber requiriret und erfordert. Actum hall in Sachsen d. 25. Octobr. 1669. Christoph Müller Hall. Sac Sacr Caes Majest. auth. publ. juratus Notarius in fid. subscr. & sig. mppria." 243 Abgedruckt bei Danneil, Kirchengeschichte, Bd. 2, 154-160. Der Visitationsrezess wurde dem Rat verlesen, vgl. Extract aus dem Raths ProtocoIl, in: Ammersbach, Apologia (angebunden), S.129f. 244 "und sind anfenglich die Visitatores hocherfreut ... ", Danneil, Kirchengeschichte, Bd. 2, 154. 245 Danneil, Kirchengeschichte, Bd. 2,147-149. 246 Vom Original im Ratsarchiv, Danneil, Kirchengeschichte, Bd. 2, 160.
61
Daher wurde empfohlen, ihn im Amt des Wortes zu halten, zu bestätigen und zu besolden. Die Frage, wie dieser merkwürdige Befund einander scheinbar widersprechender Zeugnisse innerhalb eines Monats zu erklären ist, hat häufig dazu geführt, den Revers vom 4.6.1600 für eine spätere Fälschung zu halten. Dafür spräche, dass das Original dieses Reverses weder in Salzwedel noch bei den Visitationsakten in Magdeburg bzw. Berlin, noch bei den Danziger Akten aufzufinden ist. Der Revers existiert nur in Form der Kopie von Martin Heinsius, der jedoch das Original gesehen haben soll. Die älteste Erwähnung dieses Reverses findet sich bei Spener in einem Brief vom 10.3.1671, aus dem hervorgeht, dass Spener den Text des Reverses von einem Freund aus der Mark Brandenburg erhalten hat und er nicht an seiner Echtheit zweifelt. 24 7 Den Zweifeln an der Echtheit des Reverses, die z.B. die Theologia Pastoralis Practica248 , Dannei1249 und Cosack250 vorbringen, stehen gewichtige Argumente gegenüber: 251 Das handschriftliche Original des Reverses sei nicht auffindbar. 252 Am 28.6. sei ihm ein positives Zeugnis ausgestellt worden.2 53 Am 29.6.1600 sei ein zusätzliches Unbedenklichkeitszeugnis erteilt worden. 254 Praetorius habe auch nach dem Juni 1600 Schriften veröffentlicht, die sich inhaltlich nicht wesent-
247 Cons. I, 38f. Vgl. auch Bed. IV, 137; 516. Dabei handelte es sich möglicherweise um Gebhard von Alvensleben (dJ.), einen Sohn eines der Visitatoren. 248 Die TPP 47. St., 739 beruft sich auf Nachrichten eines gelehrten Freundes von Praetorius. Dieser habe fünf Gründe flir die Unechtheit des Reverses angeführt. Daher kommt die TPP 47. St., 742 zu dem Schluss: "Dieses kan hoffentlich unpartheyische Leser hinreichend überzeugen, daß Praetorius nicht als ein Irr=Geist verdammt, und zum Wiederruf genöthiget, sondern vielmehr nach Erklärung seines Sinnes, vor rein und wahrhaftig in der Lehre erkennet und angesehen worden." 249 Danneil, Kirchengeschichte I, 309: "Dieser Revers ist zuverlässig untergeschoben und ein späteres Machwerk; denn der Inhalt desselben steht in directem Widerspruch mit den gleichzeitigen noch vorhandenen Verhandlungen im hiesigen Archiv, während von jenen Irrthümern sich durchaus keine Notiz in den Acten vorfindet." 250 Cosack, Asketische Literatur, 66: "Daß dieser Revers untergeschoben sei, entweder einfach erfunden, oder höchstens als Entwurf aufgestellt, der niemals vollzogen worden, ist nicht bloß wünschenswerth um der Ehre Prätorius willen, sondern auch mehr als wahrscheinlich.... Wir könnten Prätorius der Reversunterschrift wegen so günstig nicht beurtheilen, sondern sie gutentheils nur aus menschendienerischer Accomodation ableiten. Er konnte unmöglich mit Wahrheit dieser Verwerfung seiner Schriften selbst vollziehen, und implicite damit über die Arbeit seines Lebens den Stab brechen." 251 Vgl. TPP 47. St., 739-743. 252 Die Abschrift ist notariell beglaubigt worden. Das Original brauchte nicht veröffentlicht zu werden, da Praetorius revoziert hat. Da als Kontrollinstanz die Universität Frankfurt a.O. genannt wird und Martin Heinsius dort die Abschrift angefertigt hat, muss das Original des Reverses dorthin gelangt sein. Später blieb es möglicherweise im Besitz der Familie von Alvensleben. 253 Praetorius hatte vermutlich bereits vor der eigentlichen Visitation den Revers vom 6.6. unterschrieben, so dass am 28.6. die übliche Formel wie bereits 1579 und 1551 gewählt werden konnte. 254 Das zusätzliche Zeugnis vom 29.6. deutet sehr stark daraufhin, dass es Komplikationen gegeben hat, da sonst ja die übliche Formel genügt hätte. 62
lich von den früheren unterschieden.255 In der Vokation an Georg Stampehl vom 22.8.1603 werde ebenso wie in einem Gutachten der Universität Frankfurt a.O. vom 7.10.1603 Praetorius ein gutes Zeugnis ausgestellt. 256 Eine Visitationsdauer vom 4. bis 29.6. sei sehr unwahrscheinlich.257 Da Praetorius bereits 1594 im Zusammenhang mit Cuno einen Revers unterschreiben musste, sollte man die Möglichkeit einer Revokation nicht grundsätzlich ausschließen. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Praetorius sowohl den Revers vom 6.6. unterschrieben hat, als auch am 28./29.6. als rechtgläubig beurteilt wurde. 258 Praetorius wurde vermutlich bereits zu Lebzeiten in seiner Lehre angegriffen oder entsprechend interpretiert. Es ist deutlich, dass die Vorwürfe keine Randbereiche, sondern die zentralen Inhalte seiner Lehre berührten. Insofern war die Auseinandersetzung um seine Theologie, die nach der Veröffentlichung der Geistlichen Schatzkammer virulent wurde, letztlich eine Fortsetzung früherer Diskussionen.
6. Das Lebensende (1603) Stephan Praetorius starb vermutlich am 5. Mai 1603.259 Möglicherweise wurde er am 7. Mai im hohen Chor der Katharinenkirche beigesetzt.26o Seine Leichenpredigt hielt der Diakon und spätere Pastor Eberhard Tuckermann über I Petr 5,1--4.261 Das Epitaph262 trägt die Aufschrift: REVERENDI ET CLARISSIMI VIRI DN. M. STEPHANI PRAETORII PASTORIS HVIVS ECCLESIAE CELEBERRIMI EPITAPIDVM FVNDIT HVMVS V ARIOS VBI VERNO TEMPORE FLORES, VRBIS HONOS NOSTRAE, GRATA CORONA, CADIT. SED NITIDI RECIDVNT FLORES MODO, SUNTQVE CADVCI. VRBIS ADEST STEPHANOS, QVANDO RESVRGIT HONOS. CORPVS AD EXIGVVM TEMPVS REQVIESCIT IN VRNA SPIRITVS AETHEREO IVBILAT IPSE DEO, EMERITI DE MORE VIRI VIVAMVS, HONESTI,
255 Inwieweit sich die Schriften nach 1600 von den früheren inhaltlich unterscheiden und ob die erhobenen Vorwürfe zutreffen, kann erst in der Einzelinterpretation der Trakiate erwiesen werden. 256 Vgl. TPP 47. St., 742f. Der Professor fiir die hebräische Sprache in Frankfurt an der Oder, Georg Stampehl, nahm die Berufung nicht an. Die nachträgliche positive Beurteilung ist nicht verwunderlich, wenn man die Zeugnisse vom 28. und 29.6. voraussetz!. 257 Vgl. Dauneil, Kirchengeschichte I, 309. Die Visitation zog sich in der Altmark über einen längeren Zeitraum hin. Eine kurzfristige Visite in Salzwedel vor der eigentlichen Visitation war daher durchaus möglich. 258 Vgl. Boon, Prätorius, 4-6. 259 Epitaph und Bildnis nennen den 5.5.1603. 260 Kirchenbuch der Neustadt Salzwedel (Sterberegister, 1603): "M. Steffanus pretorius, pastor. obijt den 7 May, S. catrinen". Das Datum 7.5. stimmt nicht mit anderen Angaben überein. 261 Leider ist sie weder handschriftlich noch im Druck vorhanden, vgl. TPP 48. St., 863. 262 Das Epitaph ist noch in der Katharinenkirche vorhanden. 63
ET BONE CHRISTE, TVVS NOS TVEATVR HONOS . OBIIT PIE 5 MAll ANNO DOMINI 1603 AETATIS 67. M. N. R. C. F.263
Der Verfasser dieser Distichen, Nicolaus Risleben, spielt mit dem Begriff corona vermutlich auf den Namen Stephan (griechisch: der Bekränzte) an. Mit den Worten honos und corona sollte die Ausnahmestellung des Praetorius betont werden. Während die Blumen Sinnbilder der Vergänglichkeit sind, gilt der Kranz als Zeichen der Ehre und der unvergänglichen Auferstehungsherrlichkeit. Außer dem Epitaph existiert noch ein lebensgroßes Ölgemälde auf Leinwand, das Praetorius mit einem Buch in der Hand vor den Zeichen der Vergänglichkeit (Schädel und Stundenglas) zeigt. Seine Aufschrift lautet: REVERENDI ATQVE CLARISSIMI VIRI DOMINI M. STEPHANI PRAETORII PASTORIS ECCLESIAE NOVAE SOLTQUELLAE PRAESTANTISS: MEMORlA. ERGO FUERE DIES CUNCTI, PRIMAEVUS ADAMUS NONGENTI ET TRIGINTA ANN!, QUOS VIXERAT OLIM QUANDO OBIIT TANDEM. BREVE TEMPUS IN ORBE VAGAMUR. QUALlS CONDITIO VITAE, SED MANSIO FIRMA PARTA PIlS, SURSUM SPECTANTIBUS AUSPICE CHRISTO SIC ETIAM CONSTANTER, UBI SACRA IUSSA PROFESSUS ORNAMENTUM URBIS PULCHRUM CELEBRISQUE CORONA ULTRA ANNOS VITAE TRIGINTA IBI CONCIDIT AETAS. USQUE VIRI FORTIS SANCTA AC VENERENDA SENECTA GRATUS ERAT VERIS TEMPLI AUDITORIBUS, APTIS MORIBUS EXCELLENS DONIS VIGILIQUE LABORE ADDIMUS EGREGIAS ARTES LINGUASQUE MODESTAS DISPENSATORIS QUOQUE IUSTA PRECATIO VERBI PECTORIS !RATUM GEMITU FLECTEBAT OLlJMPUM QUID NUNC? LAETITIA FRUITUR POST FATA SUPERNA OBDORMIVIT PLACIDE 5 MAU ANNO DOMINI 1603 AETATIS SUAE 67 MINIST. 30 M. NICOLAUS RISLEBIUS. CONSUL. RENOVATUM 1697.264
Auch hier wird die Vergänglichkeit thematisiert und in Kontrast zur festen Bleibe der Frommen bei Christus gesetzt. Der besondere Akzent liegt auf der vergangenen Predigttätigkeit. Wenn von den wahren Hörern des Tempels die Rede ist, denen Praetorius durch Sitte, Gabe und Arbeit willkommen war, deutet dies darauf hin, dass er von einigen Gemeindegliedern besonders geschätzt wurde. Herausragende Wissenschaften und Sprachbegabung, Bescheidenheit und eine gute Predigt werden ihm bescheinigt. Beide Zeugnisse zeigen die besondere Wertschätzung und Hochachtung, die Praetorius durch Risleben und wohl auch durch seine Gemeinde erfahren hat. 263 TPP 48. St., 863f. nennt fälschlicherweise den IV. Mai als Sterbedatum. 264 Bildnis von Praetorius, vgl. TPP 48. St., 864f.
64
III. Die lateinischen Schriften 1. Vorbemerkung Praetorius begann seine schriftstellerische Tätigkeit vermutlich mit lateinischen Schriften. Mit seinen Rostocker Lehrern stand er noch in guter Verbindung, so dass er ihnen einige seiner Schriften widmete. Ebenso erhielt er aus Rostock Beurteilungen durch seine ehemaligen Lehrer. Die Adressaten dieser lateinischen Schriften waren sowohl Schüler und Studenten als auch Angehörige der städtischen Bildungsschicht, der er sich verbunden wusste. Darüber hinaus dürften sich seine lateinischen Schriften auch an Amtsbrüder gerichtet haben. Die verschiedenen Gattungen umfassen Schul-, Studien- und Erbauungsliteratur. Bei den lateinischen Trostschriften handelt es sich um allegorisch-humanistische Erklärungen und Deutungen von Gegenständen aus der Natur, insbesondere von Blumen. Auffällig sind die eingestreuten deutschen Zitate bzw. Worte, die meist zur Verstärkung und Betonung eines Sachverhalts verwandt werden. Auch wenn Praetorius ab 1578 vorwiegend deutsche Schriften veröffentlichte, verzichtete er doch nicht gänzlich auf die lateinischen Traktate. Darin zeigt sich, dass Praetorius auch nach 1578 an dem genannten Adressatenkreis festhielt.
2. Schriften für Schule und Studium 2.1 Tabella breuiter complectens praecipuas promissiones Euangelii (1568)
Einen erfreulichen Fund stellt die bislang unbekannte l erste kleine lateinische Schrift vom 9.5.1568 dar. Bereits hier formulierte Stephan Praetorius das Grundanliegen seiner Theologie: Es ging ihm vor allem um die Predigt und das Hören des Evangeliums.2 Es umfasst die süßesten Tröstungen Gottes, die er um Christi willen dem menschlichen Geschlecht zuteil werden lässt. Das Evangelium bringt der traurigen und angefochtenen Seele Trost, Frieden und Freude. Zu den Verheißungen und beneficia zählen die wunderbare Vereinigung der Kirche mit Christus durch Taufe und Glaube, das Heil durch die Aufnahme in die Kirche als Leib Christi, die Adoption als Kind Gottes, die Gabe des Heiligen Geistes, der in den Gläubigen wohnt, schlechte Affekte unterdrückt und Bedrängte tröstet, Schutz gegen Teufel und Tyrannen und die Erhörung des
Diese Schrift wurde mir freundlicherweise von der NB St. Petersburg zur Verfügung gesteilt. 2 "Haec est volvntas Dei, imo hoc est seuerißimum mandatum ipsius, vt Euangelium vbique praedicemus et audiamus.", Tabella, Al v. Sie war an einen befreundeten jungen Theologiestudenten, den Salzwedeler Patrizier Erasmus Johannes gerichtet.
65
Gebetes.3 Die Verheißungen des zukünftigen Lebens4 sind die Auferstehung von den Toten, die Verherrlichung der Körper, die Wiederherstellung des Bildes Gottes, die Gabe der neuen und vollkommenen Gerechtigkeit, der Anblick Christi und der Engel und das ewige Leben. Die theologischen Aussagen werden jeweils mit biblischen Worten belegt. Praetorius unterscheidet zwischen Verheißungen fiir die Gegenwart und die Zukunft. Die Adressierung an einen jungen Studenten der Theologie (doctrina coelestis et verae pietatis) aus dem Kreis der Patrizier verrät sein Interesse an der akademischen Ausbildung und zeigt seine Beziehung zur gehobenen Bildungs- und Bürgerschicht. 2.2 Historia de origine ae turpidine baeehanaliorum (1569)
In seiner 1569 bei Petrus Seitz5 in Wittenberg erschienenen lateinischen Schrift über den Ursprung und die Schändlichkeit der Bacchanalien warnte Praetorius die studentische Jugend vor den Entartungen, die nicht von Menschen, sondern vom Teufel selbst erfunden worden seien. Fromme Schüler und Studenten der lateinischen Sprache werden ermahnt, diese "lupercalia" zu meiden. 6 In dieser überaus traurigen Zeit seien solche zügellosen Vergnügungen unwürdig. 7 Praetorius erhoffte sich durch die Lektüre des angefügten Livius-Textes8 die Erkenntnis über die sittliche Verwerflichkeit dieser Schwelgereien. Der konkrete Hintergrund dieser bislang unbekannten und sonst an keiner Stelle erwähnten lateinischen Schrift von Praetorius wird aus der Vorrede nicht unmittelbar deutlich. Vermutlich handelt es sich bei den Bacchanalia um die Feiern zur Fastnacht. Im 17. Jahrhundert wurden in Rostock Rektoratsprogramme veröffentlicht, die einen sittlichen Lebenswandel einforderten und in denen vor den Bacchanalien gewarnt wurde. 9 Als Adressaten seiner Schrift kommen wiederum vor allem Studenten in Frage.
3 Neben der Bibel weist Praetorius besonders auf ein Wort Bernhards von Clairvaux hin: "Sicut ad orationem accedimus, sic redire videmur." 4 "Haec fere sunt praecipua beneficia, quae in nos Deus confert, propter Filiurn, et in Filio Christo, in hac vita. Nunc adhuc alia ordine recensebimus, quae expectamus, et accipiemus in altera vita.", Tabella, BI r. 5 Zu Seitz vgl. Benzing, Buchdrucker, 502. 6 "Rogo itaque et adhortor omnes pios adolescentes, praesertim latinae linguae studiosos, ut eam hisce diebus sununa curn diligentia legant: Et lupercalia, ... fugiant et execrentur.", Historia de origine, a2v-A3r. 7 "At uero quanto indignius est, nos hoc tristi ac supra modurn luctuoso tempore, curn ratione furere, et omnibus stultis cupiditatibus frenos laxare: Curn non tantum Turcicus ac Pontificius exercitus, sed etiam nouissimus ille iudicij dies, ceruicibus nostris imminere uideatur.", Historia de origine, A3r. 8 Titus Livius, Römische Geschichte, 39. Buch, 8,3-19,7. 9 Vgl. dazu Kaufmann, Universität, 374, Amn. 519. Z.B. das Rektoratsprogramm von Caspar Mauritius, Ad solennem Passionis dominicae memoriam sincera devotione recolendam et fugienda Bacchanalia, Rostock 1651. Bemerkenswert ist die frllhe Erwähnung eines sonst erst in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s begegnenden Phänomens des studentischen Lebens.
66
2.3 Organon eloquentiae (1570) Möglicherweise durch eine Bitte seines Bruders Peter Praetorius veranlasst,1O veröffentlichte Stephan Praetorius 1570 unter dem Titel Organon eloquentiae einige nützliche Ermahnungen zur Erlangung der "eloquentia", d.h. der "facultas dicendi", die das Studium, das Gedächtnis, die Nachahmung, den Ort und die Zeit rhetorischer Studien betrafen.I 1 Das Material dazu entstammte antiken Autoren. Die Voraussetzung der rhetorischen Bildung ist für Praetorius zunächst einmal das gründliche Lesen und Exzerpieren der besten Autoren. Durch häufige Wiederholung und beständige Meditation soll man das Gelesene dem Gedächtnis einprägen. So wächst die Menge der Ausdrücke, Sentenzen usw. beständig und fließt automatisch in die Form der Rede ein. Stil und Stimme kann man nur durch tägliches Schreiben und Reden üben. Praetorius empfiehlt, einen berühmten antiken Satz durch eigene Worte auszuschmücken und mit anderen berühmten "figura verborum" zu verbinden und auf diese Weise neue Texte zu gewinnen. Er hat einige Textpassagen aus antiken Autoren zu einem "fasciculum" zusammengetragen, die er seinem Bruder zur beständigen Lektüre vorstellt: 12 Plinius entnimmt er den Anreiz zu zeitökonomischen und intensiven Studien. Mit Quintilian gibt er eine Empfehlung zum Auswendiglemen ausgewählter Texte aus Reden und Geschichtswerken, um sich auf diese Weise zur Nachahmung auch den nötigen Wortschatz anzueignen. 13 Der angemessene Ort der Studien ist die Abgeschiedenheit.l 4 Das Organon eloquentiae richtete sich vor allem an Schüler höherer Klassen bzw. an Studenten und gehört in den Zusammenhang der umfangreichen Studienliteratur des 16. Jh.l5 Quintilians Institutionis oratoriae libri XII waren vom 16.-18. Jh. Grundlage des schulischen Rhetorikunterrichtes.l 6 Praetorius kann an die von Melanchthon und Chytraeus verfassten Anleitungen zur Rhetorik bzw. Homiletik anknüpfen.I 7 Er steht in der Tradition melanchthonischer Rhetorik, auch wenn er dies nicht ausdrücklich erwähnt. Seine Schrift be10 Widmungsbriefvom 1.11. ohne Jahresangabe, aber vermutlich 1569, da der Druck 1570 erfolgt, vgl. Organon (1570), Alv. Peter Praetorius, Studium Rostock 1574, Helmstedt 1577, vgl. Hofmeister (Hg.), Matrikel Rostock, 11, 246a,4 und Matrikel Helmstedt, I, 12, 160. 11 "DE STVDIO, MEMORlA ET IMITATIONE, NEC NON DE LOCO ET tempore studijs accomodato, commonefactiones aliquot vtiles, ex optimis Authoribus collectae", Organon (1570), AIr. 12 Organon (1570), A2r-3v. 13 Organon (1570), A5r-A6v. 14 Organon (1570), A6v-A7r, vgl. Quintilian, Institutio oratoriae, X. Buch, 3,22-25. 15 Vgl. die Bibliographie von Erman-Hom. 16 Vgl. Fuhrmann, Art. Quintilianus, Kleiner Pauly 4,1308-1311. 17 Zur Rhetorik Melanchthons vgl. Hartfelder, Melanchthon, 328-355; Maurer, Der junge Melanchthon 1, 171-214. Schnell, Homiletische Theorie, 17-35; Knape, Melanchthons Rhetorik, bes. 1--60; Berwald, Melanchthons Sicht der Rhetorik, 57-99. Das Rhetorik- und Homiletiklehrbuch von David Chytraeus, die "Praecepta Rhetorica Inventionis", erschien 1556, vgl. dazu Kaufmann, Universität, 471--473. Chytraeus veröffentlichte bereits 1556 die an Cicero angelehnten Praecepta rhetoricae inventionis, vgl. VD 16, C 2712; Kaufmann, Universität, 624.
67
schränkt sich auf studientechnische Hinweise zur Erlangung der "facultas dicendi". "Sapientia" und "eloquentia" gehören dabei eng zusammen,l8 Um die "facultas dicendi" zu erreichen, soll sich der Student auf drei wesentliche Begriffe konzentrieren, die auch für Melanchthon eine wichtige Rolle spielen: "lectio", "exercitio styli" und "declamatio",l9 Während Melanchthon sich auf antike Schriftsteller beschränken möchte, nennt Praetorius ausdrücklich Autoren aller Zeitalter ("omnium aetatem Authores"),20 Grundlage der "exercitio styli" ist die "imitatio rerum",21 Nachahmung vorbildhafter rhetorischer Elemente, des grammatischen Ausdrucks, der Phraseologie bis hin zur Nachahmung von Satzperioden gehören für Melanchthon wie für Praetorius zum Erlernen der "eloquentia".22 Organon eloquentiae wurde neben seiner selbständigen Veröffentlichung bei Johannes Crato 23 in Wittenberg 1570 im selben Jahr und am selben Ort auch bei Petrus Seitz zusammen mit Johannes Spangenbergs Schrift Artificiosae memoriae libellus, in usum studiosorum collectus abgedruckt. Eine weitere Auflage dieser gemeinsamen Veröffentlichung erfolgte 1588 ebenfalls in Wittenberg bei Matthaeus Welack,24 159725 und 160926 fanden weitere Nachdrucke des Organon im Anhang der Studienordnung von Praetorius statt.
2.4 Historiae familiares (1572) In seiner 1572 erschienen Schrift Historiae familiares setzte Praetorius 27 sein Bemühen fort, Anleitung zum Lernen in Schule und Studium zu geben,28 In der Widmung an den jungen Albrecht (VI.) von der Schulenburg,29 den vierzehnjährigen Sohn des Diesdorfer Propstes Christoph (V.) von der Schulenburg,30 nennt er eine doppelte Zielrichtung durch das Betrachten und Lernen historischer Geschichten: In ethischer Hinsicht würden dadurch "regulae et normae
18 Vgl. Hartfelder, Melanchthon, 328; 330; 336f. Praetorius nennt Plinius, Quintilian und Manutius "priscae sapientiae et eloquentiae viri", Organon (1570), A3r. 19 Vgl. Hartfelder, Melanchthon, 339f. 20 Organon (1570), A2r. 21 Vgl. Hartfelder, Melanchthon, S. 342-345; Schnell, Homiletische Theorie, 28; 34. 22 Vgl. Knape, Melanchthons Rhetorik, 11. 23 Vgl. Benzing, Buchdrucker, 501. 24 Vgl. Benzing, Buchdrucker, 502. 25 Ordo studiorum (1597), 47-56. 26 Ratio formandorum (1609), 89-103. 27 Er nennt seinen akademischen Grad auf dem Titelblatt: "artium & Philosophiae M.", Historiae (1572), AIr. 28 Adressaten sind junge Adlige, Historiae (1572), AIr. 29 Albrecht (VI.) von der Schulenburg (1557-1607), im Besitz von Hehlen, Osterwohle und Horst. Er galt als gelehrt und als großer Freund der Literatur, gründete in Osterwohle eine Bibliothek. vgl. Schmidt, Geschlecht von der Schulenburg, H, 344f. 30 Historiae (1572), A2r. Christoph (V.) von der Schulenburg (1513-1580), Propst Diesdorf 1535, Bischof von Ratzeburg 1550, Rückgabe des Bischofsamtes 1554, Übertritt zur luth. Lehre, Propst von Diesdorf, Osterwohle und Horst, war wegen seiner Bildung angesehen, vgl. Schmidt, Geschlecht von der Schulenburg, H, 258-261. 68
vitae" gewonnen und so ein starker Anreiz zur Tugend ("virtus") gegeben.3 l Der literarische Nutzen liege im Erwerben einer "eruditas loquendi formulas et phrases" zur rhetorischen Ausgestaltung von Reden.32 Die Geschichten sollen innerhalb eines halben Jahres auswendig gelernt und repetiert werden. Anlass der Schrift sei nicht nur, dem jungen Albrecht Hilfestellung für das von seinem Vater aufgetragene Studium der Geschichte zu geben, sondern auch der DarJk für die durch den Vater empfangenen W ohltaten. 33 Der Zweck der Schrift bestehe in der Übung von Frömmigkeit und Tugend (in uera pietate, et praeclaris virtutum actionibus".3 4 Als Gliederungsprinzip wählt Praetorius die ethischen Gebote des Dekaloges. Die angestrebten Tugenden sind die pietas (gegenüber den Eltern, 4. Gebot), fortitudo bellicae et togatae seu patientiae (5. Gebot),35 puritas, castitas, temperantia seu sobrietas (6. Gebot), tacitumitas (8. Gebot). Die Auswahl umfasst die antiken lateinischen und griechischen Autoren Quintilian, Valerius, Livius, Herodot, Justin, Xenophon, Gellius, Cicero und Plutarch. Darüber hinaus sind den Geboten geschichtliche Texte und Interpretationen von Melanchthon und Chytraeus zugeordnet.3 6 Die pietas wird von Praetorius in diesem Zusammenhang aber vor allem ethisch interpretiert. Sie beschreibt z.B. das VerhältrJis zwischen Eltern und Kindern. 37 Vorbild für diese Schrift waren offensichtlich die Regulae vitae, virtutum omnium methodicae descriptionis in academia Rostochiana von David Chytraeus, die seiner Vorlesungstätigkeit entstammten und die einer seiner
3l Historiae (1572), A2r. Vgl. dazu die Schrift von David Chytraeus: Regulae vitae. Virtuturn omnium methodicae descriptiones in Academia Rostochiana propositae, Wittenberg 1555 u.ö. 32 Historiae (1572), A2r. 33 Historiae (1572), A2v. Dabei handelt es sich um Stipendien und Stiftungen, die an die Alt- und Neustädter Kirche gebunden waren. Mit diesem Geld wurden die Armenkurrende, arme Pfarrer und deren Witwen und bedürftige Schüler zur Förderung ihrer Studien unterstützt, vgl. Schmidt, Geschlecht von der Schulenburg, H, 344 und die Salzwedeler Visitationsabschiede, z.B. von 1579, Sehling, Kirchenordnung III, 283. Von einem ähnlichen Beispiel berichtet Kaufinann, Universität, 289-292. Johannes Stegemann, ein Rostocker Theologiestudent, hält 1562 eine Rede über das Studium der "doctrina coelestis" und bedankt sich in der dem Druck vorangestellten Widmung bei dem Rat der Stadt Salzwedel fiir erwiesene Wohltaten. 34 Historiae (1572), A2v. Der Begriff der pietas spielt hier eine besondere Rolle. Mit ihm wurde das "positive Bildungsziel aller Universitätsstudien benannt", Kaufinann, Universität, 370. Auch David Chytraeus legte in seiner "Ratio discendi" die pietas als das Ziel des Studiums fest, vgl. Kaufinann, Universität, 371. 35 Historiae (1572), Blv. Zitat aus Melanchthon, Chronicon Carionis, CR 12, und aus den Loci (1559), vgl. StA III2, 581, 27-33. 36 Vorangestellt ist das bereits im Organon benutzte Zitat aus Quintilian, Institutio oratoria, II. Buch, 7,2-4. 37 Vgl. dazu die Catechesis (1554), zitiert nach Reu, Erster Teil, III, 2, 299: "PIETAS ... est uirtus quae parentibus et !iberis et ceteris sanguine iunctis tribuit conuenientem honorem et debita officia."
69
Studenten 1555 in Wittenberg erstmals veröffentlichte. 38 Dieses Verfahren einer am Dekalog orientierten Tugendlehre hatte bereits Melanchthon gewählt,39 Chytraeus entfaltete die jeweiligen Tugenden darüber hinaus auch im Rahmen seiner Catechesis unter dem dritten locus "De lege". Praetorius legte offenbar das Tugendschema seinen Historiae zugrunde und ergänzte es durch jeweilige Beispiele aus der Literatur und Geschichte. Dabei bediente er sich ggf. auch der deutschen Übersetzung oder des griechischen Textes. Praetorius wollte mit seiner Schrift sowohl die rhetorischen Fähigkeiten seiner Adressaten fördern als auch deren ethische Bildung. Seine Zielgruppe waren offensichtlich junge Adlige. Daraus wird seine Verflochtenheit mit einem bestimmten sozialen Milieu deutlich, das vor allem durch Gebildete, städtische Honoratioren und Adlige gekennzeichnet war.
2.5 Ordo studiorum (1574) Das Bemühen von Praetorius, methodische Hilfestellung in Schule und Studium zu geben, kommt in der erstmals 1574 publizierten Schrift Ordo studiorum zu seinem Höhepunkt und Abschluss. 40 Wie aus dem Titel hervorgeht, ist der Anlass der Wunsch von Studenten nach einer Studienanleitung.41 Der am 31.7.1574 verfasste Widmungsbriefrichtete sich an Studenten, Bürger und Patrizier der Stadt Lüneburg. 42 Adressaten der Widmung waren aber nicht nur die dortigen adolescentes, die er als neue Freunde bezeichnet,43 sondern auch deren Eltern, die sich als "patroni et Moecenates exterorum scholasticorum" erwiesen haben. 44 Nach Ansicht von Praetorius gehört es zu einer wahren und soliden Bildung, dass die Eltern die notwendigen materiellen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen fiir den Lebensunterhalt und den Kauf von Büchern schaffen. Dazu sind sie auch aufgrund ihrer "pietas" verpflichtet. Studienaufwendungen können anteilig beim Testament berücksichtigt werden. Wenn Eltern die Kosten nicht tragen können, ist es Aufgabe von Fürsten, Adligen und reichen Kaufleuten, die armen "scholastici" freigebig zu unterstützen. Diese Stipendien sind 38 Zu den "Regulae vitae" vgl. Schütz, Vita Chytraei, I, 117-123; Reu, Erster Teil, III, 1, 419-424; Kaufmann, Universität, 86f. Aus den "Regulae vitae" zitiert Praetorius einen Abschnitt WIll 6. Gebot über die castitas. 39 Vgl. Reu, Erster Teil, III, I, 420f. 40 Der "Ordo studiorum" ist die am häufigsten aufgelegte und daher am weitesten verbreitete Schrift von Praetorius. Die stärkste Bearbeitung erfuhr die Ausgabe von 1597. 41 "Ordo Studiorum. QVALEM SIBI ADOLESCENTES, QVI AD ACADEMIAS recens accesserunt, vel iam iam accessuri sunt, sibi praescribi, expetere soleant.", Ordo (1574), Air. 42 Ordo (1574), A2r. 43 Ordo (1574), A4r. 44 Ordo (1574), A4v. Ältere Schüler des Lüneburger Gymnasiums Johanneum, sogenannte "paedagogi" wurden von wohlhabenden Familien kostenfrei aufgenommen, um ihre Schulkinder zu betreuen, ihnen lateinische Ausdrücke beizubringen und sie beim Spiel zu beaufsichtigen, vgl. Görges/Nebe, Geschichte des Johanneums, 18. Vermutlich meint Praetorius diese Praxis. Dass er selbst das Lüneburger Gymnasium besucht hat, geht aus dem Widmungsbrief zwar nicht eindeutig hervor, ist aber sehr wahrscheinlich. 70
besser als Gelder für militärische Besoldung oder unnötige Bauten. 45 Sodann ist ein erfolgreiches Studium nur durch Begabung, Wille zum Lernen, Fleiß und Wachsamkeit zu erreichen. Die Begabung ist als "donum Dei" von Gott zu erbitten, zu üben und durch "temperantia" zu bewahren. 46 Die Studienordnung (ordo studiorum, ratio instituendorum studiorum) soll dafür sorgen, die "studiosi" auch an das Ziel ihrer Studien zu bringen. Praetorius kann den Nutzen dieser Ordnung nicht nur aus eigener Erfahrung bestätigen,47 sondern auch auf seine damaligen Kommilitonen verweisen, die nach dieser Methode studiert haben. Den Anstoß, die während seiner Studienzeit benutzte Ordnung nun zu veröffentlichen, gaben letztlich einige jüngere Mitglieder aus seiner eigenen Familie. 48 Praetorius wollte nicht die Gelehrten bilden, sondern den Irrenden einen Weg zeigen. Ihm ging es vor allem um die Studienanfänger. Das Gliederungsprinzip seiner Studienordnung sind die Stunden des Tages, denen die jeweiligen Betätigungen zugeordnet werden. Praetorius gibt neben den Studienanweisungen auch Empfehlungen zu körperlicher Hygiene, zu Ernährung, Spiel, Sport und Erholung. 49 Durch ihre detaillierte Tageseinteilung gibt die Studienordnung nicht nur einen genauen Zeitrahmen für Studien und Freizeit vor, sondern sie zeigt damit auch die Möglichkeit einer praktischen Umsetzung der "Orientierungshilfen für eine sinnvolle Studienorganisation". Sie ist an einen breiten Leserkreis gerichtet, der über die Theologiestudenten hinausgeht. Bereits in den 1550er Jahren wurden solche Studienhilfen durch Rostocker Theologieprofessoren verbreitet. 5o Dabei stand David Chytraeus an vorderster Stelle. 51 Die Studienordnung von Praetorius orientiert sich im Wesentlichen an den Regeln, die David Chytraeus bezüglich des Aufbaus und der Organisation des Theologiestudiums in seiner "Oratio de studio theologiae recte inchoando" aufgestellt hat. 52 Darin werden zehn Regeln genannt, nach denen das Theolo45 Ordo (1574), A3r. 46 Ordo (1574), A2v. 47 "Ego ante paucos annos, cum adhuc in Musarum castris uersarer, quae sola vita omnium beatissima est: concinnaui mihi aliquem ordinem, quem in meorum studiorum curriculo seruarem, additis nonnullis de conseruanda bona ualetudine praeceptis, pro ut turn illam doctrinam intelligere incipiebamus.", Ordo (1574), A3v. 48 Ordo (1574), A4r. 49 "Sie hat dadurch ein gewisses kulturgeschichtliches Interesse", Windel, Studienordnung, 276. 50 Kaufinann, Universität, 255. Vgl. zum Thema Studienanweisungen und -organisation Kaufinann, Universität, 253-318. 51 Vgl. Kaufinann, Universität, 256f: "Die Gattung der spezifisch an akademische Theologiestudenten gerichteten öffentlichen Studienanweisung ist im Luthertum von Chytraeus geschaffen worden." 52 David Chytraeus, Oratio de studio theologiae recte inchoando, Wittenberg 1560, vgl. VD 16, Nr. C 2688. Für Kaufinann, Universität, 270 ist diese Rede "der wohl wichtigste Beitrag eines Rostocker Theologieprofessors zu Fragen des Theologiestudiums im 16. und 17. Jahrhundert". Vgl. dazu auch David Chytraeus, Oe ratione discendi et ordine studiorum recte instituendo, Wittenberg 1562, entstanden aus seinen Vorlesungen (von 1561) rur neu ankommende Studenten, vgl. Krabbe, Chyträus, 50; 105-107, dann erschienen unter dem Titel: Re-
71
giestudium zu gestalten ist. Sie werden von Praetorius in eine konkrete Tagesplanung umgesetzt. 53 Das Tagewerk des Studenten beginnt kurz vor dem Sonnenaufgang in der vierten Stunde des Tages nach der Körperpflege mit dem Gebet (oratio) bzw. Gesang. Ohne die Bitte um den Beistand Christi wäre das Tagewerk vergeblich.54 Die fünfte Stunde ist bereits der Lektüre des biblischen Textes vorbehalten. 55 Dies gilt nicht nur für den professionellen Theologen, sondern jeder Christ soll sich um seines und des ewigen Heils willen täglich der "sacrae lectioni" widmen. 56 Den jüngeren Lesern empfiehlt Praetorius, sich die biblischen Geschichten einzuprägen, besondere "testimonia" zur Dogmatik bzw. Apologetik zu exzerpieren und sie auf die Loci der gesamten Dogmatik zu beziehen. Die besondere Bedeutung einzelner Wörter lasse sich mit Hilfe von Wörterbüchern (Johannes Forster57 ; Avenarius 58) erschließen. 59 An die Bibellektüre gulae studiorum seu de rationes et ordine discendi, Jena 1592. Dazu wurde später noch ein Anhang beigefiigt, der "eine planmäßige Einteilung des gesamten Tagesablaufs" enthielt: Ad regulas studiorum Davidis Chytraei Appendix, Jena 1595. Vgl. dazu Kaufinann, Universität, 273, Anm. 111. Zur Bibliographie vgl. Kaufinann, Universität, 625ff. 53 Dass Praetorius diese Regeln zugrunde gelegt hat, zeigt sich an den teilweise fast wörtlichen Übereinstimmungen. 54 Ordo (1574), A6r. Vgl. dazu den Wortlaut bei Chytraeus, Kaufinann, Universität, 273. 55 "Post piam & ardentem precationem prima discentium cura sit, vt textum Bibliorum ordine legendo & repetendo familiarissime notum sibi reddant.", Ordo (1574), A6v. Auch fiir Chytraeus ist die Bibellektüre die erste Aufgabe des Studenten nach dem Gebet. "Prima cura sit, vt TEXTVM BIBLIORVM nobis familiarissime notum reddamus, ex quo ... vult Deus doctrinam de vera sui agnitione et aetema salute notra hauriri. ... Quotidie igitur mane postquam surrexerunt, et vesperi cum cubitum ituri sunt, vnum caput in Biblijs studiosi legant, et ordine ea euoluant, et praecipua dicta, et historias, in partes Catecheseos, seu in locos, qui summam doctrinae Christiana continent, digestas meminerint." (Catechesis 1575), zitiert nach Reu, Katechismen, Erster Teil, III/2, 317. 56 Während Chytraeus diese Forderung nach der Bibellektüre schöpfungstheologisch begründet, fiihrt Praetorius ihn im Sinn des Priestertums aller Gläubigen weiter aus: Die Christen sollen die Güter der Gnade, die sie in Christus besitzen, auch kennenlernen. "Reges enim sumus, splendore iustitiae Christi insigniti, adoptiones gloria ditati. Quin & Sacerdotes, in quorum pectoribus habitat Spiritus ille sanctus", Ordo (1597), 4. Mit Augustin betont Praetorius: "Scriptura est haereditas filiorum DEI, & cara possessio.", Augustin, Sermo 28. Er empfiehlt als Hilfsmittel die Wörterbücher von Lukas Osiander, Compendium Hebraicae Grannnaticae, Cui subiungitur Dictionarium Hebraicum e Concordatijs Hebraeis, Wittenberg 1589 (vgl. VD 16,0 1194-1199), Sebastian Münster, Dictionarium Hebraicum, Basel 1564 (vgl. VD 16, M 6657-6666) und Franz Vatabilus, Annotationes in Textum Bibliorum Grammaticae, vgl. Jöcher 4, 1466. 57 Hierbei handelt es sich vermutlich um das "DICTIONARlVM 11 HEBRAICVM NOVVM, NON EX RA= 11 BINORVM COMMENTIS, NEC NOSTRATIVM DOCTURVM 11 stulta imitatione descriptum, sed ex ipsis thesauris sacrorum Bibiorum, 11 ... depromptum ... 11 Autore Ioanne Forstero Augustano" (Basel 1557), VD 16, F 1901, vgl. auch (Basel 1564), VD 16, F 1902. 58 Vermutlich Johannes Habermanns " ... LIBER RADICVM SEV 11 LEXICON EBRAICVM, IN QVO 11 OMNIUVM VOCABVLORVM BIBLICO = 11 rum popriae ac ertae redduntur significationes ... AVTORE 11 D. JOHANNE AVENARIO" (Wittenberg 1568), VD 16, H 50, vgl auch ebd. H 51. 59 Diese Anweisungen sind identisch mit denen, die David Chytraeus gibt, vgl. Kaufinann, Universität, 275. Im Ordo (1597), 5 erweitert Praetorius die Hilfsmittel um die "gelehrtesten
72
schließt sich das Einprägen der Glaubensartikel an. Dazu werden insbesondere Melanchthons Loci communes empfohlen. 6o Nach Bibel- und Dogmatikstudium folgen die jeweiligen Fachstudien. Sie stehen in der sechsten Stunde auf dem Programm. Praetorius legt den "sacrae Theologiae studiosi" eine Liste der lateinischen und griechischen "Patres" vor,61 die sie lesen bzw. sich vorlesen lassen sollen: Die Kirchenhistorien von Josephus und Euseb,62 dazu die Kirchenväter Ignatius, Justin, Irenäus, Tertullian, Clemens Alexandrinus, Cyprian, Minutius, Arnobius, Laktanz, Hilarius, Athanasius, Basilius, Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianz, Epiphanius, Chrysostomus, Johannes Damascenus, Hieronymus, Ambrosius, Augustin, Cyrill und als einzigen mittelalterlichen Theologen Bernhard von Clairvaux. 63 Er rät dazu, diese Studien nicht auf Kommentare zwn NT" von Erasmus von Rotterdam, Theodor Beza und Joachim Camerarius. Im Rückblick auf seine Studienzeit bedauert Praetorius, dass er nicht mehr in den griechischen Schriftstellern gelesen habe. Dazu wären zu seiner Zeit am besten die Erklärungen von David Chytraeus und Michael Neander geeignet gewesen. 60 Vgl. Ordo (1581), A7r: "Lectioni textus Bibliorum adjungant Locos communes Philippi, anno 47 editos". Im Ordo (1597), 6 spricht er insgesamt vom "corpus doctrinae Philippi". Auch fur Chytraeus ist die Beschäftigung mit der Dogmatik eine unerlässliche Regel. Neben den altkirchlichen Dogmatiken empfiehlt er besonders Melanchthons Loci und dessen Examen ordinandorum. Ebenso wie Chytraeus spricht auch Praetorius davon, dass die Studienanfänger die "Loci" solange lesen sollen, bis sie sie "wie ihre Finger und Nägel" kennen, vgl. Kaufmann, Universität, 277. Besonderes Gewicht legt Praetorius im Ordo (1597), 6f auf eine hinzugefügte Passage aus Melanchthons Loci über die Taufe: "De baptismo", StA 1112, 508,16-509,1. Wer diese Sentenz nicht auswendig beherrsche, sei kein Christ. Die nachfolgende deutsche Interpretation betont den präsentischen Charakter der Seligkeit und die daraus folgende Heilsgewissheit. "Ob er sagen wolt: Wer an Christum gleubet/ vnd getaufft ist/ der ist schon selig! dem ist die Seligkeit sehr nahe gebracht. Darumb sol sich ein solcher vrnb die Seligkeit nicht weiter bekümmern! sondern sich in solchem Glauben fest halten! vnd im trost seines Heils sicherlich vnd frölich leben. Er sol auch Christo von hertzen darwnb dancken! und sich eines newen Gottseligen Lebens befleissigen! als einer/ der nun aus den Sünden! Zorne/ fluchen vnd Tod errettet in ein Himlisch Göttlich Wesen gesetzet ist.", Ordo (1597), 7. Praetorius bedauert den Zweifel vieler Zeitgenossen am eigenen Heil und die Geringschätzung der Lehrer des Evangeliums. Wichtig ist ihm auch die ethische Konsequenz, ein "gottseliges Leben" im Zusammenhang der Taufe. 61 Vgl. dazu die Empfehlungen von David Chytraeus zum Studium der Kirchenväter, siehe Kaufmann, Universität, 280f, Anm. 154: Augustin, Hieronymus, Nicolaus von Lyra, Justin, Irenäus, Tertullian, Clemens, Origenes, Cyprian, Laktanz, Hilarius, Athanasius, Basilius, Gregor von Nazianz, Ambrosius, Chrysostomus. Auffällig ist hier das Fehlen der "mystischen Schriftsteller" wie z.B. Pseudo-Dionysius, Makarius oder Bernhard. 62 Im Ordo (1597),8 kommen die Kirchenhistoriker Theodoret und Nikephorus hinzu. 63 Im Ordo (1597), 8 nennt er darüber hinaus Philo, Martial, Dionysius Areopagita, Theodoret, Makarius. Es fehlen nun Minutius und Hilarius. Über Chrysostomus und Cyrill zitiert Praetorius Empfehlungen von Nikephorus. Die Auswahl wird damit begründet, dass diese Autoren keine zusätzlichen Werke verkündet, sondern Christus, den Glauben und die Taufe gepredigt hätten, Ordo (1597), 9. Praetorius bekennt, mehr aus Cyrill gelernt zu haben, als er auszusprechen wagte. In den "posterioribus Patribus" seien aber einige Klippen, die es zu umschiffen gelte: "Nam spinae interrnixtae sunt rosis & araneae interrepunt lilijs." Wer Gefallen an Florilegien hat, möge Petrus Lombardus (vermutlich die Sentenzen) oder Andreas Musculus (vermutlich: "LOCI COM=II MVNES THEO= 11 LOGICI. 11 EX SCRIPTVRA SACRA ET EX 11 Orthodoxis Ecclesiae Doctoribus 11 collecti per Andream Musculum" (Erfurt 1563), VD 16, M 7181, vgl. auch ebd. M 7182-7184) heranziehen, aber "nativus succus in compendijs non
73
ein späteres Alter zu verschieben. Den Juristen wird das römische Recht mit den Kommentaren von Bartholomäus Clingius 64 und Johannes Schneidewin (1519-1568) empfohlen. 65 Den Medizinern und Naturkundlern legt er die "Universa medicina", das medizinische Standardwerk von Johannes Fernelius66 und die Werke von Hippokrates und Galen, möglichst auf Griechisch, ans Herz. 67 Für alle Studenten gilt die Regel, dass diese fachbezogenen Studien die Zeitdauer von einer Stunde nicht überschreiten sollten. Auf die fachbezogene Lektüre folgen in der siebten Stunde rhetorische Stilübungen, die die "cognitio rerum" und die "facultas loquendi et scribendi" zum Ziel haben. 68 Die "adolescentes" sollen sich üben durch Abfassung eines Briefes, eines Gedichtes, einer Rede oder in griechisch-lateinischen Übersetzungen. 69 Wichtige Texte sollen memoriert werden. 70 Zur Übung des Gedächtnisses sind intellectus, ordo und cura notwendig,?l Praetorius schlägt vor, Sentenzen o.ä. gut sichtbar auf Tafeln zu malen und aufzuhängen. Der Ort der Studien soll abgeschieden sein, das Studierzimmer hell, geräumig und luftig, die Temperatur angemessen. Auf das Frühstück (ientaculum) sollten die Studenten nicht verzichten, sich allerdings nicht an morgendlichen Weinkonsum gewöhnen,?2 Nach der Privatlektüre beginnen mit der achten Stunde die öffentlichen Vorlesungen. 73 Die viva vox der Professoren zieht Praetorius dem autodidaktischen Studium vor. Das schließt jedoch eine private Vorbereitung durch die Lektüre von Kommentaren keineswegs aus,?4 Nach einer sportlichen und spielerischen Betätigung 75 soll in der inest". Chytraeus weist darauf hin, dass Autoren wie Petrus Lombardus der entscheidende Artikel von der Gaubensgerechtigkeit fehlt, vgl. Kaufmann, Universität, 276. 64 Zu Bartholomäus Clingius vgl. Krabbe, Rostock, 538f; 604f. 65 Im Ordo (1597), 10 schärft er ihnen ein, Priester von Recht und Gerechtigkeit ("Sacerdotes sint iuris ac iustitiae") zu sein und nicht die Armen hinterlistig zu unterdrücken. 66 Johannes Femelius, Universa medicina. Ab ipso quidem authore ante obitum diligenter recognita, et iust accessionibus locupletata, 3. Aufl., Frankfurt 1574. In der Kirchenbibliothek in Salzwedel existiert eine Ausgabe Frankfurt 1581 (Sign. HG 107). Auch Chytraeus schätzte Femelius, wie aus Briefen hervorgeht, vgl. Schütz, Vita Chytraei, IV, 33f. 67 Praetorius steht mit der Wertschätzung Galens in der Tradition von Jacob Bording d.Ä. und David Chytraeus. 68 Vgl. Kaufmann, Universität, 278f. Auch David Chytraeus lag viel an den dialektischen und rhetorischen Fähigkeiten der Studenten. 69 "Dici non potest, quantum hoc genus exercitij commodet eloquentiae studiosis", Ordo (1574), A8v. 70 "Neque tarnen negligenda memoria est, lectionis custos & eruditionis thesaurus.", Ordo (1574), BI v. Dazu zitiert er aus Quintilian, Institutio Oratoriae, 11. Buch, 7,2-4. Vgl. dazu auch seine Schrift Organon eloquentiae. 7l Vgl. Ordo (1574), B2r. 72 Ordo (1574), B4r-B4v. 73 "conferant se studiosi ad publica auditoria, vel templa, vt ibi Praeceptores & Ministros profitentes ac docentes audiant", Ordo (1574), B4v. Im Ordo (1597), 18 werden die auditoria als "modestiae & doctrinarum officinas, praesentia sanctorum Angelorum decoratas" bezeichnet. Die Zahl der Zuhörer ist nicht entscheidend. "Nam pijs doctoribus quamuis deest ampla corona auditorum: non deest amplissimus chorus castorum Angelorum: qui in singula ipsorum verba intenti sunt, & ad singula plausus cient.", Ordo (1597), 20. 74 David Chytraeus empfiehlt die Lektüre von Bibelkommentaren Luthers und Melanchthons, vgl. Kaufmann, Universität, 280f.
74
zehnten Stunde das prandium, die Hauptmahlzeit eingenommen werden. Dabei legt Praetorius Wert auf eine angenehme und kurzweilige Unterhaltung am Tisch. Die "studiosi artium liberalium"76 sollen darauf achten, dass ihre Tischgenossen "docti, pij, casti, hilares, faciles" sind.77 In der elften und zwölften Stunde soll man Körper und Geist Ruhe gönnen, Unterhaltung pflegen oder geographische Karten betrachten. 78 Medizinstudenten können sich Bilder von Pflanzen oder anatomische Werke anschauen.7 9 Ein besonderer Hinweis gilt dem seelischen Befinden: Traurigkeit und Melancholie sind zu vermeiden.8 0 Sie sind eine Pest für Körper und Geist. 81 Wer als Student arm war, kann sich später verbessem.8 2 In der ersten Nachmittagsstunde sollen sich die Studenten den Dichtem der griechischen und lateinischen Sprache widmen, denn die Poetik ist "flos & thesaurus eruditionis":83 Hesiod, Pythagoras, Phokylides und vor allem Homer. 84 75 "Commode vero exercent clara lectio, cantus, obambulatio, equitatio, nauigatio, cursus, saltus, globorum, lapidum vel pali ferrei iaculatio, inprimis autem lusus paruae pilae.", Ordo (1574), B5v. 76 Ordo (1597), 23 ergänzt: "pietatis & virtutum studiosi". 77 Ordo (1574), B6v. Eine besondere Mahnung, über die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl ehrfiirchtig zu disputieren, fugt Praetorius im Ordo (1597), 23fhinzu. 78 "vel in tabula aliqua Geographica totum terrarum orbem oculis obire", Ordo (1574), B7v. Ordo (1597) nennt darüber hinaus die Bilder des Zürcher Naturforschers Konrad Gessner (1516-1565). 79 Ordo (1574), B7v. Zur Pflanzenkunde vgl. die Kräuterbücher, z.B. von Brunfels, Fuchs und Bock. Vgl. dazu Müller, Kräuterbücher, 9-31 und Feldmann, Blüten und Blätter, 68-73. 80 "De affectibus animi hoc loco nihil aliud praecipiam, quam ut studiosi tristitiam & melancholiam non aliter fugiant, quam ipsam corporum & animorum pestern", Ordo (1574), B7v. Im Ordo (1597), 26 erweitert Praetorius den Abschnitt über die "affectus animi": Rechtfertigung und Heiligung sind nicht zur Sklaverei der Trauer, sondern zur beständigen Freude geschehen. "cresce in vera atque excellanti". 81 Praetorius zitiert hierzu Luther, Ordo (1574) B8r: "Es ist die Einsamkeit oder Schwermut allen Menschen eytel Gifft vnd Todt/ sonderlich einem jungen Menschen. Frewde aber vnd guter muth in ehren vnd züchten! ist die beste Arzney eines jungen Menschen! ja aller Menschen." 82 Die armen fromen Hertzen! weIche noth leiden ... jedoch auff Gott hoffen ... werden gros. Fiunt doctores justitiae, gratiae & vitae." Einer Kritik an der zeitgenössischen Mode folgen zeitkritische Äußerungen von Theodor Beza, In Canticum Canticorum Solomonis homiliae, Genf 1587, Horn. 13. (vgl. Gardy, Bibliographie, Nr. 361). Die Zitierung und Charakterisierung des Calvinisten Beza "der Fürtreffliche Beza" ist erstaunlich, zumal sein Kommentar zum Canticum gerade erst (1587) in der lateinischen Übersetzung erschienen war und die Überarbeitung des Ordo bereits am 17.1.1588 abgeschlossen wurde. Praetorius hatte also das Werk Bezas druckfrisch erhalten. David Chytraeus wird aus einer vor kurzem gehaltenen Leichenrede in Güstrow (Vermutlich lnd. Aurel., 547: Oratio in funere inclytae heroinae Elisabethae, Friderici I. Daniae regis filiae et Ulrici ducis Megapolitani coniugis, habita ... Gustroviae die novemb. anno 1586 a Davide Chytraeo ... Rostock 1586, vgl. deutsche Ausgabe VD 16, C 2646) zitiert. Praetorius schließt Ordo (1597), 28: "Sed frustraneae sunt omnes sapientum de hac re querelae, in hoc impudenti seculo: donec vel Hispanus, vel Moschus, vel Turca adueniant, & nos bonos mores doceant." 83 Zitat bei Sabinus, Ordo (1574), B8v. Praetorius empfiehlt darüber hinaus eine Rede von Johannes Caselius, "Praeceptoris et amici nostri charissimi". 84 Vgl. die Literaturliste von Chytraeus, der besonders Hesiod, Plutarch, Homer, Xenophon, Euripides und Herodot empfiehlt, Kaufmann, Universität, 279, Anm. 148.
75
Die Schriftsteller der griechischen Tragödie, Aischylos, Sophokles und Euripides vermitteln Weisheit zur Führung des Lebens und der Sitten. Dies gilt auch fiir Aristophanes. Die lateinischen Dichter sind Plautus, Terenz, Vergil, Horaz, Ovid und Prudenz.85 Neuere Dichter sind Eobanus Hessus, Johannes Stigel86 und Georg Sabinus. Praetorius übt Kritik an der Praxis, Bücher nur kurz anzulesen und dann zur Seite zu legen. Bei der Lektüre der Dichter sollen sich die Studenten herausragende Beispiele, Vergleiche, Worte und Sätze notieren und einprägen. Die carmina sollen auch gesungen werden. Die Beschäftigung mit antiken Historikern in der zweiten Nachmittagsstunde dient nicht nur dem Staatswesen sondern auch der privaten Tugendpflege, denn modestia und iustitia werden durch sie gefördert.&? Die Griechen Herodot, Thukydides, Xenophon, Diodor und Plutarch, die Lateiner Livius, Dionysius Halikarnassus, Sallust, Cäsar u.a. werden empfohlen. Für die deutsche Geschichte nennt er die Tabellen von David Chytraeus und Peucer.88 Die dritte Nachmittagsstunde ist wieder den Fachstudien vorbehalten. Die zukünftigen Theologen sollen Luthers Schriften lesen,89 besonders die Kommentare zur Genesis und zum Galaterbriefund die Postillen. 9o Darin findet man "spiritualem sapientiam".91 "Ach was ist viel schönes dinges in diesen Büchern. "92 Die Schriften Luthers zu lie85 Im Ordo (1597), 29 fiigt er Orpheus, Theognis, Lukrez, Tibull, Properz und Juvenal hinzu.
86 Johannes Stigel, geb. 1515, Studium Wittenberg 1531, Prof. fiir Latein Wittenberg, Jena 1548, lateinischer Dichter. In Jena stand er auf Seiten der Melanchthonianer gegen Flacius. Vgl. Hartfelder, Art. Stigel, Johann, ADB 36, S. 228-230. 87 Ordo (1574), C2v-C3r. 88 Im Ordo (1597), 37 bezeichnet er Melanchthons Chronicon als die gebildetste und eleganteste Schrift. Zum Kauf wird die Historia von Guicciardini empfohlen. Das Studium betrachtet er eher als Spiel und Vergnügen, denn als Mühe und Arbeit. In fast mystischer Weise spricht er von Erfahrungen beim Gebet im Studium: "Nulla autem voluptas maior excogitari potest, quam mentem perfusam habere luce, fide ac laetitia salutis, hoc est, remissionis peccatorum, gratiae et vitae aeternae per Christum donandae: & hac fide praelucente, dulci spiritu cordis, sine respiratione, inter medias quascunque actiones, Dum inuocare, Inuocantibus enim illabitur Deus, & blandissime amplectitur atque exosculatur ipsos, crucemque subleuat.", Ordo (1597),38. 89 Praetorius zitiert ein Loblied von Urbanus Rhegius auf Luther: "Semper mihi magnus fuit Lutherus: etiam mihi maximus est ... Er bleibet wol ein Theologus fiir der gantzen Welt! das weis ich.", Ordo (1574), C6r. 90 Im Ordo (1597), 39 wird der Kommentar zu den Petrusbriefen hinzugefiigt. Auch Chytraeus empfiehlt Melanchthons und Luthers Kommentare, insbesondere den Galaterbriefkommentar, vgl. Kaufmann, Universität, S. 280, Anm. 153. 91 "Ordo (1597), 39f: "Ibi ... videbunt flores gratiae & gloriae diuinae, quibus per Christum & in Christo exornati sumus ... suam beatitudinem, & vim Euangelij." 92 Ordo (1574), C6r. Im Ordo (1575), C8r ist eine zusätzliche Empfehlung von Melanchthonschriften zu fmden, die jedoch in der Ausgabe des Ordo (1581) wieder herausgenommen wurde: "Adiungant hi Luthero et lectionem librorum Philippi, commonefacti uel solo illo encomio ingenij, foelicitatis, doctrinae & facilitatis in docendo inimitabilis, quod Lutherus praefationi Tomi primi operum suorum inseruit. Et uel ipso teste meminerint impudentissimos esse asinos, qui Philippum contemnunt, Quod Stigelius quoque poeta & uir optimis his uerbis monuit: Cedite degeneres, qui quantum in pectore succi fertis, ab hac una surripuistis api." Die Tatsache, dass diese Empfehlung in den späteren Ausgaben wieder entfernt wurde, zeigt, wie umstritten Melanchthon war.
76
ben und zu lesen ist für Praetorius eine "peculiaris gratia Dei", ohne dass er jedoch die mit oder nach Luther erschienenen gelehrten Kommentare verachtet. Anschließend finden wieder öffentliche oder private Vorlesungen statt und nach körperlichen Übungen wird das maßvolle Abendessen eingenommen. Praetorius warnt vor übermäßigem Weingenuss. Die siebte Stunde kann für Spaziergänge oder gelehrte Unterhaltungen genutzt werden. Dies kann im Frühling und Sommer mit Pflanzenkunde,93 im Winter mit Sternkunde94 verbunden werden. Auf das Tragen von Waffen sollte dabei verzichtet werden. In der achten Stunde beginnt nach Bibellesung und Gebet die Nachtruhe. 95 Von Nachtarbeiten ("lucubrationes") rät er ab. Den Schluss der Studienordnung bildet ein Abendgebet von Johannes Stigel. Für eine geplante Neuausgabe des Ordo studiorum, die jedoch erst 1597 erfolgte,96 verfasste Praetorius am 17.1.1588 eine neue Vorrede an den Wittenberger Drucker Simon Gronenberg97 und änderte die bisherige Widmung in eine Anrede an den Leser. 98 Gleichzeitig strich er Bemerkungen, die sich auf die früheren LÜlleburger Adressaten bezogen. Gronenberg, der bereits 1580 und 1581 je eine Auflage des Ordo gedruckt hatte, erhielt 1588 ein überarbeitetes handschriftliches Manuskript, da die früheren Auflagen vergriffen waren und auch Praetorius kein gedrucktes Exemplar mehr zur Hand hatte. 99 Praetorius hebt deshalb den großen Nutzen und Ruhm hervor, den Gronenberg durch die Veröffentlichung erlangen werde. Der Sohn Gottes werde seine Verdienste anerkennen und reichlich vergüten. Praetorius wünscht, dass das Lob des Erasmus über den Drucker Froben allen Druckern bzw. allen Christen rechtmäßig zuteil wird.100
2.6 Zusammenfassung Mit seinen Studienanweisungen steht Praetorius in der Tradition seines Lehrmeisters David Chytraeus. Es geht ihm es dabei weniger um theoretische Fragen nach der Definition der Theologie oder um kontroverstheologische Auseinandersetzungen als vielmehr um die praktische Umsetzung und Organisa93 Praetorius erwähnt zur Pflanzenkunde die Beschreibungen von Dioscorides und Theophrast, vgl. Ordo (1574), C8v. 94 "Hyemali vero tempore non pigeat eos syderum mirandos positus, nomenc1aturas, ortus, occasus, atque eorundem effectus consyderare.", Ordo (1574), C8v. 95 "Cubitum iturus lege caput in Bibliis, ut & somnus tuus per lectionem & meditationem verbi diuini sanctificetur", Ordo (1574), DIr. 96 Möglicherweise ist diese Ausgabe wieder verschoben worden, da 1588 im dritten Band der "Instituionis literatae sive discendi atque docendi ratione" der Thorner Schule ein Abdruck des Ordo studiorum von 1575 (Wittenberg, Petrus Seitz) erfolgte, vgl. dazu auch Horn, Ordo Studiorum, 393. 97 Dass Gronenberg der Drucker und nicht der Verfasser der Schrift ist, hat bereits Horn, Ordo studiorum, 393 gegenüber Windel, Studienordnung, 276 deutlich gemacht. Der Zeitpunkt der Abfassung der veränderten Studienordnung dürfte demnach Ende 1587/ Anfang 1588 sein. 98 Ordo (1597), A2r-A7v. 99 Ordo (1597), A2r. 100 Ordo (1597), A3r-A5v. 77
tion des vorgegebenen Bildungskataloges. Diese Zielsetzung wurde auch von Simon Pauli verfolgt. IOl Durch die Anordnung als Tagesschema verbinden sich die Studien der artes mit den fachspezifischen Studien. Großen Wert legt Praetorius auf die rhetorische Ausbildung, indem er sich einem melanchthonisch geprägten Schema anschließt. Die Ausbildung der Tugenden geschieht durch den Rückgriff auf die antiken Schriftsteller. 102 Das theologische Profil ist aus den bisher behandelten Schriften im Einzelnen noch nicht eindeutig eruierbar. Praetorius geht es aber im Wesentlichen um eine Synthese lutherischer und melanchthonischer Theologie. Darin stimmt er mit seinem Lehrer David Chytraeus überein.l o3 Auffällig sind neben den jeweiligen Lektüreempfehlungen die Hinweise auf die Beschäftigung zwischen den eigentlichen Studienzeiten. Die Tagesplanung berücksichtigt auch Zeiten des Ausgleichs und der Rekreation, die allerdings auch zu weiteren Studienzwecken genutzt werden können. Die Hinweise auf geographische Literatur, auf Pflanzen- und Naturkunde, auf medizinische und astronomische Literatur spiegeln das breite Bildungsinteresse wieder, das Praetorius vermutlich seinem Lehrer Chytraeus zu verdanken hat. In den späteren Bearbeitungen und Ausgaben der Studienordnung macht sich die Auseinandersetzung um die Bedeutung Melanchthons bemerkbar.
3. Lateinische Lehr- und Trostschriften 3.1 Vorbemerkung Die Schriften Luscinia cantatrix, Rosa nobilis und Lilium convallium sind in lateinischer Sprache verfasst und innerhalb eines Zeitraumes von ca. 5 Jahren (1573-1578) entstanden. Cantabricae coelestes und Aureae guttae stammen aus dem Jahr 1600. Kurz vor seinem Tod hat Praetorius noch einmal die bereits 101 Vgl. Kaufinann, Universität, 288f: "Der rur Luther zentrale, von Chyträus um melanchthonische Elemente pragmatisch zugunsten der Lehrbarkeit der Theologie erweiterte, aber grundsätzlich aufrechterhaltene, konstitutiv existentielle Theologiebegriff ist bei Pauli einem primär auf die schulische Vermittelbarkeit und pastoraltheologische Nützlichkeit der 'doctrina' ausgerichteten Verständnis der Sache gewichen." 102 Pauli stellt im Unterschied zu Chytraeus in seinen Prolegomena zur Auslegung der Loci eine "theologische Tugendlehre" voran. Dazu gehören Frömmigkeit, Beharrlichkeit, Lebensfiihrung, Tugendhaftigkeit. Vgl. Kaufinann, Universität, 285 Anm. 175; 285-289. 103 Vgl. Kaufinann, Universität, 285: "Der erfahrungsbezogenen Grundrichtung evangelischer Theologie und dem Kontext ihrer akademisch-lehrmäßigen Vermittlung sucht Chytraeus in seiner maßgeblichen Studienanweisung in gleicher Weise Rechnung zu tragen. Das in sich spannungsreiche Studienkonzept enthält auch darin seine besondere Bedeutung, dass es gerade in der Phase des heftigen Ringens um Luthers und Melanchthons Erbe die Anregungen beider auch persönlichen Wittenberger Lehrer des Chytraeus in einer fruchtbaren Synthese zu verbinden sucht. Gerade die Verbindung des Lutherschen Theologieverständnisses, das sich in seinem innersten Kern aller Lern- und Lehrbarkeit entzieht, mit dem planmäßigen, auf Lehre und Vermittlung ausgerichteten Studienkonzept Melanchthons macht den komplexen und originellen Charakter der Studienanweisung des Chytraeus aus."
78
früher geübte literarische Methode der Gartenallegorie geübt. Während das Thema der ersten Schrift noch aus dem zoologischen Bereich stammt, sind die übrigen dem botanischen Bereich entnommen. Das zugrundeliegende Schema bleibt weitgehend gleich. Nach einer naturkundlichen Beschreibung bzw. Zitierung antiker Autoren beginnt die eigentliche allegorisch-geistliche Auslegung. Die Adressaten werden nicht immer ausdrücklich genannt. Vermutlich richteten sich die Schriften an Schüler und Studenten, vor allem der Theologie. Darüber hinaus ist eine städtische Bildungsschicht im Blick, wie sich aus den Dedikationen entnehmen lässt. Zentrale Begriffe wie "pietas et eruditio", "virtus", "doctrina", "consolatio" lassen die enge Verbindung zur Rostocker Theologie seiner Lehrer, insbesondere zu David Chytraeus und zu Simon Pauli, erkennen. Die Wahl der Namen der Schriften ist sicherlich nicht zufällig. In der Antike spielte im Bereich der Gartenallegorien die Trias Rose, Lilie und Veilchen eine besondere Rolle, mit der sich auch die Nachtigall als Singvogel verbinden konnte. 104 Rose und Lilie gehören im übrigen zu den biblischen Blumen, die in der Vulgata begegnen. lOS Neben dem humanistischen Bildungsanspruch, der in der Zitation antiker Literatur seinen Niederschlag findet, ist der Hauptzweck dieser lateinischen Traktate auf doctrina und consolatio gerichtet. Damit dürfte einerseits eine pädagogische Vermittlung seiner Theologie, andererseits aber auch Adressierung des Trostes an eine bestimmte Bildungsschicht intendiert sem. 3.2 Luscinia cantatrix (1574) Die von Praetorius vermutlich schon Anfang 1573106 verfasste Schrift Luscinia cantatrix lO7 widmete er seinem "treuesten Freund"108 Arnold Bierstedt,109 dem Ratsherr der Stadt Gardelegen. Die Widmung an Bierstedt begründet Praetorius mit dessen einflussreichen Stellung im Stadtrat, die auf seiner persönliche Ge104 Vg!. Schmidtke, Erbauungsliteratur, 336; 343. Schmidtke verweist hier auf die "Iocus amoenus - Tradition". Als Beleg für die Trias nennt er Plinius, Naturalis historia, XXI. Buch. lOS Vg!. Schmidtke, Erbauungsliteratur, 336-342. 106 Der Widmungsbrief ist am 1.5.1573 unterzeichnet: "E noua Heliopoli. [Neustadt Salzwedel, d. Vf.] Anno Christi M.D.LXXIII. Ca!. Maij.", Luscinia (1574), A3r. 107 Siehe SVZ. Der Druck von 1574 war bisher unbekannt. Das möglicherweise einzige erhaltene Exemplar dieser Ausgabe in der Marienbibliothek Halle trägt neben einigen Korrekturen auch eine handschriftliche Widmung von Praetorius: "Clarissimo et magnificentissimo uiro, d. Lamperto Distelmeiero Cancellario atque Domino atque Maecenati suo!". Lampert Distelmeier (1522-1588), brandenburgischer Hofrat 1551, Kanzler von Brandenburg unter Kurfiirst Joachim II. und Johann Georg seit 1558, vg!. Th. Hirsch, Art. Distelmeyer, Lampert, ADB 5, 256-258; Johannes Schultze, Mark Brandenburg, Bd. 4, 83 (Lit.). Zwischen Distelmeier und Arnold Bierstedt gab es häufiger Kontakte aufLandtagen, vg!. Franz, Bierstedt, 33. 108 Luscinia (1574), A2v. 109 Amold Bierstedt (1542-1597), geb. in Gardelegen, Schule Gardelegen 1549, Schule Magdeburg unter dem Rektor Siegfried Sack 1558, Studium (Philologie, Physik) Wirtenberg 1560, Konrektor Gardelegen 1561, Magister 1562, Rektor Gardelegen 1562-1566, Ratsherr und Kämmerer 1567-1579, Kasten- und Apothekerherr 1570, Schöffe, Stadtrichter, Scholarch 1583, Bürgermeister ab 1586, wohlhabender Bierbrauer. Vg!. Franz, Bierstedt; Parisius, Bierstedt, JBVVG 21 (1887),2. Heft, 1-29.
79
lehrsamkeit, Frömmigkeit und Tugend beruhe. 11o Praetorius erhoffte sich von Bierstedt Wohlwollen und Förderung gegenüber dem Geistlichen Ministerium in Gardelegen. 111 Die Schrift entstand beim Nachdenken über die Nachtigall im Frühling. Die Naturbeobachtungen werden zum Gleichnis fiir geistliche oder theologische Sachverhalte. Die einzige wahre himmlische Nachtigall ist der Sohn Gottes, der wahren Trost bietet. Die Wälder sind gleichsam die Schulen, in denen die singenden Vögel, die Lehrer, bezeugen, dass Gott existiert und seine Weisheit zu bewundern ist. Es geht Praetorius jedoch nicht um eine abstrakte Physikotheologie, sondern um die seelsorgerlichen Anliegen, Bedrängte zu trösten, Schmerzen zu stillen, von Sorgen zu befreien, aufgewühlte Gemüter zu beruhigen und Freude zu wecken,l12 Neben dem Gesang der Nachtigall sind die Erziehung ihrer Jungen, ihre Bedrohung durch den Habicht und Gottes wunderbare Bewahrung fiir Praetorius bedeutsam. In einem überarbeiteten Widmungsbrief vom 8.4.1575 wird der Gedanke der Bedrohung durch den Feind noch stärker hervorgehoben: "Morieris, inquit hic tyrannus, si emiseris vocem. Ferrum in manu est; Wir wollen euch Luscinijs das ruffen wol einmahl verbieten."ll3 Dennoch werden die Vögel auf wunderbare Weise vor den Raubvögeln geschützt. Praetorius bittet Bierstedt, ihn bei seinen "Waldspaziergängen" gleichsam zu begleiten und ihn vor dem "Biß der Schlange" zu schützen, während er der "Nachtigall" zuhört. 1l4 Praetorius ersucht um literarischen Schutz fiir seine Schrift. Welche Gegner ihn bedrohen, konkretisiert er jedoch nicht näher. Das Bild von der singenden Nachtigall wurde zunächst von Hans Sachs fiir Luther, die "Wittembergisch Nachtigall", verwendet. Im Zusammenhang der Flacianischen Streitigkeiten nach Luthers Tod wurde Melanchthon von den Wittenberger Studenten in Anspielung auf seinen Namen als "Philo Mela" bezeichnet. Der Wittenberger Professor und Dichter Johannes Major benutzte das Bild von der Nachtigall 1557 in einem Spottgedicht über die "Synode der Vö110 "Narn etsi uir sis, aetate iuuenis: poiles tarnen, apud ciues tuos magna authoritate, propter eximiarn doctrinarn, pietatem, prudentiarn & virtutem tuam", Luscinia (1574), A3r. Bierstedts Bildung zeigI sich in seinem umfangreichen Schrifttum. Ein von i1un aufgestelltes Verzeichnis umfasst 119 Schriften theologischen, historischen oder pädagogischen Inhalts, vgl. Franz, Bierstedt, I. 111 "Nec aliud quicquarn pro hoc munere (si munus est) abs te paciscor, quam ut ... reuerendum ministerium, quod est in c1arissima tua patria, meo quasi loco paterna beneuolentia complectaris, & marnillas ipsi praebeas", Luscinia (1574), A3r. Bierstedt sorgte tUr den Predigtplan und die Dienstanweisung fiir die Pfarrer, indem er die Wochenpredigten auf vier Pastoren und Diakone verteilte. Auch die Schulkurrende, Armengesetze und zahlreiche, den Pfarrern gewidmete Reden und Schriften zu theologischen Fragen gehen auf i1m zurück, vgl. Franz, Bierstedt, 36-38. 1580 gründete er eine Kirchenbibliothek, die nach einigen Jahren über 200 Bände umfasste, vgl. Franz, Bierstedt, 38. 112 Vgl. Luscinia (1574), A2v. 113 Luscinia (1575), A4v. 114 Vgl. Luscinia (1575), A5r. Praetorius kann sich auch selbst als "Nachtigall" bezeichnen: "Ita et nos poterimus esse lusciniae, Deo grata, Ecc1esijs vero salutaria canentes", Luscinia (1575), A5r-A5v.
80
gel"1I5. Nach dem Tod des Schwanes (Luther) streiten vor allem die Nachtigall (Melanchthon) und der Kuckuck (Flacius) darum,1I6 von den Vögeln zum neuen Meister gewählt zu werden, der den anderen Gesetze geben darf und ihre Gesangskunst beurteilt. 117 Die Grasmücke (alma mater Wittenbergensis) wirft ihrem Pflegekind, dem Kuckuck, den Mord an ihren eigenen Kindern vor. Die Nachtigall hat aufgrund von qualmendem illyrischem Pech (Flacianer) kaum noch Luft zum Singen. Der Kuckuck verfolgt mit seinen Anhängern die Nachtigall. Möglicherweise steht der Gegensatz zwischen Philippisten und Gnesiolutheranern auch im Hintergrund der "Luscinia cantatrix". Die Nachtigall würde dann fiir die melanchthonisch ausgerichteten frommen Lehrer und Schüler stehen. Der Habicht ("tyranni") würde die Fürsten und Adligen etc. symbolisieren, die dem Gnesioluthertum zum Durchbruch verhelfen. Praetorius lässt zwar keinen direkten Bezug auf das Gedicht bzw. konkrete Personen (mit Ausnahme der Nachtigall, die er gelegentlich mit David Chytraeus identifiziert) erkennen. Er benutzt jedoch ein Bild, das in die Zeit der philippistisch-gnesiolutherischen Streitigkeiten passt. Von Bierstedt erhofft sich Praetorius Rückendeckung fiir seine Schriften. Die Beziehung zwischen Praetorius und Bierstedt ist aber nicht nur hinsichtlich ihrer ähnlichen melanchthonisch geprägten humanistisch-theologischen Bildung aufschlussreich.1I8 Bierstedts Psalmenkommentar ll9 weist auf eine starke Neigung vor allem zur bernhardinischen Mystik 120 hin. Die bernhardinische Sprache ist Ausdruck seiner Frömmigkeit.l 21 Auch bei ihm findet sich eine eigentümliche Verbindung von Melanchthonianismus und Mystik, wie man sie auch bei Martin Moller beobachten kann. Es ist daher auch darauf zu achten, inwieweit bei Praetorius mystische bzw. bernhardinische Gedanken eine Rolle spielen. 115 "Synodus Avium Depingens Miseram Faciem Ecc1esiae Propter Certamina Quorundam, Qui de Primatu contendunt, Cum Oppressione recte meritorum, 1557", vgl. Preger, Flacius, 424f. Eine spätere erweiterte Ausgabe des Gedichtes mit Amnerkungen von Joachim Feiler ist in den Acta Litteraria ex manuscriptis eruta etc. fase. IV, Jena 1706, 155ffabgedruckt. 116 Daneben werden auch noch die Amsel (Nicolaus von Amsdorf) und der Hahn (Georg Gallus) erwähnt. David Chytraeus wird als Krokodilwächter ("trochilus") tituliert, vgl. Schütz, Chytraeus, I, 150. 117 Vgl. Preger, Flacius, I, 424f; Stupperich, Melanchthon, 119. 118 Bierstedt studierte in Wittenberg vorwiegend bei dem Melanchthonianer Caspar Peucer, Praetorius bei Chytraeus in Rostock. 1585 verfasst Bierstedt eine an Praetorius gerichtete "Homilia de fratemitate christiana, ad Stephanum Praetorium", vgl. Franz, Bierstedt, 45. 119 Psallens Amoldus Bierstedius, 1586 handschriftlich verfasst, 844 Folioseiten, vgl. Franz, Bierstedt, 59--65. Die Loci-Struktur des Kommentars ist nach Ansicht von Franz, Bierstedt, 62f nach dem Vorbild der Loci communes des Andreas Musculus entstanden. 120 Allein Bernhard ist mit über 300 Zitaten vertreten, daneben vor allem Augustin bzw. Pseudo-Augustin, Platon, Plotin, Athanasius, z.T. die Kabbala, vgl. Franz, Bierstedt, 64; 7075; 98 U.ö. Bierstedt hat die Bernhard-Ausgabe von 1556 benutzt: Bemardus Claravallensis, Opera omnia, Basileae MDLXVI", vgl. Franz, Bierstedt, 81. 121 Vgl. Franz, Bierstedt, 8lf; 90. Inwieweit hier Parallelen zu Praetorius bestehen, wird noch zu untersuchen sein.
81
Praetorius gliedert seine Schrift nach den bereits im Widmungsbrief genannten Aspekten, in denen sich Naturbeobachtung und theologische Aussagen verschränken. Zunächst berichtet er vom Namen und von der Entstehung der Nachtigall,122 von ihrer Stimme und Erfahrung. Dann schließt er Überlegungen über Christus, die Kirche und die Musik an. Schließlich betrachtet er die Verfolgung, Bedrohung und wunderbare Rettung der Nachtigall. Die Nachtigall ist eine "imago" Christi, der als Sohn Gottes aus dem Tod auferstanden ist. Die liebliche "vox Christi" übertriffi: in ihrer "Süße" jegliche Stimme von Menschen oder Engeln.l 23 "Cum tuas conciones audimus, incredibili perfundimur gaudio, & uidemur nobis in Paradyso esse."124 Christus ruft mit seiner "süßen" Stimme seine Jungen zu sich (Mt 11,28), um ihre traurige Seele wieder zu beleben. Die armen Sünder, die ihre eigene Gerechtigkeit verloren haben, werden von der Weh wie die "Pest" gehasst, weil sie sich wegen ihrer Sünden quälen und ängstigen. Ihnen stehen diejenigen gegenüber, die nicht unter der Last der Sünde leiden, sondern sich fur die Heiligsten, Gerechtesten und von Gott am meisten Geliebten hahen.l 25 Sie werden von Christus ohne einen festen Trost ihrer eigenen Gerechtigkeit überlassen. Nachdem Christus seine Kinder zusammengerufen hat, singt er ihnen als "himmlische Nachtigall" die "dulcissimas consolationes" vor.l 26 Hier ist die Theologie Melanchthons unmittelbar zu erkennen. Die Hörer sollen sich nicht um ihre Sünden sorgen, weil sie ihnen vergeben sind. Der Nichtanrechnung der Sünden durch die geschenkte Vergebung entspricht die Anrechnung der Gerechtigkeit Christi: "Pronunciat vos iustos, ac si ornnem iustitiam, & iustitiae summos gradus haberetis. "127 Praetorius zieht weitreichende Parallelen, wenn er die Gläubigen bereits mit Engeln vergleicht. Gottes Gnade ist unausschöpflich und unermüdlich. Christus ist ein "commune receptaculum peccato122 Vgl. dazu Richter, Art. Nachtigall, Kleiner Pauly 3, 1555f. 123 Luscinia (1574), A8v. 124 Luscinia (1574), Blr. Das Paradies ist der Ort der vollkommenen Freude. In Luscinia (1575), B3v wird die Aussage über den Vergleich des Hörens der Worte Christi mit dem Paradies bereits abgeschwächt: "et videmur nobis non procul a paradyso esse". Das Paradies spielt in der Symbolik des Mittelalters eine wichtige Rolle, vgl. Poeschke, Art. Paradies, Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 2, 375-382. Ein weiterer Beleg ist Cant 5,6: "Et in Canticis, cap. 5. canit Ecclesia, sponsa Christi: Anima mea liquefacta est, postquam dilectus meus locutus est mihi. Quoniam vox eius dulcis est.", Luscinia (1574), Blr. Praetorius zitiert aus der Vulgata. Die allegorische Deutung des Hohenliedes als Gespräch zwischen dem Bräutigam Christus und der Braut, der Kirche (bzw. der Seele) ist charakteristisch fiir die mittelalterliche Auslegungsweise. Prägend wirkten vor allem die bernhardinischen "Sermones super Canticum Canticorum". 125 Luscinia (1574), BI v. 126 Luscinia (1574), Blv. Die "Gesänge" Christi werden von Praetorius im Folgenden auch sprachlich zum Ausdruck gebracht, indem er in die I. Ps. Sg. wechselt. Dadurch gewinnen die Tröstungen unmittelbaren Zuspruch-Charakter. 127 Luscinia (1574), B2r. Mit den Begriffen "imputatio" bzw. "non-imputatio" befindet sich Praetorius im Gefolge Melanchthons. "Quod in vobis est peccatum: id coram Deo nihil est. Imo iustitia est: non quidem per se, sed gratuita dissimulatione, & imputatione. Ita quidem coram Hominibus estis peccatores coram DEO vero ipsissima iustitia.", Luscinia (1574), B2r.
82
rum" geworden, damit die Menschen zur Gerechtigkeit Gottes würden.1 28 Ausgangspunkt ist also eine imputative Rechtfertigung, die umfassend gedacht wird. Die Versöhnung mit Gott ("reconciliatio cum Deo") bedeutet, dass Gott von Zorn und Strafen ablässt. Schlimme Verbrechen werden zwar mit harten Strafen bereits im jetzigen Leben geahndet, wer jedoch Buße tut und sich bekehrt, ist bereits mit dem Schmerz der "contritio" gestraft und wird in seiner ursprünglichen Würde wiederhergestellt. Dieses Verhalten Gottes wird als "Spiel" mit seinen Freunden bezeichnet. 129 Die Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes ist der größte denkbare Adel und die größte Würde des menschlichen Geschiechts.l 30 Mit väterlicher brennender Liebe "umarmt" Gott seine Kinder mehr als jeder menschliche Vater. Der heilige Geist, den Gott als Unterpfand der Kindschaft gegeben hat, spricht nicht nur "familiariter" mit dem menschlichen Geist in den Herzen, sondern er bezeugt auch die geschenkte "adoptio" und die einzigartige Liebe Gottes des Vaters. Auf diese Weise erweckt er Vertrauen ("fiducia") und Zuversicht ("parrhisia"). Die Seufzer des Herzens sind nichts anderes als die "inenarrabiles gemitus Spiritus Sancti",131 die von Gott erhört werden. Aus der Gotteskindschaft folgt notwendigerweise auch die Anerkennung als Brüder und Schwestern Christi.132 Christus wird seine Brüder und Schwestern später zum ewigen Leben erwecken (Joh 6,39f).1 33 Mit diesen Liedern der himmlischen Nachtigall hat Praetorius den wesentlichen Inhalt des evangelischen Trostes zum Ausdruck gebracht. Auf diesem Hintergrund gelangt Praetorius zu seiner eigentlichen Intention der Entfaltung eines Freudenchristentums. Er vergleicht die "luscinia" mit der Kirche bzw. den "Auserwählten", die seine Stimme hören und sie in wahrem Glauben annehmen.l 34 Der Grund der Freude ist allein die Stimme Christi.135 Die Freude ist Frucht des heiligen Geistes. Der Gesang der "himmlischen Nachtigall", Christus, befreit die Seelen aus dem Gefangnis des Todes, d.h. aus 128 Luscinia (1574), B3r. 129 Luscinia (1574), B3r. 130 "Qua quidem nobilitate,
& dignitate generis, nulla maior potest excogitari", Luscinia (1574), B4a. Die "nobilitas" spielt fur Praetorius nicht nur in seiner Theologie, sondern auch in seinen sozialen Bezügen eine große Rolle, wie die zahlreichen Kontakte zu Adligen zeigen. 131 Luscinia (1574), B4r. 132 Luscinia (1574), B4v. Die Erwähnung der "Schwestern" entspricht einer grundsätzlichen Gleichbehandlung von Männern und Frauen aufgrund ihres gemeinsamen Gottesverhältnisses. Im Gottesbild spielen mütterliche Züge eine wichtige Rolle. Junge Mädchen verkörpern das Ideal der Reinheit, Schüchternheit und Schamhaftigkeit. Das Schicksal der Witwen liegt Praetorius in späteren Jahren besonders am Herzen, vgl. Tr. 55 u.a. Die Witwe seines Amtsvorgängers, Anna Göden, zeigt sich in ihrem Sterben als vorbildhafte Christin und Vertreterin einer von Praetorius bestimmten Theologie, vgl. Tr. 29. 133 Vgl. Luscinia (1574), B4v. Zum Abschluss des Kapitels fugt Praetorius ein Lutherzitat "de qua traternitate Christi" an, Luscinia (1574), B4v-B5r. Vgl. auch die "Homilia de traternitate christiana", die Bierstedt 1585 Praetorius widmete. 134 "Luscinia est imago Ecclesiae, hoc est, omnium electorum, qui vocem Christi audiunt, discunt, & vera fide amplectuntur", Luscinia (1574), B5r. 135 "lta & horum corda perfusa & oppleta sunt ingenti gaudio ... Causa vero tantae laetitiae in pijs est sola vox Christi" (Joh 3,29), Luscinia (1574), B5r.
83
der Traurigkeit, und führt sie zum "theatrum vitae, seu laetitiae aeternae".l36 Traurigkeit und Schmerz sind Tod, Freude ist Leben. Der Sohn Gottes fordert zwar die "contritio", aber nicht einen beständigen und unmäßigen Schmerz. Auffällig ist hier die Parallelisierung von Sünde und Traurigkeit. Frieden, Ruhe und Freude sollen das Leben bestimmen. 137 Dass die Freude vollkommen, d.h. nicht mit Schmerz vermischt, intensiv, geradezu übermütig, beständig und ewig sein soll, begründet Praetorius mit biblischen Belegen. Er verschließt aber nicht die Augen vor der Realität: Die Frommen ("pii") werden von Trübsalen und Sorgen wie Fische im Wasser umspült. Armut, Krankheit, Verfolgung und neue Sorgen, Gefahren und Wirren erschüttern sie. 138 Dennoch sollen sie nach Gottes Willen inmitten ihres Elends und der Gefahren einen ruhigen und fröhlichen Mut bewahren. Die Gläubigen bleiben auch nicht von der Anfechtung durch die Sünde bewahrt. Die "filii Dei" sollen sich vor den "feurigen Wurfgeschossen des Teufels" hüten. Darunter versteht Praetorius traurige und erschreckende Predigten über zurückliegende Sündenfälle, über den Zorn Gottes und die ewige Verwerfung.l 39 Ihnen soll mit wahrem Glauben begegnet werden. Eine solche Freude ist ein wahres Heilmittel und eine Befreiung der Seele, ein Zeichen des wahren Glaubens, der Gegenwart und Lenkung des heiligen Geistes und des Reiches Christi.l40 Praetorius bedauert, dass es kaum jemand gebe, in dessen Herzen eine solche Freude blühe.l 41 Die meisten sind so niedergeschlagen und kleinmütig ("pusilli animi") als hätten sie keinen "saluator", und machen daraus einen Gottesdienst. Selbst maßvolle Freude wird für eine große Sünde gehalten. Den Traurigen und Schwermütigen rät Praetorius im Rückgriff auf Luther zur Freude des Gemütes.l 42 Auffällig ist in diesem Zusammenhang die deutliche Kritik an der Traurigkeit, mit der Praetorius offensichtlich auf eine depressive Stimmung seiner Zeit Bezug nimmt. Die Sünde selbst ist jedoch weniger im Blick als vielmehr ihre Wirkung, die sie auf die Gläubigen ausübt. Den fröhlichen Gesang der Nachtigall nimmt Praetorius zum Anlass, um die Christen zu ermutigen, ihrer inneren Freude ("tranquillitas ac laetitia cordis")143 auch nach außen durch Gebet und Gesang Ausdruck zu verleihen. Fröhlicher Gesang bewirkt mehr als stille Gedanken der Seele. Die "Psalmi"
Luscinia (1574), B5v. Luscinia (1574), B5r. Vgl. Luscinia (1574), B6v. Vgl. Luscinia (1574), B6v. Luscinia (1574), B7r. Der Zusatz "liberatio animae, propter quam Christus de Coel0 descendit" ist in der Ausgabe Luscinia (1575), B8v gestrichen. 141 "in cuius corde tale gaudium floreat", Luscinia (1574), B7r. "Ach wir arme Leute: ja wir elende Thoren! wie gar nichts wissen wir vns das hohe vnd herrliche Verdinst Christi Jesu zu nütze zu machen! vnd vns desselbigen zu trösten.", Luscinia (1574), B7r. 142 Vgl. Luscinia (1574), B7v. Einen Teil dieses Briefzitates hat Praetorius bereits im Ordo (1574), B7-B8 im Zusammenhang mit den "affectus animi" wiedergegeben. Zum Problem der Melancholie und des Umgangs mit ihr vgl. Koch, Die höchste Gabe, S. 231-243. 143 Luscinia (1574), B8r. 136
137 138 139 140
84
durchdringen die Seele mit ihrem gefälligen Rhythmus und ihren süßen Harmonien. Sie entzünden wahre Frömmigkeit ("veram pietatern") in den Herzen: "hoc est, paenitentiam, dolores, lachrymas, suspiria, preces, fidem, pacem, laeticiam, spem, animi magnitudinem, heroicos impetus, & ardentem amorem erga Deum atque proximum".l44 Für Praetorius besteht die Funktion der Psalmgesänge darin, dass das Wort Gottes tiefer in die Seelen der Hörer eindringt und den Antrieb der Frömmigkeit in den Herzen entzündet. Er plädiert fiir eine ernste und schlichte Musik, die nicht ausgeschmückt oder ausgelassen ist, damit der Text auch von dem ungebildeten Volk verstanden werden kann.l 45 Praetorius beruft sich fiir seine Forderung auf die altkirchliche Praxis, wie er mit einem Justinzitat belegt. Sein Musikverständnis einer "musica simplex" korrespondiert seinem theologischen Anliegen, die Traurigkeit aus den Herzen zu vertreiben. Praetorius bezieht die Verfolgung der Nachtigallen auf das Verhalten der Obrigkeit gegenüber frommen Lehrern des Evangeliums in Kirchen und Schulen.l 46 Obwohl sie abgeschieden von der Welt in den lieblichen Gärten 147 des heiligen Geistes ihre Seelen erfreuen 148 und andere Menschen mit lebendiger Stimme oder mit gelehrten Schriften bilden, müssen sie Hass und Verfolgung des Teufels und der Tyrannen erdulden. Die ungelehrten, gottlosen und grausamen Tyrannen halten die Gebildeten rur die schädlichste Pest des Staates. Sie verweigern den "himmlischen Nachtigallen" finanzielle Zuwendungen, verspotten sie und achten einen Kuhhirten mehr als einen Pastor. Praetorius übt scharfe soziale Kritik: Sie verwenden mehr Geld fiir Jäger und Hunde als fiir gelehrte und treue Pastoren. Obwohl diese "Heuchler" vom "wahren Christentum" ("a vero Christianismo") noch weit entfernt sind, wollen sie fiir die "Blüte der Kirche" ("pro ipso Ecclesiae flore") gehalten werden.l 49 Vor allem diejenigen Diener des Wortes müssen unter den Tyrannen leiden, die sich in ihren Predigten nicht ihren Wünschen anpassen, sondern ihnen ihre Sünden vorhalten.l 50 Allerdings weiß Praetorius, dass es auch andere Fürsten, Adlige und Staatslenker gibt, die gelehrt und fromm sind und sich als "nutritores Ecclesiae" erweisen.l 51 Er vergleicht die Nachtigall mit den Professoren und den 144 Luscinia (1574), Clr. Vgl. diese Defmition der wahren Frönunigkeit mit Chytraeus, der ebenfalls den Erfahrungsbezug der Frönunigkeit mit der Gottes- und Nächstenliebe verbindet. Vgl. dazu Kaufmann, Universität, S. 262-266 u.ö. 145 Luscinia (1574), Clv. 146 "Luscinia significat pios Doctores (ut de Christo hoc loco nihil dicam) qui vel in scholis, vel templis puram Euangelij, doctrinam sonant", Luscinia (1574), C3r. 147 Zur Symbolik des Gartens vgl. Börsch-Supan, Art. Garten, Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 2, 77-82. Der Garten ist im Mittelalter vor allem Symbol fiir Maria, Christus und die Tugenden. 148 "in amoenissimis hortis Spiritus sancti animos suos oblectent", Luscinia (1574), C3r. 149 Vgl. Luscinia (1574), C5v. 150 Luscinia (1574), C6r. 151 "a pro ista sua doctrina & pietate reuera ament, colant, nutriant, atque omnibus modis iuuent reliquos, quos nouerunt vere doctos & pios esse ... nutritores Ecclesiae", Luscinia (1574), C4v. Vgl. dazu auch den Dedikationsbrief an Bierstedt. 85
Studenten der "doctrina coelestis" und anderer Wissenschaften,152 die von Gott trotz der Bedrohung durch die Tyrannen wunderbar erhalten und geschützt werden. Luscinia cantatrix ist die erste Schrift von Praetorius, die sich ausführlich theologischen Themen widmet. Er wollte sich als ein humanistisch gebildeter Schüler seiner Rostocker Lehrer, insbesondere von David Chytraeus erweisen. Dies wird auch in der Ausrichtung auf den Zweck des Trostes und der Belehrung (doctrina et consolatio) deutlich. Praetorius zeigt keine Scheu vor einer allegorischen bzw. geistlichen Ausdeutung natürlicher Vorgänge. Entscheidend ist für ihn die Überwindung der Traurigkeit und die Vermittlung evangelischen Trostes angesichts innerer und äußerer Nöte. Hunger, Krankheiten, Verfolgungen, Sorgen, Beunruhigungen und Ängsten will er mit der Freude des Glaubens begegnen. Der Zuspruch der Sündenvergebung erfolgt in melanchthonischer Terminologie. Auf der Grundlage der Imputationslehre gelangt er zu einer starken Betonung der Freude des Glaubens. Das Verständnis der Sünde ist jedoch nicht unproblematisch. Es ist weniger qualitativ im Sinne Luthers, als eher quantitativ (sordes peccatorum) im melanchthonischen Sinn geprägt. Der Zuspruch der Sündenvergebung wird mit einem Verständnis der Sündenreinigung verbunden, mit dem vermutlich die ethische Anstrengung bzw. das Streben nach einer stetigen sittlichen Vervollkommnung gewährleistet werden soll. Die "contritio" wird bejaht, solange sie nicht die Glaubensfreude und Heilsgewissheit zerstört. Freude und Friede des Glaubens haben einen hohen Stellenwert. Die Pneumatologie hat eine besonderes Gewicht, da der Geist die Früchte des Glaubens vermitteln soll. In der Ekklesiologie tendiert Praetorius zu einem Kirchenbegriff, der stark von den einzelnen "Frommen", "Kindern Gottes" bzw. "Auserwählten" her bestimmt ist und sich am Vorbild der Alten Kirche orientiert. Insbesondere wenn er über das Gebet spricht, ist seine Sprache von mystischer Begrifflichkeit beeinflusst (z.B. das Seufzen des Herzens, die Umarmung Gottes, das familiäre Reden mit Gott). Auffällig ist auch das Interesse für medizinische Sachverhalte, das möglicherweise aus medizinischen Studien in Rostock resultiert. 3.3 Rosa nobilis (1577) Mit seiner Schrift Rosa nobilis, die 1577 bei Stephan Möllmann in Rostock erschien,153 verfolgte Praetorius eine doppelte Absicht: Er wollte seine Dankbarkeit und Verehrung für seinen ehemaligen Lehrer David Chytraeus zum Ausdruck bringen154 und zugleich sein christologisches und ekklesiologisches Ver152 "studiosos & professores doctrinae coelestis, aliarurnqe artium", Luscinia (1574), C7r. 153 Stephan Möll(e)mann (Myliander), 1561-1610 Drucker in Rostock, ab 1580 Universit!itsbuchdrucker als Nachfolger von Jacob Lucius, vgl. Benzing, Buchdrucker, 394. 154 Er bekennt, "doctrina", "pietas" und "humanitas" ilnn zu verdanken und verweist auf die Hochschätzung der Wissenschaften und Lehrer unter den römischen Antoniner-Kaisem, vor allem unter Marcus Aurelius Antoninus. "amarunt bonas literas, et coluerunt suos praeceptores", Rosa, A2r. Sie errichteten ihren Präzeptoren goldene Statuen in den Museen. Vgl. Hans-
86
ständnis mit Hilfe der geistlichen Betrachtung eines natürlichen Phänomens entfalten. Der Titel Rosa nobilis erinnert an mittelalterliche Vorbilder.l 55 Praetorius wünscht sich, zu einer volleren Erkenntnis der großen göttlichen Weisheit bereits in diesem Leben zu gelangen und so dem Himmel nahe zu sein.I 56 Er erhofft sich von seinem Präzeptor Chytraeus mehr Unterstützung und Förderung als von der Masse. Offensichtlich trägt die Lehrtätigkeit des Chytraeus bereits Früchte. Durch seine gebildete Stimme begännen viele Schüler, das Lob des Sohnes Gottes in Schulen und Kirchen mit großer Frucht rur die Kirche zu "singen".I 57 Adressaten seiner Schrift sind daher vor allem Schüler und Studenten der evangelischen Theologie, die er zum Studium der antiken Literatur ebenso ermuntert wie zur geistlichen Deutung von Naturvorgängen. Ein Gedicht von Johannes Freder rur Stephan Praetorius ist der Schrift "Rosa nobilis" vorangestellt. Freder rühmt die Redegewandtheit des Praetorius und bezeugt seine persönliche Wertschätzung. Er habe die Schrift, deren "nobilitas" er lobt, im Frühling erhalten. Er wünscht ihr eine weite Verbreitung. Freder bekennt, besonderes Vergnügen am Duft der Rose zu empfinden. Im Winter, wenn es in der Natur keine Rosen mehr gebe, erfreue er sich am Duft der süßen Rose des Praetorius. In einem Epigramm beschreibt Freder das Verhältnis der Rose zur Stadt Rostock.158 Mit dieser Rose ist vermutlich David Chytraeus gemeint, der der Universität Rostock zu neuer Blüte verhalf. Mit dem Duft könnte seine Lehre, mit den Rosen, die er verbreitet, könnten seine Schüler, zu denen auch Praetorius gehörte, angesprochen sein. Praetorius' Schrift ist an der Symbolik der Rose orientiert: Ihr Name, ihre Form, ihr Duft, ihr Saft, ihre Entwicklung unter den Domen und ihre hinfällige Schönheit sind die Themen der einzelnen Kapitel. I59 Sein medizinisches Intelik, Art. Marcus Aurelius, Kleiner Pauly 3, 1009-1013. Die "Goldene Rose" bzw. "TugendRose", Sinnbild Christi (Cant 2,1, Vulgata: "flos campi", "Iilium convallium"; Jes 11,1), wurde seit dem Mittelalter vom Papst für besondere Tugend an fürstliche Personen u.a. verliehen, vgl. Barnikol, Art. Rose, Goldene, 1183. Die "Goldene Rose" soll auch zu einer geistlichen Freude aufmuntern, vgl. Art. Rose (die güldene), Zedler, GVUL 32, 861f. 155 Für die Wahl der Rose als Titel einer Andachtsschrift gab es bereits mittelalterliche Vorbilder. So hat z.B. Thomas von Kempen eine Schrift "Hortulus rosarum. Incipit hortulus rosarum in valle lacrimarum" betitelt, vgl. Thomas von Kempen, Opera, IV, 1-50. Als zeitgenössische Parallele vgl. Konrad Rosbach, Rosa D. Mariae, Das ist, Christlichs vnd Geistliches Rosengärtlein. Darinnen die schöne himmlische Blum, das Edle Marien=Röselein, Jesus Christus von Nazareth, sampt seiner Natur, Pflantzung, Krafft vnd Tugent zufrnden vnd beschrieben ist. Frankfurt a.M. 1587. Vgl. dazu Beck, Erbauungsliteratur, 327 und Schmidtke, Erbauungsliteratur, 69. 156 Vgl. Rosa, A4r. 157 Vgl. Rosa, ASr. 158 Rosa, Alv. 159 Die Rose ist ein wichtiges Motiv in der christlichen Ikonographie. In der alten Kirche gilt die rote Rose meist als Symbol der Märtyrer. Bei Hieronymus ist die Rose Symbol der Schamhaftigkeit und Sittsamkeit. Im Mittelalter wird die Rose zum Inbegriff von Schönheit und Liebe (Minne). Eine besondere Rolle nimmt sie in der Marienverehrung ein. Die Madonna im Rosenhag bzw. im "hortus conclusus" ist ein häufiges Motiv in der christlichen Kunst. Sie symbolisiert Marias paradiesisches Sein, ihre Unberührtheit und Bewahrung vor der Erbsünde, vgl. Schumacher-Wolfgarten, Art. Rose, Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 3, 563-
87
resse zeigt sich im Hinweis auf den Gebrauch der roten Rosen in der Herstellung von Medikamenten. 160 Praetorius ist der Meinung, dass ebenso wie Adam vor dem Fall alle Menschen von Natur Theologen wären und Gott auf natürliche Weise als ihren Schöpfer erkennen würden, wenn sie noch im Stand der Unschuld wären. Melanchthon, den Praetorius ausführlich zitiert, nennt in einer von Justus Jonas vorgetragenen Rede über das Theologiestudium Adam den ersten Studenten und Doktor der Theologie.l 61 Er beschreibt das Paradies als eine theologische Akademie, in der Gott selbst der Lehrer ist. Mann und Frau reden in höchster Keuschheit und Reinheit über die Werke Gottes. Die Menschen sind frei von Nöten, Trübsal, Traurigkeit, Tod, Furcht, Schrecken und Armut. Sie leben in beständiger Freude des heiligen Geistes. Wenn die edle Natur des Menschen nicht durch den Fall Adams und die Erbsünde verdorben und das Licht des menschlichen Geistes geschwächt worden wäre, dann könnte Adam sogar den Lauf der Gestirne verstehen. 162 Adam und Eva wären von unaussprechlicher Freude erfüllt. Mit diesem ausführlichen Zitat aus dem Vortrag Melanchthons über das Theologiestudium zeigt Praetorius sein Interesse an einer Erkenntnis Gottes aus der Natur und erhebt seine allegorische Deutung der Natur in den Rang einer "paradiesischen Theologie". Die rote Rose unter den Domen ist flir Praetorius ein Bild des am Kreuz hängenden Sohn Gottes.l 63 Der geistige Anblick des "vermis"164 am Kreuz veranlasst ihn zu Tränen über den eigenen Hochmut. Er vergleicht die Rosen auch mit den fünf Wunden Jesu am Kreuz, insbesondere mit der offenen Wunde an seiner Seite.l 65 Das Anschauen der Rose soll zur Dankbarkeit für Christi Passion führen. Aus dieser Meditation schöpft Praetorius Glauben und Freude. 166 Im Vergleich mit der Schönheit der Rose ist die Herrlichkeit des Menschen, der ein Ebenbild Gottes ist, viel größer. Dies gilt vor allem, wenn er vom irdischen in den himmlischen Garten versetzt wird 167 Im Paradies wird der Mensch nicht der Rose oder der Sonne sondern dem Sohn Gottes selbst ähnlich sein (I Joh 3,2). Diese Herrlichkeit gilt bereits jetzt durch die Taufe. Der Grund dafür liegt in der Waschung durch das Blut Christi, in der Gabe des Geistes und sei568. "Die christliche Symbolik knüpfte mit Vorliebe an die rothe Farbe der Rose an und erblickte in ihr ein Sinnbild Christi, der Märtyrer, der Liebe, der Geduld, aber auch, mit Bezug auf die weiß gefärbte Rose, der Jungfräulichkeit.", Salzer, Sinnbilder Mariens, 189. 160 Vgl. dazu Bock, Kreutterbuch, 3.T., 348-349; Plinius, Naturalis historia, XXI. Buch, 123-125. Die Aufforderung zur Naturbeobachtung entspricht seinen Studienanweisungen für junge Studenten. 161 Rosa, A7v-A8v. Oratio Justi Jonae, Doctoris Theologiae, de studiis theologicis, Wittenberg 1539, CR 11,44--46 (41-50). Diese Rede wurde von Melanchthon verfasst und von Jonas 1538 vorgetragen, vgl. dazu Pressei, Justus Jonas, 50f; Bayer, Theologie, l42f. 162 Praetorius teilt mit Melanchthon das Interesse für die Astronomie. 163 Rosa, B2r. 164 Ps 22,7. Diese Stelle nimmt er zum Anlass, "physica" über den "chermes" mitzuteilen. 165 Das Mittelalter kannte eine ausführliche Wundenmystik, vgl. Zedler, GVUL 59, 1755; Sauser, Art. Wunden Christi, Lexikon der christlichen Ikonographie, BdA, 540-542. 166 "atque ea ipsa meditatione fidem & laetitiam nostram alamus.", Rosa, B3r. 167 Zur Bedeutung der Gartenallegorien vgl. Schmidtke, Erbauungsliteratur, 393--445.
88
ner wesenhaften Einwohnung.1 68 Bereits hier zeigt sich die zentrale Bedeutung der Taufe . Der Gedanke der wesentlichen Einwohnung des Geistes ist damit eng an die Taufe geknüpft. Mit der Deutung des Duftes der Rosen als Bild für den Trost des göttlichen Wortes, den Heiligen Geist und das gläubige Gebet zielt Praetorius auf eine Korrektur des Gottesbildes.1 69 Wenn das Herz unter der Hitze der Anfechtung und des göttlichen Zorns leidet, ist der "odor verbi divini" bzw. "odor uitae" (Il Kor 2,16) das wirksamste Heilmittel. Dem dunklen Bild vom Zorn Gottes setzt Praetorius ein Bild entgegen, das von der "Philantropia", d.h. seiner "suavitas humanitatis" geprägt ist.!70 Die dem Menschen noch anhängenden "sordes peccatorum" übersieht Gott, als wenn sie nicht vorhanden wären (Jes 11,3). Er vergibt denen die Sünden, die Buße tun!7! und schenkt ihnen den heiligen Geist. 172 Dieser Trost wird jedoch von vielen verschmäht. Praetorius gibt an dieser Stelle einen interessanten Einblick in die Rezeption von Predigten: Die einen halten die "evangelicas consolationes" für bekannt und unbedeutend. Die anderen befürchten, dass mit ihnen die Gottlosigkeit gefordert wird. Aber wer mutwillig das Evangelium für seine Schechtigkeit missbraucht, macht aus dem Wort des Lebens ein Wort des Todes. Die medizinische Verwendung des Rosensaftes!73 betrifft Fieber und Pesterkrankungen, indem er Herz und Leber stärkt.!74 Praetorius kannte sich offenbar in den Kräuterbüchern recht gut aus. Für Praetorius ist der aus den Rosen gewonnene Saft ein Bild des Blutes Christi, das aus seinen Wunden geflossen ist. Es kühlt wie ein "coelestis ... Syrupus" das von geistlichem Fieber!75 erkrankte Herz. Dieses Fieber entsteht durch die Bosheit des Teufels, der"pravae concupiscentiae igniculos" anfacht. Auch wahrhaft fromme und züchtige Menschen fühlen bei ihren Studien und "pietatis exercitia" diese "occultam passionern"
168 "Quoniam perfusi lotique sumus sanguine Iesu Christi: ac insuper donati spiritu sancto, qui habitat in nobis ... , et communicatione essentiae suae implet corda nostra", Rosa, B3r. Von der Einwohnung Gottes in den Gläubigen spricht auch die Konkordienformel im Rückgriff auf Petrus Lombardus, wo die Meinung verworfen wird, "non ipsum Deum, sed tantum dona Dei in credentibus habitare", vgl. BSLK, 785 (Epit. III,18); 935 (SD III, 65). Vgl. dazu auch Söderlund, Der Unio-Gedanke in der Konkordienformel, 65f. 169 Rosa, B4r. Über die "uera inuocatio" rügt Praetorius ein Zitat aus Joachim Mörlins Katechismus an. 170 Rosa, B5v. "Denn er hat vns in seinem schoss! hertzet vnd küsset vns! sicut mater exosculatur unicam filiolam", Rosa, B6r. 171 Rosa B6v-B7r. 172 Über den Heiligen Geist ist eine Schrift in Vorbereitung, vgl. Rosa, D8r. Im Jahr 1585 erschien die Schrift: De fide, pace, gaudioque in spiritu sancto, siehe SVZ. 173 Praetorius gibt genaue Anweisungen zur Herstellung des Syrups, der von den Medizinern hergestellt wird, vgl Rosa, C2r-C2v. Vgl. ähnliche Angaben bei Bock, Kreutterbuch, 3.T., 349 über die Gartenrosen. 174 Vgl. Bock, Kreutterbuch, 3.T., 349 über die Verwendung von Rosenzucker: "Diß ist ein sehr nützliche külung inn hitzigen Febern! sterckt das Hertz! haupt vnd alle innerliche glyder." 175 Über Fieber las Tunnichaeus in Rostock, vgl. Krabbe, Rostock, 527.
89
(bzw. "passivum peccatum").l76 Gegen den Stachel des Teufels hilft nur die himmlische Medizin. Das wirksamste Gegenmittel (antidotum) gegen den Biss des Teufels und das geistliche Fieber ist das Blut Christi, wenn es durch wahren Glauben dem Herzen "eingetröpfelt" wird. 177 Christus, der "medicus et Salvator noster", verspricht denen, die es tun, das Heil der Seele (Joh 3,14f). In ekklesiologischer Hinsicht beschreibt Praetorius das Wachsen der Rose unter den Domen (Cant 2,2) 178 als Bild für Trübsal, Kreuz und Verfolgung der Kirche. Er versteht die Kirche als kleinen verstreuten "coetus", der das Evangelium hört, im wahren Glauben annimmt, sich auf die Gnade Gottes verlässt, Gott liebt und anruft und sich vor Sünden hütet. 179 Der Kirche hält Praetorius vor, dass sie die Domen nicht genug unterdrückt. Die Gläubigen sollen "nobiles et barones in regno suo, stadliche Junckherm vnd Freyherren in seinem Reich" sein, die keine Knechtschaft der Traurigkeit zuiassen.l 80 Mit Luther betont Praetorius deshalb, dass auch die Heiligsten in Sünde fallen und dennoch fröhlich bleiben. Die Kirche wird auch von den Häretikern verletzt. Dazu zählen neben den "sacramentarii" (Calvinisten) auch die Türken und der Papst mit seinen Helfern. Aber auch von den eigenen Gliedern wird die Kirche verwundet. Die prophetische Verheißung aus Jes 1l,7f hat sich noch nicht erfüllt. Diejenigen, die sich besonders für die Frömmigkeit einsetzen, werden am meisten von ihren Feinden geplagt. Möglicherweise steht hier die Auseinandersetzung zwischen den Philippisten und Gnesiolutheranern im Hintergrund. Die Gegner kommen nicht nur aus dem gemeinen Volk, sondern auch aus dem Adel, dem Stadtrat, dem Pfarrkonvent oder sogar aus der Familie. Die hinfällige Schönheit der Rosen ist ein Bild für den menschlichen Ruhm, der aus der eigenen Gerechtigkeit resultiert. Gott fordert vom Menschen die vollkommene Gerechtigkeit seines Sohnes, die durch wahren Glauben appliziert wird.l81 Eigengerechtigkeit bzw. Eigentugenden sind nichts wert (Jes 64,6; Phil 3,8). Die eine oder andere Tugend schafft noch keine vollkommene Gerechtigkeit. Wahre "nobilitas" stellt sich nicht zur Schau. 182 Die Vergänglichkeit der Rosen ist auch ein Bild für die menschliche Gestalt und Schönheit. Praetorius rät deshalb, in der Jugend die Zeit zum Studium ehrenvoller Künste 176 Praetorius empfiehlt an dieser Stelle J ohann Gersons Schrift "De remediis contra pusillanimitatem", vgl. Johann Gerson, Opera ornnia, hg. v. 1. E. du Pin, Nachdruck der Ausgabe Antwerpen 1706, Bd.3, 579-589. Praetorius rät, Frauen und "amor" zu meiden. 177 Rosa, C4v. 178 "Sicut lilium seu rosa inter spinas: sic amica mea inter filias. h.e. Ecclesia prouenit quidem inter spinas: sed tarnen inter medias aerumnas sua pulchritudine superat reliquas uirgines, seu totum genus humanum", Rosa, C6v. Praetorius zitiert die Vulgata: "sicut lilium inter spinas sic amica mea inter filias". Luther übersetzt (1545), WA.DB 10/2, 137, If: "Wie eine Rose vnter den Dörnern, So ist mein Freundin vnter den Töchtern". 179 Rosa, C6v. 180 Rosa, C7r. 181 Rosa, D6r. 182 "Nam vera nobilitas e sublimi doctrinae coelestis, pietatis, temperantiae, castitatis, iustitiae, liberalitatis, fortitudinis togatae ac bellicae, caeterarumque virtutum arce descendet", Rosa, D6v.
90
zu nutzen.l 83 Aber nicht hohe Bildung hat die Verheißung des gegenwärtigen und zukünftigen Lebens, sondern "vera pietas".l84 Praetorius setzt die geistliche Deutung von Naturphänomenen in dieser Schrift fort. Damit greift er einen Traditionsstrom auf, der von der Antike bis in das Mittelalter reicht. Gerade Rosen und Lilien spielten in der Volksfrömmigkeit des Mittelalters, insbesondere in der Marienverehrung eine große Rolle. Allerdings vermeidet Praetorius jeglichen Bezug zur Mariologie. Statt dessen werden Christus, die Kirche oder der einzelne Fromme Gegenstand des Vergleiches. Die Erkenntnisse über die Heilkräfte der Pflanzen werden in die Deutung einbezogen. Christus ist der "medicus et salvator", der die kranken Gewissen heilt. Im Hintergrund stehen vermutlich eigene medizinische Studien in Rostock. Der Versuch, Medizin und Theologie miteinander zu verbinden, begegnet auch bei Paracelsus oder Johann Arndt, der ursprünglich ebenfalls medizinische Studien betrieben hat. Zentrale Bedeutung hat für Praetorius die Tauflehre. Sie ist aufgrund der Sündenvergebung Garant der Glaubensgewissheit. Zugleich stellt sie auch den Ansatzpunkt seiner Ethik dar. Die Taufe wird vor allem mit den Begriffen der Reinigung und Abwaschung vom Schmutz der Sünden beschrieben. Vor Gott findet in der Taufe eine vollkommene Reinigung von den Sünden statt, so dass der Mensch als gerechtfertigt gilt. Vor den Menschen sind jedoch auch nach der Taufe noch Sünden sichtbar. Deshalb gilt es, in einem Heiligungsprozess dem Ideal einer vollkommenen Reinheit zuzustreben. Rosa nobilis ist ein Beispiel für die Verwirklichung seines Ideals der pietas. 3.4 Lilium convallium (1578)
In dieser Schrift präsentiert Praetorius eine allegorische Deutung des Maiglöckchens mit einer insbesondere ekklesiologischen Absicht. 185 In seinem 183 Vgl. Rosa, D7r. 184 "Imprimis autem vide,
vt non tarn multiplici doctrina instructus, quam vera pietate ornatus, e scholis, ad parentes tuos domum reuertaris. Nam non tarn sublimis eruditio, quam humilis pietas, promissionem habet praesentis & futuris vitae.", Rosa, D7v. 185 Unter dem "Lilium convallium" wird in den einschlägigen Kräuterbüchern das Maiglöckchen verstanden, vgl. dazu z.B. Bock, Kreutterbuch, 205a; Fuchs, Kräuterbuch, Kap. 88. Die Maiglöckchen (Convallaria majalis) gehören innerhalb der Familie der Liliaceae zur Gattung der Convallaria, vgl. Zander, Pflanzennamen, 216. Der Begriff des "lilium convallium" findet sich in der Vulgata-Übersetzung des Hohenliedes (Cant 2,1: lilium convallium, in der revidierten Bibelübersetzung Luthers als "Lilie im Tal" übersetzt). Der botanische Begriff des Maiglöckchens (lilium convallium) fiihrte zu dem Missverständnis, in der Vulgata sei das Maiglöckchen gemeint. "Lilium" wird im Hohenlied öfter erwähnt: als "lilium inter spinas" Cant 2,2, als "lilia" Cant 2,16; 4,5; 5,13; 6,1; 7,2. Luther übersetzte hier meist mit "Rose", vgl. WA.DB 10/2, 134-143. Praetorius bezieht die "lilium" - Zitate auf das Maiglöckchen, dessen Eigenschaften er allegorisch ausdeutet. Er kann gelegentlich aber auch von den Lilien sprechen. Auf einem Beichtstuhl von 1667 aus dem fränkischen Rugendorf ist eine Wiese mit Maiglöckchen dargestellt, aus der eine Lilie deutlich hervorsticht. Das Bild illustriert das lateinische Bibelzitat aus Cant 2,2 "Sicut Lilium inter Spinas sic AMICA mea inter filias", MüllerBahlke (Hg.), Ausstellungskatalog: "Gott zur Ehr und zu des Landes Besten, 60.
91
WidmungsbriefI 86 an Simon Pauli und Valentin Schacht (Anfang Mai 1578) begründet Praetorius die Wahl des Namens und die geistliche Dimension seiner Schrift: Die vielfachen Pflanzenarten seien "dulcißimae icones" prophetischer und apostolischer Überlieferung.l 87 Ihre "mysteria" laden deshalb ein zum Vergleich mit Christus und der Kirche. Christus selbst habe zur tieferen Betrachtung der Lilien angeregt (Mt 6,28). "Viola" und "Rosa" habe er schon unter Berücksichtigung naturkundlicher Studien erklärt.l 88 Nun müsste im Rahmen der Blumentrias die Lilie folgen.l 89 Die Abfassung der Schrift dürfte im Frühling 1578 erfolgt sein. Praetorius betrachtet das Maiglöckchen als einen paradiesischen Lehrer, der seine "süße Lehre" weitergibt. 19o Veilchen, Rose und Maiglöckchen zeigen, was Christus ist, was er getan hat und welche Wohltaten er der Kirche gebracht hat. 191 Das Veilchen (Viola) ist ein Bild für den sich mit bläulichem Körper und gesenktem Kopf zum Kreuz vorwärts schleppenden Christus.I 92 Die Rose bildet den am Kreuz mit der Dornenkrone hängenden, blutbesprengten Christus ab und das Maiglöckchen die durch Christi Blut gereinigte Kirche. 193 Nachdem die Blutstropfen Christi auf das Maiglöckchen gefallen sind, ist eine neue Klarheit und Reinheit entstanden.l 94 Praetorius bekennt, aus diesem Bild oft Lehre und Trost (doctrina et consolatio) gewonnen Lilium, A2r-A7v. Lilium, A2r. 188 "Feci id Viola, Feci id Rosa, non sine laeta approbatione optimorum virorum, et multiplici meo fructu", Lilium, A3r. Eine eigene Schrift über das Veilchen ist aber nicht nachgewiesen. Auffiillig ist, dass hier wieder die antike bzw. mittelalterliche Blumentrias begegnet. 189 Der Name "Lilium convallium" bezeichnet jedoch das Maiglöckchen, das mit der Lilie Berührungspunkte aufweist. Zur Lilie vgl. Nicolai, Freudenspiegel, 410 und Brecht, Nicolai, 159-183. Das Bild von der Lilie hat neben und nach Praetorius auch andere Theologen beeinflusst. In Philipp Nicolais Lied "Wie schön leuchtet der Morgenstern" heißt es z.B. in der 2. Strophe: "Mein Hertz heißt dich ein lilium, Dein süsses Euangelium, Ist lauter Milch vnd Honigl". Bei Jakob Böhme gilt die Lilie als Symbol der Wiedergeburt im heiligen Geist. Die Zeit vor dem Weitende ist die goldene Zeit oder Lilienzeit. Vgl. Art. Böhme, Jakob, in: Lurker, Wörterbuch der Symbolik, 104f. 190 Vgl. Lilium, A3r. Praetorius stellt bereits im WidmungsbriefBezüge zur Ausbildung der Theologiestudenten her. Erwähnt wird das Maiglöckchen bereits in Rosa, B3v. Auswahlkriterium ist also der Duft der Pflanzen. Ebenso wie die Rose hat Thomas von Kempen auch die Lilie rur den Titel einer Schrift benutzt: "Vallis liliorum", Thomas von Kempen, Opera IV, 53134. 191 Lilium, A3r-A3v. Die Blumentrias wird christologisch und ekklesiologisch gedeutet. Die Hervorhebung der "beneficia Christi" erinnert an Melanchthons Loci, St.A. II/I, 7,lOf.: "hoc est Christum cognoscere beneficia eius cognoscere". 192 Im Mittelalter war das Veilchen Symbol der Demut "flos humilitas". Aufgrund seiner bläulich-violetten Farbe wurde es zu einem Sinnbild der Passion Christi. Das Stiefmütterchen ("viola tricolor") wurde auf die Trinität hin interpretiert, im Humanismus wurde es als Symbol rur die Schüchternheit junger Mädchen verstanden, vgl. Lurker (Hg.), Art. Veilchen, Wörterbuch der Symbolik, 764. 193 "Lilium Ecclesiam refert, stillatu sanguinis Christi mundificatam", Lilium, A3v. 194 "Nam ex quo purpureae guttae preciosi sanguinis Iesu Christi, Rosae coelestis, in Lilium miseriarum vallis inciderunt; Ex eo statim nouam puritatem et candorem sibi contraxerunt", Lilium, A3v. Im Hintergrund dieses Bildes steht vermutlich die variierte Fassung der Sage von der Entstehung der roten Rosen durch das Blut der Venus. 186 187
92
zu haben,195 Mit seiner Veröffentlichung will er nicht nur seinen Rostocker Lehrern Dank und Verehrung erweisen, sondern Praetorius erhofft sich auch Zustimmung, Korrektur und eine bessere Verbreitung seiner Schrift. Er greift Freders l96 Bild von der "Rosen-Akademie" Rostock auf, um ihre Bedeutung für die Ausbildung der Studenten herauszustellen,197 Für die Verdienste um die Lehre müssten Pauli und Schacht eigentlich eine "goldene Lilie" erhalten,198 Ausgangsspunkt ist für Praetorius die Betrachtung der vielfaltigen Veränderungen der Natur im Frühling. Klarheit und Glanz des Himmels deutet er als Bild für das freundliche Angesicht der göttlichen Majestät. Die Versöhnung durch Christus hat Gottes Angesicht von Traurigkeit und Zorn in Freude und Liebe verwandelt, während das menschliche Gesicht von Trauer gezeichnet iSt. 199 Ein helles und freundliches Gottesbild ist für Praetorius konstitutiv. Diesem entspricht das durch die Strahlen des heiligen Geistes erleuchtete Herz, das bei weitem schöner ist als ein Kristalltempe1.2 oo Sünden hängen ihm nicht mehr an und wenn doch, dann werden sie von Gott nicht angerechnet.2 01 Die wichtigste Veränderung der Natur im Frühling ist für Praetorius die Neubelebung der Pflanzenwelt. Im Unterschied zu den Bäumen werden die Menschen nicht alljährlich im Frühling wiederbelebt, sondern erwarten eine einmalige Auferstehung am Jüngsten Tag.2 02 Ebenso wie die Bäume sollen auch die Menschen sich bemühen, Blüten und Früchte der "Frömmigkeit" hervorzubringen, indem sie vom "himmlischen" Westwind, dem heiligen Geist dazu begünstigt werden. 203 Die Vielfalt der Blumen ist ein Zeugnis der "providentia Dei". Sie dient als Gottesbeweis. Die Blumen sind ein Zeichen von Gottes Menschlichkeit und seiner Liebe gegenüber den Menschen. 204 Sie sind Zeichen der Würde des Menschen, die unter dem gestirnten Himmel als Könige und Priester auf einem Blumenteppich gehen. 205 Die Pflanzen dienen als Heilmitte1.206
195 196 197 198 199
Lilium, A3v. Vgl. das Gedicht Freders in Rosa, Alv. Lilium, A5v-A6r. Vgl. die Bemerkungen zur "Goldenen Rose". "Quae quidem serena ac pellucida coeli facies imago ist serenissimi vultus maiestatis diuinae ... sed totus plenus est ineffabili laetitia, atque ingenti erga nos amore. Es kans kein hertz ausdenckenl wie ein helles/ fröliches vnd gnediges Antlitz Gott vber vns hat ... Es sihet vns der jammer vnd trawrigkeit aus den augen", Lilium, A8r-v. 200 Lilium, A8v. In Apk 21,11 wird das Licht des neuen Jerusalems mit einem Kristall verglichen. 201 "Nam in his nullae amplius haerent peccatorum sordes, licet haerent, Deo non imputante peccata: sed iusticiae serenitas occupauit ea, & insuper irradiata sunt radijs verae lucis, spiritus nimirum sancti, viuificatoris", Lilium, A8v-Blr. 202 "Sed nouissimo die resurgemus & pristinum decus recuperabimus", Lilium, B3v. 203 Lilium, B3v. Der "favonius" ("Föhn") ist der Westwind, der den Frühling ankündigt. 204 "Er hat seinen Creaturen fein lieblich zugelachetl vnd sich jrer erfrewet", Lilium, B5v. Praetorius grenzt sich von nicht näher bezeichneten rabbinischen Kommentaren ab, die von einem Schauspiel der Eulen und Affen sprechen. 205 "Reges nimirum & Sacerdotes sumus", Lilium, B6r-B6v. An den Blumen erläutert Praetorius den Begriff des Priestertums der Gläubigen.
93
Bei der Frage nach der Gestaltung des Lebens im Frühling steht die Freude und Fröhlichkeit in Gott fiir Praetorius an erster Stelle. Seine Hinweise gelten insbesondere den Theologiestudenten. Hierin spiegeln sich seine Empfehlungen wider, die er in seiner Studienordnung ausgesprochen hat. Das fromme Morgengebet (pia precatio) ist fiir ihn Teil eines paradiesischen Lebens. Praetorius beschreibt das Gebet in mystischer Terminologie. Die anschließende Lektüre der heiligen Schrift geschieht im "Garten des heiligen Geistes", wo die Studenten die Schriftworte "pflücken", die sie während des Tages "kauen, schlucken und verdauen" sollen. Der "Saft" der "himmlischen Blumen" dient zu ihrer Heiligung, Verlebendigung und Verteidigung in Anfechtung. 207 Mit dem Wort Gottes gespeist erkennen die Studenten die Wunder der neuen Welt und erkennen Gottes Weisheit, Macht und Güte in der Natur. Praetorius will die Theologiestudenten so zu einem geistlichen Leben anleiten und ermuntern. Frömmigkeit und Studium sollen miteinander verzahnt werden. Die Freude kann jedoch auch durch die Sorgen und Traurigkeiten verdrängt werden. Praetorius gibt Einblick in seine Zeitsituation und das allgemeine von Furcht und Erwartung negativer Ereignisse bestimmte Lebensgefiihl. Menschliche Verbrechen und Grausamkeiten, Sonnen- bzw. Mondfinsternisse, Kriegsgerüchte und überall wachsende Not sind festzustellen.2 08 Praetorius setzt diesen Sorgen "affectus laetiores" entgegen. Wer sich um ein frommes Leben bemüht, hat keinen Anlass, Gottes Strafe zu fiirchten. Lebensfreude und Ausgelassenheit zerstören den Glauben der "Filiorum Dei" nicht, solange sie maßvoll bleiben. 209 Praetorius berichtet von Christen, die von unaussprechlicher Freude über die göttlichen Verheißungen und vom heiligen Geist erfiillt sind. Diese "Heiligen" nimmt er auch gegenüber Kritik an ihrem Lebenswandel in SchutZ. 21O Mit der Beschreibung eines Paradies- bzw. Lustgartens,211 den jeder Christ in seinem Herzen pflanzen soll, fasst Praetorius die Verdienste Christi zusammen: Sündenvergebung, Gnade und Trost des Evangeliums, die Gabe des 206 "Nullus enim morbus est, aduersus quem medicina nobis ex plantis non sit parata", Lilium, B6v. Als Beispiel greift er die vielfache Nutzung des Wermuts heraus, vgl. Fuchs, Kräuterbuch 1. 207 "Legere sacram scripturam, est ingredi in hortum spiritus sancti: cuius longe excellentior est amoenitas, quam antiqui Paradisi fuit. Ex hoc diuino horto decerpant sibi Adolescentes singulis vicibus pauxillos saltem flosculos, hoc est, tot solummodo sententias, quot vna die possunt masticare, deglutire & concoquere. Semper enim Christiani animus succo coelestium florum abundet: vt habeat quo se sanctificet, viuificet, atque contra Diaboli minas defendat", Lilium, B8v. Praetorius vergleicht das Betreten des Gartens mit der Schriftlektüre. Er bezieht sich ausdrücklich auf die antike locus-amoenus-Tradition. Zur ruminatio vgl. Nicol, Meditation bei Luther, 57-60. 208 Lilium, Clr. 209 Lilium, C3v. Praetorius zitiert Luther: "Glaube vnd Liebe/ saget Lutherusl lassen sich nicht ausessen! noch aus trincken! noch aus spielen! noch aus tantzen! So fern man masse heltl vnd züchtig dabei bleibet." 210 Vgl. Lilium, C4v. 211 Vgl. Börsch-Supan, Art. Garten, Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 2, 77-81; Poeschke, Art. Paradies, Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 3, 375-382. Neben den Blumen wird häufig auch ein gestirnter Himmel auf den Bildern dargestellt.
94
Geistes, die Freude des Herzens, die Anrufung Gottes, den Sieg über den Teufel, den Dienst der Engel, einen sanften Tod, eine fröhliche Auferstehung und das ewige Leben. Christus lädt als Gärtner212 zum Eintritt in seinen Garten ein (Mt 11,28). Im Unterschied zum "Angstgarten" des Teufels erfahren die Gläubigen dort Trost und Freude)13 Praetorius empfiehlt, im Herzen die Blumen aus dem "Paradiesgarten Christi" einpflanzen. 214 Wenn Praetorius sich hier der Gattung der "dingallegorischen Erbauungsliteratur" bedient, verfolgt er damit ein existentielles frömmigkeitliches Interesse. Er will durch die Betrachtung der Natur theologische Sachverhalte in den Alltag seiner Leser übersetzen und sie zu einem geistlichen Leben anregen. In der Beschreibung des Paradiesgartens nennt Praetorius nicht nur die jeweiligen Blumen, sondern auch deren allegorische Deutung. Dabei geht es ihm nicht so sehr um konkrete ethische Tugenden, als eher um geistliche Erkenntnisse. Die Viola (Veilchen) ist das Zeichen der wahren Demut ("humilitas"), die aus der Betrachtung der verdorbenen Natur des Menschen entsteht. Sie verbindet sich mit der Rose, dem Sinnbild des für die Sünden vergossenen Blutes Christi. Die Gratiola (Gnadenkraut) oder die weiße Lilie ("Lilium album") bedeutet die Sündenvergebung und Gnade Gottes. Euthymion (Wohlgemut) mit Hemerocallis (Meerlilien = lilium silvestre)215 verbunden, ist nach Luther der "Hochmut" des heiligen Geistes gegenüber den Schrecken des Teufels und der Welt. Amaranthus (Blümlein der Liebe, Tausendschön)216 ist die beständige Gottes- und Nächstenliebe, dem sich Heliotropium (Sonnenkraut, evtl. Sonnenblume)217 als die wahre Hinwendung zu Gott in allen Nöten zugesellt. Schließlich ist Plantago (Wegerich) als immergrüne Pflanze ein Sinnbild für den Sieg über die Widrigkeiten des Lebens und damit für die Hoffnung auf ein besseres Leben (spes vitae melio212 Christus wird in der christlichen Ikonographie in der Darstellung von Joh 20,14-18 häufig mit gärtnerischen Attributen dargestellt, vgl. Diemer, Art. Gärtner, Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 2, 81f. 213 "quique per veram fidem odorem plantarum coelestium ad cor ducunt: ex dolorum morbis conualescunt, & nouam laetitiae vitam accipiunt", Lilium, C7v. 214 In der spätmittelalterlichen Tradition wurde der Garten meist auf die menschliche Seele gedeutet, während er im 16. Jh. verstärkt auf die Kirche bezogen wurde Vgl. Schmidtke, Erbauungsliteratur, 393-398, der "vom frühen zum späten Mittelalter eine Gewichtsverlagerung vom Thema des Gartens der Kirche zum Thema des Gartens der Seele" konstatiert. In der protestantischen geistlichen Gartenallegorie des 16. Jh.s steht der Bezug des Gartens auf die Kirche wieder im Mittelpunkt. Schmidtke vermutet, dass dies vor allem mit der "RückbesimIung auf die Bedeutung des Taufsakraments zusammenhängen" könnte, vgl. Schmidtke, Erbauungsliteratur, 398. Beispiele filr protestantische Gartenallegorien (zwischen 1570 und 1600) vgl. bei Schmidtke, Erbauungsliteratur, 66--69. 215 Vgl. Dioscorides, Kräuterbuch, 226. 216 Amaranthus, flos amoris wird auch "Blume der Liebe", "Tausendschön" oder "Sammetblum" genannt und kann auch im Winter zu Kränzen gebunden werden, vgl. Fuchs, Kräuterbuch, Kap. 34 und Zedler, GVUL 1, 1648-1650. Amaranthaceae sind Fuchsschwanzgewächse. 217 Nach Dioscorides, Kräuterbuch, 357f handelt es sich um das Sonnenkraut. Möglicherweise ist auch die Sonnenblume gemeint, da die Hinwendung zur Sonne ausdrücklich erwälmt wird. Eine so frühe Erwälmung der erst 1560 nach Europa importierten Sonnenblume wäre allerdings erstaunlich, vgl. Schmidtke, Art. Pflanzensymbolik V, TRE 26,423. 95
ris).2 18 Ein solcher Garten ist schöner als das Paradies Adams. Praetorius greift das alte Motiv des Paradiesgartens auf, um es neu mit reformatorischen Inhalten zu füllen. Der Garten ist für ihn eine "Universität" mit den "Vorlesungen" der Blumen über eine "paradiesische Theologie" ("paradisiaca ac florida Theologia"). Praetorius rät, beim Eintritt in einen Garten nicht nur Schönheit und Duft der Pflanzen zu genießen, sondern den Verstand auch auf die tieferen Geheimnisse ("Sacramenta") und Symbole ("symbola") zu richten. Die Lilie ist ein Bild für die Kirche, die Christus durch sein Blut weiß und glänzend gemacht hat.2 19 Mit der allegorischen Auslegung des Maiglöckchens im Hinblick auf die Kirche erreicht die Darstellung sprachlich und inhaltlich ihren Höhepunkt. Denn im Zentrum der Theologie von Praetorius steht die Tauflehre. Er verbindet hier das mittelalterliche Symbol der Lilie mit seiner reformatorischen Tauftheologie. Interessant ist nun zu beobachten, inwiefern Praetorius in der Ekklesiologie auf die Sammlung einer auserwählten Gemeinschaft abzielt. Zunächst spricht er über weiße Farbe des Maiglöckchens und damit über die Reinheit und Sündlosigkeit der ecclesia. Weil die Kirche in der Taufe von allen Sünden gewaschen und gereinigt worden ist, könnte sie weder ein Engel noch Gott selbst reiner erschaffen.220 Praetorius beruft sich für seine Behauptung der Sündlosigkeit und Vollkommenheit der Kirche aufI loh 1,7 und Eph 5,26f. 221 Die Kraft des Blutes Christi, die in der Taufe liegt, werde durch die Taufe jedem, der die Abwaschung der Sünden begehrt, zugeeignet. Die Bosheit des Herzens wird zwar in diesem Leben nicht vollständig getilgt, aber nach der Taufe wird sie von Gott nicht mehr als solche angerechnet. Aus der Reinheit von Sünden folgt die Anrechnung und das Anziehen einer neuen Gerechtigkeit, die sogar die Gerechtigkeit der Engel überragt.222 Praetorius verweist auf die Praxis der Alten Kirche, als die Getauften eine weiße Stola trugen. Den Artikel von der Taufe hält Praetorius für den wichtigsten der evangelischen Lehre, der Vgl. Lilium, C8r-C8v. "Lilium, Ecclesiae pictura, est, quam suo stillatu Filius Dei candificaui. Nam simul ac sanguineae guttae de Rosa in Lilia ceciderunt, continuo candida fieri coeperunt.", Lilium, D2b. Die Lilie war im Mittelalter ein Bild der Erhabenheit und Macht. Ihre reine, weiße Farbe machte sie zum Symbol der Reinheit und Unschuld des Herzens. In der christlichen Symbolik wurde sie ein Sinnbild Christi, der Kirche, des Himmels, der Heiligen, der Tugend und des Todes. Vor allem war sie Sinnbild der "Seelenreinheit der Jungfrau Maria", vgl. Salzer, Sinnbilder Mariens, 165. 220 "Quia Ecclesia in baptismo Iota & mundata est ab omnibus peccatorum sordibus: ... vt si ... Deus ipse ex diuina sua iustitia genuisset, purior esse non pos set", Lilium, D4v. "Sie ist/ die liebe Ecclesia, so rein/ das geringer Sünde an jr zu finden! denn staub an der Sonnen. Vnd wer mir aus vnuerstand daher kömpt/ vnd saget/ das ich respectu baptismi mei noch Sünde habe/ der leuget von der Erden bis in Himel/ vnd blasphemirt die krafft des Blutes Jhesu Christi/ in der heiligen Tauffe begraben.", Lilium, D4v. 221 "gantz Engelrein, und vollkommen", Lilium, D5r. 222 "Es gehet der Mensch daher in summa puritate, & summa iusticiae gradu, vnd leuchtet für Gott wie die helle Sonne .. ./ so hat er Christi vnd Göttliche gerechtigkeit." "Es ist nicht zu sagen, was fur vberschwengliche gnade der Mensch in seiner Tauffe vberkömpt/ Er wird gar new/ wie vorhin! ante lapsum, Ja noch schöner."Lilium, D6r. 218 219
96
vor allem zu überliefern und einzuprägen ist.2 23 Die Hochschätzung der Wirkung der Taufe wirft die Frage nach ihrer Dauer auf: Reicht die Abwaschung nur bis zum nächsten Sündenfall oder bis zum Lebensende? Praetorius ist von der Wirkung der Taufe bis zur Auferstehung und darüber hinaus überzeugt, da sonst eine Wiedertaufe die Konsequenz wäre. Wer aber seine Sünde fühlt, soll sich seiner Taufe getrösten. Die Taufe ist eine Quelle des Trostes gegen die Erbsünde und die aktuellen Sünden. Die Sündenvergebung reicht so weit, dass man sagen kann: "peccatum non habeo".224 Mit dieser Äußerung musste sich Praetorius Missverständnissen aussetzen, auch wenn er sich in der Hochschätzung der Taufe auf Luther berufen konnte. Trotz des großen Trostes, den die Taufe vermitteln sollte, ist jedoch bei vielen Christen eine fehlende Freude darüber zu beklagen. Für diesen Sachverhalt sucht Praetorius nach Erklärungen. Ein Grund ist, dass die Verheißungen des Evangeliums von vielen Predigern zu bloßen Ermahnungen äußerer Sitten verwandelt werden.225 Dies ist jedoch nicht notwendig, wenn man die in diesem Leben bereits begonnene eigene Gerechtigkeit ernst nimmt. Die Kinder Gottes haben den edlen Vorsatz zu einem neuen Gehorsam. 226 Auf die Taufe folgt deshalb die "renovatio" durch den heiligen Geist (Röm 8,9).227 Praetorius unterscheidet zwischen Anfang und Vollendung ("voluntas" und "potestas"). Die anhängende Sünde verhindert zwar häufig das Vollbringen. Dennoch gibt es wahre Kennzeichen der Leitung durch den heiligen Geist. Die Getauften und Erleuchteten haben keinen Hass, Neid, Streit oder Wut, sie täuschen andere nicht, verzichten auf ihren Rechtsanspruch und ertragen demütig das Unrecht. Vor allem erfreut sich die Kirche an ihrer "castitas", die sie durch keine unreinen Flammen der Liebe und Begierden beflecken will. "Album, inquit, sum lilium".228 Ihr Schmuck ist die "pudicitia".229 Praetorius entwickelt also seine Ethik aus der Tauflehre und der damit verbundenen Pneumatologie heraus.
223 "Hic est praecipuus articulus doctrinae Euangelij quem sibi quisque adamantino stylo in cor scribere, de quo die noctesque cogitare, & pure propositum, explicate traditum, dilucide illustratum, magnificentissimis verbis amplificatum alter alteri tradere & inculcare debebat", Lilium, D6v. 224 Lilium, D8r. 225 "Der Glaube kan nicht allerley Genüsse vertragen, er wil lautere Milch haben, und hat dennoch gleichwol mit ihm genug zu thun.", D8v. 226 Lilium, EI v. 227 Praetorius verweist auf Clemens Alexandrinus, der die Taufe ein "Lauacrum, gratiam & illuminationem" genannt hat, vgl. Lilium, E2r. 228 Lilium, E4r. Wenn es möglich wäre, würde sie bereits in die Natur des Engels verwandelt werden. 229 Praetorius kündigt an, weiteres über diese "angelica & divina virtute" zu berichten, wenn er das Blümlein der Liebe (Tausendschön, Amarantus) zur Hand nimmt, Lilium, E4v. Möglicherweise plante er eine entsprechende lateinische Schrift. Der Titel (Blümlein der Liebe bzw. Tausendschön) taucht zumindest später wieder auf, vgl. SVZ.
97
Die offenen Blüten des Maiglöckchens 230 deutet Praetorius als Bild für die Einfältigkeit ("simplicitas")231 und Offenheit der Kirche. 232 Aufgrund ihrer "simplicitas" ist sie nicht doppelgesichtig, sondern die innere Einstellung ("Herz"), der äußere Gesichtsausdruck und die Rede stimmen bei ihr überein. 233 Die Offenheit der Kirche bedeutet, Freunden sein Herz zu öffnen und vertraut über Glauben, Frieden und andere geistliche Themen zu sprechen. "Man darff ( = braucht, d. Vf.) den lieben Gottes Kindern keine fenster für die hertzen machen! man kan doch wol hinein sehen." Dies gilt besonders, wenn man gemeinsam ein Schriftwort oder einen Teil der evangelischen Lehre betrachteP34 Mit einer solchen Einstellung gegenüber dem Mitchristen deutet sich eine neue Gemeinschaftsform an. Die wahren Gläubigen könnten sich zusammenfinden, um miteinander in der Schriftbetrachtung eine intensivere Form der geistlichen Gemeinschaft zu pflegen. Ob Praetorius eine solche Zusammenkunft selbst intendiert hat, lässt sich zwar nicht mit Gewissheit feststellen. Zunächst hat er wohl die akademische Situation vor Augen.2 35 Aber sie könnte zu einem "Modell" für die Gemeinde werden. Die wiederholte Anregung zur geistlichen Schriftbetrachtung verbindet sich bei Praetorius gelegentlich mit dem Gedanken, die wahren Gläubigen gesondert zu unterrichten und ihnen die Schätze ihres Glaubens vor Augen zu führen. Die Offenheit der Kirche bedeutet darüber hinaus, dass sie ihre Güter mit anderen teilt, wo es nötig ist. 236 Nichts entspricht mehr der menschlichen Natur als mitmenschlich zu sein. Dies gilt besonders für die Monarchen, denen Gott die Welt anvertraut hat, damit sie Ernährer der Kirchen und Schulen ("nutritores Scholarum & Ecclesiarum")237 seien. Praetorius übt Gesellschaftskritik an der fehlenden Unterstützung für Studenten und Pastoren. Mit der Deutung des süßen Duftes des Maiglöckchens zielt Praetorius auf die Frömmigkeit und das geistliche Leben des Gläubigen. 238 Der Duft des Mai230 Den im deutschen Namen enthaltenen Vergleich der Blüte mit einem Glöckchen hat auch Bock, Kreutterbuch, 204b gezogen. 231 Für Thomas von Kempen sind die Frommen "simplex" und "humilis". Ihr Gebet wird von Gott erhört, Thomas von Kempen, Opera IV, 97,30f; 89,1; 87,27. 232 Lilium, E4v. 233 Lilium, E6v. 234 "Da mus alles heruor/ was sie dauon wissen vnd verstehen. Wie weit thun sich denn die heiligen Hertzen auff/ vnd welch ein süsser geruch gehet da heraus?", Lilium, E7v. 235 Vgl. Lilium, E8r. 236 "Dei enim proprium est bonum, & communicabilem esse", Lilium, E8v. "Es thut frommen Hertzen weher/ wenn sie wolthat nicht erzeigen! als wenn sie grossen schaden leiden ... Warum solte ich leben/ sagt ein erbar Mann! wenn ich meinem Nechsten nicht zu gut leben! nochjm dienen solte?", Lilium, E8v. 237 Lilium, Flr. 238 In einem kleinen medizinischen Exkurs geht er zunächst der Frage nach, welchen Nutzen der Duft bzw. Saft der Maiglöckchen für die Behandlung der Epilepsie hat. Vgl. hierzu die Kräuterbücher: Brunfels, Herbarum, 212c; Fuchs, Kräuterbuch, Nr.88; Bock, Kreutterbuch, 205a. In seiner Beschreibung der Krankheit und ihrer Heilmittel lehnt er sich eng an Hippokrates und Galen an, die sie auf die Melancholie zurückführen. Praetorius zitiert aus Galen, Oe locis affectis, III. Buch, 9; 5 und aus Hippokrates, Aphorismen 15, T. 2. Die Krankheit tritt
98
glöckchens ist zwar angenehm und heilsam, für Gott ist jedoch der Duft, den der heilige Geist aus dem Herzen haucht, bei weitem angenehmer. Diese "Düfte" der notitia, fiducia, pax animi, laetitia, invocatio, patientia und gratiarum actio werden von Praetorius breit entfaltet. Sie sind die christlichen "Tugenden", die aus dem Glauben erwachsen. Die "sincera notitia Dei" umfasst die Erkenntnis der Liebe Gottes gegenüber den Menschen. Ihr folgt das reine Vertrauen ("fiducia") im Herzen. Dafür wählt Praetorius anschauliche Bilder: "Es ligen vnd rugen die lieben Gottes Kinder auff dem hertzen jres allerliebsten Himlischen Vaters/ wie die agnelli vnd pugnelli ligen vnd rugen auff dem schos jres getrewen Hirtens oder jrer lieben Mutter, in summa fiducia cordis. Gottes Gnade ist vnser Mittagsgertlein vnd Rugebettlein. "239 Dieses Vertrauen wird von einem Seelenfrieden (pax animi), d.h. einem guten Gewissen begleitet. 24o Der Glaube bewirkt eine überschwängliche Freude ("laetitia"), die sogar mit der Freude der Engel konkurrieren kann: "Denn wer gerecht ist/ vnd Gottes liebe sihet/ des hertz wird so vberschwenglich voll freuden ... Es wird truncken von freuden! vnd meinet/ es sey allbereit im Paradis."241 Die Konzeption des Freudenchristentums wird an dieser Stelle besonders deutlich. Der Geist der Kindschaft bzw. die "süße Liebe" zum himmlischen Vater folgt der Gotteserkenntnis und dem Glauben. Der heilige Geist entzündet durch den "sensus amoris Dei passivi" den "affectus amoris activi". Diese Liebe durchströmt die Seele wie eine süße Flüssigkeit. Sie erfüllt das Herz mit Freude und verändert sogar das Gesicht und die Gesten dessen, der die göttliche Majestät betrachtet. 242 Praetorius scheut sich nicht, auf mystische Bilder von der Süßigkeit zurückzugreifen. Bemerkenswert ist das stetige Insistieren auf der äußeren Konkretion geistlicher Vorgänge. Dies gilt auch für den wichtigsten "Duft" im der Herzen der Auserwählten, die beständige Amufung des göttlichen Namens ("inuocatio nominis diuini"). Auf dem Schoß und in der Umarmung des ewigen Vaters hauchen die Kinder Gottes nichts anderes als unaussprechliche Seufzer und Gebete. Sie werden ein Geist mit ihm.2 43 Ihre Tränen füllen den Schoß des Vaters, ihre Klagen mischen sich mit flehentlichen, beschwörenden Bitten, wenn die Angst sie erdrückt. 244 Praetorius zitiert ein "aureum dictum" von Clemens Alexandrinus häufig bei Melancholikern auf, vor allem, werm Trunkenheit, Mittagsschlaf, fette Speisen und traurige Gemütszustände hinzukommen. Aber auch Hunger, übertriebene Studien und heftige Zornausbrüche körmen sie verursachen. Die Heilungschancen schätzt er als gering ein, sie könnten durch Heilkräuter wie das Maiglöckchen aber gefördert werden. Das beste Heilmittel ("remedium") aber ist das Gebet, vgl. Lilium, F4v. 239 Lilium, F6r. 240 "Veram autem fidem comitatur pax animi, quam scriptura bonam conscientiam appellat", Lilium, F6v. 241 Lilium, F8v. 242 Lilium, GI v. 243 Lilium, G Ir. 244 "Da fassen sie Gott bey der hand. Da thun sie die hertzen weit auff/ vnd lassen ein seufftzen vber das ander/ bis keine krafft mehr da ist. Da stehet das hertz! die schöne Lilie/ weit offen! vnd reucht am aller lieblichsten. Da sihet Gott vom Himel/ vnd fraget nach dem geruch.
99
über die Gebetserhörung.245 Praetorius gerät bei der Beschreibung des Gebetes in eine sprachliche Hochform, die seine Leser vor allem durch ihre Bilder überzeugt. Hintergrund seiner Äußerungen ist die Erfahrung von Kreuz und Leid. Die "heilige Geduld" ("sancta patientia")246 erträgt das Kreuz und die Verzögerung des Trostes, indem sie Gottes Hilfe erwartet. Praetorius bezeichnet es als ein Spiel, wenn Gott seine Auserwählten in der Not versinken lässt, bevor er ihnen heraushilft.247 Die Gründe :für die Anfechtung sind sowohl die Reinigung und Läuterung von Sünden248 als auch eine Intensivierung des Gebetes. Die Hilfe wird als um so süßer empfunden, je länger das Leiden gewährt hat. "Was Gott höchlich erfrewen wil: das lest er zuuor tieffin trawrigkeit sincken."249 Der Dank :für die empfangene Wohltat ("gratiarum actio") gründet sich auf die Zuverlässigkeit und Wahrhaftigkeit ("fides et veritas") Gottes, der seine Verheißungen einhält. Die äußere Gestalt des Maiglöckchens, seine zur Erde geneigte Blüte wird als Bild :für die "humilitas" und "modestia" der Christen verstanden. Damit greift Praetorius die traditionelle Deutung der Lilie als Symbol der Demut auf. Der heilige Geist bewirkt diese Demut in den Seelen der Auserwählten, die sich auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild zeigt. Auch wenn die Auserwählten "candidissimae ac fragrantissimae plantae horti coelestis" sind und Früchte des Glaubens hervorbringen, werden sie dennoch nicht hochmütig. In wahrer Demut ordnen sie sich unter die Sünder ein. Für diese Selbsterniedrigung gibt es mehrere Gründe. Praetorius legt hier den Schwerpunkt auf die Gefühle der "priuatio gratiae ac facultatis credendi",250 der "desperatio",251 der "tristitia", und des "tremor seu palpitatio cordis", der die evangelischen Tröstungen verdrängt.2 52 Das Verständnis der Anfechtung, die durch Gedanken an Tod, Gericht und Hölle ausgelöst wird, begegnet bei Praetorius wiederholt. Es entspricht seinem flachen Sündenbegriff, der vorrangig von den Gefühlen und Wirkungen der Sünde ausgeht. Praetorius versucht, die Sünden der Gläubigen zu erklären. Die Erkenntnis der Verdorbenheit der menschlichen Natur führt sie dazu, sich um so mehr nach dem himmlischen Vaterland zu sehnen. In seinem Bemühen, die Sünde nicht mehr als eine qualitative Realität der Gläubigen Ach! spricht er zu seinem Son! was reucht doch hie so wol? da wird der Himel vol Weirauchsl vnd Gottes hertz voller freude.", Lilium, G2r. 245 "Sind das nicht güldene wort! ja thewre Perlin! welche man ja billich ins Hertzkestlein legen! vnd dafür die knie beugen solte?", Lilium, G2v. 246 Lilium, G3v. 247 "Ludit autem amantissimus ac sapientissimus pater nobiscum", Lilium, G4r. 248 "exurat nobis residuas vitiorum sordes", Lilium, G4r. 249 Lilium, G4v. 250 Lilium, G8r. 251 "Est autem desperatio, ... quando se ab onmi Dei gratia absoluit: Et e contra valde horribiles de Dei in se odio, abiectione, aetemisque cruciatibus cogitationes animo concipit", Lilium, G8v. 252 "Es werden vnter solcher anfechtung fromen Hertzen die reichen vnd warhaffiigen zusagungen des heiligen Euangelij gar zu wasser. Doctrina autem Legis, de abijciendis reis, & acceptandis solis iustis, incordibus triumphat", Lilium, Hl v.
100
zu verstehen, gibt Praetorius den "Sündenfalien" der "Heiligen" eine eher pädagogische Bedeutung. Grobe Verstöße gegen die göttlichen Gebote ("grandia delieta") zeigen, dass die "Heiligen" nicht nur von den schlechten Affekten gereizt, sondern auch besiegt werden können. Gott lässt es zu, dass die Gerechtfertigten und Geheiligten in "externa delicta" fallen. 253 Damit will er den Auserwählten ihren subtilen Hochmut nehmen, mit dem sie sich über den Nächsten erheben könnten. Er will sie vor dem Überdruss an der "himmlischen Speise" bewahren und das Verlangen der "Gefallenen" nach der Gnade steigern. 254 Die Auserwählten sollen nach einem "Fall" eine Übung wahrer Reue und wahren Glaubens zeigen.2 55 Denn die "unreine Welt" verurteilt und erschreckt die Auserwählten. 256 Sie sollen sich deshalb bemühen, ihre "mores" zu beherrschen und Sünden zu vermeiden und um die Leitung durch den heiligen Geist bitten. 257 Zu den Sünden der Heiligen führt Praetorius einige Tröstungen an, vor deren Missbrauch er aber diejenigen warnen muss, die sie lediglich zur Rechtfertigung ihrer Vergehen benutzen wollen. 258 Aus den Soliloquia PseudoAugustins zitiert er: "Electis omnia cooperantur in bonum, etiam ipsa peccata. "259 Mit Bugenhagen betont er, dass auch die Gläubigen in Sünde fallen (Prov 24,16), aber nicht darin verharren und deshalb auch den Trost erfahren. Die Möglichkeit des Scheiterns wird mit einkalkuliert.26o Die Beurteilung der Sündenfalle für den Glauben wurde in der Rezeption der Praetoriusschriften zu einem wichtigen Streitpunkt. Bereits in den lateinischen Schriften wird diese Problematik sichtbar.
Lilium, H3v. "Nam lapsorum proprium est sitire, ac sibi reddi postulare gratiam, quasi amissam", Lilium, H4v. "Da erhebet sich denn ein seufftzen nach dem andernl Da kan man das Hertz nicht erfiillen: mit gnaden! Da hat es jmer durst. Je mehr man eingeust! je mehr es haben wil ... Da schmeckt es allererst recht die krafft vnd süssigkeit der Gnaden Gottes. Denn je schwerer die Sünde/ je grösser der durst! je gewaltiger das Gebet! je stercker der Glaube: ja je süsser auch des Glaubens Speise/ nemlich die erbetene vnd zugeeignete Gnade Gottes.", Lilium, H4v. 255 "vt post lapsum habeant exercitium verae contritionis, inuocationis, fidei, ac roboris", Lilium, H4v. 256 "Nam mundus inunundus & danmatus non erubescit irnpudenti ori iudicare & danmare, nec non onmibus modis terrere Electos, iustos, sanctos, lapsos, conuersos, reconciliatos, & in summam gratiam apud Deum restitutos", Lilium, H4v-H5r. 257 Lilium, H5r. 258 Lilium, H3v. 259 "Huc referri debet Augustini dictum, quod extat in Soliloquijs, cap. 27", Lilium, H5a. Das Zitat findet sich in Augustin, Soliloquia, (Kap. 28), MPL 40, 886. Die Soliloquia PseudoAugustins werden auch von Moller in seinen "Meditationes sanctorum Patrum" benutzt, vgl. dazu Axmacher, Moller, 109-115. Zu den pseudo-augustinischen Schriften vgl. auch Erdei, Meditation, 26-33. Auf die Verwendung pseudo-augustinischen Materials bei Nicolai weist Brecht, Nicolai l7lf hin. Mit diesem Schrifttum wurden mystische Gedanken des Mittelalters auch in die lutherische Kirche hinein transportiert. 260 "Septies enim cadit iustus, & resurgit. Consolatio itaque ingens est , quod praedicatur beatus, non qui non peccavit, quis enim est hic? sed qui in via peccatorum non stetit.", Bugenhagen, Psalmenkommentar, Basel 1524,4 (zu Ps 1 und Ps 5). Vgl. zum Verständnis der consolatio bei Bugenhagen auch Holfelder, Tentatio et Consolatio, 192-197. 253 254
101
Praetorius geht der Frage nach, ob die "gefallenen Auserwählten" eine "contritio", Reue oder Buße nötig haben. 261 Er ist sich dessen bewusst, dass dies keine "Kinderfrage" ist, weil es um die Freude oder die Traurigkeit der Auserwählten geht. Die Lösung könnte in einem doppelten Kirchenverständnis liegen. In seiner Antwort262 unterscheidet er die Gottlosen und den Sünden vorsätzlich Ergebenen von denen, die nur auf Grund ihrer Schwachheit in Sünde gefallen sind. Die Gottlosen verachten Wort und Sakrament. Den Sünden ergeben sind diejenigen, die mit Vorsatz und Willen sündigen. Zur Erläuterung beschreibt Praetorius sein Verständnis der Buße: Sie ist ihrem Wesen nach nicht nur Sündenerkenntnis, sondern ein scharfer innerer Schmerz (acris dolor), der aus dem Anblick des Zornes Gottes entsteht und mit Furcht und körperlichen Erschütterungen verbunden sein kann. Diese contritio der Gottlosen ist jedoch nicht als satisfactio, sondern als detestatio peccati zu verstehen. 263 Praetorius beruft sich für sein Verständnis der Buße264 auf altkirchliche Theologen wie Augustin, Clemens Alexandrinus, Cyprian und Epiphanius und auf die Reformatoren Melanchthon und Luther. Es ist jedoch fraglich, ob sein Bußverständnis wirklich mit dem der Reformatoren übereinstimmt, zumindest was die Buße der wahren Gläubigen betrifft. Der Schmerz über die Sünden sollte nicht allzu lange währen, damit nicht der "spiritus mortalis" einzieht. Wer reuig ist und Vergebung erbittet, soll sein Vertrauen auf die Gnade Gottes setzen,265 Besser noch ist es, wenn eine angefochtene Seele die Absolution des kirchlichen Amtes erhält.266 Nach empfangener Absolution wird die Seele sich bemühen, mit der Vergebung nicht leichtfertig umzugehen und erneut in die alten Sünden zu verfallen. Das bedeutet jedoch nicht die Verweigerung einer zweiten Buße. Praetorius beruft sich auf eine Auslegung Melanchthons zu I Kor 6,9, dass diese Worte sich nicht auf vergangene Sünden, sondern nur auf die "perseverantia" beziehen. 267 Die zuvor genannte zweite Gruppe von Christen wird von Praetorius aus Platzgründen nicht mehr eigens thematisiert. Der Glaube der Kinder Gottes wächst dort am besten, wo er die evangelischen Verheißungen ohne Anfechtung und Drohungen des Gesetzes aufnehmen kann. Diesen Gedanken entfaltet Praetorius am Beispiel des Maiglöckchens, indem er den besten Standort für sein Wachstum beschreibt. Wie diese Blumen am besten im Schatten und in den Tälern vor den Sonnenstrahlen geschützt sind, so suchen die Auserwählten bei ihrem mediator Christus Schutz
261 262 263 264 265 266 267
"sit ne electis lapsis contritio aliqua necessaria, & quovsque?", Lilium, H6r. Praetorius will diese Frage in einer selbständigen Schrift später wieder aufgreifen. Lilium H8v. Lilium, Il r. Lilium, I2v. Lilium,I3r. "Haec verba, inquit Dominus Philippus, infigamus animis, quia doctrinam & consolationem dulcissimam continent.", Lilium, I4v.
102
vor der "Hitze" des Zornes Gottes. 268 Unter dem Schutz des Evangeliums entwickelt sich der Glaube zur Freude. 269 Praetorius wendet sich gegen Prediger, die nicht den Glauben pflanzen, pflegen und stärken, sondern den Zorn Gottes und göttliche Strafen und somit die Gewissen irre machen. Er berichtet von einem Ereignis im November 1577, als die "brennenden Flammen" eines Kometenstreifes gesehen wurden. 270 Der Glaube sollte auch gegenüber Kometenerscheinungen, Tyrannen, Türken und Moscovitern fest auf Gottes Gnade vertrauen. Durch ein falsches Wort der Prediger kann leicht der Glaube verletzt werden. Das geistliche Amt hat deshalb die vorrangige Aufgabe, den Glauben zu pflanzen, zu ernähren und zu stärken.271 Die Gewissen mit dem Gesetz zu erschrecken ist leichter, als es mit dem Evangelium zu trösten. Praetorius übt an den Predigern seiner Zeit Kritik und teilt sie dazu in drei Gruppen ein. Vielen fehlt die notwendige Ausbildung, so dass sie Gesetz und Evangelium nicht unterscheiden können. Andere mit mittelmäßiger Kenntnis des Evangeliums predigen ausschließlich die Drohungen des Gesetzes und den Zorn Gottes. Praetorius sieht die Kunst der Predigt darin, die Drohungen des Gesetzes den Mutwilligen so vorzuhalten, dass die Schwachen dabei nicht verletzt werden. 272 Schließlich zerstören einige ihr eigenes Werk des Glaubens und Friedens in den Seelen der Auserwählten. Einmal predigen sie den Trost des Evangeliums, die Abwaschung der Sünde, die vollkommene Gerechtigkeit und die Gotteskindschaft, ein anderes Mal entreißen sie ihren Hörern den Trost des Evangeliums wieder, indem sie ihnen den Zorn Gottes ankündigen. 273 Sie fügen der Kirche Verletzungen zu. Praetorius beklagt, dass es niemanden gibt, der über die Schmerzen der Kirche betrübt ist oder die Verhaltensweisen der Pastoren korrigiert. 274 Es wäre zwar wünschenswert, die Mutwilligen und Sicheren von den erschreckten Gewissen trennen zu können. 275 Weil aber diese Trennung in diesem Leben nicht möglich ist, sollen die Pastoren sich wie eine fromme Mutter gegenüber einem verletzten Kind verhalten und den Trost des Evangeliums "in die Wunden träufeln")76 Als Beispiel für ein richtiges Ver268 Lilium, 16v. "Pictura" ist ein emblematischer Fachbegriff. "Est autem elegans pictura. Nos lilia sumus. Filius Dei est nostra myrtus, quae se supra nos expandit, suis ramulis excipiens ardorem, ne in nos incidat, omnemque animi vigorem e nobis exhauriat.", Lilium, 16v. 269 "Wie lebendig vnd lustig ist des Glaubens mut! wenn er ohn anfechtung vnter den schönen Zweiglein des Wortes Gottes seinen schatten! saffil kraffi vnd wachsthumb haben mag? Aber wie bald verwelcket er doch, wenn nur eine geringe hitze auff jn feit?", Lilium, 17r. 270 Lilium, 17v. 271 Lilium, KIr. 272 Lilium, K2r. 273 Lilium, K2v. 274 "Sedent securi, fruuntur suis delicijs, bibunt vinum ex Phyalis, & non dolent de contritione Iosephi.", Lilium, K3r. 275 "wenn man die erschrockene Hertzen auch könte am sondern ort beysamen haben! hilff Gott! wie solte man alda das liebe Euangelium im höchsten thon daher orgelnJ wie reichlich vnd vberschwenglich solte man alda die güldenen Wasserströme Göttliches trostes fliessen lassen vber die dürren hertzen.", Lilium, K3v. 276 Lilium, K4r. 103
halten der Pastoren zitiert Praetorius aus einem Brief Luthers an Spalatin.277 AufHillig ist nicht nur das Pfarrerbild seiner Zeit, das Praetorius hier entwickelt, sondern auch die große Bedeutung, die er der Predigt des Evangeliums für den Zustand der Kirche zumisst. Mit seiner Kritik an der Predigern seiner Zeit wurde er auch für den späteren Pietismus interessant. Das vereinzelte und versteckte Vorkommen der Maiglöckchen in Tälern und Hainen bezieht Praetorius als "modestia" bzw. "amor solitudinis" der gläubigen Kinder Gottes nicht nur auf ihre verborgene "Schönheit", Gelehrsamkeit und Heiligkeit, sondern auch auf die Einsamkeit des theologischen StudiumS. 278 Sie benötigen zum Studium die notwendige Ruhe und Abgeschiedenheit vom Länn der Menschen. Sie ermöglicht einen besseren Kampf gegen lasterhafte Affekte (vitiosi affectus). Die Studenten sollen sich in ihrem Bemühen um Verbesserung der Tugenden von den schlechten Sitten des Volkes fernhalten: Habgier, Ungerechtigkeit, Verschlagenheit, Hochmut, Ausschweifungen, Trunkenheit, Geiz etc. 279 Er plädiert dafür, Erfahrungen der Anfechtung als Prüfung des wahren Glaubens zu verstehen. 28o Lilium convallium ist nicht nur die umfangreichste der drei allegorisierenden lateinischen Schriften, sondern in dieser Schrift ist diese Methode auch am intensivsten durchgeführt worden. Praetorius greift dazu auf das mittelalterliche Bild vom Blumen- und Paradiesgarten zurück und entfaltet mit seiner Hilfe seine Ekklesiologie. Adressat sind zunächst einmal die Studenten der Theologie, wie sich aus der Zuschrift und wiederholten Bezügen zur akademischen Situation ergibt. Indem er Vorschläge aus seiner Studienordnung erneut aufgreift, entwirft er ein Bild eines von Frömmigkeit und Bildung geprägten evangelischen Christen. Geistliche Schriftbetrachtung, intensives Gebet und eine kommunikative Gemeinschaftsform stehen ihm vor Augen. Es geht ihm insgesamt um eine Verlebendigung des geistlichen Lebens und der evangelischen Predigt. Die studentische Situation kann auch auf die Gemeinde hin transformiert werden. Seine Aussagen über die Sündlosigkeit der Christen oder über die Bedetung der Taufe sind für alle wahren Gläubigen gültig.
277 "Quam quaeso sapienter, quam pie, quam grauiter, imo quam apostolice & angelice consolatur Georgium Spalatinum, moerore obrutum?", Lilium, K5r. Brief Luthers an Spalatin (1544), WA.Br 10, 638--641. Vgl. Brecht, Luther, III, 274. 278 "Sunt enim & aliae probabiles caussae, cur flos hominum, doctrinae coelestis & pietatis studiosi, in solitudinibus quandoque libentius degere, quam in medio concursu hominum viuere velint.", Lilium, K6v-K7r. Den Gedanken des Rückzuges in die "solitudo" vertritt auch Thomas von Kempen, Opera IV, 55,29f; 85,25; 87,7; 127,17. u.a. 279 Lilium LI v 280 Über das "h~ilige Kreuz" zitiert er abschließend aus dem Hiobkommentar von Johannes Brenz. Im Anschluss an seine Schrift zitiert Praetorius einen Brief Luthers an Johannes Brenz vom 26.8.1530 (WA 30/11, 649,1 - 651,23). In diesem Brief lobt Luther die Schriften von Brenz, weil sie im Unterschied zu seinen eigenen in einem lieblicheren, sanfteren und ruhigeren Geist geschrieben seien. Das Wichtigste sei jedoch die Lehre von der Gerechtigkeit aus dem Glauben. Im Blick auf die Lehrer (patres) der Kirche Hieronymus, Origenes und Augustin fordert Luther deshalb ein sorgfältiges und scharfes Urteil.
104
Praetorius unterscheidet in seiner Ekklesiologie zwischen den "Gottlosen" und den "Auserwählten", denen sowohl die "doctrina" als auch die "consolatio" gilt. Ausgangspunkt seiner Ekklesiologie ist die Tauflehre. Im melanchthonischen Sinn geht er von einer imputativen Rechtfertigungslehre aus. Die Kirche ist durch die Kraft des Blutes Christi in der Taufe von allen Sünden gereinigt worden. Christi Vergebung und Gerechtigkeit werden ihr zugerechnet. Der Heilige Geist hat im menschlichen Herzen Wohnung genommen und eine neue Gerechtigkeit gebracht. Diese neue Gerechtigkeit ist schöner als die Gerechtigkeit der Engel. Er sorgt für die Erneuerung des Menschen durch die Früchte des Glaubens. An erster Stelle steht für Praetorius die Freude. Sein Freudenchristentum entwickelt sich unmittelbar aus einem melanchthonischem Verständnis der beneficia Christi. Die Freude gilt insbesondere angesichts der Nöte und Ängste der Menschen. Um sie auch gegen eventuelle "Anfechtungen" des Glaubens abzusichern, werden die Schwachheiten der Gläubigen heruntergespielt. Damit wird die Bedeutung des simul iustus et peccator fragwürdig. Äußerungen wie "peccatum non habeo" sind auf diesem Hintergrund sehr missverständlich. Auch die Bedeutung der Buße ist problematisch, wenn sie lediglich auf einen vordergründigen Wechsel der emotionalen Befindlichkeit von der Traurigkeit zur Freude abzielt. Seine Vorstellung von Sünde und Buße kann Praetorius kaum noch in das lutherische Verständnis integrieren. An dieser Stelle setzen seine Kritiker an. Zukunft weisend könnte sein Konzept von der Kirche sein, das er vor allem von den einzelnen Frommen her versteht. Auch wenn sich seine praktischen Vorschläge zunächst an Theologiestudenten richten, sind sie für eine Transformierung in die gemeindliche Situation offen. Bemerkenswert ist auch die Analyse des Pfarrerstands seiner Gegenwart und die daraus entwickelte Kritik an der fehlenden Predigt des Evangeliums. Hier dürfte seine Erkenntnis, eine Reform der Kirche nicht mit der Predigt des Gesetzes, sondern mit der Predigt des Evangeliums zu befördern, für den frühen Pietismus von besonderem Interesse gewesen sein. Praetorius geht es offenkundig um eine Förderung des geistlichen Lebens im gesamten universitären Bereich und darüber hinaus auch in der Gemeinde, deren gehobene Bildungsschicht ebenfalls zu seinem Adressatenkreis gehört. Dies zeigt sich auch in der sprachlichen Gestalt seiner Schrift, die nicht nur zahlreiche Bezüge zu antiken Schriftstellern aufweist, sondern die sich insbesondere durch ihren Bilderreichtum auszeichnet. Mit seiner vieldeutigen Auslegung des Maiglöckchens ist eine Verbindung zu mittelalterlichen Traditionen der Gartenallegorie hergestellt, die theologisch neu bestimmt werden. 3.5 Cantabricae coelestes (Frühjahr 1600) Nach einer längeren Phase der Veröffentlichung überwiegend deutscher Schriften, die nur von der gelegentlichen Abfassung lateinischer Traktate un-
105
terbrochen wurde, knüpft Praetorius mit den "Himlische(n) Negelblumen"281 (= Nelken) aus dem Garten des Apostelfürsten Paulus im Frühjahr 1600 an seine früheren Blumenschriften und die darin entfaltete melanchthonische Imputationstheologie an. Erneut wendet er sich an die Studenten der wahren Frömmigkeit.2 82 Sie sollen die "perspicuas & firmas doctrinae Evangelij sententias, beneficia filij Dei" ergreifen, sich einprägen und den Glauben damit ernähren. 283 Auch hier weitet sich der Blick über die unmittelbar universitäre Situation hinaus. In seiner Widmung an den befreundeten Juristen Heinrich Camerarius284 dankt Praetorius ihm für sein Wohlwollen und lobt ihn für seine Bildung, Tugend und Frömmigkeit, von der ihm der gemeinsame Freund Valentin Schacht berichtet hat.285 Der Titel seiner Schrift bezieht sich auf ausgewählte Schriftworte, die man wie Blumen pflücken und essen, d.h. mit denen man seinen Glauben ernähren soll.286 Praetorius zieht vor allem paulinische und johanneische Worte über die Kindschaft und die Würde der Gläubigen heran. Sein Interesse richtet sich auf die Gegenwart der christlichen Existenz. Im Unterschied zu seinen frühen lateinischen Schriften verzichtet Praetorius hier auf eine stark allegorische Deutung der Blumen. Statt dessen interpretiert er fünf als "Nelken" bezeichnete Paulusworte über die Rechtfertigung, die Gnade, den Heiligen Geist, den Dienst der Diener Christi und das Leben der Heiligen. Auffällig ist die Berücksichtigung juristischer Termini, die mit einem im Studium erweckten juristischen Interesse ebenso im Zusammenhang stehen könnte wie mit der Widmung an den renommierten Juristen Camerarius. Die Absicht seiner Schrift liegt darin, mit Hilfe juristischer Terminologie und melanchthonischer Theologie insbesondere die Notwendigkeit der Aneignung der Heilsgüter zu verdeutlichen. Röm 3,23f ist ein Schriftwort über den Erwerb der neuen Gerechtigkeit durch die non-imputatio der Sünden vor und nach der Bekehrung)87 Die Gläubigen sind "rein vnd schneeweiß")88 Den Gläubigen wird die Heiligkeit
281 Den Druck besorgte Wolfgang Meissner, der von 1593 bis 1616 Drucker in Wittenberg war, vgl. Benzing, Buchdrucker, 503. 282 "CANTABRICAE Coelestes, ... Ex horto principis apostolorum decerptae: atque in usum verae pietatis studiosorum breviter explicatae", Cantabricae, AIr. Auf dem Titelblatt wird Cant 2, II f zitiert. 283 Cantabricae, A2r. 284 Heinrich Camerarius, 1547-1601, Studium Wittenberg und Rostock 1566, Prof. der Rechte ebd. 1578, Dr. jur. ebd. 1579, Rat der Herzöge Ulrich von Mecklenburg, Bogislav und Philipp von Pommern und der Fürsten von Lüneburg, vgl. Fromm, Art. Camerarius, Heinrich, 719f; Roth, Leichenpredigten, R 2097. 285 Cantabricae, A4r. 286 Praetorius zitiert IV Esr 9,24, vgl. AA, II, 158. 287 "Peccarunt quidem ante conversionem, peccant & peccabunt post conversionem: & tarnen horum nihil imputatur eis a Deo, vel ad culpam, vel ad poenam.", Cantabricae, 2. 288 Cantabricae, 3. In Anlehnung an Cant 4,1 lobt Praetorius die Reinheit und Schönheit der Kirche. "Tu mea ecclesia es flos divinae puritatis & pulchritudinis.", Cantabricae, 3. 106
Gottes zugerechnet.2 89 Diese imputierte iustitia wird mit der regeneratio oder dem status novus gleichgesetzt.290 Die pulchritudo ist dem Glanz Christi gleich. Die iustificatio geschieht bereits im gegenwärtigen Leben in der Taufe. Praetorius verweist hierzu auf die Unterscheidung der bona gratiae und der bona gloriae.2 91 Die bona gratiae qualifizieren die Gegenwart als "nobilis" und "illustris". Durch die dreifache immersio wird der Getaufte von allen sordes peccatorum gereinigt. Die Waschung und das Anziehen der neuen Gerechtigkeit in der Taufe ist aber nicht nur eine Sache des Augenblicks, sondern des ganzen Lebens. 292 Die Gaben Gottes sind unwiderruflich und immer gültig für alle, die in Christus eingepflanzt sind. 293 Sie werden auch durch die Bitte um das Kommen des Reiches Gottes nicht geschmälert.294 Praetorius geht es vor allem um die Aneignung der Güter Christi. Anhand von juristischen Begriffen (z.B. der donatio) zeigt er, dass zum Besitz dieser Güter nicht nur das Versprechen (pollicitatio), sondern auch die freiwillige Annahme (voluntaria acceptio) gehört.2 95 Durch Verachtung, Verzweiflung oder Hochmut beraubt man sich selbst der himmmlischen Güter. Wer sie aber ergreift, empfangt wahren Trost, Frieden und Freude. Die zweite "Nelke" über die Gnade Gottes (Gal 3,26f) beschreibt die adoptio als Kind Gottes, die nach Gottes ewigem Rat und Willen geschieht.296 Die höchste Majestät der Gläubigen ist zwar unter Kreuz und Sünden verborgen, wird aber auch durch die sordes vitiorum nach der Taufe nicht zerstört. 297 Anhand von juristischen Vergleichen zeigt Praetorius erneut, dass alle himmlischen Güter angeeignet werden müssen. Es ist unsinnig, einen Teil der Erbschaft anzunehmen und einen anderen Teil zu verschmähen. Durch die Aneignung werden die versprochenen Güter zum Besitz. Die Trägen haben die 289 "credentes sunt gloriosi: imputatione nimirum iustitiae filij Dei, quae est immensum pelagus omnium virtutum divinarum ... Haec inaestimabilis sanctitas, quam filius a patre habet, imputatur quoque nobis a Deo, tarn proprie, ac si genuina nostra esset.", Cantabricae, 4. 290 "Atque haec ipsa iustitia Christi, nobis imputata, est nostra regeneratio, seu status noster novus, et unica pulchritudo nostra, in qua acquiescere totis animis debemus.", Cantabricae, 5. 291 Vgl. Cantabricae, 6. 292 "Ipsa autem lotio, ac novae iustitia vestitura, quae fit in baptismo, non est res momentanea ac evanescens, sed firma et stabilis, duratque per omnem hominis aetatem.", Cantabricae, 9. 293 "Nam purae et liberales donationes, quae gratuito factae sunt, manent heredibus semper ratae et irrevocabilis", Cantabricae, 9. "Consilium etenim Domini stat in aeternum et dona Dei .. , manentque firma et illibata, jure emphytentico, omnibus, qui sunt ... Christo per fidem inserti", Cantabricae, 11. 294 Gott will "daß wir! contra jus civile! das von ihm bitten sollen! was wir schon haben, vmb der vberschwenglichen Herrligkeit solcher Güter willen", Cantabricae, 12. 295 "Wir Christen müssen (=dürfen) die geschenckten Güter nicht von feme ansehen! wie die Bawren ein Fürstenhaus! sondern sie fein frisch vnd tapffer annehmen! vnd vns vber dieselben zu Herrn machen! wöllen wir sie anders haben. Wir müssen darnach rennen! das wir sie! wie das aller höchste Kleinod! ergreiffen.", Cantabricae, 15. 296 "Es ist Gottes ewiger Raht vnd wille gewesen! dz wir seine liebe Gnadenkinder sein sollen" (Eph 1,9), Cantabricae, 17. 297 Cantabricae, 22.
107
Gnade Gottes in dieser goldenen, blühenden und herrlichen Zeit vergeblich empfangen. Nach dem Ius Civile fällt denen, die den Besitz von Gütern anerkannt haben, auch der Teil derer zu, die sie abgelehnt haben. "Was die vngleubige Kirche nicht annemen noch haben will dz erlangt der gleubige Pastor/ vnd wird bey den mutwilligen (d.h. freiwilligen) armen sehr reich."298 So interpretiert Praetorius Mt 13,12. Dies löst Freude und Dankbarkeit aus: "Die Königliche Gnadenburgk sol vnser höchster Schatz vnd Frewde sein ... In credibili laetitia afficiamur et exultemus".299 Die Freude basiert auf der empfangenen gegenwärtigen Gerechtigkeit und Gnade. Auch diese späte lateinische Schrift zeigt, wie Praetorius aus der melanchthonischen Imputationslehre heraus seine Konzeption des Freudenchristentums entwickelt. Die Gabe des Heiligen Geistes (Gal 4,6) ist ebenfalls eine Frucht wahren Glaubens. Wo der Geist ist, sind auch Vater und Sohn anwesend. Die Weihe mit dem himmlischen Öl bedeutet Teilhabe an der göttlichen Natur. Iustitia, gratia, spiritus und vita aeterna sind die zusammenhängenden Schätze, die nicht getrennt werden können. In der Taufe werden die Pforten des Himmels geöffnet und alle Schätze ausgeteilt.3 00 Der Heilige Geist wird wie ein Fluss von Gott eingegossen. Er ist ein Pfand der Seligkeit, vor allem in Zweifeln. Durch seine Erleuchtung offenbart er als Doctor evangelii das Verständnis fiir die göttlichen Schätze aus der Taufe. Er ist der Urheber von Freude und Frieden. Er tröpfelt den Seelen den Geschmack der göttlichen Gnade ein.301 Er entzündet in ihnen den Eifer der Tugenden (castitas, Barmherzigkeit, Freigebigkeit und Mäßigung). Die Gläubigen sind Tempel des heiligen Geistes, auch wenn sie sich in den sordes peccatorum befinden. Er wohnt gern in den Schwachen, Verachteten und Angefochtenen.3 02 Die Pneumatologie erwächst aus der Lehre von den Schätzen der Taufe und begründet zugleich die Ethik. Im Blick auf 11 Tim 1,13 über den Dienst der Diener Christi schärft Praetorius den Predigern die Notwendigkeit der Verkündigung der Botschaft von der Rechtfertigung sola fide und vom gegenwärtigen Heil ein. Wer sein Heil abschlägt, kann keine Frucht des Friedens und der Freude empfangen. Die weit verbreitete ignoratio salutis ist die Quelle der GottiosigkeiP03 Die Krise der Frömmigkeit ist fiir Praetorius deshalb vor allem auch eine Krise der Predigt, in der die himmlischen Schätze dargeboten werden sollen. Theologie, d.h. die Kunst, das Evangelium zu lehren, lernt man aus den goldenen Schriften der Reformatoren Luther, Melanchthon, Bugenhagen und Brenz.
298 Cantabricae, 28f. 299 Cantabricae, 29. 300 "in baptismo aperiuntur nobis aureae coeli portae: et onmes thesauri coelestes affatim in nos a Deo congeruntur, iustitia, gratia, spiritus sanctus", Cantabricae, 33. 301 "Imo ipse instillat ac praebet animis nostris indicibilem quendam gratiae divinae gustum.", Cantabricae, 37. 302 "Nam libenter in virilibus spretis et contritis habitat" (Jes 57,15), Cantabricae, 39. 303 "Fons totius impietatis in onmi vita est ignoratio salutis: qua tarnen hoc saeculo apud onmes onmium hominum ordines nihil est usitatius.", Cantabricae, 44.
108
Hinsichtlich der fünften "Nelke" über das Leben und die Sitten der Heiligen (I Thess 4,9) verweist Praetorius darauf, dass die göttlich gelehrten Wiedergeborenen kaum Vorschriften anderer gebrauchen, sondern sua sponte das tun, was Gott angenehm ist und den Menschen hilft. Die Erneuerung ist ein Werk des Heiligen Geistes, nicht des äußeren Zwanges.3 04 Praetorius gibt dennoch einige Vorschläge für Tugenden: Man soll die Heilige Schrift beständig lesen und über Christi Wohltaten nachdenken. Im Gebet soll Gott verehrt und vertraut mit ihm gesprochen werden. Die gottlose Welt ist zu meiden und die Einsamkeit zu lieben. Die Mäßigung des Glückes bewahrt vor dem Neid anderer. Übermäßiger Weingenuss, vertrauter Umgang mit Gottlosen, Kleiderluxus und Verbrechen sind zu meiden. In Wohltaten und Verdiensten für andere soll man sich zeigen. Körperliche Schmerzen soll man in der Kraft des Geistes ertragen und die Verwundungen des Herzens Gott offenbaren. Der Tod ist in der Kraft des Geistes mit Ruhe und Freude zu erwarten.
3.6 Das Florilegium Aureae guttae (um 1600) Vermutlich um 1600 brachte Praetorius unter dem Titel Aureae Guttae eine kleine, thematisch geordnete Zitatensammlung altkirchlicher und mittelalterlicher Theologen ("ex vetustissimis ecclesiae scriptoribus") heraus, die den Leser bilden, erfreuen und festigen sollte.305 Sie wurde dem Kanoniker und Senior des Bistums Halberstadt, Joachim Johannes Georg von der Schulenburg gewidmet, der als Freund und Mäzen bezeichnet wird.306 Auffällig in dieser Zitatensammlung ist die Zusammenstellung der Autoren, zu denen auch Mystiker wie Pseudo-Dionysius und Bernhard von Clairvaux gehören. Sie sind unter folgenden Themen angeordnet: Gott - Engel - Mensch - Christus - Bekehrung - Glaube - Prädestination - Taufe - Heil - Aneignung - Abendmahl - Gute Werke - Gesetz - Fall der Heiligen - Buße - Kreuz. Mit Pseudo-Dionysius wird der Vater als Quelle der Gottheit definiert, dem Sohn und Geist entsprossen sind.307 Die wesenhafte Einheit der Substanzen muss geglaubt werden.308 Die Engel dienen und loben Gott und bewahren die Seelen der Gläubigen. Die Sünde Adams geht in alle Menschen ein. Der Mensch ist voller Begierden, immer zum Bösen geneigt.3 09 Christus hat das menschliche Geschlecht durch sein Leiden und Tod erlöst. Bekehrung (conversio) bedeutet, die impietas abzulegen, bevor man die pietas bildet und zur 304 "Norunt enim, homines renovationem, Spiritus sancti opus esse: non nostrae coactionis, aut furorum nostrorum.", Cantabricae, 52. 305 Aureae, AIr. 306 Joachim Johannes Georg von der Schulenburg (1561-1633), Cellarius Domstift Halberstadt 1593, Subsenior ebd. 1598, Senior 1600, Eintritt in die "Fruchtbringende Gesellschaft" ("der Erfüllende") 1617, vgl. Schmidt, Schulenburg, 1,292-294; Conermann, Fruchtbringende Gesellschaft, 151. 307 Pseudo-Dionysius, De Divinibus Nominibus, Kap. 2, MPG 3, 645 B. 308 Bernhard, Sermo in dominica I novembris, Opera, Bd. 5, 319,2-5. 309 Bernhard, Sermo in Dedicatione Ecc1esiae, Opera, Bd. 5, 390,8-11. 109
Taufe herantritt. Mit Bernhard betont Praetorius die Notwendigkeit der Zerknirschung des Herzens und einer Reinigung von den Sünden. 3lO Das sola fide, sola gratia und die iustificatio per gratiam findet er bei Augustin, Hieronymus und Ambrosius. Für die Prädestinationslehre beruft sich Praetorius auf Augustin.3 11 Die misericordia Dei geht der vocatio voraus, jedoch kein Glaube, der sich auf Verdienste gründet. Niemand kann sich der göttlichen Gnade entziehen. Dass die einen zu dieser Gnade gehören und andere nicht, ist nicht ungerecht, sondern bleibt ein unergründliches Urteil Gottes. In der Taufe werden alle Sünden zerstört. Die concupiscentia wird nicht als Sünde angerechnet. Die regeneratio befreit von Sünde und Zorn, die Gläubigen sind selig auch in diesem Leben wegen der gegenwärtigen und zukürIftigen Heilsgüter. Mit Clemens Alexandrinus hält Praetorius unter bestimmten Umständen jedoch auch einen Verlust der himmlischen Erbschaft :für möglich. Durch die Aneignung des Heils bewirkt der Heilige Geist wahren Frieden, Freude und Frömmigkeit. Das Abendmahl wird mit Chrysostomus vor allem als eine Danksagung und Erinnerung an die Wohltaten Christi verstanden. Der Heilige Geist bewirkt das Wollen der guten Werke. Das mosaische Gesetz ist durch die Leitung des Geistes abgelöst worden. Mit Bernhard betont Praetorius, dass den Gerechten kein Gesetz gegen ihren Willen aufgezwungen ist, sondern es ist ihnen in Freiheit gegeben. 312 Interessant ist der Abschnitt "lapsus sanctorum". Die Sünde bewahrt die Heiligen vor Hochmut. Gott lässt es zu, dass die Heiligen auch in Laster fallen, damit ihre Affekte verbessert werden und sie wegen der empfangenen Gnade nicht hochmütig werden. Praetorius misst der Sünde der Heiligen also vor allem eine pädagogische Bedeutung bei. Dies zeigt sich auch in den Zitaten über die Buße. Die Sünde, die aus menschlicher Schwachheit entsteht, wird durch die "pietas fidei" kontinuierlich zerstört. Buße besteht in Schmerzen und Tränen. Nach Kreuz und Erniedrigung folgt der göttliche Trost. 3I3
310 "Exi de sterquilinio peccatorum, et occurre Christo, offerenti tibi salutem, compunctione cordis. Non enim intrat autor puritatis in animam perpetuis peccatorum sordibus scatentem.", Aureae A4r. Vgl. Bernhard, Sermo in Adventu Domini, Opera, Bd. 4,169,2-4: "Usque ad cordis compunctionem et confessionem oris occurre, ut saltem exeas de sterquilinio miseriae conscientiae, quoniam indignum est illuc auctorem puritatis intrare." 311 U .a. Augustin, De Praedestinatione Sanctorum. 312 Bernhard, Epistola 11 ad Cartusienses, Opera, Bd. 7, 57,21-23. 313 Vgl. das Zitat von Bernhard: "Deus pater filios suos admodum consolatur in sua pietate, quos aliquantulum humiliat in veritate.", In Bernhard, Dedicatione Ecc1esiae, Sermo 5, Opera, Bd. 5, 391,6-8.
110
IV. Die deutschen Schriften 1. Vorbemerkung Mit dem Übergang von den lateinischen zu den deutschen Schriften vollzieht sich nicht nur ein Wechsel in der Sprache, sondern auch im Adressatenkreis. Während die lateinischen Schriften in erster Linie die Gebildeten ansprechen, richten sich die deutschen Traktate vor allem an die Salzwedeler Gemeinde unter Wahrnehmung individueller Notsituationen und sozialer Problemstellungen. In sozialgeschichtlicher Hinsicht bemerkenswert ist insgesamt die besondere Affinität zu den Honoratioren, Adligen und einflussreichen Bürgern, die aus den Widmungen hervorgeht. Den breitesten Raum im literarischen Schaffen von Praetorius nehmen nun Trostschriften ein, die sich an die ganze Gemeinde oder an bestimmte Leidensgruppen wie Witwen und Waisen, Kranke, Sterbende und Verfolgte oder an konkrete Berufsgruppen wie Seefahrer und Kaufleute richten. Die in Salzwedel gehaltenen Predigten orientieren sich im Wesentlichen am kirchenjahreszeitlichen Kasus. So steht in der Weihnachtszeit die Inkamationschristologie, in der Passionszeit die Erlösungslehre, in der Osterzeit die Auferstehungsbotschaft und zu Pfingsten die Pneumatologie im Vordergrund. Neben den Trostschriften begegnen Traktate mit dogmatischen Schwerpunkten in der Sakramentenlehre, Ekklesiologie, Pneumatologie oder Eschatologie. Darüber hinaus finden sich katechetische Traktate und kleine Sammlungen von selbstverfassten Liedern. Die chronologische Abfolge der Schriften ist für die Darstellung weniger von Bedeutung als ihre systematische Zuordnung, da eine dezidierte Entwicklung in der Theologie von Praetorius nicht festzustellen ist. Die in den lateinischen Schriften bereits hervorgetretenen spezifischen Merkmale seiner Theologie werden auch in den deutschen Traktaten in unterschiedlicher Ausprägung sichtbar. Interessant ist dabei die Transformation melanchthonisch geprägter und von fröhlicher Glaubensgewissheit bestimmter Theologie in die konkrete Predigtsituation hinein. Besonders zu beachtende theologische Aspekte sind das Problem von Sünde, Gesetz und Buße, die Ekklesiologie und in verstärktem Maße auch die Eschatologie. Die Vielzahl der kleinen Schriften und Predigten versuchte bereits Johann Amdt durch eine lockere Zuordnung nach thematischen Gesichtspunkten übersichtlicher zu präsentieren. Martin Statius gelang es durch eine rigorose Aufsplitterung von kleinen Texteinheiten, eine klare systematisch-theologische Struktur zu schaffen, freilich um den Preis des Verzichts auf eine historische Einordnung. Im Folgenden wird um der Überschaubarkeit willen thematisch gegliedert. Eine historische Ortsbestimmung erfolgt dann jeweils für die einzelne Schrift.
111
2. Trostschriften an Leidens- und Berufsgruppen
2.1 Trostschrift an Verfolgte In seiner Trostschrift an die Hochbetrübten von Antorff(Tr. 47, Sommer 1578) richtete sich Praetorius an die lutherische Gemeinde in Antwerpen, die am 2.9.1566 gegründet worden war.! Als die Generalstatthalterin der Niederlande, Margarete von Parma, den Lutheranern in Antwerpen den öffentlichen Gottesdienst untersagte, wandten sie sich an die Rostocker Fakultät, die ihnen in demselben Jahr in einer Schrifft an die Christen zu Antuerpen: der Theologen vnd Prediger zu Rostock antwortete.2 In der Gegenüberstellung von lutherischer und römischer Lehre ermahnten die Rostocker zum Festhalten am Bekenntnis und zum Verzicht auf Gewaltmaßnahmen. Im Oktober 1566 kam Matthias Flacius Illyricus nach Antwerpen und schuf dort gemeinsam mit Cyriacus Spangenberg und Hermann Hamelmann eine "kongregational-synodal" ausgerichtete Kirchenordnung.3 Er prägte dort die Ordnung der Gemeinde durch die Abfassung einer Ermahnung zum Gebet, eines Bekenntnisses und einer Agende. In der Folgezeit hatten die Antwerpener häufig Probleme mit ihren Predigern. Insbesondere die Anhänger des Flacius stifteten durch den in die Gemeinde hineingetragenen Streit um die Erbsünde erhebliche Unruhe. 4 Während seines Studiums in Rostock hatte Praetorius vermutlich bereits von der Situation dieser Gemeinde zu erfahren. Durch den aus Antwerpen stammenden Mediziner Jacob Bording d.Ä.,5 der sich von 1550-1557 in Rostock aufhielt, entstanden die Beziehungen der Rostocker Fakultät zur lutherischen Gemeinde in Antwerpen. 6 Sein Sohn Philipp Bording7 wurde am 14.10.1563 zusammen mit Praetorius zum "baccalaureus" und "magister artium" promoVgl. Keller, Lutheraner in Antwerpen, 219-222. Offiziell hatte sie bis zum 12.4.1567 und von 1576-1585 Bestand. Die Lutheraner hatten dort insgesamt 11 deutsche Pastoren, vor allem aus Mecklenburg, ab 1578 Konrad Becker (bzw. Pistorius). 1566 gab es ca. 30.000 Protestanten in Antwerpen, die ihre Gottesdienste auf dem freiem Feld feierten. Vgl. Preger, Flaeius, H, 286. 2 Vgl. Krabbe, Rostock, 642f; Krabbe Chyträus, 188. Vgl. zu dem sogenannten "Wunderjahr" 1566, R. van Roosbroeck, Wunderjahr oder Hungerjahr, 169-196. 3 Keller, Lutheraner in Antwerpen, 220. Vgl. die Titel bei Preger, Flaeius, H, 564f. 4 Dazu gehörten z.B. die Flaeius-Anhänger Petrus Eggerdes und Saliger, die beide entlassen wurden, vgl. Lehnemann, Lutherische Kirche, 101; Preger, Flaeius, H, 391. 5 Jakob Bording (d.Ä.) (1511-1560), geb. in Antwerpen, Doktor der Medizin in Bologna, Physicus in Hamburg 1546, Leibarzt von Herzog Heinrich von Mecklenburg, Prof. in Rostock 1550, königlicher Leibarzt, Prof. in Kopenhagen 1557. Bordings theologische Kenntnisse waren durch Melanchthon, vor allem dessen Römerbriefkommentar vermittelt worden. Bording setzte sich fiir die Berufung des Chytraeus nach Rostock ein und war mit ihm eng befreundet. Sein Schwiegersohn war Lucas Bacmeister, vgl. Krabbe, Rostock, 524; Teichmann, Art. Bording, Jacob d.Ä., in: Pettke (Hg.), Biographisches Lexikon 1, 36-39. Bording war Galenist, seine Schriften gab sein Schüler Levinus Battus, ein Paracelsist, 1591 heraus, vgl. Krabbe, Rostock, 523. 6 Vgl. Krabbe, Rostock, 522; 642. 7 Philipp Bording hielt Vorlesungen über mathematische Disziplinen in Rostock, war Physicus in Stralsund und starb 1565 an der Pest.
112
viert. Auch in Salzwedel riss der Kontakt zur Antwerpener Gemeinde nicht ab. Einige ihrer Mitglieder, die sich aufgrund der spanischen Verfolgung in der Salzwedeler Neustadt niedergelassen hatten, baten Praetorius um Hilfe angesichts ihres Problems, geeignete Prediger für die Gemeinde zu finden. 8 Im Juli 1578 verfasste Praetorius eine Trostschrift für die lutherische Gemeinde in Antwerpen, in der er die Bewahrung und Förderung des Evangeliums in den Mittelpunkt stellt und ihr so Hoffnung auf eine Besserung ihrer Situation vermitteln will.9 Praetorius betont, oft "tieff geseuffzet vnd heimlich geweinet" zu haben über den "grossen Jammer des armen Niederlandes".l0 Trotz eines wirtschaftlichen Wohlstandes fehlt ihnen der eigentliche "Schatz" des Evangeliums in der Gestalt des Wortes Gottes und treuer Hirten.! I Ehemalige Mönche sind als "Wölfe im Schafspelz" nicht in der Lage, "das tröstliche Evangelion" zu vermitteln.!2 Es ist aber wichtig, sich um "den Schaden Josephs" (Am 6,6) und "vmb zunehmung oder abnemung der Kirchen Gottes" zu sorgen, auch wenn dies die "grossen Doctores" meist unterlassen. 13 Eine Verbesserung der Situation ist nur vom Evangelium zu erwarten. Da, wo es rein und richtig gelehrt und gehört wird, werden auch seine Früchte nicht ausbleiben. Praetorius unterbreitet der Gemeinde verschiedene Vorschläge, wie sie das Evangelium wieder neu gewinnen und bewahren kann. Dabei rät er zu einem persönlichen Schriftstudium. Wer das Evangelium in Form einer Bibel besitzt, soll es selbst möglichst oft lesen oder hören.!4 Jeder Christ soll, vor allem am Morgen, "in heiliger Göttlicher Schrifft ördentlich vnd fleissig studiren".!5 Praetorius vergleicht die Bibellektüre mit dem Eintritt in das Paradies bzw. in 8 AA, H, 357f. Vgl. TPP, 41. St., 41: "Als durch die Spanische Verfolgung viele Protestanten aus den Nieder=Landen vertrieben wurden, und deren einige aus Antwerpen, sonderlich aber Franciscus N. sich in der Neuen=Stadt Saltzwedel niederliessen, schrieb er auf deren Veranlassung Anno 1578. den 12. Jul. seine Trostschrift an die von Antorff." Vgl. auch Lehnemann, Lutherische Kirche, 104. Vermutlich ist der genannte Franziscus N. im September 1581 an der Pest gestorben, da Praetorius in "Weine nicht" (1581), A6a einen "Meister Frantz von Antorft" in der Liste der Verstorbenen erwähnt. 9 Der Widmungsbrief ist unterzeichnet: "Soltwedel Anno Christi 1578 12. Iul.", AA, H, 355. Der Name des Druckers fehlt zwar, vermutlich ist die Schrift aber bei Michael Kröner in Uelzen gedruckt, wie sich aus einem Vergleich der Initialen ergibt. Eine Titeleinfassung fehlt. Die Antwerpener Lutheraner nennt Praetorius "hochbetrübte Christen", AA, 11, 355. Vgl. über sie Johannes Lehnemann, Historische Nachricht von der ... Evangelisch=Lutherischen Kirche in Antorff, Frankfurt a.M. 1725. 10 AA, 11, 356. II "Geldts vnnd Guts habt ir vielleicht genug! Aber Gottes Wort habt ir nicht. Getrewe Hirten habt ihr nicht.", AA, H, 357. 12 AA, 11, 356. 13 AA, H, 357. 14 Praetorius empfiehlt den Reichen, die Bibel mit einem kostbaren Einband zu versehen: "Es sollen billich vermügene Leute des heiligen Geistes Bücher in Sammet vnd Gold fassen lassen! vnnd sie in Silbern Ledlein verwahren.", AA, H, 359. 15 AA, 11, 360. Dieser Vorschlag entspricht den Ratschlägen, die er den Studierenden in seiner Studienordnung gegeben hat. Zu Luthers Gebets- und Meditationszeiten am Morgen und am Abend vgl. Nicol, Meditation bei Luther, 68-72.
113
einen Blumengarten.l 6 Die Schrift ist mehr wert als alles Gold.17 Praetorius empfiehlt, beim Schriftstudium einen Vers (Blümlein) aus einem Kapitel herauszugreifen und tagsüber im Hertzen zu "käuen", um so ein "Würtzgärtlein Göttlicher Pfläntzlein" zu erhalten.l 8 Neben dem persönlichen Schriftstudium soll jeder Christ darüber hinaus täglich die mündliche, öffentliche Predigt des Wortes hören und durch stetige Betrachtung das Gehörte im Herzen bewahren, damit die Wirkung des Geistes nicht nachlässt. 19 Wem auf Grund besonderer Anfechtung, d.h. Traurigkeit und Furcht, die öffentliche Predigt nicht genügt, der soll als "Artzney" zu den Mitteln der Absolution und des Abendmahls greifen. Wer dem Evangelium wehrt oder es mit Gewalt vertreibt, begeht die größte Sünde. 2o Dies ist durch "Inquisition vnnd crudeliteten" geschehen.2 1 Das über Antwerpen hereingebrochene Unglück deutet Praetorius deshalb als Strafe für die Unterdrückung des Evangeliums in den Niederlanden. 22 Mit zahlreichen biblischen Belegen, vor allem aus Threni, wird die Klage formuliert. Ausdrücklich unterscheidet Praetorius die "frommen Hertzen", die "in der stille Wasser aus den gülden TrostbrÜlllllein des heiligen Evangelii zu ihrem Heyl geschöpffet haben", von den "Häuptern", die "von Ampts wegen" gewaltsam dem Evangelium wehren. Wer die Lehre von der Seligkeit durch die Gnade Christi verfolgt, begeht die Sünde gegen den heiligen Geist. 23 Praetorius hofft auf ein baldiges Ende des niederländischen Unglücks, auch wenn ein im Winter 1577/78 gesichteter Komet Unheil angekündigt hatte.24 Ein solches Unheil kann aber auch dort geschehen, wo man das 16 "Kein Lustgarten kan so liebliche vnnd wolriechende Violen! Rosen/ Lilien vnnd Negelin geben/ als die heilige Schrift liebliche vnd wolriechende Sprüchlein gibt! welcher das aller geringeste thewrer zu achten ist/ denn das feinste Goldt in insulis fortunatis.", AA, II, 360. Praetorius verzichtet hier auf die bislang geübte allegorische Auslegung der Blumen und verwendet das mittelalterliche Gartenmotiv zum Vergleich mit dem Schriftstudium. 17 Als Beispiel erzählt er von der "Konversion" eines reichen katholischen Kaufmannes, der nach der Lektüre der Lutherbibel den "Heylbrunn" fand, den er als den rechten Schatz" bezeichnete. "Bin ich doch bey meinem grossen Gelde niemahls von Hertzen frölich gewesen? Ja mein sündliches Hertz ist mir bey den vnreinen Münchpfiitzen fast gar verschmachtet.", AA, 11,360. 18 AA, H, 361. Vgl. dazu Nicol, Meditation bei Luther, 57-60. Es gehört zum Wesen der ruminatio, "daß kleine und kleinste Texteinheiten inuner wieder vorgenommen und meditiert werden", ebd. 58. Praetorius verbindet hier die Praxis der ruminatio mit dem mittelalterlichen Bild des Paradiesgartens. 19 Praetorius berichtet von einem Zuhörer, der den Gottesdienst vorzeitig verließ, weil er die "kräfftige Wirckung des heiligen Geistes in seinem irdischen Gefeß ... nicht lenger ertragen kondte.", AA, 11, 361. 20 In seiner Interpretation von Ps 24,7-10 beschuldigt Praetorius den Papst, ein "Feindt Christi", ein "rechter Beerwolff vnnd Hencker des Teuffels", ein "Entechrist" und ein "Mörder" zu sein, vgl. AA, 11, 364. 21 AA, 11, 365. 22 1576 starben in Antwerpen 8000 Menschen unter der "Spaanse furie", vgl. Parker, Aufstand der Niederlande, 212. 23 Vgl. AA, 11, 370 (französisches Zitat). 24 "Denn der schreckliche Komet! so im vorigen Winter vberm Niederlande in der gestalt einer grossen Fewerbüchsen gestanden! wird entweder ein garaus/ oder sonst ein vnerhörts be-
114
Gnadenwort besitzt, aber seiner überdrüssig geworden ist und es zum Geiz, Hochmut und "aller Büberey" missbraucht. 25 Die Zukunft Antwerpens hängt von seinem Umgang mit dem Wort Gottes ab. Wenn nicht nur viele Einwohner, sondern auch die "Häupter" großes Verlangen Wort und Sakrament zeigten, wäre den Niederlanden ein "fröhlicher Sonnenschein" verheißen. "Vnnd das Gefilde wird lustig vnd frölich stehen! vnnd wird blühen wie die Lilien. Das ist! Antorff/ Amsterodam/ vnd andere Niederländische Kirchen! werden einmahl rechte Rosengarten werden! vnd von reiner Lehre des Evangelii vber die gantze Welt riechen! daß man seine lust vnnd frewde daran erleben wird."26 Praetorius belegt seine Zuversicht mit alttestamentlichen Verheißungen.27 Die Predigt des Evangeliums wird auch Früchte bei den Armen tragen. Das fröhliche Evangelium wird "daher schallen! daraus betrübte hertzen werden reichen Trost vnd Frewde nehmen."28 Praetorius formuliert konkret Besserungsvorschläge an die Antwerpener Gemeinde. 29 Sie sollen "gelarte/ gottfürchtige/ reine/ bestendige vnd getrewe Männer"30 anfordern und neben der Schrift auch die Bücher Luthers und seiner Schüler studieren. Die Kinder sollen von reinen Lehrern getauft werden, die recht beten können und deren Gebet erhört wird. In Abgrenzung zum calvinistischen Abendmahlsverständnis mahnt Praetorius, Brot und Wein nicht nur zum Gedächtnis zu empfangen, sondern als wahren Leib und Blut Christi. "Seyd fein gravitetischl vnd redet von Göttlichen Sachen bescheidentlich."3l In dogmatischen Streitigkeiten rät er zur Zurückhaltung: "Lasset euer disputiren! de substantia peccati, vnd suchet den Kern in der Schrifft. "32 Das Gebet soll auch die Feinde des Evangeliums umfassen. Praetorius rät angesichts des Predigermangels zur Ausbildung eines eigenen Nachwuchses, indem die Antwerpener ihre Kinder "Gottes Wort an reinen örtern studiren" lassen, damit sie "hernach mit eigen Ochsen pflügen" können.33 Wahrscheinlich waren jedoch kaufmännische Berufe in der Gemeinde beliebter.34 Die Kinder sollen anstatt in deuten.", AA, 11, 37l. Die Deutung des Kometen als Ankündigung einer Strafe Gottes ist nicht ungewöhnlich, vgl. Lehmann, Kometenflugschriften, 683-700. 25 AA, 11, 37l. 26 AA, 11, 372. Das Bild des Paradiesgartens symbolisiert den optimalen Zustand der Kirche durch die Verkündigung des reinen Evangeliums. 27 Z.B. Jes 9,1; 35,l.7; Jer 3,15; Jes 61,5; 29,24 (Bekehrung der "Papisten"); Jes 66,11; Jer 32, 38.40f; Jes 60,16.18; Jes 49,26; Jes 62,4f. "Denn die armen Leutlein werden dadurch zum rechten Erkendtnis ihres lieben Gottes kommen! vnnd werden einen fewrigen Glauben! fewrige Frewde/ fewrige Liebe vnd fewrige Andacht des Gebets erlangen. Insonderheit aber werden die Witwen/ Waisen! geschwechte Jungfrewlein vnd andere hochbetrübte Hertzen! aus Gottes Wort reichen Trost bekommen.", AA, 11, 373. 28 AA, 11, 373. 29 Vgl. AA, 11, 374. Diese Formulierung erinnert an Act 20,3l. 30 AA, 11, 374. 3l AA, II, 375. 32 AA, 11, 375. Der Streit um die Erbsünde war durch Matthias Flacius ausgelöst worden. 33 AA, II, 375. 34 "Es ist doch mit Kaufthendeln nicht gar außgerichteti man muß mehr zur Seligkeit haben.", AA, 11, 375.
115
Klöstern in neu einzurichtenden Lateinschulen unterrichtet werden. Die Obrigkeit ist zu ehren und gegenüber denen, die kein Blut vergießen, ist Geduld zu üben. Praetorius mahnt auch zur Freundlichkeit gegenüber Fremden, zur Bestrafung von Unzucht und zur Unterdrückung des Hochmuts. Die Schrift zeigt, dass Praetorius über die Entwicklung der niederländischen Gemeinde in Antwerpen recht gut informiert ist und ihre soziale Struktur kennt. 35 Auf dem Hintergrund eines melanchthonisch geprägten Humanismus entfaltet er konkrete Verbesserungsvorschläge zur Förderung der Verkündigung des Evangeliums. Insbesondere die Eimichtung einer Lateinschule zeigt das melanchthonische Erbe. Bemerkenswert ist aber auch die Ähnlichkeit seiner Empfehlungen mit Reformansätzen des Pietismus. Dazu gehört neben dem Hinweis auf das persönliche Schriftstudium und dem Verzicht auf dogmatische Streitigkeiten auch die eschatologische Hoffnung auf Besserung der kirchlichen Situation. Die Antwerpener Gemeinde wandte sich bald darauf an den Braunschweiger Generalsuperintendenten Martin Chemnitz, um geeignete Prediger zu erhalten,36 Sie dankte für die Möglichkeit, nach der Verfolgung wieder öffentlich evangelischen Gottesdienst in den Kirchen feiern zu dürfen. Sie beklagte, dass ihr Prediger fehlten, die die Gemeinde nicht beunruhigten, sondern erbauten. Der Streit um die Erbsünde habe die Ausbreitung des Reiches Gottes behindert. Es würden gelehrte, erfahrene und in Streitigkeiten bescheidene Lehrer gesucht,37 Dem Rat des Praetorius entsprechend würde auch eine Lateinschule eingerichtet.
2.2 Trostschrift an See- und Kaufleute Um die Ausbreitung und Förderung des Evangeliums geht es Praetorius auch in seinem vermutlich im Frühjahr 1579 verfassten Seefahrer Trost (Tr. 48),38 Hier verbinden sich konkrete Verhaltensanweisungen für See- und auf Kaufleuten mit einem bemerkenswert frühen Interesse für die Mission. Zu beachten ist dabei die Konzentration auf die "Auserwählten", von denen Praetorius nicht nur die Förderung der Frömmigkeit und des Evangeliums, sondern auch eine sittliche Verbesserung ihrer Umgebung erwartet.
35 1584 zahlten unter den 940 registrierten Lutheranern in Antwerpen 22% hohe, 19% mittlere und 59% keine Steuern, vgl. Parker, Aufstand der Niederlande, 241. 36 U.a. am 13.5.1580. Darin baten sie um Prediger, "welche ... auch Bescheidenheit zu gebrauchen wüsten in den streitigen Artickeln", vgl. Lehnemann, Lutherische Kirche, 105107; Preger, Flacius, 11, 391. 37 Vgl. Lehnemann, Lutherische Kirche, 106. 38 Der Widmungsbrief ist in Salzwedel am 16.4. 1579 geschrieben worden, vgl. AA, 11, 382. Die Textausgabe von Boon, Prätorius, 37-82 gibt den Erstdruck von 1579 und die Abweichungen in den Amdtausgaben von 1622 und 1662 wieder. Boons Untersuchung ist abgesehen von einer biographisch-literarischen Einfiihrung rein sprachgeschichtlich orientiert. Seine Analyse ergibt einen mittel- und neuhochdeutschen Sprachstand. Bis auf einige Worterklärungen bietet Boonjedoch keine inhaltliche Interpretation.
116
Diese Schrift erfuhr bereits zu seinen Lebzeiten und noch einige Jahre später besondere Beachtung: 1596 erschien in Magdeburg ein niederdeutsches Gebetbuch39 von Joachim Mynsinger von Frundeck,40 in das zahlreiche Gebete aus dem Seefahrer Trost aufgenommen worden waren. 41 Konrad Schlüsselburg42 gab 1608 in Frankfurt a.M. diese Schrift unter dem Titel Fluctus et luctus marini in eigener Bearbeitung auf Wunsch von Praetorius neu heraus. 43 Kurz vor seinem Tod hatte Praetorius Schlüsselburg einige seiner Traktate zugesandt und ihn gebeten, sie zu korrigieren und zu erweitem. 44 Schlüsselburg bearbeitete die Schrift, indem er die Situation der Kaufleute stärker beachtete, die Abendmahlslehre im lutherischen Verständnis korrigierte, den Gottesprädikaten konsequent das Attribut "allmächtig" hinzufügte, das göttliche Wort stärker betonte und in der Eschatologie die futurische Dimension des Jüngsten Tages stärker herausstellte. Vor allem korrigierte er das Tauf- und Sündenverständnis des Praetorius durch lutherische Formulierungen. 45 Insgesamt adaptierte Schlüsselburg den Traktat im lutherischen Sinn. In der Amdtausgabe von 1622 ist dem Widmungsbrief ein lateinisches Gedicht vorangestellt, das die Gnade und Herrlichkeit Gottes im Unterschied zum Menschen herausstellt. Praetorius adressiert seine Schrift an junge Kaufleute und Schiffleute. 46 Der Traktat ist also nicht, wie der Titel vermuten lässt, allein auf Seeleute be39 "Ein Christlick vnde sehr schön Bedeboeck ... , s. SVZ. 40 Joachim Mynsinger von Frundeck (1514-1588), Studium Tübingen und Freiburg, Jurist in Basel, Speyer, Kanzler Wolfenbüttel1556, Privatgelehrter und politischer Berater 1573, vgl. Schumann, Joachim Mynsinger, 25ft: Sein "Christliches Betbüchlein" erschien erstmals 1566 in Wolfenbüttel, weitere Auflagen in Magdeburg 1582(?), 1584(?), 1590, 1595(?), 1600, 1605. Die niederdeutschen Fassungen Magdeburg 1596, 1598 und Lübeck 1611 enthalten die aus dem Seefahrer-Trost entnommenen Gebete fiir die "Seeuarenden vnde wanderslüde", vgl. Schumann, Joachim Mynsinger, 237f. Die Gebete wurden anderen, z.T. katholischen Gebetbüchern (Johann Wild u.a.) entnommen, vgl. Paul Althaus d.Ä, Gebetsliteratur, 166-119. 41 Die Behauptung Schumanns, Praetorius habe die Gebete Mynsingers seinem Seefahrer Trost "einverleibt" und dazu noch die eigentliche Verfasserschaft verschwiegen, ist nicht stichhaltig. Sie widerspricht auch dem Untertitel des niederdeutschen Gebetbuches: "genamen uth M. Stephani Praetorij Seuarer Trost", vgl. Schumann, Joachim Mynsinger, 158. Im Übrigen besteht das gesamte Gebetbuch Mynsingers aus einer Sammlung fremder Autoren. 42 Konrad Schlüsselburg (1543-1619), in Wittenberg relegiert wegen Angriffe auf Philippisten 1568, Magister Jena 1569, Prediger Königsberg 1574, Amtsentsetzung nach Streit mit Heshusius 1579, Vorlesungen über Rhetorik Melanchthons Universität Rostock 1580, Prediger Antwerpen 1581, Hofprediger Gadebusch 1582, Pastor Wismar 1583, Hofprediger, Diakon, Archidiakon ebd., Superintendent Stralsund 1594, vgl. Pyl., Art. Schlüsselburg, Konrad, ADB 31,606f. 43 "Jetzundt aber/ auff des Authoris schrifftliches Begehren mit schönen Christlichen Discursibus, Vnterredungen! Gebeten vnd tröstlichen Soliloquijs verbessert vnd vermehret.", Fluctus, l. 44 "Diß habe ich auff dißmahV auß des seligen Herrn M. Stephani Praetorij Seebüchlein/ widerholen wöllen! wie er denn! nicht lange fiir seinem seligen Christlichen Abschiede an mich geschrieben! vnnd mich gebetten seine Bücher zu vbersehen! zu corrigieren vnd zuvermehren", Fluctus, 153. Dieser Briefwechsel ist leider nicht mehr erhalten. In der Druckausgabe von den Briefen Schlüsselburgs wird Praetorius nicht erwähnt. 45 Im Folgenden wird auf die markanten Veränderungen am jeweiligen Ort hingewiesen. 46 AA, 11, 377f.
117
schränkt, sondern er behandelt auch die Frage, ob Kaufleute Christen sein können. 47 Ebenso wie in den lateinischen Schriften sind wieder junge Menschen speziell angesprochen. Gewidmet ist der Traktat den Mitgliedern des Hansekontors in Bergen (Norwegen), den Älterleuten (Vorsteher), Kaufleuten, Angestellten und Gesellen. 48 Praetorius hatte persönliche Kontakte zu einem Freund im Bergener Kontor, der ihm viel Gutes erwiesen hatte, dessen Name er jedoch nicht nennt. 49 In seinem Interesse für die Ausbreitung des Evangeliums habe er positive Nachrichten über die Bergener Gemeinde gehört: 50 Das Wort Gottes wird lauter und rein gepredigt, die fleißigen Gottesdienstbesucher versorgen ihre Prediger reichlich, das calvinistische Abendmahlsverständnis wird abgelehnt und die Obrigkeit ist zu loben. Mit der ihnen gewidmeten Schrift will Praetorius ihren edlen Vorsatz bekräftigen und ihnen "allerhand Lehre/ Vermahnung vnd Trost" darin vermitteln. Sein "Handbüchlein" empfiehlt er zur Lektüre auf dem Schiff oder "in ewren Stuben" an Sonntagen im Winter, wenn Zeit und Muße dazu iSt. 51 Solche "Gottseligkeit" gefällt nicht nur Gott, sondern das christliche Verhalten ihrer Kaufleute ist auch eine gute Werbung für die Hansestädte. 52 Praetorius erwähnt diesbezüglich Lübeck, Hamburg, Rostock, Wismar und Stralsund. Eine besondere Bitte um Regierung durch den heiligen Geist, Frieden, Glück und Seligkeit äußert er für den König von DänemarkINorwegen (Friedrich 11.)53 und Schweden (Johann 111.)54 und ihre "Bischoffe/ Doctores, Professores, Pastores, Ritter/ Häuptleute/ Edelleute/ Bürger vnnd Bawren/".55 Praetorius zeigt ein großes Interesse für die Ausbreitung des Evangeliums bzw.
47 Vgl. auch die Trostschrift an die Antwerpener, in der ebenfalls Gemeindeglieder aus dem kaufmännischen Bereich angesprochen wurden. Antwerpen war Hansekontor von 15531576. Möglicherweise wurde diese Frage aus Antwerpen an ihn gerichtet. 48 Vgl. AA, 11, 378. 49 Vgl. AA, II, 380. Die Namen der Sekretäre des Bergener Kontors um 1579 sind bekannt: Magister Werner Starcke, geb. in Lübeck, Studium in Rostock ab 24.1.1561, Sekretär im Hansekontor Bergen von 1568 bis 1579. Werner Schellenberg, Studium in Rostock ab Juni 1563, Sekretär vom 4.5.1579 bis 1584, vgl. Bruns, Sekretäre, 56-59. Ob es sich bei einem von beiden um den genannten Freund handelt, ist ungewiss. Die Sekretäre stammten in der Regel aus Lübeck und wurden von den Lübecker Älterleuten bestellt. Sie waren meist akademisch gebildet und blieben während ihres Bergener Aufenthaltes ehelos. Später gründeten sie häufig eine Familie und übernahmen ein geistliches Amt, vgl. Bruns, Sekretäre, 19. 50 "sondern auch darumb/ daß ich den Fußstapffen des heiligen Euangelij biß in ewer Land hinein mit meinen Gedancken offi nachfolge/ vnd daß ich von ewrem Gottseligen vnd auffrichtigen Wandel viel guts höre vnd erfahre.", AA, II, 380f. Von der Nachfolge der "Fußstapfen" Christi spricht I. Petr 2,21. 51 "nebenst andern heylsamen Schriffien! fein ördentlich vnd fleißig durchlesen", AA, II, 382. 52 "wie lieb es auch den Hense Städten ist! wenn sich ihre Kauffgesellen an frembden örtern fein Christlich vnd ehrbarlich verhalten.", AA, II, 382. 53 Friedrich 11. (1534-1588), König von Dänemark und Norwegen seit 1559, Herzog von Schleswig und Holstein, Krieg mit Schweden 1563-1570. 54 Johann III. (1537-1592), König von Schweden seit 1569. 55 AA, II, 382. 118
die Mission. 56 Norwegen, Island und Finnland sollen das Wort Gottes erhalten bleiben,57 Grönland,58 Russland und die Tartarei59 werden es noch erreichen. 6o "Wie man denn insonderheit vom Ißlandel Schweden vnd Norwegen sagt ... daß sie als Violen vber das gantze Landt riechen".61 Daher betrachtet er sein Schreiben und Lehren nicht als nutzlose Tätigkeit, auch wenn eine sittliche Verbesserung der Welt nicht sichtbar wird. 62 Unter Bezug auf Sir 26,28-27,1 63 beantwortet Praetorius Fragen nach der Vorbereitung eines Kaufmannes auf eine Seefahrt, nach dem Verhalten von Matrosen auf See und nach dem Trost in gefahrlichen Situationen. Im Unterschied zu den "Widerteuffer(n)"64 bejaht Praetorius die Gewissensfrage, ob ein "getaufftes vnd heiliges Gottes Kind" ohne Nachteile :für die eigene Seligkeit Seehandel treiben könne. Allerdings solle man sich davor hüten, seinen Nächsten zu übervorteilen. 65 Verfälschte und verdorbene Ware dürfe 56 Vgl. dazu auch das Missionsinteresse Philipp Nicolais, dessen Kenntnisse u.a. auf der Lektüre von geographischen Schriften und Reiseliteratur beruhten, vgl. Brecht, Nicolai, 173f. Nicolais Abriss der Missionsgeschichte fmdet sich in seiner Schrift "De regno Christi, Frankfurt a.M. 1597", vgl. dazu HeB, Missionsdenken. 57 Die Einführung der Reformation auf Island und die Mission wurde insbesondere von den dänischen Königen Christian III. (1534-1559) und Friedrich 11. gefordert. Zur Zeit Nicolais studierten zahlreiche isländische Theologen in Rostock. Nicolai betrachtete die Mission auf Grönland 1607 als beendet, vgl. HeB, Missionsdenken, 138-140. Die Lappemnission erfolgte durch die Schweden. 58 "dem Gronlande/ darauff man ja zu zeiten schiffen sollte/", AA, 11, 382. Am Ende des 16. Jh.s wurde Grönland wieder von Seefahrern angelaufen, nachdem es lange Zeit in Vergessenheit geraten war. 59 Russland wurde zu dieser Zeit von Iwan IV. Wassiljewitsch ("dem Schrecklichen") regiert. Iwan IV. (1530-1584), Zar seit 1547. Seit 1552 kamen ausländische Handwerker (Buchdrucker), Kaufleute und Söldner nach Russland. Im Livländischen Krieg wurden litauische Städte umgesiedelt, so dass auch evangelische Pastoren nach Moskau kamen, vgl. Stupperich, Art. Rußland III., RGG3, 5,1247-1251. 60 "Der liebe Gott! der das Liecht seines Worts den femen Landen! als Norwegen! Ißlande/ vnd Finnmarchen geben! der wolle sie ja gnädiglich dabey erhalten! Vnd es dem Gronlande/ ... Iteml dem Rußlande vnd Tartarien auch gnediglich verleihen! vns sattsamen aber gleichwol desselbigen nicht berauben.", AA, 11, 382. 61 AA, 11, 380. 62 "so wissen wir doch ... daß trewliche Vermanungl im Geiste Gottes/ vnd aus Liebe des Nehesten geschehen! bey den Außerwelten nit ohn frucht abgehen! wie nehrlich auch solche früchte bey den Leuten gespüret werden.", AA, 11, 379. 63 Jesus Sirach wird als "der heilige vnnd hochgearte Scribent" bezeichnet, sein Buch sollte man, in Gold gefasst, stets bei sich tragen, vgl. AA, 11, 378. In einer "Seepredigt fiir junge Gesellen! aus Jesu Syrach", AA, 11, 440-444, stellt Praetorius nach Themen ausgewählte Mahnungen zusammen. Über Jesus Sirach hatte David Chytraeus in Rostock gelesen und einen Kommentar veröffentlicht. 64 Schlüsselburg, Fluctus, 5 zieht das erste Kapitel aus dem "Seefahrer Trost" in seine Widmung an die Kaufleute in Stralsund (3.l1.1604) und formuliert seine Frage als Teil seiner Auseinandersetzungen mit Wiedertäufern während seiner Zeit als Prediger in der lutherischen Gemeinde in Antwerpen von 1581-1582. An die Stelle des ersten Kapitels setzt er einen eigens formulierten Abschnitt über den Stand und Beruf der Kaufleute, vgl. Schlüsselburg, Fluctus, 25-33. 65 Schlüsselburg, Fluctus, 8, zählt einige Methoden auf: kurze Ellen, kleine Gewichte, ungleiche Scheffel, falsche Maße. Häufig wird Ware an feuchte Orte gestellt, damit sie schwerer
119
auch von Bäckern, Brauern und Handwerkern nicht weiterverkauft werden. Offensichtlich hatte Praetorius konkrete Missstände vor Augen. Weil jedoch Handel zum Leben notwendig ist, sollen Christen wissen, dass er "per se liciturn" und von Gott zugestanden ist, so lange man nicht gegen die "billigkeit", sein Gewissen oder die christliche Liebe verstößt. 66 Praetorius empfiehlt den Lesern, sich dieses lateinische Zitat von gelehrten Studenten übersetzen zu lassen und verbindet dies mit einer Bitte um Unterstützung fiir Studenten. 67 Der allgemeine Nutzen des Kaufhandels ist fiir Praetorius unbestritten, er sieht jedoch auch noch eine andere Möglichkeit. Durch die Schifffahrt entstehe eine Art "ökumenischer Gemeinschaft": Weil Gott "einem ort nicht alles gegeben! auff das also die Leute aus femen Landen möchten zusammen kommen! Brüderschafft vnd gemeinschafft miteinander halten! vnnd einer dem andern das liebe Liecht Göttlichs W orts/ nebens dem zeitlichen mittheilen. "68 In der Vorbereitung auf die Seefahrt soll der Kaufmann auch mit seinem eigenen Tod rechnen. Deshalb rät ihm Praetorius, sich zuvor mit dem Bruder zu versöhnen, Absolution und Abendmahl zu empfangen und die Kinder zu segnen. Wahre Reue ist trotz der in der Taufe geschehenen Reinigung wegen der "nachstelligen Sünde" notwendig. 69 Praetorius formuliert ein Mustergebet, in dem er um die Aufrechterhaltung des göttlichen ewigen Gnadenbundes angesichts seiner Sünde bittet. Er schließt mit dem Vorsatz: "Ich will mich gern bessern."70 Beichte und Absolution werden von Praetorius besonders ge-
wird oder Tücher werden in dunklen Räumen ausgemessen, vgl. Fluctus, 28. Besonders verwerflich ist die mutwillige Teuerung durch absichtliches Zurückhalten von Waren. 66 AA, 11, 387. Dazu zitiert er aus Melanchthons "Ethicae doctrinae elementa et enarratio libri quinti Ethicorum (sc. Aristotelis)" (Erstausgabe Wittenberg 1550, CR 16, 165-276), in der dieser die "aequalitas" von Ware und Preis zur Grundlage der dem Menschen notwendigen "communicatio" erklärt. 67 "Vnnd diß sol ein Vrsach mit sein! warumb vermügene Leute fromme vnd fleissige Studenten gern bey sich vnd an ihrem Tische sollen haben! nemlichl auff daß sie ihnen die Lateinische Wörter vnd Sprüche/ so sie hin vnnd wider in gelahrter Leute Schriffien fmden! mügen fein deutlich erklären.", AA, 11, 388. Praetorius spielt hier offensichtlich auf die Praxis der "Freitische" fiir Studenten und Schüler an, die es auch in Salzwedel gab. 68 AA, 11, 389. Für Praetorius ist die Seefahrt also nicht nur ein notwendiges Übel oder gar den Christen verboten, sondern in nahezu ökumenischer Perspektive sieht er die Möglichkeit zu einer länderübergreifenden Gemeinschaft. 69 Das getaufte Gotteskind hat zwar den festen Vorsatz, nichts gegen Gottes Willen zu tun, aber da dies nicht möglich ist, rät Praetorius, dass man "auff einen jeden sündlichen blick! insonderheit aber/ auff einen jeden groben fall/ in wahrer Demuth vnnd rewe zu Gott seuffze/ vnnd ihn bitte/ daß er vrnb solcher angebornen vnnd vnvermeidlichen vnart willen! mit vns armen Würmlein nicht wolle zürnen! biß wir einmahl in ein ander vnnd besser Leben gerahten.", AA, 11, 393. Auch hier zeigt sich wieder das Bemühen des Praetorius, die Bedeutung der Sünde fiir die Gläubigen zu verringern. Die Erbsünde stellt er als "vnart" dar. Schlüsselburg, Fluctus, 41, streicht die lange Passage über die Sünde. Statt dessen nennt er kurz die Sünde gegen die Gebote und die Bitte um die Vergebung. 70 Schlüsselburg, Fluctus, 41f, erweitert das Gebet um ein ausfiihrliches, an Luthers Beichtgebet orientiertes Sündenbekenntnis. Insbesondere das Verständnis der Erbsünde wird korrigiert. Sünde wird als Verstoß gegen die zehn Gebote konkretisiert.
120
schätzt. 7l Um das Vertrauen der Seeleute in Gottes Schutz zu stärken, stellt Praetorius einen "Trostspiegel" biblischer Zusagen vor Augen: Christus ist der "Episcopus" und "Salvator", Herr und Gott, guter Hirte, "Nauclerus, oder der Stewermann selber", "Gubernator", "Magister ad salvandum", "Nothelffer", "salvator in oportunitatibus", "protector vitae meae".72 Ein solches Vertrauen erfreut ChristuS. 73 Der Trost der Seeleute sind die Verheißungen der Gegenwart und Hilfe Christi (Jes 41,10; 43,1). Man kann die Seefahrt eine "Academia divinae sapientiae" nennen. 74 Ein weiterer Trost für die Seeleute sind die biblischen Beispiele göttlicher Hilfe "in eussersten Wassersnöten",75 Anschaulich beschreibt Praetorius das Verhalten der Seeleute bei Schiffbruch,76 Den Untergang eines Seefahrers betrachtet Praetorius nicht als das Ende der Gnade Christi, sondern als Eingang der Seele in die Freude des ewigen Lebens. Dass der Tod auf dem Wasser auf Grund der Vorsehung Gottes geschieht, belegt Praetorius mit einem Zitat aus dem Hiobkommentar (Hi 14,5) von Johannes Brenz,77 Vor Walfischen und anderen "Meerwundern" soll man sich nicht ängstigen, weil Christus den ganzen Menschen wieder auferstehen lässt (Ez 37). Der Märtyrer Ignatius ist ein Beispiel solcher Furchtlosigkeit, indem er sich als Gottes Weizenkorn bezeichnet, aus dem ein reines Brot Christi entsteht. 78 In einem Gebet für Seefahrer vor dem Untergang bittet Praetorius um eine "fröliche Aufferstehung".79 Dass er nicht nur die Seeleute, sondern auch ihre Familien im Auge hat, zeigt Praetorius, wenn er den Witwen und Waisen Trost zuspricht,80 Praetorius übt an der gängigen Rechtspraxis Kritik,
7l "Ist doch einem Menschen nach geholter Absolution nicht anders zu muthe/ als wenn er bey GOtt im hohen Himmel gewesen! vnd mit seiner Mayestet selbst geredt hette. Es lachet ihm offt das Hertz von frewden im Leibe", AA, 11, 395. 72 AA, 11,402--405. 73 "Es lachet ihm das Hertz im Leibe für frewden! wenn er sihetl daß man ihm in nöten von Hertzen trawetl vnd in solchem vertrawlichen Glauben fein frölich beharret.", AA, 11, 405. 74 AA, 11, 408. . 75 AA, 11, 409. "was meinestu/ solte er dich auch nicht können etwa auff dem Rigischen Boden oder auffder Spanischen See erhalten?", AA, 11, 4lO. 76 "Wie beklagt man sein junges Leben! vnnd seine armen Kinder? Wie losset man das Schiff'? Wie pfiltzet man? Wie vernegelt man die Rissen?", AA, 11, 413. 77 Johannes Brenz, Hiob cum piis et eruditis commentariis, 1527, vgl. Köhler, Bibliographia Brentiana. Zur Hiobauslegung von Brenz vgl. Brecht, Die frühe Theologie des Johannes Brenz, 153-172. Die "merekliehe glossam vnd Erinnerung" des "hochgelerte(n)" Brenz soll "man wol behalten", AA, 11,422--424. 78 "Frumentum ego sum Dei, Bestiarum dentibus molior & subigor, ut panis mundus efficiar Christo.", AA, 11, 427. Die Ignatiusbriefe wurden 1578 erstmals von Martin Moller aus der griechischen Erstausgabe übersetzt, vgl. Axmacher, Moller, 94-97; 343. Interessant ist das nahezu zeitgleiche Interesse filr diese Schrift. 79 AA, 11, 427. Schlüsselburg ergänzt hier und an vielen anderen Stellen die futurische Komponente: "am jüngsten Tage". 80 Ihre Situation ist Anlass filr eine weitere Schrift, die Praetorius bereits ankündigt. Sie erscheint ein Jahr später unter dem Titel "Widwen Trost", s. SVZ. An diesem Hinweis lässt sich bereits etwas von der Entstehung der Traktate erkennen. Sie sind keine theoretischen Abhandlungen, sondern Gelegenheitsschriften, die aus einer konkreten Situation heraus entstehen. 121
die die Witwen nicht vor der Vertreibung aus ihrem Haus, vor Unrecht und Beleidigung schützt.8 1 In seinem "Gesprech Junger Gesellen"82 mahrJt er, keine unzüchtigen Gespräche zu fuhren, sondern "von Christlichen! ehrlichen vnd lieblichen Sachen" fröhlich miteinander zu sprechen.83 Getaufte Christen haben den Eid geschworen, gerecht und heilig zu werden. Als Gesprächsthemen empfiehlt Praetorius die Wohltaten, die Gott Deutschland geschenkt hat. 84 Er erinnert die glücklich heimgekehrten Seefahrer und Kaufleute daran, Gott für den Schutz durch Gebet und Opfer für Kirchen und Schulen zu danken. Der "Seefahrer Trost" zeigt das Interesse des Praetorius für die Ausbreitung des Evangeliums und die Möglichkeiten, die sich durch die europäischen Handeiskontakte der Kaufleute für die Mission ergaben. Er entwickelt dabei einen weiten Horizont, der vermutlich durch seinen Rostocker Aufenthalt wesentlich gefördert wurde. Die Kaufleute werden zu ehrlichem Handel ermahnt, aber ihr Beruf wird nicht grundsätzlich abgelehnt. Im Hinblick auf die Seefahrenden werden verschiedene Gefahrensituationen durchdacht und seelsorgerliche Anleitung zum Verhalten gegeben. Die Gebete sind situations bezogen formuliert. Insgesamt zeigt die Schrift Verständnis und Einfühlungsvermögen für die Lage der Seefahrenden. Seelsorgerliche Hilfe und ethische Ermahnung sind in ihr eng miteinander verknüpft. Die Ausrichtung auf junge Seefahrende ist sozialgeschichtlich interessant. Sie resultiert vielleicht nicht nur aus dem katechetischen Interesse des Praetorius, sondern gibt auch einen Hinweis auf die Alterstruktur der Seefahrenden zu seiner Zeit. Die Schrift ist eine anschauliche und situationsbezogene Umsetzung seiner Theologie für Kauf- und Seeleute. Sie gibt erfahrungsbezogene Ratschläge für die Vorbereitung und Durchführung einer Schifffahrt.
2.3 Trostschriften an Witwen und Waisen
"Allen betrübten Widtwen"85 widmet Praetorius seinen Witwen Trost (Tr. 55, Frühjahr 1580),86 dem eine "Trostpredigt für betrübte Eltern! denen ihre Neue Themen und Fragestellungen, die sich bei der Abfassung einer Schrift ergeben, werden dann häufig in einer der folgenden Schriften aufgegriffen. 81 "weil die Richter vnd Oberherren dieser Welt! ihrem tragenden Ampt nach! der armen Witwen sich zu weilen wenig annehmen", AA, 11, 428. 82 AA, 11, 436. 83 AA, 11, 437. 84 Wort und Sakrament, Abscheu vor den Häretikern, Schulen, begabte Wissenschaftler, "züchtige Hertzen", schamhafte Frauen, kampferprobte Helden, Künstler, eine reisefreudige Jugend, gesunde Luft, ungefährliche Tiere, genügend Lebensmittel und einen florierenden Handel mit zahlreichen Ländern, so dass man Deutschland als ein "Emporium totius mundi" bezeichnen kann, AA, 11, 439. Zwischen 1550 und 1600 hat sich das Handelsvolumen im Warenumschlagplatz Deutschland verdreifacht, vgl. Zeeden, Hegemonialkämpfe, Propyläen Bd. 2, Frankfurt a.M. 1977. 85 AA, 11, 591. 86 Salzwedel, am Tag des Bischofs Gregor (d.Gr.), d.h. am 12.3.1580, vgl. AA, 11, 593.
122
Kinderlein abgestorben sind" beigefügt war. Diese Predigt hatte sein Freund Christoph Wickmann87 für die am 14.1.1571 verstorbene Tochter des Magdeburger Dompredigers Siegfried Sack88 gehalten. Ziel seiner Schrift ist die Vermittlung des Trostes des Evangeliums, den Praetorius auf diese Weise in die Häuser bringen will.89 1586 wurde der Witwen Trost in niederdeutscher Fassung zusammen mit einer ebenfalls niederdeutschen Schrift von Georg Rhau für bedrängte Witwen herausgegeben. 1598 veröffentlichte der hessische Hofprediger Nikolaus Schenck erneut den Witwen Trost des Praetorius zusammen mit einer Trostschrift für Witwen von Joachim Magdeburg90 aus Gardelegen von 1553. Magdeburg hatte seinen Traktat zunächst den Christen in Antwerpen, dann den Witwen in Hamburg gewidmet. 91 Der Witwen Trost (1598) war der Herzogin Hedwig von Braunschweig und Lüneburg, der Witwe von Herzog Julius und ihrer Tochter Sophia Hedwig, Herzogin zu Stettin und Pommern, gewidmet. 92 Letztere gab Schenck den Auftrag zur Veröffentlichung und zur Übertragung der Praetoriusschrift in die meisnische Sprache. Schenck stellte besonders die Einrichtung eines "Witwenkastens" für Predigerwitwen durch Herzog Julius heraus. 87 Vgl. AA, 11, 593, Predigi AA, 11, 627--645. Christoph Wickmann (Wichmann, Weickmann) (1535-1589), Schule Magdeburg 1554, Studium Wittenberg 1558 u.a. bei Melanchthon und Eber, Diakon St. Jakobi Magdeburg, Diakon Magdeburger Dom 1567, vgl. Holstein, Altstädtisches Gymnasium, 73. 88 Siegfried Sack (1527-1596), Stadtschule Magdeburg 1543-45, Studium Wittenberg (bei Melanchthon) und Jena (u.a. bei Erhard Schnepf, Johannes Stigel und Victorin Strigel), Lehrer in Nebra, Konrekior Lateinschule Magdeburg 1554, Nachfolger ebd. von Abdias Praetorius 1557, als Domprediger in Magdeburg 1567 zusammen mit Christoph Wickmann, eingefUhrt, vgl. Janicke, Art. Sack, Siegfried, ADB 30, 161; Ulhnann, Art. Magdeburg, TRE 21, 684. Sack, der offensichtlich zu den Melanchthonianern gehörte, berief u.a. den Philippisten Gallus Dressler als Kantor nach Magdeburg, vgl. W.M. Luther, Gallus Dressler, 34-36. In Magdeburg gab es seit Mitte der 50er Jahre erhebliche KonflikJe zwischen dem melanchthonisch geprägien Schulkollegium und der gnesiolutherischen Geistlichkeit (Matthias Flacius Illyricus; Tilemann Heshusius), vgl. W.M. Luther, Gallus Dressler, 49f, die dazu fiihrten, dass Sack Majorismus, Adiaphorismus und Synergismus vorgeworfen wurden. 89 Aus dieser Schrift geht hervor, dass Hausbesuche fiir Praetorius nicht ungewöhnlich waren, aber offensichtlich nicht von allen gern gesehen wurden, AA, 11, 592. Der Besuch in den Häusern ist zwar ein Gottesdienst, ist jedoch auch Verdächtigungen ausgesetzi und nicht jedermanns Sache. Deshalb soll man sich auf öffentliche Trostpredigien beschränken, vgl. AA, 11,622. 90 Joachim Magdeburg, 1525-1587, Diakon Salzwedel 1549, Hamburg 1552, Magdeburg 1558, Musiker, vgl. Forna~on, Art. Magdeburg, Joachim, RGG3 4, 595; Danneil, Kirchengeschichte 1,307. 91 "Erstlich den verdrückten Christen zu Antorff zu gut angefangen vnd disponiret, vnd hernacher allen frommen vnd Christlichen Witwen zu Hamburg zu troste zugeschrieben.", Witwen Trost" (1598). 92 Herzogin Hedwig (1540-1602), geb. Markgräfin zu Brandenburg, Tochter von Kurfiirst Joachim 11. (1505-1571) von Brandenburg, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg, seit 1560 verh. mit Herzog Julius (1528-1589) von Braunschweig und Lüneburg. Sophia Hedwig, geb. 1561, Tochter von Herzogin Hedwig, Herzogin zu Stettin, Fürstin zu Rügen, verh. mit Herzog Ernst Ludwig (gest. 1592), vgl. Anemüller, Art. Philipp Julius, ADB 26,37-43. 123
In seiner Schrift beantwortet Praetorius allgemeine Fragen nach dem Verhalten von und gegenüber Witwen. Die katechetische Form von Frage und Antwort zeigt das Bemühen um Verständlichkeit. Er beschreibt anschaulich die Not, in die Witwen durch den Tod ihres Ehemannes geraten. 93 Dabei zeichnet er sich durch eine realistische Kenntnis ihrer Situation aus, die häufig von Armut, Schulden und dem Verlust gesellschaftlicher Anerkennung geprägt war. 94 Die Ursachen lagen im sächsischen Erbrecht begründet. Danach musste die Witwe im Wesentlichen von dem existieren, was sie als "Morgengabe" mit in die Ehe gebracht hatte. Interessant ist der Hinweis auf die Situation der Pastorenwitwen und der adligen Witwen. Letztere lagen Praetorius besonders am Herzen. Das zeigt auch die kleine undatierte Schrift Witwen Röseleinl Einer hohen Adelichen Personen zum Trost gesamletl Aus dem Lustgarten Gottes. 95 Von Praetorius unterzeichnet, enthält sie Bibelstellen, in denen die Trauer und Angst ebenso ausgedrückt sind wie die Reinigungsfunktion des Leides und die Hoffnung auf den Tröster, die Freude und die ewige Herrlichkeit. Von adligen Frauen wurde Praetorius offensichtlich auch finanziell unterstützt. 96 Den eigentlichen Trost sieht Praetorius in der Beantwortung geistlicher Fragen: Warum macht Gott Witwen? Die Gründe, die Praetorius anfuhrt, haben eine unterschiedliche Zielrichtung. Trost findet Praetorius in einem Prädestinationsglauben. Das Kreuz ist ein sicheres Zeichen ("Gnadenzeichen") fiir die Gotteskindschaft. Durch das Kreuz geschieht eine Reinigung von den Lüsten des alten Adam, so wie wilde Reben mit dem Schneidmesser abgetrennt werden (Joh 15). Praetorius zeigt hier Ansätze zu einer bernhardinischen Brautund Leidensmystik, von der auch Luther geprägt war. Durch den Tod des Mannes entsteht der "rechte himmlische Ehestand" zwischen Christus und seiner Braut, der Seele. 97 Die Liebe, das Vertrauen, Seufzen und Gebet der betrübten Seele, die zu Christus kommt, ist von irdischer Liebe geläutert und mit göttlichem Vertrauen geschmückt. 98 Praetorius bindet den Gedanken der "unio" hier ganz eng an die Erfahrung des Leidens. In dieser "unio" liegt der 93 Die Toten sind bei Gott verwahrt. Dass sie nicht verloren, sondern nur vorausgeschickt sind, belegt er mit einem Zitat aus Cyprian, De mortalitate, CChrSL, III A, Pars 11, 20,336341. 94 "Da mus offt ein frommes Weib in ein armes Nest einkrichen! welches zuvor in einem grossen palatio, vnnd auff einer grossen Burg gewohnet hat", AA, 11, 597. 95 AA, 11, 645. Praetorius greift mit diesem Titel das Motiv der Blume aus dem Paradiesgarten Gottes wieder auf. Wem diese Schrift gewidmet war, lässt sich nicht rekonstruieren. 96 Vgl. z.B. die Donation von Anna von Wenckstern, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1, 243f. 97 "Eine arme/ betrübte vnnd trostlose Seele kreucht in ihren Nöthen zu Christo/ sie vereiniget sich mit Christo in gros sem Vertrawen vnd in grosser Liebe/ sie henget vnd klebet an Christo vnaufflößlicher Weisel vnd so viel desto fester/ so viel grösser die Noth ist.", AA, 11,605. 98 "Da ist denn die Seele von jrdischer Liebe geleutertl vnnd mit Göttlicher Liebe vnd Vertrawen angethan vnnd gezieret. Da ist sie am aller schönsten! daß ihr beyde Christus ihr lieber Breutigam/ vnd alle heilige Engel von Frewden zulachen.", AA, 11, 605.
124
eigentliche Trost begründet. Denn durch den Verlust des irdischen Trostes "hungert den Menschen nach Göttlichem Troste/ der kan denn auch zu ihm kommen! vnd ihm sein Hertz durchzuckern. " Christus nimmt die betrübte Seele an, "vmbfenget sie hertzet siel küsset siel wird ein Leib mit ihr/ vnd thut ihm woll daß er sich mit ihr vereinigen möge/" (Hos 2,21).99 Er teilt mit der Seele seine Kraft, so "daß sie nichts anders in sich fühlet vnd schmecket denn eitel Liebe/ eitel Trost! eitel Friede/ eitel Frewde vnd Leben Christi". 100 Praetorius verbindet diesen Gedanken mit einer Kritik am Verhalten vieler Frauen in ihrer Ehe: Durch ihre Heirat ist der Mann zum "Abgott" geworden, so dass sie ihre "Gottseligkeit" vernachlässigt haben. 101 Der Tod des Ehemannes kann jedoch auch die Erlösung von einem menschlichen Tyrannen bedeuten (vgl. I Sam 25). Praetorius kritisiert die Praxis der Eheschließungen, die nur nach materiellen Gesichtspunkten erfolgen. Die Frauen, die nach geltendem Recht in der Erbfolge übergangen werden, sind meist die Leidtragenden.1 02 Aufgabe der Obrigkeit ist der Schutz der Witwen und Waisen vor Rechtsbeugung und Gewalt. "Fromme Lehrer" sollen das öffentliche Predigt- und Trostamt ("ministerium consolationis et vitae") ausüben. 103 Erneute Heirat ist jungen Witwen nicht verboten. Die Argumentationsweise von Praetorius ist nicht ganz einlinig. Ethische, consolatorische, mystische und rein praktische Argumente verschränken sich miteinander. Höhepunkt seiner Argumentation sind jedoch ganz eindeutig die theologischen Aussagen über die unio cum Christo, die eng mit der Leidenserfahrung verknüpft ist. 104 Geistliche Freude auf der einen Seite, maßvolle Trauer und Demut auf der anderen Seite sind die angemessenen Reaktionen der Witwe auf den Tod des Mannes. IOS Schließlich fehlt auch nicht der Hinweis auf das Paradies und die Auferstehung. Dort "wird eine Engelische vnd reine Liebe vnter jhnen seyn".106 Problematisch erscheint der Sündenbegriff: Praetorius spricht nicht von Sünden, sondern von "Gebrechen", die von Christi Vollkommenheit übertroffen werden. 107
99 100 101
AA, 11, 605. AA, 11, 606. "Ich habe gesehen! das Frawen! welche zuvor in ihrer Jungfrawschafftl die aller GottseIigsten waren! bey ihrem Ehestande gar Gottlos geworden! Also/ das sie Gottes/ seines Wortes/ seiner Sacrament! des lieben Gebets wenig geachtet haben.", AA, 11, 604. 102 "Denn sie haben in ihren gros sen Heusern nichts anders denn schwere Arbeit! Vnlust! ein stücklein Brodts/ ein hauffen Kinder/ hertzleid vom manne vnd ein kurtzes Leben. Denn was sie vom Manne geerbet haben! ist nicht ihr/ sondern seiner Kinder vnd Erben.", AA, 11, 607. 103 AA, 11, 622. 104 Eine weigelianische Redeweise vom "hinunlischen Fleisch Christi" ist jedoch nicht zu erkennen, vgl. Repo, Unio in der Theologie Amdts, 261-269, der für Amdt einen solchen Sprachgebrauch feststellt. 105 Er übt Kritik am übermäßigen "heulen! ruffen vnnd toben" einiger Adliger und "vornehmer Matronen", AA, 11, 609. 106 AA, 11, 616f. 107 "Denn sind wir gebrechlich! so ist Christus vollkommen! vnnd seine Vollkommenheit ist nicht allein sein! sondern auch vnser.", AA, 11, 612.
125
Das Thema "Witwen" wurde von Praetorius bereits im "Seefahrer Trost" angesprochen. Auffällig ist, dass er vor allem Witwen aus dem Adel, Bürgertum und von Pfarrern im Blick hat. Seine Schrift beschränkt sich nicht nur auf den geistlichen Trost, sondern mahnt auch zu einem fairen Umgang mit den Witwen in ihrer ungünstigen Rechtsposition. Die Kritik am sozialen Unrecht gegenüber den Witwen verbindet sich mit einer ausgesprochen positiven theologischen Bewertung ihres Standes, die im Gottesbild ("Deus iudex viduarum et pater orphanorum") begründet ist. Die Schrift zeigt, dass die weitreichenden Aussagen über die unio cum Christo in einer Leidensmystik verwurzelt sind. 2.4 Trostschriften an Kranke und Sterbende
Neben den Witwen und Waisen gehören fiir Praetorius die Kranken und Sterbenden zu den Auserwählten Gottes. Die Betreuung der Kranken fand nicht nur in den Häusern, sondern auch in den Hospitälern statt. Zu den pastoralen Aufgaben von Praetorius gehörten auch die Gottesdienste in der Kapelle des Hospitals St. Elisabeth108 in der Salzwedeler Neustadt. Am 10.10.1580 hielt Praetorius den dortigen Patienten l09 eine Predigt Von der neuen Krankheit (Tr. 51) über Ps 68,20f, in der er fiir das Ende einer verbreiteten neuen "Heupt vnd Brustkranckheit"110 dankte. Nachdem die Zuhörer um eine Abschrift dieser Predigt von Praetorius gebeten hatten, entschloss er sich Ende Oktober zum Druck. I II In dieser Predigt dankt Praetorius dafiir, dass an der neuen Fieber- und Brustkrankheit, die mit Angstschweiß und Weinen verbunden war und an der auch er selbst erkrankt war, nur wenige Personen gestorben sind. Er beantwortet die Frage, warum Gott die neue Krankheit geschickt habe, die sich als Seuche über ganz Europa erstrecke. ll2 Die medizinische Erklärung der Seuchen durch Hippokrates will Praetorius "in seinen wirden bleiben" lassen. 113 Er will
108 Das Hospital St. Elisabeth wurde 1427 gestiftet und diente der Aufnahme Armer und Kranker. Die zwölf aufgenommenen Personen wurden in der Regel vom Diakon der Katharinenkirche besucht. Vgl. Zahn, Armen- und Krankenpflege, 69-72. 109 AA, 11, 473. 110 "newen Feber vnd Brustkranckheit", AA, 11, 474. Dabei handelt es sich vermutlich um ein Fleckfieber (exanthematischer Typhus), verbunden mit Grippe und Bronchitis, vgl. Woehlkens, Pest, 44. An dieser Krankheit starben im ca. 40 km entfernten Uelzen zwischen Oktober und Dezember 1580 28 Personen, vgl. ebd., 45, so dass eine epidemische Ausbreitung nach Westen zu vermuten ist. 111 Der Widmungsbriefwurde am 30.10.1580 unterzeichnet, vgl. AA, 11, 476. Die Schrift ist den Ratsmitgliedern und Bürgern der Neustadt, Joachim Götze (Goetze) und Johann Buntemeier gewidmet, die als besonders gute Freunde, gottselige und fromme Leute bezeichnet werden, vgl. AA, 11, 473. Praetorius begründet die Dedikation mit ihrer wohlwollenden Haltung zum Wort Gottes und zum Predigtamt und dankt ihnen filr Wohltaten, die er von ihnen empfangen hat. Buntemeier legierte in seinem Testament vom 29.1.1616 400 Taler filr Arme, Schüler, den Diakon und die Orgel der Neustadt, vgl. Danneil, Kirchengeschichte 1,246. 112 AA, 11, 479. 113 AA, 11, 474. 126
eine theologische Erklärung :für die Ursachen der Seuche geben. 114 So nennt er sie eine "Ruthe vnd Warnung Gottes", eine "grosse vnnd general Bußpredigt" wegen der großen Sünde und Sicherheit. 115 Für die Kinder Gottes ist die neue Krankheit nicht Strafe, sondern eine von Gott auferlegte Last (Ps 68,20).116 Gottes "Ausbund" werden die schwersten Bürden zugemutet. 117 Die Krankheit wird als eine Prüfung und Läuterung ihres Glaubens verstanden, die auch mit einer Sehnsucht nach dem ewigen Leben verbunden sein kann: "Immer her lieber Todtl vnnd Jüngster Tag/ vnd führet mich ins ewige Leben."118 Die Gläubigen werden mit den Engeln verglichen. 119 Gottes Gnade (Röm 5,5) ist fiihlbar, so dass aus ihr die Freude entsteht. 120 Der göttliche Trost nach dem erfahrenen Leiden ist anschließend um so süßer. 121 Praetorius dankt :für die Errettung von der neuen Krankheit, aber im Bewusstsein, in den letzten Zeiten zu leben, rechnet er mit weiterem Unglück und bittet um ein baldiges Kommen Christi. Auch diese Schrift zeigt den engen Zusammenhang zwischen einer Leidensmystik und einer äußeren Krisensituation, die durch eine Krankheitsepidemie gekennzeichnet ist. Auffa1lig ist die ekklesiologische Zuspitzung auf die Auserwählten, die durch ihre Leidenssituation qualifiziert sind. Während die einen die Krise als Strafe und Rute Gottes verstehen, ist sie :für die anderen ein "Gnadenerweis" Gottes. Der Leidenssituation entspricht die fiihlbare Erfahrung von Gnade, Freude und Trost. In einem see1sorgerlichem Gespräch mit Kranken und Sterbenden (Kranken Trost, Tr. 52) beantwortet Praetorius häufig vorkommende Fragen seiner Predigthörer und -leser nach dem Umgang mit Krankheit und Schuld. Diese Trostschrift aus dem Jahr 1593 122 ist wiederum den auserwählten Heiligen gewidmet, die die Gaben des heiligen Geistes in körperlicher Not und geistlichen An114 "lch aber/ wie ein Studiosus Theologiae, hab mich in dieser Predigt schlecht auff Gott! als auff die principal vnd Häuptursach referiert", AA, II, 475. 115 AA, II, 475; 480. 116 AA, II, 477. Dieses "heilige Kreuz" kann in Armut und Schulden, Krankheit und Schmerzen, Hass und Verfolgung bestehen. 117 "Denn Gott hertzet die seinen also/ daß ihnen der Angstschweiß außbricht! vnnd die Augen vbergehenl vnd daß sie es fühlen ihr lebelang.", AA, II, 479. 118 AA, II, 484. 119 AA, II, 490. 120 Praetorius vergleicht die Gnade mit "Zucker vnd Malvasier" (AA, II, 493), einem süßen Wein. 121 "Denn wer nicht weiß was bitter ist! der verstehet auch nicht was süsse ist ... Vnd ist ein Zeichen sonderlicher Gnade vnd künfftiges Trostes/ wenn Gott dis Fest vnd Spiel mit einem anhebt.", AA, II, 493. 122 Der nicht genannte Drucker ist vermutlich Michael Kröner in Uelzen. Ein separater Nachdruck erfolgte 1672 durch den Drucker Andreas Güssow in Stendal. Gewidmet war dieser Nachdruck adeligen Jungfrauen des Klosters Neuendorf. Güssow verstand den Traktat als Trost fiIr Kranke und zur Vorbereitung des Verhaltens in späterer Krankheit. Boon, Prätorius, 82-112, bes. 24f, druckt den Text nach der Originalausgabe von 1593 (Exemplar aus der LB Hannover) ab und verweist auf die Änderungen der beiden ersten Arndt-Ausgaben. Er verfolgt ein primär sprachgeschichtliches Interesse. 127
fechtungen gebrauchen wollen.l 23 Sie erfahren besonders die Gnade Gottes. Praetorius sieht in der Krankheit auch einen pädagogischen Nutzen: Gott führt in die "Zuchtschule", um Gebet und Glauben zu üben, zu läutern und zu bewähren. Der Klage, dass Gott den Kranken verlassen und verstoßen habe, begegnet er mit der Gewissheit, dass Gott im größten Elend am nächsten sei und oft Erleuchtung über "grosse/ vnerhörte/ vnd vnaußsprechliche Dinge" schenke.l 24 Die Sündenfälle der Heiligen erklärt Praetorius mit dem Wirken des Teufels.l 25 Das Sterben geschieht nach Gottes Rat und Willen. Auch wer jung stirbt, kann sich dennoch um ein Leben gemäß christlicher Tugenden bemüht haben. Der Tod ist die Erlösung aus dem "Angsthaus" dieser Welt.l 26 Praetorius führt dem Sterbenden nicht nur die Erlösung von seinen irdischen Sorgen und Leiden vor Augen, sondern malt ihm auch die Freude im Paradies aus. Während sich die "Seligen" nicht vor dem Gericht zu fUrchten brauchen und ihre Misstritte von Christus entschuldigt werden, haben die Gottlosen die Verdammung zu erwarten. Die Gläubigen werden "frewdemeiche Triumphsehre/ herrlichen schönen Leib/ Königliche Herrschaft vnd ewiges Leben erlangen".l27
2.5 Trostschriften angesichts der türkischen Bedrohung Die Trostschriften angesichts der Türkenkriege stehen im Zusammenhang der umfangreichen Publizistik, die durch die permanente Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich im letzten Jahrzehnt des 16. Jh. ausgelöst wurde.l 28 Der deutsche Kaiser Rudolf 11. führte einen Feldzug gegen die Türken, der 1593 mit dem Sieg bei Stuhlweißenburg begann. Eine Gegenoffensive des Großwesirs Senan Pascha wurde befUrchtet. Der Fürst der Walachei, Michael der Tapfere, konnte 1595 ein türkisches Heer bei Calugarini besiegen. 1596 wurde hingegen Erlau von den Türken erobert und ein kaiserliches Heer bei Keresztes geschlagen.l 29 Zwischen 1592 und 1595 erschienen viele Kriegsgebetsbücher. l3o In seinem Trost und Gebet wider den Türken (Tr. 46, 1593) bezeichnet Praetorius die Türken neben dem Teufel als das größte "Untier". Mit ihrer Be123 "Ließ/ höre/ betel lieber Krancker/ so wirstu bald widerumb gesund werden.", AA, 11, 500.
124 AA, 11, 515. "Die Creutzen sind die heiligen Pforten! durch welche man ins Paradiß geht! zu den lustigen! süssen! heylsamen vnnd frewdenreichen Brünnlein der Weißheit Gottes", AA, 11, 515. 125 "Es sind nicht tentationes humanae, sondern impressiones satanae.", AA, 11, 519. 126 AA, 11, 528. 127 AA, 11, 534. Das abschließende Gebet eines Kranken wird in den "Heiligen Sakramentsgebeten" (AA, 11, 320f) erneut abgedruckt. 128 Allein fiir diesen Zeitraum fUhrt Göllner, Turcica, 11, über 600 Türkendrucke auf. 129 Vgl. Göllner, Turcica, III, 162-167. 130 Vgl. Althaus, Gebetsliteratur, 145. Vgl. auch das auf Veranlassung von Kurfiirst Johann Georg 1595 von Samuel Reinhart herausgegebene brandenburgische Gebetbuch, Althaus, Gebetsliteratur, 148f. 128
drohung verbindet er eine Kritik an sozialen und religiösen Missständen. Die positive Wirkung sieht er in der Übung und Stärkung des Glaubens. Durch die osmanische Bedrohung sollen die stolzen Könige, Fürsten, Grafen und Ritter vor eigenem Übermut bewahrt werden. Praetorius kritisiert aber nicht nur die "Heidnische pracht vnd pancketen" der Oberen, sondern auch das unsittliche Leben und die Verachtung der Geistlichen durch Bürger und Bauern. l3l Er bezieht wie Luther die Weissagungen aus Ez 38fund Apk 20,7-10 über Gog und Magog auf Türken und Moskowiter. Vor dem Kampf ist das Gebet das wichtigste Mittel. 132 Es enthält die Bitte um die Hilfe Christi, den eigenen Vorsatz zur Demut und zur Annahme der Schätze der Seligkeit und zum Beginn eines paradiesischen Lebens. Die undatierte, vermutlich 1594 verfasste Schrift Vom König zu Babel (Tr. 45) bezieht sich auf den türkischen Sultan Murad III. (1574-1595).133 Weissagungen des Propheten Jeremia beschreiben das drohende Unglück mit seinen Ursachen und geben Rat für das angemessene Verhalten. In seiner Erklärung der Ursachen bezichtigt Praetorius die Theologen seiner Zeit einer falschen Lehre, weil sie "mit subtilen vnnützen fragen vmbgehen" und den Christen die Seligkeit entreißen,134 Die Regenten lassen Geiz, Wucher, Unrecht, Pracht, Fressen, Saufen und Unzucht bei sich und anderen zu. Das Volk verachtet hingegen die reinen und treuen Lehrer. Vor allem wird die Seligkeit aufgrund der Taufe geleugnet. Von der Buße wird lediglich geredet, wahre Besserung umfasst jedoch die Erkenntnis des eigenen gottlosen Wesens, das Vertrauen auf die Gnade und ein neues evangelisches Leben in der Herrschaft des Geistes,135 Einer Frau, die wegen des türkischen Vormarsches erschrocken ist, rät Praetorius, auf Gottes Liebe und Schutz zu vertrauen. 136 Den Einbruch der Türken interpretiert er als Strafe für die Übertretung des neuen Bundes, weil die Schätze der Taufe vernachlässigt werden. Die Menschen vertrauen lieber auf 131 "Denn wenn Bürger vnd Bawren in den Trinckstuben sitzen! vnd sauffen sich voll Weins vnd Biers/ mesten jhren Leib/ erhitzen sich zur fleischlichen Wollust! reden schimplich von GOTTES Wort! hassen vnnd schmehenjhre Lehrer/ reden vnnd treiben Vnzucht! wie denn itztl leyder diß laster allenthalben vberhand genommen hat! fiirnemlich bey den Rültzen auff den Dörffernl wenn Hochzeiten vnd andere Sawfeste verhanden sind! so ist Juncker Türck mit seiner Art nicht ferne/ das er solche vnfruchtbare Bewrne abhawe/ vnd ins Fewer werffe.", AA, 11, 346. 132 Praetorius zitiert ein obrigkeitlich verordnetes, von den Kanzeln abzulesendes öffentliches Gebet, vgl. AA, 11, 353f. 133 Terminus ante quem ist der Tod des Sultans am 16.1.95, vgl. Göllner, Turcica, 111, 393. Die genannten gefährlichen Zeiten lassen auf das Jahr 1594 als Enstehungszeit schließen, in der im deutschen Reich die Türkenglocke zum Gebet rief, vgl. Göllner, Turcica, 111, 162 mit AA, 11, 337: "Vnd ob man gleich alle stunde würde die Bete Glocke schlan/ vnnd Hertzlieh wider solche straffe beten". 134 AA, 11, 332. 135 "Der Glaube des Heyls muß vorher gehnl dem muß die Besserung des Lebens folgen.", AA, 11, 340. 136 Trost wider den Türken, AA, I, 309-313 (= AA, 11, 312-316) bzw. Gebet wider den Türken, AA, I, 315f(= AA, 11, 316t). Dieser Abschnitt stammt aus Tr. 44 (Heilige Sakramentsgebete) vom 7.4.1594, erneut abgedruckt in Tr. 11 (Frühjahr 1594).
129
eigene Werke: "Sie sprechen: Es sey ein Grewel/ wehnen! daß man allbereit vergebung der Sünde in diesem Leben habe. Denn darauß folge grosse sicherheit."137 Auf diesem Artikel basiert jedoch die christliche Kirche. Die Verachtung der Gnade ist eine Todsünde. Gottes Rute trifft vor allem die "Hochgelerten" und die anderen "hohen Spitzen" (Jes 2,12), weil sie sich am meisten dem Evangelium widersetzt haben. Die Kinder sollen Gott im Gebet anbefohlen werden und ein von Praetorius umformuliertes Glaubensbekenntnis lernen.l 38 Sofern sie ihren Glauben auf bestimmte Schriftworte gründen, die Praetorius ihnen zum Auswendiglernen aufgibt, sind sie wiedergeboren und selig. Abgesehen von dem traditionellen Topos der Türken als einer Strafe Gottes, die auch auf soziale Missstände zurückgeführt wird, fällt die enge Verknüpfung mit der Theologie von Praetorius auf. Den Predigern, die nicht seine Lehre von der gegenwärtigen Seligkeit durch die Taufe vertreten, wirft er eine falsche Lehre vor, die für den Vormarsch der Türken mit verantwortlich ist.
3. Gemeindepredigten im Kirchenjahr Ein großer Teil des deutschen Schrifttums von Praetorius sind Predigten an die Salzwedeler Gemeinde zu den jeweiligen kirchenjahreszeitlichen Anlässen. Auch in ihnen hat das Trostmotiv einen zentralen Stellenwert. Neben dieser consolatorischen Absicht verfolgen sie auch katechetische Zwecke. Ihr thematischer Schwerpunkt ergibt sich jeweils aus der Vorgabe des Bibeltextes bzw. des Kasus. Aus ihnen lassen sich die Konturen der Theologie des Praetorius herausarbeiten. Zugleich wird in ihnen die Verflechtung seiner Theologie mit der Situation der Gemeinde sichtbar. Der innere Zusammenhang seiner Predigten wird auch darin deutlich, dass Praetorius wiederholt durch Vor- und Rückverweise auf andere Predigten oder Schriften Bezug nimmt. Aus solchen Vor- und Rückverweisen in sieben datierten Traktaten des Jahres 1581 lässt sich eine kleine Reihe zusammenhängender Predigten katechetischen Inhalts rekonstruieren, die Praetorius in diesem Jahr gehalten und anschließend in den Druck gegeben hat. 1581 brach in Salzwedel die Pest aus,139 die allein in der Neustadt über 700 Todesopfer forderte, d.h. etwa 1/3 der Bevölkerung. Neben vier christologisch ausgerichteten Predigten wurden drei Traktate speziell als Trost für die Kranken gedruckt. Vermutlich Weihnachten 137 AA, I, 310 (= AA, II, 313). 138 "Ich gleube/ daß mich mein lieber HErr vnd Heyland Jesus Christus/ Gottes Son! erfreyet habe von allen meinen Sünden! von dem Zorn GOTTes/ vnd von dem ewigen Tode/ durch sein Blut! Vnd mir dagegen die ewige Seligkeit! Nemlich newe vnnd himlische Gerechtigkeit! die Kindschafft GOttes/ den H. Geist! vnd die Erbschafft des ewigen Lebens in meiner Tauffe geschencket habe.", AA, I, 313 = II, 315. 139 Vgl. Woehlkens, Pest, lO6. In Salzwedel grassierte die Pest von 1581 bis 1584, vgl. ebd. Abb.21.
130
1580 hielt Praetorius eine Predigt zu Lk 2,lOfüber die Inkarnation Christi, die jedoch erst Ende 1581 gedruckt wurde,140 Er kündigte eine spätere Predigt über die Wohltaten Christi an,141 Im März 1581 erschien eine Psalmen- Predigt Vom Leiden und Sterben Christi l42 , in der Praetorius sich auf eine frühere Inkarnationspredigt zuruckbezog,143 Gleichzeitig kündigte er eine Predigt über die Frucht des Leidens und Sterbens Christi zu einem späteren Zeitpunkt an,144 In dieser Predigt Von der Kraft des Blutes Christi 145 knüpfte Praetorius an seine Passionspredigt an,146 Im April 1581 veröffentlichte er eine Predigt über Micha 4,8 Von der Gülden Rose,147 Die Trostsprüchlein für die Kranken 148 wurden Anfang Juni gedruckt, nachdem Praetorius und sein Diakon während der grassierenden Pestseuche nicht mehr alle Kranken besuchen konnten. Im November verfasste Praetorius dann eine Trostschrift für die Hinterbliebenen der Pesttoten unter dem Titel Weine nicht (Lk 7,13)149, in der einige Verstorbene namentlich erwähnt wurden. Zum Dank für die Bewahrung in der Pestzeit hielt Praetorius am Neujahrstag (1.1.1582) eine Dancksagung zu dem HErrn JEsu Christo/ Für seine Menschwerdung vnd Geburt... Vnd für die gnedige Linderung der Pestilentz,150 Eine weitere Dancksagung für das bitter Leyden vnd Sterben JEsu Christil5l folgte am 25.3.1582. Die Gemeinsamkeit dieser Predigten ist durch die homiletische Situation, die inhaltliche christologische Orientierung und die zeitliche Nähe ihrer Entstehung gegeben. Daraus ergibt sich die Frage, wie sich christologisch begründeter Trost und die tägliche Konfrontation mit dem Leid von Krankheit und Tod miteinander verbinden konnten.
3.1 Predigten im Weihnachtsfestkreis Die Weihnachtspredigt Von der Menschwerdung und Geburt Christi (Tr. 14) widmete Praetorius seinem Schwager und Paten seines Sohnes, Arnold Baumann. Diesem besonders "großgünstigen Herrn! Freunde vnd Förderem" wolle 140 Tr. 14 Von der Menschwerdung und Geburt Christi, AA, I, 377-421. Der Widmungsbriefist vom 25.12.1581, AA, I, 380. Praetorius gibt an, dass die gehaltene Predigt aus Zeitgründen kürzer ist als die gedruckte, dass er jedoch der Gemeinde die Lehre von der Inkarnation Christi ausfllhrlich darlegen wollte. 141 AA, I, 412. Diese Predigt wurde im Juli 1581, auf dem Höhepunkt der Pestepidemie, unter dem Titel Von der Kraft des teuren Blutes Christi (Tr. 8, AA, I, 226-264) veröffentlicht. 142 AA, I, 587. Dabei handelt es sich vennutlich um die erst Ende 1581 gedruckte Inkarnationspredigt (Tr. 14), da keine andere Predigt aus dem Frühjahr 1581 bekannt ist. 143 "Weil wir aber bis daher verhandelt haben! den hohen vnd wichtigen Artickel vnsers Christlichen glaubens/ von der Menschwerdung vnd Geburt des Sons Gottes/ wollen wir jetzt fortfaren! vnd fllr vns nemen die Lere vom Leiden vnd Sterben JEsu Christi! vnd dieselbige durch Gottes Gnade erkleren.", AA, I, 590. 144 AA, I, 621, vgl. auch 590. 145 Tr. 8, AA, I, 226-264. 146 Vgl. AA, I, 229. 147 Tr. 30, AA, 11, 1-47. 148 Tr. 53, AA, 11, 537-564. 149 Tr. 54, AA, 11, 564-590. 150 Tr. 15, AA, I, 421-441. 151 Tr. 21, AA, I, 622--655. 131
er Neujahrswünsche übermitteln.1 52 Praetorius dankt Baumann für seine bisherige Unterstützung und bittet ihn um Hilfe und väterlichen Schutz bei der Fortsetzung seiner Studien.153 Er betrachtet die Inkarnationslehre als den wichtigsten Artikel des christlichen Glaubens, weil er den Gewissen im Leben und Sterben Trost bringt.1 54 Dieser Artikel soll der Jugend in Kirchen und Schulen erklärt werden. Praetorius hofft, dass die gedruckte Predigt seinen "Studiosi" nicht rnissfällt. 155 Er bedauert, dass von seinen Amtsvorgängem keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen wurden, an denen die Nachkommen ihren Glauben und ihr Bekenntnis erkennen konnten.l 56 Praetorius hat sich die Ehre Christi und die Erbauung der Kirche zum Ziel gesetzt. Im Hinblick auf die drohende Ausbreitung von Calvinismus und Gegenreformation und im Bewusstsein, die reine Lehre des Evangeliums noch zu besitzen, bittet er um Bewahrung vor "Jesuitischen vnnd Sacramentirischen Irrthümen".l57 Seine Fürbitte um Frieden, Gesundheit und den heiligen Geist umfasst auch die öffentlichen Institutionen Kirche, Schule, Rathaus, Gemeinde und Regierung. Die Absicht dieser Weihnachtspredigt über Lk 2,1 Of liegt weniger in einer dogmatischen Belehrung als in einer Umsetzung der Inkarnationslehre in der persönlichen Frömmigkeit. Neben einem Verstehen der altkirchlichen christologischen Formeln ist Praetorius auch an einer möglichst anschaulichen und sinnenhaften Vorstellung der Zweinaturenlehre gelegen. Die Annahme der menschlichen Natur, d.h. von Leib, Seele und Affekten und die Vereinigung mit ihr bedeutet keine Verwandlung oder Vermischung. Hinsichtlich des Verhältnisses der beiden Naturen des Gottessohnes verweist Praetorius auf die Dialoge des Theodoret, das Chalkedonense und das Symbolum Athanasianum.l 58 Die Jungfrauengeburt Christi hebt er besonders hervor.159 Maria entstammte einem königlichen Geschlecht (Jes 11,1-4).1 60 Sie ist wegen ihrer Demut zu 10152 AA, I, 377. Der Widmungsbriefist am 25.12.1581 unterzeichnet worden. 153 "Bitte ... wollet ... meine liebe studia helffen fortsetzen! vnd mich in diesen gefehrlichen Zeiten! so viel an euch ist! nebenst den meinen! veterlich schützen.", AA, I, 380. 154 "Das er derwegen billich der gülden Artickel mag genennet werden.", AA, I, 378. Der neue Himmel und die neue Erde (Apk 21) sind eine Frucht der Menschwerdung Christi. Mit der Inkamationslehre eng verbunden ist die Lehre von der Erlösung durch Christus. 155 AA, I, 379. 156 "Auch ist den Kirchen vnd Nachkommen mercklich daran gelegen! daß die Pastores zuweilen eine Predigt schrifftlich verfassen! vnd durch den druck offentlieh ausgehen lassen! damit man sehe/ was ihr Glaube vnnd Bekentnis gewesen. Wi wolt ichs essen vnd trincken! als die allersüssesten Zuckerbißlein?", AA, I, 379. 157 "Ich suche nicht anders/ denn ... Christi Ehre/ vnd seiner armen Kirchen erbawung. Der fromme GOtt! der vns zu Soltwedel sein reines Euangelion gegeben! der wolle vns ... für allen Jesuitischen vnnd Sacramentirischen Irrthümen behüten.", AA, I, 380. 158 Vgl. BSLK 29,30; 30,32f. 159 Der Sohn Gottes wurde aus den gereinigten Blutstropfen der Maria und dem geheiligten Samen des heiligen Geistes geboren. Maria war eine "reine vnd verborgene Jungfraw/ welche nie von Mansbilden ist gesehen worden"AA, I, 390. Praetorius zitiert hier Hieronymus. 160 "Die Blume ... aus dem Zweigleinl ist ihr lieber Sohn! welchen sie sine virili semine, sed mystico spiramine, von dem heiligen Geist empfangen hatte". Dies ist ein Zitat aus "Veni redemptor gentium". "Flos delibatus, ... wie Sibylla redet! Eine schöne rose/ Eine herrliche Li-
132
ben.l 61 Auch Joseph entstammte einem adligen Geschlecht.l62 Er war ein "vir iustus et pius", ein "custos virginis",163 Die Armut des Gottessohnes zeigt, dass niemand wegen Armut und Leiden von der Kindschaft Gottes ausgeschlossen ist. Vor Gott gibt es keine Standesunterschiede,164 Wie der Sohn Gottes erleiden auch die Kinder Gottes in der gegenwärtigen Zeit Armut und Verfolgung. In der Schilderung der Geburt des Sohnes Gottes gerät Praetorius in eine anschauliche, sinnenhafte und gefiihlsbetonte Sprache,165 In der Inkarnationslehre wird das menschenfreundliche Gottesbild (Tit 3,4) besonders deutlich,166 Gottes Liebe zu den Menschen zeigt sich in seiner Bruderschaft ("Immanuel"),167 Auf seine Freundschaft sollten die Christen auch in Anfechtungen vertrauen,168 Er warnt "fromme vnnd zarte Hertzen" aber vor übermäßiger Buße 169 und empfiehlt statt dessen ein persönliches Gebet. Christus hat von Sünde, Zorn Gottes, Gesetz, Gewissensnot, Tod und Hölle erlöst. Das den Christen auferlegte Kreuz ist eine "vbung aller Gottseligkeit",170 Die neue ewige Gerechtigkeit der Gläubigen ist größer als die der Engel. 171 Auch in ihrer Schwachheit sind die Gläubigen lebendige Tempel des heiligen Geistes, haben ein fröhliches Gewissen, und ihre Unvollkommenheiten werden im ewigen Leben vollkommen sein. Der Zweck der Menschwerdung Jesu ist der lebendige Glaube und die Freude der Christen. Der Glaube muss geübt werden, damit er "fewrig" wird. Das ihm angemessene Verhalten
lief vnd ein wolriechende Gnaden Viole/ ... Salve Rosa, salve Lilium, salve Viola coelestis, 0 filij Dei, tlos campi.", vgl. Sib VI, 8 und Cant 2,1. Wie bereits auch in den seinen lateinischen Schriften verwendet Praetorius die Blumen als Synonym für Christus. 161 Praetorius zitiert dazu aus Johannes Vives, De Institutione feminae christianae. 162 Zitat aus Melanchthon, Historia de nativitate. Vgl. AA, I, 393f. 163 Zitat aus Victorinus, Tractatus de vita Christi. Vgl. AA, I, 394. 164 "Fürstenkinder/ Graffen Kinder/ vnd Edelleut Kinder/ sind nicht allein Gottes Kinder/ Sondern auch der annen Bürger vnd Bawren Kinder/ Ja! der annen Hirten vnd Scheffer Kinder/ sind auch Gottes Kinder/ wofern sie anders Gott lieb haben! vnd ihm vertrawen."AA, I, 396. 165 Die Engel sind vor Freude aus dem Himmel gesprungen, dem Vater sind "B1utstropffen veterlicher Liebe vnnd Zuneigung aus seinem Göttlichen Hertzen auff diß Kind gefallen ... Venite, osculamini filium meum (vgl. Ps 2,11) ... Welchjauchtzen vndjubiliren wird da gewesen seyn?", AA, I, 397f. 166 AA, I, 403f. 167 Zum Stichwort "Immanuel" wird Chytraeus, Matthäuskommentar und Melanchthon, Historia de nativitate Christi, zur "Bruderschaft" wird Luthers Kirchenpostille zitiert. 168 Praetorius nennt als konkreten Anlass die Furcht vor neuer Teuerung, Pest und Blutsturz, nachdem ein neuer Komet gesichtet wurde. V gl. dazu die Schrift über die Sibylle der Altmark. 169 "Vnd weil jederman zur Busse vermanet wird! können sie nicht satt büßen! vnd wollen sich gar zu tode betrüben! meinen durch solche Trawrigkeit Gott zu versönen. Aber halt Masse frommes Hertz! vnd tödte dich selbst nicht! denn es gilt dir nicht.", AA, I, 409. 170 AA, I, 410. 171 "vnnd gientzen von eitel vnd ewiger Gerechtigkeit als Sterne am Himmel! das sich die Engel selbst für vnser Gerechtigket bücken müsssen. Wir sind die allerliebsten Kinder Gottes/ welche er teglich hertzet vnd küsset! ob vns wol zuweilen vber solchem hertzen vnd küssen die Augen vbergehen.", AA, 1,411.
133
ist die übennäßige Freude. 172 Das Leben soll ein Freudenfest sein. Ein christliches Leben besteht nicht in Melancholie, sondern in "herztlicher vnd steter frewde vnd wonne stehet es/ vnd im frolocken oder jauchzen".l73 Auch der neue Gehorsam gehört zum Verhalten der Christen in Gottes Reich.l74 Praetorius ennahnt seine Gemeinde angesichts der "letzten Zeiten"175 zu einem vom Heiligen Geist erfUllten Leben, vor allem warnt er vor Unrecht, mutwilliger Teuerung und Schwelgerei. Er ruft stattdessen zur Wohltätigkeit auf. 176 Dieser Weihnachtspredigt liegt ein einfacher und leicht verstehbarer Aufriss zugrunde, der vennutlich für den Druck durch zahlreiche Zitate angereichert wurde. Praetorius verfährt eklektisch, er zitiert Laktanz, Hieronymus, Vives, Luther und Melanchthon, ohne dass ein zugrundeliegendes System erkennbar wird. Er bietet eine anschauliche, gefühlsbetonte und auf der Liebe Gottes basierende Theologie, die den lebendigen Glauben und und die Freude des Christen zum Ziel hat. Die Menschwerdung Jesu ist ganz auf die Erlösung ausgerichtet. Am Neujahrstag (1.1.1582) hielt Praetorius nach dem Rückgang der Pestepidemie eine Danksagungfür Christi Menschwerdung und Geburt (Tr. 15).177 Besonderen Grund zur Dankbarkeit für die Erhaltung ihrer Gesundheit während der Pest hätten die Seelsorger und viele Bürger, die täglich mit Kranken und Toten umgehen mussten.l 78 Die Erlösung von dem "Feuer" der Pest fUhrt er auf das einmütige Gebet zurück. Praetorius ennuntert dazu, "im waren Glauben! in brünstiger Liebe/ vnd in allen Christlichen Tugenden" nach Gottes Geboten zu leben.l 79 Im Bewusstsein, in den "letzten betrübten Zeiten" zu sein, in denen die Beschwerden überhand nehmen, bittet er um Mäßigung des konfessionellen Zwiespalts,180 der Teuerung, der Pest, des Blutvergießens, des persönlichen Leidens und der Traurigkeit. Er wünscht sich den Jüngsten Tag herbeLl8l Auf die öffentliche "Dancksagung" folgt eine Sammlung von Zitaten
172 "Jauch! jauch! jauch sollen wir rufen! GOttes Sohn ist ein Mensch! vnd vnser Erlöser worden.", AA, I, 415. "Jauch" ist ein Ausdruck einer ausgelassenen Freude und Ermunterung, entstanden aus dem älteren ,juch", vgl. Grinun, Wörterbuch, IV/2, 2268f. 173 AA, I, 416. 174 "der newe Gehorsam! oder ein newes heiliges vnd vnstremiches Leben", AA, I, 418. 175 AA, I, 420. 176 Zu Tit 2,11-13 ftlgt er einen lateinischen Text an, in dem der Beginn der Aufhebung der Sünde und das Bemühen um gute Werke zum Ausdruck kommen: "Et mundati a peccato, non tantum imputatione, verum etiam incoatione abolitionis peccati, deinceps studiose et singulari ardenti amore ac zelo bona opera faciamus et DEO serviamus in iustitia et sanctitate coram ipso, omnibus diebus vitae nostrae.", AA, I, 420f. 177 AA, I, 421. Die Pestseuche war zu diesem Zeitpunkt zwar stark zurückgegangen, aber noch nicht ganz abgeklungen. 178 AA, I, 425. 179 "Da wir von dir bekehret wurden! theten wir Busse/ vnd besserten vnser Leben", AA, I, 426. 180 "Messige der Religion Zwiespalt", AA, I, 426f. 181 "Ach HERR Christe/ kürtze die betrübte zeit! vnd eile mit deinem Jungsten Tage.", AA, 1,427.
134
über die Person Christi.l82. Die wahre Mensch- und Gottheit Christi, die Annahme der menschlichen Natur, die persönliche Vereinigung, die Mitteilung der göttlichen Majestät und Herrlichkeit und die Teilhabe der Menschen an der göttlichen Natur (11 Petr 1,4) sind Beweise für die göttliche Liebe. Hier geht Praetorius über Melanchthon hinaus. Auch in seiner Weihnachten 1584 gehaltenen Predigt183 über Das Kindlein Jesus in seiner Gestalt (Tr. 13) spielt die Inkarnationschristologie eine zentrale Rolle. 184 In dieser Predigt stellt Praetorius stärker den Gedanken der communicatio idiomatum heraus.l 85 Dadurch wird die verdorbene menschliche Natur verherrlicht. Christus sitzt zur Rechten Gottes und herrscht über Himmel und Erde.l 86 Der helle Schein über dem Kopf des Kindes bezeichnet seine göttliche Natur, die von der ganzen Person ausgesagt wird.l87 Die göttliche Majestät und Herrlichkeit kann man zwar erst im ewigen Leben sehen, aber der Sohn Gottes öffnet seine Schatzkammer und zeigt seinen Kindern durch seinen Geist alle ihre Schätze.l 88 Auch in dieser Predigt kommt das helle Gottesbild des Praetorius klar zum Vorschein. Es gilt allerdings nur den Auserwählten. Das fröhliche und lachende Aussehen des Kindes ist Ausdruck seiner Liebe zu den Christen. Seine reine und vollkommene Liebe ist an keine Bedingung oder Würdigkeit gebunden.l 89 Die Liebe Christi gilt vor allem denen, die sein Wort hören und predigen.l 90 Praetorius denkt dabei auch an die akademische Situation. Wenn ein Professor das Wort Gottes predigt, lacht dem Kind Jesus das Herz vor Freude im Leib. Gleiches gilt für die Studenten.l 91
182 Er zitiert aus Luthers Postillen, Melanchthon, D. Chytraeus, Johannes Brenz, De maiestate (St.A., III/l, 316,13-28), der Konkordienformel ("Von der Person Christi", FC, SD VIII, BSLK, 1027,16-33; 1021,7-25.26-40; 1022,32-38; 1023,25-31; 1038,8-25; 1039,4-23; 1024,30-41) und Victorinus. 183 Der Druck erfolgt bei Wilhehn Roß in Magdeburg. Roß war dort von 1575-1616 Drucker, gelegentlich zusammen mit Andreas Gehne, vgI. Benzing, Buchdrucker, 311. 184 Praetorius widmete diese Predigt dem Bürgermeister und Rat der Stadt Rostock, indem er der Stadt und Universität fiir die erbrachten Wohltaten während seines dortigen Studienaufenthaltes dankte, vgI. AA, I, 332. Praetorius spricht hier von einem zehnjährigen Aufenthalt. 185 "Ja eben durch solche Menschwerdung! hat er vns zu sich gezogen! seine Mayestet mit vns getheilet! einen Kuchen daraus gemacht! vnd vns in das aHertieffeste seines Hertzen gesencId! daraus wir ihm nimmer kommen soHen.", AA, I, 335. 186 "Gott ist Mensch! vnd Mensch ist Gott.", AA, I, 338. 187 Praetorius lehnt eine Spekulation über die ewige Geburt des Gottessohnes ab. 188 "Denn diß ist dem Sohn Gottes keine Kunst! seine Schatzkammer auffthunJ vnd seinen lieben Kindern! im Augenblick! durch seinen Geist zeigen alle jhre Schetze.", AA, I, 344. 189 Praetorius formuliert ein Gespräch zwischen Christus und der Kirche in Anlehnung an Cant 1,6. 190 "Diese Liebe Christi gehet oder fleust durch vnser Hertz als ein geschmoltzener Zuckerl oder krefftiger Balsam! daß es seine süssigkeit fület! vnd darvber voH vnaussprechlicher Frewde wird! vnd wenn dis stets bey vns weren solt! vnd nicht zu weilen ein bitter Trüncklein mit vnter lauffen! so würden wirs nicht ertragen können.", AA, I, 349. 191 "Es zeichnet auch in sein Schreibteffiein die fleissige Studenten! welche in Christlicher Demut vnd Gottesfurcht sich gesetzet haben zu den Füssen ilrrer lieben Praeceptoren! vnd hören ihnen zu in Liebe/ vnd schreiben alles in iIrr Hertz! vnd tragen den edlen Schatz Göttliches 135
Die religiöse und soziale Situation seiner Zeit beurteilt Praetorius sehr kritisch. Gegenreformation und Calvinismus sind erfolgreich.l 92 Die Vornehmsten im Land vernachlässigen Gottes Wort und gelehrte Schriften zugunsten "neuer Zeitung". Habgier, Getreidespekulation, Wucher, Diebstahl, Raub, Hochmut, Luxus in Kleidern und Schmuck, Ess- und Trunksucht und eheliche Untreue fordern die Strafe Gottes heraus.l 93 Praetorius befiirchtet, dass erst das Kommen der Türken zur wahren Buße fUhrt. Wahre Christen müssen unter dem Kreuz leben, um Christi Ebenbild gleichIörmig zu werden. "Je heiliger Christ! je grösser Martyrer."194 Der erste Grad des ewigen Lebens ist Friede und Sicherheit in Anfechtungen. Der zweite Grad ist der "vorschmack ewiger frewden vnd ewiges Lebens", den das Jesuskind gelegentlich "durch seinen Geist zu kosten" gibt. 195 Dies geschieht durch Lesen, Hören und Singen.l 96 Praetorius will Christus nicht vorgreifen und von den Freuden des Jüngsten Tages nicht ausfiihrlich berichten. Er bekundet aber sein Interesse fiir die Eschatologie und den Chiliasmus: "Wiewol mirs lieb ist! dass ich zuweilen von diesen hohen Sachen! vnd von den tausent Freudenjahren! andere gelahrte Leute hören mag."197 Im Traktat Vom Namen Emanuel (Tr. 18, 1592) verweist Praetorius mit der Messiasweissagung aus Jes 7,14f auf Christi Menschwerdung. Der Name "Immanuel" bedeutet die geistige und leibliche Einwohnung Christi in den Gläubigen. Praetorius hält mit Luther an der Ubiquität Christi im Himmel bei Gott und auf Erden im Herzen fest. Wer Gott in sich wohnend hat, hat Teil an der göttlichen Natur. Wie Christus selbst, so wohnt auch seine Weisheit, Gerechtigkeit, Freude und Vollkommenheit in den Gläubigen. Sie bleibt jedoch noch verborgen. Die Frage der Gelehrten, ob die Christen über die Imputation hinaus durch den Glanz der Gerechtigkeit Christi noch gerechter werden, beantwortet Praetorius mit dem Hinweis auf die Gemeinschaft und das Einssein mit ChristuS. 198 Hier nähert er sich zwar den Vorstellungen Andreas Osianders von der Gottwerdung der Gläubigen, ohne sich jedoch ganz auf seine Seite zu stellen. Den eigentlichen Beweis fiir die Einwohnung Christi in den Gläubigen sieht Praetorius in deren Handeln. Wie ein guter Baum bringt der Christ gute Früchte hervor: Interesse fiir die Ausbreitung des Evangeliums, die Fähigkeit
Worts in ihrem Hertzen! Gleuben daran/ vnd leben darnach. Diesen müssen die heiligen Engel dienen vnd ilmen essen vnd trincken nachtragen.", AA, I, 349f. 192 "Der eine wil nicht mehr Euangelisch vnd Lutherisch sein! sondern gar Papistisch vnd Calvinistisch", AA, I, 350. 193 AA, I, 351. 194 AA, I, 352. 195 AA, I, 369. 196 "Da empfenget mein Hertz den H. Geist! vnd wird schwanger von ihm! vnd gebieret eitel Frewde: Es wird denn mein Hertz so voll Frewden! daß ich sie nicht lenger aufthalten kan/ Sondern sie als einen gewaltigen Strom eraus lauffen! vnd alles vb ergehen lassen mus.", AA, I, 369. 197 AA, I, 370. 198 AA, I, 517.
136
von geistlichen Dingen zu reden, biblische Spruche rezitieren zu können, bedrängte Gewissen zu trösten und der Welt abzusterben. Die "süsse vnd krefftige gegenwertigkeit" Christi kann gefühlt werden. "Sind wir nicht offt im Himmelreich?"199 Der Geist Christi vermischt sich mit dem Geist der Gläubigen. 200 Praetorius sieht kaum noch einen Unterschied zwischen Christus und den Christen. 201 Die Inkarnationslehre führt also direkt zu den durchaus missverständlichen Äußerungen über die Sündlosigkeit des Christen. Fällt ein Christ in Sünde, dann soll er wieder aufstehen. 202 Entscheidend ist für Praetorius der Trostgehalt seiner Lehre. Mit der Vorstellung der Einwohnung Christi in den Gläubigen verbindet sich das Fühlen des göttlichen Trostes. Ein christlicher Hausvater hat die Pflicht, seinen "Pflentzlein" das Geheimnis von der Einwohnung Christi "einzupressen". Dass Praetorius offenbar ein dynamisches Verständnis der Einwohnung Christi vertritt, wird in dem schönen Bild vom Wachstum einer Pflanze deutlich.203 Betrachtet man die Inkarnationslehre bei Praetorius insgesamt, so fällt auf, dass die Einwohnung Christi in den Gläubigen für ihn auch eine klare ethische Zielrichtung hat. Denn aus ihr resultieren die Fruchte des Glaubens. In mystischer Terminologie wird die melanchthonische Imputationslehre mit dem eigenen Fühlen und Schmecken der Gegenwart Gottes verbunden. Dogmatische Fragen nach der Ubiquität u.a. werden nicht um ihrer selbst willen behandelt, sondern jeweils nach ihrer Relevanz für die Frömmigkeitspraxis der Gläubigen befragt. Die Konzentration auf die wahren Gläubigen hat eine Verflachung des Sündenbegriffes zur Folge, der durch einen dynamischen Prozess der Vervollkommnung ersetzt wird. Das eigentlich Neue bei Praetorius sind nicht einzelne theologische Elemente seiner Lehre, sondern ist die Synthese humanistischmelanchthonischer und lutherischer Elemente mit Anleihen aus der Mystik in Verbindung mit einer eindeutigen seelsorgerlichen Ausrichtung auf den Trost der wahren Gläubigen. 3.2 Predigten in der Passions- und Osterzeit
In den Passions- und Osterpredigten ruckt die Soteriologie in den Mittelpur!kt. Aus ihr entfaltet Praetorius seine spezifische Theologie von der gegenwärtigen Seligkeit des Christen angesichts des Leidens, die in weiteren Einzelschriften wiederholt thematisiert wird. 199 AA, I, 520. 200 "Wir können so reden! daß es die jungen Milchkinder wol verstehen! die Gelarten vnd stoltzen Heiligen aber nicht", AA, I, 520. 201 "Wer vns sihet! der sihet Christum! vnd wer vns höret! der höret Christum.", AA, I, 521. Vgl. Lk 10,16. 202 "Denn eines Christen fall! ... ist nichts anders! denn eitel Rath GOttes! eitel Demuth/ eitel Zuthun zu Gott! eitel Seufftzen! eitel Psalter lesen! eitel Auffmercken vnd Verstand! eitel Liebe zu Christo! eitel Liebe zum Nechsten! eitel auffstehen! vnd eitel newe Krafft.", AA, I, 526. 203 "Wir solle den HErrn besprengen ohn aufthören mit den süßen Balsamtröpfflein ewiger Liebe: auff daß er in vnserm Hertzen wachse vnd desto grösser werde.", AA, I, 527.
137
Die Passionspredigt Vom Leiden und Sterben Christi (Tr. 20, 1581)204 über Hi 6,2f widmete Praetorius dem Amtmann des kurfiirstlichen Klosters Arendsee,205 Lorenz Breder.206 Nach Arendsee unterhielt Praetorius offenbar gute Verbindungen. 207 Christi Menschwerdung und sein Leiden und Sterben am Kreuz sind die beiden größten Wundertaten Gottes. Aus Christi Leiden erkennt man die Strafe fiir die Sünden, seine Liebe und die Überwindung von Sünde und Tod. Kreuz und Leiden im Leben des Christen dienen der "Tödtung des Fleisches/ vnd Erweckung des Geistes".208 Praetorius zielt auf den Gedanken der conformitas cum Christo ab. Mit dem Leiden Christi zieht er Parallelen zur gegenwärtigen Situation seiner Gemeinde. Armut,209 Spott210 und Missachtung des Wortes Gottes211 gehören ebenso wie Hass und Feindschaft zu den Erfahrungen der wahren Christen, die dem Ebenbild Christi gleichförmig werden wollen. Die Gleichförmigkeit mit Christus im Leiden ist ein sicheres Zeichen der "ewigen Außversehung der Gnaden Gottes/ vnnd des ewigen Lebens".212 Auch in ihren inneren Anfechtungen werden die Auserwählten Christus gleichförmig. Der Teufel schießt seine feurigen Pfeile in ihre Herzen und lässt sie den Zorn Gottes spüren. Dies geschieht vor allem nach dem Auftreten außer-
204 Der Druck erschien 1581 bei Andreas Petri in Eisleben. Andreas Petri, Drucker in Eisleben 1565-1593, vgl. Benzing, Buchdrucker, 101. Das Titelblatt trägt einen Holzschnitt, der in einer Kreuzigungsszene Christus mit zwei Frauen zeigt. 205 Das ehemalige, um 1184 gegründete Benediktinerinnenkloster Arendsee wurde 1540 säkularisiert und in eine kurfiirstliche Domäne umgewandelt. Nachdem die letzle Nonne 1569 gestorben war, blieb es als "adliges Fräuleinstift" weiter bestehen, vgl. Schulze, Statistik, 1; Lisch, Klöster, 5. Die erste Domina war Anna von Putlitz, ihr folgte Anna von Wenckstern. An die Stelle der bisherigen Klosterpropsteiverwalter traten Amtmänner: Georg Posen (1552); Gunzel von Bartensleben (1556). 1562 erwarb der brandenburgische Markgraf Johann Georg das Kloster Arendsee. Erster Amtsschreiber wurde Lorenz Breder (1564), sein Nachfolger war Balthasar Striepe (1616). 1598 erhielt die Witwe des Kurfilrsten Johann Georg das Amt Arendsee, später fiel es Markgraf Friedrich zu. V gl. dazu Heinecke, Arendsee, 96-101. 206 AA, I, 588. 207 Vgl. auch Tr. 58 Abend Opfer. 208 AA, I, 586. 209 Als aktuelles Beispiel nennt er "gelahrte/ fromme vnd getrewe Lerer/ welche nicht Gunst suchen! noch vrnbs Bauches willen dienen ... Je reiner in der Lehre/ je frömmer im Leben! Je getrewer im Dienste/ je armer einer ist. Man gönnet solchen Leuten kaum das liebe tröge Brodt! da man andern vollauff gibt! vnd da man selbst teglich im sause lebf', AA, I, 592. Praetorius zitiert aus dem Sendschreiben Luthers an die Stadt Riga (1524). Praetorius hofft jedoch, dass der Zustand der Prediger sich in der Zukunft bessern wird. Bereits hier ist die Klage über das Schicksal der frommen Lehrer zu hören. 210 AA, I, 595. 211 Praetorius sieht sich (mit anderen "Gnadenpredigern" seiner Zeit) dem Vorwurf ausgesetzt, er würde "die sichere Welt! mit seinem Evangelio vnd Gnadenpredigt/ sicherer vnnd erger machen", AA, I, 597. "Die Klugen dieser Welt ... wollen die Regimente/ Geistlich vnnd Weltlich! durch kluge Gesetze bawen! vnd dadurch eine löbliche Policey anrichten.", ebd. Die starke Betonung der Gnade und Liebe Gottes löst also bei seinen Gegnern die Befilrchtung aus, dadurch werde die Ethik zerstört. Praetorius sieht hingegen in solchen Anfeindungen den Teufel am Werk, vgl. AA, I, 598. 212 AA, I, 603f. 138
gewöhnlicher Naturerscheinungen. 213 In einem solchen "Spiel" Gottes sollen sich die Christen mit der Gnade Gottes gegen das Fühlen des Zornes Gottes trösten. In dieser Passionspredigt stellt Praetorius unter dem Begriff der conformitas cum Christo einen engen Zusammenhang zwischen dem Schicksal Christi und seiner Anhänger her. Das Leiden der Christen wird geradezu als ein Zeichen ihrer Erwählung betrachtet. Hervorgerufen wird es nicht nur durch äußere Umstände, sondern auch durch Predigten vom Zorn Gottes im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Naturphänomenen. Praetorius übt scharfe Kritik an den Predigern des Gesetzes. In seiner Klage über das Schicksal der "rechtschaffenen Lehrer" vergleicht er sie mit den altkirchlichen Märtyrern. Die Predigt Von der Kraft des Blutes Christi (Tr. 8; Sommer 1581)214 über Röm 8,32 wurde auf dem Höhepunkt der Pestepidemie, vermutlich am Tag des Apostels Jakobus (25. Juli) gehalten. 215 Der Dedikationsbrief an die Magdeburger Bürger, den Onkel Peter Gibenus und den Schwager Joachim Schmale wurde ebenfalls im Juli verfasst. 216 Thema dieser Predigt sind die Ursachen für die Passion Jesu, nachdem Praetorius bereits zuvor die einzelnen Leiden Christi beschrieben hatte. Diese Ursachen sind die wichtigste Lehre in der Schrift)17 An dieser Predigt lassen sich die zentralen theologischen Anliegen von Praetorius recht gut erkennen. Insbesondere wird hierin das Interesse am gegenwärtigen Heilszustand des Gläubigen deutlich. Ausgangspunkt als Hauptursache des Todes Christi ist sein stellvertretendes Leiden für den Zorn Gottes und das Gericht wegen der menschlichen Sünde.218 Die Frucht der Passion Christi will Praetorius im Einzelnen spezifizieren. Durch die Taufe werden die Gläubigen ganz rein von ihren Sünden. (Joh 13,10).219 Vor allem die Jugendlichen, denen diese Lehre zu vermitteln ist, sollen sich "für reine Kindlein Gottes" halten, "ob sie noch wol Sünde haben".220 Auf ihre Sünde angesprochen sollen sie entgegnen: "Ich bin heilig vnd rein! 213 "wenns donnert vnd blitzet! oder wenn schreckliche Zeichen vnd Zeite vorhanden sind", AA, I, 613. 214 Diese Schrift wurde 1724 bei Christian Schuster in Salzwedel mit dem Hinweis auf die damalige Pest noch einmal nachgedruckt. 215 Röm 8,32 ist Predigttext für den Tag des Apostels Jakobus (25.7.). 216 "Mense Iulio, cum peste gravissime affligeremur", AA, I, 229. Beide Verwandten haben Interesse an den Schriften des Praetorius gezeigt und ihre Hilfe und Förderung angeboten. 217 Die Wohltaten Christi heilen die Wunden des Herzens, vgl. AA, I, 227. Praetorius verwendet hier wie Johann Arndt ein medizinisches Bild zur Beschreibung eines geistlichen Vorgangs. Die Verehrung des Blutes und der "heiligen fiinf Wunden" Christi ist ein mittelalterliches Erbe. 218 Deswegen wird er mediator (I Tim 2,5) und placator (I Joh 2,2) genannt. Praetorius zitiert dazu Chytraeus, Dispositio de passione Domini. 219 Als biblisches Beispiel für diese Reinheit formuliert Praetorius in Anlehnung an Cant 1,4 ein Gespräch zwischen Christus und seiner Braut: "Keinerley weise bistu schwartzl sondern du bist aus der massen schön. Denn ich habe ich in meinem Blute gebadet! vnd dich durch mein Blut von allen deinen Sünden gewaschen vnd gereiniget." AA, I, 236. Hierzu zitiert Praetorius Luther, WA 52, 281,16-18, vgl. AA, I, 237f. 220 AA, I, 238.
139
Was habe ich damit zu schaffen."221 Die Erlösung ist eine "ewigwerende entsündigung".222 Die ewige und vollkommene Gerechtigkeit ist ein höherer Grad der Seligkeit. 223 Durch das Blut Christi hat der Mensch das Ebenbild Gottes in vollkommener Gerechtigkeit wieder erreicht.2 24 Die Getauften sollen als neue Kreaturen ihrem neuen Stand gemäß leben. Praetorius präzisiert an dieser Stelle sein Verständnis des Begriffes "ewig": Es bedeutet nicht nur die Vollendung in jenem Leben, sondern auch die Vollkommenheit und Dauer in diesem Leben. Die ewige (=ewig währende) Gerechtigkeit soll niemals von den Gläubigen genommen werden. Praetorius formuliert an dieser Stelle sein Glaubensbekenntnis, das er von Kind auf im Katechismus gelernt und von seinen Präzeptoren vermittelt bekommen habe. "Also habe ich von meiner Jugend auff das Wörtlein Ewig! in meinem Catechismo verstanden! vnnd bin auch also von meinen lieben Praeceptoribus gelehret worden. Diß ist meine Theologie/ mein Wissen/ mein Glaube vnd Bekentnis/ damit ich meinen lieben HERRN JEsum Christum teglich ehre. Diß ist mein Schatz! damit ich mein eigen Hertz! vnnd ander betrübte Gewissen! so da an jhren Wercken vnd Busse verzweiffeln! vnd grossen Angst haben! tröste vnd auffrichte. Diß ist der gülden Kern des heiligen Evangelij/ ja das einige wahre Evangelion selbst".225 Mit diesem "Schatz" tröstet er die Gewissen derer, die an ihren Werken und der Buße verzweifeln. Auch wenn viele Theologen an dem Wort "ewig" Anstoß nehmen, will Praetorius daran festhalten, dass Christus feste und immerwährende Güter erworben hat. Er ist fest davon überzeugt, dass seine Lehre eine genuine Fortfiihrung von Luthers Theologie ist. Er sieht sich selbst in dieser Hinsicht auch als Nachfolger des Reformators. Christus hat die Versöhnung mit dem Zorn des Vaters durch sein Blut und Gebet vollbracht. Die erworbene und geschenkte Gnade ist ewig und soll den Auserwählten nicht wieder genommen werden. Einzige Ausnahme ist mutwilliges und frevelhaftes Sündigen auf die Gnade hin. "Gratia non est gratia, nisi sit gratuita. "226 Mit diesem Grundsatz Augustins verdeutlicht Praetorius, dass die Gnade an keine menschliche Würdigkeit gebunden ist (Ps 89). Praetorius 221 AA, I, 238. 222 AA, I, 240. Zu der Bedeutung der "ewigen Sündenvergebung" zitiert er Luther, Ps 118; Ps 111; Basilius, Ps 28 und Wolfgang Musculus, Loci communes, der unter den Menschen seines Standes ein "non contemnendus Theologus" sei, vgl. AA, I, 240f. 223 AA, I, 242. Praetorius versteht das Wort "ewig" nicht nur "de consummatione in altera vita", sondern auch "de absolutissima perfectione, et duratione, etiam in hac vita", AA, I, 245. 224 "Also sind wir nun ... durch das Blut Christi! wiederurnb in den vorigen Standt der Vnschuldt gebracht! vnd haben das Ebenbild GOttes in vollkommener Gerechtigkeit widerumb erlanget.", AA, I, 244. Vgl. zur Wiedererlangung des Ebenbildes Gottes auch Johann Amdts Theologie von der Gottebenbildlichkeit. 225 AA, I, 245. Er beruft sich auf Luthers Kleinen Katechismus: "auff daß ich sein eigen sein soll vnd in seinem Reich vnter jhm leben soll in ewiger Gerechtigkeit! ewiger Vnschuld/ vnd ewiger Frewde oder Seligkeit". 226 AA, I, 252.
140
grenzt sich von anderen Predigern und Lehrern ab, die eine Abhängigkeit der Gnade von der Würdigkeit des Empfängers annehmen. Eine Verunsicherung des Heils zur Erhaltung guter Sitten lehnt Praetorius ab.227 Es geht aber nicht um äußerliche Sitten, sondern um die Gewissen der Elenden. 228 Andernfalls würden sie an der Buße verzweifeln. Die Gnade geht durch den Fall nicht verloren, sonst wäre in der Buße kein Glaube möglich. 229 Dieser Artikel von der Rechtfertigung ist das Fundament der Seligkeit. Man muss sie in Demut und Anfechtungen studieren. Die Lehre von den ewigen Wohltaten Christi ist auch die "Wurtzel eines frölichen Gottseeligen vnd bußfertigen Lebens".230 Wer das Evangelium mit wahrem Glauben annimmt, hat alle Gaben des Heiligen Geistes. Praetorius tröstet die Kranken und Sterbenden mit der Auferweckung zum ewigen Leben am Jüngsten Tag und der Wiederherstellung des Leibes. 231 Die konkrete Situation der Pestepidemie in Salzwedel steht in dieser Predigt zwar nicht im Vordergrund, aber sie spiegelt sich dennoch in seinen theologischen Gedanken wider. Es geht Praetorius um den Trost, der im Evangelium von der ewigen Gerechtigkeit und Gnade wurzelt. Dieser Trost der Gewissen ist ihm wichtiger als eine Predigt, die auf Werke dringt und dabei das Heil in Zweifel zieht. Am 25.3.1582, dem Sonntag Lätare, veröffentlichte Praetorius eine weitere Danksagungfür das Leiden und Sterben Christi (Tr. 21) nach dem Überleben der Pestepidemie. Dem Druck waren Erläuterungen zum Abendmahl und zum "Wetter Gottes" beigegeben. Der affektbetonte und bildhafte Bericht über Passion und Sterben Christi stellt das Blut des Osterlammes heraus. Durch die Ausübung seines fiirstlichen und priesterlichen Amtes hat Christus die ursprüngliche Herrlichkeit des Menschen vor dem Fall wieder hergestellt. 232 Die alleinige Erkenntnis dieser Wohltat reicht jedoch nicht aus. Der Dank zeigt sich 227 "Denn andere Lehrer sagen! wenn wir stehen! so stehe die Gnade Gottes auch! wenn wir fallen! so falle sie auch! vnd so offi: wir fallen! so offi: falle sie auch ... Vnd sprechen! das diese Lehre nütze sey/ zu Erhaltung guter sitten.", AA, I, 252. Zu Ps 89,29-35 zitiert er eine Randglosse von Georg Major: "Ingens consolatio, promissiones Dei non tieri irritas, propter nostra peccata." Sie stammt vermutlich aus dem Psalterium Davids (1547), einem verbreiteten Schulbuch. Major gehörte zu den Philippisten, die von den Gnesiolutheraner heftig bekämpft wurden. Im sogenannten "Majoristischen Streit" vertrat er die Ansicht, dass die guten Werke notwendig zur Seligkeit sind. Major wollte am sola tide festhalten und lehnte eine necessitas meriti ab. V gl. dazu Richter, Gesetz und Heil, 94-131. Praetorius sah offensichtlich keinen Widerspruch zwischen seinem Insistieren auf der "Ewigen Gerechtigkeit" und der Haltung Majors hinsichtlich der guten Werke. Mit Major war er sich in der ethischen Zielrichtung einig. 228 "Die allerheiligsten haben die allerzartesten Gewissen! vnd niemand sündiget leichtlicher vnd mehr wider das zarte Gewissen", AA, I, 253. 229 Zum Tautbund und zur Gewissheit der Gnade zitiert er Johannes Brenz, Lukaskommentar, Erasmus Sarcerius, Katechismus und Urbanus Rhegius, Katechismus. Luthers Erklärung von Ps 117,2 bezeichnet er als den goldenen Kern des Evangeliums und aller Schriften Luthers, AA, I, 255-259. 230 AA, I, 260. 231 "Dein armer/ alter/ mager/ krancker Leib sol widerumb jung vnd schön werden! das du an dem Tage aussehen solt wie ein heiliger Engel! ja wie dein HErr Christus selbst"AA, I, 262. 232 AA, I, 628. 141
im konkreten Gehorsam, im Meiden der Sünde, im Bemühen um Heiligkeit, Gerechtigkeit und Treue und in der Bereitschaft zum Martyrium)33 Hier zeigt sich wiederum die enge Verknüpfung von Frömmigkeit und Ethik bei Praetorius. Aus der Erkenntnis der Wohltaten Christi folgt das Bemühen um ein heiliges Leben. Auch das Abendmahl stellt Praetorius unter das melanchthonische Vorzeichen der Erkenntnis der beneficia Christi. Das Abendmahl des wahren Leibes und Blutes Christi ist zur Erinnerung an sein Leiden und Sterben eingesetzt. Praetorius zitiert aus Luthers Kleinem Katechismus und beruft sich auf die Formel, dass Leib und Blut Christi "in, mit und unter" Brot und Wein gegeben wird. Zur Erinnerung an Christi Wohltaten und zur Vereinigung mit Christus wird das Abendmahl eingenommen. 234 Der richtige Gebrauch des Abendmahls besteht in der persönlichen Applikation. Auch und gerade "gefallene Sünder" sollen und dürfen "in höhester Demuth vnnd Wehklage ihrer Sünden" das Sakrament im wahren Glauben empfangen. 235 Der Nutzen der manducatio spiritualis liegt in der Gabe des Geistes und im Fühlen der Freude des ewigen Lebens. 236 Als "Gottespfennig" (=Angeld) ist sie ein Vorgeschmack der Gnade und der himmlischen Freude, vor allem in Zeiten der Glaubenskälte und der geistlichen Traurigkeit. Nach dem Abklingen der Pest stellt Praetorius die Frage, ob sich ein Christ nun vor dem "Wetter Gottes" fürchten solle. "Wetter" meint nicht nur Verarmung, Krankheit und Tod, sondern vor allem Naturereignisse, wie Gewitter, Blitz- und Hagelschlag, so dass Haus, Hof, Acker und Vieh in Gefahr sind. Im Unterschied zum "Vnchristen" fürchtet sich der Christ nicht vor dem "Wetter Gottes", sondern bleibt mutig, "männlich! getrost vnnd vnverzaget".237 Dem Einwand der Gebotsübertretung hält Praetorius Sündenerkenntnis, Reue und den Vorsatz der Besserung entgegen. Statt abergläubischer Praktiken soll man ein ernstes Gebet sprechen und ein Lied singen. 238 Dem Bürgermeister und dem Rat der Stadt Lübeck dedizierte Praetorius die Passionspredigt (Joh 1,29)239 über Das Lämmlein Gottes (Tr. 19; März 1585). 233 AA, I, 629, vgl. 641. "Gelarter Leute Sprüche" zum Leiden und Sterben Christi stammen von Melanchthon, D. Chytraeus (Matthäuskommentar), Johannes Brenz (Oe maiestate, St.A., III/1, 238,26-240,14). Urbanus Rhegius (Katechismus), Heinrich Rothe (Katechismus), Nikolaus SeInecker (Taufpredigt) Christoph Fischer (Taufpredigt), Hieronymus Weller (Antidotum) und Luther. 234 "Sihe so grosse lust hat dein lieber Breutigamb vnnd Erlöser zu dir/ daß er auch selbst zu dir kommen wiV vnnd in dir wohnen leibhafftigl vnnd dein Hertz zu seinem heiligen Tempel machen! vnnd also sich mit dir vereinigen", AA, I, 642. 235 AA, I, 643. Ursache ihrer "Vnfelle" sind List und Neid des Teufels und die Zulassung Gottes. 236 "Was für Nutz hat man denn aus solcher Geistlichen Niessungl nemlich aus dem Glauben des Leibs vnd Bluts JEsu Christi?", AA, I, 643. 237 AA, I, 647. 238 Praetorius nennt Luthers Lieder "Gott der Vater wohn uns bei" und "Vater unser" und Johann Agricolas Lied "Ich ruf zu dir Herr Jesu Christ". 239 Die Schrift erschien 1585 bei Simon Gronenberg in Wittenberg. Gronenberg war von 1579-1602 Drucker in Wittenberg, vgl. Benzing, Buchdrucker, 503. Der Druck trägt ein Emb142
In einer kurzen Auslegung des Missionbefehls betont er die Wichtigkeit der Evangeliumspredigt für alle Völker, bis hin zu den femen Inseln, die von Christus noch nichts gehört haben. Dazu sollen die "reichen vnd ansehnlichen Kauffstedte" mit ihrer Seeschifffahrt helfen)40 Das Evangelium muss rein, d.h. ohne Zusatz der menschlichen Werke, gepredigt werden. Der Vorwurf, es mache die Menschen sicher und verderbe gute Sitten, trifft nicht zu. Seinen Adressaten, insbesondere seinem Freund und Förderer, dem Bürgermeister Johannes Leutnichhausen, bescheinigt Praetorius Offenheit und Schutz für das Evangelium. 241 Auch in dieser Predigt entfaltet er den Gedanken der philantropia Dei. Der Gottessohn wird ein Lamm Gottes genannt, weil er sich seiner Gottheit entäußert oder sie in aller Demut gebraucht hat. 242 Er war ein Opfer, das seine Schmerzen gefühlt und geduldig ertragen hat (I Petr 2,21-24). Als reines, unschuldiges, sündloses Lamm ist er ein Menschenfreund, dem man in Zuversicht und Freude begegnen kann. Für diese Menschenfreundlichkeit (Philanthropie) führt Praetorius zahlreiche biblische Beispiele an. Das Lamm wurde ein Sündenträger, d.h. es lud die Sünde auf sich und nahm sie hinweg. Die Reinigung der Gewissen der Gläubigen von den Sünden geschieht durch ihre Nichtzurechnung in der Taufe. In der alten Kirche wurden den Getauften als Zeichen ihrer Unschuld weiße Kleider angezogen. Man nannte sie deshalb "candidati")43 In Ablehnung der "papistischen" Bußlehre hält Praetorius daran fest, dass das Blut Christi von der Erbsünde und allen wirklichen Sünden ("praeterita, praesentia oder futura") reinigt. 244 Die Pastoren sollen ihre Hörer nicht als einen "hauffen vngetauffter Heyden" anreden, sondern den Christen die fröhliche Botschaft einschärfen. 245 Ein wahrer Christ verliert den Schatz seiner Taufe nicht durch seine "Fälle" und Gebrechen, weil Christi Blut nicht fällt. 246 Der Zweck der Erlösung von der Sünde ist der ewige Trost gegen den Zorn Gottes. Die Nichtzurechnung der Sünden bewirkt deshalb ein ruhiges, friedliches und fröhliches Gewissen. Der heilige Geist wirkt in den Gläubigen "newe motus ... nach dem Gesetz zu leben! vnd jedermann zu dienen")47 Gegenüber den "Papisten" bestreitet Praetorius den Vorwurf, gute Werke zu verbieten. Im lern mit Lamm, Kreuz und SiegesfaIme. Das Widmungsschreiben datiert vom 10.3.1585 (Mittwoch nach Reminiszere), so dass eine Passionspredigt zugrunde liegt. 240 AA, I, 534. 241 Darüber hinaus genießt Salzwedel weitere Privilegien in Lübeck. 242 Praetorius zitiert Phil2,5-8 und dazu Johannes Brenz, De maiestate, St.A. 1II/1, 326,2124; 328,7-13.31-34. 243 AA, I, 549f. 244 AA, I, 55l. 245 AA, I, 552. 246 "Zum andernJ sollen wir auch dis wissen! daß ein warer Christi durch seine Feile vnd Gebrechen! vnnd da er gleich plötzlich fallen würde/ seinen Christenthumb/ vnnd den Schatz seiner Tauffe nicht verliere.", AA, I, 554. Praetorius zitiert Luther, Kirchenpostille, 264; Erasmus Sarcerius, Katechismus, 71; Urbanus Rhegius, Katechismus, 85f. Von den Unbußfertigen will Praetorius in einer späteren Himmelfahrtspredigt über die ewige Gnade Gottes handeln. 247 AA, I, 566.
143
Gegenteil, weil die Christen Tempel des Geistes sind, werden sie zu guten Werken ermahnt, gebeten und ermutigt.248 Der rechte Gebrauch des Blutes Christi besteht in der Betrachtung der Passion Christi. Darum soll man Gottes Wort von Christi Verdienst als seinen höchsten Schatz aus der Taufe ansehen. Das Testament Christi ist ebenfalls zum Gedächtnis an sein Leiden und Sterben eingesetzt. Das Abendmahl ist der wahre und wesentliche Leib und Blut Christi. Praetorius wendet sich gegen ein symbolisches Mahlverständnis der Calvinisten. Der Zweck des Abendmahls ist der leibliche Genuss und die Erinnerung an Christi Leiden und Sterben. Das Gedenken an Christus geschieht durch die Betrachtung seiner Passion,249 durch den Glauben und durch den Dank. Weil der Heilige Geist in den Gläubigen ein Feuer entzündet, sollen sie nicht nur quartalsweise zum Abendmahl gehen. Durch das Abendmahl will Gott in den Gläubigen wohnen und sich mit ihnen vereinigen. 25o Das Mahl ist ein Siegel und Pfand seiner Liebe. Die Körper werden zur Unsterblichkeit und Herrlichkeit des ewigen Lebens geweiht. Diese Passionspredigt spiegelt die doppelte Frontstellung des Praetorius gegenüber den gegenreformatorischen Kräften einerseits und den calvinistischen Anfragen andererseits wider. Auf den Vorwurf, seine Lehre untergrabe die Ethik, antwortet Praetorius pneumatologisch. Die Androhung des Heilsverlustes lehnt er ab. Die Teilnahme am Abendmahl ist für ihn auch eine pneumatologische Konsequenz. Zugleich gewährt sie Anteil am ewigen Leben. Der adligen Gräfin Anna von Hohenzollem, Sigmaringen und Vehringen251 schrieb Praetorius zwei aufeinander bezogene Traktate Vom Namen Jesu (Tr. 17, Widmung am Sonntag Estomihi, 14.2.91) bzw. Vom Namen Emanuel (Tr. 18, Widmung am 24.2.92) zu.252 Praetorius möchte, dass "hohe Personen" zuerst ihren Durst löschen, bevor sie die christlichen "Riverlein" (Flüsschen) durch ihr eigenes Ansehen weiter empfehlen und verbreiten. Auf "gutherziger Leute Bitte" erklärt er den süßen Namen Christi in dem Bewusstsein, in den letzten gefährlichen Zeiten zu leben. 253 Gegen das katholische Bußverständnis betont Praetorius mit Hilfe des juristischen Donationsbegriffes, dass die
248 Praetorius zitiert aus Luthers Kirchenpostille zu Ps 15. 249 "Es gedüncket mich! wenn ich den Leib vnd Blut CHRIsti zu mir neme/ als stünde ich zu Jerusalem fiirm Creutzl vnd sehe allda meinen lieben HERREN Christum auffgehengt/ vnd seine Wunden fiir mich armen Sünder Blut trieffen.", AA, I, 578. Das Gedenken an Christi Wohltaten kann auch durch besondere Bücher geschehen. 250 "Denn der fromme HERR wil nicht allein vnser Opffer/ sondern auch vnser Speise seyn/ vnd wil in vns leibhafftig wonen! vnd sich mit vns vereinigen.", AA, I, 581. 251 Anna von Hohenstein, verheiratet mit Joachim von Hohenzollern (1554-1587), der die lutherische Konfession annahm und am Hof Johann Georgs von Brandenburg lebte, begründete eine "schlesische Linie", vgl. Zedler, GVUL 13, 582f. 252 Praetorius verweist (AA, I, 490) auf eine künftige Predigt vom Namen Immanuel, die er zum Trost rur Witwen und Waisen schreiben will. In der Vorrede zu Tr. 18, AA, I, 499 blickt er auf die Erklärung des Namens Jesu zurück. 253 Vgl. AA, I, 462.496.
144
Sünden nicht zugerechnet werden. 254 Die Sündlosigkeit vergleicht Praetorius mit einem Lilienblatt. Grundlage bleibt die melanchthonische Imputationslehre. Auch die Errettung vom Zorn Gottes kann Praetorius im Rahmen seiner Blumentheologie formulieren: "Es wachsen! grünen vnd blühen jetzt im Herzen Gottes eitel köstliche vnd wolriechende Rosen vnd Lilien himlischer vnd göttlicher Liebe gegen vnS."255 Die Beispiele der sinnlichen Wahrnehmung dürfen sehr eindrücklich sein: Gottes Gnade kann nicht nur wie der Glanz der Sonne gesehen, sondern als Himmelsbrot auch gefühlt und geschmeckt werden.2 56 Sie versetzt den Menschen in das Paradies. Der Christ soll sich als Gnaden- bzw. Rosenkind Gottes Gnade "einbilden" und von ihm reichen Segen erwarten.257 Praetorius plädiert für die Beibehaltung des altkirchlichen Ritus des Taufexorzismus.2 58 Durch die Gabe des Geistes werden die Gläubigen dem Bild Christi gleichförmig. Sündenfalle der Christen geschehen gegen ihren Willen. Die leibhaftige Einwohnung des Geistes kann man fühlen. Im Anhang der Predigt vom Namen Jesu wird aus den "Kirchlichen Hierarchien" des Mystikers Dionysius Areopagita über das Taufsakrament zitiert. Dionysius wird als Schüler des Paulus in Athen angesehen und somit auch legitimiert. Die Predigt Von der gülden Rose (Tr. 30; Frühjahr 1581)259 über Mi 4,8-10 widmete Praetorius den Brüdern Pasche und Joachim Stampehl aus Salzwedel und Hamburg.2 60 Nachdem Praetorius einen Ruf als Propst und Superintendent 254 Eine donatio ist eine freiwillige Schenkung, die dem Beschenkten nicht wieder genommen werden kann. 255 AA, I, 472. 256 Die Gnade breitet sich aus wie die Morgenröte, vgl. AA, I, 474. 257 "dein Segen wird vber mich kommen ... wie ein wasserreicher Lustgarten", AA, 1,479. "Er wird mir geben das süsse meines hertzens. Meines Hertzens Wunsch wird mir noch zulachen. Er wird mich setzen vnter Fürsten vnd Fürsten Kinder/ daß ich ihnen zeige ir Heyl/ vnd sie damit erfrewe", AA, I, 475. 258 Zum Exorzismus zitiert er Cyprian, Gregor von Nazianz, Augustin, Optatus von Mileve, Beatus Rhenanus und Dionysius Areopagita. 259 Bei Lorenz Säuberlich in Wittenberg erschien 1604 ein Druck der "Gülden Rose", in dem die näheren Angaben zur Widmung fehlten. Angehängt war ein Schreiben eines "Leyen", das der Verleger großzügig mit fmanziert hatte, Gülden Rose (1604), D3v-E2v. Lorenz Säuberlich, Drucker in Wittenberg 1597-1613, benutzte vermutlich die Druckerei von Matthäus Welack, die der Buchhändler Selfisch 1596 kaufte, vgl. Benzing, Buchdrucker, 502-504. 260 "Denen Erbarn vnnd Wolgeachten Paschen vnnd Joachimo Stampeel/ Bürgern zu Soltwedel vnd Hamburgk. Meinen großgünstigen Freunden vnd Förderern", AA, 11, 3. Widmung vom 16.4.1581. Joachim Stampehl, geb. 1528 verzog nach Hamburg, heiratete dort in eine Patrizierfamilie, wird als Englandfahrer genannt. Pasche Stampehl, geb. 1525, war laut Eintrag im Neustädter Kirchenbuch "mercator auf der Krautbrücke" in Salzwedel, lebte zeitweise in Flandern und Reval, heiratete 1557 eine Tochter des Salzwedeler Bürgermeisters Claus Gercken, war sehr vermögend und Mitglied der Gewandschneidergilde. Sein Sohn Georg wurde nach siebenjährigem Studium und einem sechsjährigen Rektorat an der Neustädter Lateinschule im Jahr 1600 Professor rur die Hebräische Sprache in Frankfurt a.O .. 1607 wurde er Superintendent in Lübeck und starb dort 1622. Die Berufung zum Nachfolger von Praetorius an der Katharinenkirche nahm er nicht an. Pasches Sohn Nikolaus stiftete das große Luthergemälde in der Katharinenkirche. Mit Pasche Stampehl verband Praetorius eine besondere Freundschaft. Vgl. Wentz, Familie Stampehl, 21-28. Die Beziehung zur Familie Stampehl 145
nach Uelzen bekommen hatte,261 wurde er von Pasche Stampehl Mitte April 1581 gebeten, in Salzwedel zu bleiben. Dabei wurde ihm auch eine Unterstützung seiner literarischen Studien zugesagt.2 62 Praetorius bedankte sich bei den Brüdern Stampehl mit einer "goldenen Rose".263 In seiner Dedikation stellt Praetorius die herausragende Bedeutung des Evangeliums heraus: Das höchste Gut ist die wahre Erkenntnis des Evangeliums Christi. Daraus folgt ein "rechtschaffen seliges Leben",264 das einem paradiesischen Leben gleicht.265 Ein solcher Schatz ist besser als alle materiellen Güter. 266 Das wesentliche Kennzeichen dieses Lebens ist die Freude. Paulus nennt das Evangelium eine "Rosam fragrantem vitae" und seinen Geruch einen "odorem vitae" (11 Kor 2,16)267 Das Evangelium ist eine "selige Artzney" gegen die Wunden des Herzens, die vom Teufel zugefügt werden.268 Es erfordert ein ernstes Studium und wird besonders den "Demütigen! vnd den gecreutzigten" offenbart. 269 Praetorius führt seine Erkenntnis des Evangeliums auf die heilige Schrift, die Bücher Luthers und seiner Präzeptoren zurück.270 In seinem Gebet richtet er sich an die "edle Rose" Christus. 271 Der Predigttext aus Mi 4,8 272 ist für Praetorius nicht nur eine Prophetie Michas über die Erlösung des jüdischen Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft, sondern auch eine "Weissagung von der Zukunfft Christi! vnd seines zeigt die enge Verbindung Praetorius' zu den Kaufleuten und zur gehobenen gebildeten und vermögenden Bürgerschicht in Salzwedel. 261 Vgl. TPP 41. St., 43. 262 "Weil mir aber von euch! allerliebster Pascha! fiir wenig Tagen eine grosse Reverentz widerfahren! zu dem ende daß ich zu Soltwedel bleiben! vnd in meinen studijs desto frölicher vnnd fleissiger fortfahren sol", AA, II, 7. 263 "habe ich euch! nebens ewrem lieben Bruder Joachimo/ meinem guten Freunde zu ehren! diß güldene Röselein danckbarlich wollen zuschreiben", AA, I, 7. Die Familie Stampehl trug in ihrem Wappen zwei rote Rosen, vgl. Wentz, Familie Stampehl, 23f. 264 AA, II, 3. 265 "Denn es erfrewet die Hertzen! mit vberschwencklicher frewden! vnd macht sie lustig vnd lebendig! als ob sie mitten im ewigen Leben weren ... Wenn wir wolten! kondten wir wol selig vnd im Paradise seyn! Aber wir wollen selbst nicht", AA, II, 4. 266 AA, II, 3. 267 AA, II, 4. 268 AA, 11, 5. Darin ist das Evangelium dem Rosensaft vergleichbar, der das Fieber senkt. Als Beispiel ftlr einen solchen Umgang mit der Predigt des Evangeliums nennt er seinen jüngst verstorbenen Paten Joachim Appelrath, der ein Buch mit eigenen Predigtnachschriften sein "gülden Schatz vnd sein Artzneybüchlein" nannte. 269 AA, 11, 6. 270 AA, 11, 7. 271 "Ach du edle Rose/ JEsu Christe/ erfiille vnser Hertzen mit dem Geruch deiner Erkentnis/ vnd mach vnsere Hertzen dadurch frölich! biß wir zu dir kommen! in deinen hinunlischen Rosengarten! da du vns alsdenn in deinen Violen! Rosen vnd Lilien weiden wirst! vnd vnser Hertzen mit frewde des ewigen Lebens erfüllen", AA, 11, 7. Die Bezeichnung Christi als Rose und der Vergleich des Paradieses mit dem Rosengarten knüpft nicht nur an mittelalterliche Vorbilder an, sondern erinnert auch an Rosa nobilis. 272 In Mi 4,8 ist die "goldene Rose" eingefügt worden. "Es wird deine güldene Rose komen! die vorige Herrschaft! das Königreich der Tochter Jerusalem.", AA, 11, 8. Vgl. die gleichlautende Lutherübersetzung.
146
Königreichs", das als "auream rosam" betitelt wird. 273 Wenn Gott Israel aus Babel zurückgeführt hat, "alsdenn wird ewer gülden Rose/ nemlich der Sohn Gottes/ ewer lieber Messias/ mit seiner gülden HerrschafftI vnnd mit seinem gülden Reich zu euch kommen. Vnnd diese Herrschafft wird viel edler seyn/ denn die vorige gewesen ist."274 Praetorius geht in seiner eschatologisch ausgerichteten Predigt drei Fragen nach: 1. Warum nennt der Prophet den Sohn Gottes eine goldene Rose? 2. Was hat der Sohn Gottes für ein Reich und Herrschaft? 3. Wie soll man Reich 'und Wohltaten Christi gebrauchen? Christus ist die schönste Blume im Paradiesgarten Gottes. Sein Wesen ist Freundlichkeit und Lieblichkeit. Seine Philantropie (Tit 3,4) erweist sich darin, dass er den Sünder "gratis, vmbsonst vnd aus lauter gnaden" liebt. 275 Sein süßer, wohlriechender Geruch ist der Heilige Geist, d.h. der Geist der Furcht und des Gehorsams gegenüber Gott. "Wir sind des Sohns Gottes Lilien! er ist vnser Rose".276 Er war "wie eine Rose vnter den Dörnern".277 Nach dieser christologischen Vorbemerkung über das Wesen der Menschenfreundlichkeit Christi kommt Praetorius zu seiner eigentlichen Intention, der Beschreibung des Reiches und der Herrschaft Christi. Das geistliche Reich Christi lässt sich in vier Begriffen zusammenfassen: Es besteht in seinem Blut, in der Taufe, in seinem Wort und im Heiligen Geist. Damit ist die Soteriologie, die Sakramentenlehre, die Lehre vom Wort Gottes und die Pneumatologie erfasst. Das Blut Christi hat vollkommene Gerechtigkeit, Versöhnung mit Gott und ewiges Leben erworben. Den Artikel von der neuen Gerechtigkeit empfiehlt Praetorius seinen Zuhörern zum gründlichen Studium. 278 Der Schatz in Christus ist größer als der Schaden in Adam. Praetorius kommt es darauf an, dass die Wohltaten Christi den Gläubigen ohne Einschränkungen gelten. Seine Theologie der Heiligkeit, Gerechtigkeit und Reinheit der Christen beruht auf der melanchthonischen Imputationslehre. Versöhnung bedeutet, als Gottes Kind vom Vater geliebt zu werden. Allerdings "spielt" Gott zuweilen mit seinen Kindern und verbirgt seine Liebe, wenn er Armut, Krankheit und "alle Wetter" über sie kommen lässt,279 Hier spiegeln sich die zeitlichen Umstände wider, unter denen Praetorius seine Traktate verfasst. Mit dem Bild des seine Kinder "herzenden"
273 AA, 11, 9. 274 AA,II, 10. 275 AA,II, 12. 276 AA,II, 13. 277 AA,II, 15, vgl. Cant 2,2: "lilium inter spinas". Praetorius vergleicht wie in Rosa nobilis den blutenden Christus am Kreuz mit der Rose unter den Domen. 278 "Diesen Artickell sollet ihr meine liebe junge Kindlein ja wol studiren ... auff das ihr wissen möget! was ir für Gott seyd/ ... nemlich ... lauter lebendige Heiligen! voll Reinigkeit vnd Gerechtigkeit! die Gott gefellig ist.", AA, 11, 18. Praetorius zitiert dazu Heinrich Rothe (Pastor in Eisleben, gest. 1575) und Johannes Brenz, Römerbriefkommentar. 279 "Die Welt sitzt in flore, wir sitzen in dolore.", AA, II, 21. "Laß dich von GOTT hertzen! daß dir der Angstschweiß außbricht! Es werden edle Kindlein! vnd edle Früchtlein auff solch hertzen erfolgen", AA, 11, 22.
147
Vaters interpretiert Praetorius das körperliche Leiden der Christen als einen Liebeserweis Gottes. Das eigentliche Ziel ist das ewige Leben. Aus der melanchthonischen Imputationslehre ergibt sich für ihn kein Quietismus, sondern eine lebendige Freude des Glaubens: "Hilff Gott! welch ein frölicher Tag wird der Tag vnser Aufferstehung seyn? Welch ein frolocken vndjubiliren wird sich allda erheben? ... Welche schöne Lilien werden wir seyn? ... Wie werden wir vns vmbfahen vnd küssen? ... Da werden wir die Engel Gottes sehen vnnd hören."280 Praetorius formuliert seine Zukunftsvorstellung im Rahmen der traditionellen lutherischen Eschatologie, die von der Erwartung des Jüngsten Tages gekennzeichnet ist. Auffällig ist jedoch die affektbetonte und plastische Schilderung der Auferstehungsherrlichkeit. Mit der Beschreibung der Taufe als Eingliederung in den Leib Christi durch das Wasserbad im Wort geht Praetorius zur Ekklesiologie und Sakramentenlehre über. 281 In melanchthonischer Weise stellt Praetorius das Evangelium von den Wohltaten und dem Verdienst Christi heraus. Diese Lehre wird Evangelium genannt, weil sie die die Herzen nicht betrübt, wie es das Gesetz tut, sondern sie fröhlich und lebendig macht. Auch hier betont Praetorius wieder sein Verständnis des Evangeliums als einer frohmachenden Botschaft.282 Die Lehrer der Kirche haben die Aufgabe, der Jugend das Evangelium von den Wohltaten Christi und die Bedeutung der Taufe zu vermitteln und dabei besonders das Wort "ewig" nicht zu verschweigen.2 83 Seelsorger sollen das Evangelium von den ewigen Wohltaten Christi den Angefochtenen in der Absolution zusprechen. Der heilige Geist gibt dem Wort die lebendige Kraft und bewirkt die Wiedergeburt des neuen Menschen,284 Wer ein heiliges Leben führen will, soll aufrichtig sein. Wer fällt, soll sogleich wieder aufstehen, die Sünde bereuen und um Vergebung bitten. Reue und Buße stillen aber nicht den göttlichen Zorn und können die Vergebung nicht verdienen. 285 Sie haben vielmehr die Aufgabe, die sündlichen Lüste zu 280 AA, 11, 24. Interessant auch hier der Verweis auf die Lehrer der Kirche, die das lautere Evangelium gepredigt und viele zur wahren Erkenntnis gebracht haben. Sie werden wie die Sonne leuchten und die Freude der Zuhörer erfahren. 281 Praetorius zitiert Luther, WA 52, 281,16-18. 282 In seiner Auslegung von Cant 6,2f vergleicht er die Versanunlung der Heiligen mit einem Rosengarten und das Evangelium mit einem Rosenstock: "Wir sind im Rosengarten! da eitel Himlische Rosen in wachsen! ja Rosen des ewigen Lebens/ die Christus selber abbricht! vnd vns damit ergetzet. Vgl. auch die "Rose von Jericho" (Weisheit des Evangeliums), Sir 24,18 und den Vergleich der Heiligen mit Rosen, Sir 39, 17f. 283 "Denn diß einige vnnd kleine Wörtlein ist der gülden Kern der ganzen Schrifftl vnd allein das ware Evangelion.", AA, 11, 29. 284 "Aber wenn der heilige Geist dabey ist! so ist das Euangelion ... Fewer vnd Geist, krafft vnd leben ... Denn wir wissen nicht! zu welcher zeit der heilige Geist in vns wircken! vnd vns durchs Euangelion widergeberen! vnd newe gleubige vnd fröliche Creaturen aus vns machen wolle.", AA, 11, 34f. 285 Praetorius zitiert dazu aus Melanchthons Loci, aus dem Matthäuskommentar von D. Chytraeus und dem Katechismus von Heinrich Rothe. Melanchthon, Loci 1559, De tide, St.A. III2, 554, 21-37; Chytraeus, Matthäuskommentar, 528.530. Beide Zitate fehlen in der Ausgabe der "Gülden Rose" (1604), DIr. 148
töten. Solange die Reue und die Schmerzen nicht gefühlt werden, bleibt die Vergebung unwirksam. Die "contritio" dient der Ehre Gottes und der Tötung der sündlichen Begierden.286 Als solche ist sie ein Gott gefälliges Opfer. Sie soll rechtschaffen, aber gemäßigt sein. Praetorius sieht einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Trauer, Krankheit und Tod. "Denn von allzuviel trawren kömpt Kranckheit vnd der Todtl vnd der Mensch macht sich selbst vngeschickt zu allen guten Wercken."287 Der Gnadenbund der Taufe bleibt bestehen, auch wenn der Mensch einen Sündenfall begeht. Dass wahre Reue in erster Linie ein Schmerz über den Ungehorsam ist, belegt Praetorius aus Melanchthons Loci. 288 Die Predigt Von der gülden Rose knüpft an die "Blumentheologie" der lateinischen Schriften an. Antike Autoren treten zurück, während Luther, Melanchthon und andere Reformatoren zur Fundierung der Theologie herangezogen werden. Diese Schrift ist in ekkiesiologischer und eschatologischer Hinsicht von Bedeutung. Praetorius geht es um die Förderung und Auferbauung der wahren Gläubigen, um die Lebendigkeit und Freude des Glaubens. Zu einer geradezu jubilierenden und in ihrer Form auch außergewöhnlichen Sprachgestalt in der Darstellung der gegenwärtigen Wirklichkeit der Gläubigen gelangt Praetorius in der Osterpredigt Von der fröhlichen Auferstehung (Tr. 22, Ostern, 31.3.1583), die er dem Bürgermeister, dem Rat und den Bürgern der Stadt Lüneburg widmet. 289 Der bereits im Seefahrer Trost formulierte Missionsgedanke wird hier noch einmal aufgegriffen. Die Ausbreitung des Evangeliums geschieht durch das fleißige "Studium" des Wortes Gottes. 290 Praetorius wünscht sich, dass noch viel mehr "Lehrer und Scribenten" die ganze Welt, d.h. Asien, Afrika und Europa erfüllen und um des Heils der Kirche willen Gottes Wort verbreiten würden. In dieser Osterpredigt über I Kor 15,3f steht die Freude über das Heil im Vordergrund. Die "fröliche Aufferstehung" zeigt sich in der Freude Christi und im himmlischen Jubel der Engel und aller Kreaturen über seinen Sieg. 291 Christus habe den Jüngern nach seiner Auferstehung mitgeteilt, was sie predigen 286 "daß also der Mensch nimmer heiliger vnnd reiner ist! als eben zu der Zeit! wenn er in Gott busse !hut! vnnd seine SUnde ernstlich berewet.", AA, II, 46. 287 AA, 11, 46. 288 Melanch!hon, Loci 1559, St.A. 11/2, 553,28-31. 289 Bürgermeister war von 1564/68-1591 Lenert Töbing. Vgl. die Namen, Ämter und Amtszeiten der Ratsmitglieder bei Mörke, Rat und Bürger. "Gottes Wort ist ewer höhester Schatz: Vnd getrewe Lehrer sind ewer Freunde", AA, I, 659. Seit 1578 war Jobus Gigas (gest. 1614), ehemaliger Schüler bei Lossius in LUneburg, Lehrer an der Altstädter Schule und Prediger in Salzwedel erster Pfarrer an St. Nikolai in LUneburg. Georg Starcke, gest. 1594, war ebenfalls Pastor in Salzwedel, bevor er 1556 zweiter Prediger in LUneburg wurde vgl. Reinhard, Pastoren in Lüneburg, 137; 152. 290 "Es regen sich wol jetziger Zeit viele böser zeitung! aber darumb muß man das liebe studium nicht nachlassen: Sondern es viel mehr desto fleissiger treiben vnd desto hefftiger beten.", AA, I, 660. 291 "Ihre Hertzen werden ihnen von Frewden im Leibe gewachsen vnd gegrUnet haben! als Lilien vnd Rosen.", AA, I, 668. 149
sollten, nämlich Buße und Vergebung, nicht aber das Gesetz. 292 Der Schwerpunkt und die Hauptintention dieser Predigt liegt in der Darstellung des Nutzens und der Kraft der Auferstehung Christi. Durch die Vereinigung mit Christus zu einem Leib ist der getaufte und gläubige Christ nicht nur mit Christus gestorben, sondern auch mit ihm auferstanden,293 Darum soll man sich in Christus für einen lebendigen Heiligen und neuen Menschen halten, der Sünde und Tod abgelegt hat.2 94 Wie Christus kann der Gläubige und Getaufte "sol iustitiae" genannt werden. Praetorius gelangt zu diesen Spitzenaussagen mit Hilfe der "in Christo" Formel. Durch die unio cum Christo kann der Christ alle Aussagen über Christus auch auf sich beziehen. Die christologische Fundierung der Theologie des Praetorius ist also unbestreitbar. Ein Problem ist allerdings die faktisch nicht zu leugnende Realität der Sünde auch im Leben des Christen, die ihn von Christus unterscheidet. Sie wird von Praetorius als sehr gering eingeschätzt. Die Sünde ist wie Nebel oder Dunst, der die Sonne bedeckt. Der Christ sieht aber auf das darunter verborgene herrliche Licht der ewigen Gerechtigkeit. 295 Sünde und Tod sind in Christus abgelegt worden. Wie der Auferstandene ein neuer Christus wurde, so sind die mit ihm Gestorbenen auch neue Menschen geworden. 296 Wer dieses Evangelium von Jugend auf hören würde, der wüsste weder von Sünde noch von Tod. Sollte er in schwere Sünde fallen, würde er sich eine Zeitlang grämen und dann zu Gottes Gerechtigkeit zurückkehren. 297 Die Sünde des Christen wird von Praetorius daher nicht als selbständige Größe wirklich ernstgenommen, sondern immer schon unter dem Vorzeichen der Gerechtigkeit Christi als abgetan betrachtet.298
292 "Wenn man aber seine Natur vnd Sünde erkennet! so gibt man dem Gesetz vrlaub/ vnd bleibt bey der Vergebung. Denn das Gesetz ist nur ein Führer zu Christo.", AA, I, 672. Dem Gesetz kann Praetorius keine positive Funktion fiir den Christen zuerkennen, es ist nur ein Führer zu Christus. Insofern stinunt er mit der Konkordienformel in der Lehre vom tertius usus legis nicht überein. Ob daraus jedoch notwendigerweise eine antinomistische Position folgt, ist eine andere Frage. 293 "Also ist auch seine Aufferstehung vnser Aufferstehung ... Es ist aber sein Todt also vnser Todt! ... nach der wunderbarlichen vereinigung! damit wir mit ihm zu einem Leibe vereiniget sind ... Denn ein jeder getauffter vnd gleubiger Christen ist in Christo/ vnd was Christus ist vnd thut! das ist vnd thut er auch! vnd was von Christo geredt wird! sol auch von ihm verstanden werden.", AA, I, 675. 294 "Also sind auch wir in ihm nichts anders denn eitel Gerechtigkeit und Leben! denn er ist vnser Häupt.", AA, I, 677. 295 "Iustitia praeponderat peccatum, & vita praeponderat mortem. Imo justitia absorpsit peccatum & vita absorpsit mortem.", AA, I, 678. 296 "Eben so wenig als Christus Sünde hat! so wenig haben wir auch Sünde", AA, I, 679. 297 Praetorius beantwortet die novatianische Frage nach der Zulassung der Gefallenen zur Absolution so, dass dieses Problem bei Christen (mit Ausnahme der mutwilligen Feinde Christi) gar nicht auftauchen könne, da sie ja bereits gerecht seien, unabhängig davon, ob sie die Absolution empfängen. In der strikten Konsequenz dieses Absolutionsverständnisses könnte Praetorius eigentlich auf die Beichte verzichten. 298 Den Studenten und Lateinkundigen empfiehlt Praetorius ein längeres lateinisches Zitat des Bischofs Maximus (Confessor) zum Auswendiglernen, in dem sein inklusives Auferste150
Praetorius kritisiert die "vnzeitigen Sündenprediger". "Was? sprechen siel ist ein Mensch gerecht vnd ein Kind des ewigen Lebens? Ich meynte/ er were ein armer Sünder/ vnd ein Kind des Todes. Sünder/ Sünder/ Sünder sind wir. Das sage man den Leuten! auff das sie es erkennen! busse thun vnnd selig werden. "299 Ihnen entgegnet Praetorius, dass sie die Christen nicht anders machen können, als sie sind, nämlich "Sonnen der Gerechtigkeit! vnd Kinder des ewigen Lebens".300 Denen, die glauben, dass sie die Auferstehung Christi nichts angehe, schärft er das "pro te" ein: "Denn deinethalben ist er Mensch worden! vnd hat sein Blut vergossen! auff daß er dich erlösete. Er ist dein Salvator vnd Heyland".3 01 Praetorius beruft sich auf seinen "lieben Praeceptor" Luther, dass die Frucht der Auferstehung ein friedsames Gewissen ist, das weder Sünde noch Tod schrecken soll. Weil die Gerechten nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade stehen, darf die "stoltze Ruhe" ihres Gewissens nicht durch die Predigt des Gesetzes beunruhigt werden.302 Praetorius warnt die Prediger davor, das wieder zu zerbrechen, was sie in der Osterpredigt aufgebaut haben. Der in Sünde gefallene Christ soll sich mit der Auferstehung Christi trösten: "Denn Christus hat vns in sich gezogen! vnd sich mit vns vereiniget in alle ewigkeit."303 Die Freude über das Heil kann nicht überschwänglich genug sein. Dies führt Praetorius der Gemeinde auch sprachlich vor: "Weiter sollen wir auch in solchem vnsenn grossen Heyl ... von Hertzen frölich seyn vndjauchtzen. Jauch/ jauch! hejal Gott lob vnd danck. Ich bin ein Christen. Ich bin mit Christo erstanden. Ich habe keine Sünde mehr. Ich werde auch nicht sterben. Sondern ich bin gerecht! vnd ein Kind des ewigen Lebens. Sihe doch! welch ein Glantz der Gerechtigkeit Christi von mir gehet? Ich glentze wie ein Engel! vnd bin doch von natur so ein anner Sünder. Die Nacht ist vergangen! der Tag ist erbey gekommen. Sündennacht ist weg! Todesnacht ist weg! Der Tag der Gerechtigkeit vnd ewigen Lebens ist erschienen. Hoffal hoffal eitel liecht ist hie/ eitel liecht. Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! leben! leben. Sünd vnd Todt sind nicht mehr verhanden."304
Die theologischen Spitzensätze, in denen Praetorius seinen Emotionen freien Lauf lässt, fallen auch sprachlich aus dem Rahmen. Der Gebrauch von Bildern, emphatischen Ausrufen, kurzen, stakkatoartiken Sätzen und Wiederholungen erweist diese Passage als einen rhetorischen Höhepunkt der Predigt.
hungsverständnis zusanunengefasst ist. Vgl. z.B. "In salvatore enim omnes resurreximus, omnes reviximus, omnes ad coelestia transmigravimus.", AA, I, 680. 299 AA, I, 685. Diese Bußprediger, die Natur und Gnade nicht unterscheiden, nennt Praetorius "Feinde der Seligkeit"., ebd. 300 AA, I, 683. 301 AA, I, 684. 302 "Man lasse ihnen das pochen des Gesetzes von der Nasen! vnnd man lasse sie damit vnverworren.", AA, I, 686. 303 AA, I, 687. 304 AA, I, 688.
151
In dieser ungeschützten Redeweise sind allerdings auch leicht Missverständnisse möglich. Wohl um ihnen vorzubeugen und um die Wirklichkeit nicht auszublenden, weist Praetorius darauf hin, dass jeder Christ seine Bürde trage. Kaiser und Fürsten sorgten sich wegen der Türken. Statthalter, Kanzler, Räte, Lehrer, Prediger, Bürger und Bauern seufzten unter ihrer Last. Dennoch sollten die Christen "frolocken vnd jauchtzen".3 05 Sie sollten für seine Wohltaten Dankpsalmen singen, lachen und springen. Der Gerechtigkeit und Unsterblichkeit der Christen sollte ein "Englisch leben" im neuen Gehorsam entsprechen.306 Mit einem schönen Bild aus 11 Sam 23,4 beschreibt Praetorius das Wachsen des Reiches Christi in den Herzen der Gläubigen.3 07 : Mit diesem naturverbundenen und sehr anschaulichen Bild bleibt Praetorius in der Begründung der Ethik in der Nachfolge Luthers. Diese Osterpredigt ist wohl das beste Beispiel für die sprachlich lebendige, auf den Grundton der Freude gestimmte und auf die Frucht des Glaubens abzielende Theologie und Frömmigkeit von Praetorius. Hier wird die Verbindung einer melanchthonisch an den beneficia Christi orientierten Theologie mit der mystischen Vorstellung einer unio cum Christo besonders deutlich. Aufgrund dieser Verbindung gelangt Praetorius aber auch zu seinen theologisch anfechtbaren Aussagen über die himmlische Existenz des Christen, in der die Sünde nur noch eine marginale Rolle spielt. Auffällig ist der starke Ausdruck von Emotionen wie Freude, Jubel, Traurigkeit oder Angst, der auch in sprachlicher Hinsicht sichtbar wird. Praetorius beruft sich in seiner Predigt in einer eklektischen Weise auf die Reformatoren Luther, Melanchthon und Brenz ebenso wie auf altkirchliche bzw. mittelalterliche Autoritäten.308 Subjektiv ist Praetorius von seiner "Rechtgläubigkeit" überzeugt. Seine einseitigen Aussagen über das neue Leben des Christen sind jedoch nur ungenügend gegen mögliche Missverständnisse abgesichert. Die Verbindung einer Nichtanrechnung der Sünde mit der unio cum Christo liegt auch seiner Predigt Von der ewigen Gerechtigkeit der Christen (Tr. 6, Quasimodogeniti, 7.4.1583) zugrunde. Zu dem "in Gott andechtigen" Abt des Stifts und Zisterzienserklosters Riddagshausen, Johannes Lorber,309 pflegte 305 AA, I, 690. 306 "Denn sind wir Engel! so sollen wir auch ein Englisch leben fiiren! vnd vns mit keinen Sünden beflecken. Denn vnser reputation vnd hoheit ist zu herrlich! denn das wir solten mit SUnden befleckt werden. Es fiire ja ein jeder in seinem Stande/ ein tapffer/ ernstes/ nüchtern vnd züchtiges leben.", AA, I, 691. 307 "Denn er wird zu erst einen milden vnd süssen Regen seines heiligen Worts vom hohen Himmel herab geben vnd dadurch die trocken hertzen feuchten. Damechst wird er auch durch seinen heiligen Geist eine herrliche Sonne vnnd liecht warer erkentnis Gottes vnd Glaubens in denselbigen Hertzen auffgehen lassen. Darauff wird das GraB folgen! nemblich allerhandt Früchtlin vnnd Blümlin des Glaubens/ als da sind! Friede vnd Frewde/ liebe/ zucht! warheit! wolthetigkeit! vnd was dergleichen mehr ist.", AA, I, 696. 308 Dazu gehören z.B. Euseb, Chrysostomus, Augustin, Theodoret, Maxirnus Confessor (580--662), Papst Gregor d.Gr. und Beda Venerabilis. 309 Johannes Lorber (ca. 1525-1586), evangelischer Abt des Klosters Riddagshausen von 1557-1586, Einfiihrung des evangelischen Gottesdienstes 1568, Tod seiner Frau Katharina
152
Praetorius offensichtlich einen guten Kontakt. Praetorius lobt Lorber fiir sein Bemühen um die wahre Gottseligkeit und die Förderung des reinen Evangeliums. Die notwendigste Lehre von der Rechtfertigung wolle er in dieser Predigt erklären.3 10 Diese Lehre müsse jedoch von altem und neuem "Schlamm" gereinigt werden. 311 Praetorius geht es vor allem um die Gewissheit des Heils.3 12 Er will die Rechtfertigungslehre als Quelle des Trostes absichern gegenüber den Widersachern Georg Majors, die aber nicht genauer benannt werden. 313 Unklar ist, wen Praetorius damit meint. Er will offensichtlich mit Major an der lutherischen Folge von Glaube und Werken festhalten, die er als die reine Lehre versteht. 314 Der später gegen ihn erhobene Vorwurf des Antinomismus hätte zumindest in diesem Zusammenhang keine Berechtigung. Wer das Evangelium rein predigt, muss aber mit Widerstär1den rechnen.3 15 Praetorius beantwortet in seinem Traktat die Frage, was Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung erworben und in die Welt gebracht habe. Hier betont er wiederum die neue und vollkommene Gerechtigkeit durch die Taufe 1580, vgI. Langerfeldt, Abt Windruwe; Meibom, Chronik, 64-69. Lorber wird fiir seine "wahre und aufrichtige Frömmigkeit" gerühmt, vgI. Meibom, Chronik, 68. Im Kloster Riddagshausen wurden mehrere Gespräche bezüglich der Konkordienformel gefiihrt, vgI. Mager, Konkordienformel, 56; 261 u.ö. Widmung an Lorber vom 8.4.1583 bei Kröner in Uelzen. Sie fehlt in der Amdtausgabe 1622. 310 Eine Schrift (über die Lehre von der Hinunelfahrt Christi) vom gottseligen Leben, von der Buße der gläubigen Kinder Gottes und vom "lieben" Kreuz soll noch folgen. 311 "Denn der eine klecket mir dis an vnser Justification hinan! der ander ein anders/ damit man vns ja dieselbige vngewiß/ vnd vnsem Glauben zweiffelhafftig mache. Vnnd die am meisten wider Doctorem Maiorem ruffen vnd schreyen! die besudeln vns die Lehre des Euangelii am meisten! vnnd lehren nichts gewisses/ darauff sich ein armes Hertz vnd Gewissen gentzlich verlassen! sich dessen trösten! mit Frewden zu Hauß gehen! vnd GOTT dancken könte.", AA, I, 154f. Möglicherweise hat Praetorius hier die Prediger vor Augen, die durch ihre scharfen Bußpredigen die Gewissheit des Heils in Zweifel ziehen. 312 "Diese Schlacken last vns abthun von vnser Justification! so viel vns müglich ist! vnd vnser Gerechtigkeit allein gründen auff das Verdienst Jesu Christi/ vnd nicht auff vnsere Werck.", AA, I, 155. 313 Im sog. "majoristischen Streit" vertrat der Melanchthonianer Georg Major (1502-1574) die Ansicht, dass gute Werke zur Seligkeit nötig seien. VgI. dazu Richter, Gesetz und Heil, 94ff. In der "Sorge vor libertinistischen Konsequenzen" sollten die guten Werke als "notwendige Frucht des Glaubens" verstanden werden. Die gnesiolutherischen Gegner Flacius und Amsdorf fielen in die entgegengesetzte Extremposition, indem sie die guten Werke als schädlich zur Seligkeit ansahen. VgI. dazu Lohse, Dogma und Bekenntnis, 115. Nach 1558 verzichtete Major mehrfach förmlich auf seine umstrittene These. In seinem theologischen Testament bekannte er sich zum sola fide Luthers und Melanchthons und schloss den Gedankens eines Verdienstes oder einer Ursache der Werke fiir die Seligkeit defmitiv aus. In der Konkordienformel wurde die Lehre fixiert, dass die guten Werke als Konsequenz der Rechtfertigung, nicht aber als Bedingung der Seligkeit notwendig seien. VgI. Scheible, Art. Major, 725-730. 314 ."So gehet denn der Glaube/ Friede/ Frewde vnd Seligkeit in vnserm Hertzen an! vnd folgen rechtschaffene gute Werck.", AA, I, 155. Richter, Gesetz und Heil, 352f erwähnt zwar diese Schrift von Praetorius als Beispiel fiir die weiterhin virulente Frage nach der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit, geht auf die genannten Gegner Majors nicht weiter ein. Praetorius sieht ebenso wie Luther die Rechtfertigung als Voraussetzung guter Werke an, vgI. ebd. 359. 315 VgI. AA, I, 155.
153
mit dem Bild von Christus, dem Bräutigam, und seiner "fürstlichen Braut", der Kirche.316 Für die Schönheit und Reinheit der Kirche nennt Praetorius biblische Belege: Cant 7,2; Apk 19,8; Eph 5,27; Joh 13,10. Der Christ ist schöner und gerechter als Adam vor dem Fall.317 Die Sünde der Christen ist mit der Gerechtigkeit Christi bedeckt. 318 Sie ist auf Gottes Rat, Willen und Befehl hin vor Grundlegung der Welt gegeben worden.3 19
3.3 Predigten zu Pfingsten Die weitreichenden Aussagen über die "ewige Gerechtigkeit" der Gläubigen werfen die Frage auf, ob und inwiefern Praetorius in einen unlutherischen Spiritualismus verfallen ist. In diesem Zusammenhang ist besonders auf das Verhältnis von Wort und Geist zu achten und auf die ekklesiologischen Konsequenzen, die sich daraus ergeben könnten. Es liegt nahe, diese Fragen anhand der vorhandenen Pfingstpredigt Vom heiligen Geist (Tr. 23; Pfingsten, 7.6.1584) zu untersuchen. Als einen glücklichen Umstand ist zu werten, dass über diese Pfingstpredigt hinaus ein lateinischer Traktat De fide, pace, gaudioque aus dem Jahr 1585 aufgefunden werden konnte, der bislang nicht berücksichtigt wurde. Die Dedikation der Pfingstpredigt (Act 2,15-17) vom 10.6.1584 an Bertha von Bartensleben,320 die Witwe des altmärkischen Landeshauptmanns Werner von der Schulenburg,321 und an ihre Kinder zeigt wiederum die Verbindungen
316 "Also hat vns auch der Son Gottes! vnser lieber Breutigaml in vnser Tauffe! vnser Sündenkleider ausgezogen! vnd das Kleid der Gerechtigkeit widerumb angezogen" (Sach 3,4; Jes 61,10), AA, I, 163. 317 Dazu zitiert Praetorius einen Gegner Majors, Matthias Flacius IIIyricus, De Iustificatione contra Osiandrum (vermutlich: Von der Gerechtigkeit wider Osiandrum, Magdeburg 1552). Flacius betont, Christus habe im Unterschied zu Adams ursprünglicher Gerechtigkeit eine vollkommenere Erfiillung des Gesetzes und eine größere Vereinigung mit Gott gebracht. Praetorius beurteilt diese Äußerung so, dass sich die Engel Gottes darin spiegeln. 318 Über die "Fälle" und Sünden der Heiligen, die aus Gottes Rat entstehen, zitiert er Luther und aus Bugenhagens Psalmenkommentar (Ps 35). Diese "Margarita" soll man nur den "betrübten vnd erschrocken Hertzen", jedoch nicht den "rohen Sewen" vorwerfen, AA, I, 171. Dass Praetorius sich gegen den Missbrauch seiner Seligkeitslehre schützen will, lässt darauf schließen, dass man seine Theologie in libertinistischer Weise missverstehen konnte. 319 Augustin, Johanneskommentar (Joh 15,16), Traktat 86. Praetorius kritisiert den Vorwurf des Manichäismus, der gegenüber den Verfechtern der Prädestinationslehre erhoben wird, als Gotteslästerung. Die Gegner lehren nicht Gottes Erwählung, sondern den freien Willen. Eine doppelte Prädestinationslehre vertritt Praetorius aber nicht. 320 Bertha Sophie von Bartensleben (1550-1606), Heirat mit Werner (XVII.) von der Schulenburg (1541-1581) 1571. Kinder: Levin IV. (1571-1614); Hans Xl. (1572-1611); Busso (1573-1575); I1se (1574-1600); Agnes (1578-1606); Joachim Friedrich (1581-1633). Bertha bestinunte ihr gesamtes väterliches Vermögen (27500 Rtl.) zu diakonischen und kirchlichen Zwecken. Sie unterstützte die Schüler der Neustadt Salzwedel, ließ Kirchen restaurieren und gründete die Stendaler Dombibliothek. Vgl. Schmidt, Schulenburg, II, 240-242; ders., III, 15. 321 Werner von der Schulenburg (1541-1581), Solm Levins von der Schulenburg, Studium Frankfurt a.O. 1557, Bologna 1561, Kanunergerichtsrat 1566, Landeshauptmann der Altmark 154
des Praetorius zu den Kreisen frommer Adliger. Bertha wird als eine edle, gottselige und tugendsame Frau charakterisiert, die Praetorius und das Wort Gottes gefördert habe. Ihre Kinder werden zur Gottesfurcht und zur Tröstung ihrer verwitweten Mutter ermahnt. 322 Der Traktat ist insbesondere an die Jugend gerichtet. In diesen letzten Zeiten sollen die Kinder mit Glauben und einem zurückgezogenen Leben auf die Ankunft des Bräutigams Christus warten. 323 Praetorius begründet die ausführliche Darstellung des Reiches des heiligen Geistes damit, dass seine "Haußkirche/ vnd andere/ vrsach vnd anleitung hetten! diesen hohen Sachen weiter nachzudencken")24 Das Thema des Traktates wird trinitarisch eingeordnet. Der Heilige Geist wohnt zusammen mit Vater und Sohn inwendig in den Herzen der Christen, so dass sie davon "Truncken vnd Frölich" werden)25 Der Geist wurde den Jüngern gegeben, nachdem sie durch Elend und Kreuz "geisthungrig" geworden waren, damit er ihnen "desto süsser schmecken solte")26 Auch hier ist der Geistempfang an die Leidenserfahrung geknüpft. Interessant ist, wie Praetorius an dieser Stelle den Missionsgedanken einbringt. Aus Fischern wurden durch den Geist hochgelehrte Doktoren und Legaten Christi, die das Evangelium in allen Sprachen der Welt predigten)27 Die Apostel brachten allen Kreaturen die fröhliche Botschaft vom Verdienst Christi, auch den Heiden in Amerika und Indien)28 Offensichtlich hatte Praetorius nicht nur Kenntnis von der geographischen Literatur, sondern sein Blick für die Mission wurde vermutlich bereits in seinem Rostocker Studienaufenthalt geschärft. Praetorius ist überzeugt, dass die Apostel mit lebendigen Herzen, feuriger Zunge und fröhlicher Stimme gepredigt und die Zuhörer bewegt haben. Weil das Evangelium "süß im Mund", 1569, Heirat mit Bertha Sophie von Bartensleben 1571, wohnte in Beetzendorf, vgl. Schmidt, Schulenburg, H, 240-242. 322 "Denn was zieret doch ein Adels Person besser/ als Kunst/ Tugendtl Gottseligkeit/ Freundligkeit, Bescheidenheit?", AA, I, 704. 323 AA, I, 704. 324 AA, I, 703. Hauskirche bedeutet vermutlich die Familie bzw. die Adelsfamilie. 325 AA, I, 708. 326 "So gar viel ist am elend vnd Creutz gelegen! das auch der heilige Geist ohn dasselbige nicht ins Hertz kommen! vnd darinn wircken kan! ob gleich Christus selber mit seinem Wort da ist.", AA, I, 711. 327 Praetorius nennt die Geistbegabung Sauls (I Sam I 0,5f.l Of) als Beispiel darur, wie der Umgang mit gelehrten und geistreichen Männem einen prophetischen und fröhlichen Mut verleiht. 328 Nun haben die "armen Leute in Amerika nichts mehr vom Euangelio. Ihr Gott heist Tamaraka/ ist ein gewechs aus der Erden! wie ein Cürbis/ lestem den Nahmen Christi/ vnd fressen sich vntereinander auffi' wie Vnthiere/ ja grewlicher denn Vnthiere.", AA, I, 714. Über den Kürbis als "Gott" der Bewohner Haitis vgl. Petrus Martyr, Oe rebus oceanicis et novo orbe. Decades tres, Köln 1574, 105f; deutsche Übersetzung durch Nicolaus Höniger. Ander Theil, Der Newen Welt vnd Indianischen Nidergängischen Königreichs, Basel 1582, 332, vgl. Heß, Nicolai, 68. Auch Philipp Nicolai berichtet vom Kürbis als Abgott der Haitianer, vgl. Heß, Nicolai, 68. Neben Nicolai ist Praetorius ein weiteres Beispiel fiir die frühe Rezeption der geographischen und Reiseliteratur im Luthertum. In einem Brief an Jakob Monau im August 1578 bekundet auch David Chytraeus sein Interesse rur das Buch von Martyr, vgl. D. Chytraeus, epistolae, 342f.
155
aber "bitter im bauch" ist, können treue Lehrer nur mit Hilfe des Geistes ihr Leiden ertragen. In der höchsten Traurigkeit tröstet der Geist durch einen fröhlichen Gnadenblick. Einem eventuellen Spiritualismus begegnet Praetorius mit dem Hinweis auf das Leiden des Christen. In einer prägnanten Definition über das Wesen des Heiligen Geistes hält Praetorius an der Einwohnung des Geistes in den Auserwählten fest. 329 Der Geist wird den Gläubigen in der Taufe (Tit 3,5f) gegeben. Mit der Frage, ob der Geist nur in seinen Gaben oder auch in seinem Wesen in den Auserwählten leibhaftig wohne, hatte sich Praetorius "vor etzlichen Jahren" an Martin Chemnitz330 gewandt. In seinem damaligen lateinischen Antwortbrief, den Praetorius vermutlich vollständig wiedergibt, hielt Chemnitz als Zeugnis der Schrift fest, dass sowohl die Gaben als auch der Heilige Geist selbst in den Gläubigen wohne33 ! Für Praetorius ist insbesondere Letzteres von Bedeutung. Er schließt aus der Antwort, dass ein wahrer Christ ein lebendiger Heiliger und der göttlichen Natur teilhaftig ist. Der innewohnende Geist wird Gottes "heimligkeiten ... nemlich seinen geneigten vnd väterlichen willen gegen mir offenbaren".332 Dazu zitiert Praetorius Luther, dessen Schriften er "Rosensafft vnnd Krafftwasser aus dem Heylbrunn des heiligen Geistes geflossen" nennt. 333 Das Wirken des Geistes ist durch Wort und Sakrament vermittelt. Zu seiner Erkenntnis dienen auch die biblischen Sprachen. Der Geist wirkt gegen die Drohworte des Gesetzes und selbst gegen die traurigen Sprüche Christi den wahren Glauben,334 Die morgendliche Lektüre des BibeItextes und das Hören einer fröhlichen Predigt lässt das Herz "grünen". Als Rat an einen Fürsten empfiehlt Praetorius nach Gebet und Regierungsaufgaben ein freundschaftliches Gespräch mit Theologen über Christi Wohltaten,335 Diese Empfehlung 329 "Er ist die dritte Person in dem einigen Göttlichen Wesen! Welche von dem Vater vnd Sohn außgehet! vnd wird gesandt in die Hertzen der Außerwehlten! daß er darin wohne vnd sie erleuchte." "Denn wenn wir am aller elendesten sind! so ist vns der heilige Geist am nehesten! vnd wenn wir am betrübtesten sind! so tröstet er vns am stercksten.", AA, I, 717. 330 Martin Chemnitz (1522-1586), Bibliothekar Königsberg 1550, Vorlesungen Wittenberg, Stellvertreter des Stadtsuperintendenten Joachim Mörlin in Braunschweig 1567, Dr.theol. Rostock 1568, Reformator Braunschweig-Wolfenbüttel 1568, Auseinandersetzung mit Jesuiten 1562, "Examen Concilii Tridentini" 1566/73, Mitarbeit an der Konkordienformel ab 1573, vgl. Mahhnann, Art. Chemnitz, Martin, TRE 7, 714-721. 33! . "Haec dulcissima consolatio perlt, si ipsum S.S. a credentibus removeamus, & tantum creata dona, autore absente, in renatis constituamus", AA, I, 720f. Diese Antwort entspricht der Entscheidung der Konkordienformel in dieser Frage. 332 AA, I, 722. 333 "Köndte aber wol ein heiliger Engel aus dem Himmel köstlicher vnd lieblicher reden! als hie Lutherus thut?", AA, I, 724. 334 "Denn Christus vnser lieber Seligmacher ist so vberauß gütig! daß er vns nicht allein grosse Schätze durch sein Blut erwirbet! vnd in der Tauffe schencket! sondern daß er vns auch dazu den heiligen Geist gibt! welcher in vns den Glauben anzündet! damit wir solche Schätze ergreifen vnd fruchtbarlich geniessen können.", AA, I, 728. 335 "Wenn ich einem Fürsten etwas gutes rathen solte/ wolte ich ihm rathen! daß er nach seinem Gebet! vnnd verhörung der Klagen! vnd linderung aller beschwerung vnd stifftung guter Policey Ordnung! vber seinem Tisch! beym Trüncklein Weins vnnd frölicher Music/ nicht allein mit Rittern vnd Grafen! von Kriegen vnd Jagten! sondern auch vnnd fiimemblich mit ge156
frommer Gespräche im Freundeskreis ist ein interessanter Hinweis auf ein Bedürfnis nach geistlichem Austausch zwischen Pfarrern und Laien. Praetorius hat dabei zunächst Adlige im Blick. Hier deuten sich bereits ekklesiologische Konsequenzen aus dem Geistverständnis an. Die wahren und vom Geist erleuchteten Gläubigen versammeln sich zu besonderen Gemeinschaftsformen, um sich über die Schrift auszutauschen. Von der Freude und der Traurigkeit der Gläubigen will Praetorius in einem späteren Traktat De gaudio in Spiritu sancto ausfiihrlicher handeln,336 Das Wirken des Geistes umfasst auch das Gebet und die "liebe zu allen Tugenden oder guten Wercken",337 indem er das Herz von bösen Lüsten befreit. Der Geist tröstet die Christen in Schwermut und Traurigkeit, in die einige Christen durch astrologische Praktiken geraten sind,338 Das Wirken des Geistes wird auch körperlich erfahren: "Wir rulen dz der HErr Christus leibhafftig in vns wonet! V nd sich in vns reget! vnd vnsere arme Hertzen mit seinem Gnadenmund küsset."339 In seinem Widmungsbrief an den Abt des Klosters Riddagshausen, Petrus Wiendruwe (Weindraub, Weintraube),340 vom 30.3.1585 (Dienstag nach Judica) berichtet Praetorius von dem Wunsch eines Freundes nach Veröffentlichung der "duftenden Veilchen", die "welkende" Herzen wieder erfrischen können,341 Im Gegensatz zur unreinen Welt würden seine Schriften von ehrenvollen Gemütern geschätzt und gelesen. Die lateinische Schrift De fide, pace, gaudioque in Spiritu sancto handelt von den drei "Violen" des Glaubens, des Friedens und der Freude im heiligen Geist. Bemerkenswert sind die darin enthaltenen Zitate von Bernhard von Clairvaux und Johannes Hus. Die Schrift richtet sich an die Getauften. Durch die Wiederherstellung und Überbietung der ursprünglichen Würde des Menschen ist der Fall Adams zu "gewin vnd
larten Theologen! nicht von vnnützen Subtiliteten! sondern von den hohen Wolthaten JEsu Christi! aus den lieben Propheten vnd Aposteln! vnd aus Luthero/ Fürstlich zwar/ aber doch freundlich reden solte ... Denn GOttes Wort! das heilige Evangelium! ist eine solche gnadenreiche Predigt! daß es den heiligen Geist vnd seine Frewde mit sich bringet! im lesen! hören vnd betrachten! fiirnemlich in pijs colloquiis syncerorum amicorum.", AA, I, 732f. 336 AA, I, 733. 337 AA, I, 735. 338 "Lassen sich offt die armen hertzen durch die züge in den Händen! durch die genealogias (Geschlechtsregister und Geburtshoroskope) vnd durch Trewrne schrecken ... Newlich sprach einer zu mir vber Tisch! mit kleglichen Worten! Er könne vor grosser Trawrigkeit nicht essen. Darüber mir die Thränen heimlich aus den Augen flossen! die andern lachten seiner/ vnd sprachen! er wäre ein Thor.", AA, I, 739. 339 AA, I, 741. 340 Petrus Wiendruwe (1555-1614), Eintritt in das Kloster Riddagshausen 1575, Prior ebd. 1580, vgl. Meibom, Chronik, 69-77. 341 Möglicherweise handelt es sich hierbei um die bereits früher erstellte Schrift über die "Viola". Vgl. die Ankündigung in einem Brief an D. Chytraeus und die Bemerkung über eine Schrift zum heiligen Geist, Rosa D8r. Ein bislang unbekanntes Druckexemplar von "De fide" befindet sich in Rostock. In der Forschung blieb es bislang unberücksichtigt. Es trägt eine handschriftliche Widmung von Praetorius an Theodor von Bevernest. Die handschriftlichen Randbemerkungen stammen vermutlich von Bevernest.
157
wucher" geworden.3 42 Die Heiligen halten sich nach einem mühseligen Leben in den "lieblichen Gärten des Himmels" auf, bis sie am Jüngsten Tag auferweckt werden. Die Schätze Christi werden in wahrem Glauben besessen. 343 Dass der Glaube Kraft und Mut gibt, bestätigt auch Bernhard.344 Praetorius ermahnt besonders "pauperes adolescentes", die Schätze des Heils zu ihren eigenen Gütern zu zählen.3 45 Damit der goldene Glaube in ihnen wachse, sollen sie von ihrem Heil gern und häufig sprechen.3 46 Unter dem heiteren Angesicht Gottes sollen sie die süßesten Früchte vom Baum des Paradieses empfangen. Auf eine herrliche Hoffuung folgt auch ein herrliches Ende. 347 Bezüglich des Friedens geht es Praetorius um die "pax conscientiarum",348 die im Freisein von Furcht, Sünde und Zorn besteht. Dieser Friede ist die Wiederherstellung der Gerechtigkeit Adams vor dem Fall. Die Getauften sind daher "Götter".3 49 Das ewige Leben ist nicht nur das unsterbliche Glück im Himmel, sondern auch die Freude der Seele in diesem Leben durch die Sündenvergebung.3 50 "Vnser Hertzen sollen trieffen! ja flies sen von grosser wichtiger freude ... Es sol ein jmerwerende vnd zunemende freude sein ... Wir sollen stets so vberaus lustig vnd frölich sein! als ob wir schon im Himel weren."351 Die geistliche Freude kommt aus dem Lesen, Hören und Meditieren des göttlichen Wortes. Wenn der Teufel "Christi freudenreich in vns zerstören" will, empfiehlt Praetorius als "Medizin" das Gebet und die Tröstungen der Freunde. Dass die Frommen unter der Feindschaft der Welt zu leiden haben, bekräftigt Praetorius mit dem Bild von Nachtigall und Habicht."352 Der lebendige Christus tröstet sie jedoch wie eine Mutter ihre Kinder.353 342 Bernhard, Dominica infra octavam assumptionis, Sermo de Maria virgine, Opera, Bd. V, 262, 6-8. Johannes Hus, 0 culpa beata. 343 "Habeamus igitur thesauros Christi, et gazas Basilij, de quibus Nyssenus scribit: Sobrietas illi pro domicilio erat: Sapientia loco praedij: Iustitia autem et veritas et puritas pro splendidis et magnificis aedificiorum omamentis.", De fide, A6r. 344 Bernhard, In vigilia nativitatis Domini, Sermo 3, Opera, IV, 219,26. In Ascensione Domini, Sermo 5, Opera, V, 150,1-3. 345 "Quapropter hortor vos pauperes adolescentes, ut hasce diuitias salutis in solis vestris bonis numeretis.", De fide, A5v-A6r. 346 ,,!ta in vobis habitabit et viuet Iesus Christus", De fide, A6v. 347 "Spes magnae et excelsae magno et excelso fine conc1uduntur.", A7r. Diese Sentenz stammt von Gregor von Nyssa. 348 De fide, A7v. 349 "Ihr seid jetzt heller denn die Sonne/ vnd schöner denn die Engel. Quoniam amicti et exomati estis iustitia perfecta, non quidem Angelorum, sed ipsius Filij Dei. Vestra iustitia est iustitia diuina, seu iustitia Dei. Achjr seid Götter", De fide, BIr. Die Bezeichnung der Christen als "Götter" erinnert an Andreas Osiander, vgl. Preger, Flacius, I, 276. 350 "Des Herrn Christi meinung ist! das seines Reichs Fürsten! an gethan mit ewiger gerechtigkeit! vnd ewiger Kindschaffil von hertzen! vberschwenglich/ vnd vber alle massen frölich sein sollen", De fide, B6v. 351 De fide, B7r. Bevemest ergänzt: "Vnd der himmel rund vrnbher voller geygen hienge". 352 "Piae, doctae, modestae et innocentes Lusciniae, quae accipitrum rostra et ungues aliquoties degustarunt, semper anxie pauent", De fide, C3v. 353 "Et ita complectitur et exosculatur eos, quemadmodum mater filiolam gremij sui.", De fide, C4r. 158
4. Dogmatische Schriften
4. J Schriften zu den Sakramenten Es liegt nahe, dass Praetorius auch zu Taufe und Abendmahl separate Schriften verfasst hat, zumal beide Sakramente für ihn eng mit seinem Verständnis der gegenwärtigen Seligkeit der Gläubigen verbunden sind. Bereits 1585, möglicherweise aufgrund von Kontakten mit calvinistischen Niederländern, ist das Gespräch eines Holländers und Lutheraners vom Abendmahl (Tr. 12, um 1585) in der Auseinandersetzung mit dem reformierten Abendmahlsverständnis entstanden,354 Praetorius vertritt darin einen dezidiert lutherischen Standpunkt. Brot und Wein sind für ihn der wahre und wesentliche Leib und das Blut Christi. Das Brot wird auch panis mysticus oder sacramentalis genannt, weil unter ihm der Leib Christi verborgen ist, ohne Verlust seiner Natur und Eigenschaften. Um dieses zu verstehen, muss die Vernunft dem Glauben untergeordnet werden. Eine symbolische Deutung der Abendmahlsworte (panis allegoricus seu figuralis) wird abgelehnt. Das Abendmahl ist zum Gedächtnis an Christi Passion eingesetzt. Die Christen, das "newe/ gerechte/ heilige vnd angeneme Volck", sollen eine "newe vnerhörte/ himlische vnd göttliche Speise" erhalten: "Der Leib vnd das Blut Christi verwandeln den Menschen in ire Natur/ vnd machen einen heiligen Göttlichen Kuchen daraus."355 Der Kommunikant ist zum ewigen Leben gesalbt und geweiht. Die Früchte des Todes Christi können ihm damit besser appliziert werden. Die Einsetzungsworte werden durch die Gabe von Leib und Blut Christi verpHindet und versiegelt. Das Mahl tröstet in Anfechtungen und versetzt in die himmlische Freude. Der rechte Gebrauch geschieht "mündlich vnd hertzlich",356 Praetorius wirft den Calvinisten eine falsche manducatio spiritualis vor, so dass sie das Sakrament unwürdig empfangen,357 Gebete und kurze Erinnerungen Von beiden Sakramenten (Tr. 11) veröffentlichte Praetorius im Frühjahr 1594. Er beklagt, dass seine Traktate von vielen verbrannt oder verworfen werden,358 Dennoch will er sein Schreiben fortsetzen, denn "es sind doch vnter den Disteln vnd Dörnern noch allewege Violen vnd Rosen vorhanden! welche die hohen Gaben Gottes nicht verachten! sondern sie mit Liebe vnd Danck annemen! Ja solche Bletterlein thewrer denn Silber vnd Gold achten",359 Zu Taufe und Abendmahl zitiert er thesenartig u.a.
354 355 356 357
Vgl. Tr. 47. AA, I, 325. AA, I, 327. "Wenn ihr zum Sacrament gehet! so gleubt ihr nicht daß der Leib vnd Blut Christi im Sacrament! sondern droben im Himmel sey.", AA, I, 329. 358 "Daher körnpts/ daß wir vnsere in GOtt geschriebene Tractetlein bey vielen im Rauch! Staube vnd Aschen finden! die wir wol filr die besten gehalten.", AA, I, 294. 359 AA, I, 295. Praetorius bittet Gott um weitere Förderung, denn "vnsere Hende vnd Finger trieffenja von Myrrhen", AA, I, 295.
159
aus Luthers Kleinem Katechismus und der Kirchenpostille.3 60 Hinsichtlich des Abendmahls interessiert ihn besonders die Vereinigung mit Christus. An Frauen in einer besonderen Lebenssituation richtet sich sein Gebet einer schwangeren Frau361 ebenso wie sein Trost fiir eine Frau nach einer Fehl- bzw. Frühgeburt.3 62 Praetorius tröstet die Mutter, dass das Kind nach Gottes Rat und Willen verstorben ist. Geduld, Gehorsam und Absterben des Eigenwillen sollen geübt werden. Wie die Märtyrer wird das Kind durch seinen Tod getauft und hat die Seligkeit durch das Gebet seiner Mutter erlangt. Die beste Medizin fiir die traurige Mutter ist das Hören, Lesen und Singen des Wortes Gottes. Das Gebet eines Paten363 bei der Taufe eines Kindes enthält die Bitte um die Seligkeit, die Überkleidung mit himmlischer Gerechtigkeit und die Teilhabe an der göttlichen Natur. 364 Die Danksagung eines getauften Menschen fiir die selige Taufe365 ist ein schönes Beispiel fiir das hohe Selbstbewusstsein der Getauften.3 66 Der Getaufte bittet um die Aufnahme in das Paradies, um Gottes Herrlichkeit zu schauen. In einem Heiligungsgebet bittet eine "keusche Jungfrau", die durch innerliche Zeichen und Zeugnisse fühlt, das rechte Jerusalem und ein Tempel des heiligen Geistes zu sein, um ein reines "Engel Hertz" und bleibende Heiligkeit. 367 Ein Dankgebet nach dem Empfang des Abendmahls stellt die Vereinigung mit Christus heraus.3 68 Den Seiden- und Purpurhändlerinnen Lübecks widmete Praetorius am 7.4.1594 Heilige Sakramentsgebete (Tr. 44) und "Tröstungen" fiir verschiedenen Lebens- und Notsituationen.3 69 Darüber hinaus enthält die Schrift StellungAA, I, 296f= Il, 280f; I, 306-308 = H, 303-305. AA, I, 298f= H, 282f. AA, I, 303-306 = H, 284-287. AA, I, 299 = H, 283. "Erfiille sein Hertz mit deinem H. Geist! vnd mache es also deiner Göttlichen natur theilhafftig ... Es müsse ein Englisch Leben fUhren! in Demut vnd Gerechtigkeit ... Es müsse wachsen wie die Cedern auff dem Libanon! vnd blühen wie die Rosen zu Jericho.", AA, I, 300 = II, 284. 365 AA, I, 300 = 1I, 287. 366 ,,0 wie edel vnnd schön bin ich nun ... Ich bin eine newe Sonne ... Ich bin ein Fürst vnd Priester ... ich bin sehr herrlich vnd heilig.", AA, I, 301 = 1I, 289. 367 "Ach du H. Geist! der du in mir wonest! Laß ja deine Ruhestet fein seuberlich seyn! Damit du desto williger in mir wonen mögest." "Denn ob wol die Mayestet vnd Herrligkeit deines Göttlichen Geistes an mir noch nicht offenbarlich leuchtet! so mercke ich dennoch/ durch mancherley innerliche Zeichen vnd Zeugnussen! daß ich das rechte Jerusaleml vnd ein warer Tempel deines heiligen Geistes sey. Denn ich fiile deine ausgegossene Liebe in mir. Sie fleust in mir/ wie geschmoltzen Zuckerl vnnd macht mir mein gantzes hertz süsse.", AA, I, 303 = II, 290. 368 "Denn nun bistu ja in mir/ vnd GOtt dein himlischer Vater/ mit welchem du eins bist! ist auch in mir. Er ist in mir mit aller seiner Herrligkeit. Nun bin ich ein Thron GOttes. Mein Leib vnd Seele/ HErr Christe/ ist mit dir vereiniget. Ich bin mit dir gesalbet vnd geheiliget. Ich bin mit deinem Leibe vnd Blute durchgangen! als mit einem heylsamen vnd wolriechendem Balsam/Nun wirstuja/ hoffe ich! in mir leben vnd herrschen."AA, I, 308 = II, 305. 369 AA, II, 276. Als Begründung verweist Praetorius auf Paulus, der einer Purpurkrämerin (Lydia, Act 16) zuerst das Evangelium gepredigt hatte. Diese hatte sich ihrerseits christlich und freundlich gegenüber Paulus verhalten. Die "Tröstungen" sind an anonyme Einzelpersonen ge360 361 362 363 364
160
nahmen zu Beichte, Selbstmord, Unwetter und Krankheit und eine dem Herzog Johann Friedrich von Pommern und Stettin dedizierte offene Beichte mit Absolution und Gebet für die Obrigkeit. Bei einem Suizidgefährdeten370 nennt Praetorius hohe Verschuldung als die Ursache für die Selbstmordabsicht. Er kritisiert den Versuch, mit fremdem Geld reich zu werden, weil er Gefahr und Sorgen mit sich bringt. Helfen bei Schulden weder Pfändungen noch Bittgänge bei den Gläubigem, soll man den Glauben an Gottes Allmacht praktizieren. "Denn Gott ists nicht schwer Arm vnd Reich zu machen."371 Nach einem "schweren Fall" soll man öffentlich Buße tun. Christen haben Mitleid mit den Gefallenen. Weil die Sünde bereits durch Christus gebüßt ist,372 braucht sie nicht durch den eigenen Tod gebüßt werden. Praetorius ermahnt die Superintendenten, solche Pastoren und Lehrer nicht zu dulden, die aus dem Wort der Gnaden eine "Ketzerey" machen. Viele verspotten die Lehre, dass der Mensch bereits in diesem Leben selig ist. "Wie ist das müglich/ sprechen siel hie in diesem mühe seligem vnd sterblichem Leben selig seyn?"373 Für das Vertrauen auf die Gnade beruft sich Praetorius auf Luther, Melanchthon und D. Chytraeus)74 Einer adligen Witwe, deren Ehemann auf ,jämmerliche" Weise ums Leben kam, rät Praetorius, um ihrem Mann nicht zu lange zu trauern und statt dessen dem himmlischen Bräutigam Christum anzuhängen. "Durch solch erkentniß wird ewer Hertz ins Paradiß kommen! vnd Himlische Frewde erlangen."375 Bei Verlust irdischer Güter soll sie sich mit den himmlischen Schätzen trösten. Praetorius empfiehlt die Lektüre des Psalters, den nur die Elenden, Kranken, Verfolgten und Angefochtenen recht verstehen. Die Obrigkeit wird an ihre Schutzpflicht erinnert. Der wahre Adel der Kinder Gottes besteht hingegen in wahrer Gottseligkeit und christlicher Tugend. Gegenüber Adligen und Amtspersonen376 verteidigt Praetorius seine Lehre von der gegenwärtigen Seligkeit in der Antwort, ob die Christen Brief und Siegel ihres Heils haben (Tr. 32, um 1594).377 Der Schatz der Taufe muss ergriffen werden, sonst wird der Mensch "aus der ewigen Hochzeit Gottes außgerichtet. Die möglicherweise urspünglich separat verfassten seelsorgerlichen Schreiben wurden in Tr. 44 zusammengefasst und mit einem Inhaltsverzeichnis (AA, II, 279) versehen. Ein Teil der Gebete wurde erneut in Tr. 11 Von beiden Sakramenten veröffentlicht. 370 "Trost für einen! der sich selbst erseuffen! erhencken oder erstechen wil.", AA, II, 293. 371 AA, II, 295. 372 "Denn es ist beschlossen im Rahte der heiligen Dreyfaltigkeit! daß den gleubigen vnd getaufften keine Sünde sollen mehr zugerechnet werden: Sondern eitel vnd ewige Gerechtigkeit", AA, II, 297. 373 AA, II, 300. 374 Melanchthon, Loci 1559, St.A., II12, 508,16-21. Chytraeus, Catechesis, vgl. Reu, Quellen, I/3a, 334,2--4. 375 AA, II, 322. 376 "An eine fiimeme Person vom Adel zwar allein geschrieben! Aber allen andern Adels Personen! auch Amptleuten! in Städten! Flecken vnd Dörfern nützlich zu lesen.", AA, II, 83. 377 Der auch in Tr. 42 (AA, II, 263) vorkommende Ausdruck "Brief und Siegel" kann als Anhaltspunkt für die Datierung gewertet werden.
161
mustert".378 Wer die Seligkeit außer durch Taufe und Glaube durch die Buße erlangen will, verliert sie.379 Wer auf eine Buße und Bekehrung am Ende seines Lebens spekuliert, "ist tausendt meilen aus der Tauffel vnd aus dem Reich Gottes gefallen".3 80 Praetorius lehnt den Verdienstcharakter der Buße ab. "Briefe und Siegel" der Seligkeit sind das Wort Gottes, die Taufe, das Abendmahl und der Heilige Geist. Das testimonium spiritus sancti internum ist ein lebendiges und fühlbares Siegel Gottes. Praetorius bezeichnet die Verachtung der gegenwärtigen Gnade als Todsünde, während aus der Predigt unaussprechlicher Friede und Trost zu erwarten ist. Die absolute Hochschätzung der Taufe als Grundlage des christlichen Lebens wird besonders in dem Lob und Preis der Taufe (Tr. 10, um 1585) deutlich.3 81 Dieser Traktat, der in der Auseinandersetzung mit den Jesuiten entstanden ist, fällt durch seine bilderreiche Sprache auf, in der Praetorius die Kraft des Taufwassers herausstellt. Er greift darin auf die in den lateinischen Schriften entfaltete Blumenallegorie zurück. Betrachtet man einzelne Aussagen isoliert, kann man in ihnen das osiandrische Motiv der Gottwerdung des Menschen deutlich erkennen. Allerdings bleibt Praetorius insgesamt innerhalb der lutherischen Zuordnung von Geist und Sakrament. Die Herkunft seiner Aussagen ist schwer zu bestimmen, manches fällt sprachlich so aus dem Rahmen, das es genuin wirkt. Neu ist die Verbindung antiker, mittelalterlicher und humanistischer Gedanken mit einer lutherisch-melanchthonisch geprägten Theologie. Die bilder- und emotionsreiche Sprache lässt verstehen, warum Praetorius eine solch nachhaltige und breite Wirkung gehabt hat. Es ist vor allem die auf einen optimistischen Grundton gestimmte kraftvolle hymnische Sprache, die Praetorius fiir seine Leser und Hörer so attraktiv erscheinen lässt. Die Taufe ist ein seligmachendes, gnadenreiches Wasser des ewigen Heils, das aus den Wunden Jesu geflossen ist. 382 Sie gibt Anteil an der Herrlichkeit Christi. Der Getaufte zieht Christus an, so dass er selbst zum Christus wird.3 83 Der Getaufte nimmt teil an Christi Tod, Auferstehung und Himmelfahrt.3 84 Sichtbar ist dies aber nur den Augen des Herzens, nicht der Vernunft. Ein Christ muss deshalb nach dem Wort Gottes betrachtet werden. Die Trinität, die 378 AA, 11, 87. 379 "Wer durch die Tauffe nit hinein geht ins Reich Gottes/ der geht durch die Busse ja nicht hinein.", AA, 11,89. 380 AA, 11, 88. 381 Von der undatierten Schrift ist kein separater Druck bekannt. Die Jesuiten werden als Wiedertäufer bezeichnet. Aufgrund inhaltlicher Parallelen zu Tr. 2 ist die Abfassung ab ca. 1585 wahrscheinlich. 382 AA, I, 277. ,,0 du hochgelobtes Violenwasser/ Rosenwasser/ Zuckerwasser/ Heilwasser/ Külwasser ... An dir/ liebe Tauffe/ vnnd an den heiligen fiinffRosen Wunden Jesu Christi habe ich meine höchste Lust.", AA, I, 283. 383 "Ein Christ leuchtet filr Gott in Christo/ wie eine helle schöne Sonne. Wer einen Christen sihetl der sihet Christum: vnd wer einen Christen höretl der höret Christum. Die Tauffe macht einen Gleubigen zu Christo. Ein gleubiger vnd getauffter ist nicht allein ein Christophorus: sondern auch Christus/ in Christo/ vnd mit Christo.", AA, I, 277. 384 "Ein Christ ist schon mit Christo im himmel vnd filret ein göttlich wesen.", AA, I, 277.
162
in der Taufe wohnt, reinigt als eine "geistliche Sintflut" von allen angeborenen und wirklichen Sünden. 385 Praetorius vergleicht die Getauften mit dem verklärten Christus. Als das Kleid der Gerechtigkeit ist die Taufe die höchste Schönheit der Christen. 386 Die Christen haben auch alle Tugenden des Gesetzes an sich. Praetorius beschreibt in mystischer Terminologie das Verhältnis des Christen zu Gott,387 Das Paradies befindet sich in den Herzen der Christen. Deshalb streben die Christen nach einem vollkommeneren Leben. Durch den einwohnenden und regierenden Geist brauchen sie keine Gebote mehr, sondern sie tun das Gute spontan und mit Freuden,388 Die Taufe macht die Gläubigen zu Königen und Priestem,389 Ihre Majestät und Herrlichkeit ist in ihrer Seligkeit begründet. Die Verehrung der Taufe ist grenzenlos: "Ewig bin ich durch dich rein! gerecht! heilig! gnadenreich! himlisch."390 Der Name des Christen löst Freude aus: "Hoffa/ ich bin selig."391 Gegenüber den Jesuiten wird auf die einzige notwendige Buße, die Buße Christi,392 verwiesen. Die "Papisten" sollen die Getauften durch Buße und Werke erst noch selig machen. Dem Bekehrten können seine Sünden nicht an seiner Seligkeit schaden. "Wer selig ist! in dem wonet Christus/ vnd wircket in im hemacher alles/ was zu einem Christlichen leben gehöret."393 In der Taufe soll man seine Seele von den täglichen Sünden baden. Sie ist der "einige vnd ware Trost" der Seele,394 Praetorius zitiert im Anschluss an seinen Lobpreis der Taufe aus Luthers Taufsermon (1519) und Taufpredigten. Darin wird die Lehre von der Seligkeit aus der Taufe gegenüber der katholischen "Werkheiligkeit" herausgestellt. Den Brüdern Hans und Jakob Pertz ist eine Sammlung von Lutherzitaten aus der Kirchenpostille unter dem Titel Das Herz Lutheri (Tr. 9) gewidmet,395 Es sind Auszüge aus Lutherpredigten zu den Themen Glauben, Taufe, Evangelium, Applikation und neues Leben. Auffällig sind die Zitate zum neuen Leben der Christen, in denen die Predigt des Gesetzes und der Gebote gegenüber 385 "Die Tauffe macht vns zu schneweissen Lilien.", AA, I, 278. 386 "Sie sind eitel wolgekleidete vnd gezierete Fürsten Kinder ... Sie sind eitel Gnadenkinder/ vnd Zuckerkinder. Es schmelzet! fleusset vnd trieffet die Gottes Gnade vber sie wie eine trieffende Rose."AA, 1,279. 387 : "Christi Geist sencket sich in vns/ vnd wonet in vns. Es vermenschet sich Christus durch seinen Geist in vns/ wie wir durch denselbigen Geist in im vergöttert werden. Wir werden Götter/ vnd Göttlicher Natur teilhafftig." Durch die Wiedergeburt lebt und wirkt Christus in den "göttlichen Menschen". "Wir sind jetzt gesinnet als Christus/ vnd können reden als Christus.", AA, I, 281. 388 "Wir sind vber alle Gebote/ vnd sind klüger als vnsere Meister.", AA, 1,282. 389 "Vnsers hertzen seufftzen vnd gebet ist im ein süsses Abendopffer.", AA, I, 282. 390 AA, I, 284. 391 AA, I, 284. "Wolan/ ich bin getaufftl ich bin ein Christ! ich bin selig! ich bin rein! ich bin gerecht! ich bin Gottes Kind! ich habe in mir den H. Geist Christi.", AA, I, 285. 392 "Des HErrn Christi Busse ist meine Busse", AA, I, 284. 393 AA, I, 287. 394 AA, I, 288. 395 "Das Hertz Lutheri. Auff welches sich alle Christliche Hertzen wol gründen vnd verlassen mögen! beyde im gleuben vnd bekennen! leben vnnd sterben", AA, I, 264.
163
Christen verurteilt wird.3 96 Die Lutherzitate sollen die Übereinstimmung des Praetorius mit Luthers Tauflehre und damit auch seine Rechtgläubigkeit beweisen. In ihrer Einseitigkeit und Zuspitzung konnten seine Aussagen allerdings missverstanden werden, etwa im Sinn eines theologischen Antinomismus oder Spiritualismus.
4.2. Schriften zum neuen Leben der Gläubigen Wie sollte die praxis pietatis vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Seligkeit der Gläubigen aussehen? Dazu verfasste Praetorius eine Reihe von Schriften, die sich mit dem neuen Leben der Gläubigen befassten. Die Begründung des neuen Lebens wird in dem undatierten Traktat Von der Majestät und Herrlichkeit der Christen (Tr. 2; um 1585) 397 beschrieben, der offensichtlich auch von Johann Arndt sehr geschätzt wurde. Einige Formulierungen erinnern an die Schriften über die Taufe. Praetorius scheint sich in einer apologetischen Situation zu befmden, wenn gegen ihn der Vorwurf der Ketzerei bzw. der "neuen Lehre" erhoben wird. Deshalb beginnt er mit einer Verteidigung seines Evangeliums. Die Evangeliumspredigt ist die Grundlage von Sündenvergebung, Seligkeit und guten Werken. Praetorius kritisiert Prediger, die gleichgültig oder unwissend sind. Das seligmachende Evangelium ist zwar in der Kirche vorhanden, aber es wird häufig missverstanden, verfälscht und unterdrückt.398 Praetorius wehrt sich gegen den Vorwurf, er wolle "etwas newes ... auff die Ban bringen".399 Er wolle das alte, rechte und reine Evangelium "aus dem Staube erheben".400 Von der Schrift lasse er sich gern überzeugen. Diese Erklärung des locus "de maiestate Christianorum" sei ein Belegfür seine Lehre. 401 Der Untertitel seines Traktates "Euangelischer Bericht" bekommt somit eine apologetische Färbung. Praetorius will oder muss sich gegenüber äußeren Angriffen verantworten. 396 "Welcher nu solch göttlich Fewr der Liebe veracht! vnd lest sich das nicht anzünden noch reitzen zur Liebe gegen seinen Nechsten! ... der wird freylich nimmennehr durchs Gesetz! das ist lere oder gebot! treiben oder zwingen from werden.", AA, 1,275. 397 Dieser Ausdruck taucht erstmals in Tr. 23 (1584) auf, vgl. AA, I, 701. Ein Zitat von Johannes Hus (vgl. AA, I, 64 mit De tide, A4b) und von Petrarca (vgl. AA, I, 69fmit AA, I, 335f) werden ebenfalls 1584/85 benutzt. Da von dem undatierten Traktat kein separater Druck bekannt ist, kann eine Abfassung um 1585 vennutet werden. Möglich ist aber auch eine noch spätere Abfassung Ende der 90er Jahre im Vorfeld der Visitation von 1600, als gegenüber Praetorius der Vorwurf erhoben wurde, er vertrete eine neue Lehre. 398 "Denn die gantze Welt ist in diesem Wahn ersoffen! wir haben das Euangelion lauter vnd rein! vnd es könne nit anders gelehret vnd geprediget werden.", AA, I, 61. 399 AA, I, 61. 400 "Zu vnnötiger newerung habe ich nie Lust vnd Liebe gehabt! viel weniger zu newen Ketzeryen! der bin ich mir GOtt lob vnd danck nicht bewust! sondern das liebe alte/ recht vnd reine Euangelion! ... Wil ich ... ein wenig widerumb aus dem Staube erheben! vnd erleutern", AA, I, 61 f. Vgl. dazu auch Johann Amdts Aussage über die Theologia Deutsch: "Solcher alten kurzen Büchlein, die zu einem heiligen Leben fiihren, liegen viel im Staube verborgen" (Erstes Bedenken über die deutsche Theologie, 14), WCh VI, 3 (S.824). 401 "Zur Probe aber dieser newen Lehre/ sol sie ja so heissen! ob sie es wol nicht ist! wil ich anfenglich erkleren! den locum de maiestate Christianorum", AA, I, 62 164
Praetorius geht es um eine Darstellung der besonderen Würde des Christen. Dazu unterscheidet Praetorius zwischen den wahren Gläubigen und denen, die nicht in wahrer Buße und im Glauben Christi getauft sind. Je mehr man sich in der Majestät und Herrlichkeit Christi spiegelt, desto mehr nimmt man, wie die Sonne nach der Morgenröte, an Glanz und Majestät zu. 402 Ohne die Erkenntnis von der Majestät in Christus aus der Taufe gibt es auch keine Seligkeit. Die "frommen Herzen" in allen Ständen erkennen im Unterschied zur "viehischen Welt" Licht und Speise des göttlichen Wortes. 403 In der Taufe wird ein Kind mit Christus vereinigt und seiner göttlichen Natur, Majestät und Herrlichkeit teilhaftig. 404 Diese göttliche Herrlichkeit hat er den Christen gegeben. 405 Die wirkliche Vereinigung mit Christus geschieht in der Taufe. Im Unterschied zu Christus ist dem Gläubigen die göttliche Natur und Majestät nicht angeboren, sondern aus Gnaden geschenkt. 406 Nach Joh 17,23 und Ps 82,6 können die Christen "Götter" genannt werden. 407 Durch die assumptio Christi sind sie mehr als alle Fürsten, Könige und Kaiser, ja sogar als die Enge1. 408 Wer einen wahren Christen wegen seines Standes oder seiner Gebrechen verachtet, sündigt deshalb gegen die Majestät Christi. Einschränkend fügt Praetorius hinzu, dass die Teilhabe an der göttlichen Natur ein Geheimnis ist und durch Schwachheit und Sünde verdeckt wird, so dass sie nicht gesehen oder erfahren wird,409 aber es wird die Zeit kommen, wenn die göttliche Majestät und Herrlichkeit der Christen aufgedeckt wird. Weil in Christus die Fülle der Gottheit wohnt, sollen die Christen in ihm vollkommen sein, so dass ihnen weder Heiligkeit noch Gerechtigkeit fehlen. 41o Sie sollen sich nicht zu Sündern ma402 Nach Johannes Hus ist die Kirche (d.h. die Auserwählten) so mit Christi Gütern und Herrlichkeit geschmückt, dass ihre Schönheit nicht beschrieben, sondern nur bewundert werden kann, vgl. AA, I, 64. Zitat aus Johannes Hus, 16. Sermon, vgl. De tide, A4b. 403 Vgl. den Ausdruck "viehisch" auch bei Johann Amdt, u.a. WCh I, 2, 3 (S. 72). 404 Praetorius begründet diesen Vorgang christologisch, indem er ihn mit der Annahme der menschlichen Natur in Christi Menschwerdung vergleicht: "In seiner Menschwerdung hat er an sich genommen! was vnser war. In der Tauffe aber hat er vns geschencket! was sein warf Nemlichl seine Göttliche Mayestet! Auff daß/ wie er in vns ein Mensch ist! also wir in ihm Götter/ oder Gottes Kinder worden! voller Mayestet vnd Herrligkeit Gottes/ leuchtend fiIr dem Angesichte GOttes wie helle Sonnen.", AA, I, 67. 405 AA, I, 68. 406 "Sind wir denn nun in CHristo/ vnd CHristus in vns/ begnadet mit der Majestet vnd Herrligkeit Christi! so sind wir auch in Gott dem Vater/ vnd in GOtt dem H. Geiste/ vnd sind begnadet mit der Mayestet vnd Herrligkeit des Vaters vnd des H. Geistes.", AA, I, 69. 407 "Solten wir denn nicht billich Götter genennet werden! vnd helle Scheine auff vnsern Heuptern tragen?", AA, I, 69. Dazu beruft sich Praetorius aufPetrarca und Georg Major: "Gloria Dei est communicatio sui ipsius, suae lucis, sapientiae et iustitiae" (Amnerkung zu Röm 5,2), AA, I, 70. 408 "Denn gleich wie CHRISTVS mehr ist als die Engel: so müssen wir Christen auch mehr seyn als die Engel", AA, I, 70. 409 "Ach arme Götter/ An welchen nichts Göttliches leuchtet! sondern bey welchen es so kleglich zugehet! daß es allenthalben zuerbarmen.", AA, I, 71. 410 "Denn wonet in Christo vnd in seinem gantzen Leibe die Fülle der Gottheit: Wie solt ihr nit vollkommen seyn in im! vnd irrgend noch an Heiligkeit vnd Gerechtigkeit gebrechen haben", AA, I, 83. 165
chen lassen und auf Werke und Verdienst verweisen. Praetorius wirft den "Papisten" ihre Blindheit vor und zitiert dazu aus der "Theologia Deutsch", indem er den Verdienstcharakter der Gesetzeswerke ablehnt. 411 An dieser Stelle gelangt er zu gewagten Formulierungen, die den besonderen Status der Gläubigen herausstellen. 412 An den Früchten des Glaubens soll man die göttliche Natur der Gläubigen erkennen. Demut, Barmherzigkeit, Milde, Wohltätigkeit, Langmut, Zucht und Geduld sind ebenso Zeichen dieser göttlichen Natur wie die Ablehnung unsittlichen Verhaltens. 413 Die Christen müssen Schwachheit in ihrem Leben ertragen, damit auch das Leben Christi, d.h. die höchste Demut, in ihnen vermehrt wird. Dieser "evangelische Bericht" gibt eine christologische Begründung für die Spitzenaussagen des Praetorius über das Wesen der Christen, die an osiandrische Formulierungen erinnern, wenn er sie als "Götter" bezeichnet. Der Annahme der göttlichen Natur durch den Menschen Christus entspricht die Teilhabe der Menschen an der göttlichen Natur Christi.414 Die unio cum Christo geschieht aber nicht in mystischer Versenkung, sondern im Sakrament. Praetorius wendet sich gegen eine ethische Fehlinterpretation seiner Theologie, indem er die Bedeutung der Demut einschärft und auf die Notwendigkeit der Früchte des Glaubens hinweist. Deutlich ist wiederum sein Bemühen, die Sünden der Gläubigen zu verharmlosen und ihre besondere Würde herauszustellen. Auch in seiner Predigt Vom wahren Glauben und seiner Kraft (Tr. 7; März 1591) bekennt sich Praetorius zu seiner Theologie von der gegenwärtigen Seligkeit durch die Taufe: "Ich Stephanus Praetorius ruffe aus/ mit voller stimm als mit einer grossen Posaunen! vber die gantze Welt! das vns Gott schon selig gemacht habe/ in der Tauffe/ dUrch den Glauben an seinen lieben Sohn! vnsem Heyland/ Vnd scheme mich solehs Evangelions nicht. Denn wer an Jesum Christum gleubet! vnd getaufft ist! der hat alles was er haben soll vnd ist selig. Wer aber nicht gleubet! noch getaufft ist! der suche sein Heyl/ biß das er's finde/ denn er ist verdampt."415
411 AA, I, 74: "Filii Dei non egent ulla lege, ut eius opera sibis ipsis aliquid comparent aut lucrentur. Quicquid enim hisce rebus, aut etiam omnium creaturam adminiculo ad aetemam vitam comparari potest, id omne iam habent paratum.", Theologia Germanica, übers. v. Johannes Theophilus (=Sebastian Castellio), Basel 1557, (Kap. 28), vgI. Baring, Bibliographie, Nr. 32. Dass er dabei eine lateinische Übersetzung von Sebastian Castellio benutzt, ist erstaunlich. Es zeigt, dass er offensichtlich Verbindungen nach Basel zur Druckerei von Johannes Oporinus hatte, zumal er noch weitere Druckerzeugnisse von dort benutzt, darunter auch eine Ausgabe der Sibyllinischen Bücher. VgI. dazu auch Guggisberg, Sebastian Castellio, 151-153. Castellios Interesse richtete sich auf das Streben nach der Vollkommenheit. Auch Johann Amdt benutzte die Ausgabe der Theologia Germanica von Castellio, vgI. Weber, Amdt, 49ff. 412 "wir sind Götter/ Vergöttete vnd Göttliche Menschen? Der Göttlichen Natur/ Mayestet vnd Herrligkeit JESV theilhaffiig?", AA, I, 75. 413 "als geitzen! wuchern! fressen! sauffen! huren! buben! stoltzieren! verachten", AA, I, 76. 414 VgI. über die Teilhabe an der göttlichen Natur (11 Petr 1,4) Schmidt, Teilnahme an der göttlichen Natur, 238-298. 415 AA, I, 188. 166
Am 14.3.1591 widmete er die Schrift seinem Patron,416 dem Hauptmann von Salzwedel, Christoph von Dorstadt,417 der gelehrte Leute schätzte. Er hatte Praetorius über einen guten Freund in seinen Studien beraten, ihn empfohlen und mit Wohltaten bedacht. 418 Praetorius will die Lehre vom wahren Glauben und der Bekehrung auch seinen Mitbrüdern erklären. Wer diesen Glauben hat, ist bekehrt, auch wenn er noch Sünde hat. Wer in einem neuen, himmlischen, göttlichen Stand ist, reinigt sich zwar täglich von seiner anklebenden Sünde, aber er zweifelt aufgrund seiner Unvollkommenheit nicht an seiner wahren Bekehrung. 419 Der Glaube wirkt die Seligkeit, d.h. die Nichtzurechnung und Vergebung aller Sünden. Die juristische Unterscheidung zwischen Präteritum und Futurum ist wichtig. Das Präteritum schließt das Präsens als beständiges Fortwirken des Vergangenen ein. Praetorius bekennt, die goldenen Tempora bereits in der Salzwedeler Schule von seinem Präzeptor anhand von Tit 3,5 gelernt zu haben. 42o Auch die Sündenfälle der Christen zerstören ihren göttlichen Stand nicht, sondern machen sie demütiger und vorsichtiger. Den "armen blöden Hertzen" kann der Trost des Evangeliums nicht süß genug vorgetragen werden. Praetorius beschreibt die Reinheit der Kirche (Eph 5) mit den Bildern von Gold und Edelsteinen, bzw. der Braut aus Apk 21 und 7. Grundlage der Schönheit der Gläubigen ist die Taufe, ein "Göttliches/ heiliges/ hochbenedeytes vnd krefftiges Wasser".421 Den Wohlgeruch der Getauften beschreibt Praetorius aufgrund der altkirchlichen Taufpraxis mit den Worten des Dionysius Areopagita. 422 Christen sollen aber nicht nur nach edlen Tugenden, sondern auch nach wahrem Glauben und Seligkeit duften. 423 Über den Trost aus der Taufe soll man "frolocken vnd jauchtzen" und diese Lehre studieren. 424 Die Applikation im Glauben erläutert Praetorius mit einem Syllogismus.425 Die Freude verleiht Engelsgesichter und lässt die Erlösten im Paradies leben. Die Buße kann sich die Vergebung nicht verdienen. Die einzige 416 Praetorius erwartet für sich und seine Schriften "inspectionl Schutz vnd Schirm! in diesen gefehrlichen zeiten", AA, I, 192. 417 Christoph von Dorstadt (1556-1630), Schule Magdeburg, Studium Frankfurt a.O., Studienreisen, geheimer Hofrat Berlin 1581, Hauptmann von Salzwedel und der Altmark, Heirat 1591.
418 AA, I, 191. 419 Zur Bekehrung und Neugeburt zitiert Praetorius aus Luthers Kirchenpostille. Der Ausdruck "neuer göttlicher Stand" stammt aus den Kirchlichen Hierarchien des Dionysius Areopagita. 420 AA, I, 200. 421 AA, I, 207. 422 Vgl. dazu auch Tr. 17. 423 Von der Schönheit Christi will Praetorius in einem späteren Traktat sprechen, vgl. AA, I, 210. 424 Wer diese Lehre nicht gelernt hat, dem helfen auch keine "Pharisaischen Feyrkleider vnd güldene Betbüchlein", AA, I, 212. 425 1. Wer an Christus glaubt und getauft ist, der ist vor Gott rein, hell und wohlriechend. 2. leh glaube an Christus, dass er Gottes Sohn und mein lieber Heiland ist und bin getauft. 3. Deswegen bin ich für meine Person rein, hell und wohlriechend.
167
göttliche und himmlische Buße, die Sünde entfernen kann, ist die Buße Christi, die in seinem Gehorsam und in seinem Blut gegründet ist. 426 Die Reue hingegen geht der Besserung voraus. Gegenüber dem Vorwurf des Libertinismus verweist Praetorius auf die Neugeburt der Getauften und ihr neues göttliches Leben aus der Dankbarkeit heraus. Die undatierte Schrift Vom wahren Glauben, Vermahnung an eine Fürstin (Tr. 42)427 steht in einem inhaltlichen Zusammenhang mit Tr. 7 und Tr. 26, so dass sie wahrscheinlich Anfang der neunziger Jahre verfasst worden ist. Die angesprochene Fürstin bleibt anonym. 428 Sozialgeschichtlich interessant ist die gleichzeitige Adressierung auch an ihre "Vntersassen" und die Pastoren. 429 Es geht Praetorius um den wahren christlichen Glauben von der gegenwärtigen Seligkeit und von dem Schatz der Taufe. Er gründet sich auf Schriftworte, die insbesondere den Heiligen Geist als Brief und Siegel der Gläubigen benennen. Ein Herausfallen aus der Gnade durch Schwachheit und Misstritte der Gläubigen lehnt er ab. Statt dessen soll die anklebende Sünde erkannt, bereut und unterlassen werden. Das Evangelium erlaubt dennoch nicht das Sündigen, sondern mahnt zu guten Werken. Praetorius empfiehlt der Fürstin, die Hauptsprüche vom wahren Glauben auswendig zu lernen. Anstatt große Doktoren zu hören, wie die Christen selig werden sollen, soll sie den Glauben von der gegenwärtigen Seligkeit "als ein rechtes gülden Oelpflentzlein" mit ihrem Herzen vereinigen. 43o Als fürstlichstes Werk betrachtet Praetorius die Förderung dieses Glaubens bei den Untertanen in Städten und Dörfern. Er stellt sich eine persönliche Visitation des Glaubensbekenntnisses der Untertanen durch den Fürst und die Fürstin in ihrem Land vor, in der ganz elementare Fragen gestellt werden. 431 Auch die Examination der Pastoren ist auf die Lehre von Taufe und Seligkeit ausgerichtet. Einige von ihnen lesen "vnreiffe vnd falsche Bücher", greifen die "Evangelions Prediger" an und halten sie für Ketzer, sind "wie die blinden Ochsen! ins Ministerium hinein geplumbt/ vnbs Bauchs willen".432 Die rechten Lehrer, die das Reich Gottes austeilen und offenbaren, sind hingegen zu fördern. 433 426 AA,I,219. 427 Vgl. dazu auch "Fürstliches Gebet" (Tr. 43). 428 Es könnte sich dabei vielleicht um die Herzogin Hedwig von Braunschweig und Lüneburg (1540-1602), die Witwe von Herzog Julius (1528-1589) handeln. 429 AA, 11, 262. 430 AA, Il, 269. 431 "Mein liebes Menlin oder Frewlin kanstu auch den Apostolischen Glauben? ... Bistu auch getaufft? Bistu ein Christ? Bistu selig? ... Was ist Seligkeit?" "Wenn eine Fürstinne Mütterlich vmbher ziehet! daß sie des Landes zustand besichtige! wie dann diß der Fürsten vnnd Fürstinnen Aumpt ist! daß sie mit eigen Augen sehen sollen! Als sie sichs zwar nicht mercken lassen! das sie sorge fiir der armen Leute Glauben trage! vnnd mit Glaubenssachen vmbgehe! Aber nicht desto weniger sol sie sich fein freundlich vnnd vemünfftig mit den armen Leutlein in Gesprech einlassen! vnd ihren Glauben erhaschen! ehe sie es gewar werden.", AA, II,270. 432 AA, 11, 272. 433 Praetorius verweist fiir ausfiihrliche Erläuterungen auf eine spätere Schrift. 168
Gelingt es Praetorius einerseits, das neue Leben der Gläubigen in leuchtenden und warmen Farben herauszustellen, so bereitet ihm die erfahrbare Realität der Sünde in den Gläubigen ernsthafte Schwierigkeiten. Deshalb versucht er sie immer wieder abzuschwächen und als einzelne "Sündenfalle" zu minimieren. Diese Problematik zeigt sich deutlich in seinem Traktat Vom Frieden Gottes (Tr. 27; 1583). Praetorius widmete dem Bürgermeister, Rat und der Gemeinde der Stadt Uelzen434 diese katechismusartige Predigt ("Evangelischer Vnterricht")435 über KoI3,15. Der Friede Gottes soll in den Christen wie ein "Großfürst" herrschen. 436 Er ist kein "leiblicher" Friede, sondern ein geistlicher, innerlicher Herzensfriede, d.h. ohne Sorge um die Seligkeit und ohne Furcht vor Gottes Zorn und Gericht. 437 Grundlage dieser "stolzen Ruhe" der Gläubigen ist die Gesetzerfüllung Christi.438 Der Friede des Herzens ist das beste Gut und die höchste Seligkeit. 439 Deshalb sollen die Lehrer des Evangeliums die schwachen Christen nicht wegen ihrer "hinterstelligen" (= zurückbleibenden) Sünde mit den Drohworten des Gesetzes erschrecken, sondern sie zu einem beständigen Frieden führen. Der innere und geistliche Friede des Gewissens kommt aus der reinen Predigt des Evangeliums von den Wohltaten Christi. Die Grundlage für den inneren Frieden sieht Praetorius in der Taufe. Sie befreit den Menschen von allem "Sündenschlarnm", den er in Adam geerbt oder in seinem Leben hinzugefUgt hat. Christi Verdienst wird in der Taufe appliziert. Auch die Sünden, die die Christen noch fiihlen, hat die Taufe getilgt.440 Praetorius wendet sich ausdrücklich gegen die "papistische" Unterscheidung zwischen dem "malum originis" und den "peccata actualia", die der Gläubige selbst tilgen müsse. Da die Taufe von allen Sünden ("praesentibus/praeteritis ac futuris")441 gereinigt hat, soll man sich auch nicht wegen seiner Sünde betrüben. Traurigkeit und
434 Uelzen hatte Praetorius die Superintendentur angeboten, die er mit Rücksicht auf seine Salzwedeler Gemeinde nicht angenommen hatte. Im Sommer 1583 litt Uelzen unter einer Blatternepidemie, an der ausschließlich Kinder starben. Im Herbst!Winter trat erneut die Pest auf, vgl. Woehlkens, Pest, 47. 435 AA, I, 833. 436 "Der Friede Gottes habe eure Hertzen gar inne/ vnd er setze sich mitten darein wie ein Großfiirst! vnd herrsche darin! vnd lasse keinen Vnfried zu euch einkommen ... Lieber Gott! gib mir einen fiirstlichen Geist! oder ein Fürstlich vnerschrocken Hertz vnd Gemüth", AA, I, 842f. 437 Nach les 32,18 (Vulgata) sollen die Christen "in pulchritudine pacis", d.h. "wie vnter Rosen vnnd Lilien" leben, AA, I, 843. 438 "Denn weil Christus des Gesetzes erfilllung ist! allen so ihm anhangen! Was hat denn Moses mit solchen zuthunl vnnd wie solten sie dazu kommen! daß sie sich von ihm solten verunruhen lassen?", AA, I, 843. 439 AA, I, 844. 440 "Wiltu gemalte Sünde haben! so mustu auch einen gemalten Heyland haben! vnd eine gemalte Tauffe haben.", AA, 1,848. 441 AA, I, 849. 169
Schwermut zu verhindern ist insbesondere die Aufgabe der Pastoren. 442 Traurigkeit oder Schwermut sind fUr Praetorius die subjektiven erfahrbaren Wirkungen der Sünde, die von Predigt und Seelsorge aufgegriffen werden müssen. Den Zorn Gottes brauchen die Gläubigen nicht zu fUrchten. Nach der Taufe bleiben kein "vestigium odoris" und keine "reliquiae peccatorum" zurück. Ausgenommen davon sind nur die mutwilligen Sünder und Heuchler, die ein "grawsam Türckisch leben vnd wesen" führen".443 Praetorius lehnt vor allem die Bußlehre der "Papisten" und "Seelenmörder" ab, durch die die Gläubigen ihres Heils ungewiss werden. 444 Ironisch polemisiert er gegen das asketische Mönchtum. 445 Ebenso lehnt er ein "partim iustus - partim peccator" ab. 446 Dass ein gefallener Mensch, der noch nicht gebüßt hat, Gottes Gnade und den heiligen Geist bereits verloren habe, ist fUr ihn ein Gedanke des Teufels. 447 Mit Victorinus ist Praetorius davon überzeugt, dass Gott das "seufftzen vnd füncklein des Glaubens" als einen vollständigen Glauben anerkennt. 448 Praetorius geht es um die Glaubensgewissheit und den Frieden des Gewissens angesichts der Anfechtungserfahrung durch die eigenen Sünden und den Zorn Gottes. Charakteristisch ist wiederum die Parallelität von Sünde und Traurigkeit. Die Absicherung der Heilsgewissheit gegenüber jeglichem meritorischen Denken und gegenüber der Angst vor dem Heilsverlust erreicht Praetorius durch eine starke Betonung der gegenwärtigen Seligkeit des Christen. In seinem Traktat Herzliches Verlangen nach der Offenbarung des Reiches Gottes" (Tr. 28, um 1594) übt Praetorius heftige Kritik an den zeitgenössischen Predigern und gibt ihnen die Schuld am jämmerlichen Zustand der Kirche. Er wirft ihnen vor, das Evangelium von der geschenkten, gegenwärtigen Seligkeit den Hörern vorzuenthalten. 449 Das Wort vom geschenkten Heil gilt ihnen als
442 "wenn ich fUr meine Person einen gelarten! trewhertzigen vnnd tröstlichen Freund oder Seelenhirten hette/ wolte ich mein lebenlang in keine Trawrigkeit oder Schwermuth durch Gottes hülffe gerahten.", AA, 1,850. 443 AA, I, 851. 444 Die Buße will er in einer späteren Schrift behandeln: "Von der lieben Busse/ wie sie geartet! wozu sie diene/ vnd wie fern sie sich bey den lieben Gottes Kindern! so da gefallen! erstrecken soll wollen wir wils Gott! zu seiner Zeit außfiihrlich handeln.", AA, I, 855. 445 "So stolpern sie dahin! die armen vnseligen tenebrae, vnd die homines incertitudinis, die fUr jhre Person selbst nit wissen! wie sie dran seynl ob sie fiir Gott gerecht seynl oder ob sie es noch werden sollen ... Ist mir diß nicht eine feine Theologial vnd ein ein jännnerlicher zustand in der Welt! daß man die liebe Kirche so lehren sol.", AA, I, 857. 446 "Vnd ist nicht recht! daß etliche sprechen! wir seyn Wunderthiere/ oder dobbelte menschen! halb Sünder/ halb gerecht.", AA, I, 858f. 447 AA, 1,860. 448 AA, I, 860f. Über den Frieden, der aus dem Evangelium kommt, fUgt Praetorius einen Auszug aus einer Pfmgstpredigt Luthers über Joh 3,16 an. 449 Neudorf, Lutherus orthodoxus, 20 datiert auf das Jahr 1594. "Ach wie gern wolt ich allen waren Christen in der gantzen weiten welt! da es von nöten! mit dem H. Schlüssel des Evangelij das Himmelreich aufschließen! vnd ihnen zeigen ire Schetze/ welche sie allbereit in Christo haben ... Wie gern wolt ich die rechten waren Güter vnter die Kinder Gottes außtheilen! fiimemlich weil sie mir Gott sonderlicher weisel durch offenbarung seines H. Geistes/ in vielen Anfechtungen vnd Threnen! zugetrawet hat', AA, I, 868f.
170
neue, unerhörte Lehre und Ketzerei, weil es Sicherheit und Torheit fördere. 45o Daneben gibt es die gleichgültigen Hörer, die nur nach zeitlichen, nicht aber himmlischen Schätzen fragen. Sie achten nicht auf den Inhalt der Predigt, sondern nur auf Wortwahl und Rhetorik.451 Reiche, Adlige und Fürsten verachten das Wort von den himmlischen Gütern als Fabel oder Traum. Die "Potentaten" sind "hoffertig vnd eckei" und werden durch ihre Hofprediger so stark beeinflusst, dass "kein tröpfflein anderer Lehre" zu ihnen gelangt, als sie gewohnt sind. "SoIte das nicht einen betrübten Zustand in Kirchen vnd Schulen aller Welt machen?"452 Praetorius lehnt eine neue Bekehrung der Christen ab, weil sie sonst mit den unbekehrten Heiden gleichgestellt würden. Die Schwachheit der Christen lässt nicht auf fehlende Bekehrung schließen. 453 Den Predigern wirft Praetorius vor, sie wollten nicht zuerst arme, betrübte Sünder, sondern reine, unbefleckte, unsträfliche und bekehrte Hörer haben, bevor sie ihnen das Evangelium predigen. Er beklagt die Liebe zur Welt, den Geiz und den geistlichen Hunger der Kirche, den "Schaden Josephs".454 Angesichts des betrübten Zustands der Kirche bittet er Gott um gelehrte und treue Lehrer. 455 Wie nahmen die Gemeindeglieder in Salzwedel die Theologie von Praetorius auf? Ein Beispiel dafür ist der Traktat Von der wahren Gottseligkeit (Tr. 34), den Johannes Philippus am 25.3.1595 zusammen mit drei Gebeten und zwei Briefen in den Druck gab, nachdem er ihn von einem Freund aus Salzwedel erhalten hatte. Er berichtet in seiner Vorrede, dass bei "guten Leuten", vor allem bei Heinrich Seger in Salzwedel, weitere Schriften von Praetorius vorhanden seien. 456 In der Auslegung von I Tim 4,8 bezeichnet Praetorius die wahre Gottseligkeit als "die allerschöneste zierde eines Christen Menschen". Mit dem bekannten Bild des Paradiesgartens nennt er die Gottseligen einen "Violen vnd Rosen Garten! ... mit welchen er (Gott) sich vber alle massen be-
450 Praetorius beklagt, dass solche Vorwürfe nicht nur von den Jesuiten, sondern auch aus den eigenen Reihen erhoben werden. Es ist für ihn ein Zeichen für die Herrschaft des Teufels in der Kirche und in der Welt: "daß er (der Teufel) allein Propst in der Kirchen seyn/ vnd beyde Regimente in seinen Händen haben wolle/ dz geistliche/ durch heillose Theologen! daß Weltliche durch verschlagene Juristen", AA, I, 870. 451 "Kommen sie zur Kirchen! so ists ihnen gleich viel/ was du predigest/ du bringst böses oder guts/ ... sie werden dich vrnb ihre himlische Schätze nit ansprechen noch manen.", AA, I, 871. 452 AA, I, 873. "Wie dann jetziger zeit! durch die Ehrsucht der jungen vnd leichtfertigen Prediger/ vnnd durch deß Pöbels beyfall! in der Kirchen GOTTES solch ein kleglicher vnnd jemmerlicher Zustand ist/ daß es nicht zu sagen", AA, I, 872. 453 "Denn vnsere bekehrung steht nicht so sehr in den Wercken! so das Gesetz fordert/ als im Glauben/ so das Evangelion fordert/ welcher Glaube vnser einiger trost wider die sünde/ vnd die Erfüllung des Gesetzes ist", AA, I, 874. 454 AA, I, 876. 455 "Die zeit ist da! daß dein zerfallenes Reich ... durchs rechte Evangelium! welchs die Lehrer mit Füssen treten/ widerum auffgerichtet werden. Adiunge igitur mihi unum doctum ac pium socium, qui rem bene intelligat, ac fidem suam tibi & mihi in hac illustri re probet."AA, 1,877. 456 AA, 11, 116: "Ich habe ihn gehöret/ vnd meine Seele ist genesen." 171
lustigt".457 Er definiert die Gottseligkeit als Gotteserkenntnis und ihre praktische Umsetzung in Glaube, Liebe und Hoffnung. 458 Dabei steht die praxis pietatis im Vordergrund. Sie geschieht durch Bibellektüre und Gebet am Morgen459 ebenso wie durch einen fröhlichen Lebenswandel. Mit ihrem Bekenntnis sorgen die Christen für die Ausbreitung des Evangeliums. Der Geist ist das "newe lebendige Gesetz". 460 In den angefügten Gebeten werden die Prediger mit Engeln verglichen, die Paulus und Luther so predigen, dass die Sonne der Gerechtigkeit aufgegangen ist. Aus einem beigedruckten Briefwechsel zwischen dem Salzwedeler Buchhändler Michael Crusius und seinem Schulkollegen Heimich Seger wird eine gemeinsame besondere Verehrung von Praetorius deutlich. 461 Ein weiteres konkretes Beispiel für die Rezeption seiner Lehre ist der am 24.1.1598 veröffentlichte Traktat Vom Glauben, Bekenntnis und Sieg der Christen (Tr. 29).462 Diese Trostschrift für seinen Amtskollegen Hermann Göden zum Tod seiner am 13.12.1597 verstorbenen Frau Anna, geb. Möller4 63 sollte anderen Christen als Exempel dienen. Er nennt die Verstorbene eine Schwester der gelehrten und heiligen Olympia Morata,464 "flos, corona ac decus Ecclesiae nostrae". Der trauernde Ehemann wird getröstet, dass seine Frau "die Englein Gottes getragen haben! mit jren Rosen Händeleinl in den allerfreundlichsten vnd süssesten Schoß Gottes".465 Auch diese Schrift hat einen apologetischen Hintergrund durch den Vorwurf, Praetorius betreibe eine "newe schedliche Ketzerey". Man werfe ihm vor, das regnum gratiae und das regnum gloriae zu vermischen. Praetorius kritisiert, dass die Zuhörer nur auf ihren materiellen Wohlstand sähen und "geschickte vnd getrewe Lehrer" ablehnten. 466 457 AA, 11, 117. 458 "Gottseligkeit ist! Wenn ein Christen Mensch GOtt den HErrn aus dem Euangelio recht erkennet! vnd an ihn gleubet! vnd sich in ihm frewet! vnd ihm aus hertzlicher liebe dancket! vnd ihn für der Welt bekennet! Sich auch durch seinen H. Geist regieren lest nach allem seinem willen/ vnd die bitterkeit des Creutzes in gedult erleidet! durch die fröliche Hoffnung des ewigen Lebens.", AA, 11,117. 459 "süsses Morgenopffer", AA, 11, 123. 460 AA,II, 127. 461 Crusius wurde durch eine Predigt von Praetorius "entzündet", AA, 11, 133. 462 Diese Schrift wurde in der Druckerei der Armenschule in Halle 1744 unter dem Titel "Ein Muster einer recht evangelischen Christin ... zur Erweckung und Ermunterung einer gesegneten Nachfolge" mit Anmerkungen versehen erneut herausgegeben. 463 Dass es sich zugleich um die Leichenpredigt handelt, geht aus dem Text nicht hervor, ist aber durchaus möglich, da die Beisetzung in Salzwedel stattfand. 464 Olyrnpia Fulvia Morata (1526-1555), eine italienische Humanistin und Philosophin, lehrte Philosophie in Basel und Heidelberg. Praetorius zitiert aus ihren Dialogen und Briefen über die Freuden göttlicher Studien und die Anfeindungen eines frommen Lebens: OLYMPIAE FVLVIAE MORATAE FOEMINAE DOCTISSIMAE AC PLANAE DlVINAE ORATIONES, Dialogi, Epistolae, Carmina, tarn Latina quarn Graeca: cum eruditorum de ea testimonijs et laudibus, Basel (Peter Perna) 1562,48; 51; 63; 69f. Dieser Band wurde 1562 erstmalig von Johannes Oporinus und Celio Secundo Curione in Basel herausgebracht. Vgl. auch Zedler, GVUL 21, 1553-1555. 465 AA, I, 880. 466 AA, I, 883.
172
Dennoch habe er Hoffnung:für die Zukunft: 467 Sie gründe sich aufWeissagungen aus Sach 14,4, Esra 7,43fund den Oracula Sibyllina (11., V., VI. Buch), in denen von einer Verbesserung "in den letzten Tagen" die Rede sei: "Zu der zeit ... wird das rechte güldene Jahr angehn".468 Aus der negativen Erfahrung der Gegenwart gewinnt Praetorius durch seine eschatologische Sicht positive Perspektiven für die Zukunft. Die Verstorbene ist ein Beispiel :für die Einschätzung seiner Theologie durch seine Anhänger. Praetorius berichtet, sie habe täglich in der Schrift und in Luthers Kirchenpostillen gelesen und dort nach besonderen Kernstellen ("Sternlein") gesucht, um sie auswendig zu lernen. 469 Das Zeugnis der Verstorbenen dokumentiere eine unumstößliche Heilsgewissheit, die auf der Taufe und dem Empfang des Heils basiere. 47o Das Bekenntnis zur Seligkeit durch Glauben und Taufe soll nach Ansicht von Praetorius auch öffentlich geschehen. 471 Die Verstorbene habe in ihrem Bekenntnis zwar die Erbsünde eingeräumt, im Vordergrund stehe jedoch der gegenwärtige Heilszustand, der in vielfachen Bildern überschwänglich gepriesen werde. 472 Die Frau bekenne, ein gottseliges Leben ohne grobe Sünden geführt zu haben. Dennoch habe Gott sie auch von Leiden nicht verschont. 473 Die Verstorbene habe bereits das Paradies gesehen. 474 In ihren 467 "Doch hoffe ich! es werde noch an vielen örtern! da jetzt eitel Finsternis ist! widerumb liecht werden! vnd die Leute werden daselbst im Liecht Gottes wandeln."AA, I, 884. 468 AA, I, 884. "Es wird eine reine/ schöne vnd wolriechende Rose kommen! vnd alles erquicken ... Sie wird die Leute zur Gerechtigkeit führen. Sie wird ihnen ihren Schatz eröffnen ... zu der zeit wird Himlischer Verstandt vnnd Göttliche Frewde auffErden seyn.", AA, I, 885. Die Vermutung liegt nahe, dass Praetorius, wenn nicht selbst, so doch von einigen Gemeindegliedern als derjenige angesehen wurde, der das Licht des Evangeliums nach Luther und Paulus wieder neu entzündet hat, so dass diese sibyllinischen Weissagungen sich in Salzwedel zu erfiillen scheinen. Auch Amdt wurde ähnlich eingeschätzt. 469 "Die Tausentschönlin (d.h. Gänseblümchen) Gottes gehören in daß Paradis vnsers Hertzens.", AA, I, 885. "Sie rühmete gewaltiglich diese gegenwertige Zeit! sonderlich aber vnser Stadt Soltwedel! vnnd sprach! Diese Stadt mag billich Gottes Stadt heissen! Denn hie ist das Liecht Gottes. Die herrligkeit Gottes ist vber vns helle auffgegangen. Hie wird das Heyl Gottes den Leuten verkündiget." AA, I, 886. 470 "Ich habe mein Heyl! vnd bin darinne frölich. Ich suche mein Heyl nicht! sondern ich besitze es .... Warumb fiihle ich denn sein (d.h. heiliger Geist) süsses vnd frewdenreiches gezeugnis in mir?", AA, I, 886f. In Muster, 12f, wird auf die Notwendigkeit des Bleibens im Taufbund oder der Erneuerung durch wahre Bekehrung hingewiesen. 471 Dazu beruft er sich auf Bibelzitate, D. Chytraeus (Regulae vitae) und Luther. 472 "Die heiligen vnd wolriechenden Blutströpfflin Jesu Christi ... haben mich ... gantz rein gemacht ... Ich bin reiner als ein Glaß/ weisser wie der Schnee/ vnd schöner als die Sonne. Ich bin daselbst worden die Gerechtigkeit Gottes/ gezieret mit allen Tugenden JEsu Christi ... Ich bin ein heiliger klarer Engel... Ich bin nu weit vber das Gesetz! vnd habe in Christo mehr gehalten! als das Gesetz erfodern mag.", AA, I, 893. 473 "Er (d.h. Gott) hat mich aber offt also in die arme genommen vnnd geküsset! das ichs wol gefiilt habe an Leib vnd Seele. Denn weIche er sonderlich lieb hat! vberschüttet er mit vielem Leyden. Ich habe mir durchs Wort vnd Gebet diß herbe Leben zum süssen Paradise gemacht.", AA, I, 894. In Muster, 20, wird betont, dass die Verstorbene die beiden Extreme der Werkheiligkeit und der Werklosigkeit vermieden habe. 474 "Ja ich fiihle in meinem Hertzen nichts anders denn eitel Gerechtigkeit! Gnade vnd Leben. Diese güter hüpffen vnd springen in mir ... nu sehe ich erst! weIch eine schöne puppe ich sey ... meine Seele ... wird mir durch keine Anfechtung mehr verunruhet ... Ja ich koste den al173
letzten Worten lobe sie Praetorius, von dem sie das Licht des Evangeliums empfangen habe. 475 In der Arndtausgabe sind zwei Traktate aufgenommen, die zwar nicht nicht von Praetorius, sondern von Georg Schreck, einem Pastor in Stapen, stammen, aber dennoch eine zeitliche, sprachliche und inhaltliche Nähe zu Praetorius aufweisen und Aufschluss über die Rezeption seiner Lehre geben. 476 Die sehr anschauliche und phantasievolle Schilderung der Visionen, das ist: Gesicht eines edlen Knaben (Tr. 35, 1596) basiert offensichtlich auf der Theologie von Praetorius. 477 Auch in der Schrift Abendopfer aller heiligen Seelen (Tr. 58; vermutlich Frühjahr 1596)478 geht es um die Ausübung der vera pietas. Sie war dem brandenburgischen Rat, Oberst und Hauptmann von Spandau, Graf Rochus Quirinius zu Lynar,479 gewidmet. Der Dedikationsbrief wurde vermutlich am 20.3.1596 verfasst. 48o Praetorius wollte seiner Schrift auf diese Weise ein grölersüssesten sam der Gnaden Gottes ... Denn ich bin voll Himlisches Zuckers ... Ich sehe den Hinnnel offen! vnnd die Engel zu meiner Rechten. Ach wie schön ist das Paradiß.", AA, I, 902. 475 "Vnd saget ihm! daß ich ihm! fUr seine gehabte mühe/ einen schönen Krantz wil helffen auffsetzen! am tage der herrligkeit aller lieben Gottes Kinder.", AA, I, 902. 476 Der Traktat "Engel Wunsch" (Tr. 16, 1596) über den Frieden Gottes (Lk 2,14), betont die ewige Seligkeit in der Taufe, die Freude, die Gotteskindschaft und die neue Gerechtigkeit. Die Bildwelt erinnert an Praetorius: "Sein gantzes Hertz ist i1un durch die Süssigkeit des himlischen Friedes vnnd Frewden durchzuckert! daß es mehr denn Englisch! ja gantz Göttlich ist ... Er ist in Elysiis Campis/ mitten im Paradyse." (AA, I, 449) 477 In zehn Visionen wird der Junge von einem Engel zu verschiedenen Orten im Himmel gefuhrt. Im goldenen Tempel trinkt der Junge das Blut des Gotteslannnes vor den Engeln und erhält Brief und Siegel seines Heils. Im goldenen Heilbrunnen wird er im Wasser in die Seligkeit eingetaucht und erhält ein weißes Seidenkleid. Auf dem Weg nach Haus wird er von Christus gesegnet und erhält die Freude und eine reine, süße Sprache. Im Himmel sieht er die Majestät und Schönheit der Kinder Gottes. Das Paradies ist ein Lustgarten mit wohlriechenden Blumen, den Aposteln und Propheten. Nachdem der Junge die Blumen gegessen hat, wird er selbst ein Prophet und Apostel und beginnt zu weissagen. Als Teilnelnner am hinnnlischen Gastmahl genießt er die Gnade Gottes in Form von Brot, Manna, Zucker und Wein. Der Besuch der hohen Schulen Gottes fuhrt den Jungen nach Rom zur Erklärung der Sibyllinischen Bücher, nach Jerusalem zur Vorlesung von Johannes, Paulus, Petrus und Luther und nach Heliopolis in Ägypten, wo die beiden goldenen Brunnen der Gerechtigkeit und der Gnade fließen. Weil die Einwohner der Stadt das Wasser als "aqua quotidiana" missachten, werden die Brunnen durch Unreinigkeit und Zorn vergiftet, so dass die Menschen sterben. In der letzten Vision beobachtet der Junge den gefesselten und besiegten Satan, der seine teuflischen Methoden preisgibt. 478 AA, 11, 655. Amdt (l662), fUgt hinzu "Mit Anfiigung dreyer Gebete/ zu der heiligen Dreifaltigkeit." 479 GrafRochus Quirinius zu Lynar (1525-1596), General und Generalkonnnissar der franz. Festungen 1554-1567, Artilleriemeister und Befehlshaber der kursächsischen Festungen ab 1570, General und Oberst der Artillerie, Zeug- und Baumeister Kurbrandenburgs ab April 1578, gest. in Spandau. Vgl. Art. Lynar, Grafen zu, NDB 15, 583f; v. Donop, Art. Lynar, Rochus Guerine Graf zu, 733f (Lit.); Kom, Graf Rochus zu Linar, Dresden 1905; Klinkenborg, Graf Rochus zu Lynar, 30-36. 480 AA, 11, 655: "Dem Wolgebornen vnd Edlen Herrn! Herrn GraffRocho von Lienar/ Brandenburgischen Rath! Bestalten Obersten vnd Heuptmann zu Spandow/ meinem gnedigen Herrn". Ebd., 658: "Denn E.G. hat mich zu dem Evangelischen Predigtampt an diesen Ort bestetigtl sich auch zu aller müglichen Beförderung gantz gnediglich erboten." Der Dedikati-
174
ßeres Ansehen verschaffen und zugleich gegenüber Lynar seine Dankbarkeit und Ehrerbietung erweisen. Das Abendopfer aus den "dreyen wolriechenden Violen" sind drei trinitarisch ausgerichtete AOendgebete. Mit dem biblischen Bild von der Einladung zur königlichen Hochzeit (Mt 22; Lk 14) vergleicht Praetorius seine eigenen Schriften mit heiligen Briefen aus dem Himmel,481 während die Diener Gottes verachtet und geringgeschätzt werden. Er will den "lieben Christen" erklären, was wahre Gottseligkeit ist und ihnen Anleitung zum Beten geben. 482 Der Ort der Predigt ist das Augustinerkloster "Zum heiligen Geist" in Salzwedel, dem er sich zugehörig fiihlt. Das Thema der Predigt, die Gottseligkeit, besteht für Praetorius in Gotteserkenntnis, Glaube und einem christlichen Lebenswande1. 483 Glaube bedeutet, anstatt eines Zornbildes ein Gnadenbild Gottes im Herzen zu haben. Der Inhalt der Gnade ist die Gotteskindschaft. 484 Das Leben in der Gnade bedeutet zugleich eine Abkehr von der Welt. 485 Praetorius verwendet mit dem Bild von der "Trunkenheit in Gott" einen gewagten Vergleich. 486 Der Glaube wächst aus dem Hören des Wortes Gottes. Praetorius rät deshalb allen Christen und besonders den "Magnaten dieser Welt", dass sie beim Lesen und Meditieren heilsamer Bücher gelehrte, gottselige, demütige und treue Lehrer hätten, "nicht allein in den Kirchen! sondern auch in den Cammern", die ihnen die Gnadensprüche "eintröpffelten", so dass Gottes Reich in ihnen erbaut wird. Ein Beispiel für eine christliche Jugendunterweisung ist es, wenn eine adlige oder fürstliche onsbrief ist in der Arndtausgabe auf den 20.3.1569 datiert, AA, II, 657. Lynar wurde jedoch erst im April 1578 zum "General vnd obersten Artlärey, Zeugk vnd Bawrneistern" von KurfIlrst Johann Georg ernannt, vgl. Kom, Graf Rochus zu Linar, 68. Nach Spandau siedelte er im Mai desselben Jahres über. Nachdem er 1560 zu den franz. Hugenotten übergetreten war, nahm er seit 1571/2 auch das lutherische Bekenntnis und Abendmahl an, vgl. Kom, Graf Rochus zu Linar,7. 1565 war Lynar in französischen Diensten, 1569 noch in der Pfalz bei Kurfiirst Friedrich 111. angestellt. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Lynar bereits 1569 Einfluss auf die Stellenbesetzung genommen haben könnte. Vermutlich handelt es sich bei der Datierung um einen Druckfehler. Ein Originaldruck ist nicht nachgewiesen. Da das Kloster 1595 aus der Familie Bartensleben dem KurfUrsten zurückgegeben wurde, ist eine Datierung auf 1596 und somit eine Vertauschung der Jahreszahl eher wahrscheinlich. Lynar gehörte zu den Unterzeichnern des Inventarverzeichnisses. 481 AA, II, 656. Vgl. das literarische Mittel des Himmelsbriefes bei Luther, dazu Brecht, Luther als Schriftsteller, 118-122. 482 Praetorius begründet die Notwendigkeit des Gebetes mit der endzeitlichen Situation: "Ach HERR GOTT/ wie hoch nötig ist! das ein jeder itziger zeit Abents vnnd Morgens fleissig betet! weil die letzte Fluth alles Jannners vnnd Elends bald über die gantze Welt gehen wird.", AA, II, 657. 483 "Es ist aber wahre Gottseligkeit! wenn ein Mensch durch Erleuchtung des Heiligen Geistes GOTT den HERRN aus seinem Wort recht erkennet! vnnd von Herlzen an ilm gleubet! vnnd in seiner Gnaden frölich wandelt! ilm auch von ganzem Herlzen liebet vnnd fUrchtet.", AA, II, 658. 484 "Ach wie hoch hastu mich geadelt.", AA, 11, 662 485 "Vnd einer solchen Gnadenreichen Seelen ist die Welt abgestorben.", AA, II, 662. Als Beispiel nennt Praetorius mächtige Kaiser, die im Kloster das ewige Leben gesucht haben. 486 "Wer in Gott truncken ist! der ist recht truncken. Des Trunckenheit ist eitel Heiligkeit! GOTT gebe er jauchtze oder tantze/ vnnd erlanget eitel Segen dafUr/ mit ewiger glori vnd Herrligkeit.", AA, II, 663.
175
Person vor ihren Kindern um Abwendung des Unglücks bittet, das Deutschland bedroht. 487 Widerfahrenes Leid bezeichnet Praetorius als eine eine Übung des Glaubens".488 Im Anschluss an die Gedanken über die Gottseligkeit formuliert Praetorius drei trinitarisch gegliederte Gebete, die er für seine Adressaten als Mustergebete betrachtet. In dem an Christus gerichteten Gebet stellt er dessen Verdienste heraus: Befreiung von Sünde, Zorn, Teufel und Tod. Christi Wunden haben die Wunden des eigenen kranken Herzens gesund gemacht. Befreit von der Last der Sünde lebt der Christ "in stolzer Ruhe", führt "ein Himlisch leben".489 Die Wirklichkeit des neuen Lebens wird in der Terminologie mittelalterlicher Blut- und Wundenmystik beschrieben. 49o Durch die Taufe ist der Christ in Gottes ewiges Reich versetzt. 491 Die Ausgießung des Geistes bedeutet seine Einwohnung mit seinen Gaben, Erleuchtung und Freude. "Meine Seele frewet sich der newen Geburt! vnnd ich hoffe auff das ewige Leben. "492 Das Gebet schließt mit der Bitte um die Erhaltung in der geschenkten Seligkeit. Dass erst das zweite Gebet an Gott, den Vater, gerichtet ist, liegt an der soteriologischen Ausrichtung. Der Glaube an den Sohn und die Anerkennung als Heiland ist die Grundlage für die Gotteskindschaft, die durch Gottes ewigen Rat und unwandelbaren Willen erfolgt. Der Geist ist das Siegel und Pfand der Kindschaft. Praetorius ist besonders das Fühlen und Schmecken der göttlichen Liebe im Herzen wichtig. 493 Der Grund der Gnade ist Christi Blut, nicht menschliche Würdigkeit. Praetorius formuliert konkrete Bitten um geistliche Orientierung, ein gutes Gewissen,494 das tägliche Brot, Genügsamkeit, Gesundheit, wohlgeratene Kinder, Freunde,495 Schutz vor Naturkatastrophen und Krieg, Segen für die Obrigkeit und um eine fröhliche Auferstehung und ein ewiges Leben. Im dritten und umfangreichsten Gebet an den heiligen Geist dankt Praetorius für die Entzündung und Erhaltung des seligmachenden wahren Glau487 "Wenn eine hohe adeliche oder fiirstliche Person mit den Knien auff einem sannnetten Paust sitzet! vnnd hatt ihre Fürstliche Kinder vrnb sich her/ vnd preiset Gott in seiner Gnaden ... das ist im Himmel so ein liebliches spectacel/ das auch dem Sohn Gottes darüber die heissen Thränen von Frewden vnd Liebe aus den Augen fallen.", AA, 11, 664f. 488 AA, 11, 667. 489 AA, 11, 668. 490 "Dein heiliges Blut ist aus deinen heiligen filnff wunden in mein Hertz geflossen! vnd ruhet immer drinne. Dein Blut hat sich mit meinem hertzen vereiniget. Ich koste vnd fiihle dein Blut in mir/ das Gnademeiche süsse Blut.", AA, 11, 668. 491 "Denn in der Tauffe bin ich gantz new/ gerecht! heilig! angenem/ vnd vnsterblich worden. Da bin ich gantz Himlisch vnd herlich worden. Da hab ich erlanget dein schönes bilde/ vnnd bin dir gleichförmig worden! Ich gehe vnnd stehe nun in deiner Gerechtigkeit! kindschafft! vnd Leben.", AA, 11, 668f. 492 AA, 11, 669. 493 "Du hast mir den aller köstlichsten Tranck gegeben.", AA, 11, 670. 494 "Denn ein gut Gewissen! ist ein ewiges Paradis vnd Wolleben.", AA, 11, 671. 495 "Verleihe mir auch gute getrewe Freunde/ in welcher Hertz vnd Munde dein heiliger Geist ist! welche gerne von Gottseligen dingen reden.", AA, 11, 671. Eine ähnliche Diktion verwendet später Spener, wenn er von den Collegia pietatis redet. 176
bens. 496 Die ewige Seligkeit wird auch durch fehlende Früchte nicht beschädigt. Das "einige ware Euangeliuon" hat die Schätze der Taufe gezeigt. In "praesenti" sind Sündenvergebung, neue himmlische Gerechtigkeit, Gotteskindschaft und heiliger Geist schon vorhanden, das ewige Leben jedoch nicht "in re", sondern "in spe".497 Die bereuten Sünden nach der Taufe haben keine Verstoßung aus dem Reich Gottes zur Folge. Die fehlende eigene Buße wird durch die Buße Christi ausgeglichen. Das Leben in der neuen Geburt und Gerechtigkeit ist von der Freude bestimmt. 498 Praetorius bittet um Bewahrung vor Traurigkeit und Furcht. Das Herz soll das Paradies des heiligen Geistes bleiben. Der Geist soll sein Leben regieren, "daß es Englisch vnnd Göttlich seyn müge."499 Statt Geiz, Ungerechtigkeit und Hochmut bittet er um ein "wolthetiges Hertz" fiir arme und elende Menschen. 50o Das biblische und lutherische Bild vom guten Baum dient Praetorius als Beschreibung der Ethik.501 Interessant ist der Wunsch nach Bewahrung vor schlechten Gebetbüchern. 502 Praetorius schließt das Gebet mit eschatologischen Formulierungen: Der Tag der Erkenntnis des Heils möge in diesen letzten Tagen anbrechen, die Braut Christi soll fiir seine Ankunft vorbereitet sein, der Geist soll auch im Tod gegenwärtig sein. Praetorius überträgt die dogmatischen Aussagen in eine von mystischer Terminologie beeinflusste Gebetssprache, in der auch das Gefühl und Empfinden der Andacht zur Sprache kommt. Der Grundton der Freude bestimmt Leben und Glauben. Der heilige Geist ist nicht nur Garant der Heilsgewissheit, sondern vor allem die treibende Kraft des neuen Lebens. Als Adressaten der Predigt sind vorwiegend Adlige angesprochen. Dies zeigt sich auch in der Sprache und in den Beispielen, die Praetorius benutzt. Auch hier taucht wieder der Hinweis auf die Schriftmeditation außerhalb der Kirche auf. Einen Nachklang der Blumen- und Paradiesgartentheologie der lateinischen Schriften stellen zwei Traktate aus dem Jahr 1602 dar. Praetorius präsentiert Schriftworte mit Erklärungen als Himmlische Violen (Tr. 36, 1602)503 und Tausendschönlein (Tr. 37, 1602)504 aus dem "Lustgarten" (= Paradiesgarten) Got496 "Mein Hertz ist ein Kestlin des Glaubens/ durch deine Gnad.", AA, II, 672. 497 AA, II, 673. 498 "lch wandele auch durch deine Krafftl in meiner newen Geburt! fein friedlich vnnd frölieh.", AA, II, 673. 499 AA, II, 674. 500 "Sonderlich behüte mich! daß ich nicht alles müge anrühren! was in der Welt geschrieben wird! damit mein Verstandt vnnd Gewissen durch vnrechte Betbücher vnnd andere nicht müge widerumb verfinstert vnd verunruhet werden.", AA, 11, 674. 501 "Ach ich wolte gern ein guter Baum seyn! voll Saft1:s vnd Kraft1:s JEsu Christi! vnd vielen dienen! sonderlich dem Evangelio", AA, 11, 675. 502 AA, II, 675. Offensichtlich wurden auch von Evangelischen Christen katholische Gebetbücher benutzt. Im 16. Jahrhundert fanden zahlreiche Gebete aus katholischen Gebetbüchern Eingang in evangelische Gebetbücher, vgl. Paul Althaus d.Ä., Forschungen, Gütersloh 1927. 503 Widmung an das Gemeindeglied Anna Haußmann Ostern 1602. 504 Vorrede an den Leser vom 20.8.1602.
177
tes, die sich fromme Christen in ihr Herz pflanzen bzw. an deren Duft sie sich erfreuen sollen. sos Diese Belehrung der Christen knüpft an die allegorisierende Auslegung in den lateinischen Frühschriften an, ist aber noch stärker an den biblischen Texten orientiert. Die Vereinigung mit Christus im Glauben bedeutet die Kindschaft Gottes. S06 Praetorius beschreibt die Paradiesherrlichkeit in anschaulicher Sprache, hält aber am eschatologischen Vorbehalt fest. Die lebendige wahre Gottseligkeit ("pietas") äußert sich im Gebet, das in einer wechselseitigen Beziehung zwischen Gott und dem Beter besteht. s07 Die "Tausentschönlein" aus Gottes Lustgarten sind Schriftworte von der gegenwärtigen Seligkeit. Das Evangelium zeigt den Christen ihre Gnadenschätze. S08 Praetorius unterscheidet die Predigt an die Heiden von dem "zucker süsse(n) Zünglein des Evangelij", das die Christen hören. Christen hingegen müssen das Kreuz Christi tragen. S09 Interessant ist die Andeutung einer besonderen christlichen Gemeinschaftsform, in der die Gläubigen miteinander über ihre Seligkeit sprechen. Dazu gehört neben dem Gesang auch das Gespräch über die Bibel. Ein rechtes "Englisch Leben vnd Wesen" würde im Singen geistlicher Lieder und im Gebet bestehen. SlO Das gemeinsame Gespräch über die Seligkeit wird von Gott gesegnet. Der Hinweis auf die vertrauten Gespräche unter Christen gibt keine Auskunft darüber, ob Praetorius selbst diese praktiziert hat. Es ist aber anzunehmen, dass diese Überlegungen im späteren Pietismus ihre Wirkung nicht verfehlt haben. "Man sol auch gerne mit dem kleinen heufflin der Christen vmbgehen vnnd mit den lieben außerwehlten heiligen Gottes aus der Schrifft von der Seligkeit reden. Denn bey solchem Gesprech ist Gott! vnd ist durch dasselbe krefftig vnd thetig. Er tröstet! erfrischet vnnd erfrewet die Seelen dadurch. Die Engel finden sich auch zu solchem Volckl vnnd die Hertzen werden durch solch süß heilig wesen jung vnnd starckl vnnd GOtt küsset solche seine liebe Kinder."Sll
Die undatierte Schrift Manus Christi perlatae (Tr. 57) aus der "Apoteken Gottes/ Für das zittern der Hertzen"S12 ist einer anonymen adligen Jungfrau geSOS "Denn vnsere Hertzen sind das rechte Buch! ja der rechte Himmlische Garten! in weichen man die thewren Violen! Rosen! Lilien vnd Tausentschönlin Gottes setzen sol.", AA, II, 170. Bemerkenswert ist auch das voranstehende apokryphe Wort aus IV Esr 9,24f, in dem zum Essen der Blumen aufgefordert wird, vgl. AA, II, 158. 506 "Ich bin die güldene wolriechende Rose der Gnaden. Ich habe den heiligen vnd lebendig machenden Geist Gottes in mir. Ich bin Gottes Himmel. Gott ist stets in mir vnd bey mir.", AA,II,165. 507 "Da thut sich der Himmel auff/ vnnd da höret man vnaussprechliche Wort. Da kriget man das Manna zu Essen! den rechten lebendigmachenden zuckertaw/ vnnd die süssen vnnd gesunden Honigküchlin", AA, 11, 168. 508 AA, 11, 179: "Das Evangelion ist eine solche lehre/ welche ... Den gleubigen vnnd getaufften Christen aber ördentlich anzeiget vnnd verkündiget! was filr Gnadenschetze sie in der Tauffe empfangen haben." 509 "Vnd das er vns durch Creutz das heilige Hertzwasser/ das liebe angeneme Gottes Wasser/ aus den Augen drücket! vnnd zum Wort treibet! vnnd fein andechtig machet.", AA, 11, 182. 510 AA, II, 183. SII AA, 11, 183f. 512 AA, 11, 649. 178
widmet. 5I3 Dabei handelt es sich um knappe Zusammenstellung von Schriftworten, die von der Reinigung von Sünden in der Taufe, von der Kindschaft und dem Frieden Gottes handeln. Am Schluss folgt ein Gebet um den Heiligen Geist. 514 Einen interessanten Einblick in die unmittelbare Rezeption der Theologie des Praetorius bietet die Schrift Gebet und Danksagung (Tr. 41, Frühjahr 1590)" Darin enthalten ist ein Glaubensbekenntnis, das die adligen Jungfrauen des kurfiirstlichen Klosters Arendsee verfassten. 515 Zusammen mit einer Vorrede an seinen Freund, den Amtmann und Vorsteher des Klosters, Balthasar Striepe,516 und einem "Enkomiolum" von Chytraeus veröffentlichte Praetorius dieses Gebet zu Beginn des Jahres 1590.517 Praetorius berichtet erfreut von "vielen Zeichen", dass die "Morgenröte Evangelischer Weißheit" in den Herzen der Frauen aufgegangen sei.518 Die Frauen ließen seine Schriften "nimmer aus ihren Henden".519 Das Gebet sollten sie auswendig lernen und fleißig benutzen. Praetorius spricht sich um des Evangeliums und guter Zucht willen für die Erhaltung solcher Stifte und Klöster aus. Das Gebet bzw. Bekenntnis ist nicht nur eine eindrucksvolle Umsetzung der Theologie des Praetorius, sondern es lassen sich daran auch die Gefahren einer möglichen Fehlinterpretation erkennen. Grundlage ist die Seligkeit durch Glaube und Taufe. Die Blumentheologie wird rezipiert. 52o Das Gebet ist stark auf die Empfindung durch die Sinne ausgerichtet. 521 Die Schilderung des Himmels ist sehr anschaulich. Die Frauen erwarten ein Brautverhältnis mit ChristuS: 522 Die Offenbarung des Heils ist durch Wort und Geist geschehen. Die
513 "Einer Edlen Jungfrawen! wH nicht sagen Geistlichs oder Weltlichs Standes/ zu Ehren vnnd zum Trost geschrieben.", AA, H, 649. 514 "HERR Christe/ ... gib mir deinen heiligen Geist! daß er mein armes/ trawriges vnd erschrockenes Hertz durch dein Wort! vnd dein heiliges eingeben müge wirderumb kräfftiglich trösten! auffrichten vnd stercken! damit ich alle Anfechtungen des Teuffel vnnd der Welt müge vberwinden! vnnd ein recht Christlich! friedlich vnd frölich Leben fuhren", AA, H, 654. 515 Die Frauen haben das Glaubensbekenntnis z.T. selbst, z.T. mit Hilfe guter Freunde als Gebet verfasst, vgl. AA, H, 250. 516 Balthasar Striepe (1539-1609), vgl. Roth, Leichenpredigten, R 976. 517 "Precationem virginum vestalium monasteri Arenseensis, divinae lucis, doctrinae, spiritus & vitae plenam utrique Typographo obtuli.", AA, H, 248. Hinsichtlich der Größe der DruckIypen gab es Schwierigkeiten. 518 Vgl. Tr. 25. 519 AA, II, 25l. Darüber hinaus erwähnt er ein Tractätlein von den Edelsteinen au.fJ dem Hertzen des Hohepriesters Jesu Christi, das Adelheid und Maria von Eckstedt, vermutlich zwei Jungfrauen des Klosters, von ihm erbaten. Dieser Traktat fehlt bei Arndt und ist auch als Separatdruck nicht bekannt. 520 "Wir sind Violen der Gerechtigkeit! Rosen der Gnaden! Blumen der Liebe/ vnd Lilien des ewigen Lebens.", AA, 11, 252. 521 "Wie ist dir alles Weyrauch vnd Mastickl ja Violen vnd Rosen.", AA, 11, 253. 522 "Da ist eitel lachen! eitel singen! eitel springen ... Christus wird eine ewige Hochzeit mit vns halten! vnd wird vns mit seiner Liebe speisen vnd trencken.", AA, II, 254.
179
Angst vor dem Tod ist gewichen. Die Frauen leben wie die Engel. 523 Aufgrund ihrer gewonnenen Seligkeit wissen sich die Frauen über geistliche und weltliche Stände erhaben. 524 "Wir wollen ein reines/ züchtiges/ demütiges vnd gerechtes Leben führen! in der höchsten Liebe vnd Freundschafft. "525 Ein katechetisches Gespräch des Praetorius mit zwei geistlichen Jungfrauen bestätigt das neu gewonnene Selbstbewusstsein der Frauen: Seid ihr bekehrt? Die wahre Bekehrung ist eine Abwendung vom Vertrauen auf Werke und eine Hinwendung zu Christus. Was haltet ihr von der Seligkeit? Die Seligkeit ist die Teilhabe an den himmlischen Gütern durch Glaube und Taufe. Was heißt Christus anziehen? Was haltet ihr von der Buße? Sie ist Gottes Werk und als Seufzen und Weinen über die eigenen Schwachheit schon in uns. Was haltet ihr von der Taufe? Die Taufe ist das Heilwasser, mit dem die Gewissen täglich von den Sünden gereinigt werden. Die starke Betonung der gegenwärtigen Seligkeit blendet die Realität der Sünde fast vollständig aus. Buße wird als ein Gefühl der Schwachheit interpretiert. Die Gefahr der Überheblichkeit über geistliche und weltliche Stände wird sichtbar. Durch die emotionale Hochstimmung wird die Realität nur noch in den schönsten Farben gezeichnet. Allerdings mündet dieses geistliche Selbstbewusstsein nicht in einen Libertinismus, sondern in eine ethisch verantwortete, der Freundschaft verpflichtete Haltung. Dass die praxis pietatis sich auch in einem bestimmten sozialen und religiösen Kontext vollzog, kann man sehr schön an seiner Predigt Vom Reich Gottes (Tr. 26; Herbst 1592) über Mt 6,24-34 beobachten, die er am Michaelistag (29.9.1592) auf einer Reise im St. Katharina-Kloster Wolmirstedt in Vertretung des dortigen Pfarrers Erasmus Henniges auf Wunsch der Äbtissin Hippolita von Düsedow hielt. 526 Diese Predigt fällt durch ihre sozialkritische Tendenz und eine verstärkte Eschatologisierung auf. Das Ziel aller Gläubigen sollte es sein, das in der Taufe geschenkte Heil anzunehmen. Viele leben jedoch so, als gäbe es kein Evangelium. Zu Erklärung dieses Sachverhalts zieht Praetorius eine Prophezeiung aus dem V.NI. Buch Esra heran, nach der in den letzten Zeiten ein Mangel an Wahrheit und Glauben herrsche. 527 Er prangert deshalb Geiz, Bauchsorge, Streben nach Mammon 523 "Vnsere Trawrigkeit ist in Frewde/ vnd die Furcht in die aller höchste Sicherheit verwandelt worden: vnd fllhren nu ein ruhiges Englisch Leben. Denn wir wissen! daß wir ... in die höchste Seligkeit gesetzet seyn.", AA, II, 255. 524 ,,0 wie viele Bäpste/ Bischoffe/ Cardinele/ Praelaten! Doctornl Magistri wissen dis nicht. Wie viele Keyser/ Könige/ Fürsten! Grafen! Ritter/ Bürger vnd Bawren wissen dis nit?", AA, II,256. 525 AA, II, 257. 526 Wolmirstedt liegt etwa 15 km nördlich von Magdeburg. Die ehemalige Burg der Erzbischöfe von Magdeburg wurde später zu einem Schloss umgebaut. Hippolita von Düsedow gehörte zu einem alten altmärkischen Adelsgeschlecht. 527 Die ersten und letzten beiden Kapitel der Vulgata-Übersetzung des IV Esr gehören nicht zu ihrem ursprünglichen Bestand. Kapitel 1 und 2 sind eine christliche Apokalypse, Kapitel 15 und 16 im Stil atl. Weissagungen formuliert. Sie werden als V Esr bzw. VI Esr bezeichnet, vgl. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen, II, 581-590.
180
und überflüssigem Reichtum in allen Ständen an. In diesem Verhalten zeigt sich die Missachtung der "goldenen Zeit", der Zeit des Evangeliums. 528 In einem fiktiven Gespräch zwischen zwei geistlichen Jungfrauen stellt Praetorius in Anlehnung an Lk 10,40-42 Martha, die ihr Heil in Klosterübungen sucht, der Gewissheit Marias gegenüber, die ihre Seligkeit in der Taufe gründet. 529 Wer sein Heil nicht als höchsten Schatz königlich besitzt, gilt als Heide. Einem von "Kleidersorge vnnd Bauchsorge" gefangenen Menschen empfiehlt Praetorius die Betrachtung der Blumen, die von Gott gekleidet und geziert werden. 53o Er kritisiert die zeitgenössische italienische Mode, weil sie schlechte Sitten nach sich ziehe. Den "geitzigen Mammonisten" helfen auch die goldenen Gebetbücher nicht531 Habgier und Geiz beunruhigen die Menschen, isolieren sie und machen sie zum Untier. 532 Wucher, Lohnkürzung, Gewichtsbetrug und mutwillige Teuerung lassen den notleidenden Nächsten vergessen. Praetorius prangert damit soziale Missstände an. Auf der anderen Seite stehen die von Christus erworbenen himmlischen Güter und Schätze, die durch das Studium und Lernen biblischer Sprüche erworben werden können. Die Lehre von der gegenwärtigen Seligkeit soll man besonders an Luther studieren. Besser noch aber ist es, einen Privatlehrer zu haben, der über die öffentlichen Predigten hinaus Unterweisung gibt. "Sondern er mus auch einen sonderlichen gelerten Meister haben! der ihn privatim instituire. Denn ohne privat institution kan einer eben so wenig das Euangelium fassen! als einer die Musicam fassen kan! ob er gleich teglich viel singen höret. Die gemeinen Predigten thun zwar etwas/ aber die heimlichen vnterweisungen thun mehr/ wie ich diß in meinem Predigtampt wol erfahren hab."533 Diese Äußerung von Praetorius gibt zu mancherlei Spekulationen Anlass. Hat er möglicherweise privaten Bibelunterricht erteilt oder die Gläubigen in den Häusern unterrichtet? Hinweise, die auf eine Sammlung der wahren Gläubigen in einer besonderen Gemeinschaftsform außerhalb des Gottesdienstes schließen lassen, werden durch diese Bemerkung verstärkt. Im lutherischen Sinn geht es aber zunächst um die Belehrtmg in der eigenen Familie. Eltern 528 "Jst diß aber nicht ein grosser Jammer/ daß dies von Christen geschehen solle? Daß man die gülden Zeit des Evangelij so vbel solle anlegen? ... Vnnd diß geschieht heutiges Tages in aller Welt von allen Stenden! so heffiigl als es nie von anfang der Welt her mag geschehn seyn.", AA, I, 793. 529 "Ja ... selig vnd vberselig ... Dessen lachete ihre Schwester Marthal vnd sprach ... Du hast einen verkehrten Sinn! vnnd bist gar zu Lutherisch.", AA, I, 796. 530 "Bist du nicht ein Blümlein Gottes/ besprenget mit dem Blute Jesu Christi! vnnd gesalbet mit dem heiligen Geiste/ dazu gesetzt! daß du edlen Samen vnnd Früchte tragen sollest", AA, I, 803.
531 "Sie haben Zaalpfennigl Schuldregister/ Handschriften! newe Siegel vnd Brieffe/ rothe Gülden vnnd weiße Thaler" in ihren Händen, aber sie halten sich von christlichen Übungen fern", AA, I, 806. 532 AA, I, 807. 533 AA, I, 819. 181
sollen ihre Kinder in die "Schatzkammer" führen und ihnen die goldenen Schätze ihres Heils zeigen. 534 Auch in christlichen Klöstern wie in Wolmirstedt erkennen junge Frauen in christlichen Übungen ihr Heil. Praetorius verweist auf Bücher, in denen die Taufschätze erklärt werden. So zitiert er aus Melanchthons Loci und der Formula Concordiae. 535 Besonderen Wert legt er auf die Freude. Buße ist für ihn nicht Trauern und Weinen, sondern fröhlich sein und lachen. 536 Den Bußruf aus Mk 1,15 führt er auf das vierte Esrabuch zurück.537 Weil die Erneuerung des Lebens vor allem in der Freude geschehen soll, warnt Praetorius vor dem Versinken in Melancholie und Traurigkeit. 538 Grundlage dieser Freude ist die Erschaffung zu königlichen Priestern. Dass Gott auch Arme und Waisen zu reichen Leuten machen kann, veranschaulicht Praetorius am Beispiel einer tugendsamen Jungfrau aus Salzwedel, die am Tag der Predigt auf dem Schloss zu Wolmirstedt durch die Förderung der Fürstin getraut wurde. Das Suchen des Reiches Gottes schließt auch die Ausbreitung des Evangeliums ein. "Fürsten! Fürstinnen! Grafen! Edelleute/ reiche Widwen! vnd ihresgleichen" werden besonders hervorgehoben. 539 Praetorius beklagt sich aber über viele Dorfpfarrer, die weder Bibel noch Lutherbücher besitzen und dennoch lutherisch sein wollen. Die Führung eines heiligen, gottseligen Lebens schließt die Gleichförmigkeit mit der Welt und ein reines Namenschristentum aus. 540 Ein tugendhaftes Leben auf der einen und eine praktisch geübte Frömmigkeit auf der anderen Seite ist das Ideal christlichen Lebens, das Praetorius zu vermitteln sucht. In seiner Anleitung zum christlichen Leben (Tr. 33, 1595) gibt er eine kompendienhafte kurze Anleitung zu einer christlichen Lebensführung, die sich an das "gleubige Volck/ in Flecken vnd Dörffern" richtet. 541 Nach altkirchlichem Vorbild wird das geistliche Leben durch die iustificatio, sanctificatio, contemplatio, applicatio, devotio, continentia und beneficentia darge534 "Darumb/ aIßbald ein gleubiges vnd getaufftes Kindelin zu seinem Verstandt kömptl sind die Eltern schuldig! daß sie dasselbige in seine Schatzkammmer fUhren! vnd jm die gülden stück seines heils zeigen!", AA, I, 819. Es ist durchaus möglich, dass Statius hieraus seinen Titel fiir die Geistliche Schatzkammer der Gläubigen gewählt hat. 535 Melanchthon, Loci 1559, St.A. 1112, 508,21-26. 536 "Denn sol die Braut weinen! wenn der Breutigamb kömpt? ... Sol der Sohn weinen! wenn ihm sein Vater Geldt zuschickt?", AA, I, 822. 537 Die Zitate entstammen der christlichen Apokalypse V Esr 2,13; 36f, vgl. SchneemeIcher, Apokryphen, 11, 584. 538 "Darumb sols gleich einem Christen eine schande seyn sich in die Melancholiam oder Trawrigkeit einzulassen! vnnd derselbigen sein Hertz zuverzehren vbergeben. Es sol ihm die Frewde des heiligen Geistes aus den Augen leuchten! daß er gleich aussehe/ wie ein heiliger Engel.", AA, I, 826. 539 AA, I, 829. 540 Als Beispiele werden Abstinenz von Gottes Wort und Sakrament, Gebetslosigkeit, Fluchen, Trunkenheit, Ehebruch, Geiz und Wucher genannt. 541 AA, 11, 95. Der Christ soll seinen Glauben durch seine Früchte beweisen. Sozialgeschichtlich beachtenswert ist der Wechsel der Adressaten gegenüber früheren Schriften. Nicht die gehobene Adelsschicht, sondern die allgemeine Landbevölkerung ist zunächst angesprochen. Ihr sollen die höheren Stände folgen.
182
stellt. Die iustificatio bzw. Rechtfertigung durch Taufe und Glaube bedeutet die "eusserste erfüllung des Gesetzes".542 Die mit dem Geistempfang verbundene sanctificatio erfordert ein dem neuen Stand gemäßes Verhalten. 543 Der Geist ist Zeichen und Pfand der neuen göttlichen Natur. In der contemplatio erkennt der Christ die Schätze seiner Taufe und erfreut sich daran. Zugleich schenkt der Geist die Erleuchtung zur Betrachtung des Evangeliums. Die applicatio ist das Ergreifen und Annehmen der himmlischen Güter. Paradiesische Freude, Jauchzen, Tanzen und Dank sind die "exercitia verae pietatis" in der Andacht ("devotio") des Christen. 544 Die continentia umfasst die Abwendung von den "Wollüsten" der Welt und den Verzicht auf das Streben nach Reichtum zugunsten wahrer Demut. Schließlich kann der wohltätige Dienst am Nächsten (beneficentia) gegenüber Kranken, Armen, Handwerksgesellen, Fremdlingen, Notleidenden und sogar Gemeindeseelsorgern geübt werden. Charakteristisch für Praetorius ist die Betonung der Freude, die sich sogar in Tanz und Jauchzen äußern kann. Dass Praetorius sich auch apokrypher Literatur zuwenden konnte, um ethische Gedanken zu entfalten, zeigt "St. Pauli Epistel an die Laodiceer" (Tr. 5, 1595), eine Herausgabe einer lateinisch-deutschen Übersetzung des pseudepigraphischen Laodicenerbriefes,545 von Fragmenten aus den Acta Apostolorum 546 und von Auszügen aus den Testamenten der zwölf Patriarchen. 547 Nach der übersichtlichen ersten zweispaltigen Ausgabe bei Heinrich Binder in Hamburg (1595), der eine lateinische und eine deutsche Vorrede und ein Brief von D. Chytraeus beigefügt war, folgte 1597 vermutlich bei Kröner in Uelzen eine zweite Ausgabe mit einer deutschen Vorrede. 548 Auf die Zweispaltigkeit wurde hier verzichtet, so dass sich dem lateinischen der deutsche Text mit Erklärungen anschloss. Die Fragmente aus den Testamenten der zwölf Patriarchen wurden durch einen Brief aus dem pseudepigraphischen Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus ersetzt. Praetorius hegt keine grundsätzlichen Zweifel an der paulinischen Verfasserschaft des Laodicenerbriefes Weder seine Kürze noch seine Aussage über die guten Werke spreche dagegen. Er wolle der christlichen Kirche deshalb 542 AA, H, 99. 543 "Denn wer diß wol weiß vnd beherziget! der kan nicht rültzig noch tölpisch leben! Sondern er mus sich fIlr seiner selbst eigen Majestet schewen.", AA, H, 100. 544 "Ach wie fein ists doch! wenn man einen Menschen in solchen feinen exercitiis verae pietatis fmden mag.", AA, H, 108. Beachtenswert ist der Gebrauch dieses lateinischen Terminus. 545 Der lateinische Text ist der Ausgabe von Sixtus Senensis von 1566 entnommen. Bezüglich der Handschrift verweist Praetorius auf den Fundort der Bibliothek der Sorbonne in Paris und der Bibliothek des Johannes Viridarius in Padua, vgl. dazu Anger, Laodicenerbrief, 146. Vgl. auch Schneemelcher, Apokryphen, 41--44. 546 Vgl. Altaner, 134.136f.138f. 547 Praetorius benutzt nach eigenen Angaben die lateinische Übersetzung von Bischof Robert von Lincun, vgl. Altaner, 119.572f. Dabei handelt es sich um die Übersetzung von Robert Grosseteste. Er zitert aus TestLev; TestJud; TestDan; TestAss. 548 Abdruck bei AA, I, 126-151.
183
durch seine deutsche Übersetzung einen Brief zurückgeben, der entweder von Paulus selbst oder von einem anderen apostolischen Mann geschrieben wurde. Die eigentliche Begründung für die paulinische Verfasserschaft sind für ihn die Wirkungen der Freude und der Stärkung, die der Brief bei ihm auslöste. 549 Praetorius will die jüngeren Gelehrten des Evangeliums an die apostolische Lehre heranfiihren,550 so dass sie sich "succum inde ambrosia & nectare suaviorem" herausholen. 55l Trotz des Bemühens, neue apostolische Episteln zu veröffentlichen, beklagt Praetorius das mangelnde Interesse des "gemeinen Haufens" an der Lektüre der Paulusbriefe. Er hält dies für eine Sünde. Paulus habe seine Kunst im Himmel studiert552 und das Evangelium durch Gottes Offenbarung empfangen. Praetorius argumentiert gegen die verbreitete Lehre, die Seligkeit werde erst nach dem Tod erlangt. Das Evangelium halte den wahren Christen die himmlischen Schätze und ihre Herrlichkeit wie einen Spiegel in Christus solange vor, bis sie in dieses Bild verwandelt worden seien. 553 Praetorius warnt vor einer Spaltung in der Lehre und vor der Nachahmung der falschen, papistischen Lehre. In der Nächstenliebe und den Tugenden solle der Christ durch den Heiligen Geist alle Heiden übertreffen. "Heilige schöne Leute sollen heilige schöne Wercke thun."554 Wichtig ist für ihn die Freiwilligkeit der Werke. 555 Die Freude des Christen dürfe nur durch kurzfristige Trauer getrübt werden. Den pseudepigraphischen Briefwechsel zwischen Paulus und Seneca hält Praetorius für echt. Aus den Acta Apostolorum greift er Aussagen der Apostel über die Seligkeit, die Kraft des Geistes, den Adel der Christen, die Taufe, das Paradies und die himmlischen Güter heraus. 556 Unabhängig von der Frage, ob die Testamente der zwölf Patriarchen von ihnen selbst geschrieben wurden oder von einem "Ingeniosus" aus dem Neuen Testament entnommen worden sind, lobt Praetorius sie in einer Vorrede vom 20.6.1594 in den höchsten Tönen. 557 Praetorius zeigt vorrangig Interesse für die Weissagung vom Messias als Lamm und Heil Gottes, das Geschenk der Majestät und Herrlichkeit Gottes, die Heiligung, das Wohnen im neuen Jerusalem und das Herrschen mit Christus im Himmelreich.558 Sollte seine Übersetzung den unheiligen Menschen 549 Laodicenses, A2v. 550 Laodicenses, A2v: "Autor sum junioribus Evangelii doctoribus, ut in explicanda hac vires suas ab initio experiantur: quo sic apostolicae doctrinae paulatim assuescant .. succum eliciant, locupletandae doctrinae et fidei suae causa." 55l Laodicenses, A2b. 552 AA, I, 145. 553 "Dennje lenger man sich darinne spiegelt! je herrlicher man wird.", AA, I, 137f. 554 AA, I, 142. 555 "Die Wercke der Christen müssen aus Liebe herfliessen! oder sie sind nicht gut oder löblich/ wenn sie auch der gantze Gehorsam des Gesetzes weren.", AA, I, 142. 556 Laodicenses, A4v-B3r. 557 "Sie sind meinem hertzen eytel zuckerl violen vnd rosen! ja eytel balsams tröpflinl aus dem Garten Engaddil Vnd wuste nicht! ob auch der heilige Geist irgend lieblicher geredt! vnd reden könte.", Laodicenses, B3v. 558 Vgl. Laodicenses, B3v.
184
missfallen, so werde sie dennoch den heiligen Engeln Gottes gefallen. Praetorius plant eine Erklärung zu den Patriarchensprüchen in Kürze und hofft, dass die verstockten Juden diese lesen, so dass sie "bald ein ander hertz gewinnen" würden. 559
4.3 Katechetische Schriften Unter den katechetischen Schriften sind insbesondere die Traktate zusammenzufassen, in denen Praetorius in katechismusartiger Weise die Grundgedanken seiner Theologie zusammengefasst hat. Als Adressaten sind in erster Linie Kinder und Jugendliche im Blick. Typisch für Praetorius ist der Frage-Antwort-Stil, in dem er seine "Katechismen" verfasst hat. Darüber hinaus ermahnt Praetorius auch die Pfarrer zur richtigen Anwendung des Katechismus. Die Fürstliche Instruktion der Prediger (Tr. 4) gibt Aufschluss über seine pastoralen Anliegen. Unter dem Titel Morgenröte evangelischer Weisheit (Tr. 25, Ostern, 30.3.1589) veröffentlichte Praetorius vierzehn Fragen und Antworten zur Seligkeit der Christen. 56o An junge und einfältige Christen, die ihr Heil noch nicht recht erkennen, ist die vermutlich 1600 erschienene Kinderlehre 561 gerichtet, die den Katechismus auf fünf Fragen reduziert. Praetorius selbst setzt die Kenntnis von Luthers Katechismus und den Psalmen bei seinen Schülern voraus 562 und bezeichnet seine "Fragstücklein" als "füncklin Euangelischer Weißheit vnd Warheit", "Zuckerküchlein" und süße Milch des Evangeliums. 563 Seine "Fragstücklein" sollen offenbar "andere Fragen" ersetzen, die zwar Luther zugeschrieben werden, von Praetorius aber als unlutherisch angesehen werden, weil sie "wider den Catechismum vnnd grund Lutheri lauffen".564 Praetorius argumentiert inhaltlich: Luther zweifele nicht an der Seligkeit, sondern sage, dass die Gläubigen und Getauften schon selig seien "in hac vita, re ipsa, respectu bonorum gratiae" und unterscheide die regeneratio von der renovatio. Die Gerechtigkeit geschehe "ratione gratuitae imputationis". Neben dem Katechismus sollen die Kinder vor allem die paulinischen Worte vom gegenwärtigen Heil auswendig lernen. Die Eingangsfragen der "Fragstücklein" erinnern an die Katechismen von Johannes Brenz: 565 "Mein liebes Kind! was bistu?" "Ich bin ein Christ."566 "Warum bistu ein Christ?" "Denn ich gleube an Jesum Christum ... vnd bin auff solchen Glauben getaufftl 559 560 561 562
Laodicenses, B4r. AA, I, 771. Drucker und Druckort sind unbekannt. AA, I, 743. Neudorf, Lutherus orthodoxus, 22 datiert auf das Jahr 1600. "Ihr könnet nun den lieben Catechismum/ vnd die fiirnembsten Psalmen! darauff lernet nu diß/ was hie ist! vnnd nehmet euch geraume zeit dazu! ich wil euch nicht zu hart treiben.", AA, I, 776. 563 AA, I, 776f. 564 AA, I, 745. Es bleibt unklar, worauf sich Praetorius hier bezieht. 565 Vgl. dazu Weismann, Die Katechismen des Johannes Brenz, Bd. 1. 566 AA, I, 778. "Ich bin ein seliger Christ.", AA, I, 774.
185
vnd habe Gemeinschafft mit ChristO."567 Brenz beginnt in den Fragstück des Christlichen glaubens für die Jugendt (1535) ebenfalls mit dem Glaubensbekenntnis "Ich bin eyn Christ ... Darumb/ dz ich in Jesum Christum vnnd in seim namen getauffi",568 um die Tauflehre an den Anfang zu stellen. In dieser Vorordnung der Taufe könnte auch das Interesse von Praetorius am Brenz-Katechismus liegen. Allerdings kommt Praetorius in den "Fragstücklein" nicht über die Tauflehre hinaus. Brenz erwähnt in den Fragstuck von 1528 zwar nicht die Gemeinschaft mit Christus, wohl aber spricht er davon, "eingeleybt" und eingesegnet zu sein in die Güter der himmlischen Bürgerschaft und der ewigen Seligkeit. 569 Die Gemeinschaft mit Christus570 bedeutet den Besitz der himmlischen Güter. Diese Güter sind die göttliche Gerechtigkeit und Herrlichkeit, die Kindschaft, der Geist, und das ewige Leben. 571 Die gefühlte Sünde wird nicht mehr zugerechnet, statt dessen wird die Gerechtigkeit Gottes eingegossen und mitgeteilt. 572 Trotz der noch verborgenen Gerechtigkeit heißt der Gläubige bereits ein "Geheiligter Christi". Mit Christus sitzt er zur Rechten Gottes. 573 Hier wird eine Mitherrschaft der Gläubigen mit Christus angedeutet. In der Kinderlehre (Tr. 24) ist den katechetischen Fragen eine kurze Kinderpredigt über Röm 5,10 angefügt. Weil viele Kinder einen "Fladdergeist" haben, ist die Gewöhnung an die Stille nötig. Gottes Herz ist gegenüber seinen Kindern rein von Zorn wie die Sonne und süßer als Zucker. 574 Er erhört Gebete. Die Kinder ermutigt Praetorius zu einem fröhlichen Leben, Elterngehorsam, schönen Tugenden, reinen Worten und Werken und zur Vermeidung der Sünden. In einem Sermänchen vom Abendmahl an die Kinder nennt Praetorius als Grund für die Einsetzung des Mahles das Gedächtnis und die leibhaftige Einwohnung Christi in den Gläubigen. Er vergleicht den Christen mit einer heiligen Monstranz. 575 Er warnt vor calvinistischem Misstrauen und überlässt die Häufigkeit des Besuches dem Bedürfnis des Kommunikanten. Ein sich anschließendes Beichtformular enthält Sündenbekenntnis, Gewissheit der Erlösung, Dank und Bitte um Stärkung des Glaubens und Unterweisung zum 567 AA, I, 778. Die "Kinderlehre" spricht statt der Gemeinschaft mit Christus von der Teilhabe an Christus und seinen Gütern, vgl. AA, I, 747. 568 Weismann, Katechismus, 688. 569 Weismann, Katechismus, 663. 570 "lch bin in ihm! vnd er in mir", AA, I, 778. 571 In der "Kinderlehre" wird die Tauf- und Seligkeitslehre auffiinfFragen komprimiert, die vermutlich auch auswendig gelernt wurden. Nach Art des lutherischen Katechismus folgt auf die Fragen ein biblischer "Beweis": Was bist Du? Welche Güter hast Du von Christus? Wie gebrauchst Du diese Seligkeit?, vgl. AA, I, 747-749. 572 "Weil ich Christi Leib bin! vnd er warhafftig in mir ist.", AA, I, 780. 573 "Ja ich sitze schon mit meinem lieben Häupt Christus/ in welchem ich bin! vnd welcher in mir ist! im Himmel zur Rechten der Herrligkeit vnd Krafft Gottes/ vnd habe alles vnter meinen Füßen.", AA, I, 785. 574 "Ach lieben Kinder/ ihr seyd jetzt vmbleuchtet mit der Gnaden Gottes/ als mit einer hellen Sonnen. Dieselbe ruhet auffeuch/ vnd küsset euch.", AA, I, 751. 575 AA, I, 754. 186
christlichen Leben. 576 Lutherzitate aus der Kirchen- und Hauspostille zur Taufe und zur Gewissheit der Seligkeit sollen die Übereinstimmung der Theologie des Praetorius mit Luther belegen. In einer angehängten Treuherzigen Vermahnung an alle Pfarrherrn christlichen und lutherischen Namens verteidigt Praetorius seine Lehre. Er stellt Luthers Verständnis von der Taufe als Empfang der himmlischen Güter und des Schatzes der Seligkeit heraus, das man als ein "gülden Kleinod" im Herzen tragen soll.577 Mit Ignatius betont er, dass die Lehre von der Seligkeit der Taufe auch anerkannt und ergriffen werden muss. Es komme weniger auf die rhetorische Ausgestaltung der Predigt als auf die Zusage der Seligkeit an den Bekehrten, Gläubigen und Getauften an. Praetorius wendet sich gegen das falsche Verständnis vieler Pfarrer der Lehre "de exhibita salute". Sie befürchteten bei Praetorius eine "newe vnerhörte Theologia", weil sie selbst nicht Luther, sondern andere unreife, vergängliche Bücher läsen. 578 Sie glaubten zwar getauft, aber noch nicht selig zu sein. Andere missverständen die Seligkeit als die "gantze newheit", weil sie den Unterschied zwischen den "bona viae ac patriae/ und den "bona gratiae ac gloriae nicht sähen. Die Pfarrer sollten im katechetischen Unterricht den "Milch Glauben" nicht zerstören. 579 Der Vorwurf, eine solche Lehre mache die Menschen sicher und roh, verfängt nach seiner Meinung nicht, weil sich durch den Geist die Erneuerung und ein freiwilliges Leben in Gottes Geboten beginnt. Die Fürstliche Instruktion aller Prediger (Tr. 4, Neujahr 1600), ein kommentierter Extrakt aus der Kirchenordnung Joachims 11. von 1540, wiederholt die Kritik von Praetorius an der unevangelischen Predigt der Gegenwart. Insbesondere den jungen Predigern im Kurfürstentum Brandenburg ist dieser Auszug gewidmet,580 den Praetorius am 1.1.1600 veröffentlichte. Der Zeitpunkt dürfte programmatischen Charakter haben. Praetorius bekennt, die Kirchenordnung von Jugend auf gelesen und geschätzt zu haben, weil sie das rechte Evangelium in sich trage. Ihre Kenntnis sei insbesondere "in diesen letzten gefehrlichen Zeiten" notwendig, in denen Gefahren von Türken und Spaniern drohten. 58l Praetorius interpretiert die Kirchenordnung im Sinn seiner Theologie, indem er die Früchte der Taufe besonders herausstreicht. Ihm ist vor allem die Priorität der Früchte vor der Tötung des alten Adams und den guten Werken wichtig. Das Evangelium von der gegenwärtigen Seligkeit der Gläubigen werde von vielen als eine neue Theologie abgelehnt, die die Welt sicher und roh mache. Das zerfallene Evangelium muss jedoch wieder aufgerichtet und der neue fröhliche und freiwillige Gehorsam wieder geübt werden. Die Wohltaten 576
Vgl. AA, I, 755. 577 AA, I, 763. 578 AA' I, 767. 579 AA, I, 768. 580 Vgl. Sehling, Kirchenordnung III, 39-90. 58l AA' I, 92.
187
Christi sollten von den Zuhörern ergriffen und angenommen werden. Weil die Sünde noch von jedem gefühlt werde, müsse man vorsichtig in der Ausübung des Kirchenbannes sein und den Angefochtenen die Strafen mildem. Die Apostel führten ihre harten Reden häufig aus pädagogischen Gründen wegen der Verstockung der Menschen. 582 Praetorius kritisiert das Richten und Verdammen durch die "Sophisten". 4.4 Hymnische Schriften
Die Lieder, die Praetorius vermutlich in den Jahren zwischen 1588 und 1592 verfasste, sollten seine Theologie in hymnischer und leicht verständlicher Form vermitteln. Von den 14 Liedern begegnen drei in seinem Gesamtwerk doppelt. Ein großer Teil wurde unter dem Titel Neue geistliche Lieder veröffentlicht. Während dort keine Noten abgedruckt wurden, enthalten alle anderen Schriften das dazugehörige Notenbild. - Drei gnadenreiche Lieder (1588): "Ach komm du liebe Seele mein"; "Herzlich lieb hab ich dich, 0 Herr"; "Herz wach auf, was willst du viel länger schlafen?". - Blümlein der Liebe (Tr. 38, 1590): "Was hat getan der heilige Christ?"; "Herz wach auf, was willst du viel länger schlafen?", "Herzlich lieb hab ich dich, 0 Herr"; "Ach komm du liebe Seele mein". - Ein neuer fröhlicher Dankpsalm (Tr. 39, 1592): "Der Winter ist vergangen". - Neue geistliche Lieder (Tr. 40): "Da Gottes Sohn geboren war"; "Ganz fröhlich will ich singen" (Mel. Ich dank dir, lieber Herre); "Kein höher Trost auf Erden ist" (Mel. Allein auf Gott setz dein Vertraun); "Herre Gott, vor großer Freud" (Mel. Nun freut euch liebe Christengmein); "Nun muß ich ja den Herren Christ" (Mel. Wenn mein Stündlein vorhanden ist); "Christus das reine Gottes Lamm" (Mel. Vom Himmel hoch, da komm ich her); "Ein Blutströpflein, Herr Jesu Christ" (Mel. Wenn mein Stündlein vorhanden ist); "Herzlich hat mich erfreuet" (Mel. Herzlich tut mich erfreuen); "Ach Herr Christ, mein Heil und Trost allein" (Mel. Ach herziges Herz, mit Freud und Schmerz). Unter dem Titel Drey Gnadenreiche Lieder. Aus dem born des Lebens geflossen: vnd in Christi Schule/ von den lieben Auserwelten! zu erquickung ihrer Seelen! vmbs Ehrenkrentzlein! teglich mit frewden zu singen veröffentlichte Praetorius 1588 drei mehrstrophige Gesänge mit Melodien. 583 Alle drei Lieder 582 Vgl. AA, I, 123f. Praetorius zitiert Theodoret und Martin Borrhaus (Kommentar zu Ex 32), um zu zeigen, dass die biblischen Drohungen aus pädagogischen Motiven entstanden sind. Martin Borrhaus (=Cellarius), 1499-1564, ursprünglich ein Freund Melanchthons, sympathisierte mit den Zwickauer Propheten, lebte später in Straßburg und Basel und vertrat den Chiliasmus. Er veröffentlichte 1555 einen Kommentar zum Pentateuch. Mit Sebastian CasteIIio und Celio Secundo Curione teilte er das Interesse an einem "aureum saeculum" und an den Sibyllinischen Büchern. Vgl. dazu Seifert, Reformation und Chiliasmus, 256-258. 583 Drei gnadenreiche Lieder, AIr.
188
wurden in der Schrift Blümlein der Liebe (Tr. 38; 1590) ein zweites Mal veröffentlicht. Die Ausgabe der drei gnadenreichen Lieder war bislang nahezu unbekannt. Sie wurde in dieser Fonn auch nicht von Arndt aufgenommen. Bereits auf dem Titelblatt werden die Adressaten deutlich. Es sind die "Auserwelten", die diese Lieder zur "erquickung ihrer Seele" fröhlich singen sollten. Zwei Jahre später erschienen diese drei Lieder unter neuem Titel und in erweiterter Fonn als Blümlin der Liebe/ Welche junge Christen in ir hertz pjlantzen: vnd damit iren Glauben! friede vnd freude stercken sollen. Zusampt einem newen Liede/ von der krafft der frölichen Aufferstehung vnd Himelfart Jesu Christi/ mit dreyen andern! vor ausgangen" (Tr. 38, 1590). In einem "Hochzeitsgedicht" ("Deutsch Epithalamion") an Dorothea Litzman,584 die Braut seines Bruders Peter Praetorius, stellt Praetorius den inneren Schmuck Jesu Christi und des Evangelims weit über äußeren Schmuck durch Kleidung, Gold oder Edelsteine. Durch den Glauben werden die Gläubigen mit Christus vereinigt und so den Engeln gleichgesetzt. 585 Wer glaubt und getauft ist, der hat Christus angezogen und damit auch seinen Schmuck und Schatz erworben. Dies wird in der Übung des göttlichen Wortes, d.h. in der Bibellektüre konkret. Insbesondere christliche Jungfrauen sollen "Paradise sein! das ist! Fürsten garten! gezieret mit aller hand Himlischen Violen vnd Rosen".586 Das Argument, die Schriftlektüre sei nur etwas für Theologiestudenten und nichts für "Weltkinder", lässt Praetorius nicht gelten. Manchmal sind die "Gotteskinder" bessere Christen als die, die sich als Studenten oder Propheten ausgeben. Praetorius stellt auf Bitten einiger Mädchen aus Salzwedel, für die er ein Jahr zuvor die "Morgenröte" verfasst hatte, einige Bibelworte zur Bestätigung ihres Heils zusammentragen und ordnet sie in vier Fragen. 587 Die Sammlung Newe Geistliche Lieder! Wie alle Gleubige von Sünde/ Todt/ Teu.ffel vnd Hell/ erlöset/ vom Zorn Gottes gefreyet/ mit Christi Heiligkeit/ Gerechtigkeit/ Leben vnd Seligkeit bekleidet/ vnd mit dem heiligen Geiste! zur ewigen Kindschafft vorsiegelt sind (Tr. 40, ohne Jahr) ist von Arndt ohne Ort, Datum oder Widmung überliefert worden. Sie ist den "angefochten! zuschlagenen! betrübten Gewissen" zum Nutzen und Trost verfasst. Den Liedern werden mit einer Ausnahme bekannte Melodien zugeordnet, so dass auch keine Noten abgedruckt sind.
584 "Einer jungen Braut von Franckfurt alles zu ehren geschrieben", Blümlin der Liebe, AIr. Widmung vom 3.5.1590. "Jr wisset! das jr schon bekert! gleubigl getaufft vnd selig seid! Da bleibet bey/ vnd last euch dis ziel nicht verrücken! noch euch durch Philosophische gedancken widerumb berauben.", Blümlin der Liebe, B2r. 585 "das wir durch wunderbare vereinigung des Glaubens mitten in Christo sein! vnd Christus widerumb in vns ist! wie der glantz in einem Jaspide", Blümlin der Liebe, A4r. 586 Blümlin der Liebe, A6v. 587 "Wolt es Gott! das wir armen Leute der Kirchen eitelliecht vnd leben sein möchten! Ja! fontes iusticiae, in gloria seu profectu Ecclesiae superbientes", Blümlin der Liebe, BI v. Warum heißt Gottes Sohn Jesus? Was heißt selig machen? Was hast du aus dem Tod Jesu Christi? Was hast du aus der Auferstehung und Himmelfahrt Christi? 189
Zu Pfingsten (14.5.1592) veröffentlicht Praetorius einen Dankpsalm für das geschenkte und erkannte Heil. Im Maien zu singen (Tr. 39), in Verbindung mit einigen Zitaten von Melanchthon und Luther. In seiner Widmung an den Salzwedeler Bürger Johann Buntemeier nennt er den Grund für die Abfassung des geistlichen Liedes. 588 Wie das gesprochene mündliche Wort enthält es das Evangelium und die Wohltaten Christi, gelangt aber durch den ihm innewohnenden Heiligen Geist noch weiter in Seele und Herz hinein. 589 Praetorius will damit einen Beitrag zur Erbauung der Kirche leisten. 59o Er hat nicht nur die Melodie, sondern auch einen vierstimmigen Chorgesang von Joachim Bonus aus Magdeburg dem Text beigegeben. 59 ! Der Inhalt des Liedes ist die gegenwärtige Seligkeit der Gläubigen, das Generalthema der Theologie des Praetorius. Es zeigt vermutlich auch autobiographische Züge. Auffallig ist der Wechsel zwischen der eigenen Person, die sich hinter der "Ich"- Form verbirgt und einer christlichen Gemeinschaft, die durch das "Wir" gekennzeichnet ist. Wer das Evangelium von der Seligkeit nicht glaubt, ist ebenso verdammt wie derjenige, der nicht an Christus glaubt. 592 Diese These wird von der "Welt" abgelehnt mit der Begründung, dass man die Seligkeit nicht auf Erden, sondern erst im Himmel habe und man zunächst genügend Buße tun müsse. Praetorius bezeichnet dies jedoch als einen bloßen Vorwand, da die rechte Bußgesinnung fehle. 593 Der Grund für die Ablehnung liege vielmehr in einem mangelnden Studium und falschen Verständnis von Paulus, Luther und Melanchthon. In Anlehnung an ein bekanntes Volkslied beginnt der dreizehnstrophige Gesang mit den Worten: "Der Winter ist vergangen". Das Lied beschreibt den Weg eines Gläubigen von seinem Verlangen nach Heilsgewissheit bis zu seinem fröhlichen und zuversichtlichen Bekenntnis, in Christus selig zu sein. Der Winter beschreibt zunächst die Situation des von seinen Sünden geplagten Menschen, der nach der Gewissheit seines Heils
Zu Buntemeier vgl. die Widmung zu Tr. 51 (AA, 11,473). "Warlich/ ein rechtschaffen Geistlich Lied! wol gesungen! erfrischt vnnd erfrewet einem das Hertz! biß in den hohen Himmel. Denn der heilige Geist ist mit seiner krafft gantz vnd gar darinne.", AA, II, 216. Für Melanchthon liegt der Hauptzweck der Musik im besseren Erfassen und Behalten der göttlichen Lehre und in einem tieferen Eindringen in das menschliche Herz, vgl. Blankenburg, Art. Melanchthon, 2-4. 590 "Demnach richte ich zu weilen dem HErrn Christo zu Ehren ein par VerßlinJ ob seine liebe Kirche dadurch könte etwas erbawet werden.", AA, 11, 217. 59! "Harmonia Quatuor vocum, D. IOACHIMI BON!.", AA, 11, 224f. Joachim Bonus war Lehrer und Kollege von David Laurentius, der von 1574-1576 in Salzwedel das Amt des Rekiors des altstlidt. Gymnasiums ausübte, vgl. Luther, Gallus Dressler, 34f. Bonus war vermutlich als Nachfolger Friedrich Weißensees (gest.1611) bis zu seinem Tod 1618 Kantor in Magdeburg. Dort förderte er insbesondere die Vielstimmigkeit, vgl. Valentin, Art. Magdeburg, 1476f. 592 Praetorius beruft sich auf eine Zeile des Lutherliedes "Christ, unser Herr, zum Jordan kam": "Wer nicht gleugt dieser grossen Gnad ... ist verdampt zum ewigen Tod", AA, 11, 219. 593 "Vnnd ist dir gleichwol hiemit daß Busse thun nicht verboten! wie du hemacher hören wirst! nur allein das es in seinem Circel bleibe.", AA, 11, 219. 588 589
190
sucht. 594 Die Not der eigenen Existenz wird als Leiden unter der Sünde gekennzeichnet. Sie sucht nach einem Grund des Heils. Die Sommerzeit ist demgemäß die Zeit des Heils. Der Aufgang der Morgenröte bedeutet, dass die Seligkeit nun vorhanden ist und betrachtet werden kann. 595 Doch bevor dies geschieht, schildert der Verfasser seine vergeblichen Versuche, diese Gewissheit des Heils zu erlangen. In der Vergangenheit hatte er Paulus ebensowenig verstanden wie Luther und seine Rede vom Glauben und von der Kraft der Taufe. Beides war für ihn wie eine tote Blume ohne Geruch und Lebenssaft. 596 Erklärend fügt er hinzu, dass dies auch für viele andere gilt. Erstaunlich ist, dass er auch Luther nicht verstanden hat. Der Grund dafür liegt in der falschen Voraussetzung: "Ich wolt erst selig werden".597 Dieses Anliegen betrachtet er als sein "Verderben", weil er damit Gottes Gabe verleugnet hat. Der Christ erlangt die Seligkeit aber erst durch ihre "vendicatio", indem er sie gewinnt, nicht aber dadurch, dass er sie verwirft ("reprobatio").598 Die Lehre von der gegenwärtigen Seligkeit stößt in der Welt jedoch auf Ablehnung. 599 Der Grund für die Ablehnung liegt darin, dass diese Lehre angeblich die Anstrengung nach einem christlichen Leben und die Buße verhindert. 6oo Der Haupteinwand gegen seine Lehre liegt also in dem Vorwurf einer mangelnden Ethik und der unzureichenden Buße begründet. 601 Niemand werde ein christliches Leben füh594 ,,1. Der Winter ist vergangen! Gekonnnen ist die frölich Sommerzeit! nach welcher thet verlangen/ dem Hertzen mein! weil es mit grossem Leid! Seins Heyls gern woIt versichert seyn/ Damit es möcht grund haben! Vnnd konnnen aus der Sünden schweren Pein", AA, 11, 221. In Johann WaIters Lied "Herzlich tut mich erfreuen" (EG 148) von 1552 ist die "liebe Sommerzeit" im futurisch eschatologischen Sinn ein Bild für die Ewigkeit. Dieses Lied steht offenbar für Praetorius im Hintergrund. Im Unterschied zu Walter geht es Praetorius aber hier um das gegenwärtige Heil. Ähnlich auch Martin Behm, der in seinem Lied "Lobt Gott in allen Landen" (EG 500) mit der "geistlichen Sonnnerzeit" die Hilfe Gottes in "Trübsal, Angst und Not" gekonnnen sieht. 595 ,,2. Nun ist die Morgenröte Auffgangen mit einem sehr hellen glantzl Durchs heiligen Geistes güte/ Vnd leuchtet fein vber mein Hertze gantzl Das ich nun meine Seligkeit Fein klerlieh kan anschawen! Die mir mein lieber Heyland hat bereit", AA, 11, 221. 596 ,,3. Paulus war mir verschlossen! Ob ich jhn gleich teglich viel lesen thet/ Von Christi Blut vergossen: Verstund auch nicht Lutheri thewre red/ Von Glaubens vnd der Tauffe krafft War mir eine todte Blume/ Wie vielen noch/ ohn geruch! vnd Lebens safft", AA, 11, 221. 597 ,,4. Ich wolt erst selig werden! Dahin stund meines Hertzen Muth vnd Sinn/ Dasselb war mein verderben! Vnd soIt doch seyn ein köstlich gewinn! Denn ich damit verleugnet hab/ Was mir Gott hat gegeben! War das nicht eine jennnerliche plag?", AA, H, 221. 598 ,,5. Per vendicationem, Erlangt ein Christ die thewre Seligkeit: Per reprobationern, Verleurt er alle sein Herrligkeit. Noch soIt die reprobatio, Jn suchen! viel mehr gelten! Als ipsa rei vendicatio.", AA, H, 222. 599 ,,6. Was thut die Weit verführen! Denn daß sie nicht getrewe Lehrer han? So wil sie auch nicht hören/ Ob man jhr gleich durch Gott gibt guten rath! Sie spricht/ Was? soIt ich selig seyn? Dafür wolt mich behüten Mein fronnner GOtt! das ist ein falscher schein.", AA, H, 222. 600 ,,7. Wenn dieses sol außreissen! Vnd fliessen in die werthe Christenheit/ Wer wolt sich gutes befleissen! Vnd streben nach der ewigen Seligkeit? Es würde kein Mensche Busse thun! Noch keiner Christlich leben! Sondern sich an der Tauffbenügen lahn.", AA, 11, 222. 601 ,,8. Wer sein Sünde büsset Mit seines Hertzen rew vnd schwere pein! Vnd Gott vrnb Gnade grüsset/ Der wird aIßbald von seinen Sünden rein/ Da hebt sich an die Seligkeit/", AA, H,222. 191
ren, sondern sich an seiner Taufe genügen lassen. Erst nach Reue und Buße beginne die Seligkeit. Für Praetorius steht jedoch mit dem Verzicht auf die gegenwärtige Seligkeit nicht nur die Bedeutung der Taufe, sondern auch der Trost und die Heilsgewissheit überhaupt auf dem Spie1. 602 Für diese Konsequenz findet er deutliche Worte. Zugleich wehrt er sich gegen den Vorwurf, die Buße zu vernachlässigen. Sie kann jedoch nicht die Seligkeit geben. Denn dieser Schatz ist allein Gott durch Glaube und Taufe vorbehalten. 603 Wer diesen Schatz besitzen will, muss in der Buße ohne Buße leben. 604 Der einzige Trost der Gotteskindschaft ist in Glaube und Taufe begründet. 605 Deshalb endet das Lied mit der Freude und dem Lobpreis Gottes über die Seligkeit in Christus. Dies schließt auch ein tugendreiches Leben mit ein. 606 Freude, Dienstbereitschaft und ein Herz voller Tugenden sind die entscheidenden Stichworte, mit denen Praetorius sein Verständnis des christlichen Lebens charakterisiert. Die "himmlischen Violen" sind ein Synoym für die christlichen Tugenden. Die schwungvolle Melodie entspricht dem weitgehend flüssigen Text, der von einer fröhlichen Grundstimmung getragen ist. Dies gilt vor allem für den letzten Vers, in dem die freudige Glaubenszuversicht in knappen und treffenden Worten zusammengefasst ist. Praetorius schildert einen Weg der Erkenntnis von einem falschen Buß- und Seligkeitsverständnis zu einer persönlichen fröhlichen Heils- und Glaubensge602 "Von der zeit war verloren Der Menscbl vnd hatte die Tauffzur nichtigkeit. 9. Wolan so sey nicht selig! Vnd habe keinen Trost du tolle Weltl Fahr hin! nach Gottes befehlicbl zur Heilen zu! weil dirs also gefeit. Denn wer sich selbst nicht wirdig acht Der güte JEsu Christi! Der hat kein heyV was er auch sonsten macht.", AA, 11, 222f. Mit Melanchthon begründet Praetorius, dass Vergebung nicht durch Reue und Schmerz, sondern durch Christus erlangt wird, vgl. Melanchthon, Loci, St.A. Bd. 11/2, 554,32-37. 603 ,,10. Nicht hassen wir die Busse/ Die bleibetjmmer in der Christenheit! Wir fillen Blutes flüsse/ Den Christen sind die Sünd von Hertzen leidt! Doch gibt sie nicht die Seligkeit! Dem Glauben vnd der Tauffe Ist solcher Schatz allein von Gott bereit.", AA, 11, 223. Vgl. dazu Melanchthon, Loci, St.A. Bd. 1I/2, 360,15-19 über den seligmachenden Glauben. Praetorius ergänzt: "Wo wollen denn nun bleiben die vnreiffen Schüler/ welche sich solcher Verheissung weigern! vnnd sie durch waren Glauben nicht wollen annehmen? Sprechen: Was? Solt ich schon selig seyn? Solt ich gerecht vnd GOttes Kind seyn? Das were eine grosse Vermessenheit! vnnd were allzu zeitig angehoben. Spe, spe: non re, das geben wir wol nach. Darumb müssen diese verkehrten Köpffe nach der Lehre des Herrn Philippi! wo sie dieselbe nicht besser studiren! in Ewigkeit verdampt seynl Denn sie gleuben nicht dem Wort des Evangelij.", AA, 11, 227f. 604 ,,11. Sol ich den Schatz besitzen! Den mir mein lieber Herr gegeben hat! Frey für des Teuffels blitzen! So muß ich warlich folgen diesem raht! Daß ich die Busse nicht sehe an! Jn Buß ohne Busse lebe/ Sonsten ist es mit mir filrwar gethan.", AA, II, 223. 605 ,,12. Wir haben eine Sonne Am Firmament des Evangelij/ Die spricht mit grosser Wonne/ Auß gnaden seydjhr alle filij. Denn wer gleubt vnd sich teuffen lest! Der ist schon selig worden. Diß ist ewer Trost! denselben haltet fest.", AA, 11, 223. Vgl. dazu Melanchthon, Loci, St.A. Bd.lIl2, 375,28ff über die Gerechtigkeit aus Gnade ohne eigenes Verdienst. Über die Gotteskindschaft durch die Taufe vgl. Melanchthon, Loci, St.A. Bd. 1I/2, 508,16-509,1; 509,25-29. 606 ,,13. Darumb so bin ich frölicbl Weil ich in JEsu Christo selig bin: Vnd dancke dem HErrn freundlicbl Zu dienen jederman steht nun mein Sinn. Auch ist mein Hertz ein Paradiß/ Voll Himlischer Violen! Jn Tugend reicbl Zu gottes Lob vnd Preiß.", AA, 11, 224.
192
wissheit. Dies erinnert an Luthers "Turmerlebnis". Insbesondere die Formulierung "Paulus war mir verschlossen" deuten auf eine beabsichtigte Verbindung zum Reformator hin. Mit den angefügten melanchthonischen Zitaten präsentiert Praetorius eine Art kleine Dogmatik zu den Themen Gnade, Glauben, Taufe und Buße. Die Lutherzitate aus der Kirchenpostille sollen ebenfalls die Übereinstimmung seiner Lehre von der gegenwärtigen Seligkeit mit der lutherischen Theologie belegen. 607 "Ach komm du liebe Seele mein" wird nach der beschwingten Melodie des Volksliedes "Gar lustig ist spazieren gehn" gesungen. 608 In zehn Strophen entfaltet sich ein Selbstgespräch mit der eigenen betrübten Seele über die Last der Sünde und ihre Überwindung. Während die Seele bekennt, das Gesetz nicht zu halten und deshalb Zorn, Tod und Hölle befürchtet, verweist der Gesprächspartner auf Glaube und Taufe. 609 Durch die Taufe ist ihr bereits die ganze Herrlichkeit geschenkt.610 In den Strophen 8-10 entfaltet Praetorius diese Sündlosigkeit des Christen und gibt z. T. recht ungewöhnliche praktische Ratschläge. 611 Typisch für Praetorius ist der Hinweis auf den Verzicht auf die Traurigkeit. Die "weltliche Melodie" passt zu dem auf Freude und Zuversicht gestimmten Grundton des Textes: "Mit singen! vnd springen! dem Teuffel widerstreb. "612 "Herzlich lieb hab ich dich, 0 Herr" erinnert vom Titel her zunächst an Ps 18,2. Thema ist ebenfalls die Freude über die in der Taufe empfangene Seligkeit. Christi Annahme der menschlichen Natur und die Zwei-Naturen-Lehre bilden dazu die Grundlage. Das Motiv Gottes ist die Liebe. Praetorius greift wieder auf das Bild des von Gott gepflegten Blumengartens zurück und betont die Freude des Christen. 613 Auch in dem Lied "Herz wach auf, was willst du 607 Luther, Kirchenpostille, Christtag zu Tit 3,5: "Sind wir schon selig? ... Antwort! Ja freylich sind wir selig! Denn Christus hat vns auff einmal selig gemacht auff zweyerley weise", AA, 11, 231. 608 Vgl. Zahn, Melodien, Bd. I, Nr.7235. Im Jahr 1643 wird es in die Königsberger Sannnlung "Deo Triuni Gloria" von Michael Weyda aufgenommen, vgl. Zahn, Melodien, Bd. VI, Nr. 531 und RISM.B (DKL), Bd.I/1, 1643 (04). 609 "Weil du gleubest an Jhesum Christ! Das er dein Heiland ist! Auch in der Buss getauffet bist! vnd so worden ein Christ: So bistu ohne sUnd! Vnd Gottes lieber Freund! Verriegelt! versiegelt! ist dir der Hellen grund.", Drei gnadenreiche Lieder, A3r. 610 "Du bist ein reines Engelein! vnd tregest keine schuld! Das Gesetz hastu gehalten fein", Drei gnadenreiche Lieder, A3r. Der Gedanke, dass die Gläubigen den Engeln gleich werden, fmdet sich auch bei Luther, vgl. Gelobet seist du Jesus Christ, Strophe 6: "Er ist auf Erden kommen arm, daß er unser sich erbarm und in dem Hinunel mache reich und seinen lieben Engeln gleich. Kyrieleis.", EG Nr. 23. 611 "Vnd las dein Hertz voll wonne sein! trübsal wie Giffi: vermeid! Von Freuden Jubilir/ Trinck Wein vnd gutes bier/ Mit mass/ ohn hass/ niemand das Hertz versehr.", Drei gnadenreiche Lieder, A3v. 612 Drei gnadenreiche Lieder, A2v. 613 "Von Gold trag ich eine Krone/ Darauff steht herlich geschrieben: Du bist das schöne Kind! ich mus dich lieben ... Auch ist mein Hertz ein Lustgarten! Voller Himlischen Violen ... Darumb ist mein Hertz stets frölich Auch in meiner schweresten trawrigkeit: Vnd dancke dir freundlich! 0 mein Heil vnd Seligkeit.", Drei gnadenreiche Lieder, A5v. 193
viel länger schlafen?" geht es um die Freude angesichts der "Gnadenzeit der ewigen Seligkeit". Praetorius qualifiziert die Gegenwart mit dem bereits von früheren Dichtem verwendeten Bild von den "Gülden Jaren".614 Der Christ wird mit der Sonne verglichen. 615 Gedanken zu Auferstehung und Himmelfahrt spiegeln sich wider in dem neu gedichteten Lied "Was hat getan der heilige Christ?", das die größte Verbreitung unter seinen Liedern gefunden hat. 616 Die Melodie ist vermutlich eine Umbildung von "Puer natus in Bethlehem".617 Die Ausgangsfrage nach dem Inhalt des Werkes Christi beantwortet Praetorius in 15 Strophen. Überwindung des Todes, Bezahlung der Schuld und Regierung durch den Geist dienen dazu, dem Gläubigen den "höchsten Schatz" zu überbringen. Der Stolz des Christen drückt sich in mehreren Bildern aus. 618 Die zugewandte Liebe Gottes bedeutet die Einwohnung des Heiligen Geistes und die Vereinigung mit ChristuS. 619 Sünde, Zorn und Gesetz haben ihre Macht verloren. 620 Abgesehen von dem Lied "Da Gottes Sohn geboren war", das dem Weihnachtsfest zuzuordnen ist, sind eindeutige Zuweisungen der Lieder zum Kirchenjahr oder zu bestimmten Gattungen schwierig. Am Anfang oder am Ende steht in der Regel der Aufruf, die Freude über die Wohltaten Christi auch äußerlich im Singen, Springen, Loben und Jubilieren zum Ausdruck zu bringen. 621 Es geht in nahezu allen Liedern um das Thema der in der Taufe begrün-
614 Drei gnadenreiche Lieder, A6v. 615 "Ich bin nu warlich eine schöne Sonnet Vnd gottes meines lieben Vaters wonne. Ich bin reich! schön! werdt! Gott vnd seinen Engelen! Ein Rosenstengel.", Drei gnadenreiche Lieder, A7r. 616 Das Lied wurde aufgenommen in das Liederbuch von Michael Weyda 1643, in das Hamburg-Ratzeburgische Gesangbuch 1684, in Freylinghausen 1704, Korbach 1721, Wernigerode 1735 und in Schöbers Lieder-Segen 1769, vgl. Fischer, Kirchenliederlexikon, 1. Hälfte, 331. Vgl. auch Koch, Geschichte des Kirchenlieds, 1,322-324. Koch, Altmärkische Kirchenliederdichter, 20 weist daraufhin, dass es nicht im Altmärkischen Gesangbuch enthalten ist. 617 Vgl. Zahn, Melodien, Nr.592. 618 "Ich bin sein edles pflentzelinl Vnd trag das Ehren krentzelin: Ich bin ein Fürst der herrligkeit! Gezieret mit Gerechtigkeit. Der Sonnen glantz sich schemen thut Für meinem liecht vnd klarheit gut: Es wünschen auch die Engelinl Ach möchten wir so herrlich sein.", Blümlin der Liebe, Clv. Vgl. Blümlin der Liebe, B5v: Die von Gott zugewandte Gerechtigkeit soll den "lieben auserwelten pflentzlein Jesu Christi nimer ... entwand werden". 619 Wie die Quelle, so ist auch der Fluss beschaffen: "Denn ist der Born von Balsam voll! So mus der flus auch riechen wol", Blümlin der Liebe, C2r. 620 "Kein Sünd noch zorn mich schrecken kan Das Gesetz mus mich zu frieden lan. Denn bin ich frey von Sünd vnd zorn! Was frag ich nach des Gesetzes Horn.", Blümlin der Liebe, C2r-C2v. Vgl. Blümlin der Liebe, B6v: "auff das ich also nicht mehr vnter dem Gesetze/ sondern vnter der gnedigen regierung Christi sey. Denn wer den Geist Jesu Christi hat! der ist nicht mehr vnter dem Gesetze/ sondern vnter Christo." 621 Z.B. ,,0 Herre Gott", Str.!: ,,0 Herre Gott fiir grosser Frewd! im Leib mein Hertz muß springen! dieweil all vnser Noth vnnd Leid! in ein sehr frölich singen! verwandelt ist durch Christi Blut! Das er fiIr vns vergossen hat! zur vergebung der Sünde.", AA, II, 241; "Ganz fröhlich will ich singen", Str.l: "mein Hertz! Leib/ Seel! sol springen! Jn Gott zu dieser frist", AA, 11, 238; "Christus das reine Gotteslamm", Str.9: "Sing vnd spring in mir jmmer fein", AA, 11, 244; "Da Gottes Sohn geboren war", Str.6: "Darumb thut das jhr Hirtenknecht! springt auff
194
deten Seligkeit. 622 Praetorius bleibt also bei seinem Anliegen, sein Verständnis des Evangeliums auch durch das Lied zu verbreiten. Auffällig ist die häufige Verwendung der Ich-Perspektive. 623 Sie ist nicht nur ein Indiz für die zunehmende Subjektivierung des Glaubens, die in der nachreformatorischen Zeit und insbesondere im Pietismus verstärkt wird, sondern auch ein Mittel zur emotionalen Identifikation mit dem Inhalt des Liedes. Dies gilt besonders für den Dialog, der an mystische Traditionen eines Zwiegespräches zwischen Christus und der Seele anknüpft. 624 Ziel ist die Vergewisserung des Heils in ChristuS. 625 Der Gläubige wird durch die in der Taufe geschenkte Seligkeit bereits in den Himmel versetzt. 626 Die Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen wird mit dem Eintritt in einen Orden verglichen. 627 Die Einwohnung Christi bzw. die Versiegelung mit dem Heiligen Geist bringt Trost für die angefochtenen Gewissen. 628 Die Lieder werden mit traditionellen, z.T. ehemals weltlichen Melodien verbunden. 629 Ob Praetorius für seine geistlichen Dichtungen wie Martin Moller auch altkirchliche Texte verwendet hat, lässt sich noch nicht eindeutig beantworten. 63o 4.5 Eschatologische Schriften
Unter den eschatologischen Schriften werden diejenigen zusammengefasst, die in besonderer Weise auf krisenhafte Ereignisse und sich zuspitzende gesellvnd Jubilirtl Jhr seyd worden Gottes Geschlecht! von frewden triumphirtl Nu solt jhr trawren nicht! GOtt gebe was euch anficht! jhr seyd zu selige Leut.", AA, 11, 238. 622 "Da Gottes Sohn geboren war", Str. 5: "Wer dis gleubet von Hertzen grundt! vnd sich frey teuffen lest! der ist bald selig zu der stundt! vnnd hat die Gnade fest! vnd stirbet nimmer nicht! kömpt auch nicht ins Gericht! Der Himmel ist nu sein.", AA, 11, 238. 623 Z.B. "Herzlich hat mich erfreuet", Str.l: "Hertzlich hat mich erfrewet! die schöne Seligkeit! damit ich bin vemewert! zu gottes herrligkeit./ Ich bin in Christo worden! ein newe Creaturf Theilhaffiig auch geworden! der Göttlichen Natur.", AA, 11, 246. 624 Z.B. "Ganz fröhlich will ich singen", AA, 11, 238ff. 625 "Kein höher Trost auffErden ist! Als daß ein Christen selig ist! Wer diß weiß vnnd gantz wol versteht! Dem verschwind bald sein hertzeleid.", AA, 11, 240; "Nun muß ich ja den Herren Christ", Str.7: "Wer diß von Hertzen gleuben thut! seines Heyls bald ist gewisse", AA, 11, 242. 626 VgL ,,0 Herre Gott", Str.2: "Christus hat vns die Seligkeit! in der Tauffe gegeben! Daß wir nu in groß Frewdigkeit! Mit Fried vnd Frewd sollen leben! wir sind nu Gottes Eigenthumb/ vnd sitzen mitjhm in dem Thron! des Himmelischen Hauses.", AA, 11, 241. VgL AA, 11,243. 627 "Nun muß ich ja den Herren Christ", Str.5: "Gott spricht zu vns durch Pauli Wort! Selig jr schon seyd worden! Als bald ich diese Wort nu hort! tratt ich in der Christen Orden! denn der mir ein recht Christen heist! Der dis von Hertzen gleubet vnnd weiß/ daß er schon selig ist worden." 628 "Christus, das reine Gotteslanun", Str.4: "Ach wie freundlich bistu mein HErr/ da du mein Bruder kömpst hieher/ vnd sprichst: Jn dir ich wonen will ach HErr das ist ja gar zu vieL", AA, 11, 244; ,,0 Herre Gott", Str.4: "Ach Christe du mein Erlöser bist! mein Trost! mein Hülff versiegelt ist! in deinen frommen Herzen.", AA, 11, 241. 629 "Ich dank dir lieber Herre", vgL Zahn, Melodien, Nr.5354a; "Nun freut euch, lieben Christengmein", vgL Zahn, Melodien, Nr.4427; "Wenn mein Stündlein vorhanden ist", vgL Zahn, Melodien, Nr.4482a; "Vom Himmel hoch, da komm ich her", vgL Zahn, Melodien, Nr.344a; "Herzlich tut mich erfreuen die liebe Sommerzeit", vgL Zahn, Melodien, Nr.5361a. 630 VgL Axrnacher, Moller, 138-168.
195
schaftliche Entwicklungen Bezug genommen und daraus Konsequenzen und Perspektiven für die Zukunft abgeleitet haben. Von Interesse ist die Frage, ob sich Praetorius von der traditionellen lutherisch geprägten futurischen Eschatologie der Erwartung des Jüngsten Tages entfernt und sich einer chiliastischen Zukunftshoffuung angenähert hat. 631 Auffällig ist die verstärkte Berücksichtigung eschatologischer Aspekte seit Ende der 90er Jahre, die jedoch auch schon Anfang der 80er Jahre sichtbar werden. In der bisherigen Praetoriusforschung kaum beachtet wurde die Tatsache, dass Praetorius ein besonderes Interesse an sibyllinischen Weissagungen gezeigt hat. Völlig unberücksichtigt blieb bislang die lateinische Schrift Nova de Sibylla Marchica, die vermutlich von Praetorius im März 1580 verfasst wurde. 632 Praetorius erinnert zunächst an drei Voraussagen Jesu, mit denen dieser Hunger, Pest und Kriege am Ende der Welt vorausgesagt habe. Er stellt fest, dass alle Ankündigungen bereits eingetroffen seien. Der Hunger werde durch steigende Getreidepreise verursacht und das Vorrats getreide durch den Kornwurm vernichtet. Die Pest zerstöre ganze Städte. In der Auseinandersetzung mit den Türken erweise sich diese als grausam und blutdürstig. Wenn diese "vaticinia Christi" von der Welt nur murrend zur Kenntnis genommen würden, dann werde Gott neue Propheten erwecken, die das künftige Unheil ankündigten. Als eine solche Prophetin betrachtet Praetorius die "Sibylle der Altmark",633 eine 13jährige Tochter eines Schafhirten aus Stendal, die mit ihren traurigen Gesängen und Predigten Katastrophen vorausgesagt habe. Ihre Prophetien seien von körperlichen und seelischen Schmerzen und Angstzuständen begleitet gewesen. Während eines Zeitraums von drei Tagen habe sie keine Nahrung zu sich genommen. In ihren Predigten vor einer zusammengeströmten Volksmenge habe sie zwar ein rasches Ende der Teuerung und des Hungers angekündigt, zugleich aber mitgeteilt, dass die Pest viele Tote fordern werde. Europa werde von den Türken verwüstet, wenn es nicht zu Verstand käme. Wegen der Undankbarkeit und Gottlosigkeit der Menschen würden die verletzten göttlichen Gesetzestafeln Blut schwitzen und als Feuerregen vom Himmel fallen. Der Stadtrat werde wegen der Vernachlässigung seiner Pflichten gerügt. Willkür, Freizügigkeit, Lüste und Laster verbreiteten sich. Die reine 631 Wallmann, Reich Gottes und Chiliasmus, 113 stellt fest, "dass bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts chiliastische Hoffnungen keine Rolle im Luthertum gespielt haben". Praetorius habe zwar von der "gülden Zeit' geschrieben, damit aber keine Zukunftshoffnungen verbunden. Er rede von der Gegenwart, in der man dank Luthers Evangelium die rechte, güldene Zeit sehen könne: "Wer nun das Wort rein hat! vnd lebet in gottes Gandenl der lebet recht in der Gülden Zeit.", AA, I, 13. Amdt habe mit dem Traktat von Praetorius den "umlaufenden Erwartungen einer bevorstehenden güldenen Zeit" eine "indirekte, aber deutliche Absage" erteilen wollen, vgl. Wallmann, Reich Gottes und Chiliasmus, 115. Im Originaltraktat fehlt allerdings im Unterschied zur Amdtausgabe von 1622 die erste Vorrede mit der Darstellung der "güldenen Zeit', so dass möglicherweise Amdt selbst diese Vorrede verfasst hat. 632 Sibylla Marchica, A7v. Der Verfasser unterzeiclmete mit "ST. PR.". D. Chytraeus erwähnt, dass er die Schrift von Praetorius erhalten habe, vgl. Chytraeus, epistulae, 1155. Denkbar ist auch, dass Praetorius lediglich die Vorrede verfasste. 633 "Puella vaticida veteris Marchiae", Sibylla Marchica, A2r. 196
Lehre des Evangeliums werde nicht angenommen, sondern von auswärtigen Völkern mit Füßen getreten. Die Könige seien Werkzeuge des Antichristen, die sich von der Gnade Gottes völlig abwendeten. Die Jesuiten hielten die Menschen davon ab, ihr Heil zu ergreifen. Die Fürsten pressten um ihrer Jagden und Vergnügungen willen ihre Untertanen wie Schmämme aus und bereicherten sich an den Kirchengütern. Unter den Bürgern herrsche Missgunst, Habgier und Verleumdung. Die Bauern seien betrunken, gottlos und boshaft. Junge und schöne Frauen stolzieren mit hochgerecktem Hals und dreifachen" Wölckchen eingehüllt" umher. Die Jünglinge seien dem Luxus ergeben und hätten mit spanischer Kleidung auch spanische Unsitten eingeführt. Sie seien Gott ein sodomitischer Greuel geworden. Deshalb habe die Sibylle ein großes Unheil über ganz Europa angekündigt. Ein göttlicher und tugendhafter Prophet, der ihr folge, werde von den Mächtigen getötet werden. Allein die Besserung des Lebens und eine demütige Bitte um Vergebung könne das persönliche Unheil noch abwenden. Die konkrete Schilderung sozialer und religiöser Missstände begegnet vereinzelt auch in anderen Schriften von Praetorius. Entscheidend ist :für ihn jedoch nicht die Sozialkritik an sich, sondern die aus dem sozialen und religiösen Fehlverhalten resultierenden Katastrophen eschatologischen Ausmaßes. Dies wird auch in der Einleitung zu seiner Schrift Von der neuen Krankheit (Tr. 51) deutlich, in der Praetorius die sich ausbreitende Seuche als Ankündigung eines "erschrecklichen künfftigen Vnglücks/ Pestilentz oder Krieges/ des Türcken oder Moßcowiters/ wo nicht des Jüngesten Tages" interpretiert. 634 Die Vorankündigung des Unglücks geschah am 10.9.1580, als "fewrige vnd blutige Dünste in der Lufft" gesehen wurden. Seit diesem Tag, an dem nachts das "grosse vnd erschreckliche Fewrzeichen ... am Himmel ... mit rothem Blut vermischet! in der gestalt Türckischer vnnd Moßcowitischer Gezelte" gesehen wurde, habe sich die neue Krankheit verbreitet und viele Menschen erfasst. Praetorius stellt eine direkte Verbindung zu den Prophezeiungen der altmärkischen Sibylle her. Er glaubt, in den letzten Zeiten zu leben. 635 Mit seiner eschatologischen Sicht verbindet er eine Kritik an den Zeitumständen: Missachtung des Wortes Gottes, der Sakramente und des geistlichen Amtes, falsche Sicherheit, Geiz, Egoismus, Betrug, Neid, Hochmut, Völlerei, Unzucht und Verleumdung. Die notwendige Buße bestände darin, nicht mehr zu sündigen und um Vergebung der früheren Sünden zu bitten. 636 Praetorius unterscheidet hier zwischen den "Sicheren", deren Buße er bezweifelt und den wahren Gläubigen, denen sein Hauptaugenmerk gilt. Die angeführten Missstände in Verbindung 634 AA, 11, 480. Praetorius rechnet damit, dass Gottes Plan besonderen Menschen offenbart wird. Er verweist auf die Weissagung der gottesfürchtigen Sibylle der Altmark, vgl. AA, 11, 481. 635 "Vnd weil diese Zeit die letzten Zeiten sind", AA, 11, 498. 636 "Busse thun heist aufthören zu sündigen! vnd Gott bitten! daß er die vorigen vmb seines Sons Christi willen vergeben wolle.", AA, 11, 481. Dieses Bußverständnis wird insbesondere auch von Johann Agricola vertreten, vgl. Rogge, Agricola, 46.
197
mit auffälligen Naturphänomenen offenbaren ein Krisenbewusstsein, dass Praetorius offenbar mit seinen Zeitgenossen teilte und dass zu einer intensivierten Hinwendung zur Frömmigkeitspraxis fiihrte. Am Ende der 90er Jahre verstärkte sich:für Praetorius noch einmal das Interesse an der Eschatologie und insbesondere an den sibyllinischen Weissagungen. Am 27.4.1596 veröffentlichte er eine Weissagung der Sibylle von Salzwedel637 über eine Feuersbrunst. Auf dem Titelblatt wurden drei Brände vom 16.12.1594,26.8.1595 und 13.(23.?)2.1596 erwähnt, deren Brandstifter bereits am 17.2.1596 hingerichtet worden waren. In dieser Levin (IV.) von der Schulenburg 638 gewidmeten Schrift berichtet Praetorius von der göttlich inspirierten Prophetin Dambeciana, einer Magd des Johannes von Königstedt. Sie hatte am Sonntag Estomihi (22.2.1596) Johannes von Königstedt, dem Pastor Hermann Göden und Praetorius von einer nächtlichen Vision und Audition eines Engels erzählt und damit eine erneute Feuersbrunst angekündigt. Sie berichtete, dass sie der Seligkeit der Engel teilhaftig und von Freude erfiillt worden sei.639 Sie erklärte, sie solle die Worte des Engels öffentlich bekannt machen: Gerechtigkeit, Gotteskindschaft und ewiges Leben seien Früchte aus der Taufe. Christus, der himmlische Bräutiam, gewähre ihr seinen Glanz. Sie sei eine Wohnung des heiligen Geistes. 64o Sie genieße Friede, Freude und Heilsgewissheit. Nach der Legitimation ihrer geistlichen Autorität formulierte die Magd konkrete Forderungen: Die Pastoren sollten ihren Besitz der himmlischen Güter antreten und daraus Trost schöpfen. 641 Sie sollten selbst Formen der Frömmigkeit leben. 642 Die ewige Seligkeit sollten sie ihren Hörern zusprechen und ihren neuen Stand ihnen nicht wieder entreißen. Die Magd erklärte, der Engel habe ihr darüber hinaus aufgetragen, ein neues Unheil (Brand, Pest, Türken) anzukündigen, das nur durch ein brennendes Gebet abgewendet werden könne. Der Grund :für die Unheilsankündigung sei die Missachtung der Gnadensonne Gottes durch die Trägheit der Stadtbewohner. Praetorius berichtet, dass in der folgenden Nacht, als alle Bürger durch den Wein in tiefem Schlaf gelegen hätten, ein großes 637 Auch diese Schrift unter dem lateinischen Titel Sibyllae Heliopolitanae vaticinium blieb bislang völlig unberücksichtigt, da sie als Separatdruck erschien und nicht in der Arndtausgabe enthalten war. 638 Levin (IV.) von der Schulenburg (1571-1614), Sohn des Landeshauptmanns der Altmark, Wemer von der Schulenburg (1541-1581), Studium in Helmstedt, Jena, Leipzig, Erbküchenmeister Beetzendorf, Landrat, verheiratet mit Anna Maria von Veltheim 1604, hatte großes Interesse an wissenschaftlicher Ausbildung, vgl. Schmidt, Schulenburg, H, 327-329. 639 "Gustandam enim mihi Deus praebuit diuinam suam gratiam: et addidit laetitiam coelestern. Nunc scio, quid sit gratia, et quid sit vita aetema. Iam particeps facta sum beatitudinis angelorum.", Sibylla Heliopolitana, A3r. 640 "Sum enim venerabile domicilium sancti spiritus, qui mentem meam suis radijs ita illustrauit, ut salutem et summam felicitatem meam probe perspectarn et cognitam habeam.", Sibylla Heliopolitana, A5r. 641 "Reges et Caesares iam effecti estis. Dulcem f10rem spiritus ex verbo gratiae trahite, et fidem vestram isto succo et alimento nutrite.", Sibylla Heliopolitana, A6r. 642 ."In sacris literis, cogitationibus, obsecrationibus et colloquijs vitam agite.", Sibylla Heliopolitana, A6r.
198
Feuer ausgebrochen sei, das nur durch göttliche Hilfe und große Mühen einiger weniger nüchterner Bürger zum Stillstand gebracht werden konnte. Praetorius konnte diese Prophezeiung nicht nur als Bestätigung seiner Theologie fiir sich selbst, sondern auch gegenüber seiner Gemeinde verstehen. Die Aufgeschlossenheit gegenüber prophetischen Weissagungen mag ihn auch zu der Veröffentlichung der Herrliche(n) Weissagungen vom Reich Christi und andern Sachen der Sibyllae Erithraeae (Tr. 3, 1596) veranlasst haben, die er Christoph von Dorstadt (1556-1630) widmete. 643 Praetorius beruft sich darin auf das frühchristliche Zeugnis von Laktanz, der die Ankündigungen dieser "fiirnemeste(n) vnter allen anderen Sibyllen" über Christus, das Evangelium und die Zukunft der Welt niedergeschrieben habe. 644 Praetorius, der nach eigenen Angaben Kenntnis von früheren Ausgaben sibyllinischer Literatur hat, versteht seine Auswahl in deutscher Übertragung als eine Darstellung fiir die Laien. 645 Getreu dem apokalyptischen Schema erwähnt Praetorius zunächst, was schon geschehen ist, um daraus Konsequenzen fiir die Zukunft abzuleiten. 646 Die Sibylle prophezeit über Christus, in ihm werde das Gesetz erfüllt. Gott werde der Welt im Evangelium eine neue Sonne geben, durch die sie ihre Seligkeit in der Taufe erkennen könne. Die Welt aber werde diese Sonne verachten. Gott werde sie deshalb mit Feuer, Wasser, Teuerung, Pest und Krieg strafen. Die Weissagungen der Sibylle seien auf eine Eingebung des Heiligen Geistes zurückzuführen. 647 Praetorius stellt die Weissagungen in freier Übersetzung aus dem 1.-8. Buch zu den Themen Christus, Kirche, Welt, Strafe der Welt und Jüngster Tag zusammen. Die aus den Heiden gewonnene und getaufte Kirche werde durch ihre Neugeburt nicht mehr sündigen. In der neuen schönen Welt herrschten Weisheit, Gerechtigkeit und Friede. Zur letzten Zeit zeige Gott durch ein auffälliges Himmelszeichen das "güldene Jahr"648 an. Gott 643 Der Widmungsbrief ist datiert vom Tag Johannes des Täufers (Geburt 24.6.) 1596, vgl. AA, I, 81. Diese Schrift wurde von Amdt in seine Sammlung der Praetoriusschriften aufgenommen. 644 AA, I, 78. Laktanz, Div. inst. 1, VI, 14. Zur antiken Sibyllenliteratur vgl. Ratke, Art. Sibyllen, 158-161. Zur christlichen Sibyllenliteratur vgl. Treu, Christliche Sibyllinen, in: Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2, 591-593. 645 "Ich weiß woV daß vorhin schon etwas von Sibyllinischen dingen publicirt sey worden.", AA, I, 80. Der Augsburger Sixtus Birken (Xystus Betuleius) brachte 1545 bei Oporinus in Basel die Editio princeps der Sibyllinorum oraculorum libri octo mit Laktanz-Exzerpten heraus. Praetorius meint vermutlich die griechisch-lateinische Ausgabe von Sebastian Castellio, Basel (Johannes Oporinus) 1546 (21555), mit einer metrischen lateinischen Übersetzung. Vgl. dazu Geffcken, Oracula Sibyllina, X-XII; Guggisberg, Sebastian Castellio, 49f. Auch hier begegnet wieder eine von Castellio verantwortete Basler Textausgabe, hinsichtlich deren Benutzung Praetorius offenbar keine Berührungsängste hatte. 646 Als "vaticinia ex eventu" wird prophezeit, "was bereits zu Lebzeiten des Hörers geschehen ist, dann aber, was noch kommt, das ist durchweg Unheil und furchtbare Strafe fiir Sünde und Abfall von dem einen Gott.", vgl. Treu, Christliche Sibyllinen, in: Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2, 592. 647 Vgl.Sib 11, 3. 648 Vgl. Sib 11, 39. 199
sende einen König herab, der die Menschen recht richte und aus dem ein königliches, sündenfreies Geschlecht entstehe. In der "güldenen Zeit" werde Gott seinem Volk ein leichtes Gesetz geben. 649 Alle Frommen erhielten ihre Schätze zurück und die Stadt Gottes werde herrlich gemacht. Eine "reine schöne Blume"650 werde zur Gerechtigkeit fUhren. Die Welt sei jedoch durch Bosheit, Unverständnis, Verstockung, Verblendung, falsche Propheten, schlechte Regierung und Geldsucht gekennzeichnet. Das heilige Volk hingegen besitze Verstand, Glaube, Friede und "heilige Träume". Die Strafen der Welt würden durch Kometen und andere Himmelserscheinungen wie feurige Schwerter, Fackeln und Blutstropfen vom Himmel angezeigt. Es seien Teuerung, Pest, Krieg, Wasser, Feuer und Tyrannen. Die Kinder Gottes würden von Gott beschützt. 651 Ein Mann vom Himmel werde Jerusalem zur Freude ermuntern. 652 Wenn der Jüngste Tag komme, würden die Gottlosen gerichtet und die Gläubigen in das göttliche Licht gefiihrt. Die Deutung der sibyllinischen Weissagungen offenbart problematische Tendenzen bei Praetorius. Das flache Sündenverständnis und die Beurteilung des "leichten" Gesetzes werden in den eschatologischen Horizont eingeordnet. Die konkreten Ankündigungen der "Sibylle von Salzwedel" werden durch die literarischen Weissagungen der "Sibylla Erithraea" noch unterstützt. Sie verbinden sich mit einer deutlichen Kritik an den sittlichen und religiösen Zuständen der Gegenwart. Aus den christlichen Sibyllinen gewinnt Praetorius aber auch eine positive Zukunftsperspektive. Als herausragendes Stichwort zur Charakterisierung der Gegenwart und Zukunft begegnet der Begriff von der "goldenen Zeit".653 Möglicherweise verdankt Praetorius diesen Begriff seiner Beschäftigung mit den Sibyllinen. Wie er diese "goldene Zeit" näher bestimmt, wird aus den weiteren Schriften deutlich, die um die Jahrhundertwende verfasst wurden. Praetorius beschreibt in der Schrift Das goldene Haus der Weisheit Gottes (Tr. 31, Frühjahr 1598)654 die vier silbernen Säulen der Weisheit Gottes: Die 649 AA, I, 83: "Es wird eine güldene Zeit kommen! in welcher GOTT der HERR seinem Volck wird ein leicht vnnd sanfft Gesetz geben!. Diesem Gesetz werden folgen! Glaube/ Gerechtigkeit! Friede/ Frewde/ Liebe/ Trewe/ und Freundschafft. Das schwere vnd harte Gesetz aber/ wird auffhören! mit aller Unwissenheit. Selig ist der Mensch! welcher diese güldene Zeit erleben wird", vgl. Sib III, 373.377. Vgl. auch Oetinger, Die güldene Zeit, Frankfurt und Leipzig 1759-1761. 650 Vgl. Sib VI, 69. 651 "Zu der zeit wird den Gleubigen! Gerechten vnd Gottseligen süsser Honig vnd hirnlische Milch von der Zungen fliessen.", Vgl. Sib III, 702f.709. 652 AA, I, 87, vgl. Sib V, 282f. Vgl. Auch Laktanz, div. inst. VII, 24,14. 653 Erstmalig begegnet dieser Terminus bei Praetorius 1592 in der Schrift "Von dem Reich Gottes", AA, I, 793. Im Zusammenhang der Kritik am Streben nach überflüssigem Reichtum fragt Praetorius: "Ist diß aber nicht ein grosser Jammer/ dass dies von Christen geschehen solle? Daß man die gülden Zeit des Evangelij so vbel solle anlegen?" 654 Widmung vom 19.4.1598 an Paul Barstorff, Kirchenvorsteher von St. Katharinen. Barstorff habe einen guten Grund dieses Hauses in seinem Herzen und strebe nach der Vollkommenheit, Gülden Haus, A4r.
200
Lehre von der ewigen Seligkeit, vom Kreuz, von der Freude und von der Tötung des alten Adams. Praetorius legt den Akzent auf die Gegenwart des Heils: Jetzt hat die goldene und angenehme Zeit begonnen. Darum sollen alle wahren Christen ihr Heil ergreifen, es wie ein goldenes Kleid anziehen und "Fürstlich darinne prangen".655 Das Kreuz der Christen ist ein Geheimnis. Sie sollen dem Ebenbild Christi gleichförmig werden und ihren Glauben von Gott prüfen und üben lassen. Gebet und Glaube stehen in der Not in einem WechselverhältniS.656 Als Betende sind die Christen heilige und leibliche Priester. 657 In der Anfechtung wird die Kraft und Süßigkeit des Wortes Gottes erfahren. 658 "Unfalle" auf der" Wanderreise" werden erlitten und nur Gott geklagt. Als "Fürsten des Himmels" bzw. Könige haben die Christen Grund zur Freude und zum ewigen "Jubelfest". Ihr Jauchzen soll den Zustand der Trunkenheit noch übertreffen. 659 Vor allem sollen sie andere zur geistlichen Freude nötigen. 66o Die "Abtötung des Fleisches" betrifft "Geldsuchtl Weltsucht vnd Ehrsucht" und "Wollust". Die Heiligen sollen gegen die Lüste streiten und nicht fallen. Sie sollen Gott um Reinigung von Reizungen zur Sünde bitten. 661 Nach einem Fall sollen sie ihr Gewissen durch Erinnerung an ihre Taufe reinigen. Die umfangreichste Darstellung seiner Eschatologie entfaltete Praetorius in seiner am Beginn des neuen Jahrhunderts verfassten Schrift Von der gülden Zeit (Tr. 1), die von Johann Arndt an den Beginn seiner Textsammlung gestellt wurde. Trotz Teuerung, Krieg, Pest und unsittlichem Verhalten der Menschen qualifiziert Praetorius seine Gegenwart wie schon zuvor als angenehme, gnädige, goldene Zeit (11 Kor 6,2).662 In seiner Widmung an Henning Reiche 663 vom 25.3.1600 nennt er als Grund die Offenbarung aller himmlischen Güter und Schätze. Die im Alten Testament angekündigte (Jes 49,8) angenehme, 655 AA, 11, 63. 656 "Je hefftiger man betet! je stärcker der Glaube wird! Vnd je stärcker der Glaube geht! je fewriger das Gebet wird.", AA, 11, 70. 657 "Denn der Glaube! das Gebet! vnd die Hoffnung im Creutze! sind die Gottesdienste der Priester im Newen Testament. Vnd zu solchen Gottesdiensten neiget sich Gott! vnd riechet sie als einen süssen Geruch! vnd ist inen sehr gnädig ... Die aber GOtt sonderlich lieb hat! vnd derer stimmen er für andern höret! die macht er auch für allen andern zu solchen heiligen vnd lieblichen Priestern.", AA, 11, 70. 658 "Stehe ich doch hie im Psalter abgemalet! in allen meinen farben.", AA, 11, 70. 659 "Wir sollen von grosser vnd wichtiger Frewde jauchtzen ... gerad als wenn wir von dem besten Wein truncken weren! ja mehr denn vom Wein truncken.", AA, 11, 75. 660 "Ein Christ sol immer frölich vnd lieblich außsehen! wie ein heiliger EngeV vnd sol GOTT in seinem Hertzen singen vnnd spielen.", AA, 11, 75. 661 "Er kan durch seinen Geist Jungfrawen aus vns machen! vnnd vnser Fleisch vnd hertzen so reinigen! daß wir nichts fillen noch begehren! von dem! was wir nicht fiilen noch begehren sollen.", AA, 11, 81. 662 "Ob wol ... alle Straffe vnd Plage Gottes mit macht vber die Welt kommen ... Also! dass man jetzt nichts! denn von thewer Zeit! Pestilentzl Krieg vnd Kriegesgeschrey! an allen Enden vnd Ecken höret! Dennoch so ist jetzt gleichwol die rechte güldene Zeit! vnd der Tag des Heyls! wegen des thewren! werthen! vnnd hochgelobten H. Evangelijl so vns Gottes liebreiches Hertz! Gnade! Güte! vnnd Barmhertzigkeit verkündiget", AA, I, 12. Diese Beschreibung "gülden Zeit" fehlt im Originaltraktat und ist erst in die Amdtausgabe eingefitgt worden. 663 Reiche wird als Mäzen wegen seiner Förderung des Evangeliums geehrt.
201
gnädige Zeit ist bereits mit der Himmelfahrt Jesu und der Salbung der Apostel durch die Ausgießung des Geistes angebrochen. Die ausgeteilten himmlischen Schätze sind Sündenvergebung, Gerechtigkeit, Kindschaft und heiliger Geist. Die Nichtzurechnung der Sünden betrim auch die peccata mortalia. 664 Der Kirche wird Christi Gerechtigkeit zugerechnet. Durch den Geist werden die Kinder Gottes zu neuen Kreaturen, so dass ihre Werke nicht solche des Gesetzes, sondern göttliche und wahrhaftige Werke sind. Aufgrund der Austeilung und Schenkung dieser unaussprechlichen Güter wird die Gegenwart eine "rechte güldene/ auserwehlte/ gewünschte/ herrliche/ schöne/ thewre/ werthe/ liebe vnd angeneme Zeit" genannt. 665 Diese Güter werden in der Taufe geschenkt. Das Schriftwort aus Tit 3,5-8 bezeichnet Praetorius als "die gantze Theologia".666 "Hie wird Christus/ dz herrliche vnd köstliche Kleid der Frewden angezogen."667 Die Seligkeit in der Taufe wird von Praetorius herausgestellt. Nicht zu wissen, dass man schon selig ist, ist die größte Unwissenheit.668 Die unaufhörliche Applikation des Verdienstes Christi hat ewigen Bestand.669 Praetorius hält an der melanchthonischen Imputationslehre fest und integriert darin seine Theologie von der Gegenwart und ewigen Dauer der Seligkeit. Die Lehrer sollen den Gläubigen ihre teuren Schätze der Seligkeit vorstellen. Voraussetzung ist, dass zwischen Unbekehrten und Gläubigen bzw. Getauften unterschieden wird.670 Letztere werden zur Annahme ihrer Schätze ermahnt. Nachdem das Licht des Evangeliums durch Paulus und Luther hell aufgegangen ist, soll jeder Christ ein König über das die himmlischen Güter werden. Er soll Christus und seine Wohltaten wie "Fürstliche Kleider anziehen" und sich damit schmücken, bis er ein Ebenbild Christi wird.671 In der angenehmen Zeit ist der Christ zur Freude aufgerufen. Sein Leben soll eine königliche Hochzeit sein, d.h. "hohe vnaussprechliche Frewde vnd Wonne".672 Als rechte Konfirmation oder Firmelung betrachtet Praetorius die Stärkung der ,jungen zarten Christen in ihrem Milchglaubenl vnd am gantzen innerlichen Men664 Vgl. AA, I, 22. 665 AA, I, 29. 666 Dieses Schriftwort besitzt eine Schlüsselstellung bei Praetorius: "Diese Wort sind so thewer vnnd werth/ daß man sie billich mit Güldenen Buchstaben auff ein Silbern Tefflein schreiben! vnnd stets filr Augen haben solte. Dieser Spruch ist die allerschönste Blume im Garten GOTTES. Er ist vnser einige Weißheit! Die gantze Theologia,", AA, I, 30. 667 AA, I, 30. 668 Praetorius zitiert Ignatius, Brief an die Epheser ("Ignorantes gratiam, quam accepimus, perimus. Item, Onmis, qui spernit, quod a Deo accepit, condenmabitur") und aus der Formula Concordiae. 669 "Es fleust eine ewige/ immerwehrende imputation aus dem Hertzen Gottes.", AA, I, 33. 670 "Finden sie aber gleubige vnd getauffie/ so sollen sie dieselben stracks filr bekerte Christen annemen! vnd ihnen ihre gebür geben! das ist! ihren köstlichen vnd vberschwenglichen Reichthumb/ welche sie in der Tauffe erlanget haben! in hellen klaren Sprüchen filrtragen vnd offenbahren ... Ihr seid die allerseligsten Leute auffErden.", AA, I, 37. 671 "Schmücken! schmücken! ist nur der Christen Arbeit! vnd sonst nichts.", AA, I, 42. Hier taucht ein Gedanke auf, der filr Johann Arndt eine wichtige Rolle spielt. 672 "Darumb sollen wir hie allbereit anheben zu leben! wie im Himmel. Eitel fröliche Engelein sollen wir seyn/ auch vnter den trüben Wolcken des Creutzes.", AA, 1,43.
202
schen".673 Die Visitation und Konfirmation sollte durch geistreiche und angesehene Männer geschehen. Sie sollten öffentlich und privat das Evangelium vortragen und die Hände auflegen. Unter alttestamentlichem und sibyllinischem Einfluss beschreibt Praetorius die kommende Entwicklung "in den letzten Tagen". Die Herrlichkeit des Herrn, das Licht Gottes bzw. die Sonne des Evangeliums, wird an einem besonderen Ort scheinen (Ez 43,7). Viele Lehrer werden - vom Schlamm falscher Lehre gereinigt und geläutert - vom Glanz des Evangeliums leuchten (Dan 12,3.10). Der Prophet Elia wird die zerfallene Lehre wieder aufrichten und die Menschen zu Christus bekehren (Sir 48). In der neuen schönen Welt werden Weisheit, Gerechtigkeit und Frieden wohnen. Im "rechte(n) güldene(n) Jahr" wird vor allem die himmlische Stadt durch eine "reine schöne Blume" erfreut werden. Ein "seliger Mann" wird die Menschen zu ihren Schätzen führen. Den Gläubigen wird "süsser Honig! vnd himlische Milch von der Zungen fliessen".674 Die Gottlosen werden ein unsittliches Leben führen. Das Licht des Evangeliums wird verfinstert (Mt 24,11; 4. Esra 5,1.9). Scham, Gottes- und Nächstenliebe verschwinden. Teuerungen, Pest und Kriege werden kommen (Mt 24).675 Trotz des gottlosen Wesens bleibt die Gegenwart durch die Versöhnung Christi die "allerschönestel lieblichste vnd angenerneste Zeit".676 Die Auserwählten "nehmen zu in der newen Geburt" und warten auf ihren König Christus. Im Anhang des Traktates stellt Praetorius "Gold Sprüche" solcher Männer zusammen, die von der Welt gering, von Gott aber sehr groß geachtet werden. 677
673 674 675 676
AA, I, 47. Der "Milchglaube" bezeichnet den Anfang des Glaubens, vgl. I Petr 2,2. AA, I, 49. Vgl. auch AA, I, 87 (Weissagungen der Sibylla Erithraea). Vgl. Laktanz, VII, 15 "großes Schwert". AA, I, 51. 677 Von Johannes Agricola zitiert Praetorius Aussprüche aus Predigten über die Herrlichkeit der Christen, die Freiheit des Gewissens, die bereits erworbene Seligkeit, die positive Folge der Freiheit vom Gesetz fiir die Gewissen und über die Schwachheit der Christen. Andreas Althamer wird vermutlich aus der Vorrede der von Sebastian Franck angefertigten deutschen Übersetzung (2. Auflage 1556) seiner "Diallage hoc est conciliatio locorum scripturae que prima facie inter se pugnare videntur" zitiert, einem Werk, das durch seine Harmonisierung von widersprüchlichen Schriftstellen zu apologetischen Zwecken benutzt wurde.
203
V. Zusammenfassende Bemerkungen zum theologischen und sozialgeschichtlichen Profil von Stephan Praetorius Bereits die frühen lateinischen Schriften zeigen, dass Stephan Praetorius seinen Rostocker Lehrern und der ihm dort vermittelten melanchthonischen Theologie eng verbunden war. Seine frühen lateinischen Schriften spiegeln weitgehend noch eine akademische Situation wider. Dies wird auch in der ausdrücklichen Adressierung an Schüler und Studenten der Theologie deutlich. Lassen sich die ersten kleinen Schriften noch als Übungswerke fiir den schulischen Unterricht verstehen, zeigt Praetorius in seiner Studienordnung bereits eine beachtliche eigenständige Leistung, auch wenn die einzelnen Ratschläge fiir das Studium im Wesentlichen von seinen Lehrern übernommen und insgesamt der melanchthonisch-chytraeischen Ordnung sehr verbunden sind. Die Einbindung und Verflechtung von Stephan Praetorius in eine gehobene und gebildete Bürger- und Adelsschicht ist unverkennbar. Dies entspricht der neuen sozialen Stellung des evangelischen Pfarrers innerhalb der Honoratioren der bürgerlichen Schicht. Obwohl Praetorius offensichtlich selbst nicht aus einer Adelsfamilie stammte, zeigen seine vielfältigen literarischen Beziehungen insbesondere auch zu adligen Frauen und Witwen eine deutliche Affinität zu dieser Bevölkerungsgruppe. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Salzwedeler Gemeinde neben den Adligen auch von den prominenten Vertretern der Gilden und Zünfte finanzielle Unterstützung erhielt, zumal einige Projekte auch erhebliche Geldmittel erforderten.l Die zahlreichen Bilder und Beispiele aus dem Bereich des fiirstlichen und adligen Lebens (z.B. die Schatzkammer, die aber auch aus dem städtischen Umfeld stammen könnte) zeigen die Einwirkung dieser Mentalität auch auf seine Theologie. Neben der Verbindung zur städtischen und adligen gehobenen Schicht ist insbesondere die bleibende Anknüpfung an die Rostocker Studienzeit hervorzuheben. Damit ist nicht nur die Verehrung seiner melanchthonisch geprägten Lehrer gemeint, sondern auch das Verständnis von Theologie und Frömmigkeit als eines lebenslangen Studiums. Das Leben in der Gottseligkeit ist eine Schule des Glaubens, in der neben der Heilserfahrung auch die Übung des Kreuzes eine wichtige Rolle spielt. Hinsichtlich der Krisenerfahrungen seiner Zeit erweist sich Praetorius als ein Theologe und Gemeindepfarrer, fiir den der Trost seiner Gläubigen eine zentrale Aufgabe darstellt. Dabei verliert er die besondere soziale und gesellschaftliche Situation seiner Gemeinde nicht aus dem Blick. Praetorius hat ein wachsames Auge auf die Situation der Witwen, Waisen und Kranken in seiner Gemeinde. In seinen Trostschriften finden sich auch konkrete Angaben über Missstände und Forderungen nach Verbesserung. Während der Pestepidemien entstehen beispielsweise mehrere Schriften, die Praetorius der häuslichen Lektüre empfiehlt. Pest, Z.B. die Umgestaltung der Kirchenfenster, auf denen einige Stifter auch namentlich erwähnt werden, und der Neubau der Lateinschule.
204
Inflation und Kriegsgefahr stellen die äußerlichen Bedrohungen dar, gegenüber denen Praetorius seine Schriften verfasst hat. Von Anfang an wird seine Konzeption eines Freudenchristentums aufgrund der in der Taufe erhaltenen und im Glauben ergriffenen Schätze der Gnade, Gerechtigkeit, Kindschaft, des Heiligen Geistes und des ewigen Lebens deutlich sichtbar. Die Gewissheit des unumstößlichen Heils steht deshalb für ihn im Mittelpunkt. Die Gnade wird durch keine eigenen Verdienste erlangt. Die Freude über das gewonnene Heil wird in lebendiger, manchmal überschwänglicher Weise zum Ausdruck gebracht. Ausgehend von der melanchthonischen Imputationslehre will er die beneficia Christi im Leben des Christen verifizierbar machen. Die geistliche Existenz, die sich in Schriftbetrachtung, Gebet und Gemeinschaft äußert, soll sich auf dem Hintergrund einer durch Not und Bedrängnis geprägten Zeit bewähren und dabei der Freude und Zuversicht des Glaubens einen breiten Raum gewähren. In diesem Kontext entfaltet Praetorius seine Theologie von der gegenwärtigen Seligkeit. Ausgangspunkt seiner Theologie ist die Heilstat Gottes in Christus. Durch sie geschieht die Zurechnung der Gerechtigkeit Christi und die Nichtzurechnung der Sünden. Das Evangelium von dem Gottes Zorn überwindenden Mittler (mediator) und Retter (salvator) Christus wird den Gläubigen in der Taufe zuteil. In ihr geschieht die Reinwaschung von den Sünden, die Einwohnung des Heiligen Geistes, die Mitteilung der dauerhaften Gerechtigkeit und die Annahme in der Kindschaft des himmlischen Vaters. Diese Wohltaten haben ihren Grund in den durch das Blut Christi erworbenen Verdiensten und werden durch den Glauben zum Besitz der Christen. Der Glaube lebt in den Anfechtungen, d.h. in den durch die Sünde und den Zorn Gottes hervorgerufenenen Traurigkeiten. Durch die evangelischen Tröstungen überwindet der Glaube diese Traurigkeiten und dringt zur Freude hindurch. Die in Geduld und Demut ertragenen Leiden erfährt er als Reinigung, Läuterung und Prüfung seines Glaubens. Vor allem durch das intensive Gebet des Herzens kommt er Gott nahe. Der in ihm wohnende Heilige Geist erweckt neue Affekte. Zugleich befindet sich der Gläubige im Kampf gegen die noch vorhandenen schlechten Affekte. Die vollkommene Freude ist das Ziel der Gläubigen, der Tod ist die unaufhörliche und unmäßige Traurigkeit. Deshalb sollen die Gläubigen auch nicht zu sehr in ihrer Traurigkeit oder Schwermut verharren, die durch Predigten über den Zorn Gottes, frühere Sündenfalle oder Gedanken über die ewige Prädestination zum Unheil hervorgerufen werden könnten. Die Freude inmitten der Traurigkeit ist für Praetorius ein sicheres Zeichen eines wahren Glaubens und der Gegenwart des Heiligen Geistes. Sie zu vermitteln, ist die wichtigste Aufgabe der frommer Prediger und Lehrer der Kirche. Die entscheidende Methode der Vermittlung dieses Heilsglaubens ist für ihn die Predigt des Evangeliums, die er in pointierter Weise von der Gesetzespredigt abhebt. Praetorius sieht die Prediger des wahren Evangeliums heftigen Widerständen und Nachstellungen ausgesetzt. Diese Feinde des Evangeliums können Fürsten oder Ratsmitglieder sein, aber auch die eigenen Amtskollegen und Hausgenossen. 205
Die wahren Gläubigen sind über die ganze Welt verstreut. Durch die Zurechnung der Gerechtigkeit Christi sind sie zu "Königen" und "Priestern" geworden, ja sie sind sogar den Engeln gleich. Ihnen gilt der besondere Trost des Evangeliums. Auch sie fallen in Sünde, die jedoch lediglich als Schwachheit verstanden wird. Ein wesentliches Merkmal des wahren Glaubens ist nicht nur die starke Emotionalität und seine fühlbaren Wirkungen, sondern auch die Erfahrung von Kreuz und Leid. Im Leiden erfahrt der wahrhaft Gläubige die Nähe Gottes durch die Einwohnung seines Geistes. Der Geist führt den Gläubigen durch die positiven Affekte zu einem tugendhaften Leben. Aufgrund der starken Betonung der Heilsgewissheit der wahren Gläubigen wird die bleibende Sündhaftigkeit des Christen, seine Anfechtung des Glaubens und die Notwendigkeit der Buße untergewichtet. Praetorius versucht, die Sünde auf ihre emotionalen Wirkungen zu reduzieren oder ihr eine positive pädagogische Funktion für die Heiligung des Christen zuzumessen. Insbesondere will er die "Sündenfalle" der Heiligen unabhängig von der bleibenden Heilsgewissheit des Christen betrachten. Durch seine eindeutigen und zugespitzten Aussagen über die Parallelität bzw. Identität von Christus und dem Gläubigen werden Missverständnisse provoziert. Hinsichtlich der Sünde des Christen tendiert Praetorius so zu einer Verharmlosung und Geringschätzung. Weniger die Sünde an sich ist für ihn ein Problem, als mehr die dadurch entstandene Anfechtung im Gewissen. Deshalb soll der Christ nach kurzer Traurigkeit wieder zur evangelischen Freude zurückfinden. Die Vergebung zukünftiger Sünden in der Taufe, die als einmaliger Akt betrachtet wird, ist gegenüber einem libertinistischen Missverständnis aber nicht genügend abgesichert, zumal die "Fälle" der Heiligen einen Verlust der Gnade nahezu ausschließen. Das lutherische "simul iustus - simul peccator" und die Notwendigkeit der "täglichen Ersäufung des alten Adams" (Kleiner Katechismus) kommen bei Praetorius zu kurz. Hier neigt er zu prädestinatianischen Äußerungen, die ihm später den Vorwurf des Calvinismus einbrachten. Die Ethik wird pneumatologisch und nicht mit dem Hinweis auf Bußleistungen begründet. Sein Insistieren auf einer Predigt des Evangeliums ohne die Androhung des Zornes Gottes sollte einen Ausweg aus der Sackgasse aufzeigen, in die sich die strenge lutherische Gesetzespredigt zu begeben schien. Die Konsequenz seiner profiliert evangeliumsgemäßen Predigt war aber die Einteilung der Zuhörer in die Gottlosen auf der einen und die wahren Gläubigen auf der anderen Seite. Nur für Letztere waren die evangelischen Tröstungen bestimmt. Insofern ergab sich aus seiner prononcierten Evangeliumsverkündigung die ekklesiologische Konsequenz einer Sammlung der wahren Gläubigen. Diese Gemeinschaft fand ihre sozialgeschichtlich verifizierbare Gestalt jedoch erst im Pietismus. Die biblische Fundierung seiner Theologie beschränkt sich nicht nur auf die zahlreichen zitierten Bibelsprüche, sondern umfasst auch Inhalt, Sprache, Motive und Bilder. Letztere stammen häufig aus dem Hohen Lied. Die zentrale Bedeutung innerhalb der biblischen Texte nehmen die Paulusbriefe (ein-
206
schließlich der Deuteropaulinen) ein. Die Taufe, Wiedergeburt und das neue Leben des Christen sind für Praetorius wichtig. Aus den Evangelien werden die johanneischen Schriften arn häufigsten herangezogen. Darunter sind die Aussagen über das Verhältnis von Vater, Sohn und Gläubigen von besonderem Interesse. Die synoptischen Evangelien sind für die Darstellung der Passion von Bedeutung. Die Apokalypse des Johannes wird in den späteren Traktaten gelegentlich im Zusammenhang mit den Verheißungen über das neue Jerusalem zitiert. Die Psalmen werden nicht nur christologisch, sondern auch als Ausdruck bedrängter, in Not geratener Christen interpretiert. Prophetische Worte werden sowohl zur zeitkritischen Beurteilung als auch zur Ankündigung zukünftiger Ereignisse herangezogen. Auffällig ist aber auch das Interesse für außerbiblische, apokryphe Literatur. Jesus Sirach stellt praktische Lebensweisheiten zur Verrugung. Die Herausgabe pseudepigraphischer bzw. apokrypher Texte offenbart ein unkritisches Verhältnis des Praetorius zur Bibel. Dies zeigt sich auch in der Aufnahme der sibyllinischen Orakel und in der Offenheit für geistgewirkte Prophetien. Der Grund für dieses Interesse könnte in der wachsenden Bedeutung der Eschatologie liegen. Praetorius hält an der traditionellen futurischen Eschatologie und ihrer Vorstellung vom Jüngsten Tag fest und bietet kaum Anhaltspunkte für einen Chiliasmus. Dennoch wird das "schon jetzt" des in der Taufe erlangten Heils besonders betont. Die Gegenwart wird als goldene, angenehme Zeit der Gnade qualifiziert.2 Das Paradies rückt nicht in eine feme, postmortale Zukunft, sondern ist bereits durch den Besitz der himmlischen Güter in der Gegenwart erfahrbar. Grundlage ist die Christologie, durch die Praetorius den Gläubigen an die Stelle Christi treten lässt. Durch die Teilhabe an Christi Passion, Auferstehung und Himmelfahrt ist sogar eine Mitherrschaft mit Christus gegeben. Das Sein des Christen ist von der Teilhabe an der göttlichen Natur (11 Petr 1,4) bestimmt, die sowohl das "in Christus" als auch das "Christus in uns" umfasst. Will man Stephan Praetorius theologisch verorten, so stellt man bei ihm zunächst melanchthonische und lutherische Einflüsse fest. Seine starke Betonung der Taufe, die Bedeutung der Seligkeit für sein theologisches Denken und die besondere Rolle der Freude der Gläubigen lassen sich auf Luther zurückfUhren, den er als "Engel aus dem Himmel" verehrt und aus dessen Kirchenpostille er häufig zitiert. Die starke melanchthonische Prägung konkretisiert sich insbesondere in der Imputationslehre. Dies zeigt sich z.B. in dem Begriff der "beneficia Christi", der für Melanchthons Christologie konstitutiv ist. Parallelen ergeben sich auch in der Affektenlehre. Die Verbindung lutherischer und melanchthonischer Theologie ist Praetorius bereits in Rostock bei seinem Lehrer David Chytraeus begegnet. Die universitäre Situation des Lernens und Studierens nimmt Praetorius in die Frömmigkeits- und Glaubenspraxis mit hinein. Dies wird nicht zuletzt in der akademischen Beschreibung der Frömmigkeit 2
Vgl. besonders seine Schrift "Von der gülden Zeit" (1600).
207
deutlich, die er in seinen lateinischen Schriften entwickelt und die sich auch in den deutschen Traktaten fortsetzt. Die Meditation und Betrachtung der beneficia Christi bildet einen wichtigen Schwerpunkt der praxis pietatis. Dass Praetorius auch über eine breite Kenntnis antiker und altkirchlicher Autoren verfügte, zeigen seine verstreuten Zitate aus unterschiedlichen Werken. Er nimmt jedoch nicht ein bestimmtes Denk- oder Lehrsystem auf, sondern sucht zu bestimmten Begriffen in eklektischer Weise geeignete Zitate. Neben den Reformatoren sind aber noch weitere Einwirkungen zu vermuten. Insbesondere die stark affektive, anschauliche, verständliche und bilderreiche Spr;lche lässt einen Einfluss der Mystik erkennen, ohne dass es zu einer expliziten inhaltlichen Adaption kommt) Mystische Schriftsteller oder Gedanken kommen gelegentlich vor. Dies betrifft u.a. die Zitate von Bernhard von Clairvaux4 und den Auszug aus den "Himmlischen Hierarchien" des Pseudo-Dionysius Areopagita. Die kritischen Aussagen gegenüber der Bußtheologie seiner Zeitgenossen und die Ablehnung des tertius usus legis geben dem Antinomismusvorwurf eine eingeschränkte Berechtigung. Gegenüber Heiden erhält Praetorius die Gesetzpredigt aber aufrecht. Eine Annäherung an die Thesen Johann Agricolas ist nicht gänzlich abzulehnen. Bemerkenswert ist die Verteidigung Georg Majors, dessen These, gute Werke seien notwendig zur Seligkeit, nicht zu diesem Antinomismus zu passen scheint. Praetorius geht es in erster Linie um die Reinheit des Evangeliums, d.h. um eine unbedingte Heilszusage ftir die Gläubigen. Durch strenge Gesetzespredigten sieht er die Heilsgewissheit gefährdet. Deshalb bezieht er eine deutlich ablehnende Position gegenüber den strengen Bußpredigern. Gute Werke sind ftir ihn aber eine notwendige Folge der durch die Taufe geschenkten Seligkeit. In der Auseinandersetzung mit dem wieder erstarkenden Katholizismus und dem sich ausbreitenden Calvinismus versucht Praetorius eine lutherische Position einzunehmen. Die nachreformatorischen innerprotestantischen Lehrstreitigkeiten spiegeln sich auch in seinen Traktaten wider. Als Theologe melanchthonischer Herkunft ist er gleichwohl ein ausgeprägter Verehrer Luthers. Die unbestreitbaren Prädestinationsaussagen implizieren keine doppelte Prädestinationslehre. Im Abendmahlsverständnis wird die calvinistisch-zwinglianische Interpretation abgelehnt. Gegenüber dem Katholizimus wird jedes meritorische Verständnis des Heils ausgeschlossen. Auch osiandrische Tendenzen sind vor3 Die häufig vorkommenden sprachlichen Metaphern, Motive und Bilder sind meist auf sinnliche Wahrnehmungen wie die Süße des Zuckers, die Schönheit und den Duft der Blumen, das Licht und die Klarheit der Sonne, die Kühle des Morgentaus, den Wohlgeruch des Balsamöls, den Geschmack und Genuss des Weines, die Farben weiß und rot, etc. ausgerichtet. Durch die Bilder und Motive haben die Predigten und Traktate einen unmittelbaren Zugang zu Hörern und Lesern. Diese bilderreiche Sprache könnte ein wichtiger Grund fiIr den Erfolg seiner Schriften gewesen sein. 4 Mystische Anklänge sind die Gedanken einer unio cum Christo und der Wunden Jesu. Die häufige Verwendung der Begriffe Süßigkeit, Süße, Zucker, Balsam, fließen, schmelzen u.ä. erinnert an die bernhardinischeTheologie.
208
handen, ohne dass exakte Herleitungen nachzuweisen wären. Die eindeutige Zuordnung von Praetorius zu einer theologischen Schule gestaltet sich insofern schwierig. Die Verwurzelung in der reformatorischen Theologie ist aber unübersehbar. Die Grundgedanken seiner Theologie trägt Praetorius in den unterschiedlichen Situationen wiederholt vor. Eine Entwicklung ist in seiner Theologie kaum zu erkennen, sieht man einmal von unterschiedlichen Schwerpunkten ab. Methodisch fallt der Wechsel von den lateinischen zu den deutschen Traktaten auf.s Einzelne Äußerungen und missverständliche Formulierungen boten offensichtlich Anlass zur Kritik, der sich Praetorius bereits zu seinen Lebzeiten stellen musste, wie aus den Vorgängen um die Salzwedeler Visitation und die Unterzeichnung eines Reverses deutlich wird. Insgesamt ist ein theologischer Eklektizismus festzustellen, der zu einer eigenständigen Frömmigkeitstheologie entwickelt wird. Auf der Grundlage eines lutherischen Taufund Evangeliumsverständnisses nimmt Praetorius melanchthonische, mystische und humanistische Gedanken auf und formt sie zu einem Freudenchristentum, das sich insbesondere an die Frommen richtet. Auffallig ist die deutliche Differenzierung zwischen den wahren Gläubigen, denen die evangelischen Tröstungen gelten, und denen, die sich durch ihr unsittliches und unfrommes Verhalten von ihnen unterscheiden. Praetorius richtet sein Augenmerk insbesondere auf die wahren Gläubigen und unterstützt damit ein wesentliches Anliegen der mit Johann Arndt entstehenden Frömmigkeitsbewegung.
Während sich die lateinischen Schriften vor allem an Schüler und Studenten richteten, waren die deutschen Traktate vor allem filr seine Gemeindeglieder und Gottesdienstbesucher gedacht. Die in den Frühschriften geübte allegorisierende Auslegung der Blumen wird später modifiziert. Schwerpunktmäßig werden christologische Fragen Anfang der 80er Jahre, ekklesiologische Fragen Mitte der 80er Jahre und eschatologische Fragen Mitte der 90er Jahre behandelt.
209
Zweiter Teil Die Rezeption und Wirkung der Praetoriusschriften
I. Die Ausgabe der Praetoriusschriften von Johann Arndt 1. Vorbemerkung Die Schriften von Stephan Praetorius hatten zunächst nur eine begrenzte und geringe Verbreitung. Sie wären vermutlich relativ bald in Vergessenheit geraten, wenn die deutschen Traktate 1622 auf Veranlassung des LÜlleburger Generalsuperintendenten Johann Arndt (1555-1621)1 neu erschienen wären.2 Erstaunlich ist der hohe Grad der Verbreitung, den die Ausgaben Arndts und die daraus entstandene Geistliche Schatzkammer erfuhren) Dies ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Wirkung der Theologie von Praetorius über Deutschland hinaus bis in den nordeuropäischen Raum hineinreicht. Darüber hinaus finden sich ihre Spuren nicht nur bei den Lutheranern, sondern auch bei den Spiritualisten und den Pietisten Spenerscher und Franckescher Prägung. Die Darstellung der Wirkungsgeschichte der Praetoriustraktate bzw. der Geistlichen Schatzkammer bleibt notwendigerweise unvollständig. Sie ist auch eine Spurensuche nach dem Einfluss seiner Theologie vom 17. bis zum 20. Jahrhundert.
1 Johann Arndt (1555-1621), Schule Aschersleben, Halberstadt, Magdeburg, Studium Hehnstedt und Wittenberg 1575, Straßburg 1577, Basel 1579, Diakon Ballenstedt 1583, Pfarrer Badeborn 1584, Quedlinburg, Braunschweig 1599, Eisleben 1609, Generalsuperintendent von Braunschweig-LÜlleburg in Celle 1611, gest. am 11.5.1621, vgl. Weber, Arndt, 21-35; Brecht, Frömmigkeitsbewegung, GdP 1, 130-151. 2 "Anjetzo aber widerumb zusammen gesucht! mit einer newen Vorrede gezieret! vnd zum Druck verordnet!", AA, I, Titelblatt, 1, vgl. auch AA, I, Vorrede, 3: "Diese Schrifften vnd Tractätlein ... hab ich gerathen wider auffzulegenJ vnd zum öffentlichen Druck zu verfertigen". 3 Die Geistlichen Schatzkammer wurde 1667 im Stern'schen Verlag in LÜlleburg in einer Auflage von 2500 Stück gedruckt, vgl. Dumrese/Schilling, LÜlleburg und die Offizin der Sterne, Bd. I, 130. Das ist für diesen Verlag im Zeitraum von 1667-1674 abgesehen von den Bestsellern Johann Arndts (Paradiesgärtlein: 15.000 Exemplare, Wahres Christentum: 5000 Exemplare, Psalter: 3000 Exemplare) im Vergleich mit der Andachtsliteratur anderer Erbauungsschriftsteller (z.B. Scherertz, Thränenbüchlein: 3100; Sonthom, Güldenes Kleinod: 1200 Exemplare; Bayly: Praxis Pietatis: 1200 Exemplare) ein guter Mittelplatz.
210
2. Die Ausgabe von 1621/22 2.1 Die Druckgeschichte
Die Arndtausgabe erschien in zwei Teilen. Auf das Titelblatt (S.l) folgt Arndts Vorrede (S.3-8) und ein "Index der Tractätlein" (S.9-11) mit einer Numerierung der 58 Traktate (ohne Seitenangaben). Im ersten Teil sind die Traktate 129 (S.11-904) zusammengefasst. Der zweite Teil beginnt mit einem erneuten Titelblatt (S.l), umfasst die Traktate 30-58 (S.3-676) und endet mit der Angabe von Drucker, Verleger, Ort und Jahr. Da Arndt am 11.5.1621 starb, nahm man an, dass der Druck erst nach seinem Tod erfolgte. Es wurde sogar bezweifelt, dass die Vorrede und die Sammlung der Traktate überhaupt von ihm stammten. Nun gibt es jedoch einen eindeutigen Beleg dafiir, dass schon im Jahr 1621 mit dem Druck der Arndtausgabe begonnen wurde. In der Calvörschen Bibliothek in Clausthal-Zellerfeld4 existiert ein bislang unbeachteter Druck des ersten Teils (ohne den zweiten Teil!) der von Arndt herausgegeben Praetoriusschriften, der auf dem Titelblatt die Jahreszahl 1621 trägt. Das Titelblatt unterscheidet sich darüber hinaus auch noch in anderen Details von dem ein Jahr später erschienenen Druck.S Vergleicht man die beiden Drucke des ersten Teils der Arndtausgabe, so stellt man fest, dass sie sich nur im ersten Druckbogen (S.1-16) voneinander unterscheiden, ab Seite 17 sind sie völlig identisch, einschließlich der Falschpaginierungen. 6 Darüber hinaus ist zu beobachten, dass ab Traktat 21 die Verzierungen zur Abgrenzung der Traktate fehlen und die lateinischen Zitate nicht mehr kursiv gedruckt erscheinen. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass mit dem Druck des ersten Teils bereits 1621 begonnen wurde. Dazu gehört auch der "Index der Tractätlein" (S.9-11). Arndt hat also mit großer Wahrscheinlichkeit die Auswahl und Anordnung der Traktate vorgegeben und die Vorrede selbst verfasst. Der zweite Teil trägt die Jahreszahl 1622. Nach Fertigstellung dieses zweiten Teiles wurde der erste Bogen des ersten Teils dann offensichtlich überarbeitet, um die Jahreszahl anzupassen. Die erste vollständige zweiteilige Ausgabe erschien also 1622. Da man jedoch nicht mit zwei verschiedenen JahresVgl. Burose/Weber, Katalog der Calvörschen Bibliothek, Bd. 2, 546. Während im Titelblatt von 1621 der Satz "In 58. Tractätlein verfasset! wie aus dem Cataloge nach der Vorrede zu sehen." den Duktus des Titels stört ( ... Deutlich vnd Tröstlich beschrieben ist. In 58. Tractätlein ... zu sehen. Zu GOTTes Ehren! ... ), ist dieser Zwischensatz im Titelblatt (1622) an dieser Stelle entfallen. Die Zahl 58 steht nun ganz am Anfang (58. Schöne/ ...), und der Satz "Der Catalogus solcher 58. Tractat ist nach der Vorrede zu fmden." ist an das Ende des Titels hinter die Nennung Arndts verlegt worden. Vermutlich wurde die Unterbrechung des Titels aus ästhetischen und theologischen Gesichtspunkten als störend empfunden. Darüber hinaus sind auf dem Titelblatt kleine orthographische Veränderungen vorgenommen worden. Allerdings sind dabei auch Fehler unterlaufen. So ist bei dem Wort "Gründlich" ein Setzfehler ("Gründilch") entstanden. 6 Abgesehen von den orthographischen Änderungen und einem verkleinerten Druckbild (von 28 auf 32 Zeilen) sind die beiden Vorreden zu einer Vorrede zusannnengezogen worden. 4 S
211
angaben operieren wollte, musste das Titelblatt bzw. der erste Bogen des ersten Teils geändert werden. Offensichtlich wurde dabei dann das Calvörsche Exemplar vergessen oder bereits vor Erstellung des zweiten Teils aus dem Druckverfahren herausgenommen'? Der Druck erfolgte bei Johann Vogt in Goslar, während das Buch in Lüneburg bei Johann und Heinrich Stern verlegt wurde. 8 Die Arndtsche Literatur spielte für das Verlagshaus eine große Rolle. Seit 1620 druckten sie das "Wahre Christentum".9 Der Schwerpunkt der Verlags- und Drucktätigkeit lag auf dem Gebiet der Frömmigkeits- und Erbauungsliteratur (Bibeln, Gesangbücher, Katechismen, Andachtsbücher etc.).
2.1 Die Intention und die Adressaten der Arndtausgabe Als Titel für die Ausgabe der Praetoriusschriften, die er als Schöne/ Außerlesene/ Geist= vnd Trostreiche Tractätlein bezeichnet, wählte Arndt den späten Traktat Von der gülden Zeit (1600, Tr. 1) aus. Die "Güldene Zeit" ist durch die Verkündigung und Offenbarung des Evangeliums von den himmlischen Schätzen und Gütern, durch die Ausgießung des Geistes und die Eröffnung des Weges zu einem rechtschaffenen, heiligen, göttlichen Leben charakterisiert. 1O Damit wird der "wahre seligmachende Christliche Glaube/ vnd die hochthewre Lehre von der waren Gerechtigkeit vnd Seligkeit der gleubigen Kinder GOttes/ in diesem vnd ewigen Leben! durch krafft des Verdienstes/ Blutes vnd Todes CHristi: Auch die rechtschaffene Gottseligkeitl Christliches Lebens vnd Wandels/ Gründilch (sic!)/ Deutlich vnd Tröstlich beschrieben",!l Arndt zielt sowohl auf den wahren Glauben als auch auf die rechte Gottseligkeit eines christlichen Lebenswandels ab. Den Aspekt des Trostes hebt er dabei besonders hervor. l2 Darüber hinaus ist ihm die Erbauung und Fortpflanzung des Reiches Gottes wichtig. 13 Als Adressat hat er die "gläubigen Kinder Gottes" im Blick. Es geht ihm also in erster Linie um die Beschreibung des Heilsstandes und das Leben des Christen und weniger darum, wie man in die-
Die Ausgabe des ersten Teils von 1621 ist nur in einem Exemplar nachzuweisen, die Gesamtausgabe von 1622 hingegen ist noch mehrfach vorhanden, vgl. SVZ. 8 Die Verlagstätigkeit des Buchbinders und Buchhändlers ("Buchfiihrer") Hans (I.) Stern beginnt bereits 1587. Bis zur Gründung der eigenen Druckerei im Jahr 1623 wird jedoch u.a. bei Johann Vogt in Goslar gedruckt. Als eigentliches Gründungsjahr der Stern'schen Druckerei gilt das Jahr 1624 (bzw. 1625), in dem den GebrUdern Johann (11.) und Heinrich (d.Ä.) Stern das herzogliche Privileg erteilt wird, vgl. Durnrese/Schilling, Lüneburg und die Offizin der Sterne, 5-25. 9 Durnrese/Schilling, Lüneburg und die Offizin der Sterne, 19. 10 AA, I, Vorrede, 12-16. 11 AA, I, Titelblatt, 1. 12 AA, I, Titelblatt, 1: "Trostreiche Tractätlein ... tröstlich beschrieben ... zum Trost der Gleubigen". 13 Reich Gottes meint fiir Amdt nach Lk 17,21 (Übersetzung: "Sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch") das inwendige Reich Gottes im Herzen des Menschen, das durch das Gebet und die Liebe gefunden wird, vgl. Weh, Vorrede zum dritten Buch, 3.
212
sen Heilsstand gelangt. 14 Dies wird auch an seiner Vorrede deutlich. Er nennt die Gründe für die Herausgabe der Praetorius-Traktate: Rein praktisch betrachtet seien sie aufgrund ihrer separaten Veröffentlichung mittlerweile zerstreut und wenig greifbar.!5 Vor allem aber sei er durch ihren Inhalt und den "nützlichen! heylsamen! Christlichen Intent"16 des Autors dazu veranlasst worden, weil er bei ihrer Lektüre festgestellt habe, "daß sie aus sonderer brünstiger Andacht/ vnd frewdigem Glauben! vnd Liebe Christi" verfasst worden seien.!? Amdt verbindet mit der Herausgabe eine bestimmte Absicht. Weil die meisten Menschen nur nach "weltlichen hohen Dingen" strebten und darüber aber "das allerhöchste Gut/ das da ewig ist/ vnnd ins ewige Leben bringt" verspotteten, sollten die Prediger darauf achten, dass sie "in allen jhren Predigten! die Himlisehen ewigen Güter/ ... groß machen! ... vnnd die erworbene Gerechtigkeit vnnd Seligkeit für Augen stellen". Es sind die Verdienste und Wohltaten Christi, "der höchste Evangelische Schatz" und Reichtum der Gnade Gottes, die von Praetorius hervorgehoben werden.!8 Als biblische Belege für die "himlischen vnd ewigen Güter" erwähnt Amdt Eph 1,3.5-8.llf.18-20; Eph 2,4-7 und Koll,27f. 19 Erkenntnis der Wohltaten Christi und Trost sollten durch sie vermittelt werden.2 0 Da Praetorius dem apostolischen Beispiel gefolgt sei, will Amdt durch 14 Auch die vier (bzw. sechs) Bücher vom Wahren Christentum zielen auf die bekehrten und wiedergeborenen Christen ab. VgI. das achte Sendschreiben vom 14.1.1 607 (WCh, S. 27) und das dritte Sendschreiben an Johann Gerhard (WCh, S. 3 I): "Dannenhero ich nicht etwa geschrieben habe den noch unbekehrten Heiden, die die Salbung des Geistes nicht empfangen haben, und dahero auch keine besondere Regung des heiligen Geistes empfinden, sondern den Christen, bei weichen die Bekehrung ihr tägliches Wachstum und Stufen machen und haben muß". Insbesondere das dritte Buch des WCh handele von Christus, dem "Gnadenschatz", der inwendig im Herzen verwahrt werde und aus dessen "Gnadenquelle" die Tugenden hervorgingen (ebd.). Darauf weist Arndt auch im zweiten Sendschreiben vom 4.5.1620 hin (WCh, S. 38): "Es haben meine Bücher einen unbeweglichen Grund und Fundament, weicher ist Christus, mit seinem Verdienst und Wohltaten, derselbe ist kräftig und lebendig in allen seinen Gliedern." 15 Vgl. AA, I, Vorrede, 3: "Diese Schrifften vnd Tractätlein des weyland Ehrwürdigen! Hochgelarten Herrn Stephani Praetorii ... hab ich gerathen wider auffzulegen/ vnd zum öffentlichen Druck zu verfertigen! Weil dieselbe anfenglich einzeln nach einander bey des seligen Authoris Leben ausgangen/ vnnd hin vnd her zustrewet liegen". 16 Vgl. AA, I, Vorrede, 8. 17 AA, I, Vorrede, 3f. 18 AA, I, Vorrede, 4. Von diesem "Schatz" spricht Arndt bereits in seinem Titel zum dritten Buch des WCh (S. 503): "Vom inwendigen Menschen: Wie Gott den höchsten Schatz, sein Reich, in des Menchen Herz gelegt hat, als einen verborgenen Schatz im Acker, und als ein göttliches Licht der Seelen; und wie dasselbe in uns zu erwecken und zu suchen." VgI. WCh, Vorrede zum dritten Buch, 4: "Wie herrlich, köstlich und lieblich isfs nun, daß unser höchster und bester Schatz, das Reich Gottes, nicht ein auswendiges, sondern ein inwendiges Gut ist". Zum Stichwort "höchster Schatz" vgI. auch WCh III, 1,2; III, 10,7. 19 AA, I, Vorrede, 6f. Zum Stichwort "himmlische Güter" vgl. I, 42, 6; I, 4 I, I; VI, Verantwortung I. Buch, 19. 20 "Diß sol aller Evangelischen Prediger Ziel seyn/ dahin sie jhre Predigten richten sollen! damit CHristus in seinen Wolthaten erkant werde/ vnd der rechte Evangelische Trost offenbar werde", AA, I, Vorrede, 7. 213
die Verbreitung seiner Schriften dem Leser zur seligmachenden Erkenntnis Christi verhelfen und dadurch die Erbauung des Reiches Gottes fördern)l Aber nicht nur der wahre Glaube und die Lehre von der wahren Gerechtigkeit und Seligkeit der Gläubigen wird in diesen Traktaten beschrieben, sondern auch die "rechtschaffene Gottseligkeitl Christliches Lebens vnd Wandels".22 Amdt findet darin also die grundlegenden Gedanken wieder, die er bereits in seiner Vorrede zum ersten Buch vom "Wahren Christentum" zum Ausdruck gebracht hat. Das "wahre Christentum" bestehe in "Erweisung des wahren, lebendigen, tätigen Glaubens, durch rechtschaffene Gottseligkeit, durch Früchte der Gerechtigkeit ... daß wir nicht allein an Christus glauben, sondern auch in Christo leben sollen und Christus in uns".23 Es geht ihm um das "brennende Problem der Verifizierung des Christentums im Leben."24 Die "rechtschaffene Gottseligkeit" (pietas) der wahren Christen und damit ihre "Vollkommenheit" ist sein Zie1. 25 Dieses Anliegen sieht Amdt auch bei Stephan Praetorius verwirklicht, wobei dieser den Schwerpunkt auf die Vorstellung der himmlischen Güter, nämlich die in Christus erworbene Gerechtigkeit und Seligkeit lege, die von allen Menschen angenommen werden sollten. Auffällig ist die starke Hervorhebung der Predigt, durch die eine Änderung der Misere erstrebt wird. 26 Die Predigt des Evangeliums ist das Mittel zur Überwindung des falschen Glaubensverständnisses. Im Anschluss an die Vorrede zählt der Index alle 58 Traktate auf. Die Schriften sind nicht chronologisch, sondern eher thematisch geordnet. Der Titel der Ausgabe gibt bereits darüber Auskunft: Am Anfang stehen die Aussagen über die Gegenwart und Zukunft der Gläubigen: die Aussagen über die "güldene Zeit", über den herrlichen Stand der Christen, die sibyllinischen Weissagungen,27 die Anweisungen für Prediger, die Aussagen über die Gerechtigkeit 2l AA, I, Vorrede, 8. Vgl. dazu das Titelblatt: "Zu GOttes Ehren! zu wahrem Erkentniß JEsu CHristi! zum Trost der Gleubigen! vnd zu erbawung vnd fortpflanzung des Reichs GOttes.", AA, I, Titelblatt, 1. 22 AA, I, Titelblatt, 1. 23 WCh, Vorrede zum ersten Buch, 1. 24 Brecht, Frömmigkeitsbewegung, GdP I, 134. 25 Der Gedanke der Vollkommenheit wird durch das biblische Zitat aus Kol 1,27f eingebracht: "auff daß wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in CHristo JESV; Daran ich arbeite vnnd ringe", AA, I, Vorrede, 7. Vgl. dazu WCh, Vorrede zum dritten Buch, I: "Letztlich kommt das vollkommene Alter, so da steht in der gänzlichen Vereinigung durch die Liebe, welches St. Paulus das vollkommene Alter Christi nenoet, und einen vollkommenen Mano in Christo". Arndt zitiert hier eine vergleichbare Bibelstelle aus Eph 4,13. 26 "Diß sol aller Evangelischen Prediger Ziel seynl dahin sie ihre Predigten richten sollen! damit CHristus in seinen Wolthaten erkant werde/ vnd der rechte Evangelische Trost offenbar werde", AA, I, 7. 27 In einer Predigt am Sonotag nach Neujahr über Mt 2, 13ffnimmt Arndt ebenfalls auf die sibyllinischen Weissagungen Bezug. Die Sibyllen haben von Christi Geburt, Wundem, Leiden und Auferstehung geweissagt. "Meine Meynung ist: Gleich wie Gott unterm Jüdischen Volck Propheten gehabt, die von Christo haben geweissget, damit man die Jüden überzeuget hat, wie in den Predigten der Apostel zu sehen: Also hat GOtt der HErr im Heydenthum solche Weissa214
und Seligkeit der Christen, die sie durch den Glauben erlangen (Tr. 1-7). Dann folgen die christologische Begründung und der Weg zur Erlangung dieser Seligkeit, die Sakramente Taufe und Abendmahl (Tr. 8-12). Die Christologie bzw. Soteriologie kommt in dem Verdienst des Blutes und Todes Christi zum Ausdruck. Hier werden die jeweiligen Traktate aus dem Jahresfestkreis zugeordnet: Menschwerdung Jesu, die Passion und Auferstehung (Tr. 13-22). Die Pneumatologie schließt sich an (Tr. 23), ebenso deren katechetische Umsetzung (Tr. 24-25). Im zweiten Teil steht das christliche Leben im Vordergrund. Dazu gehören auch die geistlichen Lieder und Gebete. Schließlich geben zahlreiche seelsorgerliche Trostschriften Hinweise fiir eine christliche Lebensführung (Tr. 45-58). Gegenüber dem Originaldruck der Schrift Von der gülden Zeit aus dem Jahr 1600 wird der Untertitel ergänzt: "Darinn auch von der Tauffel Evangeliol von den Zuhörern! von der Confirmationl vnd was fiir dem Jüngsten Tag geschehen soll." Diesem Traktat vorangestellt sind zwei "Vorreden an einen frommen Christen", von denen die erste nicht dem Originaltraktat entstammt.28 Ihre Herkunft ist unbekannt. Möglicherweise hat sie Arndt selbst verfasst. Die nahezu wörtliche Übereinstimmung des Schlussabschnittes der ersten Vorrede mit dem Anfang der zweiten Vorrede deutet darauf hin. 29 In der veränderten Version des ersten Druckbogens von 1622 werden beide Vorreden zu einer zusammengefasst, so dass es den Anschein hat, als seien beide Vorreden dem Original von Praetorius entnommen. In der ersten Vorrede wird den Krisensymptomen der Gegenwart (Teuerung, Pest und Krieg) die "güldene Zeit" durch die Verkündigung des Evangeliums gegenübergestellt. Dazu gehören das prophetische Wort, Gottes Geist, Christi Heiligkeit, ein mutiges Herz und der Weg zum heiligen Leben. 30 Christen tun Gutes aus Dankbarkeit, freiwillig und fröhlich)! gerinnen erwecket, die von Christo geweissaget, dadurch die Heyden gewaltig sind überzeuget worden, wie dann die Väter der ersten Kirchen, so aus den Heyden bekehret worden, mit den Sibyllinischen Weissagungen die Heyden gewaltig überzeuget haben, als Lactantius und andere mehr." (EP, I, 143) 28 Im Originaldruck ist nur die zweite Vorrede, verbunden mit einer persönlichen Anrede, vorhanden. 29 Erste Vorrede, AA, I, 15: "Derwegen ist nun offenbar/ daß diese Zeit! in welcher wir jetzt leben! wie gefehrlich vnd böse sie auch sonst ist! von wegen der Menschen Vnarth/ die filrtreffliche/ angenehme Güldene Zeit sey/ von welcher die Propheten geweissaget haben! Nach dem Spruch Sanct Petril !. Petri am !. Die Propheten haben von der zukünfftigen zeit vnnd Gnade/ auff euch geweissaget!." Zweite Vorrede, AA, I, 16f: "In diesem Tractätlein zeige ich an! daß diese zeit! in welcher wir jetzt leben! wie böse sie auch sonst ist! von wegen der Menschen Vnartl die fiirtreffliche angenehme Zeit sey/ von welcher die Propheten geweissaget haben! Nach dem Spruch S. Petril !. Pet.!. Die Propheten ... so euch das Evangelium verkündiget haben." 30 "Ist daß nicht eine Güldene Zeit! daß alle Heucheley vnd Scheinheiligkeit rein abgeschafft! vnd daß vns Christus den Weg zum rechtschaffenen! heiligen! bestendigen! Göttlichen leben geöffhet/ vnd filr das harte Gesetz im Alten Testament! ein süsses sanfftes Gesetz gegeben! vnd in unser Herz durch seinen Geist geschrieben hat! Ihm freywillig zu leben vnd zu dienen! in ewiger Gerechtigkeit! Vnschuld vnd Seligkeit" (Jes 9; Mt 11; Ez 36), AA, I, 14f. 3! AA, 1,15.
215
Die Gegenwart ist trotz der widrigen Umstände die "fürtrefflichel angenehme Güldene Zeit" (I Petr. 1,1Ot). Warum hat Arndt ausgerechnet diesem Traktat den Titel seiner Ausgabe entnommen? Er selbst gibt darüber keine direkte Auskunft. Es ist aber sicherlich kein Zufall, dass er eine der späten Schriften ausgewählt hat, die im Hinblick auf das Krisenbewusstsein seiner Zeit am ausgeprägtesten erscheint. In ihr wird der Kontrast zwischen den widrigen Umständen der Gegenwart und ihrer eschatologischen Qualifizierung als Heilszeit durch die Offenbarung des Evangeliums besonders deutlich. Durch die Austeilung und Annahme der himmlischen Schätze beginnen die Gläubigen Buße zu tun, dh. ein "newes Göttliches Leben" zu führen. 32 Während im ersten Traktat noch der ursprüngliche Adressat durch ein allgemeines N.N. ersetzt wird, unterzieht sich der Herausgeber dieser Aufgabe bei den nächsten Traktaten nicht mehr. Im Übrigen werden die Traktate originalgetreu wiedergeben, soweit dies durch die Einzeldrucke nachweisbar ist. Dies mag ein Indiz dafür sein, dass Arndt in den weiteren Prozess der Herausgabe nicht mehr eingegriffen hat. Bemerkenswert ist, dass zwei Traktate mit aufgenommen werden, deren Verfasser nicht Stephan Praetorius ist. Die Visiones, das ist: Gesicht eines edlen Knaben (Tr. 35) stammen laut eigenen Angaben von dem Pfarrer in Stapen, Georg Schreck. 33 Im Tr. 55 fügt Praetorius eine Predigt seines Freundes Christoph Wickmann hinzu.3 4
2.3 Die Rezeption von Praetorius bei Johann Arndt Im "Vorbericht" des "Wahren Christentums" über Arndts Leben und Wirken werden die Mystiker Johannes Tauler, Heinrich Seuse, Thomas von Kempen und die Theologia Deutsch als Vorbilder für diejenigen genannt, die das wahre Christentum, das inwendige Leben in Gott, das Gebet und die Nachfolge Christi zu fördern suchten. Dazu wird auch Praetorius gezählt, der "sowohl durch seine geistreichen wahrhaft erbaulichen, volkstümlichen Predigten, durch seinen Eifer als Seelsorger und sein Dringen auf Privaterbauung, als auch durch "seine grundevangelischen, den Geist Luthers atmenden Schriften" segensreich gewirkt habe.35 Ebenso wie die vier (bzw. sechs) Bücher vom WCh zeigt das "Paradiesgärtlein voller christlicher Tugenden" (1612) Anknüpfungen an die Gedanken von Praetorius. In seiner Vorrede vergleicht Arndt in Anlehnung an Augustin und andere Kirchenväter das Gebet mit einer Himmelsleiter, auf der die Gläubigen mit den Engeln in Gemeinschaft kommen.36 Arndt nennt fünf Stufen des Gebetes: Das Bekenntnis der Sünde, die Einpflanzung christlicher Tugenden, AA, I, 20. Vgl. AA, 11, 136. 34 AA, 11, 592f. 35 weh, Vorbericht, S. 14. 36 PG, Vorrede, 9: "Durchs Gebet kommen wir in der heiligen Engel Gemeinschaft und Gesellschaft, werden gleich den Engeln Gottes und verrichten der Engel Amt." 32 33
216
das Gebet mit "heißen Tränen", das Gebet mit "großen Freuden" und das Gebet aus "großer feuriger Liebe")7 Wer durch die verschiedenen Klassen des Gebetes hindurchgegangen ist, wird das Reich Gottes in sich empfinden, das in Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist besteht)8 Der Grundgedanke des Praetorius, die Lehre von der in der Taufe gegründeten gegenwärtigen Seligkeit, begegnet auch bei Arndt. 39 Die zweite Klasse der Gebete handelt von den Wohltaten des dreieinigen Gottes. Durch seine Menschwerdung hat Gott eine "ewige Gerechtigkeit" erworben. 4o Die "Gnade ist der höchste und teuerste Schatz".41 In der Taufe findet die Vereinigung der Seele mit Christus statt, so dass sie makellos wird. 42 In seiner "Danksagung für die heilige Taufe und Gebet um ein heiliges neues Leben" spricht Arndt von der Gotteskindschaft. 43 Für Arndt kommt es aber nicht nur auf das empfangene "Geschenk der ewigen Gerechtigkeit und Seligkeit" an, sondern auch auf die aus der Taufe resultierenden Früchte des Geistes. In der Kirche bekommt man Anteil an den himmlischen Gütern und Gnadenschätzen Christi. Arndt hat Praetorius als gelehrten lutherischen Theologen, Erbauungsschriftsteller und Prediger des Evangeliums besonders geschätzt wie seine Vorrede zeigt. Er betont besonders, dass Praetorius den Gläubigen ihre Schätze der Gnade und Seligkeit und ihre wahre Gerechtigkeit vor Augen gestellt habe. Im Vergleich mit Arndts Schriften finden sich viele parallele Gedanken, vor allem zur Taufe. Ein direkter literarischer Einfluss ist aber nicht ersichtlich. Ob sich Arndt und Praetorius persönlich begegnet sind, ist unbekannt. Es ist aber denkbar, dass Arndt zu den Anhängern von Praetorius in Salzwedel Kontakt hatte, wie z.B. zu dem Buchhändler Michael Crusius. Arndt wusste sich mit Praetorius einig in der Zielsetzung, christliches Leben und Frömmigkeit zu intensivieren und zu fördern und den wahren Gläubigen Trost zu geben. 37 PG, Vorrede, 10. 38 "Denn also mußt du deinen Schatz im Acker und die köstliche Perle suchen", PG, Vorrede, 16. 39 Vgl. PG, 11, 9. 40 PG, 11, 8: "Ach du bist doch eitel Liebe, eitel Gnade, eitel Trost ... die ewige Liebe, dadurch Gottes Liebe zu uns kommt mit allen Gnadenschätzen; die ewige Gerechtigkeit in deinem Verdienst, dadurch wir selig werden!" 41 PG, I, 2, 2. Vgl. auch PG, I, 3, 1. An anderer Stelle nennt er das Wort Gottes den höchsten Schatz, vgl. PG I, 3, I; PG, I, 3, 7. 42 "Und weil du deine zarte, edle, menschliche Natur, die du angenommen, geheiliget hast, daß sie engelrein ist, ja mehr denn engelrein, ohne Makel und Sünde, lauter und unbefleckt: so hast du mich in der heiligen Taufe ... auch gereiniget durchs Wasserbad im Wort", PG, I, 6, 3. 43 "Hast mir auch geschenket das Kindesrecht, nämlich das ewige himmlische Erbe der Seligkeit. Summa, du hast mir in der heiligen Taufe das höchste Gut geschenket, deinen lieben Sohn, mit allen seinen Wohltaten ... Ja mein Herr Christus hat mich schon selig gemacht, und mir alle Seligket geschenket in der heiligen Taufe ... Bin ich doch schon selig. Die Güter der Gnade habe ich alle in und mit Christo empfangen, und warte auf die Güter der Herrlichkeit.", PG, 11, 9. Vgl. auch PG, I, I, 5: "Denn in Christo bin ich allbereits selig, mit Ihm und in Ihm bin ich allbereits auferstanden und gen Hinunel gefahren und in das hinunliche Wesen gesetzt. Darum habe ich in Christo Jesu,meinem Herrn, allbereits das ewige Leben, und warte nur auf die Offenbarung der zukünftigen Herrlichkeit".
217
3. Weitere Ausgaben von Praetoriusschriften 40 Jahre nach der ersten vollständigen Ausgabe der Praetoriusschriften durch Johann Arndt erfolgt eine zweite Auflage, diesmal nicht nur verlegt, sondern auch gedruckt im Stern'schen Verlag in Lüneburg. Wie aus dem leicht veränderten Titelblatt zu ersehen ist, bestand eine entsprechende Nachfrage nach einer verbesserten und gebrauchsfahigeren Ausgabe. 44 Diese Verbesserungen betrafen z.B. das Schriftbild, eine durchgehende Paginierung in einem Band, ein "erbauliches Register", in dem eine kurze Gliederung des jeweiligen Traktates mit entsprechender Seitenangabe die Handhabung erleichterte und vor allem die Kürzung von Namen in den Widmungsvorreden. Statt dessen wird meist eine kurze Gliederung vorangestellt. In den Text selbst wird gelegentlich eingegriffen, indem etwa einzelne zumeist lateinische Zitate gestrichen oder andere ins Deutsche übersetzt werden45 und in den Traktaten 38 und 39 die Noten ausgelassen werden. Insgesamt ist diese Ausgabe durch die Einsparung von ca. 300 Seiten auch etwas handlicher geworden. 46 Es gab nach wie vor ein virulentes Interesse an den Praetoriustraktaten, das auch neben der Verbreitung der Geistlichen Schatzkammer existierte. Der Halberstädter Pfarrer Heinrich Ammersbach (1632-1691)47 plante eine neue Edition der Praetoriusschriften zusammen mit einem ausführlichen "Bedencken", einer Art Gebrauchsanweisung. 48 Diese wurde unter dem Titel Praetorius redivivus 1675 in Halberstadt veröffentlicht. 49 In dieser apologetisch ausgerichteten Edition der Praetoriusschriften wurden diese unter dem Titel "Der heilige und auserwehlte Heyls=Engel des allerhöchsten Gottes zu unser Zeit! das ist M Stephan. Praetor. Schöne/ auserlesene/ Geist= und Trost=reiche Schrifftenl Nicht nur mit Johann Arnds Vorrede sondern auch andern unterschiedlichen Zeugnissen und Anmerckungen gezieret und vermehret!" veröffentlicht. Da auf dem Titelblatt weder Ort und Datum, noch Drucker oder Herausgeber vermerkt
44 "Nunmehr aber auff vielfliltiges Anhalten von neuem in diesem bequemen Band zusammen gedrucketI", AB, 1. 45 So entflillt etwa in der Fürstlichen Instruktion filr Prediger (Tr. 4), AA, I, 123f ein lateinisches Zitat von Theodoret und von Martin Borrhaus. 46 Vgl. Boon, Prätorius, 13f. Angeblich soll in Goslar und Nordhausen 1673 eine Neuauflage erfolgt sein. So Danneil, Kirchengeschichte, 310; nur Nordhausen als Verlagsort nennt die TPP, 859. Dilfeld, Schwärmerische Vermessenheit, 51 nennt eine von Ammersbach hervorgebrachte Ausgabe von 1673, in denen drei Autoritäten erwähnt werden (Johann Philipp, Michael Crusius und Moritz Neudorf). 47 Heinrich Ammersbach, geb. in Halberstadt, Studium Jena, von 1632-1691 Prediger Halberstadt, vgl. ADB 1, 408f. 48 "So wolt ich nebst den Schrifften Praetorii zugleich ein ausfiihrIichs Bedencken heraus gegeben haben! wie diese Arbeit recht zugebrauchen und was sonst dabey nach Gottes Wort zu beobachten", Ammersbach, Widmung an den Rat der Stadt Salzwedel. 49 Das Exemplar der UuLB Halle a.d.S. enthält neben der Erklärung einiger anstößiger Formulierungen des Praetorius auch andere Gutachten und Schriften, die den Streit zwischen Ammersbach und Dilfeld betreffen. Vgl. dazu auch Boon, Prätorius, 14--17. 218
sind, ist die exakte Datierung schwierig. 50 Dieses Titelblatt stammt offensichtlich von Ammersbach. Der ursprüngliche Text des Titels ist erweitert worden durch Hinweise zum Adressaten und zum rechten Gebrauch. Nicht nur "einfaltige Christen! sondern auch Gelehrte und Prediger" sollen sich der Praetoriusschriften bedienen. Es geht um die Predigt des Evangeliums von der gegenwärtigen Seligkeit. Dies soll nicht nur ein bloßes Wissen sein, sondern "ein recht=safftiger Geschmack! ein Leib= Seel= und Geist durchdringender Lebens=Balsam oder Geruch des Lebens zum Leben".51 Gläubige Christen können sich damit ihres Heils vergewissern und "in lauter Freuden=Springen unter den heiligen Engeln vor Gott im Himmel wandeln".52 Wo diese Lehre nicht richtig gepredigt oder missbraucht wird, breitet sich hingegen das gottlose Wesen aus. Zur Bestätigung werden Röm 1,16 und 11 Kor 2,16 "Den Gottlosen ein Geruch des Todes zum Tode: Den Frommen ein Geruch des Lebens zum Leben" herangezogen. Die Herkunft des Titels ist leicht zu klären. Ammersbach zitiert aus Moritz Neudorfs "Lutherus Orthodoxus", der Praetorius den "heiligen und auserwehlten Heyls=Engel des allerhöchsten GOttes zu unser Zeit" nennt. Auch Michael Crusius, ein Salzwedeler Buchhändler, hatte ihn als einen Engel bezeichnet.53 "Summa dieses ganzen Buchs" ist der Satz: "Gott hat uns selig gemacht in der Taufe. "54 Ammersbach verfolgte mit seiner Edition der Praetoriusschriften eine apologetische Intention: Da sie angeblich nicht nur verdächtige Redensarten, sondern auch gefahrliche Schwärmereien enthalten, wollte er sie zusammen mit Anmerkungen veröffentlichen. Allerdings gerieten ihm diese zu umfangreich, so dass er zunächst nur die Schriften selbst ediert habe. 55 In seiner Dedikation des Praetorius redivivus vom 26.3.1675 an Bürgermeister, Rat und Gemeinde der Stadt Salzwedel bittet er den Salzwedeler Superintendenten Johannes
so Diese Ausgabe basiert auf dem Text der ersten Arndtausgabe von 1622, vgl. Boon, Prätorius, 16. Die Seitenzahlen differieren, weil über jeder Seite die Nummer des Traktates vermerkt ist. Neben einigen orthographischen Veränderungen und Fehlern sind auch zahlreiche Falschpaginierungen festzustellen. Im Anhang sind ein Register der biblischen Sprüche, ein Register zur Lektüre der Traktate innerhalb eines Jahres und ein Lehrregister beigefiigt. Warum Ammersbach die zweigeteilte Erstausgabe der Praetoriusschriften wählt und nicht die bequemere Ausgabe von 1662, bleibt unklar. Die Ausgabe ist vermutlich zwischen 1673 und 1675 erschienen. 51 Heilsengel, Titelblatt, I. 52 Heilsengel, Titelblatt, I. 53 AA,II, 133. 54 "Correspondenz Christi, Pauli und Lutheri": Mk 16,16; Eph 2,5; Tit 3,5 (Kirchenpostille, Epistel am Christtag), vgl. Heilsengel, 2. 55 Möglicherweise handelt es sich dabei um die o.g. Ausgabe von 1673. "Weil aber die Schrifften selbst schon einen völligen Band gaben und die Amnerckungen darüber etwas weitläuftig fallen wolten! dazu ich auch nicht so fort Zeit hatte/ alles auszuarbeiten. Als habe solches Nohthalben bis zur andern Zeit verspahren müssen. Da nun aber dieses unterdessen! so weit es fertig! herausgegeben! so habe so1chs keinem besser dediciren können als derselben Gemeinde", Ammersbach, Widmung an den Rat der Stadt Salzwedel.
219
Heinzelmann (1626-1687)56, der Praetorius positiv gegenüberstand, ihn in seiner Heimatstadt zu verteidigen und wohlwollend zu erklären. 57 Die Anmerkungen zu Praetorius sind in den "Observationes Oder Erklärungen etlicher Arten zu reden! welche in M. Steph. Praetor. Schrifften zu finden" enthalten. 58 Die "Copia Eines Schreibens der Theologischen Facultät zu Jena" (1675) gibt den Nordhauser Streit um die Geistliche Schatzkammer wieder. Zu der Frage, ob gute Werke zur Seligkeit nötig seien und ob es unmöglich sei, ohne gute Werke selig zu werden, druckt Ammersbach ein Gutachten von Michael Coelius und Johannes Wigand ab. Im "Bedencken! Was von den Visionibus, Gesichtern und Englischen Offenbahrungen" zu halten ist, das von Victorinus Spahrmann stammt, geht es auch um die Frage nach der Buße. Danach folgt der Druck des "Heilsengels" mit den Registern. Schließlich ist auch noch Ammersbachs Apologia oder Ehrenrettung Praetorii und Statii (1577) beigefügt. 59 Der "Heilsengel" ist als Ausgabe der Praetoriusschriften separat gedruckt und vertrieben worden. 6o Im 18. Jahrhundert werden Teilausgaben von Praetoriusschriften durch Johann Philipp Sesemann, die Saalfelder Armenschule und einen ungenannten "Liebhaber des Evangelii von unserer Seeligkeit" herausgebracht. In Bautzen veröffentlichte Johann Philipp Sesemann61 1720 Übersetzungen der drei lateinischen Traktate Luscinia cantatrix, Rosa nobilis und Lilium convallium, zu denen er auch eine Vorrede verfasste. 62 Darin wendet er sich gegen eine als
56 Johannes Heinzelmann (1626-1687), Jesuitenschule, Studium Wittenberg 1643, Rektor Gymnasium Berlin 1651, Diakon St. Nikolai Berlin 1658, Superintendent Salzwedel1660, vgl. Danneil, KG, I, 290-293; Jöcher 2, 1459. 57 "sondern hab auch mit Freuden von ihm vernommen! daß Er von des Praetorii Büchlein gar honorifice geurtheilet/ und nicht/ wie andere/ alles zum ärgsten ausgeleget/ sondern vielmehr/ woran sich andere gestossen/ zum Besten gedeutet", Ammersbach, Widmung an den Rat der Stadt Salzwedel. 58 Dazu gehören z.B. "Ein Christ hat schon die Seeligkeit gegenwärtig! und nicht als noch erst zukünfftig"; "Ein Christ kan auff gewisse Weise sagen: Ich bin Christus"; "Der Glaube leidet keine Todt=Sünde" ("Haupt=Zweck" von Praetorius gegen die "Maul=Christen"); "Ein Christ ist ein vergöttert oder durchgöttert Mensch". Ammersbach zieht z.T. Luther zur Erklärung heran. Eine gesonderte Erörteung und Erklärung soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, vgl. Ammersbach, Observationes. 59 Das Exemplar in der UuLB Halle unterscheidet sich von einem anderen Exemplar in der UB Leipzig (Sign. Pr. u. erb. Lit. 1796 w) in Umfang und Anordnung der aufgenommenen Schriften. Letzteres umfasst nur den "Heilsengel", die Apologia, die Observationes und die Copia, vgl. Boon, Prätorius, 17. 60 Dies belegen die vorhandenen Exemplare in der NB Tallinn (Sign. RN 5250 und RN 5251 in einem Band) und in der UuLB Halle a.d.S. (Sign. AB 153474). 61 Johann Philipp Sesemann, geb. 1696 in Naumburg, Mittagsprediger und Substitut, 1733 Pfarrer Muskau, gest. 1753. Sesemann gab auch eine "Theologia Lutheri Evangelica ... aus der Kirchen-Postille ... , Lauban 1722" heraus, vgl. Schulz, Gebete Luthers, 37. 62 Eine Kopie dieser Schrift wurde mir von Prof. Gotthold Müller dankenswerterweise zur Verfiigung gestellt. In einem vorangestellten Gedicht bezeichnet der Colditzer Superintendent Clemens Thyme Praetorius als einen Wegweiser zur recht evangelischen Lehre des Evangeliums. In der Widmung vom 24.12.1719 wird die verstorbene Gräfm von Reichenbach als Verehrerin der Schriften von Praetorius erwähnt. 220
Galatismus bezeichnete Gesetzlichkeit und empfiehlt zur Evangeliumspredigt Praetorius, der den "hin und wieder befindlichen wahren Gliedern der Evangelischen Kirche" den rechten Grund gewiesen habe. Dieser sei ein gottseliger Mann gewesen, der aus Paulus und Luther den "höchsten evangelischen Schatz" für die trostbedürftigen Seelen gewonnen habe. 63 1724 gab er Schriften von der güldenen Zeit heraus. Ohne Ort und Datum, vermutlich im Umfeld Halles, wird unter dem Titel Der kleine Stephanus Praetorius, oder einige saftige Stellen aus dieses theuren Mannes Evangelische Schriften, vor bekümmerte Herzen" eine kurze Zusammenstellung von Zitaten unter den Überschriften Buße der Gefallenen, Glaubens-Conjugation, Taufgnade, Glaubens=Dreistigkeit, Glauben=Freudigkeit und Kreuz der Christen veröffentlicht. 64 Um 1760 erschienen in Löbau Zwei vortreffliche Traktätlein von einem ungenannten "Liebhaber des Evangelii von unserer Seeligkeit". Die Schriften aus der Arndtausgabe Von dem Reiche Gottes (Tr. 26) und Von dem Frieden Gottes (Tr. 27)65 sind denen gewidmet, "so bey itzigen bedrängten Zeiten, gerne Reich in GOTT werden, und dabey Ein gutes fröliches Hertz haben möchten".66
4. Frühe Zeugnisse für die Rezeption der Praetoriusschriften Die Rezeption der Praetoriusschriften lässt sich insbesondere an den jeweiligen Erwähnungen und literarischen Auseinandersetzungen seiner Freunde oder Gegner ablesen. Bei der Suche nach Spuren seiner Wirkung sind jedoch ZuHilligkeiten unvermeidbar. Eine vollständige Rezeptionsgeschichte ist daher nicht möglich. Dennoch lässt sich an diesen z.T. überraschenden Beispielen die weit verzweigte Verbreitung der Gedanken von Praetorius zumindest umrisshaft erkennen. Ein frühes Zeugnis für die Rezeption der Praetoriustraktate ist der reformierte Pastor Moritz Neudorf (= Mauritius Neodorpius) aus Liebenwalde in der Uckermarck.67 1611/12 erscheint seine Schrift "Der Christen Privilegia vor 63 Vgl. Sesemann, Vorrede. Sesemann empfiehlt darüber hinaus Luthers Erklärung des Galaterbriefes, die Geistliche Schatzkammer und den Lutherus redivivus von Statius, die CramerTraktate, Neudorfs Privilegia, Kriegsmanns Halt was du hast, Speners Lautere Milch, Luthers Kirchen- und Hauspostille und Franckes Evangelienpostille. 64 Das benutzte Exemplar befindet sich in der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen. Die Zitate stammen aus der Arndtausgabe (1662), 148, 130-132, 10f, 19-22,242, 254f. 65 Lateinische Zitate werden gestrichen, so z.B. der Brief Luthers an Brenz, vgl. AA, I, 837-840. 66 Zwei vortreffliche Traktätlein, AIr 67 Neudorf, Moritz (Neodorpius, Mauritius) (gest. 1613), geb. in LiebenwaldelUckermark, Übertritt von der lutherischen zur reformierten Kirche, 1605 Prediger der ref. Gemeinde Altona, geriet dort um 1610 in Streit mit dem Hamburger Pastor Jacob Reineccius wegen seiner Predigt "Schönes Margaritlein", 1611 Pastor in Liebenwalde, 1612 Süderhausen. Bereits 1611 entwickelte er in seiner Schrift "Der Christen Privilegia von Gott" seine Lehre von der ewigen Seligkeit der Christen, der Befreiung von allen Sünden und der Vereinigung aller wahren 221
Gott", in der er das Verdienst von Stephan Praetorius hervorhebt, der 25-30 Jahre lang seine Traktate veröffentlich habe. 68 Zusammen mit Otto Casmann (1562-1607), Martin Moller (1547-1606),69 Philipp Kegel,70 Johann Gerhard (1582-1637),71 Johann Arndt72 und Valerius Herberger (1562-1627) habe er die Übung wahrer Gottseligkeit gefördert. Denn am Jüngsten Tag werde nicht nach der Ansammlung von Wissen gefragt, sondern ob jemand den Willen Gottes getan habe. 73 In seiner erstmals 1612 (2. Auflage 1615) erschienenen Schrift "Lutherus orthodoxus oder Hertzengrund Lutheri" unternimmt er den Versuch, Luther gegen die von ihm bekämpften Lutheraner seiner Zeit auszuspielen. Aussagen der zeitgenössischen "Unlutherischen Lutheraner" (u.a. Philipp Nicolai, Leonhard Hutter, Balthasar Mentzer, Jacob Reineccius, Matthias Hafenreffer, Lukas Osiander) konfrontiert er mit Zitaten aus Luthers Genesiskommentar, der Kirchenpostille und den Wittenberger, Jenaer und Eislebenschen Ausgaben. Seit 12 Jahren habe er der Verwüstung des Evangeliums zusehen müssen. Die "Hochgelehrten seien ungeistlich, den sogenannten Wiedergeborenen fehle die Kraft des christlichen Lebens. 74 Luther selbst habe bereits prophezeit, dass nach seinem Tod Irrtümer und Schwärmereien unter seinem Namen verbreitet würden. Neudorf bezieht diese Voraussage auf die Lutheraner seiner Zeit. Er sieht sich in dieser Ansicht durch den Freiberger Superintendenten Hieronymus Weller (1499-1572) ebenso bestätigt wie durch den Helmstedter Professor Daniel Hoffmann (1538-1611). Als dritten Zeugen führt er Stephan Praetorius an, den er als den "heiligen und außerwehlten HeilsEngel des allerhöchsten Gottes zu unser zeit" bezeichnet. Dieser habe in seinen Büchern oft über den ,jetzigen jammer" geklagt und die "Unlutherische Lutherischen" ernstlich des Abfalls von der allein seligmachenden Lehre Christi und Luthers beschuldigt.75 Die Zitate sind so ausgewählt, dass Praetorius den lutherischen Predigern seiner Zeit
Gläubigen mit Gott, vgl. Schulz, Gebete Luthers, 38, Anm. 60 und Moller, Cimbria literata, Bd. 11, 579 (nach DBA). 68 Vgl. Neudorf, Der Christen Privilegia, 2. Buch, S. 18. Zu den guten Zeugen zählt er Michael Neander, Theodosius Fabricius (1560-1597) mit seinen "Loci Communes" (vgl. Schulz, Gebete Luthers, 37) und Luther. 69 Vgl. Moller, Praxis Evangeliorum (1601), Vorrede. Dazu Axmacher, Moller, 235fbzw. 232-270. 70 Vgl. Kegels Gebetbuch (Hamburg 1592) und seine "Zwölf Geistlichen Andachten" (Leipzig 1596). Vgl. dazu Althaus, Forschungen, 101-107. 71 Vgl. Gerhard, Meditationes Sacrae, 1606. Dazu Koch, Therapeutische Theologie, 25--46. 72 Vgl. z.B. WCh, Vorrede zum ersten Buch. 73 Vgl. Neudorf, Der Christen Privilegia, Buch 1, Vorrede, S. 113: "welche sämptIich all jhr studium dahin gewandt haben! daß vnser herrliches erkentnis mit vollem schwange in die vbunge wahrer Gottseligkeit gebracht würde". 74 Vgl. Neudorf, Lutherus orthodoxus, 9: "Wir wollen euangelisch sein und himmelsbÜfger heissen! und bleiben in der alten haut hemach als vorhin ... wir haben unser Christenthum nur im wissen! aber nicht im hertzen und in der seelen." 75 Neudorf, Lutherus orthodoxus, 16.
222
die Unkenntnis des Evangeliums (Lehre vom offenbarten Heil) vorwirft.7 6 Die Lehre von der gegenwärtigen Seligkeit aus der Taufe werde verfälscht, falsche Buße gepredigt. Praetorius kritisiert die Disputier- und Ehrsucht der Gelehrten und jungen Prediger und beklagt den jämmerlichen Zustand der Kirche. Er beschuldigt die Herrschenden, dass sie sich von ihren Hofpredigern zu sehr bestimmen lassen. 77 Luther wird nicht mehr wahr- und ernstgenommen. Dass Neudorf Stephan Praetorius als einen Kronzeugen fiir seine Anschuldigungen gegenüber den Lutheranern in Anspruch nimmt, wird auch noch aus einem Zitat am Beginn seines Buches "Lutherus orthodoxus" deutlich, das er in Anlehnung an Praetorius formuliert. 78 Die positive Aufnahme bei Neudorf zeigt einerseits die rasche Verbreitung der einzelnen Traktate. Dabei handelt es sich vor allem um Schriften aus den 90er Jahren. Sie zeigt andererseits, dass die Kritik des Praetorius an den Umständen seiner Zeit auch leicht von anderen aufgegriffen werden konnte, deren positive Zustimmung ihm eher schaden als nützen würde. Johann Valentin Andreae (1586-1654) erwähnt in seinem satirischen Traktat "Menippus" (1617) Praetorius im Zusammenhang mit Luther, Erasmus, Melanchthon, Brenz und Flacius. 79 In dieser kirchenkritischen Schrift wendet er sich u.a. gegen das Übergewicht der Polemik zu Lasten des Erbaulichen. Andreae ist der Meinung, die alten Theologen hätten mehr bewirkt. 80 Eine zunächst überraschende Aufnahme einer Praetoriusschrift findet sich bei dem Tübinger Juristen Christoph Besold (1577-1638), der offenbar gute Beziehungen zu Johann Amdt unterhielt. 81 In seiner juristisch-politischen Erörterung über die Eheschließungen (1621) geht er der Frage nach, was das Ehe-
76 Die Zitate stammen aus Lilium convallium (1578), Kib; Vom Frieden Gottes (1583); Von der ewigen Gerechtigkeit (1583): A5v; A4v. Vom wahren Glauben, Vermahnung an eine Fürstin: A7v; Antwort auf die Frage, ob die Christen ihres Heils Brief und Siegel haben?: A3r; A5r-v; Vom König zu Babel: A6r; A5r; Herzliches Verlangen (1594): A7v; A4r; A7r; Hauptursachen der Pest (1598): A5v; Von der Pest (1598): A3r; Kinder lehre (1600): C4r. Vgl. Neudorf, Lutherus orthodoxus, 16-23. 77 Vgl. Neudorf, Lutherus orthodoxus, 21 über Praetorius: "Seht dajhr Christliche potentaten/ wie der h. mann sein leid in sich hat fressen müssen! vnd es allein dem lieben Gott heimlich klagen: so fehrliche zeit ist es jtzt. was ist aber mit klagen allein außgericht: Wollet aber doch desselben Engels folgende wort in gnaden mit vememen." 78 "Ich Maurititus Neodorpius, rufe auß/ als mit einer grossen posaunen, über die gantze welt: das alle diejenigen! so diese einige wahre lehr Herren Lutheril in diesem buch verfasset! nit lehren noch mit hertzen annehmen und vest halten! ... von Gottes wort und Luthero abgefallen sind: und sage dagegen; daß die kirche/ so da gleubet! daß Gott ... allen wahren gleubigen in Christo einen ewigen glauben und ewige seligkeit gegeben ... allein die wahre kirche Gottes sey.", Neudorf, Lutherus orthodoxus, vgl. Praetorius Vom wahren Glauben (Tr. 7). 79 Vgl. Andreae, Menippus, 10lf: "Confer aliquem mihi cum D. Lutheri lectione, quae antiquitatem onmem absorpsit ... Jam Erasmus eruditionis mare; Philippus onmium scientarum vindex et Phoenix; Brentius Lutheri in Suevia aemulus, Flacius infmitae lectionis et scriptionis heluo; Praetorius octodecim lingua cognitione perfectissimus." 80 Vgl. dazu Brecht, Johann Valentin Andreae, 31lf. 81 Vgl. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, GdP I, 142.
223
recht aus dem Völkerrecht übernehmen solle.82 Es ist die scharfe Kritik des Praetorius an der Lasterhaftigkeit und der Hurerei, die ihn veranlasst, aus dem späten Traktat von 1602 Tausendschönlein aus dem Lustgarten Gottes (Tr. 37) zu zitieren.83 In dieser Schrift bietet Praetorius eine kurze Zusammenfassung christlichen Glaubens und Lebens anhand ausgewählter Bibelverse. 84 Unerwartet ist diese Rezeption in mehrfacher Hinsicht: Besold ist ein breit gebildeter Jurist mit einer chiliastischen Endzeiterwartung, der in einer "strengen spätmittelalterlichen Nachfolgefrömmigkeit" lebt.8 5 Da die Arndtausgabe erst 1622 vollständig vorlag und diese Praetoriusschrift im 2. Teil abgedruckt wird, muss Besold den Separatdruck benutzt haben, fiir den es m.W. keinen Nachweis mehr gibt. Erstaunlich ist auch, dass diese Schrift in Tübingen auftaucht, obwohl die meisten deutschen Drucke in Uelzen und Umgebung entstanden sind. Es könnte deshalb sein, dass Besold die Schrift von Arndt selbst erhalten hat. Der Spiritualist Jakob Böhme (1575-1624) hat Praetorius zwar vermutlich nicht direkt rezipiert. Es gibt jedoch auch bei ihm eine Vorliebe fiir eine allegorische Bedeutung von Blumen. Besonders die Lilie spielt fiir Böhme eine besondere Rolle. Sie ist Symbol fiir die Wiedergeburt im Heiligen Geist. Die Zeit vor dem Ende der Welt ist die "güldene Zeit" oder "Lilienzeit".86 Zwischen 1630 und 1640 gibt es in der Niederlausitz einen Kreis von Anhängern des Praetorius, die dort vermutlich "erbauliche Privatversammlungen" abhielten und sich zu "Gebetsvereinigungen" verabredeten.8 7 Die Schriften von Praetorius nennen sie kurz ihr "Hand-Buch".88 82 Christoph Besold, De Nuptiis. Juridico-politicus Discursus, Tübingen (Alexander Cellius) 1621: "Quid matrimonium habeat exjure gentium primaevo?", 10. 83 "Gravis est detestatio impuritatis et scortationis, apud Stephanum Praetorium ... cujus verba in vernaculo, propter emphasin pondusque quod habere videntur, adscribam", Besold, De nuptiis, 10. 84 Hinsichtlich der Heiligung fUhrt er zu I Thess 4,3f aus: Wer getauft ist, der ist gereinigt vom Schlamm seiner Sünden und ist rein, damit er auch rein bleibe. Wer aber Hurerei betreibt, betrübt nicht nur den Heiligen Geist, sondern zerstört auch sein irdisches Glück. Vgl. AA, 11, 186f. 85 Vgl. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, GdP 1, 154. 86 Vgl. Lurker, Wörterbuch der Symbolik, 423. In einem Brief vom 17.10.1621 an den paracelsistischen Arzt Freudenhammer von Freudenheim spricht er von einer Lilie, die allen Völkern grünt: "Eine Lilie grünet allen Völkern, wohl denen, welche sie ergreifen. Eine Lilie steht von Morgen gegen Mittternacht; welcher dieselbe wird zum Eigentum bekommen, der wird singen das Lied von Gottes Barmherzigkeit und in seiner Zeit grünet des Herrn Wort wie Gras auf Erden", Böhme, Sämtliche Schriften, Bd. 10, Stuttgart 1961,9. 87 Cosack, ascetische Literatur, 82 zieht eine Parallele zu den Spenerschen collegia. Vgl. TPP, 610: "Sondern daß sie auch mit andern dasiger Gegend, die gleiches Sinnes gewesen, in einer innigen, und damals wol gar seltenen Vereinigung gestanden, sich durch GOttes Wort mit denselben unermüdet erbauet, und sich verbunden, auch abwesend ihr Gebet zu gewisssen Zeiten gemeinschaftlich zu verrichten etc." 88 Vgl. TPP, 611. Die von dem Cottbuser Rektor Benedikt Müller und seinem Konrektor Bartholomäus Apitz herausgebrachte Schrift "Etliche Brosamen christlicher Glaubensnahrung" (Frankfurt a.O. 1639) zeigt die Verehrung von Stephan Praetorius. Diese Schrift konnte nicht nachgewiesen werden. Eines der Mitglieder dieser Vereinigung war Sophie von Panwitz auf Catlow.
224
11. Die Geistliche Schatzkammer (1636) von Martin Statius 1. Die Entstehung In Danzig kam es ab 1618 zu dem ersten großen Streit um Johann Arndts
Schriften. l Die Diakone Hermann Rahtmann2 und Michael Blank sowie der Pastor Danie1 Dilger empfahlen das Wahre Christentum von der Kanzel. Im Verlauf des Streites brachte der Hauptpastor Johannes Corvinus Arndt mit Weigel, den Rosenkreuzern und den Schwenckfeldern in Verbindung. Es wurden verschiedene Gutachten auswärtiger Fakultäten eingeholt, die eine kritische Haltung gegenüber Arndt einnahmen. Im Streit zwischen Corvinus und Rahtmann verlagerte sich das Interesse vom Vorwurf des Chiliasmus und der Prädestinationslehre auf die Frage nach dem Verhältnis von Wort und Geist. Martin Statius3 wurde 1617 als Nachfolger von Hermann Rahtmann Diakon an der St. Johanniskirche in Danzig. Er gehörte mit Dilger, Blank und Rahtmann vermutlich zu den Verteidigern von Johann Arndts "Wahrem Christentum" in Danzig. 4 1621 gab er eine Zusammenstellung von Lutherzitaten unter dem Titel "Lutherus redivivus. Dr. Martin Luthers wahres Christentum" heraus. 5 1631 veröffentlichte er den "Lehrspiegel eines wahren evangelischen Christen oder cynosura Apostolica". 1625, drei Jahre nach der Veröffentlichung der Praetorius-Traktate in der Arndtausgabe, erschien der Kurze Auszug oder Vortrab der Geistlichen Schatzkammer im Oktavformat bei den Gebrüdem Stern in Lüneburg. 6 Dieser "Vortrab (prodromus)" lag nach den Angaben des Statius als auszugsweise Vorabveröffentlichung der GS bereits 1624 vor. Vgl. Brecht, Frömmigkeitsbewegung, GdP 1, 143. Hermann Rahtmann (1585-1628), Schule in Ratzeburg und Magdeburg, Universität Rostock, Köln, Frankfurt a.M., Leipzig, Diakon in Danzig 1612, Pastor ebd. 1628. Vgl. dazu Lau, Art. Rahtmann, Hermann, 3RGG 5, 770 (Lit.) und Schnaase, Danzig, 238-262. 3 Martin Statius (1589-1655), geb. in Naugard/ Pommern, Studium Wittenberg 1614, Magister 28.3.1615, Diakon St. Johannis in Danzig 1617, emeritiert 1653, vgl. Jöcher 4, 786f; Matrikel Wittenberg, Jüngere Reihe, 154, Nr. 218. 4 Vgl. Schnaase, Danzig, 239-242. 5 LUTHERUS REDIVIVUS, 11 Das ist: 11 Christenthum 11 Lutheri, 11 Darinnen der wahre, leben= 11 dige Glaube, sein Ursprung und 11 Natur, wie auch Kraffi und Würckung, 11 der wahren Christen Majestät, Herrlichkeit, 11 Heiligkeit und Vereinigung mit Christo, 11 wie auch ihre ungefarbte Liebe und 11 Christliches Leben, 11 Mit Lutheri gantz Christlichen 11 und geistreichen Worten 11 vor Augen gestellet wird. 11 Aus allen Teutschen zu Wittenberg und 11 Jena gedruckten Schriffien, mit großer 11 Arbeit und Fleiß, zusammengetragen, 11 Durch 11 M. MARTINUM STATIUM, Evangelischen Dienern am Worte Gottes 11 zu S. Johann in Dantzig. 11 Franckfurt und Leipzig, 11 Auf Kosten guter Freunde, 1721 Und bey Hrn. Michael Hubert, zu Breßiau, in Commiss·11 6 Ein Exemplar dieser 516 Seiten umfassenden Schrift konnte leider nicht mehr nachgewiesen werden. Das in der Ratsbücherei LÜlleburg ursprünglich vorhandene Exemplar ist bei einem Brand vernichtet worden, s. SVZ. Schnaase, Danzig, zitiert aus der "Censura", s.u. Hartknoch (Preußische Kirchenhistorie, 816) berichtet, daß Statius im "Vortrab" "dem Rathmanno beygefallen" sei. 2
225
Die starke Nachfrage veranlasste Statius zur Drucklegung des gesamten Werkes 7• Die Geistliche Schatzkammer der Gläubigen 8 wurde 1636 bei Johann und Heinrich Stern in Lüneburg erstmals gedruckt und verlegt. Sie umfasst folgende Teile: Titelblatt, Titelkupfer (2 S.), "Des Autoris Ruhm", Dedikationsbrief an Andreas Statius, Vorrede Johann Arndts (Or-2v), Vorrede an den christlichen Leser oder "Hertzliches Verlangen des Autoris nach der Offenbarung des Reichs Gottes" (3r-lOr),9 Vorrede an die Pfarrherrn,1O Historische Relation von einer seligen verstorbenen Frawen,ll Commendatio des Autoris,12 Geistliche Schatzkammer der Gläubigen (S. 1-700), Das erste Tractätlein (S. 700-712), Das ander Tractätlein (S. 713-715), Das erste Register, Das ander Register. Statius vereinfacht den Titel der Arndtausgabe und fasst ihn zusammen: Die Geistliche Schatzkammer enthält die "Lehre vom wahren Glauben! Gerechtigkeit! Seligkeit! Majestät! Herrligkeit! Christlichem Leben vnd heilsamen Creutze der Kinder Gottes".J3 Als neue Stichworte begegnen Majestät, Herrlichkeit und heilsames Kreuz der Kinder Gottes. Die Lehre des Praetorius ist ursprünglich "stückweiß an den Tag gegeben" und 1622 von Arndt gesammelt zum Druck verordnet worden. Der Titel Geistliche Schatzkammer der Gläubigen ist in Anlehnung an die Praetoriusschriften formuliert.J 4 Die beiden Titelkupfer lassen allerdings keine Bezüge zum Titel erkennen. Eine eigentlich zu erwartende Schatzkammer wird nicht dargestellt. Das erste Titelkupfer verherrlicht die "Pietas" in Gestalt einer Frau, die direkt vom Himmel (Jahwe-Tetragramm) mit dem Sonnenlicht beschienen und von den Engeln bewundert wird. Als Leitspruch wird Weish 6,20 genannt: "Wer aber ein Heilig leben füret, der ist Gott nahe". Zu ihren Füßen sitzend, genießen die 7 GS, Widmung: "Als hab ich ... diese Schatzkammer verfertiget! vnd darauß einen Außzug vor diesem zum vortrab herauskommen lassen! welcher bey vielen nach diesen Wercken ein sehnlichs verlangen erwecket hat." 8 Die zahlreichen Ausgaben der Geistlichen Schatzkammer s. SVZ. Im Folgenden wird aus der Ausgabe Lüneburg (Stern) 1644 (Abkürzung: GS) zitiert. Diese Ausgabe (715 S., 12°) stimmt in der Seitenzählung mit der Erstausgabe der Geistlichen Schatzkammer überein, die ebenfalls im Duodezformat (12°,715 Seiten) 1636 bei Stern in Lüneburg erschienen war. 9 AA, I, 867-878 (Tr. 28). 10 AA, I, 762-771 (Tr. 24). 11 AA, I, 885-902 (Tr. 30). 12 AA,II, 116.133-136 (Tr. 34). 13 GS, Titelblatt. Als biblisches Motto ist Lk 17,21 ("Das Reiche Gottes ist inwendig in euch.") gewählt. Dieses Bibelwort ist auch dem Weh vorangestellt. 14 Vgl. AA, I, 819: "Darumb/ aIßbald ein gleubiges vnd getaufftes Kindelin zu seinem Verstandt kömpt! sind die Eltern schüldigl daß sie dasselbige in seine Schatzkammer fUhren! vnd jm die gülden stück seines heils zeigen", vgl. auch AA, I, 280.344. In der Schatzkammer (gazophylacium) werden die Schätze aufbewahrt, es kann auch im übertragenen Sinn verstanden werden, z.B. als poetische Schatzkammer, vgl. Grimm, Wörterbuch, Bd.8, 2287. Der Titel Geistliche Schatzkammer begegnet später auch als katholische Sammlung der Gebete und frommen Werke, fiir die die Päpste Ablaß gewährt haben. Vgl. die von einem Jesuiten herausgegebene "Geistliche Schatzkammer, das ist: Lehr= Gebet= und Betrachtungs=Büchlein fiir fromme Katholiken, welche sich der ewigen Glückseligkeit theilhaftig machen wollen", Augsburg 1837 (Gesamtverzeichnis, Bd. 124, 104).
226
Kinder Wasser (oder Wein) (Sir 16,6: "Das hab ich mein tag viel gesehen vnd noch viel mehr gehöret") und Brot (Ps 37,25: Ich bin iung gewesen, vnd alt worden, vnd hab noch nie gesehen den gerechten verlassen, oder seinen samen nach Brodt gehen"). Das zweite Titelkupfer zeigt unter der Überschrift "Schatz Kamer darin die lehr von der Mayestet der kinder Gottes. Luneb: bey Hans v. Heinrich Stern" biblische "Versuchungsgeschichten" (Weish 3,5: "Gott versucht sie, vnd findet sie das sie sein werd sein"): Elia, der am Bach Krit von den Raben versorgt wird (I Reg 17, 6); Daniel in der Löwengrube (Dan 6). Das Hauptthema der Geistlichen Schatzkammer ist das vorangestellte Bekenntnis des Praetorius, "daß vns Gott schon selig gemacht habe/ in der Tauffe".J5 In seiner Widmung vom 1.9.1635 an seinen Vater Andreas Statius, den emeritierten Bürgermeister von Naugard, begründet der Sohn die Herausgabe und Bearbeitung der Praetorius-Traktate. Trotz Angst, Unfriedens und Elends ist die Gegenwart fiir alle wahren Christen, "die das helle Liecht des H. Evangelii haben! vnd aus demselben sich vnd Gott recht erkenen", eine goldene und angenehme Zeit, weil Gott die Himmelspforte geöffnet und die himmlischen Schätze in seinem Wort geschenkt hat. Als "Herrn vnnd geistliche Könige" sind die Gläubigen "allbereit in diesem gebrechlichen Sünden Leben herrlich! gerecht! heilig vnnd selig".16 Im "freywilligen kindlichen Geiste" dienen sie Gott aus Dankbarkeit. 17 Um sie zur Erkenntnis des höchsten evangelischen Schatzes zu bringen, hat Praetorius beschrieben, "was die wahren Christen in Christo fiir thewre Gnadenschätze haben".J8 Er wollte "die Hertzen aus dem Schlafe der Sicherheit! ihr Heyl zuerkennen! vnd anzunemen" ermuntern.l 9 Die Ausgabe Amdts, der "ein vornemer Theologus" genannt wird, ist jedoch "fiir die faulen zu weitleufftig", wegen des kleinen Druckes schlecht lesbar und ihr "Kern" ist an vielen Stellen zerstreut. "Als hab ich mich nicht verdriessen lassen! nach vielfaltiger fleissiger Durchlesung beregter (d.h. berührter) Tractätlein! den rechten Kern darauß zunemen! denselben in zimliche richtige Ordnung zubringen! vnd daraus diese Schatzkammer der Gläubigen! den trostlosen! gnadenhungerigen vnnd Christlichen Hertzen zum Trost vnd besten zu verfertigen. "20 Ziel war es also, den Skopus des Autors zum besseren Verständnis fiir den Leser herauszustellen. Durch ein katechismusartiges Schema von Frage und Antwort und durch zwei Register wurden die Worte des Autors "in ein Corpus vnd richtige ordnung" gebracht. 21 Wenn die Geistliche Schatzkammer "im Geist! vnd mit Andacht" 15 Zur biblisch-reformatorischen Legitimation fUgt er dem Bekenntnis aus AA, I, 188 die biblischen Belege Tit 3,5; Eph 2,8; Mk 16,16 und ein Lutherzitat aus der Kirchenpostille hinzu: "Die Seligkeit ist nicht feme von vns/ ... Denn der HErr CHristus hat vns schon selig gemacht". 16 GS, Widmung, 3r-v. 17 GS, Widmung, 4v. 18 GS, Widmung, 6r. Diesen Gedanken hatte auch Amdt in seiner Vorrede zum Ausdruck gebracht. 19 GS, Widmung, 6v. 20 GS, Widmung, 7r-v. 21 GS, Widmung, 7v. 227
gelesen wird, bringt sie dem Leser Trost und Lehre. Seinem Vater dankt Statius für die materielle Unterstützung. Weil er seinen leiblichen Schatz angegriffen hat, will sein Sohn ihm einen geistlichen Schatz übermitteln. Ursprünglich beabsichtigte Statius, den göttlichen Schatz in eigenen Worten darzustellen. 22 Nach Anfertigung eines Konzeptes geriet er jedoch in den "Geist vnnd trostreichen Wald der schönen Tractätlein M. Praetorij", an denen er seine bereits an Luther erprobte ordnende Methode ebenfalls anwandte. Gegenüber der Vorlage wird keine theologische Kritik geübt. 23 Statius ist also der Meinung, die Intention des Praetorius richtig wiederzugeben. Er räumt ein, dass die Traktate manchem unverständlich sind und deshalb durch seine Ordnung besser verstehbar gemacht werden sollen. 24 Insbesondere die Fülle der sprachlichen Bilder und ihre emotionale Färbung dürften ihn jedoch beeindruckt haben. Die paränetische Intention, die bei Arndt bereits anklingt, wird von ihm noch verstärkt. Es ist das Motiv der spontanen Dankbarkeit für die empfangenen Wohltaten, das zur wahren Gottseligkeit bzw. zu einem neuen geistlichen und christlichen Leben antreibt. 25 Dieses paränetische Interesse wird auch an den beiden Hauptabschnitten über das tugend- und kreuzreiche Leben der Kinder Gottes deutlich. Ein analysierender Vergleich mit der Arndtausgabe von 1622, die Statius benutzte,26 zeigt das Ordnungsprinzip des Statius auf und erklärt seine Auslassungen. Dabei lässt sich erkennen, aufgrund welcher theologischer Kriterien die Auswahl erfolgte. Da es Statius auf den "rechten Kern" der Traktate ankommt, nimmt er auf ihren zeitgeschichtlichen Bezug keine Rücksicht. Alle Titel, Anreden und Widmungen streicht er. Der größte Teil der Vorreden wird ebenso ausgelassen wie Traktate mit eindeutig zeitgeschichtlichem Hintergrund (z.B. Türken, Pest, Seefahrt).27 Neben der Vereinfachung ist aber auch ein apologetisches Interesse sichtbar. Anstößige Passagen werden in der Regel 22 Dazu verweist er auf seine Schrift "Cynosura Apostolica Evangelicorum". Vennutlich wurde diese Schrift zwar von Statius konzipiert, aber nicht gedruckt, vgl. auch Spener, Briefe, 1, Nr. 120,55-57. 23 "Denn dieser Mann hat alle vorberegte Stück mit frölichem Geiste gantz geistreich aus GOttes Wort also außgefiihreti daß es müglich nicht groß kan verbessert werden ... Ich habe mich aber/ so viel müglich/ befliessen! des Autoris Wort zu behalten! die ich verhoffentlich also connectiret, ob sie wol bald hinden! bald fome/ bald aus der mitte genommen! als wenn der Autor selbst diese Schatzkammer angefertiget", GS, Widmung, 7v. 24 ,ja wohl auch etlichen! was dieses geistreichen mannes Zweck sey/ gar vnvememlich seyn mag", GS, Widmung, 7r. 25 GS, Widmung, 4v; 6v. 26 Neben inhaltlichen Bemerkungen enthalten die Randglossen der Geistlichen Schatzkammer den Verweis auf den jeweiligen Ort in der Amdtausgabe. Die lateinischen Schriften des Praetorius waren Statius offenbar unbekannt oder fiir seinen Zweck ungeeignet, da sie an keiner Stelle erwähnt werden. 27 Es fehlen ganz oder fast völlig Tr. 15 (Danksagung rur die Menschwerdung), Tr. 45 (Vom König zu Babel), Tr. 46 (Trost gegen die Türken), Tr. 47 (Trostschrift an die Hochbetrübten von Antort), Tr. 48 (Seefahrer Trost), Tr. 49 (Von der Pest), Tr. 50 (Hauptursachen der Pest), Tr. 54 (Weine nicht), Tr. 55 (Witwentrost), Tr. 56 (Witwen Röslein), Tr. 57, (Manus Christi). Gelegentliche Erwähnungen von Kometen werden ebenfalls gestrichen. 228
getilgt oder in einen unverfänglicheren Zusammenhang gestellt. Während der Traktat Von der gülden Zeit (Tr. 1) ausführlich zitiert wird, werden die Herrlichen Weissagen der Sibylle (Tr. 3), aus denen das Stichwort der "güldenen Zeit" stammt, und die Visiones (Tr. 35) mit keinem Wort erwähnt. Auch die knappen Andeutungen über den Chiliasmus und die Wiederbringung aller Dinge entfallen.2 8 Vermutlich sollte Praetorius vor entsprechenden Vorwürfen geschützt werden. Die geistlichen Lieder entfallen ebenso wie zahlreiche Gebete, die Z.T. für einen konkreten Anlass formuliert wurden.29 Während die Lutherzitate weitgehend übernommen werden, streicht Statius die meist längeren lateinischen Zitate aus antiken und reformatorischen Schriften.3 0 Insgesamt dienen die Auslassungen dazu, die Praetoriusschriften nicht nur erneut zugänglich zu machen, sondern sie auch von missverständlichen Passagen zu befreien. Durch eine neue Ordnung der Texte, die in zwei Registern vorgestellt wird, soll der Skopus des Praetorius deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Mit Hilfe von Fragen und Antworten entsteht eine Art "Katechismus", der leichter lesbar ist als ein zusammenhängender Text.3 l Die Beschreibung der himmlischen Schätze bzw. der "güldenen Zeit" steht in einem Kontrast zur negativen Erfahrung der eigenen Zeit- und Lebenssituation. Die allgemeinen Lebensumstände sind vom Erleiden des 30jährigen Krieges geprägt. Speziell in der Gemeindepraxis ist eine wachsende Kluft zwischen den "Maul- und Heuchelchristen" und den "wahren Christen" festzustellen. Statius hatte in der Vorrede zum "Lutherus Redivivus" geklagt, dass die nach Heiligung strebenden "wahren Christen" als "Perfectisten" geschmäht würden.3 2 Die "Maulchristen" wollten nicht glauben, dass der Christ schon in diesem Leben selig ist. 33 Damit lehnten sie auch die Notwendigkeit einer BesseChiliasmus: AA, I, 370; Wiederbringung: AA, 11, 587, 590. Tr. 38 (Blümlein der Liebe), Tr. 39 (Neuer fröhlicher Dankpsalm), Tr. 40 (Neue geistliche Lieder). 30 Dazu gehören Pseudo-Dionysius, Melanchthon, Agricola und Chytraeus. 3l "vnd habe also nit mehr bey diesem Wercke thun wo lIen! als daß ich seine Sachen! die vnterschiedlich abgehandelt werden! in ein Corpus vnd richtige Ordnung! welche in folgenden 2. Registern rur Augen gesteIlet wird! zusammen bringen! vnd durch Frag vnd Antwort (weIche anmutiger vnd besser zu lesen vnd zuverstehen! als ein perpetuus contextus) den scopum vnd eigentliche Meinung seiner Schrifften dem Leser deutlich rur Augen malen möchte! obs vieIIeicht also desto williger von mehren möchte angenommen! fleissiger gelesen! vnd besser verstanden werden.", GS, Widmung, 7v-8r. 32 Lutherus Redivivus, Vorrede, B5r. 33 "Daher kan und will ein solcher Gläubiger nicht gläuben, daß er schon selig sey, durch den Glauben an Christum, sondern will erwarten, was im letzten Stündlein GOtt mit ihme machen woIIe: Denn da woIIe er sich von Sünden, darinnen er lebet, und sein Leben gedencket zu voIIbringen, bekehren, und in solcher Bekehrung an Christum gläuben (gerade als stünde aIIes in seinen Händen) und also endlich in fine vitae seliglich sterben. Gläubet demnach auch nicht, daß das ewige Leben in ihm schon habe angefangen ... Er will auch in Christo allhie in diesem Leben nicht gerecht, heilig, vollkommen, und rein von Sünden seyn: Denn er will gar nichts von solcher Heiligkeit der Gläubigen in Christo wissen, sondern klagt nur stets heuchlerischer Weise über eitel Sünde (zweiffels ohne, weil er täglich in vorsetzlichen Sünden lebet) beklaget sich, daß er ein armer Sünder sey, bessert sich aber gleichwol nicht, ... und verketzert die wah28
29
229
rung ihres Lebens ab. Statius will das Bemühen der "wahren Christen" um ein heiliges, vollkommenes Leben unterstützen. Dazu beruft er sich auf Paulus und Luther. Den Gläubigen sollen einerseits zur Vergewisserung ihres Heils die himmlischen Schätze vor Augen gestellt werden, andererseits sollen sie vor einem antinomistischen oder libertinistischen Missverständnis der gegenwärtigen Seligkeit bewahrt werden. Praetorius hat - aus Paulus und Luther schöpfend den wahren Christen ihre Gnadenschätze vorgestellt. Mit Ausnahme der "Vorrede an die Pfarrer" (Tr. 4) verzichtet Statius auf zahlreiche kritische Bemerkungen des Praetorius gegen die Lehrer, Prediger, Pfarrer und Doktoren seiner Zeit. Nicht nur die veränderten Zeitumstände, sondern auch die Vorsicht vor den möglichen Angriffen "orthodoxer" Kollegen dürften die Gründe fiir diese Auslassungen sein. Die kritischen Aussagen konnten als Infragestellung der lutherischen Kirche verstanden werden. Mehr als die Vorrede vermuten lässt, hat Statius also sehr wohl missverständliche Passagen getilgt und so die polemische Intention des Praetorius entschärft. Da er jedoch mit Ausnahme von Kürzungen und Umstellungen nicht direkt in den Text eingreift, blieben auch nach der Bearbeitung noch genügend Aussagen, die Missverständnisse oder Kritik provozieren konnten.
2. Der Inhalt Die Geistliche Schatzkammer ist in sieben Bücher gegliedert. Statius orientiert sich dabei am Bild des Schatzes. Im ersten Buch wird der Schatz der Seligkeit der Gläubigen vorgestellt. Ausgangspunkt ist die Vereinigung mit Christus und die Gemeinschaft seiner Güter. Die Hauptlehre des Evangeliums ist, dass Gott die Gläubigen selig gemacht hat. Die Güter Christi sind Sündenvergebung, vollkommene, ewige Gerechtigkeit, Gnade, Gotteskindschaft, Heiliger Geist und ewiges Leben. Von Christus, dem Erwerber des Schatzes der Seligkeit, handelt das zweite Buch. Die Inkarnation, die Passion, ihr Nutzen und die Auferstehung sind die christologischen Themen. Im dritten Buch werden als Mittel zur Darreichung und Annahme des Schatzes der Seligkeit die Taufe,34 das Evangelium und der Glaube genannt. Die Siegel und Briefe, die Gott zur Versicherung des Schatzes gegeben hat, sind der heilige Geist und das Abendmahl (viertes Buch). Das fünfte Buch stellt die Majestät und Herrlichkeit der wahren Christen heraus.35 Dazu gehören die Vereinigung mit Christus, seine Einwohnung und sein Schutz, die Reinheit der wahren Christen, ihr ruhiges Gewissen und ihr Sieg über Tod, Teufel und Hölle. Im sechsten Buch wird der heilsame Gebrauch des Schatzes erklärt. Erkenntnis, Beschauung und Annahme des Heils sind die Voraussetzungen fiir Friede, Freude, Dank, Absage an das Zeitren Gläubigen aufs ärgste, ruffet sie aus fiir Perfectisten und dergleichen Schwiinner", Lutherus Redivivus, Vorrede, B4v-5r. 34 Lob und Preis der heiligen Taufe" (Tr. 10) wird vollständig wiedergegeben. 35 Der gleichnamige Traktat (Tr. 2) wird vollständig zitiert.
230
liche und die Gottseligkeit der Kinder Gottes. Das siebte Buch handelt vom tugend- und kreuzreichen und vom ewigen Leben der wahren Christen. Dazu gehören ein gottseliges Leben, Buße, Kreuz, Leiden und Trost in Krankheit und Anfechtung.3 6 Vergleicht man die Geistliche Schatzkammer mit einer traditionellen nach Loci gegliederten Dogmatik, stellt man ein Schwergewicht in der Darstellung der Heilsgüter des Christen fest. Gottes- und Trinitätslehre stehen deutlich hinter Christologie und Pneumatologie zurück. Taufe und Abendmahl werden wie bei Luther nicht gemeinsam als Sakramente behandelt. Während Taufe und Evangelium in der Darreichung des Heils auf die Seite Gottes gestellt sind, rücken Geist und Abendmahl als Mittel zur Vergewisserung in den subjektiven Bereich des Menschen. Die Vereinigung mit Christus erhält einen hohen Stellenwert. Buße, Kreuz und Leiden gehören zwar noch zum Leben der Christen, von einer bleibenden Spannung zwischen Gebrochenheit und Vollendung ist jedoch keine Rede mehr. Die Ekklesiologie wird nicht eigens thematisiert, sondern vorausgesetzt. Zwischen den Kindern Gottes und den Kindern der Welt wird streng unterschieden. Die Kirche als "corpus permixtum" kommt nicht in den Blick. Die Geistliche Schatzkammer ist in erster Linie ein Buch für die "wahren Christen". Den Gläubigen werden die himmlischen Schätze bereits in ihrem jetzigen Leben ausgeteilt. Hinsichtlich seines Sündenverständnisses wird Praetorius von Statius korrigiert. Er streicht Passagen, in denen in missverständlicher Form von der Sündlosigkeit der Gläubigen gesprochen wird.3 7 Der qualitative Unterschied zwischen den Gläubigen und den Engeln bzw. Christus muss seiner Ansicht nach beibehalten bleiben und darf nicht nivelliert werden. Von einem Nicht-sündigen-Können der Gläubigen darf man nicht sprechen. Die Gläubigen sind nicht in der Weise von der Sünde freizusprechen, dass diese als Eingebung des Teufels bezeichnet wird.38 Die Verantwortlichkeit für die Sünde bleibt demnach bestehen. Äußerungen über die Vollkommenheit der Gläubigen streicht Statius dann, wenn das Bemühen um die Heiligung als überflüssig erscheinen könnte. Nicht die Bezeichnung der Christen als "vollkomKranken Trost (Tr. 52) wird vollständig wiedergegeben. Vgl. AA, I, 238: "Vnd wo man von Sündern oder Sünden sagt! so sollen sie sichs nicht annemen! sondern sprechen: Ich bin heilig vnd rein! Was habe ich damit zu schaffen." AA, 11, 51: "wir sind filr ihm! als die reine klare Sonne/ ja als die heiligen Engel/ welche nicht sündigen können." AA, 11, 17: "wir sollen filr GOtt vollkörnlich gerecht seyn/ aller ding wie Adam vor seinem Fall gewesen! ja wie JEsus Christus selber ist ... Denn gleich als vns Adam seine sündliche Natur angeerbet! vnd also mitgetheilet hat! daß sie vnser eigen worden! Also hat vns JEsus Christus seine Gerechtigkeit angeerbet! vnd also mitgetheilet! daß sie vnser eigen worden." Vgl. auch AA, I, 548; AA, I, 721; AA, 11, 59; AA, 11, 296. 38 Vgl. AA, I, 371: "Denn alle grewliche Lesterungen! welche ein frommer Christ in seinem Hertzen wider den HERRn Christum vnd seinen heiligen Geist fiihlet! die kommen gewißlich vom Teuffel her/ vnd sind ... vbernatürliche/ gewaltsame/ eingedruckte Teuffels Gedancken ... Der fromme Gerson heissets peccatum passivum ... wie es vmb aller Heiligen Sünde fast so gewand! daß sie mehr leidende oder erlittene Sünde/ denn thetige Sünde seyn." Vgl. auch AA, I, 643. 36 37
231
men" ist ein Problem, sondern das damit verbundene mögliche libertinistische Missverständnis.39 Die Betonung der gegenwärtigen Seligkeit und der Sündlosigkeit der Christen fUhrt bei Praetorius zu Äußerungen über die Unverlierbarkeit der einmal in der Taufe geschenkten Gnade. Vermutlich, um mögliche Missverständnisse zu vermeiden, als handle es sich dabei um eine calvinistisch beeinflusste Prädestinationslehre, tilgt Statius Passagen, in denen von der Unverlierbarkeit der Gnade die Rede ist,40 oder die eine Prädestinationslehre vermuten lassen. 41 Ein Beibehalten prädestinatianischer Aussagen würde die Geistliche Schatzkammer in den Verdacht des Kryptocalvinismus bringen, auch wenn Praetorius keinen doppelten Ausgang des Gerichts lehrt und seine Abendmahlslehre eindeutig anticalvinistisch ausgerichtet ist. Statius streicht Äußerungen, die ein antinomistisches Missverständnis hervorrufen könnten. So verzichtet er z.B. auf ein Lutherzitat, in dem der "Gesetztreiber" dem "Gnadenprediger" gegenübergestellt wird.42 Praetorius scheint zumindest einen tertius usus legis abzulehnen, womit er in einem gewissen Widerspruch zur Konkordienformel stünde. 43 In der Konsequenz seiner Theologie liegt es, dass er kaum noch einen Unterschied zwischen Christus und den 39 AA, 11, 172: "Wer durch Christi Blut einmahl geheiliget! oder von seinen Sünden gereiniget ist! der ist geheiliget! vnd darff keiner newen heiligung mehr/ durch kelber oder Ochsen blut! oder durch andere mitteil wie dieselben können einen Namen haben ... Ein solcher ist vollendet! das ist! volkömlich geheiliget in ewigkeit." AA, I, 628: "Vnd sind nun vberauß selige Leute worden! daß vns niemand mit fug einerley Sünde beschuldigen vnd verdammen kanl Ja daß wirs den heiligen Engeln weit zuvor thunl nach demmahl wir nicht Engelische Gerechtigkeit! sondern dein selbst eigen Gerechtigkeit erlanget vnd angezogen haben." 40 AA, I, 221 f: "Denn die lieben Auserwehlten Gottes haben durch Gottes Gnade vnd Krafft einen ewigen vnvberwindlichen Glauben in ihren Hertzen. Sie sind! bleiben! leben vnd schweben stets im Glauben. Ja der Glaube ist! bleibet! lebet vnd schwebet stets in ihnen ... Deswegen so haben auch die lieben Auserwehlten ein ewiges Heyll weil sie einen ewigen Glauben haben." AA, I, 467: "Gott gibt nicht! vnd nimrnet es wieder/ vnd gibts damach wider/ Sondern was er gibt! das gibt er vns perpetuo iure, zur ewigen besitzung! vnd nimpts vns nicht wider." AA, I, 477: "Mehr Sprüche von der ewigen vnwiederrüflichen Gnaden Gottes werden anderswo angezogen." 41 AA, I, 178: "Diesen hohen Trost! vom ewigen Rath Gottes/ gönnet vns der leidige Teuffel nicht! darum treibt er seinen Mutwillen damit! vnd machets also/ dz wir jn kaum rein behalten können. Ein jeder will die Lehre von der Praedestination außlegen nach seinem Kopffe/ vnnd wenig sind die auff der rechten Bahn bleiben ... Denn sie wollen nicht! daß Gott solle einen Menschen anfenglich zu seinem Reiche erwelen ... Viele lachens/ wenn wir sprechen! daß vns vnser Heyl von Gott versehn sey/ ehe der Welt Grund ist gelegt worden". Vgl. auch AA, I, 60; AA, 1,179; AA, I, 603; AA, 11,171; AA, 11,285; AA, 11, 570. 42 AA, I, 274: "Ein Gesetztreiber dringet mit drewen vnd straffen! Ein Gnadenprediger aber reitzet vnd locket mit erzeigter Göttlicher Güte vnd Barmherzigkeit" (Luther, Winterpostille, 187). 43 AA, I, 672: "Wenn man aber seine Natur vnd Sünde erkennet! so gibt man dem Gesetz vrlaub/ vnd bleibet bey der Vergebung. Denn das Gesetz ist nur ein Führer zu Christo/ in des Gezeiten man immer bleiben muß/ vnnd nicht widerumb zum Führer kehren." AA, 11, 201: "Auff daß ich also nicht mehr vnter dem Gesetze/ sondern vnter der gnedigen regierung Christi sey. Denn wer den Geist JEsu Christi hat! der ist nicht mehr vnter dem Gesetze/ sondern vnter ChristoAA, 11, 177: "Wer an Christum gleubet! der hat das gantze Gesetz erfüllet! vnd darff sich nicht ... entsetzen! wenn er die Gebot ansihet! als hett er sie nicht gehalten". Vgl. auch AA, 1,686; AA, 11,274; AA, 11, 297.
232
Christen machen kann. 44 Hinsichtlich der Taufe wird die BetUrwortung des Taufexorzismus von Statius nicht übernommen. 45 Praetorius ist der Meinung, dass die Taufe der Christen wegen der Sünden nicht verleugnet werden darf. 46 Die Buße ist :für Statius Aufgabe der wahren Christen. Darum verzichtet er auf Aussagen des Praetorius, die der Buße einen zu geringen Stellenwert :für Christen zumessen. 47 Abgesehen von den in seiner Zeit nicht mehr verständlichen zeitgeschichtlichen Bezügen der Praetoriustraktate ist die Geistliche Schatzkammer der Versuch, die theologischen Aussagen des Praetorius weiterzutradieren und gleichzeitig Missverständnisse und Angriffe auf ungeschickte oder falsche Formulierungen zu vermeiden. Dabei ist Statius der festen Überzeugung, die Intention des Praetorius richtig wiederzugeben. Es findet also insofern ein "Verkirchlichungsprozeß" statt, als möglichen Beschuldigungen wegen Heterodoxie vorgebeugt werden sol1.48 Dabei findet auch eine Verschiebung hinsichtlich der Adressaten statt. Während die Praetoriustraktate als Predigten ursprünglich in der Regel an die ganze Gemeinde oder an Menschen in besonderen Lebenssituationen (z.B. Witwen, Kranke, Seeleute etc.) gerichtet waren, stehen Statius die "wahren Christen" vor Augen. Den "Frommen" gelten die vorgestellten Gnadenschätze, die sie erkennen, annehmen und ihr Leben danach ausrichten sollen. 49 Allerdings ist auch bei Praetorius eine solche Tendenz schon erkennbar. Insgesamt verbindet Statius also ein didaktisches, apologetisches, consolatorisches und paränetisches Interesse miteinander. Mit seiner Auswahl und Darstellung prägt er die Wirkung des Praetorius so, dass sie als ein Buch der Frommen rezipiert wird, die sich damit ihrer Seligkeit vergewissern konnten. Hinsichtlich der Wirkungsgeschichte der Geistlichen Schatzkammer ist daher sowohl zu prüfen, ob sich der o.g. Verkirchlichungsprozess fortsetzt, als auch, ob eine Inanspruchnahme seitens der "Frommen" festzustellen ist. Zunächst muss jedoch auf den Danziger Streit um die Geistliche Schatzkammer eingegangen werden.
44 AA, I, 479. 45 Vgl. AA, I, 484-486. 46 AA, 11, 62: "Vnd schawet nicht zu sehr auff die Splitter in ihren Augen! als müste man von deßwegen die Tauffe an ihnen verleugnen! vnd sie des geschenkten Heyls berauben ... Denn ihr könnet vielleicht wol Balcken tragen! da die andern kaum Splitter tragen." 47 AA, I, 860: "woher sind denn die dogmata, welche öffentlich außsprengen, daß ein armer gefallener Mensch! da er vielleicht noch nicht gebüsset! oder noch nicht außgebüsset hat! die Gnade Gottes vnd den heiligen Geist verlohren! vnd numehr in Gottes höhestern Zorn vnd Vngnaden sey. Ich halte sie seyn auch vom Teuffel". AA, 11, 46: Die Buße soll gemäßigt sein, denn von zuviel Trauern kommen Krankheit und Tod. 48 Damit hatte Statius zunächst auch Erfolg. Während der "Vortrab" fast 20 Jahre unbehelligt blieb, setzte erst mit der Geistlichen Schatzkammer die Kritik ein. 49 "Als hab ich zwar allen wahren Christen zum besten! insonderheit aber euch zum Trost! diese Schatzkammer verfertiget ... Werdet jhr nun in derselben! ... ewer geistliche Schätze vnd Kleinöder wol beschawen! erkennen! mit fästem Glauben annemen! vnd in denselben! wie jhr thut! wirdiglich wandeln", GS, Widmung.
233
3. Die Danziger Streitigkeiten Nach der Beendigung des "Rahtmannschen Streites" wandte sich das Danziger Ministerium unter Johannes Corvinus 1636 der Geistlichen Schatzkammer zu und verfasste am 17.11.1636 eine ausfiihrliche Zensur der Statianischen Schriften. so Im ersten Teil wurden allgemeine Fragen, im zweiten Teil zehn Glaubensartikel abgehandelt. Die allgemeinen Vorwürfe gegenüber Praetorius und Statius richteten sich vor allem gegen ihre Kritik an der lutherischen Kirche. Praetorius habe die Kirche angeklagt, dass sie nur ein Buchwissen besitze, aber nicht auf eine Hei1igung des Lebens dringe. In der evangelischen Kirche sei weder apostolisch noch lutherisch gelehrt worden. Anstatt des wahren seligmachenden Glaubens habe nur ein toter, historischer Glaube geherrscht. 51 Praetorius und in seinem Gefolge auch Statius verurteilten alle Prediger zur Verdammnis, die sich nicht ihrer Lehre von der gegenwärtigen Seligkeit anschlössen. 52 Im zweiten Teil wurden die einzelnen Vorwürfe entfaltet 53 ein verflachter Sündenbegriff,54 ein osiandrisches Verständnis von der Gerechtigkeit des Glaubens,55 ein reformiertes Taufverständnis,56 ein schriftwidriges Bußverständnis und ein antinomistischer Begriff des Gesetzes. 57 Den Artikel von der Einwohnung Christi in den Gläubigen sah das Danziger Ministerium als so verfälscht an, dass sich Osiandristen, Schwenckfelder, Weigelianer und Anhänger Ezechiel Meths darauf berufen könnten. 58 Im Artikel von der Emeuso "CENSURA SCRIPTORUM Stephani PRAETORII; EX M.M. STATII Diac. ad D. Johann. H. Reverendo MINISTERIO DANTISCANO autore Anno 1636, ex 17. Novemb.". Das Manuskript dieser Schrift wurde dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von der LuFB Gotha (Chart A 288),87-107. Vgl. dazu Schnaase, Danzig, 263-269. SI Vgl. die Dedikation der "Cynosura", zitiert nach "Censura", 87f: "An stat des waren, seligmachenden glaubens, hatt der ertichtete, todte und blosse Historische glaube mehrentheils nur geherrschet, welcher seligkeit, herrligkeit und gerechtigkeit, samt dem Neuen Leben in jene welt setzet, und alliier zum Bubenleben Thür und Fenster öffnet." 52 Vgl. Censura, 90. 53 Vgl. Schnaase, Danzig, 265-267. 54 Z.B. "Wir sein so gerecht und rein als Christus.", Censura, 90 (GS, 17,21,230,478). "Bey den gliedern Christi sind Sund und Todt nur blosse Namen, larvae sectra sunt", Censura, 90f(GS 229). 55 Die Gerechtigkeit Christi werde nicht nur zugerechnet, sondern eingegossen und mitgeteilt wie ein heiliger Fluss aus dem Himmel, vgl. Censura, 92. 56 Praetorius lehre die Unverlierbarkeit der Gnade und des heiligen Geistes, der in der Taufe den Auserwählten gegeben sei. Statius berufe sich auf die Unverlierbarkeit der Vergebung und tue dies mit denselben biblischen Belegen wie die Reformierten (z.B. Röm 11,29; 11,2; 8,35; Joh 14,16 etc.). Den Vorwurf des Weigelianismus müsse er sich gefallen lassen, wenn er behaupte, die Taufe mache uns zu Christus. Vgl. dazu Censura, 94f. 57 Die Gläubigen bedürften keines Gebotes mehr, weil sie der Geist Gottes regiere, vgl. Censura, 96. 58 Die Taufe macht uns zu Christus, ja ich bin Christus, Christus vermenscht sich durch seinen Geist in uns und wir werden in i1un durch denselben vergottet, vgl. Censura, 97. Esajas Stiefel (ca. 1565-1626) und sein Neffe Ezechiel Meth vertraten ab 1605 in Kursachsen und Erfurt zusammen mit ihren Gesinnungsgenossen als Anhänger Valentin Weigels einen christlichen Perfektionismus, der mit einer scharfen Kritik am kirchlichen Amt verbunden war. Vgl. dazu Meder, Art. Stiefel, Esajas, 21-24; Meder, Der Schwärmer Esajas Stiefel, 93-128.
234
erung des Christen warf man Praetorius Überheblichkeit und Heuchelei vor. Hinsichtlich der guten Werke übten die Danziger Kritik an der Ansicht des Statius, sie seien notwendig zur Seligkeit. Statius antwortete dem Danziger Ministerium im Januar 1637. Er verwies auf die Arndtausgabe der Praetorianischen Schriften, die bislang unangefochten geblieben sei. Die Geistliche Schatzkammer sei ohne seine "Beförderung und Verlag" herausgekommen, das Manuskript dazu habe er schon 1624 fertiggestellt. Er habe den beendeten Streit (um Rahtmann) nicht erneuern wollen und Praetorius müsse mit seinen eigenen Worten erläutert werden. Praetorius rede gelegentlich ungewöhnlich, übertrieben und geisterfiillt "wie ein leiblich Trunkener".59 Statius wies den Vorwurf der Schwärmerei zurück und führte zu seiner Verteidigung einige Lutherzitate an. Er beteuerte seine Übereinstimmung mit der CA, der Konkordienformel und Luther selbst. Mit der Kritik am scholastischen Gezänk habe er keinen seiner Danziger Kollegen persönlich angreifen wollen. 6o Statius stellte die Absicht des Trostes in den Vordergrund. Praetorius habe die Gläubigen meist aus dem "Stand der Gnade" heraus betrachtet. Dies müsse jeweils genau berücksichtigt werden. Insgesamt nahm er Praetorius in Schutz und interpretierte ihn von der melanchthonischen Imputationslehre her. Dabei verwendete er sowohl Praetorius selbst als auch die Schriften von Luther und Brenz. Das Danziger Ministerium erließ daraufhin eine Erklärung, in der die umstrittenen Begriffe wie beatitudo, regnum, bona gratiae et gloriae, vita und possessio (Seligkeit, Reich der Güter der Gnade und der Herrlichkeit, Leben und Besitz) in ihrem falschen und richtigen Verständnis gegenübergestellt wurden. Der Streit, der sich zunehmend auf die Interpretation einzelner Aussagen des Praetorius konzentrierte, schwelte bis 1643 weiter. In diesem Jahr trat Abraham Calov (1612-1686)61 in das Danziger Ministerium ein. Er beendete den Disput durch eine Reihe von Thesen und Antithesen, die Statius zur Unterschrift vorgelegt wurden. Darin ordnete sich dieser der Ansicht des Ministeriums unter und erklärte seine Rechtgläubigkeit. Er betonte, dass alle seine Aussagen im Sinn dieser Thesen verstanden werden müssten. Die Unterschrift des Statius unter diese Erklärung kam einer Revokation gleich. Das betonte Calov auch in seinem Hauptwerk "Systema locorum theologicorum" (1655-1677). Unter der Fragestellung, ob die Vereinigung der Gläubigen mit Christus eine wesentliche Verwandlung sei, in der sie in das Wesen Christi umgeformt würden, formulierte er den Weigelianischen Irr-
59 Vgl. Schnaase, Danzig, 270. 60
Eine solche Kritik habe z.B. auch Simon Pauli geübt, vgl. Schnaase, Danzig, 271.
61 Abraham Calov (1612-1686), Studium Königsberg und Rostock, Prof. Königsberg 1640, Gymnasialdirektor Danzig 1643, Prof. Wittenberg 1650, Generalsuperintendent ebd. 1652, vgl. Wallmann, Art. Calov, TRE 7, 563-568.
235
tum. 62 Dies habe neben Hermann Neuwald aus Schaumburg auch Statius in Danzig vertreten, der seine "Güldene Schatzkammer" unvorsichtigerweise aus den Schriften des Fanatikers Stephan Praetorius gesammelt habe. Er habe Statius veranlasst, seinen Irrtum mündlich und schriftlich zu widerrufen. 63
62 "Christus und seine Gläubigen sind nicht zwey/ sondern wesentlich eins/ und unzertrenntlich eine wesentliche Gerechtigkeit! Heiligkeit! mit GOtt gantz eins.", Calov, Systema, Bd. 10,540. 63 Calov, Systema, Bd. 10, 540: " ... ex adverso antithesin, ... ex ipsius Güldener Schatzkanuner/ scripto imprudenter & improvide e scriptis Stephani Praetorij fanatici superioris seculi collecto, quem, pro orthodoxo habuerat, ... eo tarnen redactus divina gratia, & informatione nostra, ut palinodiam voce ac scripto in conventu Ministeriali exhibito, & subsignato cantaret, DEOque gloriam restitueret."
236
IH. Spuren der Rezeption der Praetoriusschriften bzw. der Geistlichen Schatzkammer in Deutschland 1. Die Aufnahme bei den Spiritualisten des 17. Jahrhunderts 1.1 Augustin Fuhrmann und Johann Theodor von Tschesch
Im weiteren Umkreis der Spiritualisten sind der Brieger Hofprediger Augustin Fuhrmann (1591-1644) und der Jurist Johann Theodor von Tschesch (15951649) zu nennen. l Fuhrmanns Schriften entstanden zwischen 1626 und 1639, so dass er zu den frühen Rezipienten der Geistlichen Schatzkammer gehört. In dieser Zeit befand er sich als schlesischer Pastor in der Nähe von Brieg. Wie Winfried Zeller erwiesen hat, ist bei Fuhrmann eine starkes Interesse an der Verwirklichung der christlichen Existenz vorhanden.2 Wie Praetorius betrachtet er die Taufe mit ihren Schätzen als grundlegend. Der Glaube will geübt werden. Die Herrlichkeit des neuen Lebens des Christen wird in der Taufe vermittelt. In der "Rettung der Alten Wahren Christlichen Catholisch-Evangelischen Religion, wider etliche Hinderungen, welche unter den Religions-Kriegen der Sathan unvermerckt gesäet"3 zeigt er ein deutliches Interesse an einer Überwindung des konfessionellen Denkens. Hingegen unterscheidet er als Anhänger Johann Arndts zwischen wahrem und fleischlichem Christentum. Ausdrücklich erwähnt er die Geistliche Schatzkammer als Anleitung, das Gnadenreich Christi in sich zu erkennen. Nicht ein Religionsname, sondern ein gottseliges christliches Leben kennzeichnet einen wahren Christen. Fuhrmann weist auf die "verborgenen Tauf-schätze" und auf den Grund zur Freude hin, "die angeneme Zeit/ das genädige Jahr des Herren".4 Ausdrücklich nimmt er Bezug auf die Praetoriustraktate von der güldenen Zeit. 5
1 Augustin Fuhrmann (1591-1644), schlesischer Hofprediger in Brieg, trat rur eine Überwindung konfessioneller Gegensätze ein und gehörte zu den Anhängern Amdts. Johann Theodor von Tschesch (1595-1649), Jurist aus der Grafschaft Glatz, bekleidete Hofamter in Liegnitz und Brieg. Er verfasste lateinische Epigramme, in denen er sein innerliches Leben mit Christus beschrieb. Neben Jakob Böhme nahm er Traditionen Luthers und Taulers auf. Vgl. dazuZeller, Fuhrmann, 117-153. 2 Vgl. Zeller, Fuhrmann, 130: "Eines wahren Christen Religion ist allein! Gottes Willen thun." 3 Vgl. Zeller, Fuhrmann, 133-137. 4 Zeller, Fuhrmann, 135. 5 "Durch die Wiederentdeckung der lebendigen innerlichen Frömmigkeit der Urchristenheit, der deutschen Mystik und eines auf Erneuerung bedachten Luthertums möchte Fuhrmann zu jener "alten Wahren Christlichen Catholisch-Evangelischen Religion zurückfinden, die sowohl eine Überwindung der Frömmigkeitskrise als auch eine Milderung der konfessionellen Zerrissenheit herbeizufiihren vermag. Hierin liegt Fuhrmanns rrömmigkeitsgeschichtliche Bedeutung.", Zeller, Fuhrmann, 137.
237
Tschesch, der sich 1637 intensiv mit Johann Arndt beschäftigte, las 1640 die Geistliche Schatzkammer und urteilte über die Lehre von der gegenwärtigen Seligkeit: "Iam salvos nos esse doces Praetorie. Salvosl Nam nostra haud, Christi sed pia Vita facit".6 Vermutlich ließ sich Tschesch von seinem Freund Fuhrmann zur Praetorius-Lektüre anregen, blieb aber ein Stück distanzierter gegenüber der Lehre einer gegenwärtigen Seligkeit.? Zeller sieht in frömmigkeitsgeschichtlicher Hinsicht in der Stellung zu Praetorius den Hauptunterschied zwischen Fuhrmann und Tschesch. Tschesch gehörte der 1617 gegründeten "Fruchtbringenden Gesellschaft" an.
1.2 Friedrich Breckling Zu den weiteren "radikalen" Anhängern Arndts gehörte Friedrich Breckling (1629-1711). In seiner 1660 in Amsterdam gedruckten Schrift "Speculum seu Lapis Lydius Pastorum" entfaltet er die "rechte Lehre", zu der für ihn auch Werke Luthers zählen wie der Genesiskommentar, der Galaterbriefkommentar oder die Kirchenpostille. Ebenso nennt Breckling den Lutherus Redivivus von Martin Statius, Praetorius (Arndtausgabe), die Geistliche Schatzkammer, Bugenhagens Psalter-, Propheten und Jonakommentar, Andreas Musculus' De libertate Christiana, Michael Neanders und Theodor Glasers Theologia Christiana bzw. die Theologia Lutheri und darüber hinaus neben Arndt die radikalen Spiritualisten, Paul Egard, Joachim Betke, Christian Hoburg u.a. In der Frage nach den Ursachen für den "Deutschen Krieg" ist für Breckling die "Verkehrung und Verdunkelung des herrlichen Evangeliums" für die Misere verantwortlich.8 Er verbindet damit eine heftige Kritik an der Geistlichkeit seiner Zeit. 9 In seinem Traktat "Christus triumphans" unterscheidet Breckling zwischen dem "Welt-reich" und "Christi Creutz-reich" und seinem "Decreto Stultitiae". Als literarische Vertreter für Letzteres nennt er neben den altkirchlichen Autoren und Luther auch Bernhard von Clairvaux, Erasmus, Johann Valentin Andreae, Neander, Egard, Arndt und Statius,lo 6 Johannis Theodori a Tschesch Vitae cum Christo sive Epigramatum sacrorum Centuriae XII, vgl. Zeller, Fuhrmann, 142. 7 Zeller, Fuhrmann, 151. "Fuhrmann preist in Anlehnung an Stephan Praetorius die dem Christen in der Taufe geschenkte und damit bereits gegenwärtige Herrlichkeit des Reiches Christi.", ebd., 152. 8 Vgl. Breckling, Lapis Lydius, 358. 9 "M. Stephanus Praetorius in seinem Güldenen Buch von der Gülden Zeit! darinn er den marck und Safft auß Luthero wie eine Biene zusammengetragen! nennet sie Homines incertitudinis, tenebras, die ärger denn die Papisten sind! die von Christo rein abgefallen! die dazu dienen! daß die Leute nicht mehr wissen! was Christus fiir einer ist! und was er gutes gethan: die die Potentaten umbschrencken! daß das Evangelium und die Warheit ninuner zu ihnen kommen kan! die die Leute/ eben wie die Papisten! an der Gnade zweiffeIn lernen.", Breckling, Lapis Lydius, 359. In diesem Zusammenhang zitiert er aus dem Traktat 28, Herzliches Verlangen nach der Offenbarung des Reiches Gottes, AA, I, 870. Darin spricht Praetorius von dem "Feldgeschrey" gegen das "reine Evangelium de exhibita Salute". 10 Vgl. Breckling, Christus triumphans, 210.
238
In seiner Schrift "Modus Catechezandi" (1662) erklärt Breckling den rechten Umgang mit Luthers Katechismus. An erster Stelle steht für ihn der rechte Umgang mit dem Gesetz. Eine gesetzliche Werkpredigt lehnt er unter Berufung aufPraetorius ab.1I 1.3 Gottfried Arnold Von Gottfried Arnold (1666-1714) wurde Praetorius in seiner "Unparteiischen Kirchen- und Ketzerhistorie" (1699/1700) ausdrücklich in Schutz genommen. Er wollte ihn vom Vorwurf der Heterodoxie befreien. Praetorius gehöre zu denen, "welche zwar sich durchgehends zu der Lutherischen religion bekannt, dennoch aber als irrige von andern Lutheranern angefallen worden".1 2 Für Arnold war Praetorius ein vorbildlicher Lutheraner. Er hielt ihn für einen lutherischen Theologen, der sowohl mit der Lehre Christi und der Apostel als auch mit den wichtigen lutherischen Lehrern und Luther selbst übereinstimmte. 13 Damit verwies Arnold auch auf die große Anzahl lutherischer Zitate bei Praetorius. Um seine Meinung zu begründen, wählte er geschickt einige positive Stellungnahmen lutherischer Theologen aus, die seine These stützten. Neben Johann Arndt zitierte er auch den kursächsischen Oberhofprediger Jakob Weller und den unverdächtigen Tübinger Universitätskanzler Tobias Wagner. Warum Praetorius bei Arnold eine solche Wertschätzung erfährt, wird leicht deutlich, wenn man eine weitere Charakterisierung hinzunimmt: Er nennt ihn einen "erleuchteten lehrer",14 der sich neben anderen um die "Mystica wohl verdient gemacht" habe. 15 Neben einer Beschreibung der Kontroversen um Praeto11 ."Nicht mit Gesetzen oder Wercken die Leute fromm machen wollen! wie die blinde Phariseer und Heuchler thunJ und wollen noch dazu hoch angesehen seyn/ wenn sie den Todten! Blinden! Krancken und Lahmen eine Mosaische Predigt von den Wercken her geprediget ... Dill ist die einige und vornemste Ursach der heutigen Verkehrtheit in der Welt! wie Stephanus Praetorius und ich auß ihm in meinem Speculo Pastorum bewiesen." Im Zusanunenhang der Taufe verweist er ebenfalls auf Praetorius, der fiir ihn offensichtlich ein richtiger Interpret Luthers ist: "Mehr und sehr herzliche Dinge von der Tauffe und ihrer Krafftl suche in Lutheri Schrifften! in Stephani Praetorii gülden Buch von der Gülden-Zeit! und Statii Schatzkammer darauß gezogen! darinnen ein sehr schönet einfältige und Christliche Art angewiesen ist! den Kindern die Milch des Evangelii recht beyzubringen und vorzukäuen.", Breckling, Modus Catechezandi, 172. 12 Amold, Kirchen- und Ketzerhistorie, Teil 2, 940. Amolds Sympathie galt den "Stillen im Lande", sein Urteilskriterium war nicht mehr die "konfessionell bestinunte Orthodoxie, sondern die Orthopraxie, die gelebte Frömmigkeit", vgl. Schneider, Radikaler Pietismus im 17. Jahrhundert, 414. 13 Praetorius habe ab etwa 1570 theologische Schriften veröffentlicht, "welche auch bey wahren Christen einen grossen eingang bekommen haben, zumal selbige allein auf den wahren grund der lehre Christi und seiner Apostel, was den anfang des glaubens betrifft, gegründet waren, auch durchgehends mit beystinunung der vornehmsten Lutherischen lehrer, sonderlich Lutheri selbst wider allen verdacht von dem auctore verwahret worden." Amold, Kirchen- und Ketzerhistorie, Teil 2, 940. 14 Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie, 2, 942. 15 Arnold, Mystische Theologie, 297. In Amolds Bibliothek befand sich auch eine Ausgabe der Schriften von Praetorius (Leipzig 1692, vgl. Catalogus bibliothecae, 42, Nr. 128) und die Neuauflage von Lilium convallium (Tübingen 1676, vgl. Catalogus bibliothecae, 62, Nr. 15).
239
rius/Statius, die er als Auftakt zu den Arndtschen Streitigkeiten beschreibt, liefert Arnold ein umfangreiches Verzeichnis der in der Arndt-Ausgabe (1622) abgedruckten Schriften. Die Verteidigung durch Arnold war allerdingsfür die Akzeptanz der Praetoriusschriften innerhalb der lutherischen Orthodoxie nicht besonders förderlich. Sie musste im Gegenteil sogar eher Widerspruch auslösen. Das Interesse der Spiritualisten bzw. der radikalen Arndt-Anhänger richtet sich auf die Lehre von der gegenwärtigen Seligkeit, den in Christus liegenden Taufschätzen und einem daraus resultierenden christlichen Leben. Hierin wird Praetorius als ein echter Interpret Luthers angesehen. Die Berufung auf Praetorius ist bei diesen Kritikern des kirchlichen Lebens auffällig. Praetorius wird als Beleg :für die Kritik an den Predigern der Gegenwart angeführt. Bemerkenswert ist insbesondere bei Breckling auch die Verwendung im katechetischen Bereich. Sie entspricht nicht nur einer Intention des Praetorius selbst, sondern sie verweist bereits auf Spener, der in seiner "Lauteren Milch des Evangelii" ebenfalls eine Veränderung in der katechetischen Ordnung Luthers vornimmt. Die positive Beurteilung bei einigen Spiritualisten war :für die Aufnahme im Bereich der lutherischen Orthodoxie allerdings nicht unbedingt förderlich.
2. Zustimmung und Ablehnung in der lutherischen Orthodoxie
2.1 Samuel Steiner (Statius continuatus) Der Saalfelder "Amtsschösser" Samuel Steiner brachte die Geistliche Schatzkammer 1649 in Arnstadt in einer veränderten Form heraus: Als "STATIUS CONTINUATUS" im Quartformat ergänzte er die Geistliche Schatzkammer mit einer Vorrede und einem Schreiben der Universität Helmstedt aus dem Jahr 1574. Die Einteilung der Geistlichen Schatzkammer in sieben Bücher beließ er, indem er jeweils eine Vorredefür jeden Tag der Woche hinzufiigte, so dass die Geistliche Schatzkammer zur täglichen Meditation benutzt werden konnte: "Wieder auffs Newe in diesem grössern Format auffgelegtl Gott zu Ehren! dem Nechsten zu Nutz und Trost! dem Teuffel zum Abbruch und Trutz/ mit einer Praefation und Continuation über alle Sieben Bücher zur Täglichen meditation."16 In einem vorangestellten Anagramm des Arnstädter Superintendenten Nikodemus Lappius wird Steiner ebenso wie Praetorius und Statius als ein "assertor
Eine Aufuahme von Amolds mystischer Theologie "im spätautklärerischen Kontext" begegnet bei Johann Ludwig Ewald (1748-1822). Seine "Briefe über die alte Mystik und den neuen Mystizismus" (1822) enthalten eine Zeugenreihe "neuerer" Mystiker, zu denen u.a. Johannes vom Kreuz (1542-1591), Johann Amdt, Franz von Sales (1567-1622), Richard Baxter (16151691), Christian Scriver und Stephan Praetorius gehören, vgl. Kim, Deutsche Spätautklärung, 507. 16 Statius continuatus, Titelblatt, AIr.
240
Christi et pietatis, flatus vi strenuus boni" bezeichnet. 17 In seiner Vorrede vom 28.5.1649 stellt er sich und den anderen "Rechtgläubigen Christlichen Hertzen" die Frage nach den Ursachen des gottlosen und unfrommen Lebens vieler Christen, zu dessen Folge er die "grossen Landstraffen und Plagen" rechnet.i 8 An der fehlenden Gesetzespredigt kann es nicht liegen, zumal sie mancherorts in aller Schärfe praktiziert wird und dennoch keine Besserung erfolgt. Der Glaube wird nur mit dem Mund, aber nicht mit dem Herzen geübt. 19 Die Ursache liegt in der Vermischung von Gesetz und Evangelium und der mangelnden wahren Erkenntnis Christi und eines daraus folgenden gottseligen Lebens.20 In allen drei Ständen sind kaum rechte "GlaubensRitter", die dem "reinen wahren vnconditionirten Evangelio, das Gott vns seinen Gläubigen in CHristo vmbsonstl aus lauter Gnaden ... erwehletl zu seinen GnadenKindern! von Herztens grunde anhangen! vnd solches auch ... bekennen .... 0 den erbärmlichen Zustand der lieben letzten Christlichen Kirchen auff Erden!"21 Steiner nimmt Statius in Schutz.22 An der Rechtgläubigkeit von Praetorius und Statius hegt er keinen Zweifel, obwohl er um die Kritik an ihnen weiß.23 Er stellt sie in einen Zusammenhang mit Luther, Melanchthon, Brenz, Chemnitz und Hutter. 24 Steiner begründet seine Ausgabe der Geistlichen Schatzkammer mit der Erfiillung eines Gelübdes aus Dankbarkeit gegenüber Gott und dem vielfachen Wunsch nach einer besseren Lesbarkeit. Die Einteilung entspricht seiner eigenen Andachtspraxis. 25 Der Vorrede folgt ein Schreiben der orthodoxen Theologen der damaligen Herzog Julius-Schule und späteren Universität Helmstedt vom 13.9.1574 über den Artikel von der Rechtfertigung. Darin wird der Satz abgelehnt, dass die guten Werke zur Seligkeit nötig seien. Sie folgen dem Glauben vielmehr und 17 Statius continuatus, A2r. 18
Statius continuatus, Praefatio, A3r.
19 Statius continuatus, Praefatio, A3v. 20 "Dahero vnd daß die Menschen Kinder solidam cognitionem Christi & solidam cognitionem verae pietatis, das wahre rechte Erkäntnis Christi vnd seines hohen Verdiensts/ vnd also das rechte wahre Erkäntnis eines Gottseligen Lebens nicht recht haben! rUhret alles glaub=heyl= vnd gottloß Wesen vnd Leben in der Welt warhafftig allein her.", Statius continuatus, Praefatio, BI v. 21 Statius continuatus, Praefatio, Blv. 22 Statius habe "aus dem hocherleuchten GottesMann Praetorio" ein zur Erbauung der wahren Kirche "dienlich! schönes/ herrliches Tractätlein herausgeben! daraus ein jedes Christlich Hertz ... das wahre Christenthumb vnd rechte reine Evangelium erlernen kanl darfiir jetziger letzten Zeit die liebe wolgeplagte Christliche Kirche Gott nimmermehr genugsam dancken kan", Statius continuatus, Praefatio, BlvlB2r. 23 "Als zweiffeIe ich nicht! was rechtgläubige Christliche Hertzen seynl (malos enim Momos ego non euro, sed judicio DEI relinquo) die werden es nicht improbiren noch scheIten", Statius continuatus, Praefatio, B2r. 24 Statius continuatus, 1: "CONTINUATIO Vber alle sieben Bücher des lieben Herrn Statij, h.e. Stat-ius, id est, Stat Veritas Evangelica immota, sicut Praetor-ius, h.e. illam constanter docuit cum Divo Lutliero, Philippo, Brentio, Chenmitio, Huttero, beatissimae memoriae." 25 "wie ich es mir selbsten zu einer wöchentlichen Andacht auff alle Tage einfältig abe= vnd eingetlieilet", Statius continuatus, Praefatio, B2r.
241
beweisen, dass es nicht eine toter Glaube ist. Sie gehören aber nicht in den Artikel von der Rechtfertigung hinein. In den Vorreden der sieben Bücher der Geistlichen Schatzkammer bekräftigt Steiner seine Ansicht, dass nicht durch das Gesetz sondern durch das Evangelium der wahre Glaube und das neue gottselige Leben gefordert wird. Die Seligkeit kann nicht an die Bedingung der guten Werke geknüpft werden, auch wenn sie ihr als unausweichliche Kennzeichen folgen. Als Vorrede des 4. Buches verfasst Steiner einen "GnadenSchutzbrieff", in dem sich Gott mit dem Blut seines Sohnes den Gläubigen verschreibt und ihnen Sündenvergebung, Gerechtigkeit und Seligkeit verspricht. 26 Damit ist auch die Gewißheit der Erwählung und Beständigkeit "bis zum seligen Ende" verbunden.27 Das wird durch Taufe und Abendmahl besiegelt. Die letzte Vorrede beschließt Steiner mit einem Jubelruf: "Darum jauchtzet/jauchtzet!jauchtzet alle allezeit vnserm GOTTI der da ist alleine gut! Amen."28 Der Dresdener Oberhofprediger Jakob Weller (1602-1664),29 ein strenger Lutheraner im "Synkretistischen Streit", dankte Steiner ausdrücklich in einem Brief30 vom 6.7.1652 für seine Ausgabe der Geistlichen Schatzkammer mit ihren größeren Schrifttypen. Praetorius folge den Fußspuren Luthers. Seine Methode bewege sich zwischen der Sorglosigkeit und Sicherheit auf der einen und der Trostlosigkeit auf der anderen Seite. Wer diesen Weg tadelt, der tadelt Christus. Weller weiß offensichtlich um die Kritk an der Geistlichen Schatzkammer und nimmt sie in Schutz: Einzelne Worte mögen "den Werklern" hart erscheinen, lassen sich aber auch in einem christlichen Sinn deuten. 2.2 Arnold Mengering
Kritik an Praetorius übte bereits in den 40er Jahren der Hallenser Superintendent Amold Mengering (1596-1647)31 in seinem 1651/52 veröffentlichten "Scrutinium conscientiae catecheticum" und dem 1653 erschienenen "Informatorium conscientiae evangelicum" (1653 erschienen).32 Im letztgenannten Werk betreibt er anhand der Sonntagsevangelien eine der puritanischen Literatur ähnelnde Gewissenserforschung. Unter der Frage nach der wahren Gerechtigkeit vor Gott (Mt 5,20) wirft er Praetorius den "osiandrischen Irrtum" von der wesentlichen Einwohnung der göttlichen Natur Christi vor, der von der
26 "Actum in dem geheimen Rath der ewigen heiligen Dreyfaltigkeit", Statius continuatus, 476. 27 Statius continuatus, 473. 28 Statius continuatus, 720. 29 Zu Weller vgl. Lau, Art. Weller, Jakob, 3RGG 6, 1593f. 30 Abgedruckt in den Unschuldigen Nachrichten, Leipzig 1704,473-477. 31 Amold Mengering (1596-1647), Studium Wittenberg und Jena, Hofprediger Dresden 1631, Altenburg 1635, Superintendent Halle 1640, vgl. P. Tschackert, Art. Mengering, ADB 21,348; Leube, Reformideen, 118-122. 32 Vgl. Mengering, Informatorium, 607-611. Offensichtlich lag ihm nur die Amdtausgabe, nicht aber die Geistliche Schatzkammer vor.
242
Konkordienformel verurteilt wurde.3 3 Als Beispiele :führt er Abschnitte aus der Arndtausgabe auf.3 4 Mengering sah es als bewiesen an, dass Praetorius den Osiandrismus aufgenommen habe.35 Er kritisiert auch die positive Äußerung zu Johann Agricola, den Praetorius ebenfalls im Traktat "Von der gülden Zeit"36 zitiert und wirft ihm Antinomismus vor.37 Er bemängelt die Empfehlung der sibyllinischen Weissagung.38 Insbesondere die Kritik des Praetorius an der Kirche seiner Zeit ruft seinen Widerspruch hervor. 39 2.3 Gottfried Olearius Sein Nachfolger, der Hallenser Superintendent Gottfried Olearius (16051685)40 versuchte bereits zu einem frühen Zeitpunkt, mit seinem "Thesaurus Salutis Orthodoxus, Das ist! unverfälschter Schatz der Seligkeit" (1652)41 die weitere Verbreitung der dogmatisch verdächtigen Geistliche Schatzkammer zu verhindern und zum Studium der Lutherschriften selbst zu ermuntern. 42 In These und Antithese entfaltet Olearius die Lehre von der gegenwärtigen und zukünftigen Seligkeit unter Berufung auf Christus, Paulus und Luther, den er als den Engel mit dem ewigen Evangelium bezeichnet.43 Dabei ging es Olearius insbesondere um die Abwehr des Antinomismus, die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium und die Predigt von Buße und 33 "Ist also demnach klares Beweises/ daß Praetorius den Osiandrismum in seinen Büchern interpolire, und mit Osiandro nicht imputationem, sondern infusionem & inhabitationem justitiae Christi essentialis unsere Justification zu seyn vermeyne/ zu wider unserm Christlichen Concordien=Buch/", Mengering, Informatorium, 609. Darunter versteht er Andreas Osianders Lehre von der Einwohnung der göttlichen Natur Christi im Menschen und der "wesentlichen Gerechtigkeit" im Sinn einer essentiellen Gerechtmachung. 34 Von der gülden Zeit (1600), AA, I, 23-25; Von der Majestät und Herrlichkeit der Christen, AA, I, 67-69. Vgl. Speners Kritik am Osiandrismus des Praetorius, der dieselben Zitate erwähnt, Cons. 1,43. 35 "Ja man aus diesen Osiandrischen Grumpen (d.h. Teich) erkennen und abnehmen! obs nur harte reden und unbeschnittene Phraseologien seynl die sich noch wol deuten und entschuldigen lassen! oder obs nicht vielmehr der grobe Irrthumb Osiandri sey/ der von der Formula Concordiae ist verworffen worden.", Mengering, Informatorium, 610. 36 AA, I, 52. 37 "Daher man urtheilen kan/ ob Praetorii Scartecken! wol der Richtigkeit und Wichtigkeit seyn mögen! daß man sie in geschmeidiger Form an den Mann bringen! und tUr güldene Schätze aussprengen soll! als der solchen Gifft und andere Antinomische Schwermereien wieder hertUr bringt! daß er auch Johann Agricolam Eißleben so hoch erheben und rühmen darffl als wenn er zwar von der Welt gering gnung geachtl aber von Gott sehr groß geachtet worden ... und noch will Praetorius gut Lutherisch seynl und der Form. Concordia sincere unterschrieben haben.", Mengering, Informatorium, 609. Praetorius meine, "es gehöre vor unbekehrte Heyden mit dem Gesetze tumultuiren". Er habe auf "gut Antinomisch und Agricolisch scharffe Busse und Gesetz Predigten verworffen", Mengering, Scrutinium, 429, zitiert nach Dilfeld, Warnung, B2r. 38 Mengering, Scrutinium, 174, vgl. Dilfeld, Warnung, B2r. 39 Mengering, Scrutinium, 447, vgl. Dilfeld, Warnung, B2r. 40 Zu Olearius vgl. .... 41 1. Auflage 1652,2. Auflage Leipzig 1669. 42 Vgl. Leube, Reformideen, 126f; 158. 43 Olearius, Schatz der Seligkeit, 84. 243
Besserung. In den Antithesen fonnuliert Olearius Sätze aus der GS, ohne diese jedoch im einzelnen zu belegen. Darin wendet er sich gegen die Unverlierbarkeit der Gnade, die völlige Sündlosigkeit des Christen, den Vergleich der Christen mit den Engeln, die wesentliche Einwohnung Christi und des Heiligen Geistes in den Gläubigen (Vorwurf des Weigelianismus),44 die fehlende Unterscheidung zwischen dem Reich der Gnaden und dem Reich der Herrlichkeit, die höhere Wertschätzung der "Privatunterweisung" gegenüber den Predigten und das Verständnis der Buße. 45 Ausdrücklich verteidigt Olearius die Verwendung von Gebetbüchern und verweist im Anhang auf Gebete von (Pseudo-) Augustin, Hieronymus, Anselm, Bernhard und Tauler. 46 Er empfiehlt durchaus auch Autoren wie Johann Arndt, Philipp Nicolai, Lewis Bayly und Emanuel Sonthom, Ludwig Dunte und Johann Michael Dilherr. 47 Einen Chiliasmus lehnt er ab.48 Olearius fordert ausdrücklich zu "gottseligen Übungen" auf. Dazu gehört die Wiederholung und Einprägung biblischer Sprüche, das Hören der Predigt, sowie Taufe, Beichte und Abendmah1. 49 2.4 Christian Scriver
Eine positive Resonanz fand Praetorius im Hauptwerk des Magdeburger Pfarrers und Erbauungsschriftstellers Christian Scriver (1629-1693):50 "Seelenschatz, darinnen von der menschlichen Seelen hohen Würde, tiefen und kläglichen Sündenfall, Buße und Erneuerung durch Christum, göttlichen heiligen Leben, vielfältigen Kreuz und Trost im Kreuz, seligen Abschied aus dem Leibe, triumphierlichen und fröhlichen Einzug in den Himmel und ewiger Freude und Seligkeit erbaulich und tröstlich gehandelt wird" (1675-1692).51 Im zweiten Teil von der Bekehrung der sündhaften Seele spricht er von den Mittelursachen des Heiligen Geistes zur Buße. Dazu gehören die Diener des Wortes, die neben dem Wort auch von der Erfahrung bestätigt werden. Als Beispiel nennt Scriver u.a. das Glaubensbekenntnis einer "gottseligen Matrone ... in ihrem Todbette", das Praetorius überliefert hat. 52 Darin bekennt diese Frau, durch die Predigt des Praetorius, durch Gebet und Bibellesen das Evan44 45 46 47 48
Olearius, Schatz der Seligkeit, 275. Olearius, Schatz der Seligkeit, 239-300. Olearius, Schatz der Seligkeit, 397-414. Olearius, Schatz der Seligkeit, 396f. Olearius, Schatz der Seligkeit, 302-308. 49 Olearius, Schatz der Seligkeit, 311 empfiehlt Beichtbücher von Melissander, Scherertz und Dilherr. 50 Christian Scriver (1629-1693), Studium Rostock bei Joachim Lütkemann, Archidiakon Stendal 1653, Pfarrer Magdeburg 1667, Oberhofprediger Quedlinburg 1690, vgl. Dienst, Art. Scriver, BBKL Bd. 9,1262-1264. 51 S. SVZ. Scriver ist sich durchaus seiner "Fehler in einem und andem Lehrpunkt" bewusst, will sie aber aus christlicher Liebe heraus im Blick auf! Kor 3,12 "zum besten" deuten. 52 Scriver, Seelenschatz, 2. Teil, 2. Predigt, § 21 (I, 206t). Der in Auswahl zitierte Text ist dem Traktat "Vom Glauben, Bekenntnis und Sieg der Christen" (1598) entnommen, vgl. Amdt (1622), I, 885f, 894, 902.
244
gelium empfangen zu haben. Im fünften Teil über den seligen Abschied der Seele greift er dieses Beispiel noch einmal auf und rät zur Nachahmung. 53 Im dritten Teil vom heiligen Leben der gläubigen Seele gibt Scriver eine Anleitung zur Beherzigung des Taufbundes. An dieser zentralen Stelle zitiert er ausfiihrlich aus dem Praetoriustraktat, der am intensivsten und bilderreichsten von der Bedeutung der Taufe spricht. 54 Es geht ihm um den Taufbund, aufgrund dessen die gläubige Seele "zur wahren Gottseligkeit ermuntert wird".55 Insgesamt finden sich bei Scriver u.a. auch zahlreiche Beispiele und Bilder aus der Pflanzenwelt (z.B. Rosen und Lilien), die jedoch nicht in dem gleichen Maße durchsystematisiert sind wie bei Praetorius. Scriver übt Zurückhaltung gegenüber einer allzu vollmundigen Rede von der vollkommenen Seligkeit im jetzigen Leben. Für ihn wie fiir seinen Lehrer Lütkemann haben die Gläubigen lediglich einen "Vorgeschmack des ewigen Lebens". Dennoch kann er Praetorius als positives Beispiel fiir die Bedeutung der Taufe und die private Bibellektüre heranfUhren. Er ist sich der Schwächen der Praetoriusschriften durchaus bewußt, plädiert aber fiir eine milde Beurteilung. 56 2.5 Georg Konrad Dilfeld und Heinrich Ammersbach Zu einem frühen Streit um die Geistliche Schatzkammer kam es in Nordhausen. 57 Nachdem der Rektor Friedrich Hildebrandt seinen Schülern die Geistliche Schatzkammer empfohlen hatte, wurde er von dem Diakon Georg Konrad Dilfeld (ca.1630-1684 )58 heftig angegriffen; er prangerte ihn als "Phantasten,
53 "AlIein, laßt auch unser Leben und Christenthum sein, wie das ihre gewesen." Scriver, Seelenschatz, 5. Teil, 2. Predigt, §54 (III, 594f). An dieser Stelle wird der Name des Verfassers nicht erwähnt. Scriver empfiehlt den Lesern, sich in Absprache mit dem Beichtvater solche Schriftsteller herauszusuchen, die in ähnlicher Weise "voll Geist, Kraft und Saft, ... voll Trost und Süßigkeit sind, und die Seelen zur Genießung ihres Christenthums und Gottes, zur Freudigkeit des Glaubens und zum Vorschmack des ewigen Lebens tröstlich anfiihren". Darüber hinaus sollen sie den Kontakt zu solchen Christen suchen, die darin bereits Erfahrungen gesammelt haben, vgl. Scriver, Seelenschatz, III, 595f. 54 Scriver, Seelenschatz, 3. Teil, 6. Predigt, §4 (I, 712f). Vgl. Amdt (1622), 283f, 287f. Scriver vermeidet jedoch Aussagen, die zu enthusiastisch von der gegenwärtigen Seligkeit sprechen. 55 Scriver, Seelenschatz, I, 713. 56 Scriver schreibt einem "gottseligen" Juristen am 28.3.1679: "Ich lobe zwar und heisse nicht alles gut! was in solchen Schrifften stehet! muß aber doch bekennen! daß ich vermeyne/ er hätte um der vielen herrlichen Dinge willen! die er mit unvergleichlich freudigem Glauben geschrieben! verdienet gelinder und ehrerbietiger gehandelt zu werden! zuförderst weil er schon im HErrn seelig entschlaffen ist.", zitiert nach Feiler, Monumenta, 265f. 57 Vgl. dazu Wallmann, Spener und Dilfeld, 197-219. Unter dem Titel Copia eines Schreibens (1675) finden sich das Schreiben der Theologischen Fakultät Jena vom 1.10.1669 (2-14), der Juristischen Fakultät Helmstedt vom 20.12.1669 (15-18) und der Theologischen Fakultät Leipzig vom 6.8.1670 (19-32). 58 Georg Konrad Dilfeld (1630-1684), seit 1656 Diakon in Nordhausen, vgl. Heppe, Art. Dilfeld,223. 245
Enthusiasten, Antinomum, Ketzer und Verführer der Jugend" an. 59 Die Geistliche Schatzkammer bezeichnete er als ein antinomisches und phantastisches Buch. Weil er über einen Zeitraum von fast sechs Jahren heftige öffentliche Kritik an der Geistlichen Schatzkammer übte, wandte sich der Rat von Nordhausen in einem Schreiben vom 13.9.1669 hilfesuchend an die Theologische Fakultät in Jena. In ihrer Antwort vom 1.10.1669 räumte die Fakultät zwar ein, dass die Geistliche Schatzkammer verdächtige Redensarten enthalte, die sonst von Schwärmern oder Irrgeistern gebraucht würden. Die Fakultät nannte einige Beispiele dafiir und verwies auf den "Unverfälschten Schatz der Seligkeit" von Gottfried Olearius. Dennoch könne die Geistliche Schatzkammer von evangelischen Christen zu ihrer Erbauung gelesen werden. Deshalb werde der Rat Dilfeld zum Verzicht auf seine Anti-Praetorianischen Streitpredigten verpflichten. Dilfeld wurde zudem zu einer Geldstrafe verurteilt. Dieser gab jedoch noch nicht auf, sondern wandte sich erneut an die Jenaer Fakultät. Sie bestätigte ihm, dass die Geistliche Schatzkammer ein verdächtiges Buch sei und Redensarten enthalte, die ketzerisch und schwärmerisch seien und einfältige Menschen verführen könnten. 6o Darüber hinaus erhielt Dilfeld ein Privatgutachten (5.4.1670) des Helmstedter Theologen Balthasar Cellarius, das sich an die Jenaer Zensur anschloß. Die Wittenberger Theologische Fakultät warf in ihren Stellungnahmen Johann Melchior Stenger (1638-1710) vor, er habe seine Irrtümer aus der Geistlichen Schatzkammer gezogen. Stenger wiederum entgegnete in seiner "Palinodia" (1671), dass er seine Erfurter Zuhörer zur behutsamen Lektüre dieses Buches ermahnt habe. 61 Dilfeld veröffentlichte 1674 seine dem Landesfürsten Herzog Ernst von Sachsen gewidmete "Warnung vor den in der sogenannten geistlichen Schatzkammer der Gläubigen Praetorio Statii enthaltenen ... meistenteils verdeckten gefährlichen Irrtümern und Schwärmereien". Er warfPraetorius eine antinomische und schwärmerische Lehre vor, die mit der reinen Lehre "gleichsamb überzuckert und incrustiret" worden sei.62 Zur Bestätigung seiner Ansicht druckte Dilfeld auch die "Formula obligationis", mit der Praetorius revoziert habe, und das Begleitschreiben des Dramburger Superintendenten Christoph Lademan vom 17.2.1662 ab. Die Revokationsformel war dem SuperintendenCopia eines Schreibens, 20. Dilfeld, Warnung, C2r. Vgl. Dilfeld, Warnung, B4v. Johann Me1chior Stenger (1638-1710), Schüler Dannhauers in Straßburg, Katechismus- und Bußprediger in Erfurt, der die englische Erbauungsliteratur besonders schätzte. Er wurde vor allem wegen seiner terministischen Bußlehre 1670 zur Revokation seiner Ansichten aufgefordert und nach Ablehnung seines Amtes enthoben. Spener setzte sich filr Stenger ein. Vgl. dazu Sträter, Spener und der "Stengersche Streit", 40-79. Praetorius wird in diesem Aufsatz nicht erwähnt. Dass Stenger mit der Geistlichen Schatzkammer in Verbindung gebracht wurde, ist allerdings erstaunlich, da er die Reform der Kirche gerade durch die Predigt des Gesetzes und nicht durch die Verkündigung des Evangeliums erwartete. 62 Dilfeld, Warnung, A2r. 59 60 61
246
ten Gottfried Olearius im Original zugestellt worden. In der Lehre von der wesentlichen und persönlichen Vereinigung eines Menschen mit Christus stimmten Ezechiel Meth, Esajas Stiefel und die Rosenkreuzer seiner Meinung nach mit Praetorius überein. 63 Martin Statius in Danzig habe nicht nur die Schatzkammer aus Praetorius angefertigt, sondern diese Lehre auch öffentlich vorgetragen. Als Reaktion auf die Herausgabe seien verschiedene Stellungnahmen der geistlichen Ministerien aus Lübeck, Halle, LÜlleburg und anderen Städten in Danzig eingegangen. 64 Auch Statius habe revozieren müssen. Das gehe aus einem Brief des Danziger Pfarrers Johannes Botsack vom 26.2.1649 an Gottfried Olearius hervor. 65 Im zweiten Teil seiner "Warnung" antwortete Dilfeld auf einige offene Fragen. Die Geistliche Schatzkammer sei nicht nur für die Angefochtenen geschrieben, sondern insgesamt für die Gläubigen. Das Verdienst Christi könne den Unbußfertigen nicht zuteil werden. Der Hauptirrtum des Praetorius sei sein Antinomismus. Einen neuen Kontrahenten fand Dilfeld in dem Halberstädter Pfarrer Heinrich Ammersbach (1632-1691). Nachdem dieser bereits 1675 die Praetoriusschriften neu ediert hatte, verfaßte er eine "Apologia oder Ehrenrettung der beiden getreuen Lehrer Stephani Praetorii und Martini Statii" (1677) gegen Dilfelds "Warnung". Darin bestreitet er eine Revokation durch Praetorius oder Statius und hält auch die übrigen Vorwürfe für unbewiesen. Den Vorwurf des Antinomismus läßt er nicht gelten, sondern will sie als "rechtsschaffene reine Lehrer von allen Arten der Gesetz=Stürmerey frey und loß" sprechen. Als Beweis fUhrt er "die schönen Früchte" in der Gemeinde in Salzwedel an, "daß noch vor wenig Jahren einige von seinen Zuhörern! als rechte fromme/ heylige Leute nach Praetorii Lehre gelebt" haben. 66 Ammersbach stellt die Gegenfrage, ob Dilfeld die Helmstedter Lehre von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit einfUhren wolle. In demselben Jahr 1677 erwiderte Dilfeld unter einem Pseudonym den Angriff Ammersbach mit seiner Schrift "Kurze Vorstellung der ungemeinen Schmähsucht, Hohlhipplerei und Ignoranz ... Heinrich Ammersbachs", die jedoch ihrerseits im Wesentlichen Polemik enthielt. 1678 folgte Dilfelds "Schwärmerische Vermessenheit und offenbare Nichtigkeit der sogenannten Apologie oder Ehrenrettungen ... Ammersbachs". Hierin wird Ammersbach u.a. wegen seines Chiliasmus verdächtig gemacht. Die Frage nach der wesentlichen und persönlichen Vereinigung eines Menschen mit Christus rückt stärker in den Vordergrund. 67 63 Dilfeld, Warnung, A3v. Als Beleg zitiert er OS, 460: "Denn der Christus sihet! höret! redet! vnd lachet! isset! trincket! sitzet! gehet! schläfft! vnd thut alles in vns. Wer vns sihet! der sihet Christum! vnd wer vns höret! der höret Christum." 64 Dilfeld, Warnung, A4r. 65 Dilfeld hat eine Kopie dieses Briefes aus Halle bekonnnen und druckt ihn ab, vgl. Dilfeld, Warnung, A4r-v. 66 Annnersbach, Apologia, Blr. 67 Dilfeld, Vermessenheit, 13-18. Das Zitat Luthers, dass ein bußfertiger Sünder sagen könne "Ich bin Christus" sei nur hinsichtlich der Rechtfertigung, nicht aber der Wiedergeburt und Erneuerung legitim.
247
Die Bedeutung der Lehre von der Vereinigung der Gläubigen mit Christus war nicht nur im Zusammenhang der Beurteilung der Geistlichen Schatzkammer umstritten, zumal der Vorwurf des Weigelianismus im Raum stand. Dies wird auch an einer anderen Auseinandersetzung 1677/78 deutlich, in der es um die Frage ging, ob ein Christ von sich sagen könne: "Ich bin Christus." In diesen Streit waren neben Spener und dem Halberstädter Domprediger Johann Conrad Schneider auch Ammersbach unter dem Pseudonym Heinrich Hansen und Dilfeld (vermutlich unter dem Pseudonym Balthasar Rebhan) verwickelt. 68
2.6 Konrad Tiburtius Rango Der Stettiner Pastor Konrad Tiburtius Rango (1639-1702)69 ließ 1683 eine "Warnung an das hochlöbliche Königreich Schweden ... sonderlich an die deutschen Gemeinden und alle aufrichtigen Lutheraner" herausgehen, in der er die Schriften von Abraham Scultetus (Evangelienpostille), Martin Moller (Praxis Evangeliorum)7o und Martin Statius (GS, Cynosura u.a.) als fanatisch und calvinistisch bezeichnete,7l Diese Schriften, die z.T. von Lutheranern herausgegeben und empfohlen wurden, waren offensichtlich sehr verbreitet, da sie von "tausenden! auch nur unter den Einfältigen" gekauft, gelesen und für "lauter Gold und edle Kleinoth", als eine wirkliche Schatzkammer gehalten werden. 72 Die Geistliche Schatzkammer werde gleichermaßen von "Hohen" und "Niedrigen" geschätzt und empfohlen. Rango nennt die Praetoriusschriften "fanatische/ irrige/ und hochschädliche Bücher/ die unter dem Schein der grossen Andacht! und Seligkeit der Widergebohmen! erschreckliche Irrthümer einführen."73 Er zitiert aus der Censur des geistlichen Ministeriums in Danzig (1636) die allgemeinen und besonderen lrrtümer,74 Er weist darauf hin, dass Statius 1637 in einen Widerruf seiner Lehre schriftlich und mündlich eingewilligt habe,75 Dass Johann Amdt die Praetoriusschriften gesammelt und mit einer 68
Vgl. dazu WalImann, Spener und Dilfeld, 206-208; Schwarz, "Ich bin Christus", 84-
103.
69 Konrad Tiburtius Rango (1639-1700), Rektorat Berliner Gymnasium 1662, Professor philosophiae am Gymnasium Stettin, Pastor st. Nikolai Stettin 1680, Generalsuperintendent Pommern und Rügen, Superintendent Greifswald, Prof. und Konsistorialrat 1689, vgl. Pyl, Art. Rango, ADB 27, 230-232. 70 Vgl. dazu Axmacher, Moller, 25; 232-269. 7l Darüber hinaus nennt er in der Widmung an die Pastoren und Kirchenvorsteher der königlichen Residenz StockhoIm auch noch Stephan Praetorius, Jakob Böhme, Elias Praetorius (= Christian Hoburg) und Johann Melchior Stenger, vgl. Rango, Warnung, A2r. 72 Rango, Warnung, A2v. 73 Rango, Warnung, C2v. 74 Besondere Irrtümer nennt er unter den Artikeln Sündenvergebung, Glaubensgerechtigkeit, Taufe, Buße, Gesetz, EinwoImung Christi, Erneuerung, Wort Gottes, Glaube, gute Werke, vgl. Rango, Warnung, 13-18. 75 Rango, Warnung, 17f. Vgl. auch Rango, Prudentia, 255f, wo er auf den Revers von Praetorius Bezug ninunt, in dem dieser versprochen habe, alle verdächtigen Exemplare seiner Schriften den Visitatoren auszuliefern. Gleiches wünschte er sich auch von Statius, ebenso wie er hofft, dass auch die Verleger und Drucker sich weigerten, die Geistliche Schatzkammer aufzulegen. 248
Vorrede versehen habe, "vermehrte den Verdacht gegen ihn! und nahm ihm allen credit". 76 In dem ebenfalls 1683 erschienenen "Haereticorum et syncretistarum obex formula concordiae" erwähnt Rango, dass Statius nach der Veröffentlichung seines "Vortrabs" (1625) einen Streit im Danziger Ministerium ausgelöst habe, daraufhin "orthodoxae sententiae" unterschrieben und dennoch mit der Geistlichen Schatzkammer den Streit neu entfacht habe.?7 Nach Rangos Sicht habe sich Statius von den "fanatischen Schriften" des Praetorius verleiten lassen, von der Vereinigung der Gläubigen mit Christus falsch zu lehren. 78 Rango beschuldigte auch den 1680 in das Amt des Generalsuperintendenten von Schwedisch-Pommern eingetretenen Stralsunder Pastor Augustin Balthasar (16321688),79 ein "Weigelianer, Quäcker, Enthusiast, Hoburgianer und Fanaticus" zu sein'sO Offensichtlich war auch Balthasar ein Anhänger der GS.81 In Stralsund sei über die Geistliche Schatzkammer öffentlich von der Kanzel gesagt worden, dass nach Luthers Zeit keine so geistreichen Bücher wie diese erschienen seien,S2 Zu einem Konflikt kam es schon 1680, als Balthasar ein Kirchengebet für Pestgottesdienste herausgab, in dem der "Elenchus nominalis", die namentliche Aufzählung der Feinde des Luthertums, verändert worden war. In Stettin wurde Balthasar öffentlich als Irrlehrer bezeichnet. 83 Zu einem Streit kam es auch 1685 zwischen Rango und dem Stettiner Rektor Johann Ernest Pfuel in der Frage, ob das Taufwasser "durchgöttert" sei.84 Als Nachfolger von Balthasar im Amt des Generalsuperintendenten (1689) bekämpfte Rango den Pietismus in Greifswald als "Quäckerianismus".85 76 Rango, Warnung, 81. 77
Rango, Obex, 297.
78 Rango, Obex, 300f. 79 Augustin Balthasar (1632-1688), Studium Greifswald und Wittenberg 1648, Prof. Greifswald, Pastor Stralsund 1664, Generalsuperintendent von Ponunem und Rügen 1679, vgl. Jöcher 1,748; Zed1er, GVUL, 1,287; Heyden, Kirchengeschichte Ponunems 2, 106. 80 Vgl. dazu Balthasar, Ponunersche Kirchenhistorie, H, 750. Ähnliche Vorwürfe erhob Rango gegen die Geistliche Schatzkammer wegen ihres Perfektionismus, vgl. Rango, Quäckerei in der Pietisterei, 159. 81 In der FB Gotha befindet sich unter der Sign. Chart A 287 eine ca. 60-seitige handschriftliche Übersicht über den "Steph. PRAETORIO = STATIANISMUS". Dazu gehört eine "Harmonia Praetorio = Statio = Balthasariana" (650r--655v) mit inhaltlichen Parallelen, eine "Exceptio ad Praetorio = Statianismum" (656r--660v) vom 21.3.1685, eine "Replica ad Exceptionem" (662r--665v), eine "Duplica ad Praetorio = Statianismum" (66r--673v) und eine "Duplica ad imputatum Chiliasmum" (674r--679v). Die Verfasser zitieren u.a. aus den StatiusAkten des Danziger Ministeriums. 82 Vgl. Harmonia, 650r. 83 Vgl. Heyden, Kirchengeschichte Ponunems 2, 110f. Spener schrieb dazu am 10.6.1681, L. Bed. 3, 76: "Wie ich noch nechsthin gewißlich nicht ohne seufzen ansehen können! was dem treueyffrigem Ponunerischen General-Superintendenten D. Balthasaren in einem seiner gebet vor Weigelianisch ist von einem andem Theologo censiret worden." 84 Spener fragt sich daraufhin, ob er der nächste Gegner von Rango - auch ohne sein Verschulden - sein werde. Er stellt sich auf die Seite Balthasars, L. Bed. 3, 291-293. 85 Heyden, Kirchengeschichte Ponunems 2, 111. Dazu gehörte u.a. Amdts Wahres Christentum und Scrivers Seelenschatz, die neben den Andachtsbüchern von Moller, Scultetus und
249
2. 7 Samuel Schelwig Die Polemik des Danziger Pastors Samuel Schelwig (1643-1715)86 gegen Spener und den Pietismus gipfelte in seiner Schrift "Die sektirische Pietisterei" (1696/97). Schelwig erinnert darin an den Widerruf des Statius und den Revers des Praetorius, indem er sich auf Calov und Rango beruft. Darauf fußt seine Kritik an Spener, von dem man sagt, er habe zu einer Neuauflage der Geistlichen Schatzkammer geraten. Er zitiert Empfehlungen und positive Äußerungen Speners, in denen er Praetorius und Statius zu den aufrichtigen Lutheranern zählt.87 Ziel ist der Nachweis, dass es Spener im Unterschied zu den "Rechtgläubigen" mit Praetorius und Statius halte, auch wenn er angeblich nicht alles billige. Dass einige Leser durch sie "zu Gott gebracht" worden seien, lässt er nicht als stichhaltiges Argument fiir ihre Rechtgläubigkeit gelten. 88 2.8 Johann Heinrich Feustking und Johann Hermann von Elswich Der scharfe Kritiker Gottfried Arnolds, der orthodoxe Theologe Johann Heinrich Feustking (1672-1713), erwähnt sogar den bislang nicht erhobenen Vorwurf des Chiliasmus. In seiner "Historie und Beschreibung der falschen Prophetinnen" (1704) führt er den Chiliasmus der Johanna Eleonora Petersen, geb. von Merlau neben Friedrich Breckling und Georg Lorenz Seidenbecher (16231663)89 auch auf die Irrtümer von Praetorius zurück.90 Johann Hermann von Elswich wies in seiner Schrift "De fanaticorum palinodia commentatio" (1715) auf die Revokation des Praetorius hin. 91
Statius offensichtlich sehr verbreitet waren. Zu Rangos Amtsantritt vgl. auch Lother, Pietistische Streitigkeiten, 1-8. 86 Samuel Schelwig (1643-1715), Konrektor Gymnasium Thorn 1668, Prof. Phil. Danzig 1673, Prof. Theol. Danzig 1675, Pfr. St. Katharinen Danzig 1681, Rektor Gymnasium, Pfr. St. Trinitatis Danzig 1685, Mirbt, Art. Schelwig, 553-555. Vgl. auch Schnaase, Danzig, 332-353. 87 Spener, Der Friede Gottes; Von der Seligkeit der Kinder Gottes, Vorrede, vgl. Schelwig, Pietisterei, 46-48. 88 Vgl. Schelwig, Pietisterei, 48. 89 Georg Lorenz Seidenbecher (1623-1663), Pfarrer in Unterneubrunn in Thüringen, Anhänger Arndts und I.V. Andreaes, publizierte 1660 unter einem Pseudonym "Chiliasmus sanctus" (Apk 20), wurde 1661 seines Amtes enthoben und 1665 von Heinrich Anunersbach verteidigt, vgl. Brecht, Deutsche Spiritualisten des 17. Jh.s, GdP 1, 232f, 299f. 90 Vgl. Feustking, Gynaeceum haeretico fanaticum, 464. Für diese These gibt es allerdings bislang noch keine Bestätigung. 91 "Is enim ea, quae in scriptis suis passim Scripturae, fideique analogiae, minus conformiter docuerat, ingenue revocavit.", Elswich, Palinodia, 35.
250
3. Beurteilung und Empfehlung der Geistlichen Schatzkammer durch Philipp Jakob Spener 3.1 Die Lehre von der geschenkten Seligkeit
Philipp Jakob Spener (1635-1705)92 hatte bereits in seiner Straßburger Studienzeit bei seinem Lehrer Johann Konrad Dannhauer (1603-1666)93 die Lehre von der in Christus geschenkten Seligkeit "dem grund nach gefasset".94 Dannhauer hatte diese Lehre so ausgelegt, dass sich das Schicksal der Wiedergeborenen von dem Schicksal der Verstorbenen nur dem Grad und der Offenbarung nach, nicht aber grundsätzlich unterscheide. 95 Er verwandte dazu das anschauliche Bild von einem Embryo, dessen Empfängnis in der Taufe im Uterus der ecclesia geschieht. Er lebt noch im Verborgenen und ist deshalb noch nicht zu allen menschlichen Bewegungen fahig, solange er nicht geboren ist. 96 Spener versprach sich von diesem Verständnis des Evangeliums ein Wachstum in der Heiligung und einen "freudigen Glauben".97 3.2 Die Begegnung mit der Geistlichen Schatzkammer
Schon bald nach seinem Amtsantritt als lutherischer Senior in Frankfurt a.M. (1666) begegnet Spener der GS.98 Eine Predigt eines jungen Theologiestudenten hatte unter den Zuhörern Bedenken ausgelöst. Dem Studenten, vermutlich Johannes Anton Tieffenbach,99 wurde der Umgang mit verdächtigen Büchern 92 Philipp Jakob Spener (1635-1705), Studium Straßburg 1651, Basel 1659, Studienreise 1660, Freiprediger Straßburg 1663, Pfr. und Senior Frankfurt a.M. 1666, Oberhofprediger Dresden 1686, Propst St. Nicolai Berlin, vgl. Brecht, Spener, GdP 2, 278-389; Wallmann, Der Pietismus, 36-59; Wallmann, Spener, 21986. 93 Johann Konrad Dannhauer (1603-1666), vgl. Wallmann, Straßburger Orthodoxie, 87104; Wallmann, Spener, 21986, 100--110, 121-125. Dass Dannhauer von den Danziger Vorgängen um Statius Kenntnis hatte, erfuhr Spener erst 1681 (Bed. 3, 424). 94 Bed. 3, 339. 95 Spener, Briefe, 1, Nr. 97, Z. 49. Vgl. Bed. 3, 424: "Aber die doctrinam de exhibita salute, hat er so herrlich! als einer haben mag! daß er sagt de sorte regenitorum filiorum Dei, quod a sorte coelesti differat, non specie sec gradu, apparitione, gloria, lumine." (Dannhauer, Hodosophia, 2. Aufl. Straßburg 1666, Phänomen 11, S.1404). Spener zieht diese Äußerung Dannhauers auch noch an anderer Stelle heran, z.B. Bed. 3, 339 (Datum: 1680). Für Dannhauer war diese Lehre ein wichtiges Argument gegen den Verdienstgedanken hinsichtlich der guten Werke. 96 "Quod in baptismo concipiamur in utero Ecclesiae militantis, vivimus in eo vere, sed, ut embryo, vita adhuc occultiori et nondum onmibus actionibus humanis edendis idonea; demum transitu in alteram vitam nascimur", Spener, Briefe, 1, Nr. 97, Z. 51-55. Auch in einem anderen Bild ist dieser Wachstumsgedanke enthalten: Als Sölme Gottes, des Vaters, sind wir Erben und damit Herren aller seiner Güter, als kleine Kinder können wir unsere Schätze jedoch noch nicht alle erkennen und benutzen. Dann wachsen wir heran und erkennen sie zunehmend, bis uns schließlich der volle Gebrauch erlaubt ist, vgl. Spener, Briefe, 1, Nr. 97, Z. 57-62. 97 Bed. 2, 745. 98 Vgl. Speners ausfiihrlichen Bericht in einem Brief aus dem Jahr 1680, Bed. 3, 339-344. 99 Johannes Anton Tieffenbach (get. 1642, gest. 28.2.1671), Studium Wittenberg 1661, Gießen 1664, Mitbegründer des Collegium Pietatis in Frankfurt, vgl. Wallmann, Spener, 21986,241-243;272-275.
251
nachgesagt, darunter auch mit der GS. Spener sollte ihn kraft seines Amtes auf seine Orthodoxie prüfen, kannte jedoch bis dahin weder Titel noch Inhalt der inkriminierten Bücher. Der Student entschuldigte sich, betonte, nur Rechtgläubiges darin gefunden zu haben und bot Spener sein Exemplar zur Lektüre an. Aus Zeitgrüllden konnte dieser jedoch erst einige Zeit später die Geistliche Schatzkammer lesen und erhielt dazu ein Exemplar von einem Amtskollegen. IOO Spener betont mehrfach, dass er bewusst nach den anstößigen Stellen gesucht und insofern das Buch mit einem negativen Vorurteil gelesen habe. 101 Um so überraschter war er, darin eine trostreiche evangelische Gnadenlehre zu finden, woraufhin er das ganze Buch "mit grossem vergnügen" las. 102 Er bekennt, zugleich in Luthers Schriften tiefer eingewiesen worden zu sein. 103 Auch anderen "frommen seelen, die aufgemuntert, und aus der schwermuth zu einer glaubens freudigkeit aufgerichtet" werden sollten, empfahl er die Lektüre der GS. Allerdings stieß er auch auf einige Passagen, die er genauer erklärt bekommen wollte. Aus diesem Grund besorgte er sich die Amdtausgabe der Praetoriusschriften von 1662 und verglich sie mit der GS.104 Nach einem sehr mühsamen Vergleich, in dem er alle Passagen der Geistlichen Schatzkammer in seiner Amdtausgabe markierte, konnte Spener genau die Auslassungen und Umstrukturierungen von Statius nachvollziehen und bewerten. 105 "Diese Collation hat mir gewiesen, wie einmal der liebe Statius mit grosser fiirsichtigkeit seine excerpta gemacht, und einige dinge, die anstößig seyn, weggelassen, hingegen dasjenige gesetzt, daran ein Christlicher leser nicht ursach hat sich zu stossen."106 Mit Ausnahme insbesondere einer Formulierung,107 die er bei Statius 100 Speners Seitenangaben aus der Geistlichen Schatzkammer beziehen sich auf eine der frühen Ausgaben, vermutlich Lüneburg 1644 oder Jena 1645, deren Seitenzahlen übereinstimmen. 101 "Hac in urbe demum mentio eius autoris mihi facta est, et quidem tanquam scriptoris periculosi, ita ut non nisi occupato animo eum legerim.", Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.66-68 (=Cons. 1, 38). 102 "Darüber ich solche loca laß, aber alsobalden des autoris christliche meinung erkante, und damit gelegenheit und trieb bekam, das gantze Tractätlein mit fleiß zu lesen, so auch mit grossem vergnügen von mir geschehen ist. Also daß ich nicht leugne, solche heilige und trefliche lehre, dero grund ohne das durch göttliche gnad gehabt, daraus so viel klärer eingesehen zu haben, so mich niemal reuen wird;", Bed. 3, 340. Vgl. Spener, Briefe, I, Nr.27, Z.105f (= Cons. 3, 16): "legi cum insigni animi mei voluptate de maiestate nobis per Salvatorem nostrum parta". 103 Vgl. Bed. 3, 340. 104 Vgl. Spener, Briefe, 1, Nr.97 (=Cons. 1,38). 105 Der Vergleich wurde dadurch erschwert, dass die Verweisangaben der Geistlichen Schatzkammer sich auf die Arndtausgabe von 1622 beziehen, die Spener nicht zur Verfügung stand, vgl. Bed. 3, 340. 106 Bed. 3, 340f. 107 GS 48 = AA, I, 215 (= AB, 142), : "Hie spricht eine arme verführte Seele: Wer Sünde thut wider seyn Gewissen! der leidet Schiffbruch an seinem Heyl. Ich armer habe gestern vnd heut leider SUnde gethan wider mein Gewissen. Derwegen so habe ich Schiffbruch genommen an meinem heyl/ das ist! ich habe mein heyl verloren". Die einzige unvergebbare Sünde ist die Sünde gegen den heiligen Geist. An dieser Stelle will Spener jedoch lieber von den täglichen SUnden und "Fällen" sprechen, die mitunter auch gegen das Gewissen begangen werden. Nur 252
jedoch in einen eindeutigeren Kontext eingeordnet sah, habe dieser die Praetoriustraktate von anstößigen Stellen gereinigt. lOg Durch den Vergleich hatte Praetorius etwas in der Hochachtung Speners verloren. 109 Dennoch hielt er ihn für einen gottseligen Mann, der "den grund des heils herrlich erkant habe". I 10 Spener führt seine Fehler auf unzureichende Studien zurück.111 Er habe falsche Konsequenzen aus wahren Thesen gezogen und habe sich in einigen Dingen zu leicht einnehmen lassen. I 12 Dennoch halte er ihn für einen redlichen Lehrer, dessen sich die Kirche nicht zu schämen brauche. Spener erinnert daran, dass auch den Väter der Kirche ihre Fehler in christlicher Liebe zugute gehalten werden. 113
3.3 Die Empfehlungen der Traktate von Andreas eramer und die Entfaltung einer evangelischen Predigtmethode Die Lehre von den Gnadenschätzen in der Taufe hat Spener bald nach der Lektüre der Geistlichen Schatzkammer auch in den Traktaten des Mühlhausener Superintendenten Andreas eramer (1582-1640)114 wiedergefunden, jedoch so kann er auch die Erklärung des Praetorius (bzw. Statius) gelten lassen: "Denn Gott gibt seinen lieben außerwelten ein ewiges vnvergengliches Heyl/ auf dz sie daraus einen ewigen vnvergenglichen Trost/ wider jre tegliche gebrechen vnd felle schöpffen", AA, I, 215 (= AB, 142), Geistliche Schatzkammer 49. Wäre hier nicht von den täglichen Sünden die Rede, würde nicht nur Praetorius, sondern auch Statius von einem ewigen, unverlierbaren Glauben sprechen. Unter den Sünden sind die "Schwachheitssünden" zu verstehen, nicht die Apostasie, die sich nur auf den permanenten Unglauben und die Verachtung des göttlichen Wortes bezieht. Spener beruft sich dazu aufDannhauer (Hodosophia, Phänomen 9, 860), vgl. Bed. 4, 482f. 108 "studiose hic omisit locos hoc, quos recensui", Spener, Briefe, I, Nr.97, Z.206f (=Cons. 1,41). 109 "Jedoch leugne nicht, daß Praetorius aus lesung seiner eigenen werck etwas derjenigen hochachtung bey mir verlohren, die ich vorhin von ihm aus Statii ruhm hatte geschöpfft.", Bed. 3, 341. 110 Bed. 3, 341. 1II "Weil es ihm aber an studiis mag gemangelt haben", Bed. 3, 341. Vgl. Bed. 3, 304 (1679, an Dilfeld): "Stephanum Praetorium halte ich vor einen treuen diener GOttes, so viel gutes gethan, ob es wohl ihm mag an einigen studiis gemanglet haben, daher der liebe mann in ein und andern stücken angestossen, aber billig ist, wir lassen ihn des rechts geniessen, so vir den vätern geben, in denen allen, ja auch unserm theuren Luthero selbs, wir einiges notiren, so nicht angenommen wird". Vgl. Cons. 3, 655: "nec tarnen nego, forte quod opt. Vir studiis & ingenio minus valeret". 112 Vgl. Bed. 3,341. 113 Vgl. Bed. 3, 341. Sogar in der Bibel in den Apokryphen fänden sich Fehler und anstößige Stellen, wegen derer man sie nicht insgesamt verwerfe. Vgl. Cons. 3, 676: "Atqui in ipsis Bibliis ferimus libros Apocryphos, licet nullus suis careat maculis & erroribus: Cur non eadem aequitate fratrum opera in Ecclesiae usu servamus, quae multa utilia continet, licet triticum paleae adhuc commisturn appareat, ut adeo aliqua venia opus habeant? Vgl. Bed. 4, 516: "daß es dem lieben mann an den studiis gemangelt! daher er sich an einigen dingen gestossen: darüber ich ihn aber so wenig verwerffe/ als die alten patres, bey deren jeglichen sich nicht nur ein bekantlicher irrthum frudet". 114 Andreas Cramer, (1582-1640), Studium Helmstedt, Rektor Quedlinburg 1607, Pfr. Magdeburg 1615-31, Superintendent Mühlhausen/Thüringen 1631-1640, vgl. Heppe, Art. Cramer, 545f. Heppe nennt Cramer einen "Vorläufer des späteren Pietismus". Grünberg, Spener I, 113 vermutet einen Einfluss des Praetorius aufCramer.
253
ohne die anstößigen Formulierungen von Praetorius. 115 Deshalb entschloss er sich zu einer Herausgabe von fünf ausgewählten Traktaten, die 1668 unter dem Titel "Der Gläubigen Kinder Gottes Ehrenstand und Pflicht" mit einer Vorrede Speners veröffentlicht wurden. 116 Diese Traktate wurden von Spener in seinen Briefen mehrfach erwähnt und empfohlen. 117 "So handelt auch der fromme Cramerus in diesen scriptis eben dieselbe materien! aber mit noch mehr behutsamkeit als Praetorius oder Statius. Aus welcher ursach ich auch selbige arbeit habe durch wieder auflag! guten leuten wollen mehr bekant machen. "118 In der Vorrede vom 17.12.1667 entwickelt Spener erstmals "Grundsätze des Kirchenreformprogramms", die später auch in der "Pia Desideria" wiederkehren. 119 Ausgangspunkt ist die Frage, warum die Hörer sich trotz vieler Predigten kaum bessern und das "ruchlose Leben" zunimmt.120 Die Antwort liegt im Verständnis des Glaubens. Erst ein lebendiger, wahrer Glaube kann Früchte bringen. Wie nur ein guter Baum gute Früchte bringt, können gute Werke nicht durch das Gesetz erzwungen werden, sondern sind die Frucht der Predigt des Evangeliums. Darum kommt es in erster Linie auf die Predigt des Evangeliums an, die den Glauben hervorbringt,121 Die Predigt des Gesetzes ist nicht geeignet, gute Werke hervorzubringen,122 Die Konsequenz daraus ist die Verbin-
115 Die Traktate Cramers lauten u.a.: Seliger Taufstand der Christen ... Zu hochnötiger Erbauung und Beförderung des wahren Christentums; Gottes Gnadenordnung von der Menschen Seligkeit; Kurze Anleitung zur Katechismuslehre, Kernsprüche zur täglichen Übung des Glaubens. Spener erhielt ein Exemplar von dem Hotkommissar des schwedischen Königs, Johann Heinrich Pentz von Pentzenau, früher filrst.-cassel. und Darmstädter Rat, Abgesandter von Nassau-Saarbrücken, einem guten Freund von Cramer. Cramers Traktate wurden erstmals 1636/37 in Mühlhausen gedruckt. Ihre Verbreitung war jedoch auch wegen des schlechten Druckes gering. vgl. EGS, T.2, 9f. 116 Mit einer Vorrede vom 17.12.1667, EGS, T.2, I-JO (Grünberg Nr.228), 2. Aufl. Frankfurt a.M. 1669. Eine erneute Auflage erfolgte 1688 in Dresden (Grünberg Nr.229) mit einer Vorrede Speners vom 6.3.1688, EGS, T.2, 11-17. Vgl. zu der Vorrede Walhnann, Spener, 21986,241-243 und Sträter, Meditation, 150-156. 117 VgI. Spener, Briefe, 1, Nr. 27, Z. 109-115 (=Cons. 3, 17); Cons. 1,342; Cons. 1,274 (29.9.1676, an J. L. Hartmann); Cons. 3, 437; Cons. 3, 458; Bed. 3, JOOf (= Spener, Briefe, 2, Nr. 64, Z.I4-23); Bed. 3, 133; Bed. 3, 341; Bed. 3,426; Bed. 4, 114; Bed. 1,295; Bed. 2, 745; Bed. 2, 643; L. Bed. 3, 71. 118 Bed. 3, 134. 119 Vgl. Stritter, Meditation, 150: ,,Abkehr vom Vorrang der Gesetzespredigt, Abkehr von der mit ihr verbundenen Zuflucht bei dem Appell zu obrigkeitlichen Zuchtmaßnahmen, dafiir ernsthafte Rückkehr zu der lutherischen Vorordnung des Glaubens vor die Werke und zum Vertrauen auf die Kraft des Evangeliums sind die Refonngrundsittze Speners schon kurz nach seinem Frankfurter Amtsantritt." 120 Sträter, Meditation, 78. 121 "Dahero so müssen wir durch das Evangelium erst Christen bekommen! ehe wir gutes und Gott=gefälIiges Leben von ihnen fordern", Spener, Cramer-Vorrede, B9r, zitiert nach Stritter, Meditation, 151. 122 "Dieses alles dienet dazu! daß wir sehen! die Ursach und Hülffe der beklagten Gottlosigkeit seye nicht bloß oder vornemlich bey dem Gesetz! sondern viehnehr dem Evangelio zu suchen; und daß wir müssen rechtschaffene Christen haben! ehe wir die eyfferige Ubung ihrer
254
dung von Glaube und Meditation, die Vorstellung der göttlichen Wohltaten und der Schätze des Evangeliums,123 Für Spener ist Cramer ein gutes Beispiel der evangelischen Predigtmethode, die eine Besserung nicht durch Einschärfen des Gesetzes, sondern durch die Predigt des Evangeliums erreichen will,124 Dazu gehört auch das "Schmecken" der "Süßigkeit jener himmlischen Schätze",125 Diejenigen, die ihre Heilsgüter ergriffen haben, werden zur Vergewisserung durch die Früchte des Glaubens aufgerufen. "Dieses zweiffele ich nicht, ist der echte Apostolische, Evangelische methodus, bey dem ich gerne zeit lebens ... zu verbleiben gedencke",126 Zu den Freunden, mit denen sich Spener über die Geistliche Schatzkammer austauschte, gehörte auch der Tübinger Medizinprofessor Johann Conrad Brotbeck (1620-1677),127 mit dem er in verwandtschaftlichen Beziehungen stand. Während seines Tübinger Studienaufenthaltes im Sommer 1662 lernten sie sich persönlich kennen,128 Ihre gemeinsame Wertschätzung der Geistlichen Schatzkammer bemerkten beide jedoch erst nach Speners Vorrede zu den CramerTraktaten (1668),129 Während Cramer frei von anstößigen Formulierungen sei, riet Spener in seinem Brief vom 24.10.1668 wegen möglicher Missverständnisse nur den Fortgeschrittenen zur Lektüre des Praetorius bzw. der GS.130
3.4 Die Revokationsformel von Stephan Praetorius und Speners Kritik Speners Eindruck von Praetorius bestätigt sich, als er von einem Freund aus der Mark Brandenburg, möglicherweise Gebhard von Alvensleben,l3l Anfang Christen=Ptlicht von ihnen erwarten können", Spener, Cramer-Vorrede, B11r, zitiert nach Sträter, Meditation, 153. 123 Sträter, Meditation, 154, vgl. auch Bed. 3, 341. 124 "Dieses Methodi befleißige ich mich auch nach dem vermögen, das GOtt gibt, daß ich den leuten ihr Heil in Christo vortrage, und groß genug mache, damit GOttes Geist den glauben dadurch wircke", Bed. 3, 343. Dass eine Reform der Kirche nicht durch die Predigt des Gesetzes, sondern nur durch die Predigt des Evangeliums geschehen könnte, vertrat Spener auch gegenüber seinem Freund Johann Melchior Stenger, vgl. Sträter, Spener und der "Stengersche Streit", 48. Vgl. Cons. 3, 637. 125 Spener, Cramer-Vorrede, C2r, vgl. Sträter, Meditation, 154. 126 Bed. 3, 343, vgl. auch L. Bed. 3, 728: "und darinnen dem Apostolischen Methodo nachzufolgen nicht zweifle"; Bed. 2, 745 (1699): "darinnen solcher evangelische methodus auch stattlich gezeiget worden ist". 127 Johann Conrad Brotbeck (1620-1677), Prof. Astronomie Tübingen 1650, Physik 1653, Medizin 1657, vgl. Spener, Briefe, 1, Nr.27, Anm.1. 128 Vgl. Wa1hnann, Spener, 21986, 157f. 129 "Nach diesem habe mit einem gottseligen mann, Doctore und Professore Medicinae zu Tübingen ... kundschaffi bekommen, der wie wir ohne das mit einander befreundet, offiers in briefen von solcher materi sich mit mir ergötzet", Bed. 3, 341; Spener, Briefe, 1, Nr.27, Z.44f. 130 Cons. 3, 17: "Unde huius (=Cramer) quam illius 1ectionem communiter aliis suadere hactenus ma1ui, nullo in Praetorium, quem exosculor et in eo divinam gratiam veneror, contemtu, sed quod profectioribus istum magis idoneum credo." 13l Gebhard von A1vensleben (d.J.) (1619-1681), Hof- und Justizrat von Herzog August von Sachsen-Weißenfels in Halle a.S. 1649, Geheimer Rat 1655, Amtshauptmann zu Giebichenstein 1659-1668, lebte auf Gut Neugattersleben (Altmark), Mitglied der "Fruchtbringenden Gesellschaft" seit 1647. Vgl. Spener, Briefe, 1, Nr.97, Anm.1; Conermann (Hg.), Frucht-
255
1671 eine Abschrift von der Revokationsformel des Praetorius erhält.132 Der Erhalt dieser Formel, die er als eine Wohltat bezeichnet, und deren Kenntnis bedeuten für ihn nicht eine Herabsetzung des Praetorius. Denn dadurch, dass dieser seine Fehler eingestanden hat, wird er von Spener als aufrichtiger Lehrer der Kirche geschätzt. Darauf weist er in seinen Briefen wiederholt hin. l33 Anhand der Revokationsformel beurteilt Spener die Fehler des Praetorius.l 34 Zu 1) Antinomistische Passagen gegen den tertius usus legis habe er nicht festgestellt, wolle sie aber gegebenenfalls notieren. Zu 3) Eine Verwechslung und Vermischung der materialen und formalen Bedeutung der Taufe könne er nicht sehen, zumal die materialen Sünden in der Taufe nicht abgeschafft seien. Zu 5) Den Vorwurf der Beschimpfung von Luthers Katechismus lässt er nicht gelten, denn Praetorius erweist sich an anderer Stelle als ein großer Verehrer Luthers. Zu 2 und 4) Der Hauptirrtum des Praetorius besteht für Spener darin, dass dieser die Unterscheidung zwischen den peccata mortalia und venialia ignoriert.l 35 Spener kann jedoch einige Belege beibringen, aus denen hervorgeht, dass Praetorius bei mutwilligen Sünden durchaus mit einem Gnadenverlust gerechnet hat. 136 Die mangelnde Unterscheidung im Sündenverständnis hat den weiteren Irrtum über die Unverlierbarkeit bzw. Unzerstörbarkeit des Glaubens bringende Gesellschaft, 588-590. In einem späteren Brief erwähnt Spener, dass ihm der Revers aus der Mark (Brandenburg) überliefert wurde: "Den revers anlangend! so ist mir derselbe aus der Marck einmal communiciret worden", Bed. 4, 516. Spener nennt als gemeinsamen Freund den Theologiestudenten Tieffenbach: "de communi amico Tieffenbachio", Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.8f. 132 Spener antwort am 10.3.1671, Spener, Briefe, Nr.97 (=Cons. 1, 37-44). "Nunc ingens beneticium est, quod a Te formulam revocationis a Viro scriptam accepi", Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.78f (=Cons. 1, 38). Zwischen beiden Briefen liegen mindestens zwei Monate. Unter den handschriftlichen Quellen des Spener-Biographs Canstein befand sich auch ein Revers über die "retractationes prätorii", vgl. Schicketanz, Canstein, 167. 133 "Neque vero illa lecta desinit mihi illius pietas in pretio esse, sed maioris iam illum facio", Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.79f (=Cons. 1, 38). "Es hat mich aber solcher revers so gar nicht von der liebe u. guter meinung von diesem lieben mann abgezogen! daß er mich vielmehr darinnen gestärckt hat! in dem ich daraus erkant! daß der fromme mann so redlich und christlich gewesen! daß er/ da ihm einiger verstoß und fehler in seinen schrifften angezeiget worden! sich nicht geweigert! dieselbe zu revociren", Bed. 4, 516. "Es vergnügte mich auch so vielmehr, daß mir von einem guten freund seine revocation über etliche puncten communiciret wurde, daraus ich gesehen, daß er auch willig gewesen sey, der warheit zu weichen, wo er überfiihret worden", Bed. 3, 341. "es hat mich aber solches nicht geärgert! sondern vielmehr/ daß er nicht hartnäckig sein wollen! mir wohlgefallen", Bed. 4, 482 (10.12.1685). "Es hat aber auch Praetorius selbs einiges dergleichen zu seiner zeit revociret! so ihm nicht zum schimpff und deswegen seine schrifften zu verwerffen! sondern vielmehr/ wie Augustino, zum zeugnüß seiner aufrichtigkeit dienen solle", Bed. 1, 164. "qua causa vivus aliqua revocare jussus est nec jussis refragatus, quod ipsum mihi candoris pii indicium est gratum", Cons. 3, 655 (4.2.1688, an Johann Fischer). 134 Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.84-276. 135 "Cum veram distinctionem peccati mortalis et venialis ignoravit, ... ex hoc fluxit altera hallucinatio de tide et salute non amissibili", Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.129-131 (=Cons. 1, 39f). 136 Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.135-162 (=Cons. 1,40).
256
bzw. des Heils zur Folge. "Vornemlich aber habe dieses an ihm gefunden, daß er, nicht zwar (dessen er von einigen beschuldiget wird) leugnet, daß das einmal gehabte heil wiederum verloren werden könte, aber dannoch, daß er davor hält, bey den auserwehlten seye der glaube der massen ein ewiger glaube, daß er nimmermehr vergehen, oder durch einige sünden verlohren werden könte".137 Mit der Rede vom "ewigen Glauben"138 verbindet Praetorius das Verständnis der Buße. Sie ist nur eine Erinnerung an das, was der Glaubende schon immer festgehalten hat.l 39 Speners Kritik richtet sich dagegen, dass die Auserwählten durch ihre "Fälle" ihren Glauben nicht verlieren können.l 40 Statius habe diesen Gedanken klugerweise ausgelassen. Spener versteht unter diesen Sünden die "Schwachheitssünden" ("lapsibus infirmitatis"), d.h. die Sünden, die nicht den Menschen beherrschen, sondern alltäglich sind. Deshalb empfiehlt er die Geistliche Schatzkammer nicht allen, sondern nur einigen seiner Zuhörer. Weigelianismus und Osiandrismus habe Spener in den Beispielen seines Briefpartners nicht gefunden, hingegen bringt er ein Beispiel fiir Osiandrismus an einer anderen Stelle, die Statius klugerweise ausgelassen habe.l 41 Spener gesteht ein, dass die Unterscheidung von status exinanitionis und exaltationis der Christen bzw. regnum gratiae und gloriae von Praetorius nicht immer streng durchgeführt worden ist und dadurch übertriebene Formulierun-
137 Bed.4, 109. 138 Vgl. Tr. 7 (Vom wahren Glauben und seiner Kraft), AA, I, 221f(= AB, 147t): "Denn die lieben Außerwehlten Gottes haben durch Gottes Gnade vnd Krafft einen ewigen vnvberwindlichen Glauben in ihren Hertzen. Sie sind! bleiben! leben vnd schweben stets im Glauben. Ja der Glaube ist! bleibet! lebet vnd schwebet stets in ihnen ... Derwegen so haben auch die lieben Außerwehlten ein ewiges Heyl/ weil sie einen ewigen Glauben haben ... Sollen sie auffs newe anheben an Christum zu gleuben! wenn sie gefallen sind! So folget! daß der Glaube mit dem Heyl verloren sey Ist er verloren! Woher wollen sie ihn denn wieder nemen?". 139 Vgl. Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.163-170 (=Cons. 1, 40t): "Haec loca evincunt non credidisse eum absolutam indeficibilitatem regeneratorum et fidelium, neque etiam fidem talern, cui cum impia vita conveniat, sed potius quae malitiosa reiectione pereat. Uti vero haec recto stant talo, ita aliud Iatet vitium, cum nempe existimat electos et, qui aliquando aeternae gloriae actu participes fient, non posse fide excidere nec ullis Iapsius eam amittere: unde secundum ipsum onmis eorum poenitentia non est reditus ad Deum vel reconciliatio eius irati, verum tantum nova agnitio eius quod semper retinuimus." 140 Er vermutet, dass der Irrtum aus einer Beschäftigung mit Schriften der Reformierten entstanden sein könnte, vgl. Bed. 4, 109: "vielleicht auch da er über einige Reformirte bücher, in denen sonsten das übrige evangelium von den gütern des heils gut angetroffen, gekommen, und sich deswegen darin verliebet, zugleich aber unvermercket dieses mit an sich gesogen." 141 Vgl. Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.236--262 (=Cons. 1,42). "Interea non diffiteor, eum alio Ioco ... in errorem Osiandri incidisse", Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.243f(=Cons. 1,43). In Tr. 1 (Von der gülden Zeit), AA, I, 23-26 (= AB, 4t) ist von der Gabe der Tugenden Christi nach seiner göttlichen Natur die Rede: "Zum andern! schenckt vns jetzt Gott die Gerechtigkeit seines lieben Sohns/ das ist! alle seine Tugende/ die Er nicht allein in seiner zarten Menschheit! sondern auch von Ewigkeit her/ aus der Göttlichen Geburt! an seiner Mayestet gehabt hat vnd noch hat ... daß vns seine ewige Gerechtigkeit! damit Er von Ewigkeit zu Ewigkeit gezieret gewesen! von Gott zugerechnet wird ... Das ist! die Gerechtigkeit Christi! welche ... an vns nimmermehr vergehen sol." Praetorius scheint sich an anderer Stelle selbst zu korrigieren, vgl. AA, II, 200 (= AB 819).
257
gen entstanden sind.l42 Statius sei es zu danken, diese Aussagen aus "christlicher Vorsichtigkeit" ausgelassen zu haben. In seinem Brief teilt Spener seinem Freund in der Mark Brandenburg auch den Tod des gemeinsamen Freundes Tieffenbach mit, der ihn sicherlich berühren werde. Dieser habe sein dreimonatiges Leiden in Geduld, Ausdauer und Glaubensfreude ertragen. In Berufung auf Praetorius habe er seine Schmerzen als "Küsse des himmlischen Bräutigams Jesus" verstanden. Sein Eifer habe darin bestanden, Gott zu dienen und die Nächsten zu erbauen. Er sei dankbar gewesen, dass Spener ihm nicht nur die Revokationsformel gezeigt, sondern auch die kluge Auswahl des Statius erklärt habe. Er richtete sich an der Majestät der Kinder Gottes und ihrer vollkommenen Gerechtigkeit auf. Bis zum letzten Atemzug habe er bekannt, der Geistlichen Schatzkammer viel zu verdanken.l 43 Spener hält trotz seiner Kritik an der Wertschätzung der Geistlichen Schatzkammer bzw. des Praetorius fest. Der Grund dafiir liegt darin, dass dieser die Lehre von den Gnadenschätzen aus der Taufe, die bereits in diesem Leben empfangen werden, in den Mittelpunkt gestellt hat. In der Schrift ist dieser Gedanke von der gegenwärtigen Seligkeit und dem Besitz der göttlichen Güter insbesondere in Tit 3,5; Röm 8,16f; Joh 1,12; Gal 4,7; 11 Kor 6,2; Röm 4,6-8; Eph 2,8; Röm 6,9.11; Kol 3,3f; I Kor 3,21f; Hebr 6,4f zum Ausdruck gebracht.l 44 Neben der Schrift ist Luther der wichtigste Zeuge fiir diese Lehre.I 45 Spener verweist dazu auf den Kleinen Katechismus.I 46 142 Vgl. Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.263-276 (=Cons. 1,42). Spener verweist dazu auf seinen Lehrer Dannhauer, der diese Unterscheidung arn besten getroffen habe. Darüber hinaus kritisiert Spener an anderer Stelle den leichtgläubigen Umgang des Praetorius mit den Sibyllinischen Büchern, dem Laodicenerbrief und den Visionen eines Edelknaben, vgl. Bed. 4, 108f (1684). 143 "Caeterum nosti, quarn Iectio Praetorii vel Statii potius (neque enim illum nisi hoc indice Iustravit) pientissimum nostrum Tieffenbachium ceperit: Nunc a me scias, eum ad externum usque halitum multum autori huic se debere professum esse. Pergratum isti etiarn fuit, quod ex Tuis revocationis formularn ostendi, sed iarn prius aliquoties ipsi monstraverarn illius ... et Statii in seligendo pmdentiarn. Ex his iarn colligis hunc communem nostrum arnicum ad DEUM praecessisse, et haud dubie illo casu afficieris. Si vero coram vidisses, qua patientia, constantia et alacritate fides eius se manifestaverit, non tarn condolentia quarn gratulatione dignum dictums esses. Tres menses in gravissimis doloribus exegit, sed ... patientia summa tulit et osculis (ex Praetorio hoc allegans) comparabat, quibus ipsum sponsus IESUS tarn arcte constringeret, ut oculi sudarent. Erigebat se maiestate filiorum Dei, perfecta, qua in Servatore suo gauderet, iustitia et propinquitate ineffabilis gloriae ... Quis ei zelus fuerit Deo suo toto corde serviendi, et iuxta se etiarn proximos aedificandi, ipse nosti", Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.279-297 (=Cons. 1,43). 144 "Haec vero onmia bona non tantum sperarnus, sed ipso actu possidemus; exhibita nobis sunt et tradita", Spener, Briefe, 1, Nr. 97, Z. 28f. 145 Spener weist daraufhin, dass bei Praetorius dazu das Meiste zu fmden ist: "Sed in cumuIandis Iocis eius multus non ero, cum in Praetorio illa pleraque notata facile reperias", Spener, Briefe, 1, Nr. 97, Z. 43f. 146 "Wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit", Spener, Briefe, 1, Nr. 97, Z. 44--46. 258
Vermutlich Anfang 1672 wandte sich Spener, den "pietissimum Praetorium" betreffend, wiederum schriftlich an Brotbeck und übersandte ihm den Brief, den er von einem Freund erhalten habe, zusammen mit seiner damaligen Antwort,147 Dieser Brief des Freundes enthalte eine "palinodia", offensichtlich die von Praetorius unterschriebene Revokationsformel. Spener spricht sogleich den seiner Ansicht nach schwierigsten Punkt bei Praetorius an: Die Lehre des Praetorius, dass die Gläubigen ihr Heil niemals durch einen "lapsus" (d.h. Sündenfall) verlieren können,148 Die andere Seite dieser Lehre ist die These, dass demjenigen, der Heil und Glauben einmal verloren hat, keine Rückkehr möglich ist. Spener will jedoch nicht so weit gehen, hier die Sünde gegen den Heiligen Geist (Mt 12,31 f) anzusiedeln, zumal sich Praetorius darüber nicht ausdrücklich geäußert habe. Nachdem Brotbeck eine Verteidigungsschrift fiir Praetorius angeregt hatte, die sich gegen die Kritik von Gottfried Olearius l49 richten sollte, wiegelt Spener ab,150 Olearius habe Praetorius nicht namentlich erwährIt. In seiner These lehre er dasselbe aus Paulus, Luther und der Bibel, was sie auch an Praetorius schätzten. Er verurteilt nicht den eigentlichen Sinn des frommen Mannes. Manches wird mit Recht an Praetorius kritisiert. Praetorius könne den fortgeschrittenen Christen zur Erbauung dienen, wenn sie seine Mängel beachten. Schließlich kommt Spener auf Statius zu sprechen, der sich mit dem "Lutherus Redivivus"151 um die Kirche verdient gemacht habe, einer Schrift, die in vielem mit der Geistlichen Schatzkammer übereinstimme. Spener erwähnt auch die Schriften von Paul Egard, Christian Hoburg und Friedrich Breckling, dessen katechetische Schrift "Modus catechezandi" er positiv hervorhebt. 152 Brotbeck ließ als großer Verehrer der Geistlichen Schatzkammer fiir seine Familie und Freunde eine Tafel drucken, auf der die gesamte Lehre des Heils kompen-
147 Spener, Briefe, 1, Nr.120 (Anfang 1672, an Johann Conrad Brotbeck in Tübingen). Der Brief des Freundes ist nicht überliefert (ebd. Anm.4). Vennutlich handelt es sich dabei um den Brief, den er von Gebhard von Alvensleben (d.J.) erhalten hat (vgl. Spener, Briefe, 1, Nr.97, Z.5). Die Antwort Speners datiert vom 10.3.1671 (Spener, Briefe, 1, Nr.97). 148 Dieser Punkt wurde auch in der Revokationsfonnel als einer der Irrtümer genannt: "von der Heiligen Fälle wider das Gewissen! daß sie dadurch den Heiligen Geist! und die Gnade GOttes nicht sollen verliehren" (Spener, Briefe, 1, Nr. 120, Z.18-21). Auch Statius hat diese Meinung nicht gebilligt und deshalb die entsprechende Passage ausgelassen. 149 Gottfried Olearius, Thesaurus Salutis Orthodoxus, Das ist! unverfälschter Schatz der Seeligkeit, 1652 (2. Autl. Leipzig 1669), in der zahlreiche Sätze aus der Geistlichen Schatzkammer widerlegt werden. ISO "der liebe mann achtete auch einmal nützlich, daß sich ein Theologus zur publica defensione des guten Praetorii wider seine gehäßige hervorthäte, ich bekenne aber, daß ich solches nicht vor nützlich geachtet, indem dardurch solche liebe schriffien eher den leuten aus als in die hände gebracht werden würden.", Bed. 3, 342. 151 S. SVZ. Spener versucht, auch dessen "Cynosura Apostolica" zu erhalten, aber bislang ohne Erfolg. 152 "Eius tarnen in Catechesin meditationes ita legi, ut legisse non poeniteat, nec meminerim praeter indicatum alios in eo, qui puritatem doctrinae ternerarent, errores observasse." (Spener, Briefe, 1, Z.73-76. 259
dienhaft dargestellt war.l 53 Spener berichtet später, dass Brotbeck bis zu seinem Tod von dem Freudenchristentum der Geistlichen Schatzkammer geprägt war.l 54 Spener empfahl die Geistliche Schatzkammer insbesondere von Schwermut und Sünde angefochtenen Christen zu ihrer geistlichen Erbauung, da er von positiven Erfahrungen vieler Gläubigen wusste.l 55 Während Spener die Geistliche Schatzkammer den "Fortgeschrittenen" empfiehlt, gehören die Cramer-Traktate zur Lektüre der "Anfänger". Dies zeigt ein Rat Speners gegenüber seinem Freund Gottlieb Spizel (1639-1691) in Augsburg in einem Schreiben vom 25.11.1671.I 56 Bemerkenswert ist die Einteilung Speners: Nach der Lesung der Heiligen Schrift zählt er zur Anfängerlektüre Baylys "Praxis Pietatis", Sonthoms "Güldenes Kleinod der Kinder Gottes" und die Cramer-Traktate.l 57 Die Fortgeschrittenen im Glauben dürfen hingegen Arndts "Wahres Christentum" lesen.l 58 Auch gegenüber dem Superintendenten Johann Ludwig Hartmann (1640-1680) in Rothenburg o.T. empfiehlt er 1676 die Cramer-Traktate.l 59 Beiden ging es wie Spener um eine Erneuerung der Frömmigkeit des Pfarrerstandes.l 60 3.5 Speners Empfehlungen und Verteidigung der Geistlichen Schatzkammer
Die Empfehlung der Schriften Cramers und in ihrem Gefolge auch der Geistlichen Schatzkammer lösten Reaktionen und Zuschriften aus. In einem seelsorgerliehen Trostbrief an einen Amtsbruder in oder nahe Straßburg verweist Spener Anfang 1674 neben Luthers Taufpredigten auch auf die Lektüre der GS.l61 153 Spener bemühte sich um eine Exemplar dieser Tafel, vgl. Bed. 3,425. 154 "Sonderlich habe ich vordem den seligen Herrn D. Brotbecken Profess. Medicinae zu Tübingen gekant! der solchem büchlein nechst der schrifft sein meistes gedancket hat! und zu einem solchen christen daraus worden ist! daß sein gantzes leben! so zu reden! lauter freude über das empfangene heil und lobe GOTTes würde/ in welchem lob der liebe mann auch auf eine denckwürdige weise gestorben ist.", Bed. 4, 482. Vgl. auch Bed. 3, 342; Bed. 3, 425; Bed. 3,110. 155 "Habe auch nicht bedenckens gehabt (noch habe es ietzo) das büchlein einigen frommen seelen, die aufgemuntert, und aus der schwermuth zu einer glaubensfreudigkeit aufgerichtet zu werden, bedörffen! zu recommendiren.", Bed. 3, 340. 156 Spener, Briefe, 1, Nr. 111 vom 25.11.l671 (=Cons. 1,338-343). Spener übersandte seine Ausgabe der Schriften Cramers vermutlich bereits am 22.7.1669 (Spener, Briefe, 1, Nr. 38). In seinem Brief vom 10.12.1669 (Spener, Briefe, 1, Nr. 47) nimmt er auf die CramerTraktate Bezug. Mit ihnen vertritt er einen "scharf evangelischen Ansatz des Frömmigkeitsstrebens", Blaufuß, Reichsstadt, 98. 157 Zu Bayly und Sonthorn vgl. Sträter, Bayly. 158 "Praeter hoc medium, ut illa res diligenter inculcetur auditoribus, optarim ut hi adsuefiant lectioni diligenti S. Scripturae, & post hanc librorum piorum, in quibus ego quidem incipientibus Baili praxin pietatis & Sonthomii aurum cimelion filiorum Dei ... atque ex nostris Andr. Crameri opuscula, proficientibus vero Arndii Christianismum commendo", Spener, Cons. 1,342. 159 Spener, Briefe, 2, Nr. 106 (= Cons. 1,274-276). 160 Brecht, Spener, GdP 1,291-294. 161 Spener, Briefe, 1, Nr. 177 (= Bed. 2, 715-728), als Antwort auf ein Schreiben vom 9.10.1673. Da sich der Adressat ein Exemplar der Geistlichen Schatzkammer in Straßburg besorgen soll, ist der Adressat in der Stadt oder in der Nähe zu lokalisieren. Wallmann (Spener,
260
Dieser Brief ist eine praktische Anwendung seiner zuvor theoretisch geäußerten Grundsätze hinsichtlich der Empfehlung der GS. Spener weist zunächst einmal auf den Taufbund hin, in dem nicht nur die vergangenen, sondern auch die gegenwärtigen und zukünftigen Sünden vergeben sind. Die Seligkeit in der Taufe kann zwar auch wieder verloren gehen, wenn man sie selbst von sich stößt, die Rückkehr ist jedoch möglich. Spener empfiehlt zuerst die Taufpredigten Luthers, dann die GS. Spener traut dem Adressaten den angemessenen Umgang mit der Geistlichen Schatzkammer zu.l 62 Während er bei den "Einfältigen" nur eingeschränkt rät, die Geistliche Schatzkammer zu lesen, ist bei einem Theologen eine kritischere Lektüre zu erwarten, die an den "naevi" keinen Anstoß nimmt.163 Er kennt kein besseres Gegengift gegen die Anfechtung durch die Sünden als die genannten Bücher: "Daß ich aber meinem hochgeehrten Herrn Schwager diese autores recommendire, geschihet deswegen, daß ich keinen methodum weiß, wie wir der anfechtung der sünden kürtzer und nachtrücklicher zu begegnen vermögen, als wo wir recht lernen, die krafft göttlicher gnade und die schätze der tauff verstehen und betrachten. Die sind das approbirte antidotum wider jenes gifft. Zweiftle auch nicht daranI wo der Herr Schwager wird anfangen seine gedancken hierauff zu schlagen, daß er selbs würde die krafft desselben bey sich empfinden."164 Es geht Spener also nicht nur um ein theoretisches Wissen, sondern auch um eine innerliche Empfindung. In der Prograrnmschrift "Pia Desideria" (1675) wird die Geistliche Schatzkammer nicht erwähnt, obwohl sich Spener auf die Taufe ausdrücklich bezieht. 165 An der Hochschätzung der Taufe als Ort der Wiedergeburt und Erneuerung will er festhalten. In Übereinstimmung mit Luther betont er, dass sie die Seligkeit gibt und nicht nur verspricht.1 66 Er wendet sich aber gegen eine bloße Einbildung des Glaubens und gegen ein sakramentales "ex opere operato" Verständnis der Taufe, indem er den Bundcharakter betont. Als "bund des glaubens und guten gewissens" erfordert sie die stetige Übung durch die RückBriefe, Nr. 177, Anm. 1) identifiziert den Adressaten nicht. Die Anrede "Schwager" könne auch einen "entfernteren Verwandten" bezeichnen, offensichtlich einen Spener bekannten Prediger. Von Speners beiden Schwägern käme nur der rappoltsteinische Hofprediger Joachim Stoll (1615-1678) in Frage. Zu Stoll vgl. Walhnann, Spener, 21986, 51-53. 162 "Weil auch der Herr Schwager ohne anstoß diejenige schriffien, darinnen etwas zweiffelhaftiges stehen mag, lesen kan, so wüste ich ilnn kaum etwas kräffiigers vorzuschlagen, durch dessen lesung er sich trösten und gegen solche sÜllden=anfechtung stärcken mag, als Martini Statii geistliche schatz=kammer der glaubigen", Spener, Briefe, I, Nr. 177, Z. 267271. 163 "Ein christlicher Theologus weiß es mit soviel mehrer discretion zu lesen ... dann ich kaum jemal gelernetl die gnade GOttes höher zu achten! und die tauffe herrlicher zu preisen! als eben aus solchem lieben und einfliltigen büchlein: dem ich auch daher/ wo einige naevi darinnen befmdlichl solche gerne zu gut halte", Spener, Briefe, 1, Nr. 177, Z. 280-287 (=Bed, 2,723). 164 Spener, Briefe, 1, Nr. 177, Z. 299-306 (= Bed. 2, 724). 165 Vermutlich war Spener die Rede des Praetorius von dem ewigen Glauben zu verfänglich, als dass er sie mit seiner Reformschrift in Verbindung gebracht haben wollte. 166 PD, 33, 1-6.
261
kehr zur Taufe durch die Buße.l 67 Die Predigt soll auf den "innern oder neuen menschen! dessen Seele der Glaube und seine würckungen die früchten deß lebens sind", ausgerichtet werden. So sollen "die theure Wolthaten Gottes/ wie sie auff den innern Menschen zielen" vorgetragen werden, damit der innere Mensch gestärkt wird,168 Im Unterschied zur heidnischen Ethik kommt es nicht auf die Übung äußerlicher Tugenden an, sondern darauf, dass der rechte Grund im Herzen durch die Erweckung der Gottes- und Nächstenliebe gelegt wird,169 Mit seiner Ausrichtung auf den inneren Menschen und der Forderung nach einer wahren Gottseligkeit entsprach Spener nicht nur der Intention Amdts, sondern auch der des Statius. Gegenüber dem Dresdener Hofprediger Samuel Benedikt Carpzov (16471707) verteidigt Spener Praetorius bzw. die GS,170 In seinem Brief vom 23.7.1675 nimmt er Amdt wegen seiner Vorrede in Schutz. Dieser könne nicht für alles Rechenschaft ablegen, was in den Praetoriusschriften enthalten sei, sondern müsse die Beurteilung dessen, was ungereimt erscheint, in die Freiheit des Lesers stellen. Da die Schriften erst 1622 erschienen sind, also ein Jahr nach Amdts Tod, sei ihm entweder die Vorrede untergeschoben worden - was sehr unwahrscheinlich ist - oder die Ausgabe war zu seinen Lebzeiten noch nicht vollständig und wurde noch ergänzt. Auch in diesem Fall ist Amdt zu entschuldigen. l7l Praetorius lobt er für seine Frömmigkeit, dessen Ansehen für Spener durch seine Revokation noch gestiegen ist. 172 Vor allem kennt er niemanden, der Luther so sehr gerühmt hat, dass daraus ein besonderer Trost erwächst. 173 In einer brieflichen Stellungnahme vom 15.12.1676 an seinen Freund, den Hofprediger Johann Winckler (1642-1705) in Dannstadt,174 beurteilt Spener die ihm zugesandte Schrift "Theopraxia oder Evangelische Ubung des Christenthums" (1675) von Wilhelm Christoph Kriegsmann l75 als Extrakt aus
167 168 169 170
PD, 35, 21-29. PD, 79, 35 - 80,3. Vgl. PD, 80, 3-17. Spener, Briefe, 2, Nr. 21 (= Cons. 3, 86-90 an Samuel Benedikt Carpzov in Dresden, 23.7.1675). In seinem Antwortbrief geht Carpzov auf die causa Praetorium nur kurz ein, vgl. Spener, Briefe, 2, Nr. 144 (= Cons. 3, 521-523). 171 Spener, Briefe, 2, Nr. 21, Z.lI-27. 172 Spener, Briefe, 2, Nr. 21, Z.29-33 (= Cons. 3, 87, 23.7.1675, an Sarnuel Benedikt Carpzov in Dresden): "Ipsius tarnen autoris pietas mihi non improbatur, imo et candor, quem ex eo etiarn agnovi, cum ab arnico subministraturn sit apographon scripti, quo iussu visitatorum nonnulla revocavit, indicio, quod rectiora docentibus lubens cesserit, et non suo tanturn ingenio sapere sustinuerit." 173 Spener, Briefe, 2, Nr. 21, Z.33-37. 174 Spener, Briefe, 2, Nr. 118 (= Bed. 3, 133-143). 175 Wilhelm Christoph Kriegsmann (1633-1679), Kammerrat in Darmstadt seit 1674, kurpfälzischer Kammer- und Regierungsrat in Mannheim 1678, vgl. DBA 710, 350-360; Jöcher 2, 2169f. Sein Bruder, Johann Sarnuel Kriegsmann, veröffentlichte die Schrift: "Halt, was du hast", die Spener ebenfalls in die Nähe der Geistlichen Schatzkammer rückte, vgl. L. Bed. 3, 71.
262
der GSI76 und empfehlenswert für diejenigen, die in der Lehre der Gottseligkeit bereits unterrichtet sind und "die lehr der gnaden nicht auff muthwillen wieder die intention ziehen werden".177 In seiner Absicht, die Besserung des Lebens nicht aus dem Gesetz sondern aus der Kraft des Evangeliums zu erreichen, ist es mit den Cramer-Traktaten und der Geistlichen Schatzkammer vergleichbar. Während er in den Hauptlehren mit Kriegsmann übereinstimmt, kritisiert er die Parallelisierung von Seligkeit und Gerechtigkeit. Während die Seligkeit für ihn der zentrale Begriff ist, der alle Güter der Gnaden umfasst, ist die Gerechtigkeit ein Teil der Seligkeit. Hinsichtlich des Glaubens bemängelt er eine unzureichende Absicherung gegenüber der Gefahr eines nur eingebildeten, auf fleischlicher Sicherheit beruhenden Glaubens. Spener kalkuliert einen möglichen Verlust der Taufgnade und die Wiederholbarkeit der Wiedergeburt bewusst mit ein,178 Wie nicht jedem dieselbe Medizin verabreicht wird, so empfiehlt er die Geistliche Schatzkammer - der Schrift Kriegsmanns vergleichbar nur denen, "welche einen hertzlichen eyffer hatten, GOtt ernstlich zu dienen und sich vor allen sünden zu hüten, aber aus ansehung derselben um ihrer unvollkommenheit angsthafft waren und also dieses trostes bedorfften ... Damit sie also von dem lesen nutzen haben und doch auch der schade verhütet werden möge",179 Spener bittet ausdrücklich darum, diese Stellungnahme nicht ohne seine Zustimmung zu verbreiten. Dass die Empfehlung der Cramer-Traktate auch die Predigtweise ihrer Leser verändern konnten, zeigt das Beispiel des Lobensteiner Superintendenten Elias Dantz (1631-1716), der dabei zu einem Freudenchristentum gelangte,180 Spener berichtet in seiner Antwort an Dantz Anfang 1676,181 dass auch in Württemberg l82 einige Fromme daran Gefallen gefunden haben, andere aber 176 "Auß solchem wercklein Statii scheinet fast dieses gantze opusculum extrahiret seyn.", Spener, Briefe, 2, 40f. 177 Spener, Briefe, 2, Nr.118, Z.388. 178 Spener, Briefe, 2, Nr.118, Z.157f; 268f; 314f. 179 Spener, Briefe, 2, Nr.118, Z.389-399. 180 Elias Dantz (1631-1716), Superintendent in Lobenstein 1670, berichtet Spener am 29.12.1675 von einer Erleuchtung seines Verstandes, die er nach der Lektüre der CramerTraktate erfahren habe. Durch Speners Vorrede neugierig gemacht, habe er erst nach dreimaligem Lesen ihre Absicht verstanden und eine besondere Freude darllber empfunden. "Mein Wille fmg an zu denen hohen Hinunels=Schätzen in Christo, bey der Taufe mier geschenckt und zuvor von mier nicht erkant, sich kräftiglich zu neigen, sich drüber zu erfreuen, daß ich etliche Tage eine sonderliche merckliche Süßigkeit in meinem Hertzen spürte, daher so oft ich gedachtes Büchlein ansahe, niederfiel und seuftzete", Spener, Briefe, 2, Nr.153, Z.3135. Daraufhin habe er begonnen, die Traktate nicht nur seinen Kollegen zu empfehlen, sondern auch seine Predigten daraufhin einzurichten. Einige hätten widersprochen, dass man eher den Zorn Gottes predigen müsse, andere hätten seine Methode nachgeahmt. Schließlich dankt er Spener, durch Cramer zu Erkenntnis Gottes gekommen sein. Nun könne er nicht nur die Bibel, sondern auch Luther, Arndt, Praetorius, Anton Buscher, Joachim Lütkemann, Heinrich Müller und Christian Scriver in ihren Schriften besser verstehen. Vgl. Spener, Briefe, 2, Nr. 153, insbesondere Z.18-106; Nr. 164 (Antwort Speners an Elias Dantz Anfang 1676). 181 Spener, Briefe, 2, Nr. 64 (= Bed. 3, 100-105 = Bed. 1,332-334) 182 Vermutlich Johann Conrad Brotbeck in Tübingen. 263
aus der Schrift selbst (Paulus und Luther), aus Luther, Arndt und dem "lieben Statio" sich dieses Evangelium "ins hertz getrucket haben",183 Er empfiehlt weiterhin diese Predigtmethode, macht aber auch auf zwei mögliche Gefahren aufmerksam: zum einen, dass diese in der Taufe erworbenen Gnadenschätze den Hörern nicht genügend erklärt werden und sie sich auf irdische Güter verlassen, zum andern, dass die "Sicheren" bereits ihre Einbildung für einen wahren Glauben halten,184 Bei denen, die gottlos leben, sind die Schätze des Evangeliums wieder entfernt. Er zeigt den Zuhörern den schönen Garten Gottes mit seinen Früchten, der aber nur einen Zugang hat, damit die Verächter der göttlichen Gnade nicht hinein gelangen können. 185 Zu einem öffentlichen Disput wollte ihn Georg Conrad Dilfeld herausfordern. Nach Erhalt eines umfangreichen Schreibens Dilfelds äußerte Spener 1678 seinen Unmut über "unfruchtbares wortgezänck",186 Er berichtet von seiner nicht vorurteilsfreien Lektüre der GS. Die vorhandenen "schwachheiten" ließen sich mit "gütiger auslegung" mildem. Spener drängt das Buch niemandem auf, will es aber auch nicht verwerfen. Gottselige Christen, die es in Einfalt lesen, werden anstößige Stellen gemäß der anlogia fidei verstehen,187 Wie ein schönes Bild Kunstfehler enthalten kann, soll die Geistliche Schatzkammer nicht wegen darin enthaltener Irrtümer abgelehnt werden. Die Erfahrung zeigt, dass viele Christen aus ihr erbaut wurden,188 Gegenüber einer "fürstlichen Person" ermuntert Spener zur Betrachtung der Güter der bereits geschenkten Seligkeit anhand der Geistlichen Schatzkammer oder von Cramers Traktaten,189 Spener kennt niemand, der daraus "einen schädlichen scrupel seines glaubens gefaßt" hat, dagegen jedoch viele, die für die Aufrichtung und Stärkung ihres Glaubens danken. 190 In einem Brief vom 4.2.1688 an den livländischen Generalsuperintendenten Johann Fischer (1636-1705)191 bekennt Spener, von der Frömmigkeit des Praetorius bewegt worden zu sein, zumal dieser viel aus dem Geist Luthers geschöpft habe,192 David Chytraeus habe ihn sehr geschätzt, wie aus seinen Brie-
183 184 185 186 187 188 189
Spener, Briefe, 2, Nr. 64, Z.I6-23. Vgl. Spener, Briefe, 2, Nr. 64, Z.37-82. Spener, Briefe, 2, Nr. 64, Z.108-116. Bed. 3, 267 (5.12.1678). Vgl. Bed. 3, 27Of. Vgl. Bed. 3, 304 (März 1679). Vgl. Bed. 2, 643: "mich allzeit sehr vergnügt! und zu reicher gottseliger auffmunterung mir anlaß gegeben haben". 190 Vgl. Bed. 4, 517. 191 Zum Briefwechsel zwischen Spener und Fischer vgl. Wallmann, Beziehungen des Pietismus zum Baltikum, 49-83. Fischer war insbesondere geprägt von Arndt und der engl. Erbauungsliteratur, Wallmann, Beziehungen des Pietismus im Baltikum, 65. 192 Vgl. Cons. 3, 654--656 (4.2.1688). "Ingenue fateor, saepius me valde commotum esse pietate Scriptoris, qui sane thesauros Evangelii penitus inspexit, & non parum ex Spiritu Lutheri hausit", Cons. 3, 655.
264
fen ersichtlich seL193 Vor allem gebe es viele Beispiele frommer Menschen, die ihre Erkenntnis des Evangeliums nach der Schrift vor allem Praetorius verdanken. Spener erwähnt auch die Angriffe Rangos und Calovs auf Arndt bzw. Praetorius. Eine Verteidigungs schrift für die Geistliche Schatzkammer wurde von Spener zeitweise erwogen,194 dann aber wieder verworfen, weil sie das Buch den Christen eher aus als in die Hände bringen würde. Zudem könnte sie durch eine Revokationsformel des Statius, auf die sich Abraham Calov bezog,195 unterlaufen werden,196 Aus Danzig hat Spener die Information erhalten, dass vom dortigen Ministerium kein Revers veröffentlicht wurde. Ob dieser aber gar nicht existierte oder lediglich nicht nach außen dringen sollte, blieb offen. Zumindest kam es nicht zu einem öffentlichen Streit oder Schisma,197 Aus SchwedischPommern habe er erfahren, dass die Geistliche Schatzkammer dort verboten sei. Dafür sehe er aber keinen Grund,198
3.6 Die Durchführung der Predigtmethode bei Spener Spener hat seine evangelische Predigtmethode nicht nur anderen empfohlen, sondern auch selbst durchgeführt. Das zeigt u.a. die auf Anraten eines ungenannten Theologen 1685 veröffentlichte Schrift: "Die lautere Milch des Evangelii oder die Lehr von den Gnaden- und Heilsschätzen, welche die Gläubigen in Jesu Christo haben"199. Bereits in seiner Dedikation vom 12.11.1684 an Anna Sibylla Müller in Frankfurt stellt er die besondere Bedeutung dieser kleinen Schrift heraus: Sie erfasst den Kern des göttlichen seligmachenden Wortes. 200 Anlass ist die Bitte eines "gottseligen Theologen", die Schätze des Heils 193 Vgl. Cons. 3, 655. Aus der gedruckten Sammlung der Chytraeusbriefe hat Spener bereits in den Pia Desideria zitiert, vgl. Pia Desideria, hg. v. K. Aland, 23,3-24,3. 194 1681 überlegt er, einen Aufsatz über Statius anonym zu veröffentlichen, vgl. Bed. 3, 424f. 195 "Das M. Statius in Dantzig einiges revociret, bezeugt herr D. Calovius, was aber und wie ers revociret, weiß ich nicht, und ob ich wol darnach gestanden habe, dennoch aus Dantzig nichts erlangen können.", Bed. 4, 671 (24.2.1690). Vgl. "qui etiam gloriatur, ase Dantisci adhuc haerente Martinum Statium ad palinodiam adactum", Cons. 3, 655 (4.2.1688, an Johann Fischer). 196 "Der härteste knote ist inuner, daß so wol der gute Praetorius einmal einen revers, darinnen er einige dinge revocirt, von sich gegeben haben solle, den ich auch gehabt, als daß auch von Statius dergleichen gesagt wird: Wo man sonderlich sich vorzusehen, daß man filr dieselbige leut nichts anführte zu ihrer unschuld, was nachmahl durch ihre wort und bekäntnüß widerlegt werden könte.", Bed. 4, 136f(1685). 197 Vgl. Bed. 4, 138; Bed. 4, 482. 198 Bed. 4, 482. 199 Die lautere Milch Des Evangelii/ Oder die Lehr von den Gnaden= und Heils= Schätzen! Welche die glaubige in JEsu Christo haben! besitzen und geniessen, Frankfurt a.M. 1685, 12°, in: EGS (1699), T.l, 941-1014. (Grünberg Nr.166). Aland (Lautere Milch, 179) vermutet, dass die Erstausgabe bereits Ende 1684 erschienen ist. Bei Sträter, Meditation wird diese Schrift nicht erwähnt. 200 "Wie dann diese kleine schrifft den außzug alles dessen begreifftl was die Höchste Majestät GOttes/ den reichthum Dero ewigen gütigkeit kund zu thunl ... noch thutl und ferner zu 265
bzw. des Evangeliums in einer Tafel zusammenzufassen, um Predigern und anderen "guten Christen" erbauliche Betrachtungen zu ermöglichen. 201 Nach Paulus und Luther ist vor allem Praetorius, der sich auf Luther stützt, die Hervorhebung der evangelischen Gnadenschätze zu verdanken. Während die bei ihm vorhandenen Mängel durch die Geistliche Schatzkammer von Statius, dessen Ordnung er ausdrücklich lobt, weithin behoben sind, hat Cramer diese Lehre "mit vieler weißheit und verwahrung vor aller anstößigen rede" ausgeführt. 202 Auch die Schrift von Moritz Neudorf "Der Christen privilegia von GOtt", die jedoch als mit reformierten Irrtümern behaftet gilt, wird von Spener in dieser Richtung erwähnt. Spener sieht den Nutzen seiner Arbeit darin, "daß die schätze des Evangelii nur in einer gewissen ordnung gleichsam summarischer weise vorgestellet würden".203 Er richtet den Blick auf die Adressaten: Die gläubigen Kinder Gottes sollen sehen, wie selig sie sind und durch die "vernünftige lautere Milch des Evangeliums" (I Petr 2,2) gestärkt werden, die Weltkinder hingegen sollen sehen, wie gut es den Kindern Gottes geht. Spener schlägt vor, jeden Tag eine Wohltat zu betrachten. Seine Zusammenfassung versteht er als Vorschlag für eine Predigtreihe. 204 Interessant ist ein Vergleich mit der GS: Durch die Betrachtung der Wohltaten Gottes, in denen sich seine Liebe erweist, wird die Gegenliebe zu Gott entzündet und die Selbstliebe überwunden.205 Spener beginnt wie Statius mit den Wohltaten Gottes. Der Ausgangspunkt ist die ewige Liebe Gottes, die Sendung des Sohnes und die Erwählung Gottes. Der Ursprung der göttlichen Gnadengüter der Seligkeit liegt in der Ewigkeit. Danach folgen die Erwerbung und die Zueignung der Heilsgüter. Hier geht es um die Sendung Christi, sein Werk der Erlösung und Versöhnung und seine himmlische Herrlichkeit. Auch Statius nennt Christi Person und Werk an zweiter Stelle. Im dritten Kapitel behandelt Spener wie Statius die Zueignung und Schenkung der Heilsgüter in der Taufe. In Kapitel 4--6 werden die Hauptgüter der in der Taufe geschenkten Seligkeit genannt: Die Kindschaft durch den Vater, die Gemeinschaft und Vereinigung mit Christus und die Einerzeigen vorhat: und also liget hie kurtz gefasset der kern des gantzen Göttlichen seligmachenden worts", Spener, Lautere Milch (1685), 4f, zitiert nach Aland, Lautere Milch, 177. 201 Spener empfiehlt die Geistliche Schatzkammer insbesondere Predigern, da sie die anstößigen Passagen erklären können (Bed. 2, 745). 202 EGS, T.1, 946. 203 Vgl. Bed. 4, 114 (1682): "Neodorpii privilegia der christen aber habe selbs annoch hie gefunden, und ein gutes theil darinnen bereits gelesen, nicht ohne hertzliches vergnügen." 204 1682 berichtet er, nach der Methode vorgegangen zu sein, "bey jeglichem evangelio einen schatz der seligkeit oder wohlthat des himmlischen vaters, in Christo Jesu uns erzeiget, der gemeinde einfältig vorzuhalten", Bed. 4, 118. Später (1689) ist Spener nach der Methode vorgegangen, zuerst den Schatz der Seligkeit vorzustellen und danach vorzutragen, "wer und in welcher ordnung sich solches schatzes anzunehmen habel welche hingegen sich dessen vergeblich trösteten", Bed. 1,740. Auch 1699 empfiehlt er die Geistliche Schatzkammer noch den Predigern, Bed. 2, 745. 205 Auch Arndt setzt die Liebe Gottes, aus der die Gegenliebe des Menschen entsteht, an den Anfang seines Heilsverständnisses.
266
wohnung des heiligen Geistes. 206 In diesen Gütern besteht die Seligkeit, die schließlich offenbart wird. Möglicherweise beabsichtigte Spener mit dieser Schrift, die Gedanken von Praetorius auf unverfänglichere Weise weiter zu verbreiten. Der Unterschied zur Geistliche Schatzkammer besteht auch darin, dass Spener zur Prüfung anleitet, ob der Leser der jeweiligen Wohltat auch teilhaftig ist. Dieses Moment der Verifizierung des Glaubensstandes ist bei Statius noch nicht zu erkennen. Die kleine Schrift Speners hat nicht nur mehrere Auflagen und Übersetzungen erlebt)07 Sie war weit verbreitet und hatte eine intensive Wirkung. Ein schönes Beispiel dafür ist Speners Freund und späterer Biograph, Freiherr Carl Hildebrand von Canstein (1667-1719).208 Eine späte Frucht der in den Frankfurter Collegia Pietatis geführten Gespräche ist die 1686 erschienene Schrift "Der innerliche und geistliche Friede"209. Wie Spener mitteilt, wurde dort die Frage behandelt, "wie man zu dem wahren frieden Gottes gelangen! auch in demselben erhalten werden! und zunehmen möge?"210 Diese Frage ordnete sich in einen Themenbereich ein, der neben der Notwendigkeit eines wahren Christentums auch die Seligkeit der wahren Christen bereits in diesem Leben umfasst. 211 Neben anderen Autoritäten zitiert Spener auch aus den Praetoriusschriften bzw. aus der GS.2 12 Diese Schrift "entwirft das Ideal eines zurückgezogenen, durch Weltverachtung und Selbstver206 Vgl. auch Speners Katechismuserklärung, Frage 1006ff. 207 Vgl. dazu Aland, Lautere Milch, 175-186. 208 Zwischen 1689 und 1691 begegnete Canstein erstmals dem Spenerschen Schrifttum in Gestalt dieser Schrift. Ihre Lektüre hat bei ilun in seiner Suche nach dem Erlangen des ewigen Seelenheils einen starken Eindruck hinterlassen, er rühmt sie wegen ihrer "vortreflichkeit und unschatzbahren werthes", da sie den "kern des gantzen gottlichen seeligmachenden wortes" enthält. Alle Christen sollten sie bei sich tragen, um "aus der betrachtung der Schatze ihres heyls in dem lebendigen glauben" gestärkt zu werden. Sie überzeugte nicht nur seinen Verstand, sondern führte ilm auch zum gehorsamen Leben. "hierdurch bin ich zur lebendigen Erkenntniß meines theuersten Erlosers und von ilun verdienten und mir wurcklich zugeeigneten heyls gelanget, und habe ... erfahren die kraft des lautem evangelii von Jesu Christo dem heyland der welt." Vgl. Schicketanz, Canstein, 19f. Für Canstein bedeutet diese Lektüre im Zusammenhang mit einem späteren Gelübde einen entscheidenden Schritt zum tätigen Christentum, obwohl sie Canstein nie als ein einmaliges Bekehrungserlebnis betrachtet hat, vgl. Schicketanz, Canstein, 25. Aland, Lautere Milch, 175 spricht hingegen davon, dass Canstein "an ihr seine Bekehrung erlebt" hat. 209 Der innerliche und Geistliche Friede/ Oder der Friede Gottes/ So wol desselben mit uns/ als unserer mit und in GOtt! samt dessen Beförderungs=mitteln und Hindernissen, Frankfurt a.M. 1686, 12° (GrUnberg Nr. 168). Die Vorrede datiert vom 26.11.1685. Wieder abgedruckt in EGS, T.I, 1015-1034. Zu dieser Schrift vgl. bes. Sträter, Meditation, 163-166, zu den Collegia Pietatis vgl. Wallmann, Spener, 21986, 264-324; Brecht, Spener, GdP 1,295-299. 210 EGS, T.l, 1023. Sträter, Meditation, 163 weist daraufhin, dass die thematische Orientierung die Bibellektüre dominiert habe. 211 Vgl. Spener, Sendschreiben, 58f: "von dem grossen nutzen eines solchen Christlichen lebens/ und wie die gerechten es nicht nur gut werden haben! zu der Zeit der erquickung vor dem angesicht des HErrn! sondern wie auch der zustand eines wahren Christen ... in dem Geist betrachtet! in dieser Zeit! recht glückselig seye". 212 Spener, Friede, 46, 62, 99, 118f, 225, 235. Weitere Zitate stammen, abgesehen von der Bibel, von Joachim Lütkemann, Paul Egard und Luther, vgl. Sträter, Meditation, 164.
267
leugnung bestimmten kontemplativen Christentums, das aus der Empfindung göttlicher Regungen im Herzen seine Vergewisserung und seine Resistenz gegen die Anfechtungen der Welt erfährt".213 Das Ziel des innerlichen Friedens wird durch die Betrachtung des Evangeliums erreicht. Themen sind sowohl die Ursachen des Heils als auch die Güter des Heils, insbesondere die bereits erworbene Seligkeit. 214 Spener zieht insbesondere den in der Geistlichen Schatzkammer teilweise wiedergegebenen Praetoriustraktat "Von dem Friede Gottes" heran, benutzt dazu aber auch seine Arndtausgabe. 215 Aus dieser Schrift Speners wird deutlich, dass sich die Mitglieder des Frankfurter Collegium Pietatis ihres geistlichen Gnadenstandes zu vergewissern suchten und durch ihre "Betrachtungen" einen "Vorschmack" auf das zukünftige Heil erfahren wollten. 216 Auch wenn Spener dies nicht ausdrücklich erwähnt, ist es doch keinesfalls ausgeschlossen, dass auch die Geistliche Schatzkammer bzw. die Praetoriusschriften in ihren Gesprächen eine wichtige Rolle gespielt haben könnten. 217
3. 7 Speners Abgrenzung gegenüber dem Antinomismus Auch die Schrift "Die Seligkeit der Kinder Gottes" (Frankfurt a.M. 1692) ist ein Beispiel für die Durchführung von Speners evangelischer Predigtmethode. 218 Sie geht auf eine Reihe von sechs Predigten zurück, die Spener 1691 kurz nach seiner Ankunft in Berlin gehalten hat. In der "Vorrede vom 8.8.1692 von dem Missbrauch der Freiheit des Evangelii und dessen Unterschied von dem Gesetz" geht es Spener um die grundsätzliche Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. 219 Dabei stellt er das Evangelium als das einzige Mittel zur
213 Sträter, Meditation, 164f. 214 "Wie nun die betrachtung der ursach unsers Heils auß dem Evangelio von solcher grossen kraffi: ist! so ist nit weniger zu sagen von der betrachtung der güter unsers Heils/ die durch Christi tod erworben! und durch seine aufferstehung uns gebracht worden sind: Also wer in dem frieden bekräffi:iget werden will! betrachte auß göttlichem wort ferner die grosse seeligkeit! die der HERR seinen kindern gibet! ja bereits gegeben und geschencket hat", Spener, Friede, 65f(zitiert nach Sträter, Meditation, 165). 215 Vgl. Tr. 27 (Vom Frieden Gottes): AA, I, 841-843; 845 (= GS [1644] 489f, 492); AA, I, 834 (nicht in der GS!); AA, I, 844 (= GS [1644], 491t); AA, I, 842 (= GS [1644],489. 216 Vgl. Sträter, Meditation, 166. 217 Darauf deutet auch die Person Tieffenbachs hin, der zu den Initiatoren der Collegia gehörte, vgl. Wallmann, Spener, 21986, 272-275. 218 Die Seligkeit Der Kinder GOttes/ in dem reich der gnaden und der herrlichkeit! in einigen predigten betrachtet in Berlin. Samt einer Vorrede von dem mißbrauch der freyheit deß Evangelii und dessen unterscheid von dem gesetz! auch beyder gebrauch, Frankfurt a.M. 1692 (Grünberg Nr. 61). Die Widmung an Johann Caspar Schade u.a. wurde am 2.9.1692 verfasst. 219 Spener, Seligkeit, AIr. In einem Antwortschreiben auf die Frage, ob man den Nutzen des Evangeliums nur durch vorherigen Zuchtmeister des Gesetzes haben könnte, verweist Spener auf diese Vorrede (Bed. 1, 162). Er unterscheidet zwischen den groben Sünden, bei denen nur durch eine "schmertzliche empfindung" eine Rückkehr zur Gnade möglich ist, während die Gläubigen ihren aus der Schwachheit resultierenden "Fällen" der Bußtrauer nicht allzu lange nachhängen sollen und das Gesetz nur von fern ansehen sollen (Bed. 1, 163). In diesem Zu-
268
Erlangung der Seligkeit heraus. 22o Diejenigen irren sich, die meinen, sie müssten "immer fort mit dem gesetz! wie sie zu reden pflegen! donnern! und mit solchem zwang die leute in den himmel" bringen wollen. 221 Während die einen aus dem Evangelium ein neues Gesetz machen ("Papisten" und Socinianer), wird es von anderen verworfen (Johann Agricola, Antinomer). Der antinomistische Missbrauch des Gesetzes in Theorie und Praxis ist abzulehnen. Spener will seine Zuhörer vor dem Missbrauch der Lehre von den teuren Gnadenschätzen bewahren. Seine Predigten enthalten den Kern des Evangeliums. 222 Die Kinder Gottes sind bereits in diesem Leben selig. 223 Diese Seligkeit zu betrachten ist eine der kräftigsten Speisen zur Stärkung des inneren Menschen,224 Die Kinder Gottes sollen ihre Heilsschätze wie Kleinodien auspacken, betrachten und sich daran erfreuen. Spener nimmt Praetorius trotz seiner harten Rede gegen das Gesetz und die Buße in Schutz, weil er nicht nur ihn selbst erbaut, sondern auch viele Menschen zur Erkenntnis ihres Heils geführt habe. 225 Praetorius sei es in erster Linie darum gegangen, den Missbrauch des Gesetzes zu bekämpfen.226 Speners Predigten orientieren sich an den Hauptschätzen Kindschaft, Gemeinschaft mit Christus und Gabe des Geistes, die das ewige Leben bedeutet.227 Diese kleine Predigtreihe zeigt, dass Spener grundsätzlich an seiner Lehre von der gegenwärtigen Seligkeit der Kinder Gottes festgehalten hat. Die scharfe Gesetzespredigt lehnt er nach wie vor :für die Gläubigen ab. Seine Hauptkritik richtet sich hier gegen einen praktischen Antinomismus, den er Praetorius jedoch nicht anlastet. Hintergrund von Speners Kritik dürfte der Fall des ehemaligen Theologiestudenten Wolters gewesen sein. Der Lüneburger lutherische Theologiestudent
sammenhang erwähnt er auch die GS. Praetorius habe zuweilen zu hart gegen das Gesetz gesprochen (Bed. I, 164). 220 Spener verweist auch auf seine Dresdener "Anzugspredigt": Das Evangelium ist das "einige mittel der seligkeit und hingegen in hundert jahren durch alle gesetz=predigten kein mensch bekehret werden kan", Spener, Seligkeit (Vorrede), A2v. 221 Spener, Seligkeit, A2r-v. 222 Diese Formulierung begegnet häufig bei Spener, z.B. Bed. 4, 517. 223 Die Gnade Gottes schenkt dem Menschen sein Heil, "also/ daß glaubige kinder GOttes bereits in diesem leben warhaftl:ig selig sind", Spener, Seligkeit (Vorrede), Blv. 224 Spener verweist hierzu auf den Traktat von Cramer, Göttliche Gnadenordnung, 107 über den Adelsstand der Christen. 225 "und dadurch nicht wenig erbauet worden zu seyn bekenne/ auch versichert bin! daß der jenigen seelen in der herrlichkeit viele sind! welche diesem lehrer/ sie zu der erkäntnüß ihres heils gebracht! und in dem glauben stattlich gestärcket! daher sie zur gerechtigkeit unterwiesen zu haben! vor dem thron deß HERRN zeugnüß geben werden ... Also fmden sich freylich bey ihm solche reden! welche fast hart gegen das gantze gesetz und die busse lauten! welche nach ihrer schärffe wol nicht behauptet werden könten", Spener, Seligkeit (Vorrede), F2r-v. Er habe "unter das gold! silber/ edelgestein! auch zu weilen zum zeugnüß menschlicher unvollkommenheit! etwas von holtz! heu und stoppeln mit untermischet", Spener, Seligkeit (Vorrede), F2v. Spener erwähnt auch die Revokation des Praetorius. 226 Auch die Reden des Paulus gegen das Gesetz hätten in erster Linie dessen Missbrauch im Visier gehabt, vgl. Spener, Seligkeit (Vorrede), F3r. 227 Vgl. Speners Schrift "Lautere Milch des Evangelii" über die drei Hauptgüter.
269
Wolters228 hatte bei seinem Aufenthalt in Bern für Unruhe gesorgt. Offensichtlich lehrte er die Vollkommenheit der Kinder Gottes. Nach einem längeren Aufenthalt in der Schweiz (1685-1691) behauptete er in Dresden gegenüber hochgestellten Persönlichkeiten, dass Spener bzw. die "Pietistae" zu gesetzlich seien und eine eigene Gerechtigkeit suchten. 229 Spener warf ihm vor, nicht eine evangelische, sondern eine fleischliche Freiheit zu suchen. 23o In der Vorrede der "Seligkeit der Kinder Gottes" widerlegte Spener einige Wolters zugeschriebene Sätze ohne Nennung seines Namens. 231 Spener wollte zur Betrachtung der "theuersten schätze der seligkeit! die uns bereit geschencket ist", anleiten und hielt daran fest, "daß kein aus dem gesetz erzwungener und aus furcht der höllen herkommender gehorsam GOtt gefalle/ sondern daß er eine frucht des glaubens seye".232 Wolters wurde 1693 in Salzwedel wegen politischer Angelegenheiten verhaftet und in Berlin-Spandau in Arrest genommen. 233 Spener erhielt Wolters Schriften zur Beurteilung. Am 14. und 15. 2. 1694 wurde Wolters u.a. von Spener examiniert und zu dessen Erleichterung ohne große Schwierigkeiten zur Revokation veranlasst. Dabei stellte sich heraus, dass Wolters von der Geistlichen Schatzkammer beeinflusst worden war. "Er erzehlete/ wie er vor mehrern jahren in schwere anfechtungen der sünden wegen gerathen/ aber durch GOttes gnade widerum errettet worden seye/ da er die süsse des Evangelii geschmecket! und darüber Statii schatz=cammer lieb gewonnen."234 Nach Ausstellung des Reverses wurde Wolters wieder freigelassen. Der Fall Wolters zeigt, dass Spener sich auch gegen antinomistische Konsequenzen aus der Lektüre der Geistlichen Schatzkammer zur Wehr setzen musste, obwohl er zunächst in der Beurteilung der Revokationsformel von Praetorius diese Gefahr als gering angesehen hatte.
3.8 Die Rezeption und Bedeutung der Praetoriusschriften bei Spener Die zahlreichen Äußerungen, Empfehlungen und Gutachten Speners zur Geistliche Schatzkammer bzw. zu Praetorius zeigen, dass ihm an ihrer Lektüre und 228 Vgl. zu Wolters (Vorname unbekannt) Grünberg, Spener, I, 506f; DelIsperger, Pietismus in Bem, 37f; DelIsperger, Pietismus in der Schweiz, GdP 2, 610; L. Bed. 3, 724-728. 229 Vgl. Cons. 3, 748 (20.7.1694, an Elias Veiel): Alle Kraft des Christentums bestehe darin, "ut homo ... cogitatione in meritum Christi defixus legem omnino nesciat, nec de peccato vel praeterito, vel praesenti cogitet, certus, quicquid agat, nihil sibi peccatum esse, vel pro tali reputari, quoad Christi iustitiae adhaereret." 230 Vgl. L.Bed. 3, 727f(12.10.1692). 231 Auch in der Vorrede zu den "Sprüchen der heiligen Schrift, welche missbraucht zu werden pflegen" (Grünberg Nr. 62) wendet er sich gegen den Antinomismus und verteidigt die Notwendigkeit der Gesetzespredigt fiir den "alten Menschen". 232 L. Bed. 3, 728. 233 Vgl. Cons. 3, 748: "Factum vero, ut vere superioris anni ex aliis suspicionibus, quae res politicas concemebant, Electorali jussu Salisquellae, ubi castrum veterum Marchinum emerat, prehensus, Spandoviam in custodiam duceretur, ubi integrum pene annum delituit." Vgl. L. Bed. 3, 724 (21.3.1694). Vielleicht hatte er politische Konsequenzen aus seinem theologischen Antinomismus gezogen. 234 L. Bed. 3, 725. 270
Verbreitung sehr viel gelegen war. Der lutherische Ansatz mit der durch die Taufe geschenkten Seligkeit und die daraus resultierende Entstehung eines Freudenchristentums stellen insbesondere für die angefochtenen Christen eine Alternative zu den scharfen Gesetzespredigten der orthodoxen Geistlichkeit dar. Speners Empfehlungen gelten jedoch nur mit Einschränkungen. Er entwickelt ein diffenziertes Verhältnis zu Praetorius. Während er die Geistliche Schatzkammer ausdrücklich empfiehlt und gegen Angriffe in Schutz nimmt, räumt er bei den Schriften von Praetorius Schwächen und Fehler ein. Seine Revokation bezieht er auf die von ihm festgestellten Mängel und betrachtet sie als ein Zeichen seiner Aufrichtigkeit. Insgesamt rezipiert er damit Praetorius in der ihm durch Statius vorgegebenen Weise. Allerdings ist für ihn auch die Lektüre der Geistlichen Schatzkammer nicht frei von Missverständnissen, ohne dass er eine Revokation von Statius akzeptieren will. An einer öffentlichen Auseinandersetzung mit einer Verteidigungs schrift hat er kein Interesse. Eine entscheidende Rolle spielt für ihn die Frage der Adressaten. Während die Geistliche Schatzkammer bei den "Sicheren" ihre unbußfertige Haltung aber eher noch verstärkt, als dass sie sie infragestellt, ist sie für die bekehrten und wiedergeborenen Gläubigen als eine hervorragende Darstellung ihres Heilsstandes besonders zur Meditation geeignet. Daher ist es durchaus vorstellbar, dass sie in den Collegia Pietatis bzw. den Erbauungsstunden gelesen und besprochen worden ist. Darüber hinaus wird sie den Theologen als Vorbild für ihre Predigten empfohlen. Unter seelsorgerlichen Gesichtspunkten rät Spener insbesondere den schwermütigen und von Anfechtung betroffenen Christen zu ihrer Lektüre. Nicht zuletzt wegen der zahlreichen Angriffe und Vorwürfe, aber auch aufgrund seines eigenen Urteils versucht Spener, durch die ihm unverfänglicher erscheinenden Cramer-Traktate das Anliegen des Praetorius zu fördern. Allerdings entspricht ihre Verbreitung und Rezeption wohl nicht seinen Erwartungen. Größeren und nachhaltigeren Einfluss üben hingegen seine eigenen Schriften aus, in denen er die in der Taufe geschenkten Heilsschätze darstellt. Damit setzt sich der bereits bei Statius begonnene Prozeß der Verteidigung und Verkirchlichung der von Amdt empfohlenen Praetoriusschriften fort. Spener sucht sich insbesondere auch gegen eine praktischen Antinomismus abzusichern. Mit der Kontrolle des Gnadenstandes durch eine stark systematisierte Gewissenserforschung tritt allerdings ein unlutherisches Element hinzu. An der Wertschätzung der Geistlichen Schatzkammer hält Spener zeitlebens fest. Darin bestärken ihn auch die zahlreichen Erfahrungszeugnisse der Frommen. Im Rahmen seines Programms der Erneuerung der Kirche und des Pfarrerstandes ist die Darstellung und Erkenntnis des Evangeliums von den Wohltaten Gottes die Voraussetzung für die Früchte des Glaubens, deren Mangel er als Hauptübel des Zustands der Kirche ansieht. In seinem Taufverständnis betont Spener den Gnadenbund der Taufe, der auf Seiten des Menschen ein
271
"bund des glaubens und guten gewissens" ist. 235 Er wendet sich daher gegen eine Vorstellung eines "ewigen", unzerstörbaren Glaubens, wie sie bei Praetorius zu fmden ist. Mit seiner Rezeption der Geistlichen Schatzkammer bzw. von Praetorius hat Spener eine prägende Wirkung auch für den späteren Pietismus gehabt.
4. Der Hallische Pietismus
4.1 August Hermann Francke Auch bei August Hermann Francke (1663-1727) 236 ist eine differenzierte und insgesamt zurückhaltendere Aufnahme der Praetoriusschriften zu bemerken. Es geht ihm dabei um die Frage der Sündenerkenntnis. In seiner "Erklärung der Psalmen Davids" unterscheidet er in der Auslegung von Ps 40,9 "Deinen Willen mein Gott tue ich gerne und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen"237 zwischen der Predigt des Gesetzes und der Erfahrung des Liebeswillens Gottes. Mit dem "Gesetz" ist hier nicht das mosaische Gesetz gemeint, sondern "der ewige Liebes=Wille GOttes von unserm Heyl und von unserer Seligkeit".238 Christus hat durch das freiwillige Tun des göttlichen Willens (Hebr 10,9) diesen Liebeswillen Gottes erwiesen und darin die Menschen zur Erkenntnis ihrer Sünden geführt. Am Beispiel des Petrus (Lk 22,61f) zeigt Francke, dass seine Sündenerkenntnis und Bekehrung nach der Verleugnung durch den "LiebesBlick" Jesu geschehen ist. Die Offenbarung der Liebe und Erbarmung Gottes ist "mächtiger, als alle Gesetz=Predigten. Es ist kräftiger, als wenn einem die Hölle noch so heiß gemacht wird." In diesem Zusammenhang erinnert sich Francke an die Schriften von Praetorius, nach denen man meinen könnte, "er habe das Gesetz allzuwenig getrieben" und zu sehr auf die Gnade geachtet. Daher bestände die Gefahr, dass ein "Sünder" nach seiner Lektüre "auf Gnade immer weiter fort sündigen" würde. Als Gegenbeispiel für diese Ansicht berichtet Francke von einem Soldaten, der ein "gottloser Mensch" gewesen sei, der viel gesündigt habe. Als diesem Mann aus der Geistlichen Schatzkammer vorgelesen wurde, sei er so gerührt worden, dass er von da an sein Leben geändert habe. Seine Bekehrung sei also durch die Betonung der Gnade und Seligkeit hervorgerufen worden. Dieses Beispiel ist ihm vermutlich von Spener
235 PD, 35, 23f. 236 August Hermann Francke (1663-1727), Pastor in Glaucha, Prof. filr Hebräisch und Griechisch 1692, Gründung von Schulen und Aufnahme von Waisenkindern seit 1695, "Pädagogium regium" 1695, Prof. der Theol. 1698, Pfr. St. Ulrich, Halle, ab 1715, vgl. Friedrich de Boor, Art. Francke, August Hermann, 312-320 (Lit). 237 Gehalten am 29.11.1704, am Vorabend des ersten Advents, Francke, Psalmen, 554. Auslegung des 40. Psalms, a.a.O., 553-564. Francke bezieht sich insbesondere auf Ps 40,9, Francke,Psalmen,556-563. 238 Francke, Psalmen, 557, zum Folgenden vgl. Francke, Psalmen, 556-559.
272
übermittelt worden. 239 Francke ordnet dieses Erkennen der Liebe Gottes als den rechten Anfang der Seligkeit in sein Schema des Heilsweges ein,240 Sobald der Mensch einen Blick in das Herz Christi geworfen hat, beginnt die Pflanze des Glaubens auch in seinem eigenen Herz zu wachsen, weil er Christi "Gnade, Liebe, Licht, Kraft, Leben und Seligkeit in seinem Hertzen geschmecket und erfahren hat".241 Vergleicht man diesen Gedanken mit Franckes eigener "Bekehrung" (Herbst 1687), stellt man eine interessante Übereinstimmung fest. Francke berichtet, dass er nach einer langen Zeit des Zweifelns und des Bußkampfes im Gebet plötzlich die Gewißheit der Gnade gespürt habe. 242 Diese Erfahrung der Gnade ist für ihn der eigentliche Wendepunkt in seiner Bekehrung. 243 Er beschreibt diese Erfahrung mit einer Terminologie, die nicht nur an Johann Arndt, sondern auch Praetorius erinnert. 244 In seiner Predigt vom 14.1.1694 über die Perikope der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11) zitiert Francke "die Worte eines Evangelischen Lehrers", ohne jedoch den Namen zu nennen,245 Das Zitat stammt aus einer Schrift von Praetorius,246 Die Empfindung der göttlichen Liebe führt zu einem überschwänglichen Gefühl der Freude. Das Zitat schließt einen Gedankengang ab, in dem Francke die Sündenvergebung als den geistlichen "Freuden=Wein" bezeichnet hat. Nach der Ordnung Gottes folgen auf die Erfahrung des Kreuzes und der
239 Francke, Psalmen, 560f. Vgl. die Notiz aus Franckes Collegium Pastorale, Bd.l, 63lf, zitiert nach Cosack, Ascetische Literatur, 83f: "A.H. Francke berichtet auf Grund einer mündlichen Mitteilung Speners von einem General, einem rohen Menschen, dessen Gemahlin, eine Freundin der Prätorius'schen Schatzkammer, ihm einmal daraus vorgelesen. Da habe gerade das abundirende Preisen der göttlichen Gnade bei Prätorius einen so überwältigenden Eindruck auf ihn hervorgerbracht, dass damit der Grund zu seiner Bekehrung gelegt war." 240 "wenn der Mensch den Liebes=Willen GOttes in seinem Hertzen zu erkennen anfängt, so ist das dasselbe Senf=Kömlein des Reiches GOttes in seinem Hertzen, welches damach gestärcket wird" durch andere Predigten und Ermahnungen, Francke, Psahnen, 561. 241 Francke,Psahnen,562E 242 Vgl. Francke, Lebensläufe, 29,15-21: "Denn wie man eine hand umwendet, so war alle mein zweiffel hinweg, ich war versichert in meinem hertzen der Gnade Gottes in Christo Jesu, ... alle Traurigkeit und unruhe des hertzens ward auff einmahl weggenommen, hingegen ward ich als mit einem Strom der Freuden plötzlich überschüttet, daß ich aus vollem Muth Gott 10bete und preisete, der mir solche große Gnade erzeiget hatte." Francke beschreibt seine Empfindung als "Süssigkeit im menschlichen hertzen" und als einen "vorschmack der Gnade und Güte Gottes" (a.a.O., 30,15ft). 243 Vgl. auch Brecht, Francke und der Hallische Pietismus, GdP 1,463. 244 Peschke, Bekehrung und Reform, 16 führt Franckes Terminologie auf mystisch-spiritualistischen Einfluss zurück, insbesondere auf Johann Amdt und Michael de Molinos. 245 Francke, Predigten, I, 109,28-32. Auch die Herausgeber konnten Autor und Fundstelle nicht ermitteln. 246 Zitat aus Kindlein Jesu in seiner Gestalt (Tr. 13, 1584), Clr-v, (=AA, I, 349): "Diese liebe Christi geht oder Fleust durch vnser hertz als ein geschmoltzener Zuckerl oder krefftiger Balsam! das es seine süssigkeit miet! vnd darüber vol vnaußsprechlicher frewde wird! vnd wenn dis stets bey vns wehren solt! vnd nicht zu weilen ein bitter Trüncklin mit vnter lauffen! so würden wirs nicht ertragen können". 273
Traurigkeit auch der göttliche Trost und die Freude.247 Dass Francke die Schriften von Praetorius in der Ausgabe von 1662 gelesen hat, geht auch noch aus einem Zitat hervor, das in einem ganz anderen Zusammenhang begegnet. In der Vorrede zur dritten Auflage seiner "Segensvollen Fußstapfen" (1709) nimmt er zu dem Vorwurf Stellung, das Waisenhaus "sey nicht GOttes Werck".248 In diesem Argument artikuliere sich die "Sprache des Unglaubens". In der "Sprache des Glaubens" zeigt Francke mit Worten von Stephan Praetorius, dass Gott seinen Kindern in der Not hilft und ihre Wünsche erfiillt.249 Er ist überzeugt davon, dass Gott auch künftig seinen Segen "reichlich und überschwenglich" schenken wird.250 4.2 Die Ausgabe der lateinischen Praetoriusschriften von 1724
Der Salzwedeler Drucker Christian Schuster251 widmete die von ihm herausgegebene Sammlung252 der lateinischen Praetoriustraktate "Luscinia cantatrix, Rosa nobilis, Lilium convallium, Cantabricae coelestes" in seinem Brief vom 4.12.1724 dem Hallenser Professor und Direktor des Waisenhauses, August Hermann Francke. 253 Schuster lobt, dass Franckes glückliche Verbindung von "pietas et eruditio" nicht nur in Halle bzw. in Deutschland, sondern in der ganzen Welt gerühmt werde.2 54 Francke habe sich durch Veröffentlichung eigener und fremder Schriften zu diesen Themen als ein "Scholarum Instaurator, & ...
247 Vgl. Francke, Predigten, I, 102ff. In dieser Predigt erwähnt Francke ähnlich wie in seinem Lebenslauf Ps 36,8-10, vgl. Francke, Predigten, I, 104; 108 und Francke, Lebensläufe, 30,22-26. 248 Francke, Segensvolle Fußstapfen, 3. Aufl. 1709, 37-39 (Dedication). Vgl. dazu KranJer, Francke, Bd. 2, 75-80. 249 Von dem Namen Jesu (Tr. 17, 1591), Arndt (1622), I, 475 = Arndt (1662),334: "GOtt ist mein Vater/ so bin ich sein Kind! welches er im Hertzen lieb hat! Darumb so wird er mir aushelffen! durch seinen lieben Sohn! aus allen meinen Nöthen. 0 er wird mir noch so wol thun! nach seinem Wort! Wie wil ich dir so wol thunl Ephraim ... Er wird mir so helffen! daß sichs verwundern werden alle meine Feinde/ vnd alle die so es hören ... Er wird mir Friede geben und mich krönen mit Segen." 250 Von dem Namen Jesu (Tr. 17, 1591), Arndt (1622), 1,479 = Arndt (1662), 338: "Sondern dein Segen wird vber mich kommen! reichlich vnd vberschwenglich/ daß ich in allem sein werdet wie ein wasserreicher Lustgarte. Alles was ich werde anheben! gedencken! reden vnnd thunl das wird wol gelingen! wie kümmerlich vnd nerlich es auch zu weilen zugehet! vnd wie viele Winde vnd Wellen mein liebes Schifflein zu wiedern hat. Der Fürst dieser Welt ist allem guten entgegen! Aber was Gott beschlossen hat im Rath der Heiligen Wechter/ das mus geschehn! wens auch allen Teuffeln leid were. Ich werde noch meinen Segen nicht vbersehen können." Nach einem Hinweis Friedrich de Boors fmden sich weitere Erwähnungen von Praetorius u.a. in Franckes handschriftlich überlieferten paränetischen Vorlesungen. 251 "Christian Schusterus, Schneebergensis", Opuscula, Vorrede. Schuster gründete seine Druckerei 1718, nach seinem Tod wurde sie von seinen Erben weitergefiihrt, vgl. Pohlmann, Salzwedel, 327. 252 "Opuscula sacra Praetoriana selecta", s. SVZ. 253 Vgl. Opuscula, Vorrede. 254 "QuanJ felici inter se connubio apud TE juncta floreant Pietas et Eruditio", Opuscula, Vorrede. 274
Eruditionis nimirum ac Pietatis, strenuus amplificator"255 erwiesen. Schuster erbittet Franckes "patrocinium", weil seine in Salzwedel etablierte Offizin den die Frömmigkeit fördernden "sacris studiis" gewidmet sei und nun ausgewählte lateinische Schriften von Stephan Praetorius veröffentlichen will,256 Praetorius wird als ein sozusagen von neuem zum Leben erweckter Mann beschrieben, der vor Francke schon vielen Menschen lieb und wert war. Schuster hofft, dass Francke die Salzwedeler Drucke mit dem gleichen Wohlwollen empfängt, wie die Drucke aus seiner Heimatstadt Schneeberg.257 Als großer Verehrer Franckes wünscht er dem 6ljährigen "heilige Kraft" zum Bau der Kirche und zur Vermehrung der Wissenschaften. 258 Die Widmung an Francke läßt vermuten, dass nicht nur Francke selbst, sondern auch seine Schüler Praetorius gelesen und geschätzt haben. 259 Neben Schusters Vorrede ist der Ausgabe ein Schreiben des Stendaler Superintendenten Johann Christoph Meurer260 vom 1.11. 1724261 beigegeben, in dem der Leser zum richtigen Verständnis der Praetoriusschriften angeleitet werden soll. Wer aus dem Wort Gottes mit erleuchteten Augen die Dinge betrachte, werde in Gotteserkenntnis und Gottesliebe bekräftigt, indem er auch aus kleinen Dingen die göttliche Herrlichkeit erkennt und preist. 262 Dass man die Gesamtheit aller Dinge wie ein Buch lesen und lernen kann, habe Andreas Hyperius in seiner Schrift über die tägliche Lesung und Meditation der heiligen Schrift geschildert,263 Nach Hyperius führt die Betrachtung des Buches der
255 "Quum enim & Scholarum Instaurator, & scriptis propriis ac aliorum divulgandis utriusque, Eruditionis nimirum ac Pietatis, strenuus amplificator huc usque exstiteris;", Opuscula, Vorrede. 256 "Quapropter quum officin me inter Soltquellenses per aliquot annos commorata sit, atque studiis dicata sacris, pietatem promoventibus, STEPHANUM PRAETORlUM, in quantum opusculis selectis latine loquitur, nunc emittat, ad TE, Magnifice VIR, eum adducendi audaciam concepit.", Opuscula, Vorrede. 257 "Fronte itaque serena hunc de novo quasi resuscitatum Virum, jam ante TIBI multis nominibus carum, excipere ne dedigneris, nec non eadem gratia complecti Soltquellenses typos, quam Schneebergensibus, patriae amore mihi junctis, jam diu concessisti.", Opuscula, Vorrede. 258 "ac sanctum robur, in Ecclesiae aedificationem amplissimam, & litterarum atque scientiarum augmentum: quod ardenti voto exoptat MAGNIFICI ac SUMME REVERENDI NOMINIS TUIS ... cultor observantissimus.", Opuscula, Vorrede. 259 Über eine "resuscitatio" des Praetorius wurde bereits in Wagners Vorrede zur zweiten Auflage des Lilium convallium nachgedacht, so dass man wohl von einer Wiederentdeckung des Praetorius, genauer gesagt, seiner lateinischen Schriften, Ende des 17./Anfang des 18. Jh.s unter gebildeten pietistischen Theologen sprechen kann. 260 Johann Christoph Meurer (1671-1740), Gymnasium Stuttgart, Studium Tübingen 1687, Magister ebd. 1689, Halle 1691, Wittenberg 1692, Vorlesungen in Halle 1694, Doktor in Halle und Adjunkt des Stendaler Superintendenten 1700, Prediger Wohnirstedt 1702, Inspektor Tangermünde 1705, Generalsuperintendent der Altmark (Stendal) 1708, vgI. Jöcher 3, 490; Adelung 4, 1587; Matrikel Tübingen, Halle, Wittenberg. 261 "Festin. Stendaliae, Prid. KaI. Novembr. A.C.MDCCXXIV.", Opuscula, Praefatio. 262 "verum etiam e minimis divinam gloriam agnoscentes ac celebrantes", Opuscula, Praefatio. 263 "De sacrae Scripturae lectione ac meditatione Quotidiana, onmibus onmium ordinum hominibus Christianis perquam necessaria, Libri 11. Andrea Hyperio autore ... Basileae ex officina 275
Dinge zur Erkenntnis Gottes als des weisen, mächtigen und gütigen Schöpfers. Der Student der Naturkunde soll erkennen, dass die Dinge der Natur Glauben und Hoffnung auf Gott üben, zur Unterstützung der menschlichen Schwachheit geschaffen seien, sorgfältig gebraucht werden müssen und Gott dafür zu danken sei. Die Kreaturen dürften dem Schöpfer aber nicht vorgezogen werden. Wer die Kräfte und Eigenschaften der Dinge fleißig durchforsche, werde aus dem Buch der Dinge der Natur vieles lernen. Mit besonderem Vergnügen des Geistes hat Praetorius264 dieses nach Meurers Meinung getan und zu einer fruchtbaren Betrachtung und Bewunderung der Natur in seinen lateinischen Schriften angeregt.265 Meurer bescheinigt Praetorius in diesen Schriften einen gefälligen, abwechslungs- und sentenzenreichen Stil.266 Er verweist auf die Empfehlungen durch Chytraeus und Wagner267 , dessen Vorwort ("elogium") zur zweiten Auflage des "Lilium convallium" er ausdrücklich erwähnt.268 Meurer bekennt, durch die wiederholte Lektüre dieser Schrift im Frühling zum Lob Gottes und zur andächtigen Betrachtung ermuntert worden zu sein und nach anstrengenden Studien Erholung gefunden zu haben.2 69 Einschränkend fügt er jedoch hinzu, dass Praetorius nicht "sine venia" gelesen werden könne. Die unterschiedlichen Urteile über Praetorius sind ihm bekannt. Er wolle aber die "palinodia" des vergangenen Jahrhunderts und die Zensuren und Kontroversen über Sentenzen aus den Praetoriusschriften nicht wiederholen, sondern verweist auf Speners Briefsammlungen,270 in denen dieser die "virtutes" und "naevi" dargestellt und ausgewogen beurteilt habe. 271 Meurer, der sich Speners Urteil uneingeschränkt anschließt, wolle den Leser lediglich über missverständliche bzw. anstößige Aussagen aus dem "Lilium convallium" aufklären. 272
Oporiana (1569)", vgl. Gerhard Krause, Andreas Hyperius, 142, Nr. 11.4. Über Hyperius, vgl. Gerhard Rau, Art. Hyperius, Andreas, 778-781. 264 "STEPHANUS PRAETORIUS, Pastor Soltquellensis (qui superioris seculi anno tertio aet. 67 Ministerii 30 pie in Domino obiit,)", Opuscula, Praefatio. Diese Lebensdaten sind wohl dem Praetoriusgemälde aus der Katharinenkirche entnommen. 265 "atque emissis in lucem multis hujus notae speciminibus alios in contemplationem admirationemque creaturarum fructuosissimam secum trahere conatus est.", Opuscula, Praefatio. 266 "Quae certe opuscula nitido floridoque exarata stylo, variis elegantissimisque interstincta sententiis", Opuscula, Praefatio. 267 "ut ... summa cum animi voluptate legerent", Opuscula, Praefatio. 268 Die Wagner-Vorrede ist abgedruckt in Opuscula, 137f. 269 "Ipse de me ... fateor ingenue, lectione Lilii convallium circa amoenissimum anni tempus per plures annos frequentata, ita saepius adfectum flüsse, ut animus aliorum studiorum negotiorumque mole fessus, majori alacritate veluti recepta, ad laudes divinas excitatus & devota creaturarum consideratione adjutus, ad pristina studia redierit.", Opuscula, Praefatio. 270 Spener, Cons. P.l, 38ff; P.3, 87.655; TheoI.Bed., P.3, 304.423 u.a. 271 "aequissimum B. nostri SPENERI ac una sincerissimum iudicium, cui ex animo subscribimus", Opuscula, Praefatio. 272 Meurer wurde durch Vermittlung Speners in die Adjunktur berufen, vgl. Schicketanz, Canstein, 55.
276
Die Ausführungen des Praetorius über die Taufe273 dürften nicht im Sinn einer völligen Auslöschung der Sünden nach der Taufe verstanden werden, sondern in Übereinstimmung mit Augustin als Nicht-Anrechnung der Sünden.274 Ebenso wird sein Sündenverständnis korrigiert. Die "Fälle der Heiligen" aus Prov 24,16 seien nicht auf ihre Sündenfälle, sondern nur auf ihre Anfechtungen und Leiden zu beziehen. 275 Das Übrige wird dem gesunden und heiligen Urteil des Lesers überlassen. Zusammenfassend stellt Meurer fest, dass Praetorius nicht mit dogmatischer Genauigkeit, sondern mit nachsichtigem Wohlwollen zu lesen sei. Er verweist schließlich auf das gerechte und maßvolle Urteil Speners. 276 Er ist überzeugt, dass die ausgewählten Praetoriusschriften dem frommen und wohlwollenden Leser fruchtbringend und vielfach nützlich sind. Neben den Opuscula wurde auch die Schrift Von der Kraft des teuren Blutes Christi in demselben Jahr in Salzwedel bei Schuster gedruckt. Der Text stimmt mit der Amdtausgabe (1622) überein, die lateinischen Zitate sind jedoch übersetzt worden. Auch im 18. Jahrhundert waren die Schriften von Praetorius offensichtlich noch umstritten. Allerdings hielt man den erhofften positiven Nutzen für größer als die zu befürchtenden Missverständnisse. Speners Urteil galt als richtungsweisend und ausgewogen. Nach Meurers Ansicht waren insbesondere die naturkundlichen Beobachtungen und theologischen Deutungen von Interesse, in denen Praetorius noch lange vor der sog. "Physikotheologie" eine Antwort auf die Frage nach der Allmacht, Weisheit und Güte Gottes fand, indem er zur Kontemplation und Meditation der Schöpfung anleitete. Anfang des 18. Jh. (1706-1709) entzündete sich in Schleswig-Holstein eine Kontroverse um die Lehre von der Seligkeit der Gläubigen. Sie wurde durch den Pfarrer Nicolaus Sibbern aus Glückstadt ausgelöst, der in einer Predigt die Lektüre der Geistlichen Schatzkammer seiner Gemeinde empfohlen hatte. Er vertrat im Anschluss an Praetorius die Ansicht, dass die Gläubigen schon auf Erden wirklich, nur noch nicht vollkommen selig seien. Der Amtskollege Caspar Wildhagen zeigte Sibbern daraufhin bei dem Generalsuperintendenten Josua Schwartz an. Im Verlauf der weiteren literarischen Auseinandersetzung wurde Sibbern von seinem Propst Johann Hieronymus von Petkum, dem Kopenhagener Hofprediger Franz Julius Lütkens und vom fürstlichen Generalsuperintendenten Hinrich Muhlius gegen seine Kontrahenten Schwartz und Wildhagen in Schutz genommen. 277 Interessant ist, dass die Lehre von der Seligkeit bereits im irdischen Leben als "pietistisch" bzw. als "neue Lehre" be-
Vgl. Lilium, D5v (=Opuscula, 43) und Lilium, D4v (Opuscula, 42). "Non, ut non sit, sec ne imputetur, & obsit.", Opuscula, Praefatio. "Nec minus illud culpes, quod p.95. Septies cadit justus et resurgit, de sanctorum lapsibus, non aftlictionibus ac ... accipit, contra fontium sensum ipsumque Lutherum; quamquam circa hunc locum alii etiam cespitaverint.", Opuscula, Praefatio. 276 Spener, Seligkeit der Kinder Gottes, Frankfurt a.M., §44, Praefatio. 277 Vgl. Jakubowski-Tiessen, Pietismus in Dänemark und Schleswig-Holstein, 458; 470 Anm. 35 (Titel der Schriften). 273 274 275
277
zeichnet wird.278 Die in Schleswig-Holstein entstandene Diskussion griff auch auf die lutherischen Universitäten über. 279 Als "Prätorianismus" wird dabei die Ansicht bezeichnet, dass die Gläubigen die Seligkeit bereits in diesem gegenwärtigen Leben besitzen und diese wesensmäßig identisch ist mit der Seligkeit im ewigen Leben. Der Tübinger Kanzler Christoph Matthäus Pfaff (16861760) berichtet davon, dass diese Frage zuvor "den Norden erschüttert habe".280 In einer Disputation "Inchoata Beatitudo viatorum Fidelium" (1709) unter Pfaffs Vorsitz wird darauf hingewiesen, dass Statius den Unterschied zwischen den bona gloriae und den bona patriae deutlich gemacht habe.281 Die orthodoxen Theologen hätten Praetorius nur einseitig gelesen. Auch in Wittenberg unter dem Vorsitz von Johann Georg Neumann (1661-1709) wurde u.a. unter dem Titel "De Brabeo ante Victoriam seu de coelesti beatitudine huius vitae" (1707) disputiert. Zur Bestätigung der Irrtümer wird die Obligationsformel von Praetorius bzw. der Widerruf von Statius erwähnt. 4.3 Johann Porst
Zu den Anhängern Speners, die mit ihm an der Wertschätzung von Praetorius/Statius festgehahen haben, gehört der Berliner Propst Johann PorSt. 282 Aus seinen Andachten und Predigten283 erwuchsen u.a. die Erbauungsschriften "Theologia viatorum practica oder die göttliche Führung der Seelen ... auf dem Weg der seligen Ewigkeit" (1722)284 und die "Theologia regenitorum practica oder Wachstum der Wiedergeborenen" (1723)285. Der darin aufgezeigte geistliche Weg zur Seligkeit :führt den zu Bekehrenden in Anlehnung an Franckes Stufen der Ordnung Gottes über den Stand der Sicherheit (1. Buch), Buße und Glaube (2. Buch), die Gnaden- und Heilsschätze (3. Buch) bis zum Wachstum
278 Vgl. Josua Schwartz, Erweiterte Widerlegung! der nun sonderlich in Holstein einreissenden Pietistischen gefährlichen Lehre/ Daß unter der Seligkeit des Gnaden Lebens der Gläubigen! hie in der Zeit! und unter der Seligkeit des ewigen Lebens/ kein wesentlicher wircklicher Unterscheid! sondern eine Seligkeit sey; Also daß wer jene hat! auch diesel zwar nicht völlig in allen! doch in vielen Gütern wircklich habe und besitze, Hamburg 1709. 279 Vgl. Weismann, Historia, 1193f. 280 Weismann, Historia, 1194. 281 Männer, Beatitudo, 14-16. 282 Johann Porst (1668-1728), Universität Leipzig 1689, Hauslehrer in Neustadt!Aisch 1692, Besuch von Spener Vorlesungen Berlin 1695, Pfarrer Berlin-Malchow 1698,2. Prediger Berlin-Dorotheenstadt 1704, Propst von Berlin 1713, Konsistorialrat 1716, vgl. Ideler, Art. Porst, Johann, 557-559; Altenburg, Mystik, JBrKG 26 (1931), 53-78; Bd. 27 (1932), 92-101; Bd. 28 (1933), 128-145; Bd. 29 (1934), 61-75. 283 Das Werk des englischen Erbauungsschriftstellers John Bunyan, Reise eines Christen nach der seligen Ewigkeit ("Pilgrim's progress") fiel Porst 1695 in die Hände. Nach der Lektüre begann er es mit anderen in einer "Privaterbauung" abschnittweise und mit biblischen Texten durchzuarbeiten. Aus diesen Andachten und seinen Wochenpredigten in Berlin-Dorotheenstadt (1709-1711) und Berlin-Nikolai (1713-1716) entstanden die beiden Erbauungsschriften, vgl. Altenburg, Mystik, Bd. 26, 56f. 284 Zitiert wird nach der Ausgabe von 1725. S. SVZ. 285 Zitiert wird nach der Ausgabe von 1743. S. SVZ. 278
der Gläubigen (4. Buch).286 Der Einfluss von Praetorius zeigt sich insbesondere im dritten Teil über die "Gnaden= und Heyls=Schätze/ welche der Gläubige erlanget und genies set" .187 Diese Heilsschätze werden nur dem gewährt, der sich in der Heilsordnung befindet. Das Recht, sie zu genießen, wird in der Taufe erworben. Die "Hauptquellen" dieser Schätze sind die Kindschaft Gottes (Ill. Buch, 8. Betrachtung), die Gemeinschaft der Gläubigen mit Christus (Ill. Buch, 22. Betrachtung) und die Schenkung und Einwohnung des Heiligen Geistes (Ill. Buch, 30. Betrachtung). Unter der Kindschaft versteht Porst die Teilhabe an der göttlichen Natur (11 Petr 1,4). Dabei differenziert er zwischen der wesenhaften Gottheit Gottes und seinen göttlichen Eigenschaften. 288 Die Inkarnation Christi hatte das Ziel, "uns zu Göttern wieder zu machen".289 Als Zeugen der "besten Gottes=Gelehrten", die diese Lehre vertreten haben, nennt er Luther, Johannes Brenz, Statius, Johann Friedrich Mayer, Maximilian Sandäus. 29o Er zitiert dazu einen Abschnitt aus der Geistlichen Schatzkammer über die Vereinigung mit ChristuS)91 Wer jedoch an dieser Redeweise Anstoß nimmt, kann ebenso "Gottes Kinder werden" sagen. 292 Der Gedanke der unio mystica wird insbesondere in der 22. Betrachtung "Von der Gemeinschaft der Gläubigen mit Christo" entfaltet. Der Einfluss von Praetorius ist aber nicht nur auf die unmittelbare Erwähnung beschränkt, sondern wird möglicherweise auch dort sichtbar, wo Porst von der Erfahrung der Glaubensgewissheit und -freude in einer besonders emotionalen Weise spricht.293 Der sogenannte "Durchbruch" 286 Altenburg, Mystik, Bd.26, 58--64. 287 Altenburg, Mystik, Bd.26, 61 weist darauf hin, dass Porst' s Gedanken der Heilsschätze an Speners Schrift "Die lautere Milch des Evangeliums", vor allem an Kap. 4-7 über die Wohltaten Christi erinnern. 288 Porst, Theologia viatorum, 100. 289 Porst, Theologie viatorum, 100. 290 Porst, Theologia viatorum, 102. Maximilian Sandäus (1578-1656) war ein Vertreter der katholischen Mystik, vgl. Gandlau, BBKL Bd. 8, 1300-1303. Johann Friedrich Mayer (16501712), vgl. Pyl, Art. Mayer, ADB 21, 99-108, der einer der Hauptgegner der Pietisten in Hamburg war, als Kronzeugen heranzuziehen, ist allerdings erstaunlich. An anderer Stelle entfällt Mayer zugunsten von Praetorius, den er wie die übrigen als ,,reine Mystici" bezeichnet. Vgl. Porst, Theologia viatorum, 313. 291 GS, 5. Buch, Von der Majestät und Herrlichkeit der Christen, GS (1644), 436; 438f; 441; 445f= Von der Majestät und Herrlichkeit der Christen, AA, I, 66; 69; 71; 74. GS (1644), 436 : "Jn der Tauffe aber hat er vns geschencket! was sein warf nemlich/ seine göttliche Majestät! auff daß/ wie er in vns ein Mensch ist! also wir in jhm Gottes/ oder GOttes Kinder worden! voller Majestät vnd Herrligkeit GOTTes/ leuchtend fiir dem Angesicht GOttes/ wie helle Sonnen!". GS (1644), 438: "sind wir in Christo vnd Christus in vns begnadt mit der Majestätvnd Herrligkeit Christi! so sind wir auch in GOtt dem Vater/ vnd in Gott dem heiligen Geist! vnd sind begnadet mit der Majestät vnd Herrligkeit des Vaters vnd des heiligen Geistes ... Solten wir denn nicht billich Götter genennet werden! vnd helle scheine auff vnsern Häuptern tragen?" 292 Porst, Theologia viatorum, 102. 293 Vgl. Porst, Theologia viatorum, 621 (11. Buch, 29. Betrachtung): "In solchem Gebet wird er mit einem Freuden=Strohm dergestalt überschüttet, daß er der Vergebung seiner Sünden, der Kindschafft GOttes, und seiner Seligkeit fest und gewiß versichert würde, in viel tausend
279
ist die Erlangung der Gewissheit der Sündenvergebung, Gnade und Gotteskindschaft.294 "So bald sie nun ihren Schatz, JEsum, findet, so bald geschieht der Durchbruch in ihr, und so bald wird sie mit neuer Lebens= und Geistes=krafft, mit Friede, Trost, Süßigkeit und Erquickung durchgossen und angefiillet."295 Christus ist der Schatz, den man in der Taufe finden, allerdings durch mutwillige Sünden auch wieder verlieren kann.296 Bei Johann Porst fließen pietistische, mystische und lutherische Elemente zusammen. 297 In seiner an Francke orientierten Heilsordnung erhält allerdings die Vereinigung mit Christus einen höheren Stellenwert als die Rechtfertigung.298 Die unio mystica ist wie bei Praetorius das Ziel des Glaubens. Allerdings unterscheidet sich der Weg dorthin durch die starke Betonung der Buße durch Porst. 4.4 Johann Jakob Rambach
Der in Halle ausgebildete Gießener Professor und Katechet Johann Jakob Rambach (1693-1735)299 schuf mit seiner Schrift "Erbauliches Handbüchlein fiir Kinder" (Gießen 1733) eine neue katechetische Grundlage fiir den Religionsunterricht, auch wenn sich dieser "Katechismus" mit seiner deutlichen "Hallischen Prägung" nicht in Hessen durchsetzen konnte.300 Das Handbuch war in sieben Abschnitte unterteilt: 1. Ordnung des Heils, 2. Schätze des Heils, 3. neues Gesangbüchlein, 4. neues Gebetbüchlein, 5. Exempel frommer Kinder, 6. christliche Lebensregeln, 7. nötige Sittenregeln. Insbesondere der zweite Abschnitt über die Schätze des Heils zeigt deutliche Parallelen zu Speners Schrift "Die lautere Milch des Evangelii".301 Auf der Grundlage dieser SpenerSchrift hielt Rambach ab 1727 im Haller Waisenhaus biblische Betrachtungen in den Erbauungsstunden am Sonntag nach dem Gottesdienst, die in seinen "Erbaulichen Betrachtungen über die Heilsgüter in Christo" (Frankfurt 1737)
Thränen zerfloß, und anfing zu schreyen, und vor Freuden zu heulen, daß er es nicht länger zu ertragen vennochte". 294 11. Buch, 42. Betrachtung: "Wie die bußfertige und gnadenhungerige Seele endlich zum gesegneten Durchbruch kömmtl und der Vergebung der Sünden! Gnade und Kindschafft GOttes versichert wird.", vgl. Porst, Theologia viatorum, 790-808. 295 Porst, Theologia viatorum, 800. 296 Porst, Theologia viatorum, 799. 297 Altenburg, Mystik, Bd. 26, 54. 298 Altenburg sieht darin zusammen mit Otto und Albrecht Ritschl die entscheidende Abweichung vom lutherischen Verständnis der unio mystica, vgl. Altenburg, Mystik, Bd. 27, 94f. 299 Johann Jakob Rambach (1693-1735), Studium Halle und Gießen, Adjunkt Halle 1723, Prof. Halle 1727, Gießen 1731, Direktor Pädagogium 1732, vgl. Steitz, Art. Rambach, Johann Jakob,775. 300 F. Ackva, Pietismus in Hessen, 204f. Es wurde mehrfach aufgelegt bzw. übersetzt und war z.B. in Ostpreußen noch im 19. Jh. im Gebrauch. 301 F. Ackva, Pietismus in Hessen, 204.
280
veröffentlicht wurden.3 02 Ausdrücklich versteht er seine Betrachtungen als Fortsetzungen der Porst'schen Theologie und empfiehlt sie zur Benutzung in der "Haus= und privat=Andacht".3 03 In Speners 7. Kapitel geht es darum, dass die Gläubigen bereits in diesem Leben selig sind, denn die Seligkeit ist ihrem Wesen nach nicht von der Seligkeit des Himmels unterschieden. Dazu zitiert Rambach aus der Geistlichen Schatzkammer die programmatische These von Praetorius, der für ihn "ein besonderer Zeuge dieser Wahrheit gewesen ist": "nicht wissen! daß man schon selig sey/ ist die höchste Unwissenheit".3 04 Der Unterschied liegt lediglich darin, wie weit die Heiligung fortgeschritten ist. Es gibt somit auch ein Wachstum in der Seligkeit. 305 Hinsichtlich der Offenbarung und Vollstreckung dieser Seligkeit (Spener, Lautere Milch, Kap.8) verdeutlicht Rambach die Vorstellung von der leiblichen Auferstehung der Gläubigen mit einem Bild aus dem letzten Kapitel der GS: "Christus Jesus wird unsere elende Cörper umschmeltzen! und wird neue Leiber daraus machen! und wird sie verklären! daß sie seinem verklärten Leibe ähnlich werden ... " .306 Die verklärten Leiber werden in der Auferstehung mit den Seelen im Paradies wieder vereinigt.3 07 In einer Vorrede vom 13.4.1734 zu einer Ausgabe von Arndts Evangelienpostille erwähnt Rambach auch das Arndtsche Vorwort zur Ausgabe der Praetoriustraktate. Da diese Sammlung erst 1622 herausgegeben worden sei, könne das Vorwort nur unter Arndts Namen geschrieben oder aber vor seinem Tod verfasst worden sein.308 Rambach kannte vermutlich nur die GS, nicht aber die Arndtausgaben. Die Aufnahme der Geistlichen Schatzkammer bei Rambach zeigt, dass sie nicht nur bei Spener, sondern auch im Umfeld des Hallischen Pietismus positive Resonanz gefunden hat. Rambach bezeichnet die Geistliche Schatzkammer als "schönes Büchlein", in dem Praetorius "sehr herrlich" von der leiblichen Auferstehung geschrieben habe.3 09 Diese positive Wertung bedeutet nicht eine Rezeption aller Aussagen von Praetorius. Rambach nimmt die Geistliche Schatzkammer vielmehr in der Tradition von Spener und Porst auf. Dieses eklektische Vorgehen ist ein weiteres Beispiel für die von Statius begonnene und von Spener unterstützte Domestizierung und Verkirchlichung der Praetoriustraktate.
302 Rambach, Heilsgüter, Vorrede, §4. Rambach benutzte dazu die Kurzfassung von Heinrich Milde: Die vor Augen gelegte Onaden= und Heils=Schätze; das ist Kurtzer Auszug aus den seligen Herrn D. Philipp Jacob Speners edlen Büchlein, Lautere Milch des Evangelii genannt, Halle 1724, vgl. Rambach, Heilsgüter, 2. 303 Rambach, Heilsgüter, Vorrede, §17. 304 Rambach, Heilsgüter, 604. Vgl. OS, 110 = Von der gülden Zeit (1600), AA, I, 31. 305 Rambach, Heilsgüter, 607. 306 Rambach, Heilsgüter, 687. Zitat aus der OS, 695-697 = Von der Kraft des Blutes Christi (1581), AA, I, 262. 307 Rambach, Heilsgüter, 687. 308 Rambach, Vorrede von dem Segen der Amdischen Schriften, 14. 309 Rambach, Heilsgüter, 605; 687. 281
Der von Rambach geprägte Frankfurter Senior Johann Philipp Fresenius (1705-1761)310 hat in seinen "Nachrichten von dem Charakter und der Amtsfiihrung rechtschaffener Prediger und Seelsorger" (1777)311 auf die "Privaterbauungen und Hausbesuchungen" hingewiesen, mit denen Praetorius nicht nur den Kranken gedient habe. 312 Seine "erwecklichen Schriften" seien von ihm in den Häusern verteilt worden,313 Seine "Lehrmethode" wird besonders hervorgehoben und zum Vorbild für Pädagogen erklärt. Sie bestehe in der Vorstellung, Zueignung und dem Gebrauch der "Heilsschätze in Christo" für diejenigen, die nicht wissentlich oder mutwillig von Gott abgefallen seien,314 Diese evangelische Lehrart habe sich "an viel hundert Christen damaliger Zeit, hohen und niedrigen Standes" legitimiert, "daß dadurch die größte Erweckung zu einem so freudigen als thätigen Christenthum sich ausbreitete". So sei er als "ein allgemeiner Kirchenlehrer und ein Vater vieler tausend geistlichen Kinder" verehrt und von Arndt und Spener hoch geschätzt worden. Seine Schriften seien trotz ihrer gelegentlichen harten und auffälligen Aussprüche "im Ganzen als die erbaulichsten und fruchtbarsten Zeugnisse der evangelischen Wahrheit" gerechtfertigt worden, zumal er häufig aus Luthers Werken zitiere. 315 4.5 Johann Adam Steinmetz
Der Generalsuperintendent des Herzogtums Magdeburg und Abt des Klosters Berge bei Magdeburg, Johann Adam Steinmetz (1689-1762),316 gab seit 1737 die "Theologia Pastoralis Practica" heraus, in der zwischen 1744 und 1746 mehrere Beiträge über Stephan Praetorius erschienen. Ob die umfangreiche Lebensbeschreibung von Steinmetz selbst stammt, ist nicht ausdrücklich vermerkt, aber durchaus möglich,317 Steinmetz, ein Vertreter des Hallischen Pietismus, der sich um die Verbesserung des Schulwesens bemühte, hat offensichtlich ein besonderes pädagogisches und katechetisches Interesse. 318 Das wird auch in der Auswahl der Schriften von Praetorius deutlich, die in der "Theologia Pastoralis Practica" (TPP) abgedruckt werden,319 310 Vgl. dazu Ackva, Pietismus in Hessen, GdP 2, 198ff. S. SVZ. Nachrichten von der Amtsfiihrung, Bd. 5, 69. Ebd.71. Ebd.73. Ebd.74f. Zu Steinmetz vgl. H. Holstein, Art. Steinmetz, 1-5; Ritschl, Geschichte des Pietismus 2, 472--474; Brecht, Hallischer Pietismus, 340-342. 317 Cosack, Asketische Literatur, 6 nennt seine Darstellung eine "wenig genießbare Biographie". Die Zeitschrift Theologia Pastoralis Practica sei aus den "Klosterbergischen Konferenzen unter dem frommen Abt Steinmetz" hervorgegangen. 318 Vgl. Brecht, Hallischer Pietismus, 340. 319 Dabei handelt es sich um folgende Schriften: "Des seI. Stephani Praetorii Send= Schreiben an seine Mit= Knechte im Lehr= Amt.", 41. Stück (1744),5-16 (vgl. Praetorius-Traktat Nr. 24 in der Arndt-Ausgabe). "Fürstliche Instruction aller Prediger in der Chur Brandenburg, wie sie ihr Amt und Lehren recht anstellen sollen", 42. Stück, (1745), 115-152 (vgl. Praeto3ll
312 313 314 315 316
282
Die "Theologia Pastoralis Practica" (1744-46) bietet unter dem Titel "Lebens=geschichte des seI. Stephani Praetorii" nicht nur die bis dahin umfangreichste, sondern auch mit Abstand wohlwollendste Darstellung über Leben und Werk von Stephan Praetorius. 320 Der Verfasser (vielleicht Johann Adam Steinmetz) dieser fortgesetzten biographisch orientierten Artikel wird nicht ausdrücklich genannt. Er stellt alle verfiigbaren Informationen über Praetorius zusammen und verfUgt offensichtlich über urkundliches Quellenmaterial und biographische Daten, die er von einem "Freund" aus Salzwedel erhalten habe. Im Wesentlichen werden jedoch ganze Schriften oder Auszüge von Praetorius abgedruckt. Das angefUgte Schriftenverzeichnis nennt neben den Sammelbänden auch die lateinischen Schriften und weitere Titel unveröffentlichter Schriften. 321 Die TPP gibt die bis dahin ausfiihrlichste Darstellung von Leben, Werk und Wirkung des Stephan Praetorius. Sie verfolgt dabei allerdings auch ein hagiographisches Interesse. Zumindest bietet sie biographische Hinweise aus Salzwedel, die bis dahin nicht bekannt waren. Auffällig ist die geringe Berücksichtigung der Geistlichen Schatzkammer, die zu diesem Zeitpunkt bereits weit verbreitet ist. Der Verfasser will offensichtlich den Akzent auf die Person des Pfarrers und Predigers Stephan Praetorius legen. Das wird auch an dem vorangestellten Kupferstich deutlich, der von dem in der Salzwedeler Kirche vorhandenen Gemälde abgezeichnet wurde. Er trägt die Unterschrift: "Stephanus Praetorius Praeco Sanguinis Christi, Nat. An. 1536. Denat. A. 1603." Der Zweck dieser "Lebens=Geschichte" ist erbaulich und pädagogisch zugleich: Dem Leser wird das Beispiel eines Prediger vorgestellt, der sich im Spannungsfeld von Gesetz und Evangelium als ein Musterbeispiel fiir evangeliumsgemäße Predigt erweist. 322 Dieser Zweck wird auch durch ein vorangestelltes "Sendschreiben an seine Mit=Knechte im Lehr=Amt" unterstützt. Hinsichtlich der Angriffe auf Praetorius nimmt die "Theologia Pastoralis Practica" ihn in Schutz. Er sei zwar in den Augen mancher Gelehrten "ein noch immer so geringes Lichtlein", dass er von ihnen nicht zu den wichtigen Theologen der lutherischen Kirche gerechnet werde. 323 Gleichwohl gibt es Zeugnisse anderer Theologen wie Spener und
rius-Traktat Nr. 4 in der Arndt-Ausgabe). "Des seI. M. Stephani Praetorii Morgenröthe Evangelischer Weisheit: Für die jungen Christen in Frage und Antwort von ihrer Seligkeit; Bis die gantze Sonne der Gerechtigkeit und des Lebens in ihren edlen Hertzen aufgehe", 43. Stück (1745),226-248 (vgI. Praetorius-Traktat Nr. 25 in der Arndt-Ausgabe). Dem Abdruck liegt die Amdt-Ausgabe von 1662 zugrunde. 320 Die "Theologia Pastoralis Practica" erschien in 80 Stücken, zusannnengefasst zu 10 Bänden, von 1737 bis 1759. Das 41.--48. Stück sind zu einem Band zusannnengefasst. Die Fortsetzungsserie über Praetorius erschien immerhin über einen Zeitraum von drei Jahren. 321 VgI. dazu das SVZ. 322 VgI. TPP 48. St., 865: Gott möge "dessen Andencken und seine Arbeiten ... segnen, und schencke seiner Kirche ... viele solcher Knechte, die ihn durch das selige Evangelium von seinem unendlichen Verdienst, ie mehr und mehr verherrlichen; damit sein Nahme von Millionen Seelen darüber in die Ewigkeiten der Ewigkeiten gepriesen werde." 323 TPP,2lf.
283
Arndt, die ihn mit Hochachtung nennen.324 Der Verfasser betrachtet Praetorius in einem geradezu heilsgeschichtlichen Sinn als ein Merkmal der "göttlichen Vorsorge". Nach dem Tode Luthers sei das Evangelium durch den Streit seiner Nachfolger von Kirchen und Schulen verdrängt worden. Daraufhin erweckte Gott neben anderen Stephan Praetorius, den er schon zu Luthers Lebzeiten auf seine Aufgabe vorbereitete, damit er zu gegebener Zeit das Evangelium verkündigen könne. Praetorius bleibe in der Spur des Apostels Paulus. "Von dessen Art, das Evangelium gantz und unverstütnmelt zu predigen"325 ist der Verfasser überzeugt, auch wenn er zugesteht, dass es in der Lehre von der Buße den Anschein habe, als werde sie von Praetorius vernachlässigt bzw. zu gering geachtet. 326 Der Verfasser zitiert auch solche Textstellen, zu denen er niemandem raten wolle. Dennoch zieht er den lauteren Sinn des Praetorius nicht in Zweifel. Kritik werde daran geübt, dass dieser nur das Evangelium, nicht aber zugleich auch das Gesetz verkündigt habe. Tatsächlich aber wollte er nur den Missbrauch des Gesetzes bekämpfen. Die Predigtweise betrachtet er als lutherisch. Er nennt Beispiele für seine segensreiche Wirkung, insbesondere auch im pädagogischen Bereich.327 Zu den positiven Stimmen zählen u.a. Johann Arndt, Martin Statius, Philipp Jakob Spener, Johann Conrad Brotbeck und August Hermann Francke. Die Kritiker des Praetorius kommen unter der Rubrik "Leiden, Verlästerungen, und Beschuldigungen falscher Lehre vor und nach desselben Tode"328 zu Wort. In der Frage nach der Rechtgläubigkeit schließt er sich Speners Urteil an. 4.6 Samuel Lau Der gräflich-stollbergische Hofprediger in Wernigerode und Franckeschüler, Samuel Lau (1703-1746),329 vergleicht in seiner Schrift "Die Seligkeit der Gläubigen in der Gemeinschaft Jesu Christi, nach einigen besonderen evangelischen Gnaden-Wohltaten und der daraus fließenden gesegneten Kraft zur Heiligung und Verleugnung erwogen, mit einer Vorrede: ob es zu dieser verderbten Zeit sicher genug sei, das Evangelium mehr als das Gesetz zu treiben?" (1735) Praetorius mit Luthers Auslegung des Galaterbriefes von 153l.330 Es 324 Die Vorrede Arndts zur Ausgabe der Praetoriustraktate wird vollständig abgedruckt. 325 43. Stück (1745), 248-281. 326 Vgl. TPP, 251. Es gehe Praetorius aber lediglich darum, das "päbstische Selbst=Büssen und die schädliche Einbildung eines daraus fliessenden Verdienstes" zu verhindern. 327 Der Verfasser nennt u.a. einen Lehrer und einen Buchhändler aus Salzwedel und die "zarte Jugend, deren sich ... Praetorius gantz besonders anzunehmen, und durch eine rechte evangelische Unterweisung im Glauben an Christum zu gründen, beflissen war." Vgl. TPP, 603f. 328 47. Stück (1746), 726-761. 329 Samuel Lau (1703-1746), Studium Halle 1724, Hofprediger Wernigerode 1731, Superintendent 1743, theol. Schriftsteller und Dichter geistlicher Lieder, vgl. Art. Lau, ADB 18,2If. 330 Lau, Seligkeit der Gläubigen, Vorrede: : "Es haben von den Gnaden=Schätzen und der Seligkeit der Kinder GOttes einige Gottesgelehrten etwas hertzhafter geschrieben, als es vielen
284
geht ihm darum, dass das Evangelium in der Buße eine noch tiefere Erkenntnis der Sünde wirkt als das Gesetz. Deshalb sollen die Gnadenschätze wie Vergebung, Friede und Liebe Gottes gepredigt werden. Diese Lehre dient am meisten den Gläubigen und wahren Kindern Gottes.33! Lau zieht die Lehre des Praetorius von den Wohltaten und Gnadenschätzen Gottes in die Buße hinein und sieht darin ihre besondere Kraft. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass Gesetz und Evangelium unzulässig verwechselt und vermischt werden.3 32
4. 7 Saalfelder Pietismus Zum Ausstrahlungsgebiet des Hallischen Pietismus gehörte auch die sächsische Residenz in Saalfeld, in der auf Bußkampf, Durchbruch und Bekehrung gedrungen wurde. Fromme Frauen wurden dort besonders geehrt.3 33 Unter dem Titel Ein Muster einer recht evangelischen Christin, ... Zur Erweckung und Ermunterung einer gesegneten Nachfolge wurde 1744 in der Saalfelder Armenschule ein Auszug aus dem Praetorius-Traktat Vom Glauben, Bekenntnis und Sieg der Christen" (1598) mit Anmerkungen und Erklärungen veröffentlicht. In der Vorrede werden die Adressaten der Evangeliumspredigt grundsätzlich unterschieden. Der "grosse Haufe" missbrauche das Evangelium als Erlaubnis zum Sündigen, und denen, die einen "gesetzlichen und ängstlichen" Wandel führen, fehle die Glaubensgewißheit.3 34 Deshalb sollten die "Erweckten" zu einem "richtigen Verständnis dieser Heils= und Gnaden=Predigt", angeleitet werden. 335 Ein Musterbeispiel aus der Reformationszeit sei Anna Göden, von der Praetorius in seinem Traktat berichtet. 336 Denen, die zwar erweckt, aber ihres Heils noch nicht gewiß seien, könne die Schrift ein Anreiz zur rechten Heilserkenntnis werden. Denen, die bereits in einem evangelischen Sinn lebten, dient sie zur "Erquickung, Stärckung, Ermunterung und Reitzung". "Sichere Menschen" werden vor Missbrauch gewarnt und zur aufrichtigen Prüfung aufgefordert.3 37 In diesem Sinn werden die missverständlichen Aussagen des Praetorius mit Erklärungen und Lutherzitaten versehen. Ausdrücklich wird auf den Unterschied zwischen dem Reich der Gnaden und der Herrlichkeit hingewiesen. Sowohl "Werckheiligkeit" als auch "Wercklosigkeit" seien zu meiden.338 Der Weg zum rechten Verständnis des Evangeliums erträglich gewesen ... Des seI. Prätorii und Statii Schriften sind in diesem Stück die bekanntesten; Dahin auch einige Schriften Lutheri gehören, sonderlich sein andere Auslegung der Epistel an die Galater, und die güldene Vorrede dazu." Lau meint vermutlich die Äußerungen über die passive Gerechtigkeit, WA 40/1, 40-51. 33! Lau, Seligkeit der Gläubigen, Vorrede. 332 Vgl. Moser, Theologenlexikon, 395. 333 Vgl. Brecht, Hallischer Pietismus, 349f. 334 Muster einer evangelischen Christin, AZr. 335 Muster einer evangelischen Christin, AZv. 336 Zuvor hat bereits Paul Anton, Evangelisches Hausgespräch von der Erlösung, Widmung, 10, daraus zitiert. 337 Muster einer evangelischen Christin, 6-9. 338 Muster einer evangelischen Christin, 20.
285
gehe über meditatio, oratio und tentatio, wobei zur Meditation nicht nur die Bibel, sondern auch die Schriften Luthers gehörten. Enthusiastische Aussagen werden als "Tröpflein von den Reben der süssen Ewigkeit" gewertet, die jedoch nicht jedem Sterbenden zuteil werden. Praetorius wird als "treuer Lehrer" bezeichnet, der andere zur Erkenntnis des Evangeliums geführt habe.3 39 4.8 Karl Heinrich von Bogatzky
Der durch den Hallischen Pietismus geprägte Erbauungsschriftsteller Karl Heinrich von Bogatzky (1690-1774)340 veröffentlichte 1748 sein "Tägliches Hausbuch der Kinder Gottes". Dieses Andachtsbuch war eine durch Betrachtungen und Gebete erweiterte Ausgabe des "Güldene(n) Schatzkästlein der Kinder Gottes deren Schatz im Himmel ist" (1718), einer Sammlung von Bibelworten.3 41 In der Betrachtung zu Ps 37,4 zitiert Bogatzky aus der Geistlichen Schatzkammer einen Abschnitt über die Gnade und Liebe Gottes.3 42 Die Gnade gibt mehr, als man erbittet, sie gibt Träume.3 43 Dabei ist es sicherlich auch die blumenreiche Sprache, die den Dichter angezogen hat: 344 Er wendet sich mit der Geistlichen Schatzkammer gegen den Vorwurf junger Menschen, das Christentum wäre eine traurige und melancholische Angelegenheit. Auch in der Betrachtung über Eph 4,29f führt Bogatzky die Geistliche Schatzkammer an, in diesem Fall mit der Aufforderung zum Gebet.3 45 4.9 Ostpreußen
In Königsberg in Ostpreußen sammelte der ehemalige Hauslehrer Heinrich Nikolaus Herbert eine kleine Gemeinde um sich. Als er 1716 als Laie ein Kind taufte, erfolgte Anzeige beim Konsistorium. Er lobte die Quäker, verurteilte Luther, lehnte die Sakramente ab und bestritt die Geltung der Konkordienformel. Er berief sich neben Praetorius auf Valentin Weigel, Jakob Böhme, und Abraham von Frankenberg.3 46 Bevor er des Landes verwiesen wurde, zog er um nach Danzig.3 47 339 Muster einer evangelischen Christin, 26f. 340 Kar! Heinrich von Bogatzky (1690-1774), Studium Halle 1715, Seelsorger in Saalfeld .1740, 1746 Erbauungsstunden für Studenten im Waisenhaus Halle, vgl. Brecht, Hallischer Pietismus, GdP 2, 326f. 341 Vgl. Brecht, Hallischer Pietismus, 327. 342 Bogatzky, Hausbuch, I, 714. Vgl. GS, 67f, 73-75 = Vom Namen Jesu, 472-474. 343 Betrachtung über Jes 64,8; 43,13: "Die Gnade läßt sich gerne fmden und leicht erbitten, und gibt eitel Herzens=Wunsch, ja über Herzens=Wunsch. Sie giebt Träume, und was einem nie geträumet hat. Denn nach grosser Finsterniß kommt groß Licht, und nach grosser Bitterkeit grosse Süßigkeit", vgl. Bogatzky, Hausbuch, 1, 17 = GS, 75. 344 "Es wachsen, grünen und blühen ietzt im Hertzen GOttes eitel köstliche und wohlriechende Rosen und Lilien himmlischer und göttlicher Liebe gegen uns. GOtt hat ein Wohlgefallen an uns.", Bogatzky, Hausbuch, I, 714. 345 Bogatzky, Hausbuch, I, 1105. 346 Vgl. auch Unschuldige Nachrichten, (1717), 841. 347 Vgl. Hubatsch, Ostpreußen, 198.
286
5. Die Herrnhuter Brüdergemeine 5.1 Johann GangolfWilhelm Forstmann
Nicht nur im Hallischen Pietismus, sondern auch im Umkreis der Herrnhuter Brüdergemeine finden sich Spuren der Wertschätzung von Praetorius. Der mit Zinzendorf in Briefwechsel stehende Solinger Pfarrer Johann Gangolf Wilhelm Forstmann (1706-1759)348 druckte in einer Predigtsammlung im Anhang zu einer Leichenpredigt vom 4.4.1742 über Mt 11,28 einen längeren Abschnitt aus der deutschen Übersetzung der Luscinia cantatrix ab, die von Johann Philipp Sesemann unter dem Titel Drey nachgefundene Geist= und Trostreiche Tractätlein herausgegeben worden war. 349 In seinen "Reden über Sprüche der heiligen Schrift am Neujahr, Ostern, Pfingsten und Weihnachten gehalten" (Flensburg 1759) wurde im Anhang an eine Neujahrspredigt aus dem Jahr 1755 eine Predigt von Stephan Praetorius abgedruckt, die er der Amdtausgabe von 1622 entnommen hatte. 35o Forstmann sah in Praetorius nicht nur ein sprachliches Vorbild, dessen "balsamische Kraft" er rühmt, sondern auch ein Beispiel fiir "die ächten Schüler Luthers", die "gleich nach der Reformation in unserer Kirche geprediget haben",351 Der Predigt ist ein "Lied von dem Namen: JESUS" angefügt, das vermutlich von Forstmann stammt,352 Forstmann hat nach einer Zeit strenger Gesetzespredigt insbesondere in seiner letzten Lebensphase ab ca. 1754 der Predigt der Gnade, Gerechtigkeit und der gegenwärtigen Seligkeit einen höheren Stellenwert eingeräumt. 353 Es ist durchaus denkbar, dass diese Hinwendung zur lutherischen bzw. reformatorischen Rechtfertigungslehre durch die Lektüre des Praetorius mit beeinflußt wurde.
6. Württemberg 6.1 Johann Konrad Brotbeck
Die frühesten Belege fiir eine Aufnahme der Praetoriusschriften in Württemberg sind die Zitate aus den Tausendschönlein bei Christoph Besold am An348 Johann Gangolf Wilhelm Forstmann (\706-1759), Studium Jena 1724, Pfarrer Hemer 1727, Pfarrer Solingen 1732, vgl. Bauks, Westflilische Pfarrer, 136 (Schriften, Literatur); Peters, Pietismus in Westfalen, 364. 349 Forstmann, Aufgesammelte Denkmale der Barmherzigkeit, Flensburg und Altona 1759, 221ff. 350 Forstmann, Reden, 95-135 = Vom Namen Jesu (\591), AA, I, 460--490. Forstmann druckt den Text einschließlich der lateinischen Zitate unverändert ab. Er verzichtet allerdings auf die Zitate von Pseudo-Dionysius zum Thema Taufe, die Arndt dem Traktat angefiigt hatte. 351 "Schade, wenn sich die Sprache bei uns ändern, oder endlich gar verlieren solte!", Forstmann, Reden, 95. 352 Forstmann, Reden, 135f. 353 Vgl. Th. Forstmann, Etwas von dem Glauben und Leben, 80ff. In diese Phase flUlt auch die Abfassung seiner Predigtsammlung "Die durch das Evangelium von Christo geoffenbarte Gerechtigkeit, die vor Gott gilt" (1757). 287
fang der 20er Jahre des 17. Jh. Ende der 60er Jahre tauschen sich Spener und der Tübinger Medizinprofessor Brotbeck über ihre gemeinsame Wertschätzung des Praetorius aus. Brotbeck bemühte sich, in Württemberg "das Freudenchristentum der 'Geistlichen Schatzkammer' des Prätorius-Statius ... heimisch zu machen".354 6.2 Tobias Wagner und die Ausgabe des Lilium convallium von 1676 Im Jahr 1676 erfolgte in Tübingen bei Johann Heinrich Reis355 mit Billigung der theologischen Fakultät356 eine zweite Auflage des Lilium convallium, der ein Widmungsschreiben des Tübinger Universitätskanzlers Tobias Wagner357 vorangestellt war. Das Schreiben vom 12.5.1676 war an den Freiherrn Moritz von und zu Kroneck gerichtet. 358 Kroneck, der 1628 aus Kärnten vertrieben worden war, galt als frommer Mann, der sich sich "fleißig in der Gottseligkeit geübet und Gottes Wort hertzlich gern gehöret" habe.3 59 Er hatte Wagner sofort nach der Lektüre der Praetoriusschrift um ihre Veröffentlichung gebeten.3 60 Ebenso wie Kroneck schätzt auch Wagner diese Schrift hoch ein. Sie ist als das rechte Wort zur rechten Zeit "wie goldene Äpfel in silbernen Schalen". Die frommen und gebildeten Gedanken über die geheimnisvollen Bedeutungen des Maiglöckchens berühren seiner Meinung nach das innere Geruhl der Andacht der Seele nicht weniger, als ihr Duft den Geruchssinn belebt.361 Die Lektüre hat Kroneck so angerührt, dass sie einen "Duft des Lebens zum Leben" (vg1.II Kor 2,16) zurückgelassen hat, die ihn zu der Bitte um eine erneute Veröffentlichung bewogen hat. 362 Stephan Praetorius wird von beiden sehr geschätzt.363 Wagner 354 Wallmann, Der Pietismus, 0 126. 355 Über Reis vgl. Benzing, Buchdrucker, 467. 356 "Cum approbatione Facultatis Theolog. Tubingensis.", Lilium convallium (1676), Titelblatt. Der Tübinger Senat hatte 1667 eine Zensur aller Druckschriften durch die jeweilige Fakultät eingefiihrt. Vgl. Franz, Bücherzensur und Irenik, 158. 357 Tobias Wagner (1598-1680), Studium in Tübingen, Magister, Pfarrer und Superintendent in Esslingen, Professor Tübingen 1653, Dekan der theol. Fakultät, Kanzler der Universität 1662, vgl. Schröder, Kirchenregiment der Reichsstadt Esslingen, 406f; Zedler, GVUL, 52, 685-689 (mit Bibliographie); Beutel, Lehre und Leben, 419--449. 358 Opuscula (1724), 137. Moritz von und zu Kroneck, geb. 1597 (?), Obervogt von Tübingen, Herrenberg und Sulz seit 1646, Hofgerichtspräsident, "ein gelehrter und sehr gottseliger Herr", gest. 12.(?).9.1679, vgl. Pfeilsticker, Württembergisches Dienerbuch, 11, § 2409; 2856; 2875. 359 "Sonderlich aber hatte er ein hertzliches Verlangen! das zerfallene Christentum seines Theils heltTen zu restituiren und wider auzurichten". Eine Charakteristik Kronecks fmdet sich in der Poesie (1721), 512f. 360 Vgl. Opuscula (1724),138. 361 Vgl. Opuscula (1724),137. 362 "Quod spirarnentum tarn mysteriosi flosculi, etiarn Gratiosae Vestrae Generositas animarn ita affecit, ut ejus lectio odorem vitae in vitam, post se reliquerit, iteratione editionis ejusdem libelli, ... cum praefatiuncula instanter a me petita, ut religio mihi fuisset, si tarn gratioso petito, quod pro mandato habearn, obsequium non deferrem.", Opuscula (1724), 138. 363 "Quod eo promtius praestiti, quia dubium non est, si illius Autor, Steph. Praetorius, nunc resurgeret, ipsurmnet sibi perhonorificum habiturum esse, si suum hunc tarn eruditum, quarn
288
hebt besonders die Verbindung von pietas und eruditio bei Praetorius hervor.364 Wagner und Kroneck verbindet die Wertschätzung des Lilium convallium in ihrer letzten Lebensphase. 365 Diese Neuauflage mit dem dazugehörigen Widmungsbrief ist in mehrerer Hinsicht aufschlußreich. Zunächst zeigt sie das neu erwachte Interesse an den Praetoriusschriften zu Lebzeiten Philipp Jakob Speners. Wie aus der Vorrede ersichtlich, gehören auch der Tübinger Kanzler Wagner und der Adlige Kroneck zu den Förderem der Praetoriusschriften. Kroneck hat dazu offensichtlich auch einen materiellen Beitrag geleistet. Interessant ist, dass auch die Tübinger theologische Fakultät der Veröffentlichung des "Lilium convallium" zugestimmt hat. Der Grund für die gemeinsame Wertschätzung dieser Schrift durch Wagner und Kroneck dürfte zum einen an ihrem Interesse einer Neubelebung der Andachtsfrömmigkeit liegen, zum andem an einer Stärkung der Glaubensgewißheit, die durch diese Schrift vermittelt werden kann.
6.3 Christian Eberhard Weismann Der dem Pietismus wohlwollend gegenüberstehende Tübinger Kirchenhistoriker Christian Eberhard Weismann (1677-1747) faßt unter dem Titel "Controversia Praetoriana" in seiner "Historia Ecclesiastica Novi Testamenti" (1719) den Streit um den Inhalt der Schriften des Praetorius zusammen.3 66 Er bemüht sich um eine objektive Beurteilung. Zunächst nennt er Praetorius einen sehr gottesfürchtigen Menschen und wahrhaft evangelischen Theologen, der den Angefochtenen angenehm gewesen sei.3 67 Weismann schließt sich insgesamt dem Urteil Speners an, das er für das weiseste und ehrlichste hält. Neben Spener erwähnt Weismann auch die positiven Stellungnahmen von Jakob Weller, Tobias Wagner und der Jenaer, Helmstedter und Leipziger Theologen. Das beste Zeugnis seien jedoch die Früchte seines Amtes in der Gemeinde in Salzwedel, von denen Spener berichtete.368 Christian Scriver habe mehrfach von einer "geistlichen Tochter" des Praetorius gesprochen, die auf ihrem Sterbebett das beste Beispiel für seine Evangeliumspredigt gegeben habe. Weismann erinnert auch an die positive Stellungnahme von David Chytraeus. Er fiihrt es auf pium libellum etiarn Gratiosae Vestrae Generositati perlectum, & tarn judiciosa pietate eidern commendatum intelligeret?", Opuscula (1724), l38. 364 "Cujus memoria, ob hunc mole parvum, sed pietate & eruditione magnum libellum, apud posteros in benedictione aeternet.", Opuscula (1724), l38. Wagner veröffentlichte im Rahmen seiner Schulaufsicht in Esslingen u.a. eine Kinderpostille und ein "Compendium Theologicum", vgl. Schröder, Kirchenregiment Esslingen, 258. In seinen Predigten thematisierte er wiederholt die "schola pietatis", vgl. Beutel, Lehre und Leben, 442f. 365 "Valeat Gratiosa Vestra Generositas, quae juxta me Candidaturn appetentis anno octogesimi aetatis agit, & de palma dimissionis in pace mecum certare videtur, qui nostrum prior portum aeternitatis occupaverit.", Opuscula (1724), l38. Den Schluss bildet Ps 92, 13-16. 366 Weismann, Historia, 1189-1194. 367 "Viro sine Controversia religiosissimo, Theologo vere Evangelico & jucundo pro animabus humilibus, contritis, Evangelii in ordine divino capacibus", Weismann, Historia, 1189. 368 Vgl. Spener, Bed. 4, 108ff.
289
die Leichtgläubigkeit des Praetorius und unzureichende Studien zurück, dass er die Sibyllinischen Orakel als wahr und den Brief an die Laodicener als echten Paulusbrief angesehen habe. Einige Sätze und Formulierungen seien unvorsichtig gewesen. Statius habe durch seine "Summa" (d.h. Zusammenfassung, d. Vf.) den Stein des Anstoßes beseitigt und durch seine Auslassungen das Beste behalten. Zu den Kritikern und Zensoren des Praetorius gehörten Calov, Dilfeld und Rango. Weismann erwägt, ob der Widerruf des Praetorius echt sei und räumt einen möglichen Missbrauch seiner mehrdeutigen Aussagen durchaus ein. Weismann erwähnt, dass die Diskussion um den "Praetorianismus" zu seiner Zeit im Streit um die Seligkeit der Gläubigen wieder auflebe. Ähnlich wie Amold hebt Weismann auf die konkreten Wirkungen und die lutherische Gesinnung von Praetorius ab. Dabei ist er sich auch seiner Schwächen wohl bewußt.
6.4 Die" Poesie" Georg Conrad Pregitzers Ein Beispiel für die Wirkung dieser zweiten Edition des Lilium convallium findet sich in einem württembergischen Andachtsbuch: der von Georg Conrad Pregitzer herausgegebenen "Poesie" (1720). Zunächst wird berichtet, dass die Traktate von Praetorius "hin und her bey vielen Lesern gesegneten Eingang gefunden" haben.369 Im folgenden werden einzelne lateinische und deutsche Passagen aus dem Praetoriustext wiedergegeben bzw. übersetzt. 37o Dazu gehören die Aussagen über das Priestertum der Gläubigen und die Herrlichkeit der Kinder Gottes, der Vergleich der weißen Farbe der Maiglöckchen mit der Reinheit der Kirche, Aussagen über die Taufe, die göttliche Gerechtigkeit, den neuen Gehorsam, den Lebenswandel der Gläubigen, die Aufrichtigkeit und Offenheit der Christen, ihre Demut und ihr Leben unter dem Wort Gottes. 371 Auch über die Schönheit der Kinder Gottes wird aus dem "Lilium convallium" zitiert.3 72 Neben dem Maiglöckchen ist auch die Rose ein Sinnbild für die Christen. Ihre Domen werden mit Kreuz, Anfechtung und Leiden verglichen, denen die Gläubigen ausgesetzt sind, "biß der liebliche Frühling des ewigen Lebens angehet".3 73 Ihre Farbe und Form erinnert an die Brautmystik des Hohenliedes; ihr Geruch an das atl. Opfer und die Früchte des Geistes (Gal 5,22). Das Rosenöl ist die Sanftmut der Christen. Die "Christen=Rose" vermittelt Zuspruch durch das Wort Gottes an Betrübte und Ermüdete. Der niedrige Stamm der Ro369 Unter diesen Traktaten werden auch "seine Christliche und Gottselige Betrachtungen" "von den Violen und Rosen" verstanden, Poesie (1720), 201. Daraus ist ersichtlich, dass auch die Schrift "Rosa nobiIis" (und ggf. eine verschollene Schrift über das Veilchen) zu dieser Zeit noch in Württemberg bekannt war. 370 Nach Angabe der "Poesie" handelt es sich um eine Tübinger Ausgabe des "LiIium convaIlium" von I 679 im 12°-Format, vgl. Poesie (1720), 201. Eine solche Ausgabe ist bislang unbekannt, sowohl im Format als auch hinsichtlich der Jahreszahl. Die Seitenzählung stimmt allerdings mit der Ausgabe von 1676 überein. 371 Vgl. Poesie (1720), 201-204. 372 Vgl. Poesie (1720), 212f. 373 Poesie (1720), 242. 290
sen steht für die Demut. 374 Auch zu anderen Blumen werden ähnliche geistliche Deutungen gegeben. 375 Die Aufnahme der Praetoriuszitate in die "Poesie" zeigt ein verstärktes Interesse an dieser Interpretation. 6.5 Die weitere Verbreitung Ein Beispiel für die weitere Verbreitung von Praetorius ist die Pfarrbibliothek des katholischen Priesters Johann Michael Feneberg (1751-1812) in Seeg (Allgäu), in der sich u.a. Werke von Praetorius bzw. Statius befunden haben,376 Er gehörte mit dem badischen konvertierten Priester Aloys Henhöfer (17891862) zur Allgäuer Erweckungsbewegung, die für evangelische An-dachtsliteratur aufgeschlossen waren. 377 Auch im Besitz von Philipp Matthäus Hahn (1739-1790) befand sich eine Ausgabe von Praetorius,378 Dabei handelte es sich vermutlich um die Arndtausgabe von 1662, in der auch die Traktate von der Majestät der Kinder Gottes und von der Taufe enthalten waren. 6.6 Christian Gottlob Pregizer und die" Seligen" Zu einer intensiven Aufnahme der Gedanken des Praetorius kam es am Ende des 18. Jh. in Württemberg durch die sog. "Seligen"379 und bei Christian Gottlob Pregizer (1751-1824)380. Die Gemeinschaft der "Seligen" oder "Gerechten" entstand vermutlich im Zusammenhang mit der Einführung des württembergischen Gesangbuches (1791), gegen dessen rationalistischen Geist sich zahlreiche württembergische pietistische Gemeinschaften wehrten und dabei auch zur Separation neigten. 381 Besonders im Remstal, im Schwarzwald und auf den Fildern regte sich der Widerstand der sog. "Seligen". Sie fielen dadurch auf, dass sie nun ihrerseits geistliche Lieder nach Melodien weltlicher Populär- und Tanzmusik sangen und diese mit entsprechenden Instrumenten unterstützten. Ihre separatistische Haltung wurde in der Meidung des Gottesdienstes deutlich,382 Die theologische Grundeinstellung war durch ein über374 Poesie (1720), 245. 375 Poesie (1720), 358f verweist auf ein Leutweins "Gottliebs Andächtige Zufälle" (1690), ein Andachtsbuch, das ebenfalls zur geistlichen Betrachtung geschöpflicher Gegebenheiten anleitet. Darin findet sich u.a. auch eine Meditation der Lilienblume, ebd, 188-195. 376 Die Bücher dieser pietistisch-mystischen Bibliothek wurden Ende des 18. Jh.s in Memmingen und Kempten gekauft. VgL Dussler, Feneberg, 230-233. 377 VgL Hagedorn, Henhöfer, 348, der ebenfalls das Augsburger Pastoralschreiben zitiert. 378 VgL den Tagebucheintrag vom 26.2.1777, Hahn, Tagebücher, 106: "Praetorii von der Majestät der Kinder Gottes, über die Taufe und das Leben Mariae HurI. herunter genommen." 379 VgL Pfeil, Pregizer, 64-70. 380 VgL Müller, Pregizer, 118-135. Christian Gottlob Pregizer (1751-1824), Studium und Stiftsaufenthalt Tübingen 1768, Vikar Gaildorf 1773, Collaborator (Unterlehrer) Besigheim 1777, Pfarrer in Grafenberg 1783, in Haiterbach 1795, vgL Müller, Pregizer, 45-161; Raupp, Art. Pregizer, 917-923. 381 VgL Pfeil, Pregizer, 66. 382 Bei gelegentlichen Gottesdienstbesuchen kommentierten sie mitunter die Predigt durch ein Kopfschütteln, was ihnen den Namen "Schüttier" eintrug, vgL Pfeil, Pregizer, 69.
291
schwängliches Gefühl, die Seligkeit zu besitzen, gekennzeichnet. Dieses Gefühl äußerte sich u.a. in lauten "Juchhe" - Rufen, so dass man sie auch "Juchhe-Christen" nannte. Die vollständige Sündenvergebung und daraus folgende Sündlosigkeit erübrigte eine weitere Buße und Beichte. Damit war auch die fünfte Bitte des Vaterunsers für sie überflüssig.3 83 Eine besondere Rolle spielte offensichtlich die 1770 verfasste sog. "Freudenbeichte" Philipp David Burks (1740-1770).3 84 Die Wiedergeburt mit der Zueignung der Taufgnade könnte in 30 Minuten erfolgen, so dass man ihnen auch den Namen "Galoppchristen" gab. Die Hochschätzung der Taufe und das Bewusstsein der gegenwärtigen Seligkeit, verbunden mit einem antinomistischen Zug zur Geringachtung der sog. "Werkler", deuten auf einen Einfluss der Geistlichen Schatzkammer hin, die sich offensichtlich auch mit separatistischem Gedankengut verbinden ließ. 1795 wurde Christian Gottlob Pregizer, der in seiner Studienzeit im Tübinger Stift von Schülern Bengels und von Oetinger beeinflusst wurde, Pfarrer in Haiterbach. Schon bald entstanden zahlreiche Privaterbauungsversammlungen.3 85 Anfang des 19. Jh.3 86 kam der Haiterbacher Pfarrer zur Lektüre der Geistlichen Schatzkammer, die er schon zuvor besessen hatte.387 Mit ihrer Hilfe überwandt er eine persönliche physische und psychische Krise und predigte daraufhin das Freudenchristentum des Praetorius.388 Der Einfluss der Geistlichen Schatzkammer in den Predigten wird deutlich spürbar. Zudem vertiefte er sich zunehmend in Luthers Schriften.3 89 In Haiterbach kam Pregizer in Kontakt mit den "Seligen", die dort vermutlich schon vor 1795 beheimatet waren oder von Pregizers Gottesdiensten angezogen wurden.3 90 Gemeinsamkeiten lagen in der Betonung der Rechtfertigung und des Freudenchristentums, das sich auf die 383 Vgl. die auffallende Übereinstimmung mit Ezechiel Meth in diesem Punkt. 384 "lch in Jesu Christo reich gemachtes und gerechtfertigtes Kind Gottes bekenne mich Gott, meinem himmlischen Vater, daß ich Gottlob reichlich und höchlich begnadiget und beseliget worden, nicht allein mit äußerlichen leiblichen Wohlthaten, sondern auch, und noch viel mehr, mit innerlichen geistlichen Wohlhaten, Erleuchtung des heiligen Geistes, Glaube, Friede, Freude und vielen andern Heilsgütern, wie das mein Herr und Gott an mir erkennet und ich so vollkommentIich nicht erkennen kann, also freuen sie mich eben und sind mir lieb, und begehre von Herzen immer mehr begnadiget und beseliget zu werden durch seinen lieben Sohn Jesum Christum.", zitiert nach Palmer, Gemeinschaften und Sekten Württembergs, 111. 385 Vgl. Müller, Pregizer, 101-118. 386 Müller, Pregizer, 127 nennt aufgrund seiner Predigten das Jahr 1801. 387 Vgl. Müller, Pregizer, 121. Nach einem Besuch bei dem benachbarten Pfarrer Sartorius aus Grünthai habe Pregizer begonnen, "fleißig in der seither in seinem Kasten bestaubt gelegenen" Geistliche Schatzkammer zu lesen, vgl. Koch, Kirchenlied, VII, 396. 388 So übereinstimmend Pfeil, Pregizer, 33-38 und Müller, Pregizer, 123: "Es kann ... kein Zweifel daran bestehen, daß der Umschwung in Pregizers Theologie auf die Lektüre der ,Schatzkammer' des Prätorius zurückzuführen ist." 389 Vgl. Müller, Pregizer, 123f. 390 Müller, Pregizer, 127f datiert die Kontaktaufnahme mit den "Seligen" in das Jahr 1801, als Pregizer sich intensiv mit der Geistlichen Schatzkammer beschäftigte. Pfeil, Pregizer, 70f vermutet, dass die Initiative zum Kontakt mit Pregizer und seinen Anhängern von den "Seligen" ausging.
292
Geistliche Schatzkammer stützen konnte, und in der Berufung auf Burks Freudenbeichte.391 Insbesondere die der Geistlichen Schatzkammer entsprechende Verkündigung der gegenwärtigen Seligkeit der Gläubigen und die besondere Betonung der Taufe übte eine starke Anziehungskraft auf die "Seligen" aus.392 Unter dem Einfluss Pregizers kam es zu verschiedenen Gemeinschaftsgründungen, fiir die sich der Name "Pregizerianer" (z.T. auch die "Hochseligen") durchsetzte. Allerdings fehlte dieser Bezeichnung die Einheitlichkeit, da zu den "Pregizerianern" ganz unterschiedliche Anhänger Pregizers gezählt wurden, die von gemäßigten Gruppen bis zu radikalen Separatisten reichten.3 93 Pregizer selbst geriet deshalb auch bald in Konflikt mit Michael Hahn (1758-1819) und seinen Gemeinschaften, den sog. "Michelianern".3 94 Zweischen Pregizers Anhängern und Hahn kam es zu Auseinandersetzungen, die u.a. auch die Frage nach der Heiligung betrafen. Pregizer musste sich 1807 vor dem Konsistorium verantworten395 und verfasste ein Jahr später ein eigenes "Glaubens- und Hoffnungsbekenntnis".3 96 Zwischen 1807 und 1810 kam es zur allmählichen Scheidung zwischen den radikalen Separatisten und den gemäßigteren "Pregizerianern". Pregizer rückte von der einseitigen Wertschätzung der Geistlichen Schatzkammer wieder etwas ab und verurteilte den Separatismus.397 Rückblickend nennt Pregizer als seine Lektüre Luther, Oetinger, Bengel, Ph. M. Hahn und J.W. Petersen.398 Mit Letzterem verband ihn wohl die Ansicht von der "Wiederbringung aller Dinge". Die "Pregizerianer" ziehen eine Linie von Hus über Luther, Amdt, Spener und Bengel zu Pregizer.399 Die "Seligen" zeichneten sich durch eine demonstrative Heiterkeit in ihren Versammlungen aus, die sich im Singen von geistlichen Liedern mit fröhlichen weltlichen Melodien ("Gassenhauer"), im Gebrauch von Instrumentalmusik
391 Vgl. Pfeil, Pregizer, 71ff. 392 Vgl. Müller, Pregizer, 129. 393 In Magstadt geriet eine pietistische Privatversammlung ab 1807 unter den Einfluss der Pregizerianer. Sie betonten, keine annen Sünder mehr zu sein, die Buße nicht zu benötigen und die 5. Bitte des Vaterunsers nicht mehr zu beten. An die Stelle des "Kyrie eleison" setzten sie ein "Hallelujah-Christentum". Auffallig war ihre Versammlungszeit zu nächtlicher Stunde, der teilweise Verzicht auf die Beichte und die Kritik an dem vorherigen Lebenswandel ihrer Gründer. Ab 1846 benutzten sie Schriften von Arndt, Luther und Bogatzky, ihre geistlichen Lieder erinnerten an "Gassenhauer", vgl. Heimberger, Pietistische Bewegung in Magstadt, 372-376. 394 Hahn warnte bereits 1807 in einem Sendschreiben an seine Gemeinschaft vor der neuen "Secte der sogenannten Rechtglaubigen" (Pregizerianer), Abdruck bei Müller, Pregizer, 553567. Müller, Pregizer, 554 weist darauf hin, dass der Rückschluss auf Pregizer nur teilweise berechtigt war. 395 In einem Brief bezeichnete sich Pregizer als Eiferer filr den "Christianismus", nicht aber fiir den Pietismus, vgl. Müller, Pregizer, 137. 396 Dies verfasste er in Verbindung mit seiner Verteidigung im Zusammenhang des "Hallwanger Mordes", vgl. Müller, Pregizer, 142-144; 175-184. 397 Vgl. dazu das "Lied vom höchstgefährlichen Separatismus", das 1817 in einer Liedersammlung abgedruckt wird, vgl. Müller, Pregizer, 157f. 398 Vgl. Müller, Pregizer, 159f. 399 Pfeil, Pregizer, 93.
293
(Gitarre, Flöte, Zither) und in gemeinsamen Tänzen äußerte. 4oo Bei den "Pregizerianern" setzte sich neben der "Liedersammlung für gläubige Kinder Gottes"401 später vor allem Hillers "Geistliches Liederkästlein" bzw. "Schatzkästlein" durch.402 Die Ausgaben der GS, die von den Pregizerianern benutzt worden sein könnten, sind vor allem die Reutlinger Ausgaben von 1807 und 1827. Pregizer selbst müsste auf die Ausgabe von 1758 (Frankfurt und Leipzig) zurückgegriffen haben. 6.7 Korntal
Der Korntaler Pfarrer Jakob Heinrich Staudt (1808-1884)403 ließ die Geistliche Schatzkammer 1848 in Stuttgart neu erscheinen. Dabei bediente er sich der Lüneburger Ausgabe von 1636, die er mit "einigen geschichtlichen Nachrichten über Verfasser und Buch, so wie mit Winken über den rechten Gebrauch und Missbrauch des Buches" verband. 404 Er selbst bekennt, "Segen" durch das Lesen der Geistlichen Schatzkammer empfangen zu haben, so dass er sie auch anderen zur Lektüre empfahl. Da die letzte Auflage jedoch nicht mehr greifbar war und niemand anderes eine Wiederauflage übernahm, kam Staudt dem vielfachen Wunsch entgegen. 405 Um dem Verdacht zu entgehen, Praetorius verstehe die Taufe als "Ruhekissen für den sicheren Sünder", fügte Staudt biographische Nachrichten und Hinweise Speners für den rechten Gebrauch der Geistlichen Schatzkammer hinzu. 406 Im Vorwort zur zweiten Auflage von 1869 ergänzte Staudt nicht nur die biographischen Angaben, sondern erweiterte die Ausgabe um einen "Hirtenbrief' des Praetorius, ein Sendschreiben an seine Mitknechte im Pfarramt. Dabei benutzte er die in der TPP abgedruckte Lebensgeschichte des Praetorius, die bis dahin umfangreichste Darstellung von seinem Leben und Werk. Staudt wollte die Gewissheit der Gnade stärken. In seinen Predigten ging er von den "objektiven göttlichen Heilsgaben" aus, vor allem von der Taufe, und plädierte für die tägliche Taufbunderneuerung. 407 Durch die Neuerscheinung der Schriften alter "Glaubenshelden" wollte er dem zunehmenden Unglauben und der "Entsittlichung" entgegenwirken. 400 Vgl. Trautwein, Pietismus zwischen Kooperation und Revolution, 33-37. Auffällig ist auch die "Zukunftserwartung und Fröhlichkeit" der Auswanderer in den Kaukasus, vgl. ebd. 35. 401 Ludwigsburg 1821, verschiedene Verfasser, vgl. dazu Müller, Pregizer, 31. 402 Vgl. Pfeil, Pregizer, 97; Trautwein, Pietismus zwischen Revolution und Kooperation, 41 f. Zu Hiller vgl. Brecht, Philipp Friedrich Hillers Geistliches Liederkästlein, 87-137. 403 Jakob Heinrich Staudt (1808-1884), Studium im Tübinger Stift, 1831 Vikar Pfaffenhofen, 1832 Lehrer am Missionshaus in Basel, 1843 Pfarrer Komtal als Nachfolger Kapffs, vgl. ClauslBuck, Württembergische Väter, Bd. 4, 285-291. 404 Vgl. GS (1848), Titelblatt. 405 GS (1848), 4. 406 Für diese Informationen greift Staudt z.T. wörtlich auf die Lebensbeschreibung in den von Johann Philipp Fresenius (1705-1761) herausgegebenen Nachrichten von dem Charakter und der Amtsfiihrung rechtschaffener Prediger und Seelsorger, Bd. 5, Halle 1777,68-76 zurück. Zu Fresenius vgl. Ackva, Pietismus in Hessen, GdP 2, 198-224. 407 Vgl. ClauslBuck, Württembergische Väter, Bd. 4, 288. 294
IV. Verbreitung und Wirkungen in Europa 1. Die Wirkung in der Schweiz Eine - wenn auch bescheidene - Wirkung dürfte die Geistliche Schatzkammer auch in der Schweiz bei dem Berner Prediger Samuel König (1671-1750)1 hinterlassen haben, der zu den radikalen Pietisten gerechnet wird.2 König gibt in seiner Stellungnahme vor der Berner Religionskommission gegenüber dem Vorwurf des Chiliasmus zu Protokoll, er habe neben etlichen Schriften von Johann Wilhelm Petersen auch "etwas in dem Statio" gelesen, hingegen verneint er eine Kenntnis der "Philadelphischen Sozietät" von Jane Leade während seiner Englandreise.3
2. Die Verbreitung in Skandinavien Die Verbreitung der Geistlichen Schatzkammer im nordischen Raum ist ein besonderes Phänomen. Bereits in den 50er Jahren des 17. Jh. wurde die Geistliche Schatzkammer von dem Pfarrer von Väckelsang (Smaland), Arvid Tiderus4 (gest. 1657), auf Anregung des Generalmajors und Gouverneurs von Halland, Casper Otto Sperling (gest. 1655) ins Schwedische übersetzt. 5 Sie erschien 1664 im Verlag Amund Grefwe in Göteborg. 6 Sperling war selbst ein fleißiger Leser der GS, denn sie beantwortete für ihn im Gegensatz zu den theologischen Spekulationen der Gelehrten eindeutig die Frage nach der Seligkeit. Er wünschte sich eine Übersetzung, damit auch der einfache fromme Mensch die Wahrheit finden könnte.7 In Gefolge des schwedisch-russischen Krieges (1700-1721) gelangte die Geistliche Schatzkammer bis nach Tobolsk in Sibirien. Unter den 800 gefange1 Samuel König (1671-1750), Studium der Theologie, Orientalistik, Mathematik, Spitalprediger Bem 1698, Pfr. Büdingen 1711, Pfr. Waldensberg 1715, Prof. Bem 1730, vgl. Dellsperger, Art. König, Samuel, NDB 12, 349f. 2 Vgl. Dellsperger, Pietismus in Bem, 93ff; Dellsperger, Samuel Königs "Weg des Friedens", 152-179; Sclmeider, Radikaler Pietismus im 18. Jh., GdP 2, 121-123 u.ö. 3 Vgl. Dellsperger, Pietismus in Bem, 113. Vermutlich handelt es sich bei der angegebenen Schrift von Statius um eine Ausgabe der GS. 4 Johannes Arvid Tiderus, gest. 1657, vgl. SBA, B-335, 341. Widen, Prätorius, 14. Casper Otto Sperling (1596--1655), geb. in Mecklenburg, Vater Jürgen Sperling zu Rübow und Zemsdorf in Mecklenburg, Mutter Anna Catharina von Blücher, kam 1612 nach Schweden, seit 1646 Generalgouverneur Hallands, vgl. SBA, B-305, 335; Svenska män och kvinnar 7, 151. 6 Vgl. die folgenden Ausgaben 1774, 1836, 1848, 1850, 1862, 1865 und 1892. Letztere Ausgabe erschien in Helsinki. 7 Vgl. Widen, Prätorius, 16: "Dies ist ein Hinweis darauf, daß die Leser durch die einfache und unkonventionelle, zugleich aber auch stark evangelische, belehrende Darstellungsweise der Schatzkammer angezogen wurden."
295
nen schwedischen Offizieren war es insbesondere der deutschstämmige Hauptmann Curt Friedrich von Wreech,8 der dort mit Freunden pietistische Erbauungsversammlungen (collegia pietatis) einrichtete, in denen u.a. Erbauungsliteratur von Arndt (Wahres Christentum) und Francke (Predigten) verteilt wurden. 9 Seine "Wahrhaffte und umständliche Historie von denen Schwedischen Gefangenen in Rußland und Sibirien" berichtet von der trostreichen Wirkung der Geistlichen Schatzkammer unter den Offizieren.!o Nach ihrer Rückkehr wirkten diese "Karolinerpietisten" im Sinn einer Erweckung unter Ihresgleichen vor allem im südfinnischen Bereich.ll In der zweiten schwedischen Ausgabe l2 der GS, die 1774/75 bei Anders Nordström in Stockholm erschien, wurden einige empfehlende "Zeugnisse" von Spener, Francke und von Wreech vorangestellt und ein Lebenslauf angefiigt.13 Widen schließt daraus, dass die Geistliche Schatzkammer im 18. Jh. in Finnland vor allem von Pietisten gelesen wurde.!4 Ein Auszug aus der Geistlichen Schatzkammer mit "Himmlischen Weisheiten" wurde 1782 in Västeras von einem schwedischen Kriegsgefangenen herausgebracht und 1851 neu aufgelegt. Zu einer kürzeren Abfolge von Auflagen der Geistlichen Schatzkammer kam es dann in der zweiten Hälfte des 19. Jh.: Stockholm 1836, 1848, 1850, 1862, Carlshamn 1865, Helsinki 1892. Eine Zusammenstellung von Sinnsprüchen fiir jeden Tag erschien 1868. In Nachlassverzeichnissen aus Finnland wurde die Geistliche Schatzkammer zwischen 1750 und 1800 etwa ebenso oft wie Luther erwähnt. 15 Sie erreichte jedoch nicht die Verbreitung des Wahren Christentums. In Nordschweden tauchte sie bis 1820 hingegen nur selten auf. Dänische Übersetzungen der Geistlichen Schatzkammer erschienen 1750, 1757, 1763, 1846, 1864, 1869, 1875 und 1916. Norwegische Übersetzungen erfolgten in Oslo 1866 und 1933. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. änderte sich das Bild im schwedischen Bereich zugunsten von Praetorius und Luther.!6 Zur selben Zeit erlebte die Geistliche Schatzkammer auch in Finnland eine besondere Wertschätzung. Sie gehörte zu den späten finnischen Übersetzungen.!7 1852 erschien sie in Turku in
8 Curt Friedrich von Wreech wurde in der Schlacht bei Poltava gefangen, kam 1711 nach Tobolsk, kehrte 1722 nach Deutschland zurück, vgl. Kramer, Francke, 181-193. 9 Vgl. Montgomery, Pietismus in Schweden, GdP 2, 495f. Wreech dankte 1713 Francke in einem Brief für die empfangenen Schriften. Dieser unterstützte ihn mit Geld, Literatur und Medikamenten. 10 Vgl. Wreech, Wahrhaffte und umständliche Historie, 2. Aufl. Sorau 1728, 81. Vgl. Skatkammer (Odense 1875), Vorrede, 8. In diesem Jahr intensivierten sich die Beziehungen der gefangenen Offiziere zu Francke, vgl. Kramer, Francke, 182. 11 Vgl. Laasonen, Pietismus in Finnland, GdP 2, 529ff. 12 Vgl. dazu Widen, 17. 13 Dieser Lebenslauf ist vermutlich der TPP entnommen. 14 Widen, 17f. 15 Widen, 15. Vgl. auch Grönroos/Nyman, Boken i Finland. 16 Widen, 15. 17 Vgl. Tiililä, Übersetzungen, 333.
296
einer finnischen Ausgabe von Gustav Dahlberg,18 "einem bekannten Übersetzer lutherischer Schriften".19 Weitere Ausgaben folgten 1876/1888, 1900, 1912, 1925, 1957 (Nachdruck 1986).20 Grundlage waren die von Staudt veröffentlichten Stuttgarter Ausgaben von 1848 bzw. 1869. Bereits die schwedische, aber in Helsinki erschienene Übersetzung von 1892 wurde von der finnischen lutherischen Evangeliumsvereinigung verantwortet. Die besondere Wertschätzung der Geistlichen Schatzkammer im schwedischen Bereich erreichte ihren Höhepunkt in der zweiten Hälfte des 19. Jh., während sie in Finnland vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jh. gelesen wurde. 21 In den 40er Jahren des 19. Jh. spaltete sich "eine evangelische Erweckungsbewegung unter der Führung des Pfarrers Fredrik Gabrie1 Hedberg (18111893)22 von der pietistischen Hauptströmung" ab.23 Hedberg gründete 1844 die "Evangelische Bewegung", die sich ab 1873 die "Lutherische Evangeliumsvereinigung in Finnland" nannte. 24 Er bekennt in einem Brief vom 18.10.1845, dass er die Geistliche Schatzkammer nach Luthers Schriften am meisten schätze, während er früher Arndt, Scriver, Spener, Francke und Rambach am meisten verehrt habe.2 5 Mit der Aufspaltung der finnischen Erweckungsbewegung in verschiedene Glaubensrichtungen verband sich bei Hedberg eine Rückbesinnung auf Luther. 26 In diesem Kontext ist Praetorius vermutlich als ein genuiner Vertreter des Luthertums gesehen und von den Anhängern der "Evangelienvereinigung" auch verehrt worden. 27 Wie Hedbergs Nachfolger, Johannes Bäck (1850-1901), so schlossen sich viele durch die Lektüre der Geistlichen Schatzkammer der evangelischen Bewegung an. Insbesondere im Südwesten Finnlands verbreitete sich die Bewegung. Aber auch auf anderer Ebene stießen die Aussagen von Praetorius auf Interesse. 28 So wurde z.B. der Schwede Sven Baelter von ihm angeregt, den man in
18 Gustav Dahlberg (1821-1906), Dompropst Abo 1890, vgl. SBA (B-051), 309-314. 19 Vgl. Widen, 14. Vgl. auch Tiililä, Rukoilevaisten kirjoja, 347f. 20 Vgl. Widen, 14 und SVZ. 21 Widen, 18. 22 Fredrik Gabriel Hedberg (1811-1893), Pfarrer in Replot, später in Kimito (Schärengebiet Abolands), der pietistischen Erweckungsbewegung nahestehend, ab 1844 in Opposition zu ihr, Spaltung der Erweckungskreise, 1873 Gründung der Lutherischen Evangelienvereinigung, vgl. Nyman, Art. Hedberg, 3RGG 3,111; Erikson, Theologie Hedbergs, in: Repo u.a. (Hg.), Unio, 310-321 (Lit.); SBA, B 110, 14-39. 23 Widen, 18. 24 Vgl. Krug, Art. Finnland 11. Kirchengeschichtlich, TRE 10, 189. Sie wurde nach dem Vorbild der schwedischen Evangelischen Vaterlandsstiftung gegründet. Ihr Ziel war es, Luthers Schriften durch Kolporteure zu verbreiten. Die meisten Gründungsmitglieder waren Laien. Zwischen 1890 und 1895 wurden 670.000 Bücher, darunter 110.000 Schriften Luthers zum weiteren Verkauf angeschafft, vgl. Koskenniemi, Suomen evankelinen liike 1870-1895, 326. 25 Vgl. Widen, 18. Erikson, Theologie Hedbergs, erwähnt weder Praetorius noch die GS. 26 Vgl. Tiililä, Übersetzungen, 330; Erikson, Theologie Hedbergs, 310-321. 27 Vgl. Tiililä, Übersetzungen, 333. 28 V gl. dazu Widen, 18f.
297
den schwedischsprechenden Kreisen Finnlands intensiv las,29 Der schwedische Führer des "Neuevangelismus", earl Olof Rosenius (1816-1868) war offensichtlich auch von Praetorius beeinflusst. Rosenius hatte sich bereits 1838 Auszüge aus Praetorius angefertigt, die Geistliche Schatzkammer befand sich in seiner Bibliothek. 1846 kam es zu einer Begegnung zwischen Hedberg und Rosenius.30 Im 20. Jahrhundert wird die Geistliche Schatzkammer in Finnland mehrfach aufgelegt (1900, 1912, 1925, 1957, 1989). Diese Auflagen gehen auf eine Übersetzung Gustav Dahlbergs (1821-1906) aus dem Jahr 1852 zurück.31 Sie zeigen ein durchgehendes Interesse an Luther und Praetorius, vor allem wohl in der Evangelienvereinigung. Widerstand gab es allmählich von Seiten der "Pietisten", die nach wie vor an ihren Autoritäten festhielten. Als "Endresultat" ist eine "mit der Zeit immer deutlichere Polarisierung der Stellung Prätorius' im geistlichen Leben" festzustellen. Die Autorität von Praetorius wurde innerhalb der "Evangelienvereinigung" mit Luthers gleichgestellt, während er von den übrigen Erweckten zunehmend kritischer beurteilt wurde. Welche theologische Bedeutung er für Hedberg und die evangelische Bewegung in Finnland hatte, ist noch ungeklärt.3 2
29
Vgl. Tiililä, Übersetzungen, 333.
30 Vgl. Widen, 15 und 18. 31 Vgl. Widen, 14. Zu Gustav Dahlberg vgl. SBA, B-051, 309-314. 32 Vgl. Widen, 20.
298
v. Die Bedeutung der Praetoriusschriften und der Geistlichen Schatzkammer für den Pietismus Angesichts einer Krise der protestantischen Predigt und Verkündigung, die auch eine mangelhafte Frömmigkeitspraxis der Gläubigen nach sich zog, wollte Stephan Praetorius die Vergewisserung der Seligkeit und des Heils durch eine dezidiert evangelische Predigt bewirken, indem er sich auf die Taufe und ihre Heilsgüter berief. Die von Praetorius inhaltlich vorbereitete und durch die katechetische Bearbeitung von Martin Statius erzielte Wirkung der Schriften im Pietismus resultierte vermutlich nicht nur aus der Anregung zu einer lebendigen Frömmigkeitspraxis, die sich an die "wahren Gläubigen" richtete, sondern auch aus ihrer sich mit einem Melanchthonianismus verbindenden und aus mystischen Quellen schöpfenden lebendigen und bilderreichen sprachlichen Darstellung einer lutherischen Tauftheologie. Praetorius zeichnet das Insistieren auf einer lebendigen, fröhlichen und mit innerer Beteiligung verbundenen Frömmigkeit aus. Hierin entspricht er partiell auch dem Anliegen der von Johann Amdt ausgehenden Frömmigkeitsbewegung des 17. Jh. Ihn unterscheidet aber vor allem der fehlende Bußernst und ein eingeschränktes Sündenbewusstsein von der Reformbewegung. Praetorius ist insofern ein Vertreter der Orthodoxie, als er die reine Lehre und Predigt des Evangeliums im Gefolge Luthers zu verteidigen glaubt. Diese Lehre wird jedoch nicht um ihrer selbst willen vertreten, sondern als Voraussetzung für ein ewiges, bereits in der Gegenwart beginnendes Leben betrachtet. Subjektivität, Emotionalität und Ästhetik sind Kennzeichen seiner Theologie, die über ein lehrgesetzliches Verständnis von Orthodoxie hinausweisen. Eine wichtige Rolle spielt für Praetorius die Unterscheidung zwischen Christen und Heiden bzw. Bekehrten und Unbekehrten. Seine Predigten sind an die Christen, Heiligen, Auserwählten usw. gerichtet. Insofern impliziert seine Predigt bereits eine Sammlung der Frommen. Hierin könnte einer der Gründe für die Attraktivität seiner Schriften für Johann Amdt liegen. Daneben dürften vor allem die Hinwendung zum inneren Menschen und die bilderreiche, gefühlvolle und mystisch geprägte Sprache das Interesse Amdts an der Frömmigkeitstheologie von Stephan Praetorius geweckt haben. Er gehört mit seinen Schriften in die Vorgeschichte des Pietismus. Dies gilt auch dann, wenn man den Pietismus nicht erst mit Spener beginnen lässt, sondern ihn als eine bereits mit Johann Amdt einsetzende Frömmigkeitsbewegung betrachtet, deren Anfang in der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert liegt.! Zeitlich gesehen liegt die Entstehung und frühe Verbreitung der Schriften von Praetorius noch vor dem Aufkommen der Amdtschen Frömmigkeitsbewegung. Vgl. Brecht, Einleitung, GdP I, I ff.
299
Allerdings ist die Breitenwirkung seiner Schriften vor 1600 noch verhältnismäßig gering. Der direkte Einfluss auf Arndt ist nur schwer messbar, und auch eine literarische Abhängigkeit ist nicht festzustellen. Ihre Wirkung entfalten die Praetoriusschriften zunächst in der Frühphase des Pietismus (vom Beginn des 17. Jh. bis zur Entstehung der Collegia Pietatis) im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um Johann Arndt. In diese Zeit fällt nicht nur die Arndtsche Ausgabe der Praetoriusschriften (1622 und 1662), sondern auch die Entstehung und Wiederauflage der von Martin Statius konzipierten und aus Praetoriusschriften zusammengestellten "Geistlichen Schatzkammer der Gläubigen". Durch diese katechetische und systematisierte Aufbereitung der Praetoriusschriften erfährt die Frömmigkeitsbewegung eine Förderung, die zwar bei weitem nicht in der Quantität, wohl aber in ihrer inhaltlichen Zielrichtung mit der von Johann Arndts "Wahrem Christentum" ausgehenden Intensivierung der Frömmigkeit vergleichbar ist. Eine frühe Rezeption geschieht durch einige Vertreter des Spiritualismus, die in Praetorius einen wahren Repräsentanten des echten Luthertums sehen. Die Geistliche Schatzkammer wird von Philipp Jakob Spener, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, Zeit seines Lebens empfohlen. Spener rezipiert Praetorius in der von Statius bereits eingeschlagenen Richtung. Der Einfluss von Stephan Praetorius auf Spener liegt u.a. in seiner Propagierung einer evangelischen Predigtmethode, mit der er eine Besserung der Kirche nicht in erster Linie durch eine Predigt des Gesetzes gegenüber den Unfrommen anstrebt, sondern durch die Darstellung und Entfaltung des Evangeliums eine Förderung und Heilsvergewisserung der wahrhaft Gläubigen intendiert. Spener empfiehlt Praetorius in der von Statius vorgeprägten und von eventuellen dogmatischen Missverständnissen gereinigten Weise. Insbesondere die Gefahr einer falsch verstandenen Heilssicherheit sieht er bei Statius weitgehend gebannt. Durch ein differenziertes System der Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle sichert Spener zudem sein Verständnis der Heilsgewissheit gegen einen möglichen Missbrauch ab. Die weitere Rezeption und Verbreitung der Praetoriusschriften ist durch Statius und Spener weitgehend vorgeprägt. Die Geistliche Schatzkammer wird in späteren Ausgaben z.B. mit Hinweisen fiir ihren rechten Gebrauch versehen. Speners Beurteilungen werden weiter tradiert. Während die Geistliche Schatzkammer im Bereich des Hallischen Pietismus noch mehrfach rezipiert wird, ist ihr Einfluss im Bereich der Herrnhuter Brüdergemeine scheinbar recht schwach. Auffällig ist die intensive Verbreitung im 18. und 19. Jahrhundert im skandinavischen Bereich zu einer Zeit, als die Wirkung in Deutschland merklich nachlässt. Insbesondere in Finnland ist in diesem Zusammenhang auch ein Adressatenwechsel zu beobachten. Während die Geistliche Schatzkammer zunächst von den Pietisten gelesen wurde, galt sie später als Buch der Lutheraner. Eine besondere Wirkung entfalten die Praetoriusschriften in Württemberg zu Beginn des 19. Jh., indem sie einen direkten Einfluss auf die Gruppe der Pregizerianer nehmen. 300
Die Schriften von Stephan Praetorius sind ein eindrucksvolles Beispiel für einen Transformationsprozess, in dem Predigten mit ihrem konkreten zeitgeschichtlichen Bezug und ihrem gemeindlichen "Sitz im Leben" zu einer allgemein rezipierbaren und gebrauchsfähigen Erbauungsliteratur umgeformt werden. Erst durch diese Umformung entfalten sie ihre eigentliche Wirkung. Bezogen auf die zeitliche Erstreckung der Drucke, ihre Auflagen und ihre Verbreitung im nordeuropäischen Bereich kann man die Geistliche Schatzkammer durchaus zu den "Klassikern der Erbauungsliteratur" zählen. Ihr Proprium liegt in der besonderen Ausprägung eines Freudenchristentums. Damit leistet die Geistliche Schatzkammer einen wichtigen Beitrag zur Förderung und Entfaltung der Frömmigkeit und zu einer lebendigen und lebenszugewandten praxis pietatis. Stephan Praetorius kann daher mit seiner Konzeption eines Freudenchristentums als ein lutherischer Erbauungsschriftsteller bezeichnet werden, der sich als Förderer nachreformatorischer Frömmigkeit erwiesen hat.
301
Dritter Teil Anhang
I. Abkürzungsverzeichnis 1. Eigene Abkürzungen Die Abkürzungen richten sich, soweit nicht anders vennerkt, nach Siegfried Schwertner, Theologische Realenzyklopädie, Abkürzungsverzeichnis, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin 1994. AA
Stephan Praetorius, 58 schöne, auserlesene, geist- und trostreiche Traktätlein, Goslar 1622. (Abk. für Amdtausgabe A) AB Stephan Praetorius, 58 schöne, auserlesene, geist- und trostreiche Traktätlein, Lüneburg 1662. (Abk. für Amdtausgabe B) Bed. Spener, Philipp Jakob, Theologische Bedencken! Und andere Brieffliehe Antworten, Teil 1-4, Halle a.d. Saale 1700-1702 (21707-1709; 317121715). Cons. Spener, Philipp Jakob, Consilia et ludicia Theologica Latina, Bd. 1-3, Frankfurt a.M. 1709. EGS Spener, Philipp Jakob, Erste Geistliche Schrifften, Frankfurt a.M. 1699. EP Johann Amdts ... Postilla oder Geistreiche Erklärung der gewöhnlichen Sonn- und Festtagsevangelien ... Mit einer Vorrede Johann Jakob Rambachs, Leipzig und Görlitz 1734. GdP 1 Martin Brecht (Hg.), Geschichte des Pietismus, Bd. 1, Göttingen 1993. GdP2 Martin Brecht (Hg.), Geschichte des Pietismus, Bd. 2, Göttingen 1995. GS Geistliche Schatzkammer der Gläubigen, Lüneburg 1644. Ind. Aure!. Index Aureliensis. Catalogus librorum sedecimo saeculo impressorum, Baden-Baden 1965ff. JAVVGS Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie zu Salzwedel LBed. Spener, Philipp, Jakob, Letzte Theologische Bedencken, Teil 1-3, Halle 1711 (21721) Me!. Melodie PD Spener, Philipp Jakob, Pia Desideria, hg. v. Kurt Aland, (KIT 170), Berlin 31964. PG Johann Amdt, Paradies-Gärtlein voller Christlicher Tugenden, wie solche zur Übung des wahren Christentums durch andächtige, lehrhafte und trostreiche Gebete in die Seele zu pflanzen, in: ders., Sechs Bücher vom wahren Christentum, 843-1054. SBA Skandinavisches Biographisches Archiv
302
SVZ TPP Tr. WCh
Schriften-, Literatur- und Abkürzungsverzeichnis Theologia Pastoralis Practica oder Sammlung nutzbarer Anweisungen zur gesegneten Führung des Evangelischen Lehramts, 41.-48. Stück, Magdeburg und Leipzig 1744. Traktat (aus der Amdtausgabe der Praetoriusschriften) Johann Amdt, Sechs Bücher vom wahren Christentum nebst dessen Paradies-Gärtlein. Mit einer Lebensbeschreibung des seligen Mannes und seinem Bildnis, Bielefeld 1991 (erste vollständige Ausgabe der vier Bücher vom wahren Christentum: Magdeburg 1610).
2. Bibliothekssigel Die Bibliothekssigel richten sich - soweit vorhanden - nach VD 16, Sigelverzeichnis, XXXV-XXXIX. Darüber hinaus werden als weitere Abkürzungen verwendet: Abo AB Arhus SB Bautzen StB Berl KB Bethel KB Braun PS Carol VB Celle KB Chicago NL Chicago VB Claus CB Goslar KB Göteb VB Helm VB Herrn MB Kop TS Laub GB Loccum KB Mich UB Mosk VB Naumb KB Odense VB Oslo VB Phil MB Phil TS Posen VB Salzw KB St. Pet. NB Stade SA Stav MB Sten DB Stu OKR Tall NB Warsch NB Yale UB Zürich ZB
Abo, Akademiebibliothek Arhus, Staatsbibliothek Bautzen, Stadtbibliothek Berlin, Kirchliche Bibliothek st. Marienl st. Nicolai Bethel (Bielefeld), Bibliothek der Kirchlichen Hochschule Braunschweig, Bibliothek des Predigerseminars North-Carolina, Universitätsbibliothek Celle, ehemalige Kirchenministerialbibliothek Chicago, Newberry Library Chicago, Universitätsbibliothek Clausthal-Zellerfeld, Calvör'sche Bibliothek Goslar, Marktkirchenbibliothek Göteborg, Universitätsbibliothek Helmstedt, ehemalige Universitätsbibliothek Herrnannsburg, Missionsbibliothek Kopenhagen, Bibliothek der Theologischen Fakultät Laubach, Gräfl. Solms-Laubachsche Bibliothek Loccum, Klosterbibliothek Michigan, Universitätsbibliothek Moskau, Universitätsbibliothek Naumburg, Bibliothek der Kirchlichen Hochschule Odense, Universitäsbibliothek Oslo, Universitätsbibliothek Philadelphia Museum of Art, Bibliothek Philadelphia, Lutheran Theological Seminary Posen, Universitätsbibliothek Salzwedel, Kirchenbibliothek St. Petersburg, Nationalbibliothek Stade, Staatsarchiv Stavanger, Bibliothek der Missionshochschule Stendal, Dombibliothek Stuttgart, Bibliothek des Oberkirchenrats Tallinn, Nationalbibliothek Warschau, Nationalbibliothek Yale, Universitätsbibliothek Zürich, Zentralbibliothek
303
H. Schriftenverzeichnis von Stephan Praetorius 1. Einzelschriften 1564 Schultetus, Stephanus (Soltwedelensis): Joh. Tunnichaeus Medicus Propositiones anatomicae ... s. de ossibus, Resp. M. Steph. Sculteto, Soltwedel, ad disputandam proposuit, Rostochii 1564, 8° Lond BM (nach BLC): ,,1179.a.2.(9.)" 1568 TABELLA 11 BREVITER COMPLE= 11 CTENS PRAECIPVAS 11 prornißiones Euangelij. 11 Autore 11 M. STEPHANO PRAETO-II rio Soltuuedelensi. 11 VVITEBERGAE 11 EXCVDEBAT IOHANNES 11 Schwertel, 1568. 11 (Wittenberg: Johannes Schwertel) St. Pet. NB: ,,17.114.2.290" 1569 HISTORIA 11 DE ORIGI= 11 NE AC TVRPITVDINE BAC= 11 CHANALIORVM: 11 DESCRIPTA 11 A 11 T. LIVIO PATAVINO. 11 VITEBERGAE 11 EXCVDEBAT PETRVS 11 SEITZ. 11 M.D. LXIX. 11 (Wittenberg: Petrus Seitz) [12] BI., 8° Halle UB: "Ch 3710" 1570 ORGANON 11 Eloquentiae, 11 HOC EST 11 DE STVDlO, ME= 11 MORIA ET IMITATI= 11 ONE, NEC NON DE LOCO ET 11 tempore studijs accommodato, commo= 11 nefactiones aliquot vtiles, ex 11 optimis Authoribus 11 collectae. 11 WITEBERGAE 11 EXCVDEBAT IOHANNES 11 CRA TO. 11 ANNO M.D.LXX. 11 (Wittenberg: Johannes Crato) [8] BI. 8° Wf: ,,107.2 Rhet. (6)" (VD 16: P 4673); ,,536.2 Hist. 8° (2)" ORGANON 11 ELOQVENTIAE, 11 ... 11 collectus, autore IOANNE SPANGEN= 11 BERGIO Herdeßiano, apud 11 Northusos uerbi mi= 11 nistro. 11 ... 11 M. D. LXX. 11 VVITEBERGAE. 11 Excudebat Petrus Seitz. 11 (Wittenberg: Petrus Seitz) [28] BI., 8° Mü SB: "Path. 497/3" (VD 16: P 4674); Wf: "ALVENSLEBEN Cb 209(4)" (VD 16: P 4674) 1572 HISTORIAE FAMI= 11 LIARES. 11 EX OPTIMIS 11 QVIBVSQ. LATINAE 11 ET GRAECAE LINGVAE SCRI= 11 ptoribus collectae: et in gratiam 11 nobilium puerorum in Illucem editae 11 AVTORE 11 Stephano Praetorio, artium & 11 Philosophiae M. 11 VITEBERGAE 11 EXCVDEBAT IOHANNES 11 CRATO.II ANNO M.D.LXXII.II (Wittenberg: Johannes Crato) 's Grav KB: ,,1118 E 18"; Stade StA: "B V 3, 300"; Wf: ,,536.2 Hist. (I)" 1574 Ordo Studio= 11 rum. 11 QVALEM SI= 11 BI ADOLESCEN= 11 TES, QVI AD ACADEMlAS 11 recens accesserunt, vel iam iam 11 accessuri sunt, sibi praescribi, 11 expetere 11 soleant. 11 A VTORE 11 M. STEPH. PRAETORIO 11 Heliopolitano. 11 MAGDEBVRGAE 11 IMPRESSVM PER MAT-II thaeum Giseken 11 (Magdeburg: Matthäus Gi-
304
seke, [25] BI., 8°) Halle MB: ,,6 an Z 3.57" Luscinia 11 CANTA= 11 TRIX.II M. STEPHANI 11 PRAETORll SOLT-II uuedelensis.1I MAGDEBVRGAE EXCVDE-II BAT MATTHAEVS GISEKE 11 Anno 1574, 11 (Magdeburg: Matthäus Giseke) [24] BI. 8° Halle MB: ,,11 an V 3.25" (hsl. Widmung an Lampert Distelmeier) 1575 LVSCINIA 11 CANTATRIX. 11 M. STEPHANI 11 PRAETORll. 11 Cum Epistola Dauidis Chytraei. 11 ROSTOCHII 11 EDITA A IACOBO LVCIO 11 TRANSYLVANO. 11 Anno M.D.LXXV.II (Rostock: Jacob Lucius) [28] BI., 8° Danz SB: ,,3 in: Ha 765 8°"; Schwer LB: "Ncc V 1363" ORDO STVDIO= 11 RVM. 11 ... 11 VITEBERGAE. 11 EXCVDEBAT PETRVS 11 SEITZ.II M.D.LXXV.II (Wittenberg: Petrus Seitz) [27] BI., 8° Augsb SB: "Bild 1525"; Braun SB: "M 1050 (3)"; Erl UB: "an Hist 801 (e)"; "Ltg. (I)"; Han LB: "Bu-Kap. 1101"; Leipz UB: "Thom. 1186.3"; Mü SB: "Paed. Pr. 2725" (VD 16: P 4670); Upps UB: "Obr. 49:609"; Warsch NB: "BN.xVI.O.1738 adl."; Wf: ,,551 Quod. (5)" (VD 16: P 4670); Yale UB (nach NUC): "La 61575 P" 1576 LVSCINIA 11 CANTATRIX. 11 M. STEPHANI 11 PRAETORll. 11 Cum Epistola Dauidis Chytraei. 11 ROSTOCHII 11 EDITA A IACOBO LVCIO 11 TRANSYLVANO. 11 Anno M.D.LXXVI.II (Rostock: Jakob Lucius) [28] BI., 8° Ansb FHB: "SB 110/11 e 8a angeb. an 11 f 39"; Augsb SB: "NL 882"; Berl SB: "Kg 4. 8" (Kriegsverlust); Halle FrSt: ,,60 B 16"; Halle MB: ,,14 an X 3.74"; Jena UB: ,,8. Alch. 125 (3)"; Regensb SB: ,,999/ Theol.syst. 1167/7"; Rost UB: "Fm 4202 (3)"; Weim ZB: ,,8° X, 163"; Wf: "Yk 83.8° Helmst. (3)"; ,,475 Quod. (11)"; ,,107.2 Rhet. (5)" (VD 16, P 4669); Zwick RB: ,,16.10.31/2"; ,,17.9.17/2" 1577 ROSA 11 NOBILIS. 11 M. STEPHANI PRAETORll. 11 Clarissimo viro, Dauidi 11 Chytraeo dedicata. 11 Psal. 90. Non abscondi misericordiam tuam, 11 et veritatem tuam in Ec= 11 clesia magna. 11 ROSTOCHII 11 Stephanus Myliander excudebat. 11 Anno 1577.11 (Rostock: Stephan Möll(e)mann) [32] BI., 8° Danz SB: ,,4 in: Ha 7658°"; Kop UB: ,,92.214"; Odense UB: ,,581.1"; Rost UB: "Fm 4202 (2)", "Fm 4303 (15)"; Schwer LB: "in Schmidt 74"; Upps UB: "Obr. 49:583"; Wf: "Yk 83.8° Helmst. (4)"; "Yv 1315. 8° Helmst. (5)"; ,,475 Quod. (12)" (VD 16: P 4675) 1578 LILIVM 11 CONVALLIVM. 11 STEPHANI 11 Praetorij. 11 Clarissimo viro Simoni 11 Pauli dedicatum.1I M.D.LXXVIII.II (Uelzen: Michael Kröner) [87] BI., 8° Dres LB: "Philos.C 983,V"; Halle UB: ,,4 an 153 763"; Mü SB: "Asc. 5550 t"; Rost UB: "Fm 4202 (1) (hsl. Widmung an Hieronymus Schirlentz, Pastor in Petzcoviensis); Salzw KB: "Cc 174 (1)"; Stu LB: "Theol. 8° 14103"; Wf: "Yk 83.8° Helmst. (5)" (VD 16, P 4668); "Yv 1315.8° Helmst. (4)"; Zwick RB: ,,23, 8, 35" (Traktat 47) Trostschrifft 11 an die hochbetrübten 11 von Antorff. Gestellet durch 11 Stephanum Praetorium.1I M. D. LXXVIII. 11 (0.0., 12.7.1578)
305
Dres LB: "PhiI. C 983, N"; Halle FrSt: ,,34 H 15"; Salzw KB: "Cc 174 (10)"; Stu LB: "Kirch. G. 8° 5654"; Wroc UB: ,,455781" 1579 (Traktat 48) Seefarer Trost. 11 Allen jungen 11 Kauffleuten vnd 11 Schiffleuten nutz= 11 lieh zu lesen. 11 Gestellet durch 11 M. Stephanum Prae= 11 torium Soltwe= 11 delensem. 11 Vlssen.11 M.D. LXXIX. 11 (Uelzen: Michael Kröner) [75] BI. 8° Danz SB: "XX.Bd. 37/2 adI."; Halle FrSt: ,,34 H 15"; Wf: ,,1164.71 TheoI. (2)"; "Q 101. 8° Helmst. (5)" (VD 16: P 4676 = abgedruckt bei Boon, Prätorius, 37-82) 1580 NOVA 11 DE srnYL= 11 LA MARCHlCA, 11 QVAE HOC ANNO 1580. 11 PROPE STENDALIAM 11 VATICINATA 11 EST.II ANNO 11 M.D.LXXX.II (0.0.1580, o.Vf., unterzeichnet mit ST. PR.) Rost VB: "G VI-3036" (Traktat 55) Widwen 11 Trost. 11 Sampt 11 Einer Trostpre= 11 digtl für betrübte El= 11 tern/ denenjre Kinder= 11 lein abgestorben 11 sind. (Von Christoph Wickmann) 11 Autore 11 M. Stephano Praetorio.1I (Uelzen: Michael Kröner, 12.3.1580) Berl KB: "P 52"; Salzw KB: "Cc 174 (13)" (Traktat 51) Von der Newen Kranckheit. Eine Predigt M. Stephani Praetorij. (30.10.1580, Predigt im E1isabeth-Hospital) Ordo Studiorum 11 ... 11 VITEBERGAE 11 In Officina typographica Simonis Gronen= 11 bergii. 1580.11 (Wittenberg: Simon Gronenberg) [28] BI., 8° Bautzen StB:,,3 an: 7.8° 2341"; Berl SB:"l in: A 1400.8"; Chicago NL (nach NUC): "Case I 4.712"; Halle FrSt: ,,15 G 7", ,,146 L 17", ,,180 H 23"; Leipz UB: "Paed. 16910"; Mü SB: "Paed. pr. 984, Beibd. 3" (VD 16: P 4671); Wf: "K 318 b. 8° Helmst. (4)" (VD 16: P 4671) um 1580 (Traktat 56) Witwen RöseleinJ Einer hohen Adelichen Personen zum Trost gesamletl Aus dem Lustgarten Gottes. 1581 (Traktat 14) Von der Menschwerdung vnnd Geburt des Sohns Gottes/ IESV CHRISTI. Eine Predigt M. Stephani Praetorij. (Tag der Inkarnation Christi 1581) (Traktat 20) Von dem Leiden vnd 11 Sterben Jhesu 11 Christi. 11 Eine Predigt 11 M. STEPHANI PRAE 11 TORII.II ANNO 11 M. D. LXXXI. 11 (Eisleben, 11.3. 1581) Augsb SB: ,,4° Th Pr 752"; Dar LB: "W 5085"; Halle VB: ,,12 an Ii 3889 b (116199)"; Jena VB:,,8 MS 29916" (Traktat 53) Trostsprüchlein! Für die KranckenJ So da entweder mit der gifftigen Seuche der Pestilentze behafftl zu Bette ligen/ Oder aber sonst derselbigen Seuche halben in die Kirche/ vnter die Gemeine nicht kommen dürften. Erkleret durch M. STEPHANVM PRAETORNM, Pastorem zu SoltwedeI. (5.6.1581) Ordo Studiorum 11 QVALEM SI= 11 BI ADOLESCENO 11 TES, QVI AD ACADEMIAS 11 recens accesserunt, vel jam- 11 jam accessuri sunt, prae- 11 scribi, expetere 11 soleant. 11 Autore 11 M. Stephano Praeto= 11 rio Heliopolitano. 11 VITEBERGAE 11 In Of-
306
ficina typographica Simonis Gronen= 11 bergii. 158l. 11 (Wittenberg: Simon Gronenberg) [28] BI., 8° Ber! SB: "A 1666"; Dres LB: "Encyc1. 578"; Wf: "S 119. 8° Helmst. (3)" (VD 16: P 4672) (Traktat 54) Weine 11 nicht. 11 M. Stephani Praetorij. 11 Für die betrübten Hertzen 11 zu Soltwede1. 11 M.D.LXXXI. 11 (Uelzen: Michael Kröner) [38] BI., 8° Braun SB: "C 922 (7).8°" (VD 16: P 4681); Halle FrSt: ,,34 H 15"; Salzw KB: "Cc 174 (12)"; Wf: "Yv 1337.8° Helmst. (4)" (VD 16: P 4681) (Traktat 8) Von der Krafft des thewren Bluts Jesu Christi! Eine Predigt M. Stephani Praetorii. (Juli 1581)
1582 (Traktat 15) Dancksagung zu dem HErrn JEsu Christol Für seine Menschwerdung vnd Geburt: Vnd für die gnedige Linderung der Pestilentz. Dabey Zeugnissen gelehrter Leutel von der Person Christi. Offentlieh gethan zu Soltwedell am H. Newen JahrsTagei 1582. Durch M. Stephanum Praetorium. (Neujahr 1582). (Traktat 21) Dancksagung 11 Für das bitter leiden 11 vnd sterben Jesu 11 Christi. 11 Mit angehengtem bericht von 11 dem Abendmal des Herrn. 11 Vnd wes sich ein Christen vn= 11 ter schrecklichem Wetter vnd 11 harten Donnerschlegen 11 trösten sol. 11 Gestellet durch 11 M. Stephanum Praetorium. 11 Anno salutis 1582. 11 25 Martij. 11 (Uelzen: Michael Kröner, 25.3. 1582) [32] BI., 8° Braun SB: "C 922 (6).8°" (VD 16: P 4665, 4666, 4682); Halle UB: ,,2 an 46 13/h,12"; Stu LB: "Theo1. 8° 14102"
1583 (Traktat 6) Von der ewi= 11 gen Gerechtigkeit 11 der Christen. 11 Ein kurtzes 11 Tractetlin 11 M. Stephani Praetorij. 11 Vlssen. 11 M.D.LXXxm. 11 (Uelzen: Michael Kröner) [35] BI. 8° Berl SB: ,,5 in Dr 8364 R" (Celle 3035) (= Celle Kb 2699); "Dogm 2. 535"; Halle FrSt: ,,34 H 15"; Halle UB: ,,3 an 46 13/h,12"; Wf: "Yv 1337. 8° Helmst. (3)" (VD 16: P 4680) (Traktat 22) Von der frö= 11 lichen 11 Aufferste= 11 hung Jesu 11 Christi. 11 Nützliche erinnerung 11 M. STEPHANI 11 Praetorij. 111583. 11 (Uelzen: Michael Kröner, Tag der Auferstehung Christi, 31.3.1583) [39] BI. 8° Berl SB: ,,1 an 4613/h, 12"; ,,8 in Dr 8364 R" (Celle 3038) (= Celle Ld 737); Halle FrSt: ,,34 H 15"; Halle UB: ,,1 an 4613/,12"; Stu LB: "Theo1. 8° 14101"; Wf:"J 118. 8° Helmst. (5)" (Traktat 27) Von dem 11 Friede Gottes. 11 Euangelischer 11 vnterricht. 11 Geschrieben durch 11 M. Stephanum 11 Praetorium.11 Anno 11 M. D. LXXXill.1I (0.0. = Uelzen: Michael Kröner, 10.5.1583) [31] BI., 8° Berl SB: ,,6 in Dr 8364 R" (Celle 3036); ,,4 an 4613/h, 12"; Halle FrSt: ,,34 H 15"; Halle UB: ,,4 an 46 13/,12"; Salzw KB: "Cc 174 (6)"
1584 (Traktat 23) Von dem Heiligen Geiste. Ein kurtzes vnd nützes Tractetlein M. Stephani Praetorij: Für die liebe Jugendt. (20.6.1584)
307
(Traktat 13) Das Kindelin Je= 11 susl In seiner Gestalt. 11 Autore 11 M. Stephano Praetorio, Anno 11 Christi, 1584.11 Zu Magdeburgk/ bey 11 Johan Francken.11 (Magdeburg: Johann Francke, Tag der Inkarnation Christi, 25.12.1584) Braun PS: "S 197,1"; Gotha FB: "Theol. 8° 858/2 (1)"; Mosk VB: "Lübeck Balhorn 15748° Heyland" 1585 (Traktat 19) Das Lemblin 11 Gottes. 11 Beschrieben durch 11 M. Stephanum Praetorium.1I Witternberg. 11 Gedruckt bey Simon Gronenberg. 11 M. D. LXXXV. 11 (Wittenberg: Simon Gronenberg, 10.3.1585), Bogen A-Fs, 8° Berl SB: "Bs 8712"; Witt PS: "LC V 81" 1585 DE FIDE, 11 PACE, 11 Gaudioque in 11 Spiritu sancto. 11 Violae tres, 11 STEPHANI 11 Praetorij.1I1585.11 (0.0. 1585) Halle VB: ,,5 an 46 13/h,12"; Rost VB: "Fm 4202 (4)" (hsl. Widmung an Theodor von Bevemest, zahlreiche Randbemerkungen) um 1585 (Traktat 2) Von der Majestet vnd Herrligkeit der Christen! Euangelischer Bericht M. Stephani Praetorij. (o.O.u.J.) (Abdruck aus AA in: KIProt 5, 18-23) (Traktat 9) Das Hertz Lutheri. Auffwelches sich alle Christliche Hertzen wol gründen vnd verlassen mögen! beyde im gleuben vnd bekennen! leben vnnd sterben. Aus der Kirchen Postillen kürtzlich gezogen. Durch Stephanum Praetorium. (o.O.u.J.) (Traktat 10) Lob vnd Preiß der H. Tauffe. Wider die grossen Widerteufferl die Jesuiten. Autore Stephano Praetorio. (o.O.u.J.) (Traktat 12) Gesprech! Eines Hollanders vnnd Lutheraners. Von dem Abendmal des Herrn. Nützlich zu lesen. 1586 HORTVLVS 11 ANIMAE. 11 Ein Lustgar= 11 dei edder Arstedye 11 der Seelen. 11 Jnsunderheit vor de be= 11 döueden! elenden vnde trostlo= 11 sen Wedewen! sick darin tho trösten! 11 vpt nye gedrücket ... 11 Mit noch einem volgen= 11 den schönen Trostbökeschen 11 M. Stephani Praetorij, ock 11 vor de Wedewen. 11 Gedrücket tho Ham= 11 borch! dorch Hans 11 Binder. 11 Anno M.D.LXXXVLIl (Hamburg: Hans Binder) [219] BI., 8° Hamb VB: "Scrin. AI 301" Ordo studiorum (Abdruck in:) Schola Torunensis: Institutionis literatae sive discendi atque docendi ratione. tomus III. Torunii Bor., 1586 Lond BM (nach BLC): ,,722. e. 4" 1588 ORGANON ELO-II quentiae, 11 ... 11 PETRO PRAETORIO 11 FRATRI SVO 11 S. D·II [in:] (Johannes Spangenberg): LIBELLVS 11 Artificiosae memoriae, 11 IN VSVM STV= 11 DIOSORVM COL- 11 LECTVS, 11 Autore 11 Ioanne Spangenbergio 11 apud Northusos verbi 11 Ministro. 11 ANNO 1588. VVITEBERGAE. 11 Matthaeus VVelack excudebat.1I (Wittenberg: Matthäus Welack) Erl VB: "Thl. XVII 493"
308
Drey Gnadenreiche 11 Lieder. Aus dem born 11 des Lebens geflossen: 11 vnd in Christi Schule/ von 11 den lieben Auserwelten! zu erquickung 11 jhrer Seelen/ vmbs Ehrenkrentzlein/ 11 teglich mit frewden zu 11 singen. 11 Wer gewinnen! vnd es am 11 besten machen wird/ der sol dessen preis 11 vnd ehre haben: Vnd lebendigen 11 trost! fried vnd freude da= 11 uon bringen. 11 ... M. D. LXXXVIII. 11 (0.0. 1588, o.Vf., [8] BI., 8° Halle UB: ,,3 an 46 13/h,12" 1589 (Traktat 25) Morgenröte Euangelischer Weis= (Ostern, 30.3.1589) Halle FrSt: ,,34 H 15"
11
heit: Für die Jungen
11
Christen. 11
1590 (Traktat 38) Blümlin 11 der Liebe/li Welche junge Christen in jr hertz 11 pflantzen: vnd damit jren Glauben! 11 friede vnd freude stercken 11 sollen. 11 Zusampt einem newen Liede/li von der krafft der frölichen Aufferstehung 11 vnd Himelfart Jesu Christi/li mit dreyen andern! vor 11 ausgangen. 11 Einer jungen Braut von 11 Franckfurt alles zu eh= 11 ren geschrieben. 11 Durch 11 M Stephanum Praetorium.11 (0.0. 1590) Gött SB: "an 8° Biblia II, 606 T 3"; Halle FrSt: ,,34 H 15"; Halle UB: ,,6 an 46 13/h, 12"; Salzw KB: "Cc 174 (9)" (Traktat 41) Gebet! oder Dancksagung zu GOTT. Der Edlen vnnd newgebornen Jungfrawen des Closters Arentsee. Für die Gabe vnd Offenbarung Jhres Heyls/ in Christo JEsu. Cum encomiolo Davidis Chytraei: & praefatione Stephani Praetorij. (Anfang 1590) 1591 (Traktat 17) Von dem Nahmen JESV/ Eine kurtze Predigt M. Stephani Praetorij. Darum nützlich zu lesen! daß darinn angezeiget wird der Gebrauch des Heyls/ welches wir in Christo Jesu haben. (Estomihi, 14.2.1591) (Traktat 7) Vom waren Glauben! vnd seiner Krafft: Das ist! Von der Christen Seligkeit! Eine öffentliche Predigt M. Stephani Praetorij Heliopolitani. (14.3.1591) 1592 (Traktat 18) Von dem Nahmen EMANVELI Ein Christliches Tractetlein M. Stephani Praetorij. In diesen gefehrlichen Zeiten trostlieh zu lesen (Tag des Apostels Matthias, 24.2.1592) 1592 (Traktat 39) Ein newer frölicher 11 Danckpsalm/ Für das geschenckte vnd 11 erkante Heil. 11 Im Meyen zu singen. Mit einer kurtzen Vorrede/ vnd 11 etlichen schönen Sprüchen/ des 11 Herrn Philippi/ vnd 11 Lutheri. 11 Autore 11 Stephano Praetorio. 11 M. D. XCII. (0.0., Pfingsten 1592) Halle FrSt: ,,34 H 15"; Salzw KB: "Cc 174 (8)" (Traktat 26) Von 11 dem Reich 11 Gottes/li Eine Predigt 11 M. Stephani Praetorij, 11 Zu Wolmerstet gethan.11 Anno 1592. 113. Septemb.11 (Uelzen: Michael Kröner, Michaelis, 29.9.1592, [47] BI., 8° Halle FrSt: ,,34 H 15"; Salzw KB: "Cc 174 (7)"; Wf: "Yv 1337. 8° Helmst. (2)" (VD 16: P 4679)
309
um 1592 (Traktat 42) Vom wahren Glauben. Eine trewhertzige vermahnung! an eine Fürstin zwar wo1 geschrieben! Aber allen Vntersassen vnd Pastom nützlich zu lesen. (Traktat 43) Ein FÜfstlichs Gebet. Autore M. STEPHANO PRAETORIO. (Traktat 40) Newe Geistliche Lieder/ Wie alle G1eubige von Sünde/ Todt! Teuffe1 vnd Hell/ erlöset! vom Zorn Gottes gefreyet! mit Christi Heiligkeit! Gerechtigkeit! Leben vnd Seligkeit bekleidet! vnd mit dem heiligen Geiste/ zur ewigen Kindschafft vorsiegelt sind! Aus lauter Gnade vnd Barmhertzigkeit! etc. Allen angefochten! zuschlagenen! betrübten Gewissen! sehr nützlich vnd tröstlich. 1593 (Traktat 46) Trost vnd 11 Gebet wider den 11 wider den Türcken. 11 In diesen besorglichen 11 zeiten teglich zu üben. 11 Anno 1593. 11 ... Eine Trostpre= 11 digtl rur betrübte Eltern/li denenjre Kinderlein 11 abgestorben sind. 11 (Uelzen: Michael Kröner) Halle FrSt: ,,34 H 15"; Salzw KB: "Cc 174 (14)" (Traktat 52) Krancken 11 Trost. 11 Jn klage vnd antwort 11 gestellet: 11 Lieblich vnd nützlich 11 zu lesen. 11 Autore 11 M. Stephano Praetorio. 11 Anno 1593. 11 (Uelzen: Michael Kröner) [32] BI., 8° Berl SB: ,,12 in Dr 8364 R" (Celle 3042); Han LB: ,,1 an: T-A 3161" (Abgedruckt bei Boon, Prätorius, 82-106); Salzw KB: "Cc 174 (11)"; Wf: "Yv 1337. 8° Helmst. (5)" (VD 16: P 4667) 1594 (Traktat 28) Hertzlichs verlangen einer betrübten Seelen. Nach der Offenbahrung des Reichs Gottes. Allen Liebhabern der Wahrheit nützlich zu lesen. (Datierung nach Neudorf, Lutherus orthodoxus, 20) (Traktat 44) Heilige Sacraments Gebete. Zusampt etlichen Geistreichen tröstungen der Krancken/ vnnd rur betrübte Witwen! auch andern mehr Heylsamen Stücken. In diesen geschwinden Leufften nützlich zu lesen. Autore Stephano Praetorio. (Quasimodogeniti 1594) (Traktat 11) Von beiden 11 Sacramenten 11 Kurtze vnd nützliche erin= 11 nerung: Zusampt etlichen 11 Gebetlin: 11 Stephani Praetorij. 11 Alles tröstlich zu lesen. 11 Anno 1594. 11 (0.0. 1594) [23] BI. 8° Berl SB: ,,9 in: Dr 8364 R" (Celle 3039) Halle FrSt: ,,34 H 15"; Han LB: ,,2 an: T-A 3161 "; Salzw KB: "Cc 174 (5)" um 1594 (Traktat 32) ANTWORT/ auff die Frage: Ob die Christen Jhres Heyls Briefe vnd Siegel haben? An eine rurneme Person vom Adel zwar allein geschrieben! Aber allen andem Adels Personen! auch Amptleuten! in Städten! Flecken vnd Dörffern nützlich zu lesen. (Traktat 45) Von dem König zu Babel. Durch welchen der Türckische Keyser Amurates sol verstanden werden. WEISSAGVNG Des Propheten Jeremiae. In diesen gefehrlichen zeiten nutzlich vnd nötig zu lesen. (um 1594) 1595 (Traktat 33) Anleitung
310
11
zum
11
Christlichen
11
leben.
11
Für das gleubige
11
Volckl in
Flecken 11 vnd Dörffem. 11 Autore 11 Stephano Praetorio. 11 IS9S. 11 (Uelzen: Michael Kröner, 1595) Berl SB: ,,3 in: Dr 8364 R" (= Celle 3043); Halle FrSt: ,,34 H 15"; Marb UB: "X 89/2388" (Abdruck in: KIProt 5, 1-18); Salzw KB: "Cc 174 (4)" (Traktat 34) Von der waren Gottseligkeit. Ein schönes Tractetlein M. Stephani Praetorij. Mit dreyen Gebeten! vnd zweyen Episteln Durch IOANNEM PHILIPPVM außgangen. (Vorrede Johannes Philippus vom 25.3.1595) PAVLI 11 APOSTOLl 11 AD LAODICENSES EPI= 11 stola, Latine & Germanice edi= 11 ta, studio & opera 11 STEPHANI PRAETORll. 11 Adjecta sunt Fragmenta Apostolorum & 11 Patriarcharum Testamenta, pio IIlectori non injucunda fu= 11 tura. 11 HAMBVRGI 11 ANNO M.D.xCV. 11 (Hamburg: Heinrich Binder) [11] BI. 4°, vgI. Georgi, Bücherlexikon, III, 243 Berl SB: "Br 2554"; Hamb VB: "Scrin. AI 1509"; Han LB: ,,3 in: Va 1589"; Mers DB: ,,266, TheoI. Quart"; Stu LB: "TheoI. 4° Kaps. 1103"; Wf: ,,238.6 Quod. (7)"; ,,194.8 TheoI. (13)" 1596 Ein 11 Christlick 11 vnde sehr schön Be= 11 deboeckl vull Godtsaliger Be= 11 trachtingen vnde Gebeden! vor allerlye 11 gemeinen vnde sunderbaren nöden 11 vnd anliggen ... 11 am ende mit schönem Trost vnde 11 Gebeden! vor de Seeuarenden 11 vnde Wanderslüde/ gemeh= 11 ret vnde gebetert. 11 Genamen vth 11 M. Stephani Praetorij. 11 Seeuarer Trost. 11 M. D. XCVI. 11 ... Joachim Münsinger van Frondeckl Der Rech= 11 ten Doctor/ etc.11 ... Gedrücket tho Magdeborch. 11 (Magdeburg: Andreas Gehne?) [10] BI., 388 S., [11] BI., Reg., 12° Wf: "QuH 173.1" (VD 16: P 4677) SIBYLLAE 11 HELIOPOLITANAE 11 VATICINIVM, 11 De incendio nouo. 11 STEPHANI PRAETORII 11 opera editum. 11 Primum exortum est XVI. Decem- 11 bris, anno 94. Secundum, XXVI. 11 Augusti, anno 95. Tertium, XIII. 11 Febr. anno 96. 11 Incendiarij vero affecti sunt supplicio 11 XVII. Februarij, ingenti spectante hominum multitudine,1I sereno die. 11 (Salzwedel, 27.4.1596, [7] BI., 8° Berl SB: "Na 7933", (alte Signatur: "Gw 7548") (hsI. Widmung an D. Johannes Cogn.) (Traktat 3) Herrliche Weissagungen! vom Reich Christi/ vnd andem Sachen! Der Sibyllae Erithraeae. Von weIcher Lactantius lib. l.c.6. schreibet! Daß sie gewesen sey die fiimemeste vnter allen Sibyllen: In diesen letzten Zeiten nützlich zu lesen. Opera Stephani Praetorij. (0.0. 1596) 1596(?) (Traktat 58) Abendopffer Aller Heiligen Seelen. Dem HErrn zugerichtet! aus dreyen wolriechenden Violen. Autore M. STEPHANO PRAETORIO (20.3.1596?) 1597 Ordo Studiorum, 11 ... 11 Accessit ADMONITIO D. LVCAE 11 OSIANDRI de studiis priuatis 11 recte instituendis. 11 In fine adiectus est Tractatus breuis et vtilis 11 IOHANNIS SPANGENBERGII, de 11 comparanda memoria artificiali: et alia nonulla scitu iucunda et ne= 11 cessaria. 11 VVITEBERGAE. 11 Typis Simonis Gronenbergij. 11 M. D.
311
XCVII. 11 (Wittenberg: Simon Gronenberg), 8° Berl SB: "an Be 980. 8"; Dres LB: "Encyc1. 579"; Gött SB: "an 8° Auct. gr. I, 2825"; Halle FrSt: ,,146 L 17", ,,180 H 23"; Nü LA: "K 47/2. 8°"; Rost VB: "Hc 3079"; Warsch NB: "BN.xVI.0.3835"; Wash FSL (nach NUC): "LB 475. P7.1597 Cage"; Wien NB:"X 35.x.172"; Wroc VB: ,,455780"; Zwick RB: ,,26.7.16/2" (Traktat 5) S. Pauli 11 Epistel/ an die 11 LAODICAEER, 11 Kürtzlich erkleret! durch Stephanum Praetorium. Mit noch einer andern 11 S. Pauli EpisteV 11 An Senecam geschrieben! 11 Lateinisch vnd Deutsch! 11 nützlich zu lesen. 11 M.D.xCVII.1I (0.0. 1597) Berl SB: ,,1 an Dr 8364" 1598 S. Pauli 11 Epistel/ an die 11 LAODICAEER, sius Wolderus. Anno M.D.xCVIII. Brem SB: "BS 0697-01" (= XII.1.b.269)
11 ... 11
HAMBVRGI
11
Excudebat Theodo-
Witwen Trost! 11 Das ist: 11 Zwey vnterschidene Trostbüchlein für betrüb= 11 tel trostlose/ vnd arme Witwen. 11 Das erste. Herrn Joachimi Magdeburgij mit dem Titul: 11 Eine schöne Artzeney/ 11 ... 11 Das ander.1I M. Stephani Praetorij, Erstlieh Anno 1580. An 11 die trostlosen Witwen zu Saltzwedel geschrieben. 11 Jetzund aber auffhoher Personen befehl vnd 11 begeren! auff das newe widerumb auffgelegtl vnd zum 11 Druck verordenet! ... 11 Durch Nicolaum Schencken F.B. Witwen Hoffpre= 11 diger auffHessen. Anno 1598.11 (Heinrichsstadt: Konrad Horn) 306 S., 8° Berl SB: "in: Da 11030"; Cob LB: "Cas A 4979" (VD 16: P 4683); Halle FrSt: ,,34 H 15"; Halle MB: "T 1.117"; Han LB:,,1 an: 74/7932"; Wf: "Yv 753.8° Helmst.";"G 688.4° Helmst. (1)" (VD 16: P 4683); Zweibr BB: "T 136" Ein 11 CHristliek vnde 11 sehr schön Bedeboeckl vull 11 Godtsaliger Betrachtingen vn= 11 de Gebeden! vor allerley gemeinen vnde 11 sunderbaren Nöden vnd Anlig= 11 gen! thor beweginge der 11 andacht. 11 Allen framen Christen tho 11 Troste vnde nütte/ vth warem 11 Christlieken yuer thosamen gedragen! vnde am ende mit schönem Trost vnd Gebeden/li vor de Seeuarenden vnde Wanders= lüde/li gemehret vnde gebetert.1I Genamen vth 11 M. Stephani Praetorij 11 Seeuarer Trost. 11 M. D. XCVIII. 11 ... Joachim Münsinger van Frondeck! Der Rech= 11 ten Doctor/ etc. 11 ... Gedrücket tho Magdeborch. M. D. XCVIII. 11 (Magdeburg 1598, Andreas Gehne, 472 S., [11] B1., Reg., Gebete) Braun SB: "C 1513.8°" (VD 16: P 4678); Soest SB: "V Gg.9.23" (Traktat 29) Vom 11 GLAVBEN, 11 BEKENTNIS, 11 VND SIEG 11 der Christen! 11 Ein kleines Tractetlin 11 zwar/ Aber mit einem herr= 11 lichen Exempel einer fiirnemen Gottseligen Matronen! aus Soltwedel! erkleret. Autore Stephano Praetorio. M.D.xCVIII. (0.0., 24.1.1598) [24] B1., 8° Berl SB: ,,4 in Dr 8364 R" (Celle 3034) (= Celle Lg 512) (Traktat 31) Das Gül= 11 den Haus der Weis= 11 heit Gottes. AuffVier Silbern 11 Seulen gegründet! Das es in den letzten tagen auff= 11 gerichtet werde/ durch den 11 mund der Engel/ in den her= 11 tzen vieler gleubigen vnd getaufften 11 Christen. Autore Stephano Praetorio.1I (0.0. 1598) [32] B1., 8° Berl SB: ,,3 in Dr 8364 R" (Celle 3033) (= Celle Lg 511)
312
(Traktat 49) Von der Pest/li Woher sie kome/ wie man 11 sich wider jren anlauff bewaren! 11 vnd sich auch wider sie trösten solle. 11 Helle Sprüche der Schriffi. 11 Fromen Christen zu nutz 11 colligiret/II Durch 11 Stephanum praetorium. 11 Ieremiae 21 & 22·11 Ich wil das Volck schlagen! mit ei= 11 ner gros sen Pestilentzl Darumb das sie meinen bund verlassen haben! nemlich 11 den bund des Glaubens vnd des guten 11 Gewissens. 11 (0.0. Michaelis 1598, [8] BI., 8° Berl SB: ,,11 in Dr 8364 R" (Celle 3041) (Traktat 50) Heuptursa= 11 chen der Pestilentzlll Item der Türcken und Hispa= 11 nier einfals. Aus dem Propheten Jere= 11 mia! Philippo vnd Luthero/ Durch 11 Stephanum Praetorium 11 angezeigt. 11 Anno 111598. 11 (0.0., 25.11. 1598) 15 S., 8° Berl SB: ,,10 in: Dr 8364 R" (Celle 3040) 1600 (Traktat 1) Von der gül= 11 den zeit/li Ein kleines Tractetlin! Stephani Praetorij. 11 Mit schönen Sprüchen! des Herrn Lutheri vnd anderer Geist= 11 reichen verstendigen Menner gezieret. 11 Halle FrSt: ,,34 H 15" (Traktat 4) Fürstliche 11 Instruction 11 Aller Prediger/ in der 11 Chur Brandenburgl Wie sie 11 jr Ampt und leren recht 11 anstellen sollen. 11 Aus einem herrlichen Fürsten= 11 buch zusammen gezogen! 11 Durch 11 Stephanum Praetorium. 11 Esaiae 32. 11 Fürsten sollen fiirstliche gedancken 11 haben! vnd darüber halten. 11 Anno 1600. 11 (0.0. 1600), Bogen A-D, 8° Berl SB: "Dr 8364 R" (Celle 3031, angeb. Acc Celle 3032--43) (hsI. Widmung an Fürstin Dorothea von Lüneburg vom 13.7.1601) CANTABRICAE 11 Coelestes, 11 Himlische Negel= 11 blumen: 11 Ex horto principis apostolorum 11 decerptae: atq in usum verae pietatis 11 studiosorum breviter explicatae, 11 Per 11 STEPHANVM PRAE- 11 torium Soltvvedelensem. 11 Cantic. 2. 11 Ecce hyems transijt, & imber recessit. 11 Flores apparuerunt in terra nostra. 11 VVITEBERGAE, IIlmpressae typis VVolffgangi Meißneri, 11 Anno M. DC.II (Wittenberg: Wolfgang Meißner) 56 S., 8° Helm UB: "J 714, Sbd.5"; Salzw KB: "Cc 174 (2)" um 1600 (Traktat 24) Kinder Lehre/ Für die jungen vnnd einfeltigen Christen! welche ihr Heyl noch nicht recht erkennen. In fiinffFragen gestellet/ Durch M. Stephanum Praetorium. Mit einer newen Vorrede/ vnd etlichen schönen Sprüchen Lutheri/ auch einer trewhertzigen Vermahnung an alle Pfarrherrn! Christliches vnd Lutherischen Nahmens. (Datierung nach Neudorf, Lutherus orthodoxus, 22) (Traktat 57) MANVS CHRISTI PERLATAE. Aus der Apoteken GOttes/ Für das zittern der Hertzen. AUREAE GVTTAE, 11 Ex vetustissimis ecc1esiae scripto-II ribus breuiter collectae, & haud incon- 11 cinno ordine dispositae: quae lectorem 11 sua luce, elegantia, & autoritate utiliter 11 erudire, suauiter delectare, & 11 viriliter confirmare 11 poterunt. 11 OPERA 11 STEPHANI PRAETORII.II ... II (o.O.u.J., um 1600) ca. 30 S., 8° Helm UB: "J 714, Sbd.6"; Salzw KB: "Cc 174 (3)"
313
1602 (Traktat 36) Hirnlische Violen. Aus dem Lustgarten GOttes gesamletl von dem Ampt der Christen. Zu einem süssen Geruch frommer Seelen. Durch Stephanum Praetorium. Esrae 4. cap. (Tag der Auferstehung Christi 1602) (Traktat 37) Tausentschönlin! aus dem Lustgarten Gottes/ Oder Sprüche H. Schrifft von vnser Seligkeit. Durch Stephanum Praetorium. (20.8.1602) 1604 (Traktat 30) Gülden Rose/li Aus dem Propheten 11 Micha. 11 Kürtzlich erkläretlll Durch 11 M. STEPHANVM PRAETO = 11 rivm, pastorern, Weyland 11 der Newenstadt Soldwe = 11 deI. 11 Wittemberg/ 11 Durch Lorentz Seuberlich. 11 Anno 1604. 11. (Wittenberg: Lorenz Seuberlich, Jubilate 1581) Bogen A-E3, 8° Berl SB: ,,2 in Dk 7920" (Celle 899); Halle FrSt: ,,34 HIS"; Zür ZB: "E 366 (2)" 1608 FLVCTVS ET LVCTVS 11 MARlNI, 11 Das ist: 11 Nützlicher Vnterrichtl wie 11 sich all Christlich Seefahrende Kauf= 111euti vnd Gottselige Schiffer injhrem ordent= 11 lichen Beruff/ so wol in glücklichem Zustand/ fromm 11 vnd bescheidenlichl als auch in Gefährlichkeit 11 vnd Schiffbruch bestendig erzeigen vnd 11 vnerschrocken seyn sollen. 11 Erstlich 11 Durch den seligen Herrn M. Stephanum 11 Praetorium gestellet. 11 Jetzundt aber/ auff des Autoribus schrifftliches Be= 11 gehren! mit schönen Christlichen Discursibus, Vnterre= 11 dungen! Gebeten vnd tröstlichen Soli10quijs 11 verbessert vnd vermehret. 11 Durch Conradum Schlusselburgium, der 11 H. Schrifft Doctorn vnd Superintenden= 11 ten zum Stralesund in Pommern vnd 11 Professorem daselbsten. 11 M. DC. VIII. 11 Gedruckt zu Franckfurt am Mayn 1608 bey Nicolao 11 Hoffman/ Jn verlegung Peter Kopffen. 11 (Frankfurt a.M.: Nikolaus Hoffmann) Augsb SB: "Th Pr 2065"; Rost UB: "Fm 3681"; Tüb StB:,,2 an 8° 6913" 1609 RATIO 11 FORMANDO-II RUM STUDIORUM, 11 Qualern sibi Adolescentes, Acade11 mias adituri, vel qui recens etiam accesserunt, 11 quandoque praescribi postulant. 11 AUTHORE 11 M. STEPHANO PRAE- 11 TORlO 11 Accessit organum eloquentiae ejusdem autorii, et 11 catalogus Academiorum; et quarundam illustrium scho-lIlarum totius Europae; collectus a BALTHASARE 11 Mencio, Nimecensi: Admonitio etiam D. 11 LUCAE OSIANDRl de studijs 11 privatis recte inchoandis. 11 In fine adjectus est traktatus brevis & 11 utilis JOHANNIS SPANGENBERGII 11 de comparanda memoria artificiali & alia non- 11 nulla scitu jucunda & necessaria. 11 WITEBERGAE, 11 Typis Martini Henckelij, Sumptibus 11 Zachariae Schüreri Anno 1609 11 (Wittenberg: Zacharias Schürer) 284 S., 8° Augsb UB: ,,02NI-.2.8.83"; Bamb SB: "Paed.d.5"; Halle UB: "in: Gb 29 0 an: Cb 3541 i/lO";"an 38. 4/k,22"; Han LB: "XVII L 8° 731 (a)"; Kop UB: ,,119111. 21.8°"; Mü SB: "Enc. 190, Beibd. 1"; Warsch NB: "BN.xVII.1.8275 adI."; Wü UB: ,,1 an: L.r.d.8" 1627 Skipers Kijste 11 Oc huad 11 der i bor at findis til 11 Gudelighed oc Soefaren= 11 de Folckes Vnderuijsning 11 effter Guds hellige 11 Ord. 11 Alle Skibsfolck saare nyt= 11 telig oc trostlige af laese. 11 Vdsat paa Danske/ 11 Aff 11 P. H. K. M. Skibs= 11 Praedicant. 11 Prentet i Kiobenhaffnl hoff. 11 Henrich Waldkirch. 11 M.DC. XXVII. 11 (Kopenhagen:
314
Heinrich Waldkireh) Kop VB: "Hielmstierne 1008" 1672 Krancken= 11 Trost/li Hiebevor auffgesetzet und ans Liecht 11 gegeben von 11 M. STEPHANO PRAETORIO, 11 Weiland Pastoren in der neuen Stadt 11 Soltwedel; 11 Anietzo hinwieder zum gemeinen 11 Nutz in diesem Format abge= 11 drücket. 11 StendaV bey Andreas Güssouen!1I Jm Jahr Christi 1672. 11 (Stendal: Andreas Güssow) 67 S., 8° und 2 Lieder Berl SB: "Dp 10070.8" 1676 LILIUM CON- 11 VALLIUM, 11 STEPHANI 11 Praetorij. Antehac 11 Clarissimo Viro Simoni 11 Pauli dedicatum. 11 EDITIO SECUNDA 11 Cum Praefatione TOBIAE WAGNERI, 11 D. Cancellarii. Cum approbatione Facultatis Theo- 11 log. Tubingensis. 11 TVBINGAE, 11 Typis & Impensis 11 JOH. HENRICI REISI, 11 Anno M.DCLXXVI. 11 (Tübingen: Johann Heinrich Reis) 205 S., 12°, vgl. Georgi, Bücherlexikon, III, 243 's Grav KB: ,,1113 G 21"; Bas VB: "Bot. 2474"; Erl VB: "Thl. XX 231"; Halle FrSt: ,,15 G 13"; Han LB: ,,1 an: S-A 57"; Lond BM (nach BLC): ,,846. a. 23 (1.)"; Reut SB: ,,1121"; Röm KB: Sign. unbek.; St. Pet NB: ,,16.179.7.69"; Stu LB: "Theol.oct. 14104"; Tüb VB: "Gi 1021"; Weim ZB: "R, 8: 21"; Zür ZB: "RR 2391" 1724 Des Gottseligen Herrn 11 M. STEPHANI 11 PRAETORII, 11 weyland Pastoris zur Neustadt=Saltzwedel, 11 Schrifftl 11 Von der 11 Krafft 11 des theuren Blutes 11 JEsu Christi, 11 Anno 1581. zum ersten mal 11 heraus gegeben, 11 Mense Julio, 11 Cum Soltquellenses peste gravis- 11 sime affligerentur. 11 Saltzwedel, 11 gedruckt und zu finden bey Christian Schustern. 11 1724. 11 (Salzwedel: Chr. Schuster) 46 S., 8° Halle FrSt: ,,66 L 5"; Nü LA: "We 542" und "We 543"; Sten DB. 1734 M. Stephani Praetorii Weiland Predigers zu Saltzwedel, Tractätlein Von der Pest Vnd andern Kranckheiten, Benebst einer Vorrede dem Druck übergeben, Von Jo. Christoph Schinmeier, Alten-Stettin 1734. Berl SB: "Ju 3375.8" (Kriegsverlust) 1744 Ein Muster 11 einer recht evangelischen 11 Christin, 11 An dem Exempel 11 einer gottseligen Prediger-Frau, 11 Anna Gödenin, 11 welche Anno 1597. selig verschieden. 11 Zur Erweckung und Ermunterung 11 einer gesegneten Nachfolge, 11 Allen, die es lesen, 11 in Druck gegeben. 11 Jn der Salfeldischen Armen=Schule. 111744. 11 (Saalfeld 1744) Mün VB: "YA 15188"; Stu LB: "Theol. 8° Kaps. 4113" Schriften, die nicht von Praetorius stammen, aber in der Arndtausgabe enthalten sind: (Traktat 16) Engel Wunsch! Das ist: Der Friede GOttes. Kürtzlich erkleret. Anno 1596. Ipso Natali Domini. (Traktat 35) VISIONES. Das ist/ Gesichte eines Edlen Knaben! Von hohen Himlisehen Sachen. Durch Georgium Schreck außgangen. Daniel. 12. (Verfasser: Georg Schreck, Tag der Geburt Jesu 1596)
315
2. Die Ausgaben der Gesammelten Schriften von Stephan Praetorius Goslar 1621: Schöne/ Außerlesene/ Geist= vnd Trostreiche 11 Tractätlein! 11 Von der gülden Zeit! 11 &c. 11 Jn welchen der wahre seligma= 11 chende Christliche Glaube/ vnd die hoch= 11 thewre Lehre von der waren Gerechtigkeit vnd 11 Seligkeit der gleubigen Kinder GOttes/ in diesem vnd ewigen 11 Leben! durch die krafft des Verdienstes/ Blutes vnd Todes Christi: 11 Auch die rechtschaffene Gottseligkeit! Christliches Lebens vnd 11 Wandels/ Gründlich! Deutlich vnd Tröstlich 11 beschrieben ist. 11 In 58. Tractätlein verfasset! wie aus dem Cataloge 11 nach der Vorrede zu sehen. 11 Zu GOttes Ehren! zu wahrem Erkentnis JESV 11 Christi/ zum Trost der Gleubigen! vnd zu erbawung vnd/ fortpflantzung des Reichs Gottes/li Von M. STEPHANO PRAETORIO, Weylandt 11 Pastorn zu Saltzwedel! stücksweise an den Tag 11 gegeben. 11 Anjetzo aber widerumb zusammen gesucht! vnd mit einer 11 newen Vorrede gezieret! vnd zum Druck verordnet! 11 Durch JOANNEM ARNDT, 11 FürstI: Lüneburgischen Superintenden= 11 tem Generalern. 11 CVM PRIVILEGIO 11 Gedruckt zu Goßlar bey Johann Vogt/ in verlegung 11 Johann vnd Heinrich Sternen! Buchff: zu 11 LÜlleburgk. 11 Jm Jahr 1621. 11 (Goslar: Johann Vogt, Johann und Heinrich Stern), 1. Teil: 904 S. Claus CB: "E 576" Goslar 1622: 58. Schöne/ Außeriesene/ Geist= vnd Trostrei= 11 che Tractätlein! 11 Von der gülden Zeit! 11 &cc. 11 Jn welchen der wahre seligma= 11 chende Christliche Glaube/ vnd die hoch= 11 thewre Lehre von der waren Gerechtigkeit vnnd 11 Seligkeit der gleubigen Kinder GOttes/ in diesem vnd ewigen 11 Leben! durch die krafft des Verdienstes/ Blutes vnd todes Christi: 11 Auch die rechtschaffene Gottseligkeit! Christliches Lebens vnd 11 Wandels/ Gründlich! Deutlich vnd Tröstlich 11 beschrieben ist. 11 Zu GOttes Ehren! zu wahrem Erkentniß Je= 11 su Christi/ zum Trost der Gleubigen! vnd zu erbawungl vnd fortpflantzung des Reichs GOttes/li Von M. STEPHANO PRAETORIO, Weylandt 11 Pastorn zu Saltzwedel! stücksweise an den Tag gegeben. 11 Anjetzo aber widerumb zusammen gesucht! mit einer 11 newen Vorrede gezieret! vnd zum Druck verordnet! 11 Durch JOANNEM ARNDT, 11 FürstI: Lüneburgischen Superintenden= 11 tem Generalern. 11 Der Catalogus solcher 58. Tractat ist nach der Vor= 11 rede zu finden. 11 CVM PRIVILEGIO 11 Gedruckt zu Goßlar bey Johann Vogt/ in Verlegung 11 Johann vnd Heinrich Sternen! Buchff: zu 11 LÜlleburgk.1I Jm Jahr 1622.11 Ander Theil 11 Der schönen! außerlesenen! Geist: vnd 11 Trostreichen Tractätlein M. Stephani 11 Praetorii 11 Von der Gülden 11 Rose/ etc. 11 Jn welchen der wahre Seligmachende 11 Christliche Glaube/ vnd die hochthewre Lehre von der wa= 11 ren Gerechtigkeit vnd Seligkeit der Gleubigen Kinder Gottes in 11 diesem vnd ewigen Leben! durch Krafft deß Verdienstes/ Blutes vnd Todes Christi: Auch die rechtschaffene Gottseligkeit 11 Christliches Lebens vnd Wandels/ gründlich! deutlich 11 vnd tröstlich beschrieben ist. 11 Zu GOttes Ehren! zu wahrem Erkentniß 11 JEsu Christi/ zum Trost der Gleubigen! vnd zu er= 11 bawungl vnd fortpflantzung des Reichs 11 GOttes/li Jn Druck verordnet! Durch 11 JOANNEM ARNDT, Fürst!. Lü= 11 neburgischen Superintendentem 11 Generalern. 11 Cum privilegio. 11 Gedruckt zu Goßlar bey Johann Vogt/li In Verlegung Johann vnd Heinrich Stern! Buchführer zu 11 Lüneburgk. 11 Jm Jahr 1622. 11 (T. (1)-2. Goslar und Lüneburg: Johann Vogt), (r+s) 8°, Hptt./T.l: 904 S., T.2: 676 [1] S.
316
Danz SB: ,,1 in: Ha 14365 8°"; Goslar KB: ,,496"; Gotha FB: "Theo!. 8° 697/3"; Kiel UB: "Ca 1073"; Kop UB: ,,92.278"; Laub GB: "Fr. M. I 3.6-7" (2 Bde.); Lüb SB: "theo!.pract. 8° 7989"; Nü LA: "Fen. II 719.8°"; Stu LB: "HBF 1738"; Weim ZB: ,,3,7:12"; Wf: ,,685 Theo!."; 2. Ex. v. Teil 1: "Yv 256 Helmst. 8° (ohne 897-904); Witt PS: "UB PTh 525"; Wroc UB: "Brzeg D.E. 192 403484"; Zweibr BB: "T 363, l.2." Lüneburg 1662: M. STEPHANI PRAETORII, 11 Weiland Pastom zu Saltzwedell 11 Acht und funftzig außerlesene/ Geist=und Trost= 11 reiche Tractätlein/ Als: 11 Von der 11 Güldenen Zeit! etc. 11 In welchen der ware seligmachen= 11 de Glaube/ die Lehre von der Gerechtig= 11 keit und Seligkeit der gläubigen Kinder Gottes/li in diesem und ewigen Leben! auch Krafft des Verdienstes/li Bluts und Todes Christi: 11 Wie auch die rechtschaffene 11 Gottseligkeit/ Christliches Lebens und Wandels/ gründ= 11 deut= und tröstlich ist beschrieben! zu Gottes Ehren/ und wa= 11 rem Erkäntnis Jesu Christi/ zum Trost der Gläubigen! 11 Erbauung und fortpflantzung des Reichs 11 Gottes/ etc. 11 Mit einer Vorrede des geistreichen Theo1ogi, 11 Herrn Johann Arndt/ Fürst!. Br. Lüneb. 11 Durch!. Weiland general Superint. hiebevor 11 zum Druck verordnet! und in zwey Theilll abgefasset! 11 Nunmehr aber auff vielfältiges Anhalten von neuem 11 in diesem bequemen Band zusammen gedrücket! und mit 11 einem erbaulichen Register nebenst andern 11 verbessert. 11 Lüneburg/ 11 Gedruckt und verlegt durch die Sternen. 11 Jm Jahr Christi/ 1662.11 (Lüneburg: Stern) 1261 S., 11 S. Register, 8° Braun SB: "M 830"; Carol UB (nach NUC): Sign. unbek.; Danz SB: "Ha 14367 8°"; Dres LB: "Th.ev.asc. 1557 s."; Halle FrSt: ,,51 G 11", ,,66 M 7"; Halle UB: ,,51 G 11 "; " 41 6/i, 11 ", ,,66 M 7"; Hel UB: ,,787 V. II. "; Hild SB; Kop UB: ,,92.278"; Phi! MB (nach NUC): Sign. unbek.; Rost UB: "Fm 3152"; Schwer LB: "Be VIII I, 1410"; St. Pet NB: ,,15.60.3.8"; Stu LB: "Theo!. 8° 14109"; Wf: "Te 980"; "Be VIII 1,1410"; Zürich ZB: "Z MFA 96:3t" Goslar und Nordhausen 1673: (vg!. Danneil, Kirchengeschichte 1,310: TPP, 859: nur Nordhausen) Ausgabe nicht nachgewiesen, evt!. (vg!. Dilfeld, Vermessenheit, 51): Der heilige und auserwehlte Heyls=Engelll des allerhöchsten GOTTES zu unser Zeit/ 11 Das ist: 11 M. STEPHAN. PRAETOR. 11 Schöne/ auserlesene/ Geist= und Trost=reiche 11 Schrifften!11 Nicht nur mit Johann Arnds Vorrede sondern 11 auch andem unterschiedlichen Zeugnissen und Anmerckun= 11 gen gezieret und vermehret/li Darin der wahre seligmachende Glaube/ sammt der 11 hochtheuren Lehre von wahrer Gerechtigkeit und Seligkeit 11 Gläubiger Kinder GOttes/ in diesem und ewigen Leben! auch Krafft des 11 Verdiensts/ Bluts und Todes Christi: Auch rechtschaffne Gottseligkeit 11 Christliches Lebens und Wandels/ zu GOttes Ehren! zu wahrem Er= 11 kentniß JEsu Christi/ zum Trost der Gläubigen und zu Erbauung 11 und Fortpflantzung des Reichs GOttes/ gründ= 11 deut= und tröstlich beschrieben! Also/ daß dessen nicht nur einfältige Christen! sondern auch Ge= 11 lehrte und Prediger sich bedienen können/ beydes zu lernen und zu lehren! wie 11 das Evangelium oder Ort von CHristo/ Glaube und der Christen 11 Seligkeit hier auch in diesem Leben recht müsse ins Hertz gepredigt und 11 gefasset werden! daß es nicht sey ein biosses Wissen ohn Wesen! Buchstab ohn 11 Geist! SChein ohn Wahrheit/ etc. sondern ein recht=safftiger Geschmack! ein 11 Leib= Seel= und Geist durchdringender Lebens=Balsam oder Geruch des Le= 11 bens 317
zum Leben! damit ein gläubiger Christ in Beweisung des Geists und der 11 Krafft sich also stärcken und erquicken kan! daß er seiner Seligkeit aufs aller= 11 gewisseste versichert! in seinem gantzen Leben! ja auch in Noth und Tod! wie 11 in lauter Freuden=Springen unter den heiligen Engeln vor GOtt im Him= 11 mel wandeln! und also bey solchem seinem Göttlichen himmlischen Wandel 11 durch den Tod getrost und frölich in CHristo der Welt valediciren: Dane= 11 ben auch gezeiget wird! wie alles gottlose Wesen! als Vnglaub/ Heucheley/ 11 sammt allen Wercken der Finstemiß Haupt= ursprünglich davon komme/ 11 wenn diese Lehre von Christo nicht recht geprediget und gefasset! oder gemiß= 11 brauchet wird! daher bey solchem Zustande in dem heutigen Christen= 11 thum bey den Meisten so viel Heydnische Vnwissenheit! Phariseische 11 Heucheley/ Fleischliche Sicherheit! Teuflische Bosheit! Anti= 11 christische VerzweifeIung und Höllische Verdamm= 11 niß zu spühren. 11 Das Evangelium ist eine Krafft GOttes/ die da selig 11 macht alle die daran gläuben. Rom. 1.16 11 Den Gottlosen ein Geruch des Todes zum Todt: Den 11 Frommen ein Geruch des Lebens zum Leben. 11 (Nordhausen 1673?), 2 Teile in einem Band, Teil 1: 904 [6] S., 8°; Teil 2: 674 [4] S. Dres LB: ,,4 A 5578"; Halle FrSt: ,,28 E 14"; Halle UB: "AB 153474"; Tall NB: "RN 5250" bzw."RN 5251" Halberstadt 1675: PRAETORlUS REDIVIVUS, 11 Das ist! 11 M. Steph. Praetor.1I Weiland wolverdienten Pre= 11 igers zu SoldwedeI/ 11 Lehr= Geist= und Trost=reiche 11 Schrifften!1I Aufs neue zum Drukk befodert 11 von 11 Henrico Ammersbachl 11 Pastore Patriae paulino 11 Halberstadt. 11 Jm Jahr Christi 1675. 11 (Halberstadt 1675) [7] BI., 96 S., 904 S., 8° Halle FrSt: ,,28 E 14"; Leipz VB: "Pr. u. Erb. Lit. 1796 (w)" Darin enthalten sind folgende Schriften: 1) COPIA 11 Eines 11 Schreibens 11 Der Theologischen Facul- 11 tät zu Jena! an E. Edl. und Wol= 11 Ehrenvesten Rath zu Northaus= 11 sen! wegen des Praetorii 11 Schatz=Kammer. 11 Anno 1675. 11 2) Der heilige und auserwehlte Heyls= Engel ... (o.O.u.J.) 3) APOLOGIA 11 oder 11 Ehren=Rettung 11 Der beyden getreuen Lehrer/li STEPHANl PRAETORlI 11 undMART. STATII, 11 Wider die so genannte Christliche 11 Warnung GEORG, CONRADI 11 DILFELDS, 11 aufgesetzet und heraus gegeben 11 von 11 HENRlCO Ammersbachl 11 P.P.P. Halberstatt. 1677. 11 Lüneburg 1682: "Schrifften von der güldenen Zeit" (Georgi, Bücherlexikon, m, 243: 8°, 74 Bogen) Leipzig 1692: "Schriften von der güldenen Zeit" (Georgi, Bücherlexikon, m, 243: 8°, 100 Bogen; Zedler, GVUL 29,152: Leipzig 1692 und 1723)
318
3. Kleine Sammlungen von Schriften von Stephan Praetorius Bautzen 1720: Stephani Praetorii, 11 Weyland Pastorn zu Saltzwedel, 11 Drey nachgefundene 11 Geist= und Trostreiche 11 Tractätlein, 11 In welchen 11 Die Krafft des Blutes und To= 11 des JEsu Christi, der wahre seeligma= 11 chende Glaube, wie auch die Lehre von der 11 Herrligkeit und Seeligkeit, welche gläubigen 11 Kindern GOttes bereits in diesem Leben geschen= 11 cket ist, deutlich und tröstlich beschrieben worden. 11 Zur Beförderung 11 Der heilsamen Erkäntniß JEsu Chri= 11 sti, wie auch zur Freude und Auffmunte= 11 rung der gläubigen Kinder GOttes. 11 Mit einer Vorrede, 11 Darinne der rechte Evangelische Gebrauch 11 der Heil. Rechtfertigung angewiesen, 11 das lautere Evangelium von allem Ge= 11 setzlichen Wesen geschieden wird, wieder 11 den heutigen Galatismum herausgegeben. 11 von M. Johann Philipp Sesemann. 11 JEsu dein bin ich! mache mich seelig! 11 Budißin, verlegts David Richter. 1720.11 (Vorrede von Johann Philipp Sesemann, Bautzen 1720) Halle UB: ,,153503"; Stu LB: "Theol. 8° 14110" Salzwedel 1724: Opuscula 11 sacra 11 Praetoriana 11 selecta 11 seu 11 B.M. Stephani Praetorii, 11 Pastoris Neo-Soltqvellensis, etc. 11 Lilium conval- IIlium, 11 Luscinia canta- 11 trix, 11 Rosa nobilis, 11 Cantabrica; 11 sacrarum amoenioumqve litterarum cultoribus ingenuis 11 consecrata, 11 cum praefatione 11 Jo. Christophori Meureri, 11 S.S. Th. D. vet. march. atqve prign. superint. 11 general. past. prim. et insp. Stendal. 11 Soltqvellae, 11 typo et impensis Christiani Schusteri. 111724. 11 (Salzwedel: Christian Schuster) Berl SB: "Be 2724.8°"; Gött SB: ,,8° Theol. misc. 170/75" (Access.: 8.1879.1633); Lüb SB: "theol.hist. 8° 2211 "; St. Pet NB: ,,16.162.2.87"; Stu LB: "Theol. 8° 14100" Berlin 1735: Zwey geistreiche 11 Tractätlein, 111. Daß güldene Hauß der Weißheit GOt= 11 tes: von den gros sen 11 Gnaden = Gütern, 11 und dem 11 Creutz der 11 Christen. 11 ll. 11 Eine Anleitung zum 11 Christlichen Leben. 11 Aufs neue zum Druck befordert 11 Von 11 Einem Liebhaber 11 allgemeiner Erbauung. 11 Berlin, druckts Samuel König. 1735 11 St. Pet NB: ,,15.l5.7/33" Lauban 1743: Carl Friedrich von Zaionscheck, Einfältige und evangelische Wahrheiten aus den Schriften einiger alten berühmten Theologen gesammelt, Lauban (Wirthgen) 1743. (Nachweis im GV. Vgl. Cosack, Asketische Literatur, 91f.: Auszüge aus Praetoriusschriften in 22 Kap. nach der GS) Berl SB: "Et 3010" (nicht mehr nachweisbar) um 1750: Der kleine 11 Stephanus Praetorius, 11 oder einige saftige Stellen 11 aus dieses theuren Mannes 11 Evangelischen Schriften, 11 vor 11 bekümmerte Herzen. 11 (o.O.u.J., um 1750), 12 S. Halle FrSt: ,,182 L 46a"; ,,90 B 147" um 1760 M. Steph. Praetorii 11 Weyl. Evang. Predigers zu Saltz= 11 wedel in der alten Marck, 11 Zwey vortreffliche 11 Tractätlein, 11 Eines 11 vom Reiche Gottes, 11 das Andre, 11 vom 11
319
Frieden GOttes, 11 Allen denen 11 So bey itzigen bedrängten Zeiten, 11 gerne 11 Reich in GOTT 11 werden, 11 und dabey 11 Ein gutes fröliches Hertz 11 haben möchten, 11 Aus Liebe mitgetheilt 11 von 11 Einem Liebhaber des Evan= 11 gelii von unsrer Seeligkeit. 11 LOEBAU, 11 Gedruckt bey Ehlerdt Henning 11 Reimers. 11 (Löbau, o.J., um 1760), 108 S. Dres LB:,,3 A 9401"
4. Die deutschen Ausgaben der Geistlichen Schatzkammer Lüneburg 1625: Praetorius, Stephan: Kurtzer Auszug Oder Vortrab Der geistlichen Schatzkammer der Gläubigen ... zusammengetragen durch M. Martinum Statium, Lüneburg 1625. (Lüneburg: Johann und Heinrich Stern), 516 S., 8° (hsI. auf Vorderdeckel innen und auf der Rückseite des Titelblattes: Friedrich Schecke, 1890 (in Lüneburg) (Lün SB: "Th 429" durch Brand vernichtet) Lüneburg 1636: Geistliche 11 Schatzkam= 11 mer der Gläubigen! 11 Jn welcher 11 Die Lehre vom wahren Glaub= 11 ben! Gerechtigkeit! Seligkeit! Maje= 11 stät! Herrligkeit! Christlichem Leben vnd 11 heylsamen Creutze der Kinder 11 Gottes/li Anfänglich vor 50. vnd mehr 11 Jahren von M. Stephano Praetorio, wei= 11 land Pastorn zu Saltzwedell stückweiß an den 11 Tag gegeben! vnd Anno 1622. zusammen gesucht! 11 vnd zum Druck verordnet! mit einer 11 Vorred 11 Herrn Johann Arndten! weiland 11 FürstI. Braun. Lüneb. weitberümten Ge= 11 neral Superintendentern. 11 Nunmehr mit sonderm Fleiß in richtige Ord= 11 nung gebracht! von 11 M. MARTlNO STATIO Pre= 11 digern zu S. Joh. in Dantzig/ 11 Luc. 17. 11 Das Reich Gottes ist inwendig in euch. 11 LÜlleburg/ 11 Gedruckt vnd verlegt bey Johann 11 vnd Heinrich Stern Buchf. 1636. 11 (Lüneburg: Johann und Heinrich Stern) [38] BI. incI. Frontispiz u. Kupfert., 715 [5] S., 12° Bran KB: "A V/122"; Halle VB: "Im 1288"; Kiel VB: "Ca 1060 -1-" und "Ca 1060 2-" bzw. ,,15the 917"; Leipz VB: "Pr. u. Erb. lit. 1797", "Althaus 134"; Oslo VB: "D 267"; St. Pet NB: ,,17a.8.9.16" LÜDeburg 1642: (Cosack, Asketische Literatur, 73: nicht nachweisbar) Lüneburg 1644: (LÜDeburg 1644: Johann und Heinrich Stern) [38] BI. incI. Frontispiz u. Kupfert., 715 [5] S., 12°: Ausgabe identisch mit Lüneburg 1636 Greif VB: "Fv 55"; Posen VB: "S.D. 4459 I"; Wf: ,,1225.5 TheoI."; Zeitz SB; Jena 1645: 11 ... IIAuff Vnkosten etlicher frommer Christen 11 Jm Jahr 1645. 11 (Jena: Ernst Steinmann) [30] BI., 715 [5] S., 12°, Titelkupfer: Ausgabe identisch mit Lüneburg 1636 Cob LB: "Cas A 2482"; Greif VB: "Fv 55"; Halle FrSt: ,,25 J 23"; Marb VB: "XIX c C 763m"; Rost UB: "Fm 3493"; Stett SB: "XVII 3964.1"; Tall NB: "RN 2712" (kein Titelblatt mehr vh.); Wf: "Te 981" Arnstadt 1649: STATIVS CONTINUATUS.
320
11
Das ist! 11 Geistliche Schatzkammer 11 der Gläubigen! 11
Jn welcher 11 Die Lehre von wahrem Glauben/ Gerechtig= 11 keit! Seligkeit! Majestät! Herrligkeit! Christlichen 11 Leben! Heylsamen Creutz der Kinder 11 GOTTES ... Anjetzo 11 Wieder auffs Newe in diesem grössern Format auffgelegtl Gott 11 zu Ehren! dem Nechsten zu Nutz und Trost! dem Teuffel zum Abbruch und Trutz/li mit einer Praefation und Continuation über alle Sieben Bü= 11 cher zur Täglichen meditation 11 Von 11 Samuel Steinern! p.t. Fürstl. Sächs. Ampt= 11 Schössern zu Salfeldt! Liebhabern GOTTES wahren Worts. 11 Gedruckt zu Amstadt bey Peter Schmiden!11 Anno CHristi 164911 (Arnstadt: Peter Schmid) Berl SB: "Es 7316.4" (Kriegsverlust); Braun PS: "L 89"; Dar LB: "W 3013"; Dres LB: "Theol. ev. asc. 606"; Gotha FB: "Th 1977"; Ulm SB: "Smr 281" Lüneburg 1652: (Lüneburg: Stern), [32] Blatt, 664 [6] S., 12° (Co sack, Asketische Literatur, 73: war bisher nicht nachweisbar) Hamb UB: "AI 258446"; Stett SB: "XVII 4118.I"; Ulm SB: "Smr 714" Lüneburg 1666: Lüneburg/ 11 Gedruckt und verlegt durch Johann 11 und Heinrich Stern SeI. hinterlas= 11 sene Erben. 11 Jm Jahr Christi M. DC. LXVI. 11 (Lüneburg: Stern) [6] ungez. BI., 772 S., 2 BI., 1 Kupfert., I Titelkupfer, 12°. Erweiterungen durch kleine, in den Text eingerückte Randbemerkungen Cob LB: "Sche 177"; Dres LB: ,,4 A 6911"; Han LB: "T-A 5979" (Vorbesitzer: Gerardus, Abbas Luccensis, hsl. Randbemerkungen) Lüneburg 1687: (Lüneburg: Stern) XVI S., 664 [6] S., 8° Graz UB; Kop UB: ,,92.279" (0.0. 1636 oder 90er Jahre) Halle FrSt: ,,26 H 18" (fehlendes Titelblatt)
Lüneburg 1699: (Lüneburg: Stern) XII S. [5] BI., 664 [6] S., Titelkupfer, 12° Halle FrSt: ,,27 H 12"; Halle UB: ,,34 B 3/ k,2"; Kiel UB: "Ca 1558"; Paris BN (nach CBN): "D2.; 0195"; Rost UB: "Fm 3098" Lüneburg 1721: (Lüneburg: Stern), 24° Halle UB: ,,47 15/d,18"; Yale UB. (nach NUC): "La61 575P" Lüneburg 1733: (Lüneburg: Cornelius Johann Stern), 8° Braun SB: ,,128/656"; Kop UB: ,,92.279"; Rost UB: "Fm 3747" Prentzlau und Leipzig 1750: Geistliche Schatz-Kammer der Glaeubigen ... , Prentzlau und Leipzig 1750. (Prentzlau und Leipzig: Chr. Ragoczy), [7] BI., 936 [4 BI.] S., Titelkupfer Dres LB: "Theol. ev. asc. 1558"; Odense UB: ,,159.9" Frankfurt und Leipzig 1758: (Frankfurt und Leipzig: Friedrich August Hartwig), [6] BI., 804 S., Frontisp., 8° Danz SB: "XX B.o.l102"; Halle FrSt: ,,14 J 11"; Stanfd. Univ.: "BV 4834.P7.1758"
321
Lüneburg 1766: Stu LB: "Theol. 8°.14105" Reutlingen 1807: Geistliche 11 Schatzkammer 11 der Glaubigen, 11 Jn welcher 11 ... Vierte Auflage. 11 Reutlingen, 1807.11 bei Johannes Grözinger, und 11 J.J. Mäcken, dem JÜngern.1I (Reutlingen: Johannes Grözinger und J.J. Mäcken, d.J.) Marb VB: "X 89/2416"; Mü SB: "Ase. 5468 w"; Stu LB: "RB 7358" Reutlingen 1827: Geistliche 11 Schatzkammer der Glaubigen, 11 in welcher die Lehre vom wahren Glauben, Gerechtigkeit, Selig= 11 keit, Majestät, Herrlichkeit, christlichem Leben, 11 und heilsamen Creuz der Kinder Gottes etc. 11 Anfänglich von 11 M. Stephan Prätorius, 11 weiland Pastor zu Salzwedel, 11 Stückweise an den Tag gegeben, 11 und Anno 1622 11 von Herrn Johann Arndt 11 zusammengesuchet und zum Druck verordnet. 11 Nunmehro mit besonderem Fleiß in richtige 11 Ordnung gebracht, 11 von M. Martin Statius, 11 Prediger zu St. Johannis in Danzig. 11 Fünfte Auflage. 11 Reutlingen, 11 in der J. J. Mäcken'schen Buchhandlung. 11 1827.11 (Reutlingen: J.J. Mäcken) Abo AB: "Teol."; Bas VB: "Kirch. BibI. 151"; Dres LB: "Theol. ev. asc. 1558 h"; Loccum KB: "Pract. 4197"; Mich UB (nach NUC): "BV 4503.P89.1827"; Stu LB: "Theol. 8° 14106"; Stu OKR: ,,4790"; Tüb StB: ,,7608" Elberfeld 1833: (Elberfeld: Wilhelm Hassei), 5. Aufl. Bonn VB: "Gm 235"; Leipz VB: "Pr. u. Erb. lit. 1797 c" Stuttgart 1848: Geistliche 11 Schatzkammer 11 der Glaubigen, 11 .. 11 Nach der Lüneburger Ausgabe von 1636 neu aufgelegt und 11 mit einigen geschichtlichen Nachrichten über Verfasser und 11 Buch, so wie mit Winken über den rechten Gebrauch und Mißbrauch des Buches begleitet 11 von 11 J. H. Staudt, 11 Pfarrer in KornthaI. 11 Stuttgart. 11 Druck und Verlag der Chr. Belser'schen Buchhandlung. 11 1848.11 (Stuttgart: Chr. Belser) 528 S., 8° Celle KB: "unbek. Sign."; Greif VB: "Fv 55"; Hamb KB; Mainz VB: "Aa 3363"; Oslo UB: "D 208"; Phil TS (nach NUC); Privatbesitz; Rost UB: "Fm 3747 (a)"; Stu LB: "Theol. 8° 14107"; Stu OKR: "A 11/ 1902"; Tüb StB: ,,17602"; Wf: "Th 2073"; Witt PS: "lLJVi 54" Stuttgart 1869: Geistliche 11 Schatzkammer der Gläubigen 11 von M. Stephan Prätorius, 11 weil. Pastor zu Salzwedel, 11 wieder herausgegeben 11 von 11 Johann Arndt, 11 Verfasser des wahren Christenthums, 11 mit besonderem Fleiß in richtige Ordnung gebracht 11 von 11 M. Martin Statius, 11 Prediger zu St. Johannis in Danzig, 11 nach der Lüneburger Ausgabe von 1636 neu aufgelegt, mit 11 biographischen, in dieser zweiten Auflage sehr vermehrten, 11 Notizen, besonders einem Sendschreiben an Geistliche und 11 Winken über den rechten Gebrauch des Buches, begleitet 11 von 11 J. H. Staudt, 11 Pfarrer in KornthaI. 11 Zweite Auflage. 11 Stuttgart. 11 Druck und Verlag der Chr. Belser'schen Verlagshandlung.111869.11 (Stuttgart: Chr. Belser) Arhus SB: "Opb 11"; Bethel KB: "Ef 192"; Chicago UB (nach NUC): "BV 4503.P885"; Dres LB: "Theol. ev. asc. 1558 i"; Herm MB: "M 2808"; Naumb KB.
322
5. Die fremdsprachigen Ausgaben der Geistlichen Schatzkammer
5.1 Dänemark Kopenhagen 1750: De Troendes 11 aandelige 11 Skat-Kammer/li Hvori 11 Den Laerdom om Guds Borns 11 sande Troe/ Retfaerdighed/ Salig = 11 hedl Majestaetl Herlighed/ Christelige 11 Levnet og salige Kors/ etc.11 Forst stykke-viis udgiven afM. Ste-II phano Praetorio, Praest til Saltzwedel, 11 Og af Johann Arndt samlet og til Tryk = 11 ken befordret 1622. 11 Siden med besynderlig Flid bragt i rigtig Orden 11 afll M. MARTINO STATIO, 11 Praest til St. Joh. Menighed i Dantzig, 11 Og nu 11 for sin saerdeles Evangeliske Sodheds Skyld, 11 oversat paa Dansk 11 til alle torftige og traengende Sieles Nytte. 11 Kiobenhavn 1750 11 trykt hos Andreas Hartvig Godiche.11 Kop UB: ,,5-159-8°"; Oslo VB: "D 268"; Stu LB: "Theol. 8° 14108" Kopenhagen 1757: 2. Aufl. Kop TS: "Un Daki V f2"; Kop VB: ,,5-159-8°" Kopenhagen 1763: 3. Aufl. Arhus SB: "Opb 4"; Göteb VB; Kop UB: ,,5-159-8°"; Oslo VB. Kopenhagen 1846: 4. Aufl. Arhus SB: "Opb 4"; Bergen VB; Kop VB: ,,5-159-8°" Odense 1864: 6. Aufl. Arhus SB: "Opb 4"; Kop VB: ,,5-159-8°" Odense 1869: 7. Aufl. Arhus SB: "Opb 4"; Bergen VB: D 2427; Kop UB: ,,5-159-8°" Odense 1875: 8. Aufl. Arhus SB: "Opb 4"; Kop VB: ,,5-159-8°"; Odense UB: ,,69-10586" Kopenhagen 1916: 9. Aufl. Arhus SB: "Opb 4"; Kop UB: ,,5-186-8°"
5.2 Norwegen Christiania (= Oslo) 1866: De Troendes 11 aandelige Skatkammer, 11 af 11 Mag. Stephan Prätorius, 11 Praest i Salzwedel. 11 Udgivet 11 af 11 Mag. Martinus Statius, 11 Praest til St. Johannes Kirke i Danzig. 11 Oversat fra Tydsk.1I Christiania, 1866.11 Paa A. Gröndahls Forlag, 11 trykt i hans offiein. 11 Stav MB: "DB: PT 92 Pr" Oslo 1933: Stephan Praetorius, De troendes andelige skattkammer. Ved mag. Martinus Statius, i forkortet utgave ved sogneprest Gunnar Dehli. Oslo 1933. Oslo VB: "p34:3165"; Stav MB: "PT 92 Pr"
323
5.3 Schweden-Finnland (schwedische Übersetzung) Göteborg 1664: The Trognas 11 Andeliga Skatt= 11 kammarl 11 Aff 11 Then i Gudi Höglärde och Anderijke Man! 11 M. Stephano Praetorio, fordom Predij= 11 kant vthi Soltwedell Gudeligen 11 sammandragen/ 11 Hwar vthi Läran om Gudz Barnas 11 Trool Rättferdigheet/ Saligheet/ Majestet/ här= IIligheet/ Christliga Lefweme och helsosamma 11 Korsl Trösterijke författas och beskrifwes. 11 Nu aHorn Gudfruchtigoml trognom 11 Christnoml som vthi thessa sidsta Werldzens fahr= 11 liga Tijderl vnder sä mänga inwärtes och vth= 11 wärtes swara plagor och Anfachtningar lefwa/ til syn= 11 nerligh Tröst och Vnderwijsning om sin stora Sa= IIligheet vthi Christo JEsu. 11 Vthtolckat pa Swenska/ aff 11 M. Arvido Tidero, Pastore vthi Wec= 11 kelsängl och Proest öfwer Kongahäradt 11 i Smaland.11 Apoc 3,11. Säger Christus: 11 Sijllagh kommer snarliga/ halt thet tu hafwerl at ingen tager 11 tina Krono bort.1I Götheborgl 11 Tryckt aff Amund Grefwel Ahr 1664.11 Stock KB: "Sv. Sam!. Teo!. Uppbygg. F 1700/1179" ; Upps VB: "Sv. Teo!. Sam!.bd. 28:811 " Stockholm 1774: De Trognas 11 Andelige 11 Skatt=Kammare, 11 Hwaruti Läran 11 Om Guds Barns sanna Tro, 11 Rättfärdighet, Salighet, Majestät, 11 Härlighet, Christeliga Lefweme 11 och hälsosamma Kors etc. 11 trösterikt beskrfwes; 11 Först Stycke=wis utgifwen af 11 Mag. Stephan Prätorius, 11 Präst i Saltzwedel, 11 Samt sedan, genom detta Utdrag, i större ordning bragt 11 af 11 Martin Statius 11 Präst wid St. Johannis Församlig i Dantzig. 11 Pa Svenska utgifwen ar 1664, och nu, wid Andra 11 Uplagan, ansenligen förbättrad, och tillökt med 11 Författarens Lefnads=Lopp. 11 Förre Delen. 11 Med Hans Kong!. Maj:ts AHemädigsta Privilegio. 11 Stockholm, 11 Tryckt hos Anders Jac. Nordström 1774. 11 Pa des eget Förlag.1I Abo AB: "II c 1 (1)"; Göteb UB; Greif VB: "Fv 55"; Hel VB: ,,799. VII."; Stock KB: "Sv. Sam!. teo!. Uppbygg. 1774/75"; Upps VB: "Sv. Teo!. 28:284" Stockholm 1836: 3. Aufl. (Rumstedt) Göteb UB: "Gv. 40/897" ; Stock KB: "Sv. Sam!. teo!. Uppbygg. 1836"; Upps VB: "Sv. Teo!. Uppb.-skr." Stockholm 1848: 4. Aufl. (Zacharias Haeggström) Abo AB: ,,11 c I (2)" ; Göteb UB; Hel UB, Theo!. Fak.; Stock KB: "Sv. Sam!. teo!. Uppbygg."; Upps VB: "Sv. Teo!. Uppb.-skr." Stockholm 1850: 5. Aufl. (Zacharias Haeggström) Göteb VB; Stock KB: "Sv. Sam!. teo!. Uppbygg."; Upps UB: "Sv. Teo!. Uppb.-skr." Stockholm 1862: 6. Aufl. (Zacharias Haeggström) Abo AB; Göteb VB; Stock KB: "Sv. Sam!. teo!. Uppbygg."; Upps VB: "Sv. Teo!. Uppb.-skr." Carlshamn 1865: (J.M Stenbeck) Stock KB: "Sv. Sam!. teo!. Uppbygg."; Upps VB: "Sv. Teo!. Uppb.-skr." Lönsboda 1979 (Nachdr. d. Aufl. v. 1865) Satten och pärlan. Kristliga betraktelser. Samlade aav Stephan Praetorius, Johann Amdt och Martin Statius. Rev. upp!. av 1865 ars svenska utgava, Lönsboda 1979.
324
5.4 Weitere schwedische Übersetzungen von Auszügen aus der Geistlichen Schatzkammer Wästeras 1782: MAG. STEPH. PRAETORII, 11 Fordom Pastor i Soltwedel, 11 Den Himmelska Wisheten; 11 Uti 11 Gudeliga Betraktelser 11 Innehallande 11 Atskilliga til en sann Christendoms 11 bade kunskap och utöfning 11 hörande Stycken. 11 Pa Swenska öfwersatte af en obekant Författare. 11 Wästeras, 11 Tryckt hos JOHAN LAUR. HORRN, pa deß 11 bekostnad, ar 1782. 11 Göteb UB; GreifUB: "Fv 145"; Stock KB: "Sv. Saml. teol. Vppbygg. 1851"; Vpps UB: "Sv. Teol. 87:62" Söderhamn 1851: 2. Aufl. (J. Hamberg) Pa Swenska öfwersatte af en Swensk Medborgare under deß 11 krigsfangenskap i SolikamskLIl Ny Vpplaga.11 Söderhamn, 11 Tryckt hos J. Hamberg, 185111 Göteb VB; Stock KB: "Sv. Saml. teol. Vppbygg. 1851"; Stockholm 1868: (Albert Bonniers) Doktor Stefan Praetorii 11 Lilla Skattkammare. 11 Tänkesprak rör hvar dag i aret, 11 utvalde och ordnade 11 afll S. G. NYGREN.II Stockholm.1I Albert Bonniers förlag.1I Göteb VB; Stock KB: "Sv. Saml. teol. Vppbygg."
5.5 Finnland (schwedische Übersetzung) Helsinki 1892: De Trognas 11 Andliga Skattkammare 11 af 11 Stefan Prätorius, 11 Pastor i Salzwedel. 11 Ater utgifwen 11 af Johan Arndt, 11 samt i större ordning bragt 11 af 11 Martin Statius, 11 Ny swensk öfwersättning. 11 Pa Lutherska Evangelisföreningens förlag.11 Abo AB: ,,11 cl"; "Teol. fak."; Hel UB: "V 13369"; Stock KB: "Sv. Saml. teol. Vppbygg.1851" Helsinki 1907: 2. Aufl. Hel UB: "MfB 4747" Helsinki 1925: 3. Aufl. Hel VB: "Mf B 4747"; Stock KB: "Sv. Saml. teol. Vppbygg."; Vpps VB: "Sv. Teol. Vppb.-skr."
5.6 Finnland (finnische Übersetzung) 5.6.1 Übersetzung Gustav Dahlberg (5 Ausgaben von 1852-1900) Turku 1852: 1. Ausg. Vskowaisten 11 Hengellinen 11 Aarre-Aitta, 11 jossa oppi 11 Jumalan lasten oikeasta Vskosta, wanhurs= 11 kaudesta, autuudesta, Majesteetistä, 11 kunniasta, kristilliseställ elämästä 11 ja terweellisestä rististä, 11 y. m. lohdullisesti kirjoitetaan; 11 ensin kappalittain ulosannettu 11 Mag. Stefan Prätoriukselta, 11 ... 11 ja sitten, tällä lyhyellä käsityksellä, suu= 11 rempaanjärjestykseen sowitettu 11 Martin Statiukselta, 11 ja nyt wihdoin 11 Suomalaisten hyödyksi 11 Ruotsista suomennettu. 11 Edellinen Osa. 11 Turussa, 1852·11 J. W. Lillja & Co. kirjapainossa. 11 Omalla kustannuksella. 11 Abo AB: ,,11 cl (1)"; Hel UB: "MfB 4756/4757"
325
Turku 1870-1873: 2. Ausg. Hel UB: "MfB 4760" Turku 1876: 3. Ausg. Uskovaisten hengellinen aare-aitta ... ja nyt vihdoin suomalasten hyödyksi ruotsis ta suomenkielin kääni G. D[ahlberg], Turussa 1876. Abo AB: ,,11 c 1 (2)"; Hel UB: ohne Sign. Turku 1888-1891: 4. Ausg. Abo AB: ,,11 c 1 (2)"; Hel UB: "MfB 4758/4759" Turku 1900: 5. Ausg. Hel UB: "MfB 4760"
5.6.2 Andere Übersetzung (2 Ausgaben 1900-1912) Hämeenlinnassa 1900: Uskovaisten hengellinen aarre-aitta, ... J.H. Staudfin toimittamasta toisesta saksankielisestä painoksesta suom. J. Säilä. Hämeenlinnassa 1900 Hel UB: "MfB 4760"
5.6.3 Dritte Übersetzung der Stuttgarter Staudt-Ausgabe von 1869 (5 Ausgaben von 1900-1957) Helsinki 1900: Uskowaisten 11 Hengellinen Aarre-aitta. 11 Kirjoittanut 11 Stefan Prätorius, 11 Pappi Salzwedelissä. 11 Johan Arndtin ja Martin Statiuksen 11 toimittamasta painoksesta 11 Uudestaan suomennettu. 11 Helsingissä 1900 11 Suomen Lutherilaisen EwankeliumiYhdistyksen kustantama. 11 Abo AB: ,,11 cl"; Hel UB: "MfB 4761" Tampere 1904: 1. Ausgabe Helsinki 1925: 2. Ausg. Helsinki 1946: 3. Ausg. Hel UB: "MfB 4761" Helsinki 1957: 4. Ausg. Uskovaisten hengellinen aarreaitta. Kirjoittanut Stefan Prätorius Salzwedelin pappi. Johan Arndtinja Martin Statiuksen toimittamasta painoksesta uudestaan suomennettu. Abo AB: ,,11 c 1 (3)"; Hel UB: "MfB 4761" Vaasa 1986: (Nachdruck der 4. Ausg. Helsinki 1957) Uskovaisten hengellinen aarreaitta. Kirjoittanut Stefan Prätorius Salzwedelin pappi. Johan Arndtin ja Martin Statiuksen toimittamasta painoksesta uudestaan suomennettu. (Suomen luterilaisen evangkeliumiyhdistyksen kustantama). Abo AB; Hel UB; BibI. d. Theol. Fak.: "Varasto P/2"
5.7 Litauen Dwasiszka Skarbu Kamarra ... nu M. Martino Sztataus. Klaipedoj F.W. Horst 1845 Berl SB: "Es 7320 8°" (Kriegsverlust)
326
III. Literaturverzeichnis 1. Quellen Ammersbach, Heinrich: APOLOGIA 11 oder Ehren=Rettung 11 Der beyden getreuen Lehrer/li STEPHANI PRAE- 11 TORII 11 und MART. STATII, 11 Wider die so genannte Christliche Warnung GEORG. CONRADI 11 DILFELDS, 11 aufgesetzet und heraus gegeben 11 von 11 HENRICO Ammersbach! 11 P.P.P. Halberstatt. 1677. 11 (Halberstadt 1677, 8°). Andreae, Johann Valentin: JOHANN. VALENTINI ANDREAE 11 MENIPPUS, 11 Sive 11 DIALOGORUM 11 SATYRICORUM 11 CENTURIA 11 INANITATUM NOSTRATUM 11 SECULUM. 11 Cum Auctario, 11 Praefatione nova, et Rerum Indice, denuo edit. cura ac sumtibus 11 M. GODOFREDI PRENZLOVII, 11 Pastoris Ecclesiae Wildbergensis. 11 COLONIAE BRANDENBURGICAE, 11 Ex Officina Georgi Schultz, 11 Electoral. Typogr. 1676 Arndt, Johann: Sechs Bücher vom wahren Christentum nebst dessen Paradies-Gärtlein, Neue Stereotyp-Ausgabe, Stuttgart 1905, Nachdruck Bielefeld 1991. Arnold, Gottfried: Gottfrid Amolds 11 Historie und beschreibung 11 Der 11 Mystischen 11 Theologie/li oder 11 geheimen Gottes Gelehrtheit! 11 wie auch 11 derer alten und neuen 11 MYSTICORVM. 11 (Frankfurt a.M. 1703) Göttliche Liebes=Funcken! Aus dem Grossen Feuer Der Liebe Gottes in Christo JESU entsprungen und gesammelt von Gottfried Amold, Frankfurt am Mayn 1698. -: Unpartheyische 11 Kirchen= und Ketzer= 11 Historie, 11 Vom Anfang des Neuen Testaments 11 Biß auf das Jahr Christi 1688.11 (FrankfurtlM. 1729) Balthasar, Jacob Hinrich: Sammlung einiger zur pommerischen Kirchen-Historie gehörigen Schriften, Bd. 1-2, Greifswald 1723-1725. Baumgarten, Siegmund Jacob: Geschichte der Religionspartheyen, hg. v. Johann Salomon Semler, Halle 1766 (reprografischer Nachdruck Hildesheim 1966). Bericht vom Bedencken auff das erste concept der Apologia des Christlichen Concordienbuches/ so vnter etlicher Mechelbürgischen Theologen namen newlich durch den Druck auszgesprengt ist, Rostock 1584. Bernardus Claravallensis: Opera omnia, Basileae 1566. Sancti Bernardi opera, Vol. 1-8, hg. v. J. Leclerq/ C.H. Talbot! H.M. Rochais, Rom 1957-1977. Besold, Christoph: CHRISTO= 11 PHORI BE- 11 soldi, 11 De Nuptiis 11 JURIDICOPOLI-II TICUS 11 discursus.1I Tübingen 162l. Beza, Theodor: In Canticum Canticorum Solomonis homiliae, Genf 1587 (Gardy, Bibliographie Nr. 361). Bock, Hieronymus: Kreütterbuch, darin unterscheidt Namen und Würckung der Kreütter ... so in Teutschen Landen wachsen, Straßburg 1539. Bogatzky, Carl Heinrich von: Tägliches 11 Haus= Buch 11 Der Kinder GOttes, 11 Bestehend 11 In erbaulichen Betrachtungen und Gebeten 11 Auf alle Tag des gantzen Jahres, 11 Ueber die 11 Im goldnen Schatz= Kästlein befindliche biblische Sprüche. 11 Mit nöthigen Registern und einer Vorrede 11 herausgegeben 11 von 11 Dem Verfasser des gedachten güldnen Schatz= Kästleins 11 Carl Heinrich von Bogatzky. 11 erster
327
Theil. 11 HALLE, im Verlag des Waysenhauses, 1748. 11 Böhme, Jacob: Sämtliche Schriften, Bd. 1-11, hg. v. Will-Erich Peuckert, Neudruck Stuttgart 1955-1960. Breckling, Friedrich: CHRISTUS TRIUMPHANS 11 Sub Cruce, Infirmitate, Stultitia, Humili- 11 tate, mansuetudine, Simplicitate & Patien- 11 tia in Confusionem omnis mundanae Gloriae, ... 11 Durch 11 Fridericum Brecklingium aus Holstein! 11 ... 11 AmsterdarnJ gedruckt im Jahr 1661.11 (Amsterdam 1661) Modus Catechezandi. 11 EInfältige Art und Weise wie man den kleinen Catechismum 11 Lutheri den Kindern und jungen Leuten 11 recht vorkäwen! und lebendig ins Hertz 11 schreiben und pflantzen soll. 11 ... 11 An stat einer kleinen Bibel für die einfältige und unmündige Kinder GOTTes/li auß Gottes Wort und eigener 11 Erfahrung auffgesetzet! 11 von 11 FRIDERICUS BRECKLINGIUS. 11 ... 11 Jn Amsterdaml gedruckt bey Christoffel 11 Cunradus, Buchdrücker/ im Jahr 1662. 11 (Amsterdam 1662) SPECULUM 11 seu 11 Lapis Lydius Pastorum: 11 Darinnen alle Prediger 11 und Lehrer dieser letzten Welt sich 11 beschawen! und nach dem Gewissen! als für 11 ... 11 Denen Frommen! und die sich von dem Geist 11 ... vor Au= 11 gen gestellet! durch 11 M. Fridericum Brecklingium, 11 ... 11 AmsterdarnJ 11 Gedruckt vor den Autor, Anno 1660. 11 (Amsterdam 1660) Brenz, Johannes: Hiob cum piis et eruditis commentariis, 1527. Brunfels, Otto: Herbarum vivae eicones ad naturae imitationem summa cum diligentia et artificio effigatae, Straßburg 1530-1536. Buchholtz, Samuel: Versuch einer Geschichte der Churmarck Brandenburg von der ersten Erscheinung der deutschen Sennonen an bis auf jetzige Zeit.Dritter Theil: neue Geschichte, Berlin 1767. Bugenhagen, Johannes: Joannis Bugenhagii Pomerani in librum Psalmorum interpretatio, Wittembergae publice lecta. Denuo iam ab ipso autore magna diligentia et labore recognita et multis locis emendata. Cum indice, Basel 1524. Calov, Abraham: ABRAHAM CALOVI, D. 11 ... 11 SYSTEMATIS 11 LOCORUM THEOLOGICORUM, 11 ..• DOCTRlNAM, PRAXIN, 11 ET CONTROVERSIARUM FIDEl, 11 ... WITTEBERGAE, 11 Excudebat CHRISTIANUS SCHRÖDTERUS.II Anno M DC LXXVII. 11 (Wittenberg 1677) Chytraeus, David: Catechesis in Academia Rostochiana ex praelectionibus Davidis Chytraei collecta, Rostock 1554. Chronologia Historiae Herodoti, et Thukydidis, Rostock 1562. Commentarius in Matthaeum Evangelistam, ex praelectionibus Davidis Chytraei ... in Academia Rostochiana collectus, Wittenberg 1560. -: Davidis Chytraei Theologi ac Historici eminentissimi, Rostochiana in academia Proffessoris quondam primarii Epistolae; ... Nun demum in lucem editae a Davide Chytraeo Authoris filio, Hanoviae ... MDCXIV. (Hanau 1614) -: De morte et vita aeterna, Wittenberg 1581. -: De ratione discendi et ordine studiorum in singulis artibus recte instituendo, Wittenberg 1567. Dispositio epistolarum, quae diebus dominicis et aliis, in ecclesia, usitate populo proponi solent, tradita a Davide Chytraeo, Wittenberg 1566. Explicatio Apocalypsis Johannis perspicua et brevis, Wittenberg 1563. Explicatio Michae etNahumi Prophetarum, Wittenberg 1565.
328
-: In Exodum enarratio tradita a Davide Chytraeo, Wittenberg 1561. -: In Genesin enarratio, tradita Rostochii, ut ad lectionem Textus Bibliorum auditores invitarentur, Wittenberg 1557. Oratio de studio theologiae recte inchoando, Wittenberg 1560. Oratio de studio theologiae, exercitiis verae pietatis et virtutis potius quam contentionibus et rixis disputationum colendo, Wittenberg 158l. -: Orationes. Nunc demum in lucem editae a Davide Chytraeo, Authoris filio, Hanoviae 1614. (Hanau 1614) -: Regulae studiorum, seu de ratione et ordine discendi in praecipuis artibus, recte instituendo, Jena 1593. Regulae vitae. Virtutum omnium methodicae descriptiones in Academia Rostochiana propositae a Davide Chytraeo ... Wittenberg 1555. Sententiae Jesu Syracidae, addita explicatione Davidis Chytraei, Wittenberg 1566. Dannhauer, Johann Conrad: Hodosophia christiana seu theologia positiva, Straßburg 21666. Dilfeld, Conrad Georg: Christliche und Amptsschuldige 11 treugemeinte 11 Warnung 11 Für denen! in der so genandten geistlichen 11 Schatzkammer der Gläubigen 11 Prätorio Statij 11 Enthaltenen! und unter Christi/ Pauli/ 11 und Lutheri fälschlich angeführten Sprü= 11 chen und Zeugnüssen! meistentheils 11 verdeckten 11 gefährlichen Irrthumen und 11 Schwermereyen! 11 Auffgesetzet und zum Druck übergeben 11 von GEORGIO CONRADO Dilfeldtlll in der Hauptkirche zu S. Nicolai in Northausen 11 Predigern. 11 Helmstädtlll Gedruckt bey Heinrich David Müllern! Typogr. Academ. 11 Jm Jahr 1674. 11 (Helmstedt 1674,4°) -: Schwärmerische Vermessenheit und 11 offenbare Nichtigkeitlll Der 11 So genanten Apologie oder Ehrenrettungen 11 Der beyden vermeinten getreuen Lehrer/li STEPHANI PRAETORII 11 Und MARTlNI STATIllIM. HENRICI Ammersbachs/ 11 Predigern zu S. Petri und Pauli in 11 Halberstadtlll Fürgestellet und herauB gegeben 11 von 11 Georgio Conrado Dilfeld/ der PrimatKirchen 11 zu S. Nicolai Predigern in Northausen.11 Jm 1678. Jahr. 11 (0.0. 1678, 2BI., 76 S., 4°) Dioscurides, Pedacius: Kräuterbuch, Frankfurt a.M. 1610. Epithalamium 11 lN HONOREM 11 NVPTIARVM REVE= 11 RENDI VIRI ERVDITIONE ET PI= 11 etate praestantis D.M. Stephani Praetorij apud 11 Soltquellenses in nouo oppido Pastoris: & 11 pudicissimae virginis ELISABETHAE 11 BVMANS sponsae scri= 11 ptum, 11 A 11 NICOLAO GERICCO 11 Soltquellensi. 11 WITEBERGAE 11 EXCVDEBAT 10HANNES 11 CRATO, 11 ANNO M. D. LXXI. 11 (Wittenberg: Johannes Crato) Salzw KB: "Db 91 (20)" Dussler, Hildebrand: Johann Michael Feneberg und die Allgäuer Erweckungsbewegung. Ein kirchengeschichtlicher Beitrag aus den Quellen zur Heimatkunde des Allgäus, (EKGB 33), Nürnberg 1959. Elswich, Hermann von: M. 10. HERMANNI AB ELSWICH 11 ORDlN. PHILOS. lN ACAD. VITEMBERG. ASSESS. 11 ET S. THEOL. CAND. 11 DE 11 FANATICORVM 11 PALlNODIE 11 COMMENTATIO. 11 VVLGO 11 Von dem öffentlichen Wiederruff 11 der Schwärmer. 11 WITTENBERGAE SAXONUM, 11 Typis § Sumptibus 10. GODOFREDI MEYERI, 11 ANNO M D C C XV. 11 (Wittenberg 1715) Feiler, Joachim: MONUMENTORUM IIlNEDITORUM 11 V ARIISQVE LlNGVIS 11 CONSCRIPTORUM. 11 ... FASCICULI XII.... JOACHIMI FRIDERICI FELLERI ... JENAE, 11 Apud JO. FELICEM RIELCKIVM. 1718.11 (Jena 1718)
329
Francke, August Hermann: August Hermann Franckensl 11 ... 11 Erklärung 11 Der 11 Psalmen 11 Davids; 11 Erster Theil, 11 Mit einer Vorrede herausgegeben 11 Von Gotthilf August Francken, 11 ••• 11 HALLE, in Verlegung des Waysen=Hauses. MDCCXXX. 11 (Halle 1730) Lebensläufe August Hermann Franckes, hg. v. Markus Matthias, (Kleine Texte des Pietismus, Bd. 2), Leipzig1999. Predigten, Bd. 1, hg. v. Erhard Peschke (TGP II, 9). Berlin - New York 1987. Segens = volle Fußstapfen, des noch lebenden und waltenden liebreichen und getreuen GOttes, Zur Beschämung des Unglaubens und Stärckung des Glaubens, endecket durch eine wahrhafte und umständliche Nachricht von dem Waysen = Hause und übrigen Anstalten zu Glaucha vor Halle; Welche Jm Jahr 1701. zum Druck beflirdert, ietzo aber zum dritten mal ediret, und bis auf gegenwärtiges Jahr forgesetzet von August Hermann Francken, S. Theol. Prof. und Past. HALLE, in Verlegung des Waysen=Hauses, MDCCLX. (3. Aufl. Halle 1709) Werke in Auswahl, hg. v. Erhard Peschke, Berlin 1969. Freylinghausen, Johann Anastasius: Geistreiches 11 Gesang=Buch, 11 Den Kern alter und neuer 11 Lieder 11 •.• Herausgegeben 11 Von 11 JO. ANASTASIO Freylinghausen, 11 •.. 11 HALLE, In Verlegung des Waysenhauses, 1732. 11 (Halle 1732) Fuchs, Leonhart: Historia stirpium Commentarii insignes, Lyon 1551. -: Institutionum medicinae, Basel 1562. -: New Kreüterbuch in welchem nit allein die gantz histori ... beschriben, sonder auch aller derselben wurtzel ... in summa die gantze gestalt ... abgebildet und contrafayt ist, Basel 1543, Reprint München 1964. Fuhrmann, Augustin: Der Näheste und Kürtzeste, jedoch Warhaftige Weg, aus dem Fleisch und Eußern in den Geist und Innern Menschen und aus dem Geiste durch Christum zu Gott zu kommen. Für die Einfältigen und Anfahenden auff eine Kindliche Weise auffgesetzt von Augustin Fuhrmann. (o.O.u.J., ca.l636-39) Rettung der Alten Wahren Christlichen Catholisch-Evangelischen Religion, wider etliche Hinderungen, welche unter den Religions-Kriegen der Sathan unvermerckt gesäet. Aus Gottes Wort und Geist auffgesetzte durch Augustin Fuhrmann, Pfarrern zu Tscheplowitz in Schlesien und der Fürstlichen Schloß-Kirchen zum Brieg Diaconum (o.O.u.J., ca. 1636-39) Gerson, Johann: Opera omnia, hg. v. L.E. du Pin, Antwerpen 1706. Hahn, Philipp Matthäus: Die Kornwestheimer Tagebücher 1772-1777, hg. v. Martin Brecht und RudolfF. Paulus, BerliniNew York 1979, (TGP VIII,I). -: Die Kornwestheimer Tagebücher, hg. v. Martin Brecht, (TGP 8,1), Berlin - New York 1979. Hartknoch, Christoph: Preussische 11 Kirchen=Historiai 11 ... 11 Durch 11 M. CHRISTOPHORUM HartknochI 11 des Thornischen Gymnasii Professorem. 11 Franckfurt am Mayn und Leipzig! 11 In Verlegung Simon Beckensteinl Buchhändler in Dantzig.1I ANNO M DC LXXXVI.II (Frankfurt a.M. und Leipzig 1686) Heinsius, Martin: Kurtze Fragen aus der Kirchen=Historia des neuen Testaments, Nach der Methode Herrn Johann Hübners, biß auf gegenwärtige Zeit continuiret und mit vollständigem Register versehen. Sechster Theil, Jena 1727. Unpartheyische Kirchen=Historie Alten und Neuen Testaments, Von Erschaffung der Welt bis auf das Jahr nach Christi Geburt 1730 ... Anderer Teil, Jena 1735.
330
Kindervater, Johann Heinrich: NORDHVSA ILLYSTRIS 11 ... ausgefertiget/ von 11 M. Joh. Henr. Kindervatern! Kel- 11 brano, der Kirchen S. Blasii in Nord= 11 hausen Pastore &c. 11 Wolffenbüttel! 11 Verlegts Gotfried Freytag! Buchhändl. 1715. 11 (WolfenbütteI1715) Küster, Georg Gottfried: ACCESSIONES 11 AD 11 BIBLIOTHECAM BRAN= 11 DENBURGICAM ... Berlin 1768. Lau, Samuel: Die 11 Seligkeit 11 der 11 Gläubigen 11 Jn 11 Der Gemeinschaft 11 JESU CHristi/ 11 nach einigen besondern evangelischen Gnaden= 11 wohlthaten, und der daraus fliessenden gesegneten 11 Kraft zur Heiligung und Verleugnung, 11 erwogen! 11 Und nebst 11 Einer Vorrede/li Ob es zu dieser verderbten zeit sicher genug sey, das 11 Evangelium mehr als das Gesetz zu treiben! 11 Zum andern mal 11 mit Einem Anhange 11 dem Druck übergeben 11 von 11 Samuel Lau! 11 Hofpr. u. Cons.-Rath in Wernigerod. 11 WERNlGERODA, 11 Druckts und verlegts Michael Ant. Struck, 1737. 11 (Wernigerode 1737) Lehnemann, Johannes: Historische 11 Nachricht 11 von der 11 vormahis im sechzehenden Jahrhundert 11 berühmten 11 Evangelisch=Lutherischen 11 Kirche in Antorff, 11 und der 11 daraus entstandenen 11 Niederländischen Gemeinde 11 Augspurgischer Confession 11 in Franckfurt am Mayn! 11 aus beglaubten Urkunden mitgetheilet 11 von 11 Johannes Lehnemann. 11 Franckfurt am Mayn, 11 Bey Johann Friedrich Fleischer MDCCXXV. 11 (Frankfurt a.M. 1725) Leutwein, Christian Philipp: Gottliebs 11 Andächtiger Zufälle/li Zwey=Hundertili Oder Geistl. Gedancken und Reden bey 11 Betrachtung allerhand Göttlichen Ge= schöpffe/ und mancherley Kunst=Wercke/ 11 auch andern zufälligen Be= 11 gebenheiten! ... 11 Nürnberg 1690 Livius, Titus: Römische Geschichte, Buch XXXIX-XLI, Lateinisch und deutsch hg. v. Hans Jürgen Hillen, Darmstadt 1983. Luther, Martin: Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. Iff, Weimar 1883ff, Neudruck Graz 1966ff. Martyr, Petrus: De rebus oceanicis et novo orbe. Decades tres, Köln 1574. Mauritius, Caspar: Ad solennem Passionis dominicae memoriam sincera devotione recolendam et fugienda Bacchanalia, Rostock 1651. Meibom, Heinrich: CHRONICON RIDDAGSHUSENSE, Heinrich Meiboms Chronik des Klosters Riddagshausen 1145-1620, hg. v. Gottfried Zimmermann, Braunschweig 1983. Mengering, Amold: INFORMATORIUM 11 CONSClENTIAE EVANGELICUM. 11 Evangelisches 11 Gewissens = Recht/li Rath und Vnterricht/ll Wie man bey den ordentlichen Sontags= 11 Evangelien sein Gewissen also in acht nemen 11 und bewahren lerne/ daß man weder zur Rechten 11 noch zur Lincken im Christenthumb verstossen: sondern ein un= 11 verletztes Gewissen gegen Gott und Menschen behalten möge: 11 ••• 11 Gefasset und verfertiget 11 Durch 11 ARNOLDUM MENGERING, der H. 11 Schrifft Doctorn und Superintendenten der Kirchen 11 zu Halle in Sachsen. 11 Mit Churfürstl. Sächß. Privilegio 11 Gedruckt zu Leipzig! bey QVIRINO Bauchen! Jn Verlegung Otto Michaels.ll Jm Jahr M DC LIII.ll (Leipzig 1653) Scrutinium Conscientiae Catecheticum, 1651/52. Melanchthon, Philipp: Werke, Bd. 1-7/2, hg. v. Robert Stupperich, Gütersloh 195521983 (StA).
331
Milde, Heinrich: Die vor Augen gelegte Gnaden- und Heils-Schätze; das ist Kurtzer Auszug aus den seligen Herrn D. Philipp Jacob Speners edlen Büchlein, Lautere Milch des Evangelii genannt, Halle 1724. Moller, Johannes: Cirnbria literata, Bd. 1-3, Kopenhagen 1744. Mosheim, Johann Lorenz: 10. LAVR. MOSHEMII 11 ... 11 INSTITVTIONVM 11 HISTORIAE 11 ECCLESIASTICAE 11 ANTIQVAE ET RECENTIORIS 11 LIBRI QVATVOR 11 •.. 11 Helmstedt 1755 Müller, BenediktI Apitz, Bartholomäus: Etliche Brosamen Christlicher Glaubensnahrung, Frankfurt a.O. 1639. Nachrichten 11 von dem 11 Charakter 11 und der 11 Amtsführung 11 rechtschaffener 11 Prediger und Seelsorger. 11 Fünfter Band. 11 Halle im Magdeburgischen, 11 verlegt von Carl Hermann Hemmerde 111777.11 (Halle 1777) Neudorf, Moritz: Der Christen 11 PRIVILEGIA 11 Von GOtt/li Jn zwey Bücher gefasset: 11 Jn welchem Ersten gehandelt wird! 11 Wie Christus alle wahre Gläubigen 11 Ewig frey gemachet! von der Sünden vnnd allen 11 jhren Straffen: Vnd jhnen dargegen die ewige Se= 11 ligkeit sampt allen jhr zugehörigen stücken wi= 11 derbracht! vnd zum ewigen Erbe zu= 11 gleich mit dem Glauben 11 geschencket: 11 Mit nützlichen Meditationibus, als auch völliger 11 Beschreibung deß Menschlichen Elendts/ vnd Erleuterung deß höchsten Articuls Christlicher lehr 11 von ewiger Seligkeit: 11 Allen Christen! gelehrt vnd vngelehrtl hochnützlich. 11 Durch 11 MAURITIUM NEODORPIUM 11 Liebenwaldio-Marchicum .... Jn D. Palthenij 11 Buchladen in Franckfurt zu finden. 11 M. DC. Xll. 11 Der Christen Priuilegia 11 von GOtt/li Das 2. Buch. 11 Darinnen gehandelt wird: 11 Welcher gestalt 11 die erfrewung aller wahren 11 Gläubigen! von der Sünden vnnd 11 all jren Zornstraffen! ... Franckfurt ... 1611. (Frankfurt und Offenbach 1611-1612). -: Lutherus orthodoxus, 11 Oder 11 Hertzengrund 11 LUTHERI: 11 Das ist! 11 Die wahre/ alte/ bestendige 11 lehre des thewren manns Gottes/li und da= 11 pfern Christenhelden D. Martini Lutheri: wie sie nem= 11 lieh in der gantzen heiligen prophetischen und apostoli= 11 sehen schrift dermassen gegründet! daß sie unanstös= 11 sig! ewig veste und richtig ist! auch stehen! bleiben und 11 überwinden mueß/ dem Teuffel zu verdrieß und 11 trotz! und allen hellischen pforten zu 11 ewigen schanden; 11 Durch 11 MAURITIUM NEODORPIUM, 11 Liebenwaldium Marchicum.11 ... 11 Aufs new in besserer form gedruckt 11 im jahr MDCXV. Jn Franckfurt bey Thoma de Villiers zufinden. Frankfurt 1615. Neumann, Johann Georg: DISPUTATIO THEOLOGICA 11 ... DE 11 BRABEO ANTE VICTORIAM, 11 SEV DE 11 COELESTI BEATITVDINE 11 HVIVS VITAE, ... 11 Wittenberg 1707 Olearius, Gottfried: Thesaurus Salutis Orthodoxus, 11 Das ist! 11 unverfälschter 11 Schatz der 11 Seeligkeit! 11 Auß des 11 HErrn Jesu Christi unsers 11 einigen Seligmachers; S. Pauli 11 und D. Lutheri worten! in Thesi An-li tithesi, Praxi oder im Satz! Gegensatz 11 und wircklichen Nachsatz kürtzlich 11 gesamlet und eröffnet den ein= 11 fältigen zum besten 11 Durch 11 Gottfried Olearium der H. 11 Schrifft Doct. Pfarrern und 11 Superintendenten zu 11 Halle. 11 Gedruckt bey Johann Rappoldten! 11 Jm 1652. Jahr. (2. Aufl. Leipzig 1669, 12°) Pfaff, Johann Christoph: INCHOATA 11 BEATITUDO 11 VIATORUM 11 FIDELIUM, ... Sub PRAESIDIO 11 JOH. CHRISTOPH. PFAFFII, ... 11 (Tübingen 1709)
332
Porst, Johann: THEOLOGIA PRACTICA 11 REGENITORUM, 11 Oder 11 Wachsthum 11 der Wiedergebornen, 11 Da gezeiget wird, 11 Wie sie aus einem Alter in Christo ins andere fortge= 11 hen, aus Kindern Jünglinge und Väter, und endlich 11 zur seligen Ewigkeit vollendet werden. 11 Vierte Auflage. 11 HALLE, in Verlegung des Waysenhauses, MDCCXXXXIII. 11 (Halle 1743) THEOLOGIA VIATORUM PRACTICA 11 Oder 11 Die Göttliche 11 Führung 11 Der Seelen 11 Darinnen gezeiget, 11 Wie der Mensch in der Sicherheit hingehet! daraus aufgewecket!1I vielfältig versuchet, in die Busse geleitet, und im Glauben zum Genuß 11 aller Gnaden= und Heyls=Güter gebracht wird. 11 EDITIO 11. 11 ... 11 HALLE, in Verlegung des Waysenhauses, MDCCXXV.II (Halle 1725) Praetorius, Stephan: Kurtze FürsteIlung 11 Der 11 Ungemeinen 11 Schmähsucht! Holhipplerey und 11 Ignorantz des Petro-Paulinischen Pastorn 11 zu Halberstad! M. HEINR1CH 11 Ammersbachs/ 11 Welche Er abermal und von neuen in seiner 11 also genanten Apologia odr Ehren=rettung Stephani 11 Praetorii und Martini Statii, beym Vortrag 11 der fiinfften Frage 11 Wieder die Herrn Helmstätischen Theologen hervor 11 kucken lassen! und an den Tag gegeben! 11 verfertiget 11 von 11 M. STEPHANO PRAETORlO 11 Neostadiensi.1I Helmstädt! im Jahr 1677.11 (Helmstedt 1677,20 S., 8°) Pregitzer, Georg Conrad: Die Krone/ Ehre und Zierde/li wie auch 11 Die Beschwerde/ Last und Bürde 11 des 1720. Jahrs/li Oder 11 Fortgesetzte GOTT= geheiligte 11 Poesie, 11 In sich begreifend 11 Zerschiedene Merckwürdigkeiten des 1720. 11 Jahrs/ Beschauung und Betrachtung der Göttlichen Wun= 11 der in dem Reich der Natur und der Gnaden! fernere Ermunterung 11 zu dem Lobe GOttes/ heilsame Glaubens=Lehren und Lebens= 11 Regeln vor alle Stände/ Sonn=Fest und Feyrtägliche Andachten! 11 Seraphinische Himmels=Gedancken und Erwegung 11 der Zeit und Ewigkeit! 11 Beschreibung der Märtyrer/ Kirchen=Väter/ geistreichen 11 Poeten und im Tod herrlich=siegender glaubiger 11 Christen! 11 Samt einem kurtzen Historischen Bericht von dem! was 11 An. 1720. besonders zu Tübingen bey löbl. Universität! Statt 11 und Gemeinde bedenckliches geschehen! zu der ehre GOttes 11 und gemeiner Erbauung 11 geschrieben 11 von 11 Georg Conrad Pregitzernl 11 SS. Theol. und Hist. Sacrae Prof. Honor. auch Predigern 11 in Tübingen. 11 Verlegts Theodorus Metzler/ Buchhändler. 11 (Tübingen 1720) Quintilian, M. Fabius: Institutionis Oratoriae Libri XII. Erster Teil. Buch I-VI, hg. und übersetzt von Helmut Rahn, Darmstadt 1972. Rambach, Johann Jacob: Die Seligkeit der Gläubigen, Halle 21731. -: Erbauliche Betrachtungen über die Heilsgüter in Christo, Frankfurt 1737. -: Erbauliches Handbüchlein für Kinder, Gießen 1733. Rango, Conrad Tiburtius: Christliche/ wolgemeinte/ wolgegründete 11 Warnung! 11 An das Hochlöbliche 11 Königreich Schweden! 11 und dazu behörige Provincien, 11 Sonderlich an die Deutschen Gemeinen! 11 und alle auffrichtige Lutheraner 11 in denselben!11 Der tückischen! und tückischer weise bißher eingeschobenen/ und 11 recommendirten! theils Calvinischen! theils Fanatischen Bücher/li als 11 ABRAHAM! SCULTETI, und 11 MARTINI MOLLERl Evangelien=PostilV 11 auch 11 M. MARTINI STATII Schatz=Kammer/ 11 und anderer seiner Schrifften!1I Als welche schon vor vielen Jahren! von vornehmen Lutherischen 11 Theologischen Facultäten und Collegiis vor Calvinisch und 11 Fanatisch erkläret! 11 und dessen mit gutem Grund überwiesen sind! 11 müßig zu gehen; 11 Zu dieser Zeit! da solche Bücher auch zum
333
theil von Lutheranern 11 auffgelegtl vermehrt und recommendirtl von vielen auch fleißig gekaufftl 11 und mit ihrer Seelen höchsten Gefahr gelesen und gebraucht werden! 11 höchstnöthig wiederholet 11 von 11 CUNRADO TIBURTIO RANGONE, der H. Schrifft Licent. 11 und der Gemeine zu st. Nicolai in Alten Stettin Pastore. 11 Mit einem nützlichen Appendice von zweyen Casibus Practicis H. D. JOH. WIGANDI, 11 Episcopi Pomeran. von Namentlicher Wiederlegung der Ketzer/ und von dem 11 grösten Frieden=Stöhrer/ so vor mehr als 100. Jahren verfertiget seyn. 11 Wittenberg! Druckts und Verlegts Christian Schrödter/ Univ. Buchdr. 1683. 11 (Wittenberg 1683, 12°) HAERETICORUM 11 & SYNCRETISTARUM 11 OBEX 11 FORMULA IICONCORDIAE, 11 D. i. 11 Warhaffte Erzehlung 11 des Ursprungs/ Fortgangs und Ansehens 11 der 11 Concordien=Formul; 11 Nebst einer klaren Anzeige/li Wie derselbe aller Syncretisterey und 11 einschleichenden falschen Lehre ein fest ent= 11 gegen=gesetzter Riegel sey: 11 Worinn gewiesen wird/ wie mit denen 11 Falsch=Friede=bietenden Betrügern! auch unter der 11 Verfolgung der Falsch=Lehrenden! nach der 11 Prudentia Ecclesiastica zu 11 verfahren. 11 Aus vornehmer Theologen! JCtor. Büchern 11 Actis und MSC. 11 In zween Büchern 11 vorgestellet von L. C. T. RANGONE. 11 Past. zu S. Nic. in Stettin. 11 Hamburg und Franckfurtl 11 bey Zacharias Hertel und Matthias Wey= 11 rauchs Erben! 1683. 11 (Hamburg/Frankfurt 1683) -: Prudentia circa errores ... ecclesiastica, 1694. Schelwig, Samuel: Die 11 Sectirische 11 Pietisterey/ 11 Jn denen Artickeln! 11 Von der Freygeisterey/ von Lehr=Büchern 11 Der Evangelischen Kirchen! von der Chiliasterey/ von 11 der Heil. Schrifftl un der hieraus entspringenden 11 Erleuchtung! und von der Enthusiasterey/ 11 Aus 11 H. D. Philip Jacob Speners 11 und seines Anhangs Schrifften!11 Zur Unterricht und Warnung 11 Fürgestelletlll Von 11 Samuel Schelwigen/li SS. Theol. D. Prof. Publ. Athenaei Rectore, 11 Und zur Heil. Dreyfaltigkeit Pastore in Dantzig. 11 Ander Theil. 11 Jn Verlegung des Autoris, 11 Hamburg! gedruckt bey Friedrich Conrad Greflinger/ 1697.11 (Hamburg 1697) Schlüsselburg, Conrad: Catalogi Haereticorum 11 CONRADI 11 SCHLVSSELBVR- 11 GII, SAXONIS. SS. THEO- 11 LOGIAE DOCTORIS ET PRO- 11 fessoris, ac in Ecclesia, & Gymnasio Stra-lilesundensi, in Pomerania, Super-li intendentis; 11 Liber V: Frankfurt a.M. 1598 Schütz, Otto Friedrich: OTTO FRID. SCHÜTZI 11 DE VITA 11 DAVIDIS CHYTRAEI 11 THEOLOGI HISTORICI ET POLY- 11 HISTORIS ROSTOCHIENSIS 11 COMMENTARIORVM 11 LIBRI QUATVOR 11 ... LIBER PRIMUS 11 AB. A.C. M D XXX - M D LXVII ... 11 Bd. 1-4, Hamburg 1720-1728. Scriver, Christian: Seelen=Schatz, hg. v. Evangelischen Bücher-Verein, Bd. 1-3, Berlin 1852-53. Spener, Philipp Jakob: Der Gläubigen Kinder Gottes Ehrenstand und Pflicht, 5 Traktate Andreas Cramers, hg. v. P.J. Spener, Frankfurt 1668. Der innerliche und Geistliche Friede/ Oder der Friede Gottes/ So wol desselben mit uns/ als unserer mit und in GOtt! samt dessen Beförderungs= mitteln und Hindernüssen, in: EGS 1, 1015-1034. Die lautere Milch 11 Des 11 Evangelii/ 11 Oder 11 die Lehr von den 11 Gnaden= und Heils= 11 Schätzen! 11 welche die glaubige in JESU 11 CHristo haben! besitzen und 11 geniessen. 11 Auffs einfältigste und kürzeste 11 vorgestelletl und mit Sprüchen der
334
Schrifft bewehrt! 11 von 11 Philipp Jacob SpenemJ 11 D. Predigern und Seniore des 11 Evangelischen Ministerii in 11 Franckfurt. 11 Franckfurt am Mayn/ 11 Jn Verlag Joh. David Zunners/ 11 Druckts Joh. Georg Drullmann. Jm Jahr Christi 1685. 11 (Frankfurt 1685) -: Natur und Gnade/li Oder der 11 Unterscheid 11 der Wercke/ 11 So aus natürlichen kräfften und 11 aus den gnaden=würckungen des Heili= 11 gen Geistes herkommen! und also eines eusser= llliche erbam und wahrhafftig Christlichen 11 gottseligen lebens/ 11 nach 11 der regel Göttlichen Worts 11 einfältig aber gründlich 11 untersucht 11 Philipp Jacob SpenemJ 11 ... 11 Franckfurt am Mayn/ 11 ... 111687.11 (Frankfurt 1687) Briefe aus der Frankfurter Zeit 1666-1686, Bd. 2: 1675-1676, hg. v. Johannes Wallmann in Zusammenarbeit mit Udo Sträter und Markus Matthias, Tübingen 1996. -: Briefe aus der Frankfurter Zeit 1666-1686, Bd. 1: 1666-1674, hg. v. Johannes Wallmann in Zusammenarbeit mit Udo Sträter und Markus Matthias, Tübingen 1992. -: Die Seligkeit der Kinder Gottes in dem Reich der Gnaden und der Herrlichkeit, Frankfurt a.M. 1692. -: Einfältige Erklärung der christlichen Lehre nach der Ordnung des Kleinen Katechismus Dr. Martin Luthers, Neudruck Lahr-Dinglingen 1984. THEOLOGIA PASTO- 11 RAUS PRACTICA, 11 Oder: 11 Sammlung 11 nutzbarer Anweisungen 11 zur 11 gesegneten Führung 11 des Evangelischen 11 Lehr=Amts, 11 Aus gedruckten Büchern sowol als 11 schriftlichen Urkunden und mündlichen 11 Unterredungen vieler Gottesge= 11 lehrten mitgetheilet 11 von Einigen Dienern des Evangelii. 11 Das XLI. stück. 11 Magdeburg und Leipzig, 11 ... 1744. 11 (41.--48. Stück, Magdeburg und Leipzig 1744) Tschesch, Johann Theodor von: Johannes Theodori a Tschesch Vitae cum Christo sive Epigrammatum sacrorum Centuriae XII, Amsterdam 1644. Walch, Johann Georg: Historische und Theologische Einleitung in die Religionsstreitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche, Bd. 1-5, Jena 1730-39. Weismann, Christian Eberhard: INTRODUCTIO 11 IN MEMORABILIA ECCLESIASTICA 11 HISTORIAE SACRAE 11 NOVI TESTAMENTI 11 ... PARS POSTERIOR.II (Stuttgart 1719) Wernsdorf, Gottlieb: B. GOTTLIEB. WERNSDORFII, 11 ... DISPVTATIONES 11 ACADEMICAE, 11 DOGMATICI, EXEGETICI, POLEMICI 11 ET HISTORICI ARGVMENTI, 11 (Wittenberg 1736) Zesen, Philipp von: Des Hochdeutschen Helikonischen Lilientales ... Vorbericht, Amsterdam 1679.
2. Hilfsmittel Adelung, Johann ChristophI Rotermund, Heinrich Wilhelm: Fortsetzung und Ergänzung zu Jöchers Gelehrten - Lexicon, Bd. 1-7, Leipzig 1784-1897, Nachdruck Hildesheim 1960-61. Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Bd. 1-56, Leipzig 1875-1912, Neudruck Berlin 1967-71.
335
Altaner, Bertholdl Stuiber, Alfred: Patrologie. Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg! Basel! Wien 8 1978. Ameln, Konrad u.a. (Hg.): Das deutsche Kirchenlied. DKL, Kassel1975ff(=RISM B 8}. Benzing, Josef: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, 2. verb. und erg. Aufl., (BBBW 12), Wiesbaden 1982. Bib1ia sacra iuxta vulgatam versionern, hg. v. Robert Weber, Bd. 1-2, Stuttgart 31983. Bruckner, John: A Bibliographical Catalogue of seventeenth-century German Books published in Holland, Den Haag! Paris 1971, (Anglica Germanica 13). Deutsches Biographisches Archiv (DBA), hg. v. Bernhard Fabian, bearb. unter Leitung von Willy Gorzny, München u.a. 1982-85 (Mikrofiche-Edition). Erman, Wilhelm/ Horn, Ewald: Bibliographie der deutschen Universitäten, Bd. 1, Leipzig 1904. Fischer, Albert! Tümpel, Wilhelm: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Gütersloh 1904-1916 (Nachdruck Hi1desheim 1964). Fischer, Albert Friedrich Wi1he1m: Kirchenliederlexikon, Bd. 1-2, Gotha 1878-79, Nachdruck Hi1desheim 1967. Georgi, Theophil: Allgemeines europäisches Bücher-Lexicon, Teil 1-5, Supplement 1-3, Leipzig 1742-1758, Neudruck Graz 1966. Erstes Svpp1ement zu dessen allgemeinen Europäischen Bücher=LEXICO, Jn welchem nach Alphabetischer Ordnung die Autores dererjenigen Bücher nachgetragen worden, so in denen vier ersten Theilen nicht enthalten ... Leipzig 1750. Grimm, Jacobl Grimm, Wilhelm: Deutsches Wörterbuch, hg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin in Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Bd. 1-16, Leipzig! Berlin 1854-1971. Grotefend, Hermann: Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, hg. v. Thomas Ulrich, Hannover 1960. Hofmeister, Adolph (Hg.): Die Matrikel der Universität Rostock, Bd. 1-7, Rostock und Schwerin 1889-1922, Neudruck Nendelnl Liechtenstein 1976. Index Aureliensis: Catalogus librorum sedecimo saeculo impressorum, Baden-Baden 1965ff. Jöcher, Christian Gottlieb: Allgemeines Gelehrten - Lexicon, Bd.l-4, Leipzig 17501751, Nachdruck Hildesheim 1960-61. Juntke, Fritz (Bearb.): Album Academiae Vitebergensis. Jüngere Reihe, Teil 2 (16601710), Halle 1952. Kautzseh, Emil: Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Bd. 2, Die Pseudepigraphen des Alten Testaments, Darmstadt 41975. Killy, Walther (Hg.): Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, Bd. Uf, Gütersloh und München 1988ff. Kirschbaum, Engelbert (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 1-8, Freiburg 1968-1976. Koch, Eduard Emil: Geschichte des Kirchen-Liedes und Kirchen-Gesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche, Bd. 1-5, Stuttgart 31866-76. Köhler, Walther: Bibliographia Brentiana (Beiträge zur Reformationsgeschichte), Berlin 1904.
336
Lipenius, Martin: Bibliotheca Realis Theologica, Bd. 1-2, Frankfurt a.M. 1685, Neudruck Hildesheim und New York 1973. Lurker, Manfred (Hg.): Wörterbuch der Symbolik, Stuttgart 41988. Meusel, Carl/ Haack, Ernst u.a. (Hg.): Kirchliches Handlexikon, Bd. 5, Leipzig 1897. Migne, Jacques Paul (Hg.): Patrologiae cursus completus, Series Latina, Paris 1857ff (MPL). Moser, Johann Jakob: Beytrag zu einem LEXICO der jeztlebenden Lutherisch = und Reformierten Theologen in und um Teutschlandl welche entweder die Theologie öffentlich lehren! oder sich durch theologische Schriften bekannt gemacht haben. Mit einer Vorrede ... , Züllichau 1740. Neue Deutsche Biographie (NDB), hg. v. der Historischen Kommission bei der Bayrischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1ff, Berlin 1953ff. Der kleine Pauly. Lexikon der Antike in runf Bänden, hg. v. Konrat Ziegler und Kurt Sontheimer, Bd. 1-5, München 1975. Pettke, Sabine (Hg.): Biographisches Lexikon rur Mecklenburg, Bd. 1, Rostock 1995. Repertoire international des sources musicales, Kassel 1960ff(RlSM.B). Reu, Johann Michael: Ost-, Nord- und Westdeutsche Katechismen. Historisch-bibliographische Einleitung, in: Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600, T. 1,3 1. Abt., 1. Hälfte, Gütersloh 1927, Reprint Hildesheim 1976. -: Ost-, Nord- und Westdeutsche Katechismen. Texte, in: Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600, T. 1,3 2. Abt., 1. Hälfte, Gütersloh 1916, Reprint Hildesheim 1976. Rupp, H./ Lang, c.L.: Deutsches Literatur-Lexikon, Bd. 12, Bem! Stuttgart 31990. Schneemelcher, Wilhelm (Hg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Bd. 2, Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 51989. Sehling, Emil (Hg.): Die Evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Bd. 3, Leipzig 1909. Stupperich, Robert: Reformatorenlexikon, Gütersloh 1984. Thomas von Kempen, Opera omnia, hg. v. Michael Joseph Pohl, Bd. 4, Freiburg 1918. VD 16 = Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erscheinenden Drucke des XVI. Jahrhunderts, hg. v. der Bayerischen Staatsbibliothek in München in Verbindung mit der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, Bd. 1ff, Stuttgart 1983ff. Vormbaum, Reinhold (Hg.): Evangelische Schulordnungen, Bd. 1., Die evangelischen Schulordnungen des 16. Jh., Gütersloh 1860. Wackernagel, Philipp: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis Anfang des XVIl. Jahrhunderts, Bd. 1-5, Leipzig 1864-1877, Nachdruck Hildesheim 1964. Wetzei, Johann Caspar: Johann Caspar Wetzeis 11 Hymnopoeographia, 11 oder 11 Historische 11 Lebens= 11 Beschreibung 11 der berühmtesten 11 Lieder= Dichter. 11 Herrnstadt/li bey Samuel Roth=Scholtzen. 1719 ... Anderer Theil ... 1721. 11 (Herrnstadt 1721) Zander, Robert: Handwörterbuch der Pflanzennamen, Stuttgart 12 1980, 216. Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Bd. 1-64 und Supplement, Bd. 1-4, Halle/ Leipzig 17321754, Neudruck Graz 1961-64 (GVUL).
337
3. Sekundärliteratur ab 1800 Ackva, Friedhelm: Der Pietismus in Hessen, in der Pfalz, im Elsaß und in Baden, in: GdP 2,198-224. Aland, Kurt: "Die lautere Milch des Evangelii". Zu den Problemen der Edition einer Spener-Schrift, PuN 18 (1992),175-186. Altenburg, Bruno: Die Mystik im lutherischen Pietismus. Dargestellt auf Grund der Erbauungsschriften Johann Porsts (1668-1728), JBrKG 26 (1931), 53-78; 27 (1932),92-101; 28 (1933),128-145; 29 (1934), 61-75. Althaus, Paul d.Ä.: Zur Charakteristik der Evangelischen Gebetsliteratur im Reformationsjahrhundert, Leipzig 1914. (Abk.: Gebetsliteratur) -: Forschungen zur Evangelischen Gebetsliteratur, Gütersloh 1927. (Abk.: Forschungen) Anemüller, Bernhard: Art. Philipp, Julius, ADB 26, 37-43. Anger, Rudolph: Ueber den Laodicenerbrief. Eine biblisch-kritische Untersuchung, (Beiträge zur historisch-kritischen Einleitung in das Alte und Neue Testament), Leipzig 1843. Axmacher, Elke: Praxis Evangeliorum. Theologie und Frömmigkeit bei Martin Moller (1547-1606), (FKDG 43), Göttingen 1989. Bächtold-Stäubli, H.: Art. Mithridat, HWDA 6, 397f. Baring, Georg: Bibliographie der Ausgaben der "Theologia Deutsch" (1516-1961). Ein Beitrag zur Lutherbibliographie, (BBAur 8), Baden-Baden 1963. Barnikol, Ernst: Art. Rose, goldene, RGG3 5, 1183. Barton, Peter F.: Art. Chytraeus, David, TRE 8,88-90. -: Um Luthers Erbe. Studien und Texte zur Spätreformation. Tilemann Heshusius, (UKG 6), Witten 1972. Bauks, Friedrich Wilhelm: Die evangelischen Pfarrer in Westfalen von der Reformationszeit bis 1945, (JWKG.B N.F. 4), Bielefeld 1980. Bayer, Oswald: Theologie, (HST 1), Gütersloh 1994. Beck, Hermann: Die Erbauungsliteratur der evangelischen Kirche Deutschlands von Dr. M. Luther bis Martin Moller, Erlangen 1883. -: Die religiöse Volkslitteratur der evangelischen Kirche Deutschlands in einem Abriß ihrer Geschichte, Gotha 1891. Bei der Wieden, Helge: Nathan Chytraeus und die Gründung der Großen Stadtschule zu Rostock, in: Elsmann u.a. (Hg.), Nathan Chytraeus, 27-40. Bertheau: Art. Freder, Johann F., ADB 7, 33lf. Berwald, Olaf: Philipp Melanchthons Sicht der Rhetorik, (Bamberger Schriften zur Renaissanceforschung 25), Wiesbaden 1994. Beutel, Albrecht: Lehre und Leben in der Predigt der lutherischen Orthodoxie. Dargestellt am Beispiel des Tübinger Kontroverstheologen und Universitätskanzlers Tobias Wagner (1598-1680), ZThK 93 (1996), 419-449. Beyreuther, Erich: Geschichte des Pietismus, Stuttgart 1978. Blankenburg, Walter: Art. Melanchthon, Philipp, MGG 9, 2-4. Blaufuß, Dietrich: Reichsstadt und Pietismus - Philipp Jacob Spener und Gottlieb Spizel aus Augsburg, (EKGB 53), Neustadt a. d. Aisch 1977. Blume, Friedrich (Hg.): Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), Bd. 1-17, Kassei 1949-1986.
338
Böning, Monika: Die Glasmalereien in der Katharinenkirche, in: 750 Jahre Neue Stadt Salzwedel, hg. v. Bürgermeister der Stadt Salzwedel, Salzwedel1997, 37-46. Boon, Pieter (Hg.): Stephan Prätorius. Seefarer Trost und Krancken Trost. Textausgabe und Beobachtungen zum Sprachgebrauch, (QFEL 12), Amsterdam 1976. Börsch-Supan, E.: Art. Garten, LCI 2 (1970), 77-82. Brecht, Martin: Art. Pietismus, TRE 26 (1996), 606-631. -: August Hermann Francke und der Hallische Pietismus, in: GdP 1,440-539. Das Aufkommen der neuen Frömmigkeitsbewegung in Deutschland, in: GdP 1, 113-203. Der Hallische Pietismus in der Mitte des 18. Jahrhunderts - seine Ausstrahlung und sein Niedergang, in: GdP 2, 319-357. Die deutschen Spiritualisten des 17. Jahrhunderts, in: GdP 1,205-240. -: Die frühe Theologie des Johannes Brenz, (BHT 36), Tübingen 1966. -: Einleitung, in: GdP 1, 1-10. -: Johann Valentin Andreae, in: Brecht (Hg.), Theologen an der Universität Tübingen, 270-343. -: Luther als Schriftsteller. Zeugnisse seines dichterischen Gestaltens, Stuttgart 1990. -: Martin Luther, Bd. 1-3, Stuttgart 1983ff. -: Neue Frömmigkeit und Gemeindesituation bei Martin Moller (1547-1606), in: Hagenmaier u.a. (Hg.), FS Rublack, 217-229. -: Philipp Friedrich Hillers Geistliches Liederkästlein. Einführung - Bestandsaufnahme - Empfehlung, in: Brecht, Martin (Hg.), Gott ist mein Lobgesang: Philipp Friedrich Hiller (1699-1769), der Liederdichter des württembergischen Pietismus, Metzingen 1999,87-137. -: Philipp Jakob Spener und das Wahre Christentum, PuN 4, (1979), 119-154. Philipp Jakob Spener, sein Programm und dessen Auswirkungen, in: GdP 1,279389. Philipp Nicolai. Lutherische Orthodoxie und neue Frömmigkeit, JWKG 83 (1990), 159-183. (Hg.): Theologen und Theologie an der Universität Tübingen, (Contubemium 15), Tübingen 1977. -: Zur Konzeption der Geschichte des Pietismus. Eine Entgegnung auf Johannes Wallmann, in: PuN 22, (1996), 226-229. Bruns, Friedrich: Die Sekretäre des Deutschen Kontors zu Bergen, (Det hanseatiske Museums Skrifter 13), Bergen 1939. Burose, Hans: Katalog der Calvörschen Bibliothek, hg. v. Hans-Oskar Weber, Bd. 13, Clausthal-Zellerfeld 1972-1975. Catalogus bibliothecae b. Godofredi Amoldi, 0.0. 1714, in: Blaufuß, Dietrich! Niewöhner, Friedrich (Hg.), Gottfried Amold (1666-1714). Mit einer Bibliographie der Amold-Literatur ab 1714, Wolfenbütteler Forschungen 61, Wiebaden 1995, 337-410. Claus, Wilhelml Buck, Friedrich: Württembergische Väter, Bd. 1-4, Stuttgart 18871905. Conermann, Klaus (Hg.): Fruchtbringende Gesellschaft: der Fruchtbringenden Gesellschaft geöffneter Erzschrein. das Köthener Gesellschaftsbuch Fürst Ludwigs I. von Anhalt-Köthen 1617-1650, Bd. 3: Die Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft 1617-1650, Weinheim 1985.
339
Cosack, Carl Johann: Zur Geschichte der evangelischen ascetischen Literatur in Deutschland. Ein Beitrag zur Geschichte des christlichen Lebens wie zur Culturund Literaturgeschichte. Aus dem Nachlaß des Verfassers veröffentlicht von B(emhard) Weiß, Basel und Ludwigsburg 1871, 1-96. Czapla, Ralf Georg: "Non infima liberalium artium." Vom Wert und den Grenzen der Medizin zwischen vanitas-Vorstellung und eschatologischer Heilserwartung. Zu Paul Schede Melissus' Meletemata, in: Iliaster. Literatur und Naturkunde in der frühen Neuzeit. Festgabe für Joachim TeIle zum 60. Geburtstag, hg. v. Wilhelm Kühlmann und Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Heidelberg 1999, 79-97. Danneil, Johann Friedrich (Hg.): Einladungsschriften zu den Schulfeierlichkeiten des Gymnasiums zu Salzwedel, enthaltend Aufsätze pädagogischen und literarischen Inhalts und Nachrichten über das Gymnasium, 6. Stück, Salzwedel 1831. (Hg.): Einladungsschriften zu den Schulfeierlichkeiten des Gymnasiums zu Salzwedel, 18. Stück, Salzwedel1844. Kirchengeschichte der Stadt Salzwedel. Mit einem Urkundenbuch, Bd. 1-2, Halle 1842. De Boor, Friedrich: Art. Francke, August Hermann, TRE 11,312-320. Dellsperger, Rudolf: Art. König, Samuel, NDB 12, 349f. Der Pietismus in der Schweiz, in: GdP 2,588-616. Die Anfange des Pietismus in Bem. Quellenstudien, (AGP 22), Göttingen 1984. Samuel Königs "Weg des Friedens" (1699-1711). Ein Beitrag zur Geschichte des radikalen Pietismus in Deutschland, PuN 9 (1983), 152-179. Diemer, P.: Art. Gärtner, LCI 2 (1970), 8lf. Donop von: Art. Lynar, Rochus Guerine Graf zu, ADB 19, 733f. Dumrese, Hans/ Schilling, Friedrich Carl: LÜlleburg und die Offizin der Sterne, Bd. 1, LÜlleburg 1956. Elsmann, Thomas/ Lietz, Hanno/ Pettke, Sabine (Hg.): Nathan Chytraeus: 1543-1598. Ein Humanist in Rostock und Bremen. Quellen und Studien, Bremen 1991. Erdei, Klära: Auf dem Weg zu sich selbst. Die Meditation im 16. Jahrhundert. Eine funktionsanalytische Gattungsbeschreibung, (WARF 8), Wiesbaden 1990. Erikson, Leif: Unio in der Theologie Fredrik Gabriel Hedbergs, in: Repo u.a. (Hg.), Unio, 310-321. Fehse, Wilhelm: Eine Salzwedeler Schulkomödie aus dem 16. Jahrhundert, JAVVGS 49 (1933), 4-18. Feldmann, Reinhard (Hg.): Blüten und Blätter. Illustrierte Kräuter- und Pflanzenbücher aus fünf Jahrhunderten, (Schriften der Universitäts- und Landesbibliothek Münster 13), Münster 1996. Feustking, Johann Heinrich: Gynaeceum Haeretico-Fanaticum, Oder Historie und Beschreibung Der falschen Prophetinnen! Quäckerinnenl Schwärmerinnen! und andem secirischen und begeisterten Weibes=Personen, Frankfurt a.M. und Leipzig 1704. Fomayon, Siegfried: Art. Magdeburg, Joachim, RGG3 4, 595. Franck, J.: Art. Lucius, Jakob, ADB 19,352-354. Franz, Friedrich: Magister Amold Bierstedt. Ein theologischer Schriftsteller aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Halle 1940. Franz, Gunther: Bücherzensur und Irenik, in: Brecht (Hg.), Theologen an der Universität Tübingen, 121-194.
340
Fröhner, Beate: Der evangelische Pfarrstand in der Mark Brandenburg 1540-1600, WJ 19/20 (1965/66), 5--46. Fromm: Art. Bacmeister, Lucas, ADB 1,758. -: Art. Camerarius, Heinrich, ADB 3, 719f. -: Art. Chytraeus, Nathan, ADB 4, 256. Fuchs, Thomas: Zeittafel zu David und Nathan Chytraeus, in: Glaser, Karl-Heinz u.a. (Hg.), David und Nathan Chytraeus, 47f. Gardy, Frederic: Bibliographie des Oeuvres theologiques, litteraires, historiques etjuridiques de Theodore de m~ze, Genf 1960. Glaser, Karl-Heinzl Lietz, Hanno/ Rhein, Stefan: David und Nathan Chytraeus. Humanismus im konfessionellen Zeitalter. Im Auftrag der Stadt Kraichtal, UbstadtWeiher 1993. Goebel, Max: Geschichte des christlichen Lebens in der rheinisch-westphälischen Kirche, Bd. 1-3, Koblenz 1849-1860. Göllner, Carl: Turcica, Bd. 3, Die Türkenfrage in der öffentlichen Meinung Europas im 16. Jahrhundert, (BBAur 70), Bukarestl Baden-Baden 1978. Görges, Wilhelm/ Nebe, August: Geschichte des Johanneums zu Lüneburg. Festschrift zur 500-jährigen Jubelfeier, Lüneburg 1906. Grönroos, Henrik/ Nyman, Ann-Charlotte: Boken i Finland. Bokbestandet hos borgerskap, hantverkare och lägre sociala grupper i Finlands städer enligt städernas bouppteckningar 1656-1809, Svenska Litteratursällskapet i Finland, Helsingfors 1996. Große, Constantin: Die Alten Tröster. Ein Wegweiser in die Erbauungsliteratur der evangelisch-lutherischen Kirche des 16. bis 18. Jahrhunderts, Hermannsburg 1900. Grünberg, Paul: Philipp Jacob Spener, Bd. 1-3, Göttingen 1893-1906, Neudruck Hildesheim 1988. Guggisberg Hans Rudolf: Sebastian Caste1lio 1515-1563. Humanist und Verteidiger der religiösen Toleranz im konfessionellen Zeitalter, Göttingen 1997. Hagedorn, Eckhard: Erweckung und Konversion: der Weg des katholischen Priesters Aloys Henhöfer (1789-1862) in die evangelische Kirche, (VVKGB 48), Gießen 1993. Hagenmaier, Monika - Holtz, Sabine (Hg.): Krisenbewußtsein und Krisenbewältigung in der frühen Neuzeit - Crisis in early modem Europe, FS fur Hans-Christoph Rublack, Frankfurt a.M. 1992. Hartfelder, Karl: Art. Stigel, Johann, ADB 36, 228-230. -: Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae, (MGP 19), Berlin 1889, Reprint Nieuwkoop 2 1972. Hartleb, Fr. (Hg.): Salzwedel, die alte Markgrafen- und Hansestadt in der Altmark 1233-1933. Beiträge zur 700jährigen Stadtgeschichte, Salzwedel1933. Heinecke, Otto: Chronik der Stadt Arendsee in der Altmark, Arendsee 1926. Heinrich, Gerd: Art. Brandenburg 11. Reformation und Neuzeit, TRE 7, 111-128. Heppe, Heinrich: Art. Cramer, Andreas, ADB 4, 545f. -: Art. Dilfeld, Georg Konrad, ADB 5, 223. Heß, Willy: Das Missionsdenken bei Philipp Nicolai, Hamburg 1962. Heyden, Hellmuth: Kirchengeschichte Pommerns, Bd. 2, Köln 1957. Hirsch, Th.: Art. Diste1meyer, Lampert, ADB 5, 256-258.
341
Holfelder, Hans Hermann: Tentatio et consolatio. Studien zu Bugenhagens "Interpretatio in librum psalmorum", (AKG 45), Berlin - New York 1974. Holstein, Hugo: Art. Risleben, Nicolaus, ADB 28, 649f. Art. Steinmetz, Johann Adam, ADB 36, 1-5. -: Das altstädtische Gymnasium zu Magdeburg von 1524-1631, NJPP 130 (1884), 16-25.65-74.129-140. Hoppe, Brigitte: Das Kräuterbuch des Hieronymus Bock als Quelle der Botanik- und Pharmakologiegeschichte, Frankfurt a.M. 1964. Horn, Ewald: Zu Stephanus Prätorius' Ordo studiorum. Eine Berichtigung, NJPP 19 (1916),393f. Hubatsch, Walther: Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Bd. 1, Göttingen 1968. Ideler, E.: Art. Porst, Johann, RE3 15,557-559. Jakubowski-Tiessen, Manfred: Der Pietismus in Dänemark und Schleswig-Holstein, in: GdP 2, 446-471. Janicke: Art. Sack, Siegfried, ADB 30,161. lügelt, Karl-Heinz: Nathan Chytraeus als Begründer der Universitätsbibliothek Rostock, in: Elsmann u.a. (Hg.), Nathan Chytraeus, 13-26. Kämmei: Art. Caselius, Johannes, ADB 4, 40-43. Kaufmann, Thomas: Art. Pauli, Simon, in: Pettke (Hg.), Biographisches Lexikon 1, 175-180. Art. Schacht, Valentin, in: Pettke (Hg.), Biographisches Lexikon I, 189-191. Bacmeister, Lucas d.Ä., in: Pettke (Hg.), Biographisches Lexikon 1,22-26. Universität und lutherische Konfessionalisierung: die Rostocker Theologieprofessoren und ihr Beitrag zur theologischen Bildung und kirchlichen Gestaltung im Herzogtum Mecklenburg zwischen 1500 und 1675, (QFRG 66), Gütersloh 1997. Kawerau, Gustav: Johann Agricola von Eisleben. Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte, Berlin 1881, Neudruck Hildesheim 1977. Keller, Rudolf: Lutheraner in Antwerpen, in: Pichal, Edouard, Evangelium in Flandern. Eine Geschichte des belgischen Protestantismus, Moers 1993,219-222. Kirn, Hans-Martin: Deutsche Spätautklärung und Pietismus. Ihr Verhältnis im Rahmen kirchlich-bürgerlicher Reform bei Johann Ludwig Ewald (1748-1822), (AGP 34), Göttingen 1998. Klatt, Detloff: David Chytraeus als Geschichtslehrer und Geschichtsschreiber, Rostock 1908. Klinkenborg, MeIle: Die Tätigkeit des Grafen Rochus zu Lynar in Brandenburg, in: Hohenzollern-Jahrbuch 14 (1910), 30-36. Knape, Joachim: Philipp Melanchthons ,Rhetorik', Tübingen 1993. Koch, Ernst: Andreas Musculus und die Konfessionalisierung im Luthertum, in: Rublack (Hg.), Lutherische Konfessionalisierung, 250-270; Diskussion 271-273. -: Art. Konkordienformel, TRE 19,476-483. -: Der Weg des Nathan Chytraeus von Rostock nach Bremen auf dem Hintergrund der kirchlichen und theologischen Bewegungen der Zeit, in: Elsmann u.a. (Hg.), Nathan Chytraeus, 53-59. -: Die höchste Gabe in der Christenheit. Der Umgang mit Schwermut in der geistlichseelsorgerlichen Literatur des Luthertums im 16. und 17. Jahrhundert, in: Hagenmaier u.a. (Hg.), FS Rublack, 231-243.
342
-: Nicht nur ein Streit um Worte. Die Auseinandersetzung um den tertius usus legis in Frankfurt a.O. als Teil der Vorgeschichte der Artikel lV-VI der Konkordienformel, in: Schöne, Jobst (Hg.), Bekenntnis zur Wahrheit. Aufsätze über die Konkordienformel, Erlangen 1978,65-79. Therapeutische Theologie. Die Meditationes sacrae von Johann Gerhard (1606), PuN 13 (1987),25-46. Koch, HaI: Art. Grönland, RGG3 2,1880. Koch, Paul: Altmärkische Kirchenliederdichter, in: Unsere Altmark 5 (1924), 15. Kom, Richard: Kriegsbaumeister Graf Rochus zu Linar, sein Leben und Wirken, Dresden 1905. Koskenniemi, Lauri: Suomen evankelinen liike 1870-1895, Helsinki 1967. Krabbe, Otto Karsten: David Chytraeus, Abt. 1-2, Rostock 1870. -: Die Universität Rostock im 15. und 16. Jahrhundert, Rostockl Schwerin 1854, Neudruck Aalen 1970. Kramer, Gustav: August Hermann Francke. Ein Lebensbild, Bd. 1-2, Halle 18801882. Krause, Gerhard: Andreas Hyperius, Leben - Bilder - Schriften, (BHTh 56), Tübingen 1977. Krause: Art. Pauli, Simon, ADB 25, 273f. -: Art. Posselius, Johann, ADB 26, 460f. Krug, Burkard: Art. Finnland ll. Kirchengeschichtlich, TRE 11, 185-192. Laasonen, Pentti: Der Pietismus in Finnland im 17. und 18. Jahrhundert, in: GdP 2, 523-541. Langerfeldt, H.: Abt Windruwe und seine Zeit. 1550-1620. Zur Geschichte des Klosters Riddagshausen, Braunschweig 1888. Lau, Franz: Art. Rahtmann, Hermann, RGG3 5, 770. -: Art. Weller, Jakob, RGG3 6, 1593f. Lehmann, Hartmut: Das Zeitalter des Absolutismus. Gottesgnadentum und Kriegsnot, (CG 9), Stuttgart u.a. 1980. Die Kometenflugschriften des 17. Jahrhunderts als historische Quelle, in: Brückner, Wolfgang/ Blickle, Peter/ Breuer, Dieter (Hg.), Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Probleme populärer Kultur in Deutschland, (Wolfenbüttler Arbeiten zur Barockforschung 13), Teil 2, Wiesbaden 1985,683-700. Zur Erforschung der Religiosität im 17. Jahrhundert, in: Hagenmaier u.a. (Hg.), FS Rublack, 3-11. Leube, Hans: Art. Prätorius, Stephan, RGG2 4 (1930), 1392. -: Die Reformideen in der deutschen lutherischen Kirche zur Zeit der Orthodoxie, Leipzig 1924. Lisch, G. C. Friederich: Geschichte der Besitzungen auswärtiger Klöster in Meklenburg. Geschichte der Besitzungen des Klosters Arendsee, in: Jahrbücher des Vereins rur mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde 15 (1850), 3-22. Lohse, Bernhard: Dogma und Bekenntnis in der Reformation: Von Luther bis zum Konkordienbuch, HDThG 2, Göttingen 1980, 1-164. Lother, Helmut: Pietistische Streitigkeiten in Greifswald. Ein Beitrag zur Geschichte des Pietismus in der Provinz Pommern, Gütersloh 1925. Luther, Wilhelm Martin: Gallus Dressler, Kassel 1941.
343
Mager, Inge: Die Konkordienfonnel im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Einstehungsbeitrag - Reflexion - Geltung, (SKGNS 33), Göttingen 1993. Mahlmann, Theodor: Art. Chemnitz, Martin, TRE 7,714-721. Marzell, Heinrich: Art. Jerichorose, HWDA 4, 655-659. Matthias, Markus: Johann Wilhelm und Johanna Eleonora Petersen. Eine Biographie bis zur Amtsenthebung Petersens im Jahre 1692, (AGP 30), Göttingen 1993. Maurer, Wilhelm: Der junge Melanchthon zwischen Humanismus und Refonnation, Bd. 1-2, Göttingen 1967-1969. Meder, Paul: Art. Stiefel, Esajas, RE3 19,21-24. -: Der Schwärmer Esajas Stiefel, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde in Erfurt 20 (1899), 93-128. Mirbt, Carl: Art. Schelwig, Samuel, RE3 31, 553-555. Mohr, Rudolf: Art. Erbauungsliteratur m.Refonnations- und Neuzeit, TRE 10,51-80. Montgomery, Ingun: Der Pietismus in Norwegen im 18. Jahrhundert, in: GdP 2, 472488. Moeller, Bemd: Pfarrer als Bürger, (Göttinger Universitätsreden 56), Göttingen 1972. Mörke, Olaf: Rat und Bürger in der Refonnation. Soziale Gruppen und kirchlicher Wandel in den welfischen Hansestädten Lüneburg, Braunschweig und Göttingen, (Veröffentlichungen des Instituts für historische Landesforschung der Universität Göttingen 19), Hildesheim 1983. Müller, Adolph: Geschichte der Refonnation in der Mark Brandenburg, Berlin 1839. Müller, Gotthold: Christian Gottlob Pregizer (1751-1824). Biographie und Nachlaß, Stuttgart 1962. Müller, Irmgard: Kräuterbücher der frühen Neuzeit als Quelle der Drogenkunde, in: Feldmann (Hg.), Blüten und Blätter, 9-31. Müller-Bahlke, Thomas (Hg.): Gott zur Ehr und zu des Landes Besten. Die Franckeschen Stiftungen und Preußen: Aspekte einer alten Allianz, Halle a.d. Saale 2001. Nicol, Martin: Meditation bei Luther, Göttingen 21991. Nicolai, Philipp: Freudenspiegel des ewigen Lebens, Reprint, SWB 23, Soest 1963. Palmer, Christian: Die Gemeinschaften und Sekten Württembergs, Tübingen 1877. Parisius, Adolf/ Müller, J.: Die Abschiede der in den Jahren 1540-1542 in der Altmark gehaltenen ersten General-Kirchen-Visitation mit Berücksichtigung der in den Jahren 1551, 1578-79 und 1600 gehaltenen Visitationen. Im Auftrag des Altmärkischen Geschichts-Vereins, 4. Heft (Salzwedel, Alt- und Neustadt), Magdeburg 1898. Parisius, Adolf: Bartholomäus Rieseberg, ein altmärkischer Stadtpfarrer der Refonnationszeit, JBrKG 1 (1904),236-263. -: M. Amold Bierstedt. Bürgenneister zu Gardelegen, JAVVGS 21 (1887),2. Heft, 1-29. Parker, Geoffrey: Der Aufstand der Niederlande. Von der Herrschaft der Spanier zur Gründung der Niederländischen Republik, München 1979. Paulus, Herbert: Art. Christophorus, RGG3 1, 1789. Peschke, Erhard: Art. Prätorius, Stephan, RGG3 5 (1961), 498f. -: Bekehrung und Refonn. Ansatz und Wurzeln der Theologie August Hennann Franckes, (AGP 15), Bielefeld 1977. Peters, Christian: Pietismus in Westfalen, in: GdP 2, 358-371.
344
Pettke, Sabine (Hg.): Nathan Chytraeus. Quellen zur zweiten Reformation in Norddeutschland, (MDF 111), Weimar/ Wien 1994. Das Testament des David Chytraeus: Ein überraschender Fund, in: Glaser u.a. (Hg.), David und Nathan Chytraeus, 153-164.226-230. Handschriftliche Zeugnisse von Berufung und Entlassung des Nathan Chytraeus in Rostock, in: Elsmann u.a. (Hg.), Nathan Chytraeus, 60-70. Pfeil, Friedrich: Christian Gottlob Pregizer und die Gemeinschaft der Pregizerianer, Diss. masch., Heidelberg 1938. Pfeilsticker, Walther: Württembergisches Dienerbuch, Bd.I-3, Stuttgart 1957-1974. Poeschke, J.: Art. Paradies, LCI 3 (1971),375-382. Pohl, Michael Joseph (Hg.): Thomae Hemerken a Kempis, Opera omnia, Bd. 4, Freiburg 1918. Pohlmann, August Wilhelm: Geschichte der Stadt Salzwedel seit ihrer Gründung bis zum Schlusse des Jahres 1810, aus Urkunden und glaubwürdigen Nachrichten, Halle 1811. Preger, Wilhelm: Matthias Flacius Illyricus und seine Zeit, Erste Hälfte, Erlangen 1859. -: Matthias Flacius Illyricus, Bd. 1-2, Erlangen 1859-61, Nachdruck Hildesheim Nieuwkoop 1964. Pressei, Theodor: Justus Jonas, Elberfeld 1862. Preuß, Adolf: Chronik der Stadt Salzwedel, Salzwedel1927. Programm des Johanneums zu Lüneburg, Lüneburg 1848-1886. Pröhle, H.: Art. Seidel, Martin Friedrich, ADB 33, 623-625. Pyl, Theodor: Art. Mayer, Johann Friedrich, ADB 21, 99-108. -: Art. Rango, Konrad Tiburtius, ADB 27, 230-232. -: Art. Schlüsselburg, Konrad, ADB 31, 606f. Rabenau, Konrad von: Glasfenster der Reformationszeit in der St. Katharinenkirche zu Salzwedel, in: Maercker, Karl-Joachim (Hg.), Die mittelalterliche Glasmalerei im Stendaler Dom. Kongreßbericht des wissenschaftlichen Kolloquiums in Stendal vom 17.-19. Oktober 1988, (Corpus vitrearum Medii Aevi 5,1), Berlin 1988. Ratke, Gerhard: Art. Sibyllen, Der Kleine Pauly, Bd. 5, 158-161. Rau, Gerhard: Art. Hyperius, Andreas, TRE 15, 778-781. Raupp: Art. Pregizer, Christian Gottlob, BBKL 7, 917-923. Reinhard, Uta: Die evangelischen Pastoren in Lüneburg (1530-1580), in: Reformation vor 450 Jahren. Eine Lüneburger Gedenkschrift, Lüneburg 1980, 113-170. Repo, Matti: Die christologische Begründung der Unio in der Theologie Johann Amdts, in: Repo u.a. (Hg.), Unio, 249-274. Repo, Matti/ Vinke, Rainer (Hg.): Unio. Gott und Mensch in der nachreformatorischen Theologie. Referate des Symposiums der Finnischen Theologischen Literaturgesellschaft in Helsinki 15.-16. November 1994, (SLAG 35), Helsinki 1996. Richter, Matthias: Gesetz und Heil. Eine Untersuchung zur Vorgeschichte und zum Verlauf des sogenannten Zweiten Antinomistischen Streits, (FKDG 67), Göttingen 1996. Ritschl, Albrecht: Geschichte des Pietismus, Bd. 1-3, Bonn 1880-86, Nachdruck Berlin 1966. Ritschl, Otto: Dogmengeschichte des Protestantismus. Grundlagen und Grundzüge der theologischen Gedanken- und Lehrbildung in den protestantischen Kirchen, Bd. 1-
345
4, Leipzig 19081 Göttingen 1927. Rogge, Joachim: Art. Agricola, Johann, TRE 2, 110-118. -: Johann Agricolas Lutherverständnis, (ThA 14), Berlin 1960. Roosbroeck, Robert van: Wunderjahr oder Hungerjahr? Antwerpen 1566, in: Petri, Franz (Hg.), Kirche und gesellschaftlicher Wandel in deutschen und niederländischen Städten der werdenden Neuzeit, Köln! Wien 1980, 169-196. Roth, Fritz: Restlose Auswertungen von Leichenpredigten und Personalschriften für genealogische Zwecke, Bd. 1-10 Boppard 1959-1980. Rublack, Hans-Christoph (Hg.): Die lutherische Konfessionalisierung in Deutschland. Wissenschaftliches Symposion des Vereins für Reformationsgeschichte, Gütersloh 1988. Salzer, Anse1m: Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des Mittelalters. Mit Berücksichtigung der patristischen Literatur. Eine literar-historische Studie, Neudruck Darmstadt 1967. Sauser, E.: Art. Wunden Christi, LCI 4 (1973),540-542. Scheible, Heinz: Art. Major, Georg, TRE 21,725-730. Schicketanz, Peter: Carl Hildebrand von Cansteins Beziehungen zu Philipp Jacob Spener, (AGP 1), Witten 1967. Schmidt, Georg: Das Geschlecht von der Schulenburg, Teil 1-3, Beetzendorf 18971908. Schmidt, Hans Georg: Die Evangelische Kirche der Altmark, ihre Geschichte, ihre Arbeit und ihr Einfluss, Halle a. S. 1908. Schmidt, Martin: Art. Scriver, Christian, RGG3 5, 1627f. -: Pietismus, Stuttgart 31972 Teilnahme an der göttlichen Natur. 2.Petr. 1,4 in der theologischen Exegese des Pietismus und der lutherischen Orthodoxie, in: ders., Wiedergeburt und Neuer Mensch, (AGP 2), Witten 1969,238-298. Schmidtke, Dietrich: Art. Pflanzenymbolik V., TRE 26, 419-429. -: Studien zur dingallegorischen Erbauungsliteratur des Spätmittelalters. Am Beispiel der Gartenallegorie, Tübingen 1982. Schnaase, Eduard: Geschichte der evangelischen Kirche Danzigs actenmäßig dargestellt, Danzig 1863. Schneider, Hans: Der radikale Pietismus im 17. Jahrhundert, in: GdP 1,391-437. -: Der radikale Pietismus im 18. Jahrhundert, in: GdP 2,107-197. -: JohannAmdts Studienzeit, JGNKG 89 (1991),133-176. Schnell, Uwe: Die homiletische Theorie Philipp Melanchthons, (AGTL 20), Berlin Hamburg 1968. Schönfeld, H./ Schreckenbach, H.J.: Bibliographie zur Geschichte der Mark Brandenburg. Teil V Altmark, Weimar 1986. Schröder, Tilmann Matthias: Das Kirchenregiment der Reichsstadt Esslingen. Grundlagen - Geschichte - Organisation (Esslinger Studien Schriftenreihe 8), Esslingen a. Neckar 1987. Schultze, Johannes: Die Mark Brandenburg, Bd. 4, Berlin 1964. Schulz, Frieder: Die Gebete Luthers. Edition, Bibliographie und Wirkungsgeschichte, (QFRG 44), Gütersloh 1976. Schulze, Berthold: Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik, Berlin 1935.
346
Schumacher, Gert-Horstl Wischhusen, Heinzgünther: Anatomia Rostochiensis. Die Geschichte der Anatomie an der 550 Jahre alten Universität Rostock. Auf der Grundlage von Richard N. Wegner zur Geschichte der anatomischen Forschung an der Universität Rostock, Berlin 1970. Schumacher-Wolfgarten, R.: Art. Rose, LCI 3 (1971), 563-568. Schumann, Sabine: Joachim Mynsinger von Frundeck (1514-1588). Herzoglicher Kanzler in Wolfenbüttel - Rechtsgelehrter - Humanist. Zur Biographie eines Juristen im 16. Jahrhundert, (Wolfenbüttler Forschungen 23), Wiesbaden 1983. Schwarz, Reinhard: Der Satz "Ich bin Christus" im Kontext der Unio mystica. Die Rezeption eines Luther-Textes durch Philipp Jakob Spener, PuN 21 (1996), 84103. Schwarze, R.: Art. Praetorius, Abdias, ADB 26 (1888), 513f. Seifert, Arno: Reformation und Chiliasmus. Die Rolle des Martin Cellarius-Borrhaus, ARG 77 (1986), 226-263. Söderlund, Rune: Der Unio-Gedanke in der Konkordienformel, in: Repo u.a. (Hg.), Unio, 62-71. Steitz, Heinrich: Art. Rambach, Johann Jakob, RGG3 5, 775. Stoeffler, F. Emest: The Rise ofEvangelical Pietism, Leiden 21972. Stoob, Heinz (Hg.): Deutscher Städteatlas, 3. Lieferung, Blatt Salzwedel, Dortmund 1984. Sträter, Udo: Meditation und Kirchenreform in der lutherischen Kirche des 17. Jahrhunderts, (BHTh 91), Tübingen 1995. Philipp Jakob Spener und der "Stengersche Streit", PuN 18 (1992), 40-79. Sonthom, Bayly, Dyke und Hall. Studien zur Rezeption der englischen Erbauungsliteratur in Deutschland im 17. Jahrhundert, (BHTh 71), Tübingen 1987. Stupperich, Robert: Art. Rußland. III., RGG3 5, 1247-1251. -: Melanchthon, Berlin 1960. Teichmann, Wemer: Bording, Jacob d.Ä., in: Pettke (Hg.), Biographisches Lexikon 1, 36-39. Teitge, Hans-Erich (Hg.): Handschriften zur Geschiche Berlins und der Mark Brandenburg. Eine Auswahl aus den "Manuscripta Borussica" der Deutschen Staatsbibliothek, (Deutsche Staatsbibliothek, Handschrifteninventare 11), Berlin 1988. Tiililä, Osmo: Die ältesten Übersetzungen der deutschen pietistischen Literatur in Finnland, ThLZ 84 (1959), -: Rukoilevaisten kirjoja, (Suomen Kirjallisuuden Toimituksia 270), Helsinki 1961. Treu, Ursula: Christliche Sibyllinen, in: Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2, 591-593. Tschackert, Paul: Art. Mengering, Amold, ADB 21, 348. Ullmann, Wolfgang: Art. Magdeburg, TRE 21,677-686. Valentin: Art. Magdeburg, MGG 8, 1476f. Wallmann, Johannes/ Laasonen, Pentti (Hg.): Der Pietismus in seiner europäischen und außereuropäischen Ausstrahlung, (SKHST 157), Helsinki 1992. Wallmann, Johannes: Art. Calov, Abraham, TRE 7,563-568 .. -: Beziehungen des frühen Pietismus zum Baltikum und zu Finnland, in: Wallmann u.a. (Hg.), Der Pietismus in seiner europäischen Ausstrahlung, 49-87. -: Der Pietismus, KIG 4/01, Göttingen 1990. -: Die Eigenart der Straßburger lutherischen Orthodoxie im 17. Jahrhundert. Apoka-
347
lyptisches Endzeitbewußtsein und konfessionelle Polemik bei Johann Conrad Dannhauer, in: ders., Theologie und Frömmigkeit, 87-104. Philipp Jakob Spener und die Anfänge des Pietismus, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage (BHTh 42), Tübingen 1986. Reich Gottes und Chiliasmus in der lutherischen Orthodoxie, in: ders., Theologie und Frömmigkeit, 105-123. Spener und Dilfeld. Der Hintergrund des ersten pietistischen Streites, in: ders., Theologie und Frömmigkeit, 197-219. Theologie und Frömmigkeit im Zeitalter des Barock. Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1995. Was ist Pietismus?, PuN 20 (1994/1995), 11-27. Weber, Edmund: Johann Arndts vier Bücher vom wahren Christentum als Beitrag zur protestantischen Irenik des 17. Jahrhunderts. Eine quellenkritische Untersuchung, Hildesheim 31978. Weber, Hans Emil: Reformation, Orthodoxie und Rationalismus, Bd. 1-2, (BFChTh 11,35.45.51), Gütersloh 1937-1952. Weismann, Christoph: Die Katechismen des Johannes Brenz, Bd. 1: Die Entstehungs-, Text- und Wirkungsgeschichte, Berlin/ New York 1990. Wentz, Ernst Otto: Die Familie Stampehl in Salzwedel, JAVVGS 52 (1938), 21-28. -: Die Soltquellensien des Dr. Elias Hoppe 1735-1750, ASF 16 (1939), 13-15. Widen, Bill: Die "Geistliche Schatzkammer" von Stephan Prätorius in Finnland, in: Wallmann u.a. (Hg.): Der Pietismus in seiner europäischen Ausstrahlung, 11-21. Wiegand, Hermann: Nathan Chytraeus als neulateinischer Dichter, in: Elsmann u.a. (Hg.), Nathan Chytraeus, 41--47. Windel, Rudolf: Ueber eine Studienordnung für angehende Studenten aus dem Jahre 1588, NJPP 12 (1909), 276-278. Woehlkens, Erich: Pest und Ruhr im 16. und 17. Jahrhundert. Grundlagen einer statistisch-topographischen Beschreibung der großen Seuchen, insbesondere in der Stadt Uelzen, Uelzen 1954. Wolff, Paul: Art. Praetorius, Abdias, RE3 15 (1904), 612-614. -: Art. Praetorius, Stephan, RE3 15 (1904), 614-617. Zahn, Johannes: Die Melodien der deutschen evangelischen Kirchenlieder, aus den Quellen geschöpft und mitgeteilt, Bd. 1-6, Gütersloh 1889-1893. Zahn, Wilhelm: Altmärker auf der Universität Frankfurt a. O. 1506-1648, JAVVGS 27 (1900), 30-75. -: Geschichte der Armen- und Krankenpflege in der Altmark, JAVVGS 31 (1903), 1132. Zeeden, Ernst Walter: Hegemonialkämpfe und Glaubenskämpfe, Propyläen Geschichte Europas 1556-1648, Bd. 2, Frankfurt a.M./ Berlin/ Wien 1977. Zeller, Winfried (Hg.): Der Protestantismus des 17. Jahrhunderts, (KlProt 5), Bremen 1962. Augustin Fuhrmann und Johann Theodor von Tschesch, in: ders., Theologie und Frömmigkeit, Bd. 1, 117-153. Protestantische Frömmigkeit im 17. Jahrhundert, in: Zeller, Winfried (Hg.), Theologie und Frömmigkeit, GAufs. 2, (MThSt 1), Marburg 1971, 85-116. Theologie und Frömmigkeit. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Bernd Jaspert, Bd. 1-2, (Bd.l: MTHSt 8; Bd. 2: MThSt 15), Marburg 1971-1978.
348
IV. Register 1. Personen
Aesop 36 Agricola, Johann 38,42, 55f, 61, 142, 197,203,208,229,243,269 Aischylos 76 Althamer, Andreas 203 Alvensleben (d.Ä.), Gebhard von 59 Alvensleben (d.J.), Gebhard von 62, 255,259 Ambrosius 73, 110 Ammersbach, Heinrich (=Hansen, Heinrich 10, 61, 218ff, 245, 247f, 250 Amsdorf, Nicolaus von 81, 153 Andreae, Johann Valentin 56, 223, 238,250 Anna von Hohenstein, Gräfin von Hohenzollern, Sigmaringen und Vehringen 54, 144 Anselm von Canterbury 244 Anton, Paul 285 Apitz, Bartholomäus 224 Appelrath, Joachim 46,146 Aristophanes 76 Arndt, Johann 7, 10, 14f, 17-25, 40, 52, 91, 111, 125, 127, 139, I 64ff, 173f, 179, 189, 196, 199, 20lf, 209-218, 222-228, 238ff, 244f, 248,250, 260,262-266,271,273f, 281f, 284, 287, 293, 296f, 299f Arnim, Wolfgang von 55 Arnobius 73 Arnold, Gottfried 10, 17, 20, 22, 27, 239f, 250, 290, Athanasius 73,81 Augustin, Aurelius (Pseudo-Augustin) 21,23,43, 5lf, 72f, 81, 101f, 104, 110, 140, 145, 152, 154, 175,216, 244,256,277 Aurelius, Marcus 86 Bäck, Johannes 297 Bacmeister, Lucas 18,31,35,37,40, 57,112 BaeIter, Sven 297
Balthasar, Augustin 249 Barstmann, Nikolaus 55 Barstorff, Paul 200 Bartensleben, Bertha Sophie von 54, 154f, Bartensleben, Franz von 43 Bartensleben, Gunzel von 138 Basilius 73, 140, 158 Bathelius, Johannes 31 Battus, Levinus 41, 112 Baumann, Amold 45ff, 54, 13lf Baumann, Barbara 46 Baumann, Elisabeth 45 Baumgarten, Siegmund Jacob 17 Baxter, Richard 240 Bayly, Lewis 210,244,260 Becker, Konrad 112 Beda Venerabilis 152 Behm, Martin 191 Beier, Christoph Wilhelm 27, 31 Bengel, Johann Albrecht 292f Bernhard von Clairvaux 21, 23, 66, 73, 81f, 109f, 124, 157f, 208, 238, 244 Besold, Christoph 223f,287 Betke, Joachim 238 Bevernest, Theodor von 157f Beza, Theodor 73, 75 Bierstedt, Amold 30, 79ff, 83, 85 Binder, Heinrich 183 Birken, Sixtus 199 Blank, Michael 225 Blücher, Anna Catharina von 295 Bock, Hieronymus 75, 88f, 91, 98 Bogatzky, Karl Heinrich von 11, 286, 293 Bogislav, Herzog von Pommern 41, 106 Böhme, Jakob 20,92,224,237,248, 286 Bonus, Joachim 190 Bording, Jacob d.Ä. 74, 112 Bording, Philipp 32, 112 Borrhaus, Martin 188,218
349
Botsack, Johannes 247 Brandenburg, Achatius von 57 Breckling, Friedrich 7, 10, 238ff, 250, 259 Breder, Lorenz 138 Brenz, Johannes 104, 108, 121, 135, 141ff, 147, 152, 185,221,223,235, 241,279 Breslow, Joachim 42 Brotbeck, Johann Conrad 11, 255, 259,263,284, 287f Brunfels, Otto 75, 98 Bugenhagen,Johannes 101,108,238 Buntemeier, Johann 126,190 Bunyan, John 278 Burk, Phi1ipp David 292f Buscher, Anton 263 Calov, Abraham 16f, 235f, 250, 265, 290 Calvin, Johannes 19, 36, 50, 56, 58, 75, 90, 115, 118, 132, 136, 144, 159,186,206,208,232,248, Calvör, Kaspar 211 Camerarius, Heinrich 41, 106, Camerarius, Joachim 32, 73 Canstein, Freiherr Carl Hildebrand von 256,267,276 Carpzov, Samuel Benedikt 262 Cäsar 76 Caselius, Johannes 18, 35f, 40, 75 Casmann, Otto 222 Castellio, Sebastian 166, 188, 199 Cellarius, Balthasar 109,188,246 Cellius, Alexander 224 Chemnitz, Martin 56,116, 156,241 Christian III., König von Dänemark 119 Chrysostomus 73, 110, 152 Chytraeus, David 18, 20, 23, 27, 3241,44,56f,67,69,71-79,81,85ff, 112, 119, 133, 135, 139, 142, 148, 155, 157, 161, 173, 179, 183, 196, 207,229,264,276,289 Chytraeus, Margarete 37 Chytraeus, Nathan 18,32, 35f, 40, 42 Cicero 67, 69 Cleinow, Wilhelm 47 Clemens Alexandrinus 39,73,97,99, 102, 110,220 Clingius, Bartholomäus 74
350
Coelius, Michael 220 Corner, Christoph 56 Corvinus, Johannes 225,234 Cramer, Andreas 11, 221, 253ff, 260, 263f, 266, 269, 271 Cranach, Lucas 53 Crato, Johannes 45, 68 Crusius, Michael 52, 172, 217, 218, 219 Cuno,Johannes 19,51,56,58,63 Curione, Celio Secondo 172,188 Cyprian 51, 73, 102, 124, 145 Cyrenius, Joachim 30 Cyriacus, Johannes 40, 112 Cyrill 73 Dahlberg, Gustav 12,297f Dambeciana (Magd) 198 Dannhaue~Johann 246,251,253,258 Dantz, Elias 263 Dilfeld, Georg Konrad (=Rebhan, Balthasar) 10, 60, 218, 243, 245-248, 253,264,290 Dilger, Danie1 225 Dilherr, Johann Michael 244 Diodor 76 Dionysius Areopagita (=Pseudo--Dionysius) 20, 73, 109, 145, 167, 208, 229,287 Dioscorides 77,95 Distelmeier, Lampert 79 Dorstadt, Christoph von 167,199 Dressler, Gallus 123, 190 Dunte, Ludwig 244 Düsedow, Hippolita von 180 Eber, Paul 123 Eckstedt, Adelheid von 179 Eckstedt, Maria von 179 Egard, Paul 238, 259, 267 Eggerdes, Petrus 112 Elswich, Johann Hermann von 11,250 Epiphanius 73, 102 Erasmus von Rotterdam 73, 77, 223, 238 Ernst Ludwig, Herzog von Stettin 123 Ernst, Herzog von Sachsen 246 Euripides 75f Euseb 73, 152 Ewald, Johann Ludwig 240
Fabricius, Theodosius 222 Feller, Joachim 81,245 Feneberg, Johann Michael 291 Femelius, Johannes 74 Feustking, Johann Heinrich 11,250 Fischer, Christoph 142 Fischer, Johann 256, 264f Flacius Illyricus, Matthias 76,81, 112, 115f, 123, 153f, 158,223 Fontane, Theodor 49 Forster, Johannes 72 Forstmann, Johann Gangolf Wilhelm 11,287 Franck, Sebastian 39, 203 Francke, August Hermann 11, 210, 221, 272-275, 278,280,284,296f Frankenberg, Abraham von 286 Frantz von Antorff 113 Freder, Johannes 37,40,42,87,93 Fresenius, Johann Philipp 282, 294 Freudenhammer von Freudenheim 224 Friedrich II., König von Dänemark und Norwegen, Herzog von Schleswig und Holstein 118f Friedrich, Markgraf von Brandenburg 138 Froben,Johann 77 Fuchs, Leonhart 75,91, 94f, 98 Fuhrmann, Augustin 10,67, 237f Galen 32,41,74,98 Gallus, Georg 81 Gedicke, Simon 59, 61 Gehne, Andreas 135 Gellius 69 Gercken, Claus (d.Ä.) 53, 145 Gercken, Georg 145 Gercken, Johann 44f Gercken, Nicolaus 44f Gercken, Nicolaus (d.Ä.) 45f Gerhard, Johann 213,222 Gerson, Johannes 90, 231 Gibenus, Peter 28, 139 Gigas, Jobus 149 Glaser, Theodor 36 Göden, Anna (geb. Möller) 83, 172, 285 Göden, Hermann 172, 198, Göden, Jakob 44f Götze, Joachim 126
Grefwe, Amund 295 Gregor d. Große 122,152 Gregor von Nazianz 73, 145 Gregor von Nyssa 73, 158 Gronenberg, Simon 77, 142 Grosseteste, Robert 183 Guicciardini 76 Güssow, Andreas 127 Habermann, Johann (Avenarius) 22, 72 Hafenreffer, Matthias 222 Hahn, Michael 293 Hahn, Philipp Matthäus 291,293 Halikarnassus, Dionysius 76 Hamelmann, Hermann 112 Hans, Jürgen 46 Hartknoch, Christoph 16f, 225 Hartmann, Johann Ludwig 254, 260 Haußmann, Anna 177 Hedberg, Fredrik Gabriel 297f Hedwig, Herzogin von Braunschweig und Lüneburg 123, 168 Heinrich, Herzog von Mecklenburg 112 Heinsius, Martin 17,59, 61f Heinzelmann, Johannes 220 Henhöfer, Aloys 291 Henniges, Erasmus 180 Herberger, Valerius 222 Herbert, Heinrich Nikolaus 286 Herodot 34,69, 75f Heshusius, Tilemann 18,33, 117, 123 Hesiod 75 Hessus, Eobanus 76 Hieronymus 73, 87, 104, 110, 132, 134,244 Hilarius 73 Hildebrandt, Friedrich 245 Hiller, Philipp Friedrich 294 Hippokrates 32,41,74,98, 126, Hoburg, Christian 20,238, 248f, 259, Hoffinann, Daniel 222 Homer 36,75 Hoppe, Elias 27f, 59 Horaz 76 Hus, Jan 51, 157f, 164f, 293 Hutter, Leonhard 222, 241 Hyperius, Andreas 275f Ignatius 73, 121, 187,202
351
Irenäus 73 Iwan IV. ("der Schreckliche"), Zar von Russland 119 Jagow, Matthias von 55 Joachim Friedrich, Kurfiirst von Brandenburg 59, 61 Joachim 1., Kurfürst von Brandenburg 54 Joachim 11., Kurfürst von Brandenburg 28,43,55,56,79,123 Joachim, Graf von Hohenzollern 144 Johann Albrecht, Herzog von Mecklenburg 36, 40 Johann Friedrich, Herzog von Pommern und Stettin 161 Johann Georg, Markgraf und Kurfürst von Brandenburg 56, 79, 138, 144, 175 Johann ill., König von Schweden 118 Johann, Markgraf von Küstrin 56 Johannes Damascenus 73 Johannes vom Kreuz 240 Johannes, Erasmus 65 Johannes, Prinz von Dänemark 35 Jonas, Justus 88 Josephus 73 Julius, Herzog von Braunschweig und Lüneburg 123,168,241 Justin 39, 69, 73 Juvenal 76 Karl V., Kaiser 59 Kegel, Philipp 222 Kemnitz, Joachim 59,61 König, Samuel 295 Königstedt, Johannes von 198 Krage, Nicolaus 55 Kriegsmann, Johann Samuel 221,262 Kriegsmann, Wilhelm Christoph 262f Kroneck, Freiherr Moritz von und zu 288f Kröner, Michael 50, 113, 127, 153, 183 Lademan, Christoph 60, 246 Laktanz 73, 134, 199f, 203, 215 Lappius, Nikodemus 240 Lau, Samuel 11, 225, 242, 284, 285 Laurentius, David 190 Leade, Jane 295
352
Leutnichhausen, Johannes 143 Lincun, Robert von 183 Litzman, Dorothea 28, 189 Livius 66,69,76 Lombardus, Petrus 73, 89 Lorber,Johannes 152f Lorber, Katharina 152 Lossius, Lukas 31,35, 149 Lucius d.Ä., Jacob (Transsylvanus) 39,86 Luffi, Hans 39 Lukrez 76 Luther, Martin 7, 10, 13f, 16-25, 30, 33,37,43,45,51,53, 55ff, 60, 71, 74-78, 80f, 83f, 86, 90f, 94f, 97, 101f, 104f, 108, 112-117, 119f, 123f, 129, 133-146, 148f, 151-157, 159-164, 167, 170, 172-175, 177, 18lf, 185ff, 190f, 193, 196, 202, 206-210, 216f, 219-223,225,227232, 234f, 237-243, 247ff, 251254, 256, 258-264, 266f, 269, 271, 277-280, 282-287,290,292f,296301 Lütkemann, Joachim 244f, 263, 267 Lütkens, Franz Julius 277 Lynar (Lienar), Graf Rochus Quirinius zu 42f, 54, 56, 174, 175 Magdeburg, Joachim 123 Magnus, Prinz von Dänemark 35 Major, Georg 13, 123, 141, 153f, 165, 208 Major, Johannes 80 Makarius 73 Manutius, Paul 68 Margarete von Parma, Herzogin der Niederlande 112 Martial 73 Matthias (Hofrat) 55 Mauritius, Caspar 66 Maximus Confessor (Bischof) 150, 152 Mayer, Johann Friedrich 279 Medebeck, Sebastian 46 Meissner, Wolfgang 106 Melanchthon, Philipp 7, 13, 18ff, 24f, 28, 32-35, 37, 40ff, 45, 51, 54, 56ff, 67-70, 73f, 76, 78, 80ff, 86, 88,92, 102, 105f, 108, ll1f, 116f, 120, 123, 133ff, 137, 142, 145,
147ff, 152f, 161f, 182, 188, 190, 192f, 202, 204f, 207, 209, 223, 229, 235,241,299 Melissander 244 Mengering, Amold 10,242,243 Mentzer, Balthasar 222 Meth, Ezechiel 234, 247, 292 Meurer, Johann Christoph 275ff Michael der Tapfere, Fürst der Walachei 128 Minutius Felix 51,73 Molinos, Michael de 273 Möller, Joachim 43, 172 Moller, Martin 13f, 21, 23ff, 81, 101, 121,195,222,248f Möllmann (Myliander), Stephan 86 Monau, Jakob 155 Morata, Olympia 172 Mörlin, Joachim 41,156 Mosheim, Johann Lorenz von 17 Muhlius, Hinrich 277 Müller, Anna Sibylla 265 Müller, Benedikt 224 Müller, Christoph 61 Müller, Heinrich 263 Münster, Sebastian 72 Murad llI., Sultan 129 Musculus, Andreas 19, 28f, 56f, 73, 81,238 Musculus, Wolfgang 140 Mynsinger von Frundeck, Joachim 117 Neander, Michael 19, 73, 222, 238 Neudorf (Neodorpius), Moritz (Mauritius) 170,185, 218f, 221ff, 266 Neumann, Johann Georg 278 Neuwald, Hermann 236 Nicolai, Philipp 14, 20f, 23f, 51, 60, 92,101,119,155,222,244,251 Nicolaus von Lyra 73 Nikephorus 73 Nordström, Anders 296 Novatian 150 Oetinger, Friedrich Christoph 200, 292f Olearius, Gottfried 10, 60, 243f, 246f, 259 Oporinus, Johannes 166,172, 199 Optatus von Mileve 145
Origenes 73, 104 Orpheus 76 Osiander, Andreas 13, 19, 136, 154, 158, 162, 166,208,234, 242f, 257, Osiander, Lukas 72, 222 Ovid 76 Panwitz, Sophie von 224 Paracelsus 40f, 91, 112,224, Pauli, Simon 18,20,31,35,37, 40f, 57, 78f, 92f, 235 Pelargus, Christoph 58f Pentz von Pentzenau, Johann Heinrich 254 Pema, Peter 172 Pertz, Hans 163 Pertz, Jakob 163 Petersen, Johann Wilhelm 47, 293, 295 Petersen, Johanna Eleonora geb. von Merlau 250 Petkum, Johann Hieronymus von 277 Petrarca, Francesco 164f Petri, Andreas 138,215 Peucer, Kaspar 40,76,81 Pfaff, Christoph Matthäus 278 Pfuel, Johann Emest 249 Philipp, Herzog von Pommern 41, 106 Philippus, Johannes 171 Philo von Alexandrien 73,80 Phokylides 75 Pistorius 58, 112 Platon 81 Plautus 76 Plinius 67f, 79, 88 Plotin 81 Plutarch 69, 75, 76 Porst, Johann 11,278-281 Posen, Georg 138 Posselius, Johannes 18, 35f, 40 Praetorius, Abdias (Gottschalk) 28ff, 47, 55f, 123 Praetorius, Andreas 47 Praetorius, Amold 46 Praetorius, Elisabeth 45 Praetorius, Jakob 47 Praetorius, Joachim 46 Praetorius, Jürgen 46 Praetorius, Katharina 45f Praetorius, Peter 28,67, 189 Praetorius, Sebastian 46
353
Pregitzer, Georg Conrad 11,290 Pregizer, Christian Gottlob 7, 11, 23, 291-294 Properz 76 Prudenz 76 Prunner 58 Pseudo-Augustin (siehe Augustin) Pseudo-Dionysius (siehe DionysiusAreopagita) Putlitz, Anna von 138 Pythagoras 75 Quintilian 67ff,74 Radeband, Joachim 42 Rademacher, Bartholomäus 57 Rademin, Barbara 53 Rahtmann, Hermann 16,225,235 Rambach, Johann Jakob 11, 280ff, 297 11, 17, Rango, Konrad Tiburtius 248ff,290 Reiche, Henning 21 Reichenbach, Gräfin von 220 Reineccius, Jacob 221f Reinhart, Samuel 128 Reis, Johann 288 Rhau, Georg 123 Rhegius, Urbanus 76,141ff Rhenanus, Beatus 145 Rieseberg, Bartholomäus 30 Ringwald, Bartholomäus 19 Risleben, Nicolaus 27, 44f, 64 Röseler, Matthaeus 31 Rosenius, Carl Olof 298 Roß, WiJhelm 135 Rothe, Heinrich 142, 147f RudolfII., Kaiser 128 Sabinus, Georg 75f Sachs, Hans 80 Sack, Siegfried 31,79,123 Sales, Franz von 240 Saliger 112 Sallust 76 Sandäus, Maximilian 279 Sarcerius, Erasmus 141, 143 Sartorius (Pfarrer) 292 Säuberlich, Lorenz 145 Schacht, Valentin 32, 35, 37, 40f, 92, 106
354
Schade, Johann Caspar 268, 287 Schellenberg, Wemer 118 Schelwig, Samuel 11,250 Schenck, Nikolaus 123 Scherertz, Sigismund 210,244 Schermer, Georg 40 Schlüsselburg, Konrad 117, 119ff Schmale Joachim 28, 139 Schneider, Johann Conrad 248 Schneidewin, Johannes 74 Schnepf, Erhard 32, 123 Schreck, Georg 174,216 Schulenburg, Agnes von der 154 Schulenburg, Albrecht (IV.) von der 29 Schulenburg, Albrecht (VI.) von der 68 Schulenburg, Busso von der 154 Schulenburg, Christoph (V.) von der 68 Schulenburg, Daniel von der 43 Schulenburg, Hans (XI.) von der 154 Schulenburg, Ilse von der 154 Schulenburg, Joachim Friedrich von der 154 Schulenburg, Joachim Johannes Georg von der 109 Schulenburg, Levin (IV.) von der 154, 198 Schulenburg, Levin von der 154 Schulenburg, Matthias von der 43 Schulenburg, Wemer (XVII.) von der 154 Schultze, Jürgen 28 Schulze, Paul 44 Schurmann, Anna Maria von 59 Schuster, Christian 274,277 Schwartz,Josua 277f Schwenckfeld, Kaspar von 22, 225, 234 Scriver, Christian 10,240, 244f,263, 289,297 Scultetus, Abraham 248f Seger, Heinrich 52, 171 Seidel, Martin Friedrich 59 Seidenbecher, Georg Lorenz 250 Seitz, Petrus 66, 68, 77 Selfisch (Buchhändler) 145 Seinecker, Nikolaus 142 Senan Pascha 128 Senensis, Sixtus 183
Sesemann, Johann Philipp 220f,287 Seuse, Heinrich 216 Sibbern, Nicolaus 277 Sibylla Erithraea 199f,203 Sibylle der Altmark 133, 196f Sibylle von Salzwedel 198,200 Sonthom, Emanuel 210, 244, 260 Sophia Hedwig, Herzogin zu Stettin, Fürstin zu Rügen 123 Sophokles 36, 76 Spahrrnann, Victorinus 220 Spalatin, Georg 104 Spangenberg, Johannes 68,112 Spener, Philipp Jakob 7, 11, 17-20, 22f, 62, 176, 210, 221, 224, 228, 240, 243, 245f, 248-272, 276ff, 280-284, 288f, 293f, 296f, 299f Sperling, Casper Otto 295 Sperling, Jürgen 295 Spizel, Gottlieb 260 Stampehl, Georg 63 Stampehl, Joachim 145 Stampehl, Pasche 145f Starcke, Georg 32, 42, 149 Starcke, Werner 118 Statius, Andreas 226f Statius, Martin 7, 10, 15-18, 111, 182, 221,225-236,238, 240ff, 247-254, 257ff, 262, 265ff, 271, 278f, 281, 284, 288, 290f, 295, 299f Staudt, Jakob Heinrich 12, 294, 297 Stegemann, Johannes 69 Steinbrecher, Joachim 57 Steiner, Samuel 10, 240, 242 Steinmetz, Johann Adam 11, 282f Stenger, Johann Melchior 246, 248, 255 Stern, Hans (I.) 212 Stern, Heinrich d.Ä. 212 Stern, Johann (11.) 212 Stiefel, Esajas 234, 247 Stigel, Johannes 76, 123 Stoll, Joachim 261 Striepe, Balthasar 138, 179 Strigel, Victorin 123 Sturm, Johannes 36 Symmachus, Joachim 29f, 42, 44, 55 Tauler, Johannes 216,244 Terenz 76 Tertullian 73
Theodoret 73,132,152, 188,218 Theognis 76 Thomas von Kempen 87,92,98, 104, 216 Thukydides 34, 76, Thyme, Clemens 220 Tibull 76 Tiderus, Arvid 295 Tieffenbach, Johannes Anton 251, 256,258 Töbing, Lenert 149 Tschesch, Johann Theodor von 10, 237f Tuckermann, Eberhard 63 Tulichius, Hermann 31 Tunnichaeus (Tönnich), Johannes 32, 40,89 Ulrich, Herzog von Mecklenburg 32, 41,106 Valerius 69,222 Vatabilus, Franz 72 Veiel, Elias 270 Veltheim, Anna Maria von 198 Veltheim, Dorothea von 29 Vergil 76 Victorinus 133, 135, 170,220 Viridarius, Johannes 183 Vives, Johannes 51, 133f Vogt, Johann 212 Wagner, Tobias 11,239,276, 288f Walch, Johann Georg 17 Walter, Johann 191 Weigel, Valentin 18, 20ff, 125, 225, 234f, 244, 248f, 257, 286 Weinlöben, Johann 55 Weismann, Christian Eberhard 11, 278,289f Weißensee, Friedrich 190 Welack,Matthaeus 68,145 Weller, Hieronymus 142,222 Weller, Jakob 239,242,289 Wenckstern, Anna von 43, 124, 138 Wenzel, Andreas 58-61 Weyda, Michael 193f Wickmann, Christoph 123,216 Wiendruwe (Weindraub, Weintraube), Petrus 153, 157 Wigand, Johannes 220
355
Wild, Johann 117 Wildhagen, Caspar 277 Winckler, Johann 262 Wolters (Theologiestudent) 269f Wreech, Curt Friedrich von 296
Xenophon 69, 75, 76 Zaruth, Hans 54 Zinzendorf, Nikolaus Grafvon 287 Zwinger, Theodor 40
2. Orte
Abo 297 Altenburg 242, 278ff Altona 221,287 Amsterdam 115,238 Antwerpen 26,90, 112-119, 123 Arendsee 48,138,179 Arnstadt 240 Aschersleben 210 Augsburg 226, 260
Dänemark 12, II 8, 277 Danzig 16, 225, 234ff, 247-250, 265, 286 Darmstadt 262 Deutschland 7, 10, 18, 122, 176,210, 237,274,296,300 Diesdorf 68 Dramburg 60, 246 Dresden 174,242,251,254,262,270
Badeborn 210 Ballenstedt 210 Basel 40, 72, 101, 117, 155, 166, 172, 188,199,210,251,294 Bautzen 220 Beetzendorf 155, 198 Bergen (Norwegen) 118 Berlin 28, 32, 38, 42, 58f, 62, 167, 220,248,251,268,270,278 Bern 270, 295 Besigheim 291 Bologna 112, 154 Brandenburg 19, 42, 54-57, 59-62, 79, 123, 128, 138, 144, 174, 187, 255f, 258, 282 Braunschweig 41, 57, 116, 123, 156, 168,210 Bremen 36 Brieg 237 Brügge 26 Büdingen 295
Eisleben 42,55, 138, 147,210 England 36 Erfurt 73, 234, 246 Esslingen 288f
Calugarini 128 Carlshamn 296 Catlow 224 Celle 210 Clausthal-Zellerfeld 211 Colditz 220 Cottbus 224
356
Fehmarn 36 Finnland 12, 119, 296ff, 300 Frankfurt Frankfurt a.M. 87, 113, 117, 119, 122, 225,251,254,265,267,268,277 Frankfurt a.O. 27,28,31,59,62,63, 145, 154, 167,224 Frankreich 36 Freiburg 117 Gadebusch 117 Gaildorf 291 Gardelegen 30, 55, 79, 123 Gent 26 Giebichenstein 255 Gießen 251, 280 Glaucha 272 Glückstadt 277 Goslar 212,218 Gotha 8,38,59,234,249 Gotland 26 Grafenberg 291 Greifswald 248f Grönland 119 Grünthai 292
Güstrow 37,75 Haiterbach 29lf Halberstadt 109,210,218, 247f Halland 295 Halle a.d. Saale 44, 60, 79, 172, 218, 220f, 242f, 247, 255, 272, 274f, 280f, 284, 286, 294 Hamburg 26, 33, 37, 112, 118, 123, 145, 183, 194, 221f, 278f Hehlen 68 Heidelberg 32, 172 Heliopolis 38, 174 Helmstedt 36,39,67, 198,210, 240f, 245,253 Helsinki 295ff Hemer 287 Horst 68 Island 119 Italien 36 Jena 72, 76, 81, 117, 123, 198,218, 220, 225, 242, 245f, 252, 287 Jericho 148, 160 Jerusalem 144, 146, 160, 174, 184, 200,207 Joachimsthal 59 Kempten 291 Keresztes 128 Kimito 297 Kleve 59 Kolding 35 Köln 59, 155,225 Königsberg 59, 117, 156,235,286 Kopenhagen 112,277 Komtal 11,294
Lüchow 48 Ludwigsburg 294 Lüneburg 26,31,35,41,54, 70, 77, 106, 123, 149, 168, 210, 212, 218, 225f, 247, 252, 269 Magdeburg 26, 28, 30ff, 45f, 57, 62, 79, 117, 123, 135, 139, 154, 167, 180,190,210,225,244,253,282 Magstadt 293 Mannheim 262 Marburg 59 Mecklenburg 32, 36, 41, 106, 112, 295 Memmingen 244 Menzingen 36 Moskau 119 Mühlhausen 253f Münster 5, 8, 59 Muskau 220 Naugard 225,227 Naumburg 220 Nebra 123 Neustadt/Aisch 278 Niederlande 112,114, 116 Nordhausen 218,245f Norwegen 12, 118f Orleans 59 Oslo 296 Osterburg 48 Osterwohle 68 Paris 59, 183 Perleberg 56 Pfaffenhofen 294 Quedlinburg 210,244,253
Lauban 220 Leiden 59 Leipzig 27, 198, 200, 220, 222, 225, 239,242~245,259,278,289,294
Liebenwalde 221 Liegnitz 237 Litauen 12 Löbau 221 Lobenstein 263 London 32 Lübeck 26, 41, 54, 117f, 142f, 145, 160,247,294
Ratzeburg 68, 225 Remstal 291 Replot 297 Reutlingen 323 Reval 145 Riddagshausen 152,157 Riga 138 Rostock 9,18, 20f, 27,f, 31-41, 44,54, 57, 65ff, 69, 74f, 81, 86f, 89, 91, 93, 106, 112, 117ff, 122, 135, 155ff, 204, 207, 225, 235, 244
357
Stuttgart 224,275,294,297 Süderhausen 221
Rothenburg o.T. 260 Rugendorf 91 Russland 119,296 Saalfeld 220, 285f Salzwedel 7ff, 13, 20, 22ff, 26-32, 35, 38, 42-49, 52, 54--60, 62--65, 69, 74, 79, 111, 113, 116, 120, 122f, 126, 130, 132, 139, 141, 143, 145f, 149, 154, 167, 169, 171-174, 182, 189f, 198,200,204,209,217-220, 247,270, 274f, 277, 283f, 289 Schaumburg 236 Schieswig-Hoistein 277 Schweden 12,41, 118f, 248, 295ff Schwerin 35 Seeg/Allgäu 291 Seehausen 30,48 Sibirien 295 Solingen 287 Sommerfeld 55 Spandau 42, 56, 174f, 270 Speyer 117 Stapen 174,216 Stargard 32 Stendal 48, 55, 127, 154, 196, 244, 275 Stettin 123, 161, 248f Stockholm 248, 296 Stralsund 112, 117ff, 249 Straßburg 36,188,210,246,251,260 Stuhlweißenburg 128
Tallinn 220 Tangennünde 275 Thom 250 TobolskiSibirien 149 Tübingen 32,117,224,239,255,259, 260,263,275,278,288-291,294 Turku 296 Uelzen 50, 54, 113, 126f, 146, 153, 169,183,224 Unterneubrunn 250 Väckelsang/Samaland 295 Västeras 296 Visby 26 Waldensberg 295 Wemigerode 194,284 Wildungen 59 Wismar 26, 36, 117f Wittenberg 27f, 32, 34ff, 39, 41, 45, 47, 56, 66, 68-72, 76f, 79ff, 88, 106, 117, 120, 123, 142, 145, 156, 210, 220, 225, 235, 242,249,251, 275,278 Wolfenbüttel 8, 57, 117, 156 Wolmirstedt 180, 182,275
3. Bibelstellen
Ex 32
188
I Sam 25 125 I Sam 1O,5f.10f155 11 Sam 23,4 152 IReg 17,6
227
Esr 7,43f
173
Jes 2,12 Jes 7,14f Jes 9 Jes 9,1
130 136 215 115
358
Jes 11,1 Jes 11,1-4 Jes 11,3 Jesll,7f Jes 29,24 Jes 32,18 Jes 35,1.7 Jes 41,10 Jes 43,1 Jes 49,8 Jes 49,26 Jes 60,16.18 Jes 61,5 Jes 62,4f
87 132 89 90 115 169 115 121 121 201 115 115 115 115
Jes 64,6 Jes 66,11
90 115
Jer 3,15 Jer 32,38.40f
115 115
Ez36 Ez37 Ez38f Ez43,7
215 121 129 203
Dan 6 Dan 12,3.10
227 203
Am 6,6
113
Hos 2,21
125
Mi 4,8 Mi 4,8-10
131, 146 145
Sach 14,4
173
Ps 1 Ps 2,11 Ps 5 Ps 15 Ps 28 Ps 35 Ps 37,4 Ps 37,25 Ps 40,9 Ps 68,20 Ps 82,6 Ps 89 Ps 92,13-16 Ps 111 Ps 117,2 Ps 118
101 133 101 144 140 154 286 227 272 126f 165 140 289 140 141 140
Hi 6,2f Hi 14,5
138 121
Prov 24,16
101,277
Cant 1,4 Cant 2,1 Cant 2,2 Cant 2,16 Cant 4,1 Cant 4,5
139 87,91,133 90f 91 106 91
Cant 5,6 Cant 5,13 Cant 6,1 Cant6,2f Cant 7,2
82 91 91 148 91, 154
Mt 2,13ff Mt 5,20 Mt 6,24-34 Mt 11 Mt 11,28 Mt 13,12 Mt 22 Mt 24 Mt 24,11
214 242 180 215 82,95,287 108 175 203 203
Mk 1,15 Mk 16,16
182 227
Lk 1,31 Lk2,lOf Lk2,14 Lk 3,2lf Lk 7,13 Lk 10,25-37 Lk 10,40-42 Lk 17,21 Lk22,61f
54 54,131f 174 54 50, 131 53 181 212,226 272
Joh 1,12 Joh 3,14f Joh 6,39f Joh 8,3lf Joh 2,1-11 Joh 13,10 Joh 15 Joh 15,16 Joh 17,23 Joh 19,18 Joh 20,31
258 90 83 54 273 139,154 124 154 165 54 54
Act 2,15-17 Act 20,31
154 115
Röm 1,16 Röm3,23f Röm4,25 Röm4,6-8 Röm 5,5 Röm 6,9.11 Röm 7,24
219 106 54 258 127 258 53
359
Röm 8,9f Röm 8,16f Röm 8,32
97 258 139
I Kor 3,2lf I Kor 6,9 I Kor 15,3f 11 Kor 2,16 11 Kor 6,2
258 102 149 89, 146,219,288 201,258
Ga13,26f Ga14,6 Ga14,7
107 108 258
Eph 1,3.5-8.11f. 18-20 213 Eph 1,9 107 Eph2,4-7 213 Eph 2,8 227,258 Eph 4,13 214 Eph4,29f 286 Eph5 167 Eph 5,26f 96 Eph 5,27 154 Phil2,5-8 Phi13,8
143 90
Kol1,27f Ko13,3f
213 258
Ko13,15 I Thess 4,3f I Thess 4,9 I Tim 2,5 I Tim 4,8 11 Tim 1,13
169 224 109 139 171 108
Tit 3,4 Tit 3,5
133,147 156, 167,227,258
Hebr6,4f Hebr 10,9
258 272
IPetr 1,10f I Petr 2,21-24 I Petr 2,2 I Petr 5,1-4 11 Petr 1,4
215f 143 203,266 63 135, 166,207,279
IJoh 1,7 I Joh 2,2 I Joh 3,2
96 139 88
Apk5 Apk7 Apk 14,8 Apk 19,8 Apk20,7-10 Apk21
53 267 54 154 129 132,167
4. Außerkanonische Stellen
IV Esr IV Esr 5,1.9 IV Esr 9,24 VEsr V Esr 2, 13.36f VI Esr
180,182 203 106, 178 180 182 180
Laod
183-185,258,290
Sir 16,6 Sir 24,18 Sir 26,28-27,1 Sir 39,17f
227 148 119 148
Weish 3,5 Weish 6,20
227 226
360
Sib 11 173 Sib 11,3 199 Sib 11,39 199 Sib m,373.377 200 Sib m,702f.709200 Sib V 173 Sib V,282f 200 Sib VI 173 Sib VI,8 133 Sib VI,69 200 TestXII TestLev TestJud TestDan TestAss
183f 183 183 183 183